BASICS Endokrinologie

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Giemens Marischier

BASICS Endokrinologie

ELSEVIER URBAN & FISCHER

URBAN & FISCHER München ·Jena

Zuschriften und Kritik an: Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Lektorat Medizinstudium , Ka rlstraße 45, 80333 München

e-mail: medizinstud [email protected] Wichtiger Hinweis für den Benutzer

dieses Werkes hat große Die Erkenntnisse in der Medizin ~nt_e rli egen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Erfa hrungen. Der Autor Dosierung u Indikation, hmstchtlich ondere Sorgfalt darauf verwendet, dass dte m dtesem Werk gemachten therapeuusch en Angaben (msbe der Verpfli~~ von nicht aber Werkes dieses r rze Nu den entbindet Das _ unerwünschter Wirkungen) dem derzeitigen Wissensstand entspr.echen. Buch abvv . diesem in denen von Angaben gemachten dort dte ob uberprufen, zu Praparate der versehretben tung, anhand der Beipackzette l zu elchen, und seine Verordnung in eigener Verantwortun g zu treffen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

e Daten sind im Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografisch abrufbar. Internet unter http:/ / dnb.d-nb.de

Alle Rechte vorbehalten

I. Autlage März 2007 © Elsevier GmbH, München

Der Urban & Fischer Verlag ist ein Imprint der Elsevier GmbH. 07

08 09

10

II

5 4

3 2

Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial siehe Abbildungsnachweis. dennoch der Nachweis cl e Der Verlag hat sich bemüht, sämtliche Rechteinhab er von Abbildungen zu ermitteln. Sollte dem Verlag gege nüber r gezahlt. Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar C,renzen des UrheberrechtsDas Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschürzt. Jede Verwertu ng außerhalb der engen Ubersetzungen, Mikroverfil ngen, Vervielfältigu für insbesondere gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt Systemen. n elektronische in mungen und die Einspeicherung und Verarbeitung Programmleitung: Dr. Dorothea Hennessen Lektorat: Willi Haas, Veronika Sonnleitner Redaktion: Dagmar Reiche Herstellung: Christine Jehl Satz: Kösel, Krugzell Druck und Bindung: MKT·Print, Slovenija Covergestaltung: Spieszdesign, Büro für Gestaltung, Neu-Ulm Bildquelle: © DigitaJVision /Gettylmages, München Gedruckt auf I 00 g Nopacoat Edition I, I Volumen Printed in Slovenija ISBN 978·3-437·42266-9 Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevie r.de und www.elsevier.com

Vorwort Als Leser überspringe ich selbst meist das Vorwort. Daher möchte ich hier vor allem praktische Hinweise zur Benutzung dieses Buches geben. Es wurde besonderer Wert darauf ge· legt, klinische Symptome sowie diagnostische und therapeu· tische Vergehensweisen übersichtlich darzustellen. Dieses Buch aus der BASICS-Reihe soll es dem Studenten ermöglichen, begleitend zu einer Famulatur oder einem Praktikum in kurzer Zeit einen Einblick in den praktischen Alltag der Endokrinologie zu bekommen. Daneben findet man sowohl Antworten auf einfache Fragen, die man sich vielleicht keinem Arzt zu stellen traut, als auch Antworten auf komplizierte Mechanismen, die einem auch ein Facharzt nicht immer so schnell erklären kann. Das Buch ist in einen allgemeinen und einen speziellen Abschnitt gegliedert. Im allgemeinen Teil werden grundlegende Begriffe und Mechanismen erklärt, auf die in späteren Kapiteln nicht mehr eingegangen wird. Diese sind vor allem für das Verständnis von diagnostischen und therapeutischen Grundprinzipien von Bedeutung. Der spezielle Teil enthält die häufigsten endokrinen Erkrankungen, die den jeweiligen Organsystemen zugeordnet sind. Dabei findet man zu Beginn eines Kapitels eine Wiederholung physiologischer Grund· lagen. Dies soll helfen, pathophysiologische Mechanismen besser zu verstehen. Mir selbst fällt das Lernen im Allgemeinen leichter, wenn ich die Zusammenhänge kenne. Leider kann man sich jedoch nicht alle Sachverhalte auf logische Weise herleiten. Dennoch hoffe ich, dass durch dieses Buch das Wissen über das breite Gebiet der Endokrinologie auf verständliche Weise nähergebracht wird. Und vielleicht gelingt es mir ja auch,

IV I V einige Leser für diesen faszinierenden Bereich der inneren Medizin zu begeistern. Wegen des wissenschaftlichen Fortschritts sind zahlreiche Vorgehensweisen, die noch vor einigen Jahren gültig waren, nun bereits überholt. Ich habe mich daher auch bemüht, aktuelle Erkenntnisse einzubeziehen. Es kann jedoch aufgrund des Umfangs nicht auf alles detailliert eingegangen werden. Dies kommt dafür dem Leser zugute, der sich nicht mit Details aufhalten möchte. Fürall diejenigen, die sich vertiefend mit der Endokrinologie beschäftigen möchten, ist weiterführende Literatur zu empfehlen. Schließlich möchte ich mich noch bei allen bedanken, die maßgeblich an der Entstehung dieses Buches beteiligt waren. Besonderer Dank gebührt Frau Primar Dr. Wilhelmine Maschek, die ohne zu zögern und mit viel Erfahrung diese Arbeit betreut hat. Aufgrund des umfassenden Themenbereiches war ich auf die Hilfe weiterer Fachärzte angewiesen. Ich bedanke mich besonders bei Primar Prof. Dr. Georg Biesenbach, Dr. Eva Bentz, Prof. Dr. Georg Schatz! und Dozent Dr. jörg Berg für die Korrektur einzelner Kapitel. Große Unterstützung habe ich auch durch zahlreiche Kommilitoninnen und Kommilitonen, insbesondere Andreas Pollreisz und Hans Christian Lederhuber, durch meine Familie und nicht zuletzt durch die Lektorinnen Willi Haas und Veronika Sonnleitner (Elsevier, Urban & Fischer Verlag) und die Redakteurin Dagmar Reiche (Sprachquadrat) bekommen.

Wien, im Frühjahr 2007

Clemens Marischier

Inhalt A Allgemeiner Teil Grundlagen ................... . . . ... . . .

I I I I

Physiologische Grundlagen I .............. . Physiologische Grundlagen II .............. . Physiologische Grundlagen III ... .. .. . ..... . Grundlagen endokriner Störungen .... .. . . .. .

Diagnostik und Therapie . .... .. . ... . . .. .

I I I I I

Anamnese und körperliche Untersuchung .. .. . Weiterführende Untersuchungen ........... . Therapie ............................. . Wasserhaushalt .. ..... . ............ .. .. . Ausgewählte Elektrolytstörungen ... . ... .... .

1-15 1_7

Nebenschilddrüse und Knochenstoffwechsel ...... ... .. .. .... .. ............

I Physiologie .... . .. . . . .... ... . ......... . 2 . .. ... . ....... . 4 I Hyperkalziämie . . ...... .. I Hypokalziämie ........ . .... ............ . 6 I Osteomalazie und Rachitis ................ . 7 I Osteoporose I . .............. . . . . . ..... . I Osteoporose II . ....... . ....... .. ...... . . 8-15 8 10

62 - 73

62 64

66 68 70 72

Nebenniere ....... ... .......... .. ..... .

74-87

I Physiologie I .......................... . 12 Physiologie li .. ....... ... ....... . ..... . I 13 ........... . .. . .. ... .. . Cushing·Syndrom I 14 I Hyperaldosteronismus . . ...... ... ...... .. . I Adrenale Hyperandrogenämie . . ........... . B Spezieller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 - 111 I Nebennierenrindeninsuffizienz . ... . ....... . I Phäochromozytom .................... . . Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel ..... . 16-35

74 76

I I I I I I I I I

Kohlenhydratstoffwechsel . ........... .. .. . Diabetes mellitus - Klassifikation und Klinik I .. Diabetes mellitus- Klassifikation und Klinik II .. Diabetes mellitus - Diagnostik . . ......... .. . Diabetes mellitus - Komplikationen I ........ . Diabetes mellitus - Komplikationen II ....... . Diabetes mellitus -Therapie I ............. . Diabetes mellitus -Therapie II ... . . . . . . .. . . Fettstoffwechsel .. ... ... . .. .. .. .... ... . .

Hypothalamus - Hypophyse ... . .... .... .

I I I I I

Physiologie und Diagnostik .... ... ... . ... . . Hypophysentumoren .................... . Akromegalie .......................... . Hypopituitarismus ...... . . .. . ... . .... .. . . ADH·Störungen .................. . .... . .

18

20 22 24 26

84

86

Gonaden- Mann . .. . .. . .. . . . .. .. ...... .

88-93

I Entwicklung und Physiologie der Testes .. .... . I Männlicher Hypogonadismus I . ... . ... . . .. . I Männlicher Hypogonadismus 11 ..... .... ... .

88 90

92

28

. .................. 94-103 30 Gonaden - Frau ..... 32 I Entwicklung und Physiologie der Ovarien .... . 34 I Amenorrhö I . ..... .. ...... . ........... . I Amenorrhö li . ...... . ... .. ... ..... .. .. . 36-45 I Polyzystisches Ovar·Syndrom (PCOS) ....... . I Klimakterium ......................... . 36 I Hormonelle Kontrazeption .. . .. . ... .. .. .. . 38 40

42 44

Schilddrüse ......... .... .... ......... .

46-61

Anatomie und Physiologie ...... . .... . ... . . Schilddrüsendiagnostik ............ .. .... . Struma und solitärer Knoten .. .. .......... . Funktionsstörungen I . . ... .... ....... . . . . Funktionsstörungen I! ... .. ....... . ...... . Funktionsstörungen III .................. . Thyreoiditiden ........................ . Schilddrüsenmalignome .. .. .... . ... .... . .

46

I I I I I I I I

78 80 82

48 50

Spezielle Themen ........ .. ...... ... .. . I 04-111

I I I I

Multiple endokrine Neoplasie (MEN ) ... . .. . . Polyglanduläres Autoimmunsyndrom (PAS) ... . Paraneoplastische Syndrome ... . ...... .... . Doping ................ . . ... . .. .. . .. . .

104 106 108

li 0

C Fallbeispiele . ..... ... .... . .... .. . .. 112 - 121

52 I Fall 1: Starker Durst und Polyurie . . . . . . . . . . .

I 14

54 I Fall 2: Gewichtszunahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I Fall 3: Hirsutismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1 Fall 4: Knochenschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . 60

11 6 118 120

D Anhang . . ........... . ............. . 122 - 129 Register . . .. .. . ... . ........... . . . ..... 130- 134

...

Abkürzungsverzeichnis A., Aa. Abb. ACE Acetyl·CoA ACTH ADH ADP ACE AGS Al RE AK AMP AN ANP AP APECED

AT II ATP

Al

BB

Arteria, Arteriae Abbildung Angiotensin-converting-Enzym Acetyl-Coenzym A adrenokortikotropes Hormon antidiuretisches Hormon (=Vasopressin) Adenosindiphosphat advanced glycation endproducts adrenogenitales Syndrom Autoimmune·Regulator Antikörper Adenosinmonophosphat Anorexia nervosa atriales natriuretisches Peptid alkalische Phosphatase autoimmune Polyendokrinopathie-Candidiasis· ektodermale Dystrophie Angiotensin II Adenosintriphosphat Allgemeinzustand

BE BGA BMD BMl BSG BZ bzw.

Blutbild Broteinheit BI utgasanalyse Knochenmineraldichte (bone mineral density) Body-Mass-lndex Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit Blutzucker beziehungsweise

Ca 2+ cAMP CBG CCK CETP CGH cGMP CK CMV COMT CRH CRP CT

Kalzium zyklisches Adenosinmonophosphat kortisolbindendes Globulin Cholezystokinin Cholesterinester-Transferprotein Komparative genornisehe Hybridisierung zyklisches Guanosinmonophosphat Kreatinkinase Zytomegalievirus Katecholamin-0-Methyltransferase Corticotropin·releasing-Hormon C-reaktives Protein Computertomographie, Computertomogramm

DD d.h. DHEA DHEAS DHT Diff·BB DNA

Differentialdiagnose das heißt Dehydroepiandrosteron Dehydroepiandrosteronsulfat Dihydrotestosteron Differentialblutbild deoxyribonucleic acid (= Desoxyribonukleinsäure, DNS) Desoxykortlkosteron Dual-X-Ray-Absorptiometrie

DOC DXA EEG EGF EIA EKG ELISA EPO etc. evtl.

Elektroenzephalographie, Elektroenzephalo· gramm epidermal growth factor enzyme·linked immunoassay Elektrokardiographie, Elektrokardiogramm enzyme-linked immunosorbent assay Erythropoetin et cetera eventuell

VI FOG FISH FIT FMTC FNP FSH

IT3 IT4 GADA GDP GEP ggf. GH GHIH GHRH

I VII

Fluordesoxyglukose Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung funktionelle Insulintherapie familial medullary thyroid carcinoma Feinnadelaspirationspunktion follikelstimulierendes Hormon freies Triiodthyronin freies Thyroxin

GnRH GTP

Antikörper gegen Glutamatdecarboxylase Guanosin-5' -diphosphat gastroenteropankreatische Tumoren gegebenenfalls growth hormone (Wachstumshormon) Somatostatin (Growth·Hormone·inhibiting-Hormon) Growth·Hormone-releasing-Hormon (= Somatoliberin) Gammacarboxyglutamat-Protein glucagon·like peptide (= Liraglutide) Granulozyten-Makrophagen·koloniestimulierender Faktor Gonadotropin-releasing-Hormon Guanosin-5'-triphosphat

Hb HbA1c hCG HOL HET Hg 5-HIES Hkt HLA hMG HMV HPT 5-HT HVL HWZ

Hämoglobin C-Fraktion des glykosylierten Hämoglobins humanes Choriongonadotropirr High-Density-Lipoprotein Hormonersatztherapie Quecksilber 5-Hydroxyindolessigsäure Hämatokrit human leukocyte antigen humanes menopausales Gonadotropirr Herzminutenvolumen Hyperparathyreoidismus 5-Hydroxytryptamin (= Serotonin) Hypophysenvorderlappen Halbwertszeit

lAA

IHH i.m. INR IP 3 i.S. i.v. IVF

Insulinautoantikörper Antikörper gegen Tyrosinphosphatase Inselzellantikörper lntermediate-Density-Lipoproteine in der Regel Insu!ineinheit/lnternationale Einheit impaired fasting glucose (gestörte Nüchternglukose) lnterferon-a insulin-like growth factor 1 impaired glucose tolerance (gestörte Glukosetoleranz) idiopathischer hypogonadotroper Hypogonadismus intramuskulär International Normalized Ratio lnositoltriphosphat im Serum intravenös ln·vitro-Fertilisation

KEV KG KH KHK KI

konstitutionelle Entwicklungsverzögerung Körpergewicht Kohlenhydrat(e) koronare Herzkrankheit Kontraindikation( en)

GLA-Protein GLP·l GM-CSF

IA-2A !CA IDL i.d.R. IE IFG IFN·o. IGF-1 IGT

Abkü rzu ngsverzeich nis LADA LDL LH Lj. LPL

latent autoimmune diabetes mellitus in adults Low-Density-Lipoprotein luteinisierendes Hormon Lebensjahr Lipoproteinlipase

M., Mm. M. MAO MEN MIBG

Musculus, Musculi Morbus Monoaminooxidase multiple endokrine Neoplasie Metaiodbenzylguanidin [mit 126 1oder 1311markiertes Noradrenalin-Analogon) 2-Methoxy-2-Methylpropyl-lsonitril [mit 99mTc markiertes Radiopharmakon zur Tumorszintigraphie) Minute[n) Million(en) maturity-onset diabetes of the young Mineralokortikoidrezeptor Botenribonukleinsäure [messenger RNA) Magnetresonanztomographie, Magnetresonan ztomogramm melanozytenstimulierendes Hormon

M!Bl

Min. Mio. MODY MR mRNA MRT MSH

NSAR NW

Nervus, Nervi Noradrenalin Natriumchlorid Nebennierenmark Nebennierenrinde Stickstoffmonoxid neutrales Protamin Hagedorn [Insulin, das auf dem von Hagedorn 1936 eingeführten Verzögerungsprinzip durch Protamin beruht) nichtsteroidale Antirheumatika Nebenwirkung[en)

o.Ä. OAD oGTT

oder Ähnliches orales Antidiabetikum oraler Glukosetoleran ztest

PAS pAVK PCOS PET PGE pHPT PIF PlP2 POMC PP PPAR

polyglanduläres Autoimmunsyndrom periphere arterielle Verschlusskrankheit polyzystisches Ovar-Syndrom Positronenemissionstomographie Prostaglandin E primärer Hyperparathyreoidismus Prolaktin-inhibiting-Faktor Phosphatidylinositoldiphosphat Proopiomelanocortin pankreatisches Polypeptid Peroxisomen-Proliferator-aktivierter Rezeptor

N. , Nn. NA Na Cl NNM NNR NO NPH-Jnsulin

PPV prim . PRL PSA PTH PTHrP

positive predictive value [positiver Vorhersagewer t) pnmar Prolaktin prostataspezifisc hes Antigen Parathormon parathormone-related peptide

qCT

quanti tative Computertomographie

RAAS RAN K RAN KL RF RGP RIA RlT RMP RNA Rö·Thorax RR rT3

Renin-Angiotensin-Aldosteron-System receptor activator of NF-KB receptor activator of NF-KB Iigand Raumforderung relative glukokortikoide Potenz Radioimmunoassay Radioiodtherapi e relative mineralokortiko ide Potenz Ribonukleinsäure Röntgen-Thorax Blutdruck [Riva-Rocci) reverses Triiodthyronin

s.c. SD Sek. sek. SERM SH SHBG sHPT s. 0 . sog. SRY SSRI Std . s. u. Syn.

subkutan Schilddrüse Sekunden sekundär selektive Östrogen-Rezeptor-Modulatoren Sulfonyl harnstoff[e) sexualhormonbindendes Globulin sekundärer Hyperparathyreoidism us siehe oben so genannt sex-determining region of Y selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Stunde[n) siehe unten Synonym

T3 T, TA Tab. TBC TCA Tc TU TESE TG Tg Tg-AK TGF-ß THG TlA

Triiodthyronin Thyroxin Transaminase[n ) Tabelle thyroxinbinde ndes Globulin trizyklisches An tidepressivum Technetium-Pertechnetat thyreoid aler Uptake testikuläre Spermienextraktion Triglyzeride Thyreoglobulin Antikörper gegen Thyreoglobulin transforming growth factor-ß Tetrahydrogestrinon transien te ischämische Attacke

IX IIX

I

TNF TPO TPO-AK TRAK TRH TSH

Tumor-Nekrose-Faktor thyreoidale Peroxidase Antikörper gegen thyreoidale Peroxidase Anti-TSH-Rezeptor-Antikörper Thyreotropin-releasing-Hormon thyreoideastimulierendes Hormon

u.a. u.Ä. UKPDS

u.U. u.v.a.

unter anderem und Ähnliche United Kingdom Prospective Diabetes Study Ultraschall unter Umständen und viele andere

V., Vv. V.a.

Vena, Venae Verdacht auf

us

v.a. VIP VLDL

vor allem vasoaktives intestinales (Poly-) Peptid Very·low-Densi ty- Lipoproteine

WADA WH! WHO WHR Wo. WS

World Anti-Doping Agency Women's Health Initiative World Health Organization waist-to-hip ratio Woche(n) Wirbelsäule

Z. n. ZNS z.T. ZVD

Zustand nach zentrales Nervensystem zum Teil zentraler Venendruck

Grundlagen

2 4 6 7

Physiologische Grundlagen I Physiologische Grundlagen II Physiologische Grundlagen 111 Grundlagen endokriner Störungen

Diagnostik und Therapie

8 10 12 13 14

Anamnese und körperliche Untersuchung Weiterführende Untersuchungen Therapie Wasserhaushalt Ausgewählte Elektrolytstörungen

Physiologische Grundlagen I Hormone

Die Endokrinologie ist die Lehre von der inneren Sekretion von Hormonen du rch Drüsen und deren Störungen. Man unterscheidet drei Gruppen hormoneller Systeme:

Das endokrine System wirkt über Hormone. Das Wort Hormon stammt aus dem Griechischen und bedeutet "antreiben", "erregen".

t Endokrines System: Durch Hormone werden entfernte Organe oder periphere endokrine Drüsen gesteuert (I Abb. I). t Neurokrines System: Hormone sind Informationsträger der neuro· nalen Übertragung. t Autokrin·parakrines System: Durch Hormone steuert die Zelle sich selbst (autokrin) oder die benachbarte Zelle (parakrin).

Das endokrine System dient zur Steuerung und Regulierung nahezu aller Funktionen des Körpers wie Stoffwechsel, Wachstum, Entwick· lung, Fortpflanzung, Stimmung, Verhalten sowie der Homöostase, also der Herstellung eines dynamischen Gleichgewichts des inneren Milieus im Organismus. Darunter fällt die Regulation des Blutkreis· !aufs, der Körpertemperatur, des Säure·Basen·Haushalts, des Wasser· und Elektrolythaushalts. Die Homöostase wird nicht nur durch das endokrine System, sondern in enger Zusammenarbeit mit dem ZNS und dem Immunsystem gewährleistet.

Hormone slnd essentielle Botenstoffe, die in spezialisierten Zellen gebildet werden, bereits in sehr kleinen Konzentrationen wirken und über die Blutbahn (klassische endokrine Wirkung) oder durch Diffusion im Gewebe (parakrine und autokrine Wirkung) ihre Zielzellen erreichen.

Hormone wirken über Rezeptoren, die sich an der Zellmembran, im Zytoplasma oder im Zellkern der Zielzellen befinden (I S. 4 f.). Glandotrope Hormone (z. B. TSH, ACTH) wirken auf Rezeptoren von untergeordneten Hormondrüsen während nichtglandotrope Hormone (z. B. Thyroxin, Kortisol) auf Rezeptoren von nichtendo· krinen Zellen wirken. Dabei sind Horm one v.a. für die langsame und längerfristige Übertragung von Signalen zuständig. In Abhängigkeit von der Hormonsynthese und den Rezeptoren setzt ihre Wirkung innerhalb von Sekunden bis Stunden ein .

Klassifikation

Hypothalamus CRH, TRH, GHRH, Gn RH, Dopamin, SomatastaUn

Hypophyse - - -- - -- I - -_.,...,:\,'%::-'-1!-H-- - Zirbeldrüse (Epiphyse) Vorderlappen; ACTH, LH, FSH, Prolaktin, GH, TSH Hinterlappen; Oxytozin, ADH Schilddrüse ------:=~-/r:\.1~ Thyroxin, Ka lzitonin

- -- +

Thymus - - - - - 1'---Beim Erwachsenen ohne Bedeutung

Nebennieren _ _ __

Langerhans· Inseln Im Pankreas Insulin, Glukagon ..".__.;c___y

'? .....-.;;-.o=--+-- - - - Ova rien

Rinde: Kortisol, Aldostero n,

Androgene

Östrogene, Progesteron, Androgene, lnhibin

Mark: Adrenalin, Noradrenalin

rf

,.....'\,------+ -- - - - Hoden Testosteron, lnhibin

I

Abb. 1: Übersic ht über die wichtigsten Orga ne des klassischen endokri nen

Syst ems und ih re Hormon e. [2 1[

Peptid-/ Proteehormone

Glykoproteine

ACTH, GH, Prolaktin, ADH, Oxy·

Gonadotropine (FSH, LH, hCG),

tozin, Kalzitonin, PTH, Insulin,

TSH

• Peptid· und Proteohormone: Bei Molekülen bis ca. 100 Aminosäuren spricht man von Peptiden, darüber von Proteinen. t Glykoproteine entstehen durch die Anlagerung von Zuckergruppen (G!ykosylierung) an die Aminosäuren, was die Rezeptorbindung und Halbwertszeit beeinflusst. Diese Hormone besitzen alle eine identische a ·Einheit und unterscheiden sich nur in der für die biologische Wirkung verantwortlichen ß·Untereinheit. • Von Aminosäuren abgeleitete Hormone: Ausgehend von Tyrosin oder Tryptophan entstehen Amine oder Aminosäurederivate. t Steroidhormone: Ihre Grundstruktur ist das Cholesterin. t Von ungesättigten Fettsäuren abgeleitete Hormone Peptid- und Proteohormone, Glykoproteine Peptide entstehen durch Translation der mRNA am Ribosom . Aus diesem Prä· Prohormon wird durch posttranslationelle Mod ifikation das inaktive Prohormon gebildet. Dabei entstehen ggf. durch Anlagerung von Zuckergruppen Glykoproteine. Durch Abspaltung des Propeptids

Von AS abgeleitete Hormone

Stereidhormone

Von ungesättigten FS abgeleitete Hormone

T3, T,, Noradrenalin, Adrenalin,

Östrogene, Gestagene, Androgene, Glukokortikoide. Mi neralokortikoid e, Vitamin D

Prostagl andine u.

Dopamin, Serotonin

Glukagon, Somatostatin, PP, CCK, Ghrelin, Angiotensin , IGF-1, Erythropoetin

1 Tab .

Die Einteilung der Hormone ist auf verschiedene Arten möglich: nach Bildungsort (glanduläre Hormone in endokrinen Drüsen, neuro· sekretorische Hormone im Nervengewebe, Gewebshormone), nach Ursprungsorgan (z. B. Pankreas·, Nebennieren·, Hypophysenhor· mone), nach Wirkort und Funktion (im Hypothalamus gebildete Inhibiting· und Releasing·Hormone, in der Hypophyse gebildete "·trope" Hormone, die nach dem Zielgewebe bezeichnet werden, das zur Hormonausschüttung angeregt wird , z. B. thyreotropes Hormon) SOWie nach der chemischen Struktur. Bei Letzterer unterscheidet man fünr Gruppen (ITab. I ):

1: Einteil ung von Hormone n n ach ihrer chemisch en Struktur.

(steroidiihnlich)

a. Eikosanoide

Grundlagen

entsteht schließlich das biologisch aktive Hormon. Die Hormone wer· den in sekretorischen Granula gespeichert und durch Exozytose frei· gesetzt. Sie haben meist ein großes Molekulargewicht. Peptidhormone sind hydrophile Hormone und im Blut gut löslich. Sie benötigen keine Transportproteine. Eine Ausnahme bilden IGF·l (insulin·like growth factor·l) und Wachstumshormon (GH), die spe· zielle Bindungsproteine besitzen. Der Abbau von Peptidhormonen erfolgt durch Peptidasen. Dadurch entstehen inaktive bzw. wenig ak· tive Metabolire des Hormons. Amine Die Katecholamine (Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin) entstehen in adrenergen, postganglionären Nervenendigungen, im Nebennieren· markund im ZNS aus Tyrosin (I Abb. I, S. 86). Katecholamine haben eine kurze Halbwertszeit und werden ebenfalls in Vesikeln gespei· chert. Sie werden enzymatisch durch die MAO (Monoaminooxidase) und die COMT (Katecholamin.O.Methyltransferase) abgebaut. Dia· gnostisch bedeutsam ist der Nachweis der Metaboliten Normeta· nephrin und Metanephrin (Messung der Konzentration im Urin zur Diagnose des Phäochromozytoms). II Serotonin (5-Hydroxytryptamin) wird aus der Aminosäure Trypto· phan ln den enterochromaffinen Zellen (EC) der Darmschleimhaut und in den Raphekernen des ZNS gebildet. Das Serotonin in Thrombo· zyten stammt aus EC-Zellen und wird bei der Darmpassage aufgenommen. Der Abbau erfolgt ebenfalls durch die MAO. t Aminosäurederivate: Im Vergleich zu anderen Hormonen ist die Halbwertszeit von Thyroxin mit etwa 7- I 0 Tagen um ein Vielfaches länger. Mehr zum Metabolismus der Schilddrüsenhormone auf Seite 46 f. ~

Steroidho rmone Cholesterin wird mit der Nahrung aufgenommen oder aus Acetyl·CoA synthetisiert. In den hormonbildenden Zellen folgt die Umwandlung zu Pregnenolon als gemeinsame Ausgangssubstanz fü r die Steroidsynthese (I Abb. I, S. 74). Die lipophilen Steroidhormone können nicht in der Zelle gespeichert werden, sondern diffundieren durch die Plasmamembran. Eine erhöhte Sekretion ist also nur über einen Anstieg der De-novo-Synthese möglich. Stereidhormone werden vorwiegend in der Leber durch Biotransformation inaktiviert. Dabei werden in Phase I funktionelle Gruppen ein· geführt oder freigelegt, an die in der Phase II polare Moleküle wie Glukuron- oder Schwefelsäure gekoppelt werden. Dadurch wird die Löslichkeit der Steroide im Blut erhöht. Die Ausscheidung erfolgt über den Harn und die Galle. Nur ein geringer Anteil wird unverändert renal eliminiert. Die Halbwertszeit kann bis zu mehreren Stunden be· tragen. Von ungesättigten Fettsäu ren abgeleitete Hormone Arachidonsäure entsteht durch Abspaltung von Membranphospholipi· den durch die membranständige Phospholipase A2• Die Derivate der Arachidonsäure (Eikosanoide) werden auch als Gewebshormone bezeichnet. Zu ihnen gehören die cyclooxygenaseabhängigen Prosta-

213

glandine und Thromboxane sowie die 5-Lipoxygenase-abhängigen Leukotriene. Sie kommen fast im gesamten Organismus vor und werden auf verschiedene Reize hin neu synthetisiert und freigesetzt. Sie werden rasch enzymatisch und nichtenzymatisch inaktiviert und sind vor allem lokal wirksam.

Transport Lipophile Hormone (z. B. Steroid- oder Schilddrüsenhormone) sind im Blut nichtkovalent an Transportproteine gebunden, die ihre Löslich· keit erhöhen. Diese Proteine werden in der Leber gebildet und binden Hormone mit unterschiedlicher Affinität. Nur ein geringer Hormonanteil zirkuliert frei. Es stellt sich dabei ein Gleichgewicht zwischen gebundenem und ungebundenem Anteil ein. Nur die ungebundene Fraktion ist für die Hormonwirkung verantwortlich.

Albumin ist das wichtigste Bindungsprotein mit der größten Bindungs· kapazität, aber geringer Affinität. Eine höhere Bindungsaffinität haben spezielle Transportproteine (ITab. 2). Eine Erhöhung der Transportproteine wie SHBG, TGB und CBG tritt in der Schwangerschaft, durch orale Kontrazeptiva (Östrogenwirkung) oder bei einer Hyperthyreose ein. Zu einer Erniedrigung können hin· gegen Androgene, Glukokortikoide, Progesteron, Insulin und GH oder ein nephrotisches Syndrom (Eiweißverlust) führen. Bei Veränderungen des Transportproteinspiegels kommt es bei einem intakten hypothalamisch-hypophysären Regelkreis zu einer Anpassung der Gesamthormonkonzentration, während die Konzentration an freien Hormonen konstant bleibt. Eine Erhöhung der Transportproteine führt also auch zu einer Erhöhung der Gesamthormonkonzentration. Bei funktionierenden Rückkopplungsmechanismen ergeben sich daraus jedoch keine endokrinalogischen Funktionsstörungen!

Zusammenfassung . • Das endokrine System steuert zahlreiche Funktionen des Organismus. • Hormone vermitteln Botschaften über Rezeptoren an teilweise weit entfernte Zellen. • Hormone kann man nach dem Bildungsort und Ursprungsorgan, dem Wirkort und der Funktion sowie

I

Transportprotein

Hormone

der chemischen Struktur einteilen. Sie unterscheiden

TBG (thyroxinbindendes Globulin) Transthyrelin (keine Bindung von 13 )

Thryroxin (T,), Triiodthyronin (T3)

sich auch in der Art der Synthese, der Freisetzung,

CBG (kortisolbindendes Globulin)

Kortisol, Progesteron

SHBG (sexualhormonbindendes Globulin)

Östrogen, Testosteron

Tab. 2: Hormone und ihre Transportprote ine.

des Transports und der Elimination. • Transportproteine erhöhen die Löslichkeit von hydrophoben Hormonen.

Physiologische Grundlagen II I Abb . 2: Durch Aktivierung eines G,-(stimulie rend ) oder G,-(inhibi erend)-Proteins kommt es zu einer Stimu lation bzw. Hemmung der membranständigen Adenylatcyclase (AC). die in weiterer Folge aus ATP den Seco nd-Messe nger cAMP bild et. Di eses wird durch Phosphodiestera se n (PDE) zu AMP in aktivie Durch Aktivierung der Phosph olipase C (PLC) werden lnos itoltriphosph at (I p~­ und Diacylglycerol (DG) aus dem Mem branphospholipi d Ph osphatidy l i n os ito ~­ diphosphat (PIP 2 ) gebi ld et. Anders als beimcAMP-Systemfehlt hier ei n hem mender Faktor der PLC. Daneben können die Untereinh eiten auch direkt an Ionenka näle binden und diese hemmen oder errege n. 1I]

Rezeptoren Hormone vermitteln ihre Botschaft über Rezeptoren an die Zielzellen. Eine nichtkovalente (reversible) Bindung des Hormons führt zu einer Konformationsänderung des Rezeptors, die eine weitere Fortleitung des Signals (Signaltransduktion ) oder die Expression bestimmter Gene bewirkt. Entscheidend bei diesem Vorgang sind eine hohe Bindungsaffinität und Spezifität des Hormons zu seinem Rezeptor. Dadurch werden die Rezeptoren auch durch sehr niedrige Hormonkonzentrationen zwischen J0-9 und l Q- 11 molll aktiviert. Membranreze ptoren Heptahelikale Rezeptoren Heptahelikale Rezeptoren sind membranständig und besitzen sieben transmembranäre Helices (schraubenförmig angeordnete Polypeptidketten). Bei der Bindung des Liganden an den Rezeptor kommt es zur Aktivierung eines G-Protelns, bestehend aus einer a · und einer ßy-Untereinheit. Dies führt zu einem Austausch von GDP durch GTP an der a ·Untereinheit und einer Dissoziation der Untereinheiten, die dann jeweils unterschiedliche membranständige Effektoren aktivieren. Dabei kann ein G·Protein mehrere Effektoren aktivieren, die in weite· rer Folge mehrere Second-Messenger bilden können, was zu einer kaskadenartigen Verstärkung der Signaltransduktion führt. Je nach Verlauf der Signaltransduktion unterscheidet man verschiedene G-Proteine (I Abb. 2). Nach Hydrolyse des GTP zu GDP an der a -Untereinheit bindet diese erneut an die ßy·Untereinheit, wodurch das G·Protein inaktiviert wird . In weiterer Folge werden durch Second-Messenger zahlreiche Zellfunktionen beeinflusst. Zum Beispiel aktiviert cAMP eine Kinase (ein Enzym, das durch Phosphorylierung eine Aktivitätsänderung von Zellproteinen bewirkt). IP 3 setzt über einen eigenen Rezeptor Kalzium aus dem endoplasmatischen Retikulum frei, das wie cAMP eine Protein-

kinase aktiviert. Kalzium ist der einfachste Botenstoff in der Zelle, und auch zahlreiche weitere Reaktionen werd en durch ein Kalziumsignal ausgelöst, z. B. die Kontraktion von Myofibrill en oder die Sekretion von Hormonvesikeln. Diacylglycerol ist das zweite Produkt von P!P 2 und aktiviert die Proteinkinase C, die ebenso Zellproteine phosphoryliert. Hormone, die über heptahelikale Rezepto ren wirken, sind z. B. ADH, Angiotensin II , TSH, Adrenalin oder Dopamin. Die Wirkung tritt schnell em, da d1e Zellproteine, die sie in ihrer Aktivität beeinflussen ' nicht neu gebildet werden, sondern bereits vorhanden sind. Ligandengesteuerte Ionenkanäle Serotonin kann sowohl über spezifische heptahelikale Rezeptoren als auch über den ionotropen 5-HT 3-Rezeptor wirken. Dieser Ionenkanal besitzt dabei selbst eine Bindungsstelle für Serotonin. Die klinische Bedeutung des 5-HT 3-Rezeptors besteht darin, dass sich durch 5·HT3-Antagonisten z. B. zytostatikainduziertes Erbrechen hemmen lässt. Rezeptorproteinkinasen Verschiedene Hormone, die für die Proliferation und Di ffe renzierung der Zelle verantwortlich sind , wirken über Rezeptorproteinkinasen. Eine Bindung des Liganden führt dabei zu einer Dimerisierung von zwei Rezeptormolekülen (I Abb. 3).

t Die Rezeptoren für Insulin , IGF-1 oder EGF (epid ermal growth factor) werden dabei selbst am Tyrosin phosphorylien (Autophosphorylie rung) und aktivieren weitere Signalkaskaden, die auf die Zellproliferation Einfluss nehmen. t Anders führen Erythropoetin oder lnterleukine du rch Rezeptor· dimerisierung zur An lagerung einer weiteren Tyrosinkinase (JAK: just another kinase), die danach aktiviert wird. Der Rezeptor selbst besitzt jedoch keine Kinaseaktivität in wei terer Folge kommt es zur Expression bestimmter Differenzierungsgene.

Hormon

~ Dimerisierung

HO~ Substratprotein

-------+ phosphoryliertes Protein

I Abb . 3: Schema von Rezeptortyrosin kinasen: Die Bindung von Hormonen wie Insulin oder EGF führt zur Bildung ein es Rezepto rdim ers mi t Au tophosphoryli erun g und Phosphoryli erun g anderer Prot eine. 1lJ

Grundlagen

415

I Abb. 4: Sc hematisc he Darstellu ng des Wirkmechanismus von in traze llulären Rezeptoren. ]8]

Guanylylcyclase Über cGMP, einen weiteren Second-Messenger, wirken Stickstoffmonoxid (NO), atriales natriuretisches Peptid (ANP) und andere vaseaktive Peptide. Im Gegensatz zu NO, das eine zytosolische Guanylylcyclase stimuliert, wird durch ANP eine membrangebundene Form des Enzyms aktiviert.

Intrazelluläre Rezeptoren Lipophile Hormone wie Vitamin D, Steroid- oder Schilddrüsenhormone diffundieren durch die Zellmembran und binden im Zytosol oder Zellkern an ihre Rezeptoren, die als Transkriptionstaktoren agieren (I Abb. 4). Dabei können nur Hormone diffundieren, die nicht an Transportproteine gebunden sind. Ihre Rezeptoren besitzen eine hormon- und eine DNA-bindende Domäne.

Mechanismen mit DNA- Bindung (genomisch) Steroidrezeptoren haben normalerweise ein Hitzeschockprotein (HSP) gebunden, das die Wanderung des Rezeptors in den Kern verhindert. Bindet ein Ligand (Hormon) an den Rezeptor, so kommt es zu einer Konformationsänderung mit Dissoziation des Hitzeschockproteins und zur Translokation in den Nukleus. Dort erfolgt die Anlagerung der DNA-bindenden Domänen eines Rezeptordimers an regulatorische

Genabschnitte. Weitere Koaktivatoren sind nötig, um die DNA zu entwinden. Dies geschieht u. a. durch Azetylierung der Histone, um welche die DNA gewickelt ist. Die Anlagerung der RNA-Polymerase II an die DNA induziert schließlich die Bildung der mRNA (Transkription). Da die Hormonwirkung bei der Transkription über eine De-novoProteinsynthese entsteht, dauert es natürlich längere Zeit, bis die Proteine synthetisiert und für ihre Funktionen modifiziert werden. Die genornisehe Wirkung von Steraiden setzt daher nach frühestens 1- 2 Stunden ein.

Mechanismen ohne DNA-Bindung (nichtgenomisch) Neben dem beschriebenen aktivierenden Effekt auf die Proteinsynthese (Transaktivation) gibt es für den Glukokortikoidrezeptor auch einen weiteren Mechanismus ohne DNA-Bindung, bei dem es zu einer Hemmung anderer Transkriptionstaktoren kommt (Transrepression, z. B. durch Hemmung der Histonazetylierung). Bei hoher Kortikosteroiddosis beobachtet man auch Effekte, die früher als beim genemischen Mechanismus eintreten. Neuere Untersuchungen zeigen eine Wirkung von Glukokortikoiden in höheren Konzentrationen, die wahrscheinlich über Membranrezeptoren ausgelöst werden. Schnelle, nichtgenomische Effekte wurden auch für andere Hormone wie östradiol, Progesteron, Thyroxin und Vitamin D beschrieben.

Zusammenfassung • Hormone binden reversibel mit hoher Affinität an ihre Rezeptoren. • Second-Messenger haben über Kinasen Einfluss auf Zellproteine. Die Aktivität von Proteinen wird durch Phosphorylierung verändert. • Das Second-Messenger-Signal wird in einer kaskadenartigen Transduktion verstärkt. • Steroid- und Schilddrüsenhormone bewirken über eine Bindung an intrazelluläre Rezeptoren die Expression bestimmter Gene.

Physiologische Grundlagen 111 I Abb . 5: Schema eines Rege lkreisesa m Bei spiet

Regelkreise Die Hormonkonzentration ist abhängig von der Sekretion und der Eliminationsgeschwindigkeit. Entscheidend für eine exakte Steuerung der Hormonausschüttung durch endokrine Drüsen und damit der Hormonkonzentration ist die Rückkopplung durch Regelkreise. Für eine schnelle Regulation ist dabei besonders eine kurze Halbwertszeit des Hormons notwendig. Ein Beispiel für einen direkten FeedbackMechanismus ist die Konstanthaltung der Blutglukosekonzentration (I Abb. 5). Hier beeinflusst Insulin die Glukosekonzentration. Andererseits hat der Blutzucker direkten Einfluss auf die Hormonsekretion. Ebenso können auch andere Größen wie Elektrolytkonzentrationen (Parathormonausschüttung bei Hypokalziämie) oder die Osmolalität (erhöhte Osmolalität steigert die ADH-Sekretion) eine direkte Rückkopplung auf die Hormonfreisetzung bewirken. Im hypothalamisch-hypophysären Regelkreis führt das Endhormon (z. B. Kortisol) zu einer negativen Rückkopplung (negativer Feedback-Mechanismus) auf Ebene des Hypothalamus und der Hypophyse, wodurch die Hormonausschüttung gebremst wird. Eine Ausnahme stellt die positive Rück-

der Blu tglukos ek onze ntration: Der Regler (B-Zelle) ve rgleicht Sol lwert m1t Istwert und beein flusst die periphere Rege lstrec ke (Giuk ose ko nzentration) durch Stellgliede r (z. B. Leber). Ste llglieder und Störgrößen (Nahru ngsglukose ) führen zu einer V eränderung des Istwerts. Eine Verstellung des So llwerts bewirk t eine dynamische Anpa ssun g des Regelkre ises, bi s ein neues Gleichgewicht erreic ht ISt ). [ 14]

koppJung des Östradiols in der Zyklusmitte dar (s.S. 94).

Hypothalamisch- hypophysäre Achse Das wichtigste Zentrum zur Steuerung der Homöostase ist der Hypothalamus. Hier werden zahlreiche vegetative und endokrine Funktionen integriert (s. S. 36 ). Auf humo· ralem Weg steuert der Hypothalamus die Adenohypophyse über das hypothalamoisch· hypophysäre Pfortadersystem durch geringe Konzentrationen sog. Releasing- und

Inhibiting-Hormone. Erst die daraufhin ausgeschütteten hypophysären Hormone wirken dann auf die peripheren Drüsen und die Körperzellen. Durch die dort produzierten Hormone kommt es zu einer negativen Rückkopplung auf Ebene des Hypothalamus und der Hypophyse (I Abb. 6).

Diese Regulationsmechanismen können nicht so schnell auf Reize reagieren wie neuronale Netzwerke, erlauben dafür aber eine sehr präzise Steuerung zahlreicher Funktionen im gesamten Körper.

ZNS ZNS -Strukturen und Hypothalamus Neuropeptide

~

Neurotran sm itter

',

Releasing-Hormone (CRH, GHRH, GnRH, TRH) lnhibiting-Hormone (S IH, Dopamin)

Adenohypophyse (HVL) nichtglandotrope Hormone (GH, PRL)

glandotrope Ho rmon e - --

(ACTH, TSH, LH, FSH)

''

I

'\\ \ ' ' \I \ I \ \II ,

I ----

periphere Drüsen (Schilddrüse, NNR und Gon•den) periphere Hormone - - - ----.1 (T 4 , T 3 und Steroide)

I

----< /

~I

\I L _ langer Feedback~ Mechanismus

,. kurzes" Feedback

II

I I

",. .>-(I -- - - - --

Zielgewebe

II

'\

II

' - - - -- --+-- - - Hormo ne I 1 - - - - Stoffwechselprodukte

r

I Abb . 6: Sc hema der Regulation der Hormonsekretion durch das Hypothalamus-Hypophysen-System: Releasing- und lnhibiting-Hormone steuern die Hormonsekretion der Adenohypophyse. Glandotrope Hypophysenhormone stimulieren dann die peripheren endokrin en Drüsen (Gonaden, NNR und Schilddrüse), während nichtglandotrope Hormone direkt auf die Zielgewebe wirken . Nega tiv rückkoppelnde Mechanismen regulieren die Hormonsekretion . [ 14]

Zusammenfassung X Regelkreise führen durch Rückkopplung zur dynamischen Anpassung der Hormonsekretion.

X Die Sekretion der Endhormone der hypothalamisch-hypophysären Achse wird durch einen negativen Rückkopplungsmechanismus gehemmt.

),

Grundlagen endokriner Störungen

617

Für die Einteilung von endokrinen Störungen gibt es mehrere Prinzipien. So kann z. B. nach der Hormonkonzentration (Über-, Unterfunktion) oder nach der Ebene der Störung in Bezug auf das Hypo· physen-Hypothalamus-System (primär, sekundär, tertiär) unterschieden werden. Daneben kann auch eine Hormonresistenz zu Störungen führen.

Primäre, sekundäre und tertiäre Störungen Erfolgt die Regulation der Hormonsekretion durch das HypothalamusHypophysen-System, bezeichnet man eine Unter· oder Überfunktion der peripheren Drüse als primäre Störung. Bei sekundären Störungen liegt die Ursache auf der Ebene der Hypophyse und bei tertiären auf Ebene des Hypothalamus.

Unter- und Überfunktion Ursachen für Unterfunktionen sind das vollständige Fehlen der Drüse oder die Zerstörung von hormonbildenden Zellen [z. B. häufig durch Autoimmunerkrankungen: Hashimoto-Thyreoiditis oder M. Addison, I Abb. I). Störungen der Hormonsynthese können durch Enzymmangel oder Mangel an Substrat (z. B. Iodmangell bedingt sein. Die Wirkung des Hormonsam Rezeptor kann durch Rezeptormutationen, hemmende Antikörper oder Antagonisten gestört sein. Eine Über-funktion entsteht häufig durch endokrine Tumoren oder eine Hyperplasie. Im Rahmen eines paraneoplastischen Syndroms kann es zu einer ektopen Hormonproduktion (z. B. ACTH-Sekretion durch kleinzelliges Bronchialkarzinom) kommen. Ebenso kann durch eine exogene Hormonzufuhr das klinische Bild einer Überfunktion entstehen [z. B. iatrogenes Cushing-Syndrom). Durch die Rückkopplung in Regelkreisen ergeben sich dadurch charakteristische Hormonveränderungen. Die Auswirkungen sind schematisch in I Abb. 2 dargestellt.

Latente und manifeste Störungen Bei einer latenten Störung liegt die Konzentration der peripheren Drüsenhormone (z. B. T4) noch im Normbereich, während die Konzentration der hypophysären Hormone (z. B. TSH) bereits erhöht oder erniedrigt ist. Bei einer manifesten Störung sind sowohl die peripheren als auch die hypophysären Hormonkonzentrationen außerhalb der Normwerte.

I

Unterfunktion

~

(

Oberfunktion

• Zerstörung ------"-~- hormonproduzierende Aplasie Zelle

~

• gestörte Synthese (Enzymdefekt,

• Tumor

1 J'

./ •

, ------''------, /

./1

Hormon

/

•verminderte Rezeptorak~i~.ierung (Defekt, ~nt1korper,

I

(;~~~~~~)~ufuhr ektope Produktion

1',,

7,0 % interveniert werden sollte.

ämien kann ein guter HbA 1,-Wert vorgetäuscht werden, weshalb eine Interpretation nur in Kombination mit der Blutzuckerselbstbestimmung erfolgen sollte!

Selbstkontrolle Aus der Therapie des Diabetes ist eine Selbstkontrolle heute nicht mehr wegzudenken. Die Patienten müssen lernen, selbstständig die Blutglukosekonzentration zu messen. Vor allem Typ-I-Diabetiker neigen zu einer labilen Stoffwechsellage, weshalb mindestens vier Messungen täglich (vor den Mahlzeiten und um ca. 22 Uhr) erfolgen sollten. Bei Typ-2-Diabetikern bestehen hingegen geringe Schwankungen. Bei Typ-I-Diabetikern sollte im Rahmen von akuten Erkrankungen, Übelkeit und Erbrechen mittels Teststreifen (Ketonstix) eine Bestimmung der Ketonkörper im Urin durchgeführt werden, um eine diabetische Ketoazidose frühzeitig zu erkennen. Ketonkörper sind jedoch nicht nur im Rahmen einer ketoazidotischen Stoffwechselentgleisung erhöht, sondern können auch bei chronischem Alkoholismus und Fasten nachweisbar sein. Die Patienten sollten außerdem lernen, Hypoglykämiesymptome frühzeitig wahrzunehmen und selbstständig Maßnahmen zu ergreifen. Die beste Vorbeugung von Hypoglyk· ämien besteht jedoch in einer regelmäßigen Blutzuckerkontrolle!

Zusammenfassung

a Screening: bei Patienten über 45 Jahren oder bei Risikofaktoren: regelmäßige Bestimmung des Nüchternblutzuckers!

a Diagnose: Gelegenheitsglukose ~ 200 mg/dl plus Symptome, wiederholter Nüchternblutzucker ~

126 mg/dl oder oGTI ~ 200 mg/dl

a Verlaufskontrolle: Beurteilung der Blutzuckereinstellung überdie letzten 6- 8 Wochen mit HbA 1c, Ziel < 6,5 %; regelmäßiges Screening auf Spätkomplikationen Erniedrigt wird das HbA 1, durch eine erhöhte Erythropoese (z. B. chronischer Blutverlust, Schwangerschaft, Hämoglobinopathien), während eine längere Erythrozytenlebensdauer (z. B. Eisenmangelanämie) zu fa lsch hohen Werten führen kann. Auch durch vermehrte Hypoglyk-

a Selbstkontrolle: wichtiges therapeutisches Instrument; Blutglukose, Ketonkörper im Urin

Diabetes mellitus - Komplikationen I Während früher die Letalität des Diabetes weitgehend durch akute Komplikationen be· stimmt wurde, sind heute Angiopathien die häufigsten Todesursachen.

Akute Komplikationen Coma diabeticum Beim Coma diabeticum unterscheidet man zwei Formen:

t Keroazidotische s Koma: Es besteht ein schwerer Insulinmangel (häufiger bei Typ·! · Diabetes). t Hyperosmolares Koma: Es liegt ein relativer Insulinmangel vor (häufiger bei Typ-2-Diabe· tes). Ursachen sind eine fehlende Insulinzufuhr (Erstmanifestation, Dosierungsfehler, Insulinpumpendefekt) oder eine unzureichende An· passung an einen erhöhten Bedarf (häufig bei Infektionen, Operation, Herzinfarkt, Hyperthyreose, Steroidtherapie). Ketoazidotisches Koma Die häufigste Ursache einer diabetischen Ke· toazidose sind Infektionen, da durch eine Stei· gerung der Blutglukosekonzentration auch der Insulinbedarf erhöht wird. In ca. 25 % der Fälle handelt es sich um ein Manifestationsko· ma bei einem bisher unbekannten Diabetes. Die Mortalität beträgt durchschnittlich 5 %. Eine besonders günstige Prognose haben junge Patienten. Pathophysiologisch besteht ein schwerer In· sulinmangel mit einer gleichzeitigen Freisetzung insulinantagonistischer Hormone (Giukagon, Katecholamine, Wachstumshormon und Kortisol, I Abb. 1). Dadurch kommt es zu einer gesteigerten Glykogenolyse und Gluko· neogenese und somit zur Hyperglykämie. Durch den Wegfall der antilipolytischen Insulinwirkung werden massiv Fettsäuren abgebaut, die aber nicht in den Zitratzyklus eintreten können. Aus Acetyl-CoA werden daher Ketonkörper gebildet, die zu einer metabo· lischen Azidose führen (s. S. 14 und 19) . Klinik: Typische Symptome sind Polyurie, Po· lydipsie, Exsikkose und Gewichtsverlust. Es komm t zu Bauchschmerzen und Erbrechen. Dies führt zu einer ausgeprägten Dehydratation mit Hypotonie und Tachykardie. Es besteht die Gefahr eines hypovolämischen Schocks und Kreislaufversagens (s.a.S. 13)! Durch die metabolische Azidose kom mt es zu einer stark vertieften Atmung (Kussmaul-Atmung) und einem typischen Acetongeruch (Geruch von Nagellackentferner oder fa ulem Obst). Die Pa· tienten werden zunehmend apathisch und schläfrig. Nach Stunden kommt es zum Koma. Treten bei Typ-I-Diabetikern erste Sym-

ptome wie Polyu rie, Bauchschmerzen und Erbrechen auf, sollte der Patient selbst eine Bestimmung des Blutzuckers und des Urinacetons (Ketonstix) durchführen, um bereits in einem frühen Stadium Gegenmaßnahm en er· greifen zu können. Diagnostik: Zur Diagnosestellun g werden klinische Symptome und Laborbefunde (Hyperglykämie, Ketonurie, Azidose) herangezogen. Ketonkörper (z. B. ß·Hydroxybutyrat) sind im Urin und im Blut erhöht. Es kann jedoch auch bei Alkoholabusus oder längerem Fasten zu einer Ketonkörpererhöhung kommen. Therapie: Im Vordergrund steht die Rehydratation (H ab. I), deshalb besteht die Erstmaßnahme in einer Volumensubstitution. Eine Insulin· und Bikarbonatgabe sollten besser erst auf der Intensivstation erfolgen, um eine mögliche schwere Hypokaliämie mit Herzrhythmuss törungen zu vermeiden. Hyperosmolares Koma Das hyperosmolare Koma tritt meist bei Typ2-Diabetikern auf. Es besteht ein höheres Mortalitätsrisiko, da die Entgleisung oft sehr spät erkannt wird und vorwiegend ältere Per· sonen betroffen sind. Klinik: Die Symptome entwickeln sich langsam über mehrere Tage. Der relative Insulin· mange! führt zu einer enormen Hyperglykämie mit einer osmotischen Diurese . Die Insulinsekretion reicht jedoch aus, um eine massive Lipolyse und Ketonkörperbildung zu verhindern . Es kommt zu Polyurie und gestei· gerlern Durst, Gewichtsabnahme, Exsikkose, allgemeiner Schwäche und Somnolenz. Der Volumenverlust kann jedoch nicht mehr durch Trinken ausgeglichen werden, so dass die Hyperglykämie zu einem starken Anstieg der Serumosmolarität (> 350 mosmol/ 1) führt. Diagnostik: Zur Diagnosesicherung erfolgt eine Bestimmung des Blutzuckers und der Se· rumosmolarität. Um eine diabetische Ketoazi·

Rehydratation

Normalinsulin i. v.

Kalium (stündliche Kontro lle)

I

Abb. 1: Vereinfachte Darste llung der Fo lgen

eines sc hweren lnsul inmange ls.

171

dose abzugrenzen, sollte auch eine Acetonbestimmung durc hgeführt werden. Therapie: Die Behandlung erfolgt ähnlich wie bei einer diabetischen Ketoazidose. Noch bedeutender ist eine ausreichende Volumensubstitution mit isotoner Koc hsalzlösung, während der Insulinbedarf relativ gering ist. So sinkt die Glukosekonzentration bereits bei der Behandlung der Dehydratation. Der Volumenausgleich muss langsam erfolgen, da es sonst leicht zu einem Lungenödem kommen kann. Hypotone Lösungen werden nur in bestimmten Fällen angewendet, da sie schneller zu Flüssigkeitsverschiebungen führen unct daher die Gefahr eines Hirnödems besteht.

Initia l 0,5 - 1 I 0, 9%ige NaCI-Lösung, danach Infusionsgeschwindigkeit an ZVD anpassen (wenn Glukose< 250 mg / dl, 5%ige Glukose) Initia l Bolusinjektion (5 - 10 IE i. v., nicht s.c. da bei Gewebshypoxie der Wirkeintritt verzögert ist), anschließend Dauerinfusion Blutzucker soll nicht schneller als 100 mg/ dl pro Stunde gesenkt werd en! Es bes teht ein erh ebliches Kaliumdefizit (I rotz häufig norma len Serumkaliums), das durch mit der Insulinzu fuhr auch kontinuierliche Kaliumgabe,

die Insulinzufuhr verstärk t wird: außer wenn K' > 6 mmol/ 1

Evtl. Phosphatsubstituti on (wenn Phosphat < 0,5 mmol/1) Behandlung der Azidose

Insul in hemmt die Lipolyse und verbessert somit die Azidose, daher nur bei pH < 7, 1 vorsichtige Bikarbonatzufuhr (NaHCO, ), da es sonst leicht zu einer Alkalose und Hypokaliämie kommen kann

Allgemeine Maßnahmen

I

Zentralvenöser Katheter ( ZVD), EKG, Blutdruck, Blasenkatheter zur Bilanzierung, Magensonde, Heparin, Therapie der auslösenden Ursachen (Antibiotika)

Tab. 1: Die Beha ndlung ei ner diabetischen Ketoazidose sollte au f e ine r lnt enslvstalion erfo lge n .

Kohlenhydra t- und Fettstoffwec hsel

26

I 27

I Tab. 2: Symptome der Hypoglykämie. Parasympathikotone

Heißhunger, Übelkeit, Erbrechen, Schwäche

Reaktion Adrenerge

Unruhe, Schwitzen, Tachykardie, Zittern, Blässe, Angst,

Symptome

Mydriasis

Neuroglukopenische

Aggressivität (oft erstes Anzeichen), Kopfschmerzen, Sehund Sprachstörungen, Konzentrationsschwäche; später auch

Symptome

Bewusstseinsstörungen, Krämpfe und Koma

Die Unterscheidung zwischen Coma dlabetlcum und Hypoglykämie kann durch einen einfachen Blutzucker.Schnelltest erfolgen.

Hypoglykämie Bei Gesunden treten Hypoglykämiesymptome bei Glukosewerten < 40-50 mg/dl auf. In Abhängigkeit vom Ausmaß der Hypoglykämie

und von der Geschwindigkeit des Blutzuckerabfalls kommt es zur Ausschüttung gegenregulatorischer Hormone (Glukagon, Katecholamine, später auch Wachstumshormon und Kortisol) und zu Hypoglykämiesymptomen (ITab. 2 und 3).

Hypoglykämien sind häufige Ereignisse bei insulinpflichtigen Diabetikern. Man unterscheidet:

t Leichte Hypoglykämie: Entgleisung kann selbst erkannt und behandelt werden (Traubenzucker mitführen! ) t Schwere Hypoglykämie: Patient ist auf fremde Hilfe angewiesen t Hypoglykämisches Koma Ätiologie und Klinik: Typ- I-Diabetiker entwickeln mitunter 1- bis 2-

glykämie. Häufige Ursachen sind eine zu späte oder zu geringe Nahrungsaufnahme (z. B. Appetitlosigkeit bei Erkrankungen), eine fehlende Insulindosisanpassung (z. B. bei starker körperlicher Belastung), eine Insulinüberdosierung oder Alkoholkonsum [Hemmung der Glukoneogenese). Dadurch liegt in Bezug auf die Blutglukose eine relative Insulinerhöhung vor. Zu einer Hypoglykämie kann es ebenfalls durch Sulfonylharnstoffe, seltener durch Glinide kommen. Aber auch andere Ursachen führen zu einer erniedrigten Glukosekonzentration, z. B. ein Jnsulinom, Nieren- oder Leberfunktionsstörungen, Malnutrition oder Alkoholismus. Symptome ITab. 2. Therapie: Wichtig bei der Hypoglykämie ist rasches Handeln. Leichte Hypoglykämien können durch den Patienten selbst erkannt und mit rasch resorbierbaren Kohlenhydraten [Fruchtsaft, Cola; bei Therapie mit Acarbose: I 0-20 g Traubenzucker!) kupiert werden. Schwere Hypoglykämien werdeninitialmit 25-100 ml 40 %iger Glukose behandelt Ziel ist eine Glukosekonzentration von 200-250 mgldL Es besteht jedoch die Gefahr eines Hypoglykämierezidivs, weshalb eine Überwachung nötig ist! Auch Angehörige können eine Erstversorgung durch Injektion von 1 mg Glukagon i.m.oder s. c. durchführen (GlucaGen®Hypok.it) . Nach dem Erwachen müssen sofort Kohlenhydrate oral zugeführt werden. Vorbeugung: Wichtig ist, die Symptome frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen. Voraussetzung ist auch eine adäquate Schulung, damit in entsprechenden Situationen eine Anpassung der Insulindosis an einen veränderten Bedarf erfolgt. Die beste Prävention ist jedoch eine regelmäßige Blutzuckerkontrolle, die auch für den Patienten eine Kontrolle der Selbstadaptation darstellt.

mal pro Woche eine leichte und alle 1-2 Jahre eine schwere Hypo-

Coma dlabetlcum Ketoazldotlsch Entwicklung

a Diebetische Ketoazldose (häufiger bei Typ

Über mehrere

Plötzlich, innerhalb

Tage

Tage

von Minuten

1): oft durch Infekte, es kommt zu Übelkeit, Bauchschmer-

Feucht

zen, Apathie; Therapie: Volumensubstitution und In-

Nein

sulin (cave: Hypoglykämie!)

Trocken

Exsikkosezeichen

Ja Ja

Nein

Nein

Tief (Kussmaul-

Normal

Normal

tonkörpernachweis Atmung

Zusammenfassung

Über Stunden bis

Haut

Acetongeruch/Ke-

Hypoglykämie

Hyperosmolar

Atmung) Muskeltonus

a Hyperosmolares Koma (meist Typ 2): häufig durch schwere Erkrankungen (Infekte, Operation, Myokardinfarkt); über mehrere Tage kommt es zu Polyurie, Poly-

Hypoton , keine Krämpfe

Hyperton, Tremor

pH

< 7,3

Meist normal

Normal

Serumosmolarität

Erhöht

Stark erhöht

Normal

Blutzucker

Meist> 300 mg/dl

> 600 mg/dl

< 40 mg/dl

I Tab. 3: Differentialdiagnose zwischen Hypoglykämie und Coma diabeticum. Wichtiges Kriterium ist der Zustand der Haut.

dipsie und zunehmender Dehydratation mit Exsikkosezeichen; wichtigste Maßnahme: Volumenersatz!

a Hyposlykimle: durch inadäquate Nahrungsaufnahme, fehlende Insulinanpassung u.a.; Symptome sind Heißhunger (!), Aggressivität, Unruhe, Schwitzen; Therapie: Glukose oder Glukagon

Diabetes mellitus - Komplikationen II Spätkomplikationen Chronische Komplikationen treten beim TypI-Diabetes nach etwa5 - 8 Jahren auf. Bei Typ-2-Diabetikern sind Langzeitkomplikationen hingegen teilweise schon zum Zeitpunkt der Diagnose vorhanden. Man unterscheidet: t Mikroangiopathie: Nephropathie, Retinopathie, Neuropathie t Makroangiopathie: koronare Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), zerebrale Durchblutungsstörungen

Besondere Beachtung gilt beim Diabetiker den Füßen. Bei Typ-2-Diabetikem liegen bei Diagnosestellung bei bis zu 30% bereits Spät-

komplikationen vor.

Als weitere Komplikation tritt eine geschwächte Immunabwehr auf. Rezidivierende Harnwegsinfekte sind bei Diabetikern gehäuft und können zu einer aszendierenden Pyelonephritis fü hren. Ursachen dafür sind eine gestörte Leukozytenfunktion und die erhöhte Glukosekonzentration im Urin, die das bakterielle Wachstum fördert. Des Weiteren treten vermehrt bakterielle Infekte der Haut auf.

Pathogenese Für die Entstehung diabetiseher Gefäßkomplikationen sind wahrscheinlich mehrere Mechanismen von Bedeutung: t Advanced glycation endproducts (AGE): Durch die Hyperglykämie kommt es durch eine irreversible nichtenzymatische Glykosylierung von Proteinen zur Bildung sog. ACEs. Dies führt zur Verdickung der Basalmembranen, zu einer veränderten Funktion von Zellproteinen und auch zu einer beschleunigten Atherosklerosebildung. t Sorbitstoffwechselweg: Bei hohen intrazellulären Glukosekonzentrationen wird Glukose vermehrt du rch die Aldosereduktase zu Sorbit abgebaut. Sorbit erhöht die intrazelluläre Osmolarität und führt zu einer Zell·

schwellung, zur Bildung von Sauerstoffradikalen und beeinträchtigt besonders die Funktion von Nervenzellen. t Proteinkinase C: Die Hyperglykämie soll zur Bildung von Diacylglycerol fü hren, das Proteink.inase-C.lsoformen aktiviert, die u. a. die Expression von Matrixproteinen verändern. t Außerdem dUrften verschiedene Wachs tumsfaktoren an der Entstehung beteiligt sein.

tung und evtl. zu einer Netzhautablösu ng führen können lt Diabetische Makulopathie: betrifft häufi ger Typ-2-Diabetiker Bei Diabetikern tritt auch gehäuft eine Katarakt auf. Therapie: Wichtig ist die Prävention. Bei eingetretenen Schäden der Retina wird häufi die Laserkoagulation eingesetzt. Dabei wer- g den bestimmte Netzhautareale selektiv zerstört, wodurch ein schwerer Sehverlust oft verhindert werden kann. Seltener kann eine Vitrektomie notwendig sein.

Therapie Therapeutische Prinzipien, die auf einer Hemmung der pathogenetischen MechanisNephropathie men basieren, haben bisher keine oder nur Die diabetische Nephropathie ist eine der hä _ geringe Effekte gezeigt. Die beste "Therapie" der Spätkomplikationen besteht in der Präven- figsten Ursachen für eine Niereninsuffizienz u tion durch eine möglichst optimale Blutund geht mit einer deutlichen Prognoseverzuckereinstellung. Meist kann das Auftreten schlechterung einher. Es kommt zu einer Vervon Spätkomplikationen dad urch aber nur breiterung der glomerulären Basalmembran . verzögert werden. Außerdem sollten weitere Sehr spezifisch ist das Auftreten der noduiäRisikofaktoren wie Hypertonie, Dyslipidämie ren Clomerulosklerose (Kimmelstiel-Wilson). behandelt bzw. eine Nikotinabstinenz eingeKlinik und Diagnostik; Die Störungen sind halten werden (s. a. H ab. 2, S. 23) . anfangs reversi bel. Sie führen zu einer Hypertonie und später zu einer irreversiblen Nieren . insuffizienz. Als früh estes Zeichen einer NieMikroangiopathie renschädigungkommt es zur MikroalbuminDie Mikroangiopathie ist eine Erkrankung der urie (20 - 200 mg/1Albumin im Harn ). Auch ohne Komplikationen sollte ei n jährliches te rminalen Gefäßstrombahn und sehr speziScreening mittels Teststreifen zum Nachweis fisch für den Diabetes. Das Auftreten karre· einer Albuminurie erfolgen. liert eng mit der Dauer der chronischen Therapie: Sowohl zur Behandlung der NeHyperglykämie. Durch verschiedene Mechaphropathie als auch der Hypertonie sind ACEnismen kommt es zu einer Verdickung der Hem mer (und AT 1·Antagonisten) geeignet. Basalmembran, zur Degeneration von Perizyten und zur Bildung von Mikroa neurysmen. Kontrastm ittel und nephrotoxische Medikamente sollen vermieden und die Proteinzufuhr eingesc hränkt werden. Bei Typ-1-Diabeu. Retinopathie kern kan n auch eine Nieren- mit gleichDie diabetische Retinopathie ist die häufigste Ursache einer Erblindung in den lndustrielän- zeitiger Pankreastransplantation kombiniert werden. dern. Man unterscheidet:

t Nichtproliferative Retinopathie: betrifft häufiger Typ-I-Diabetiker, u. a. find en sich Kaliberschwankungen der Gefaße, intraretinale Blutungen, Cotton-Wooi·Herde (Infarkte der Nervenfaserschicht). Sie kann übergehen in eine: t Proliferative Retinopathie: gekennzeichnet du rch Cefäßneubildungen, die leicht rup· turieren können und zur Claskörpereinblu-

Neuropathie lt Die häufigste Form ist die distal betonte symmetrische sensible Polyneuropathie

' die v. a. die un tere Extremität betrifft. Es komm t meist zu einem Sensibilitätsverlust 2 ' u Parästhesien (Kribbeln , Brennen) oder Schmerzen. Die Störungen treten häufiger in Ruhe auf (DD: pAVK ). Bereits früh ist das Vibrationsempfinden vermindert, das sehr ein-

I Abb . 2: Nichtproliferalive Rel inopathi e. [41

Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel

fach mit einer Stimmgabel untersucht werden kann. Die Temperatur- und Schmerzempfindung sind herabgesetzt, wodurch Verletzungen von den Patienten nicht wahrgenommen werden! Seltener tritt eine Mononeuropathie auf (isolierte Funktionsstörung von Hirn- oder peripheren Nerven) t Motorische Neuropathien können sich als akut auftretende, meist distale, symmetrische Paresen an den Beinen manifestieren, durch Störung der Okulomotorik [N. Ill, IV, VI) oder des Fazialis [N. VII) . t Autonome Neuropathien betreffen das kardiavaskuläre System (Tachykardie, Frequenzstarre = verminderter Herzfrequenzunterschied zwischen Inspiration und Exspiration, orthostatische Hypotonie), das Urogenitalsystem [Biasenatonie und Harnretention , häufig erektile Dysfunktion!) und /oder den Gastrointestinaltrakt [Reflux, Gastroparese, häufig Obstipation, aber auch Diarrhö möglich).

Makroangiopathie Die diabetesassoziierte Makroangiopathie entspricht der Arteriosklerose bei Nichtdiabetikern. Sie tritt jedoch bereits früher auf und betrifft eher periphere Gefäße. Auch sind Frauen, bei denen hormonelle Faktoren sonst atheroskleroseprotektiv wirken, vergleichsweise häufiger betroffen. Für die Entstehung makrovaskulärer Kornplikationen werden v. a. postprandiale Bl utzuckerspitzen verantwortlich gemacht. Makrovaskuläre Komplikationen machen etwa 75% der Todesursachen bei Diabetikern aus und können durch eine notwendige Extremitätenamputation die Morbidität enorm erhöhen.

Klinik II Koronare Herzkrankheit (KHK): Bei Diabetikern treten charakteristisch stumme Myokardinfarkte durch einen gleichzeitigen

28

I 29

I Abb. 3: Diabetiseher Fuß mit tiefem Ulku s. [41

Ausfall der Schmerzempfindung auf. Auch die Mortalität ist höher als normal. II Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK): Es kommt zu belastungsabhängigen Schmerzen (Claudicatio intermittens) und zum Fehlen der Fußpulse. Durch eine PTA (perkutane transluminale Angioplastie), einen Gefäßbypass oder Medikamente (z. B. Prostanoide) kann die Durchblutung teilweise wiederhergestellt werden. Später können Nekrosen und Gangräne auftreten. Eine Amputation sollte nur als Ultima Ratio erfolgen. II Zerebrale Durchblutungsstörungen: Insult, transiente ischämische Attacken (TIA) Therapie: Als Basistherapie werden Thrombozytenaggregationshemmer (Acetylsalicylsäure, Clopidogrel) gegeben. Außerdem müssen auch andere Risikofaktoren der Arteriosklerose wie Rauchen, arterielle Hypertonie und Dyslipidämie beseitigt werden. Aufgrund des erhöhten Risikos gelten dabei strengere Grenzwerte!

pathie und/oder Angiopathie entstehen und zu Ulzerationen und einem Gangrän führen können. II Neuropathisch (40%) : warmer Fuß, langsame Ulkusentstehung an druckbelasteten Stellen (IAbb. 3), tastbare Fußpulse!, vermindertes Vibrationsempfinden II Angiopathisch (20% ): kühle, blasse Haut, rasche Ulkusentstehung an den Akren, Fußpulse nicht tastbar!, Vibrationsempfinden erhalten t Mischform (40 %) Therapie: Für eine richtige Behandlung muss immer die Frage nach dem Auslöser gestellt werden. In den meisten Fällen kommt es durch zu enge Schuhe zu Druckstellen, die durch die bestehende Neuropathie nicht bemerkt werden. Die Patienten müssen daher geschult werden, die Füße selbst zu untersuchen (rote Stellen, Blasen, Wunden) und zu pflegen (lauwarmes, nicht heißes Wasser, Überprüfen der Schuhe auf Fremdkörper).

Diabetisches Fußsyndrom (DFS) Das diabetischen Fußsyndrom umfasst verschiedene Läsionen, die durch eine Neuro-

Besteht keine pAVK, so sind die Fuß-

pulse gut tastbar.

Zusammenfassung ac Spezifisch für den Diabetes ist die Mikroangiopathie (Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie); die symmetrische Polyneuropathie führt häufig zum Sensibilitätsverlust der distalen Extremitäten.

ac

D~ei

Viertel aller Todesfälle bei Diabetikern sind auf makrovaskuläre

Komplikationen zurückzuführen. Myokardinfarkte treten typischerweise ohne anginöse Beschwerden auf.

ac Es kommt zur geschwächten lmmunabwehr, die zu rezidivierenden Harnwegsinfekten prädisponiert.

ac Therapie: optimale Diabeteseinstellung, symptomatische Therapie, Behandlung von Begleiterkrankungen (Hypertonie!)

Diabetes mellitus - Therapie I Die Ziele bei der Therapie des Diabetes mellitus sind das Vermeiden von akuten Stoffwechselentgleisungen sowie die Verzögerung und Behandlung von diabetischen Spätkomplikationen. Zu Beginn steht eine nichtmedikamentöse Therapie. Das HbA 1, ist der wichtigste Verlaufsparameter, mit dem die Stoffwechseleinstellung der letzten 6-8 Wochen eingeschätzt werden kann . Wird bei Typ-2-Diabetikern durch eine Basistherapie ein HbA 1,-Wert < 7,0 % nicht erreicht, so sollte nach spätestens 3 Monaten mit der nächsten Therapiestufe begonnen werden. Therapleatufen des Diabetes mellltus t Basistherapie: Schulung und Veränderung des Lebensstils (Ernährung und Bewegung) t Ein orales Antidiabetikum (OAD) t Mehrere orale Antidiabetika t Insulin + OAD: Dosiseinsparung. oft Ist eine Injektion täglich ausreichend t lnsulin

Bei Typ- I-Diabetikern und Schwangeren sollte gleich eine Insulintherapie erfolgen. Für Typ-2-Diabetiker ist hingegen jede Form der Behandlung (orale Antidiabetika, verschiedene Formen der Insulintherapie) möglich. Bestehen bei Typ-2-Diabetikern schwere kardiavaskuläre Komplikationen, so sollten orale Antidiabetika nicht verwendet, sondern bereits initial Insuline eingesetzt werden. Im Einzelfall können die Therapieziele auch mit oralen Antidiabetika oder Insulin nicht erreicht werden. Beim vermehrten Auftreten von schweren Hypoglykämien unter Insulin müssen die Kriterien individuell an den Patienten angepasst werden. Zu schnelle Veränderungen der Therapiekonzepte sollen jedoch vermieden werden. Die schwierige Aufgabe bei der Behandlung besteht außerdem darin, nicht zu spät auf eine Insulintherapie umzusteigen. Die Beurteilung des Insulinbedarfs richtet sich nach dem Nüchternblutzucker. In Einzelfällen kann die gleichzeitige C-Peptid-Bestimmung hilfreich sein.

Nichtpharmakologische Therapie ("Lifestyle-Therapie") Mit einer nichtpharmakologischen Behandlung sollte bereits in der Phase einer gestörten Glukosetoleranz begonnen werden. Durch Ernährungsumstellung und Bewegung kann eine bestehende Insulinresistenz teilweise rückgängig gemacht werden. Ernährung Es sollten eine Kalorienreduktion erfolgen und ein Normalgewicht angestrebt werden. Häufig besteht das erreichbare Ziel jedoch nur im Halten des Gewichts. Es wird empfohlen, mehrere kleine Mahlzeiten einzunehmen, um den Blutzuckertagesverlauf zu "glätten". Besonders

Sulfonylharnstoffe

geeignet sind dazu Obst und Gemüse, die eine geringe Energiedichte haben. Der Energiegehalt sollte folgendermaßen aufgeteilt werden:

t Kohlenhydrate (KH), ca. 50 - 60 %: Empfohlen werden Kohlenhydrare mit einem niedrigen glykämischen Index (z_ B. Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte). Der glykämische Index gibt an, wie stark ein kohlenhydrathaltiges Nahrungsmittel den Blutzucker im Vergleich zu Glukose erhöht. II Fette, < 30%: Vor allem der Gehalt gesättigter Fettsäuren sollte reduziert werden. t Proteine, 15 %: Pflanzliches Eiweiß sollte tierischem Eiweiß vorgezogen werden. Eine hohe Proreinaufnahm e belastet durch stickstoffhaltige Ausscheidungsprodukte auch die Nieren und kann eine Nephropathie begünstigen. Bei einer Mikroalbuminurie sollte daher die Proteinzufuhr weiter eingeschränkt werden. Alkohol hat einen hemmenden Effekt auf die Glukoneogenese. Bei einer Therapie mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen sollte Alkohol daher nur gleichzeitig mit Kohlenhydraten eingenommen werden (Gefahr der Hypoglykämie! ). Bewegung Bewegung stellt, so weit möglich, ein Grundprinzip der Therapie dar_ Dadurch wird nicht nur der Kalorienverbrauch erhöht, sondern auch die Insulinresistenz reduziert. Bereits eine geringe körperliche Aktivität hat, sofern sie regelmäßig erfolgt, auch einen kardioprotektiven Effekt. Bewegung und Ernährungsumstellung sind nicht nur in der ersten Phase von Bedeutuns. sondern atellen die Basis für einen langfristigen Therapieerfolg dar.

Orale Antidiabetika Reicht eine nichtmedikamentöse Therapie nicht aus, kommen beim Typ-2-Diabetiker zur besseren Stoffwechseleinstellung orale Antidiabetika zur Anwendung (ITab. I l- Bezüglich der Wirksamkeit haben sich in der UKPDS (United Kingdom Prospective Diabetes Study: Langzeitstudie mit Erfassung von Spätkomplikationen an über 5.000 Patienten) keine signifikanten Unterschiede zwischen den Substanzen gezeigt. Für die Therapie mit oralen Antidiabetika gilt, dass mit geringen Dosen begonnen werden sollte, die im weiteren Verlauf gesteigert werden können. Sulfonylharnstoffe und Glinide II Sulfonylharnstoffe (SH): Sulfonylharnstoffe führen zu einer erhöhten Insulinsekretion durch Inaktivierung des ATP-sensitiven Kaliumkanals (SURI) an den B-Zellen (I Abb. 2, S. 18). Die Insulinsekretion

Glibenclamid (z. B. Euglucon& N und zahlreiche Generika) Glimepirid (z. 8. Amaryl" )

Glinide (rascher

Repaglinid (Novonorm"')

wirksam)

Nateglinid (Starlix" )

Biguanide

Metform in (z. B. Glucophage 10) : bei Übergewichtigen Mittel der 1. Wahl (sofern keine Kontraindikationen bestehen)

Glitazone

Ro siglilazen (Avandia" ) Pioglitazon (Actos 8 )

Glukosidase-

Ac arbose (Giucobay")

hemmer

Miglitol (Diastabol" )

I Tab. 1: Orale Antidiabetika.

Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel

wird jedoch auch bei normalem Blutzucker verstärkt. Dadurch kann es vor allem bei unregelmäßiger Nahrungszufuhr oder Infektionen zu Hypoglykämien kommen. Sulfonylharnstoffe kommen bei normal· gewichtigen Patienten oder Kontraindikationen für Metformin zum Einsatz. Nach durchschnittlich I 0 Jahren treten jedoch eine zuneh· mende B·Zell·Erschöpfung und ein sekundäres Therapieversagen ein. Es muss dann auf eine Kombinations· oder Monotherapie mit Insulin umgestellt werden. Vorteil einer Kombination von Sulfonylharnstoffen mit Insulin ist, dass die Insulindosis verringert werden kann und oft eine abendliche Insulininjektion ausreicht. ~ Glinide wirken analog wie die Sulfonylharnstoffe. Sie führen zu einer raschen Insulinsekretion und haben eine sehr kurze Wirkdauer, wes· halb sie unmittelbar vor großen Mahlzeiten eingenommen werden.

Metform in Metform in ist der einzige Vertreter aus der Gruppe der Biguanide. Es bewirkt vorwiegend eine Hemmung der oxidativen Phosphorylierung (hemmt ADP~ ATP) in der Leber. Ein ATP·Abfall führt über die Akti· vierung der AMP·abhängigen Proteinkinase zu einer verminderten Glukoneogenese und Glykogenolyse. Es kommt daneben zu einer Hemmung der Lipolyse mit einer Senkung des Triglyzeridspiegels. Im Gegensatz zu den Sulfonylharnstoffen wirkt Metformin insulinsparend und senkt den Blutzucker nur bei einer Hyperglykämie. Hypoglyk· ämien kommen daher sehr selten vor. Gefährlich ist eine Laktstezidoae, die bei Missachtuns der KontiliIndikationen auftreten kann und mit einer Latalltät von c:a. 50 76 verbunden ist! Beim Auftreten anderer, meist gastrolntestinaler Beschwerden sollte Metfonnin daher sofort abgesetzt werden. Kontraindikationen für Metformin sind eine Niereninsuffizienz,

Erkrankungen, die zu einer Hypoxie oder Ischämie führen können (ventilatorische Insuffizienz , Herzinsuffizienz, Leberinsuffizienz, Alkoholismus), Fasten(< 1.000 kcal/Tag), größere Eingriffe und Operationen sowie ein höheres Alter(> 75 Jahre)! Wenn keine Kontraindikationen bestehen, ist es bei Übergewichtigen das Medikament der ersten Wahl.

30

I 31

Glitazone ("lnsulinsensitizer") und Fibrate Glitazone sind Agonisten am PPAR·y·Rezeptor (Peroxisomen-Proli· ferator-aktivierter Rezeptor). An Fettzellen führen sie zu einer ver· mehrten Triglyzeridspeicherung und einer verminderten Sekretion von Substanzen, die die Insulinresistenz steigern (freie Fettsäuren ..1-, TNF-a ..1-). So wird indirekt, aber wahrscheinlich auch direkt die Insulinwirkung an der Leber und im Muskel gesteigert. Der volle Effekt tritt aber erst nach Wochen ein. Häufige Nebenwirkungen sind Gewichtszunahme und (meist vorübergehende) Ödeme. Glitazone sind lebertoxisch und daher bei Leberfunktionsstörungen sowie bei Herzinsuffizienz kontraindiziert Derzeit werden sie in Deutschland nur zur Kombinationstherapie verwendet. Für die Kombination mit Insulin sind sie allerdings (noch) nicht zugelassen. ~ Fibrate sind ?PAR-a-Agonisten und werden für die Therapie von Lipidstoffwechselstörungen verwendet, die auch häufig in Assoziation mit dem Typ-2-Diabetes auftreten . Daher wurden Substanzen wie Tesaglitazar gesucht, die PPAR-a/y-Agonisten sind (auch Pioglitazon zeigt geringe Wirkung am PPAR-a·Rezeptor) . ~

a-Giukosidase- Hemmer Acarbose und Miglitol hemmen die Aufspaltung der Kohlenhydrate im Darm und reduzieren so den postprandialen Glukoseanstieg, der vorwiegend für makrovaskuläre Komplikationen verantwortlich gemacht wird. Die nicht aufgespaltenen Kohlenhydrate können nicht resorbiert werden und gelangen weiter in das Kolon, wo sie von Bakterien abgebaut werden. Es kommt daher häufig zu Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall. Glukosidasehemmer können im Unterschied zu den vorigen Medikamenten auch bei Typ·l -Diabetikern angewendet werden. GLP-1 In den USA ist ein Analogon des GLP-1 (glucagon-like peptide: Lira· glutid, Exenatide) bereits erhältlich. Es bewirkt eine glukoseabhängige Insulinsekretion, wodurch Hypoglykämien verhindert werden sollen. Zumindest bei manchen Diabetikern kommt es zu einer Normalisierung der lnsulinsekretion.

Zusammenfassung • Die Therapie des Typ-2-Diabetes erfolgt nach einem Stufenschema. Bewegung und richtige Ernährung haben in jeder Phase der Erkrankung einen positiven Effekt. • 1. Wahl bei Übergewichtigen ist Metformin, das jedoch zahlreiche Kontraindikationen hat. • Bei Sulfonylharnstoffen stellt sich nach etwa 10 Jahren ein Therapieversagen ein. • a-Giukosidase-Hemmer führen zu einer Senkung der postprandialen Blutzuckerspitzen. • Bei Typ-2-Diabetikern sollte nicht zu spät auf eine Insulintherapie umgestellt werden.

Diabetes mellitus - Therapie II und sicher zu bewerten. Der Nachteil ist jedoch, dass nur etwa 10 % in das Blut gelangen und daher geringe Resorptionsunterschiede bereits große Konzentrationsdifferenzen ergeben können. Während der Behandlung kann es zu Husten und einer reversiblen Einschränku ng de r Ein-Sekunden-Kapazität kommen. Das Auftreten von interstitiellen Lungenerkrankungen wurde bisher nicht beobachtet, kann jedoch nicht endgültig ausgeschlossen werden.

Insulintherapie Physiologischer Tagesverlauf Ohne Nahrungsaufnahme besteht eine kontinuierliche basale Insulinsekretion über den ganzen Tag, mit einem frühmorgend lichen Anstieg zwischen 3 und 7 Uhr, der durch eine kortisolinduzierte Insulinresistenz bedingt ist (Dawn-Phänomen). Auch am späten Nachmittag gibt es eine vorübergehende Phase mit erhöhter Insulinresistenz (DuskPhänomen). Zu den Mahlzeiten wird im Rahmen des Glukoseanstiegs Insulin freigesetzt. Daraufhin fallen die Glukosekonzentration und auch Insulin schnell wieder ab.

Formen der Insulintherapie Eine Insulintherapie ist eine Hormonsubstitution und sollte daher möglichst der Insulinsekretion beim Gesunden entsprechen. Eine Imitation der physiologischen Insulinsekretion wird jedoch durch die Pharmakakinetik (verzögerter Wirkein tritt, längere Wirkdauer) erschwert. Außerdem wird durch die subkutane Appli kation der physiologische Konzentrationsgradient zwischen Pfortaderblut und peripherem Blut aufgehoben. Grundsätzlich soll te bei Typ-I-Diabetikern eine funktionelle Insulintherapie (FIT, s. u. ) erfolgen, die durch eine möglichst physiologische Anpassung eine gute Langzeiteinstellung erlaubt. Dafür sind jedoch eine genaue Kenntnis der Dosisa npassung und eine konsequente Selbstkontrolle notwendig. Ältere Patienten sind hingegen oft nicht mehr in der Lage, diese Therapie selbstständig durchzuführen.

Auch ohne Nahrungsaufnahme braucht der Mensch Insulin!

Die besondere Schwierigkeit bei der Insulintherapie besteht darin, dass der Tagesverlauf der basalen Insulinkonzentratio n individuell unterschiedlich ist und auch nicht jeden Tag gleich verläuft.

Präparate Die Injektion von Insulin in das subkutane Gewebe erfolgt als hexamere Form (Komplex von 6 lnsulinmolekülen). Insulin kann jedoch nur als Monomer in die Kapillaren diffundieren. Der Wirkeintritt ist also abhängig von der Geschwindigkeit der Dissoziation und Diffusion. t Die Wirkung von Normalinsulin setzt erst verzögert ein, weshalb ein Spritz-Ess·Abstand von ca. 15- 30 Min . eingehalten werden sollte. Die Wirkdauer ist dosisabhängig und beträgt ca. 4- 6 Std., mit einem Maximum nach 2- 4 Std. In der Regel ist wegen der längeren Wirkdauer eine Zwischenmahlzeit erforderlich, um eine Hypoglykämie zu vermeiden. t Durch Veränderungen in der Aminosäuresequenz entstehen Insulinanaloga, die kaum Hexamere bilden (kurz wirksame Insuline). Insulin Lispro und Insulin Aspartat haben dadurch einen sehr raschen Wirkeintritt und eine kurze Wirkdauer (ca. 3 Std .). Es muss dann kein Spri tz-Ess·Abstand eingehalten werden. t Umgekehrt wird bei Insulin G!argin du rch Sequenzveränderung eine verstärkte Hexamerbildung erreicht. Die Wirkung setzt verzögert ein und hält kontinuierlich ohne Maximum über mehr als 24 Std. an. Eine ähnliche Wirkdauer hat Insulin Detemir. Dieses ist mit einer Fettsäure konjugiert, wodurch es im Blut reversibel an Albumin gebunden und langsam abgegeben wird. Diese lang wirksamen Insuline werden zur Abdeckung des Basalbedarfs verwendet. t Zu den Verzögerungsinsulinen gehören NPH-lnsu lin (Neutrales Protamin Hagedorn) und Insu lin-Zink-Suspensionen, die Kristalle bilden und durch eine langsamere Dissoziation eine längere Wirkdauer haben. Nachteile sind jedoch individuelle Resorptionsschwankungen und ein ungleichmäßiges WirkprofiL Zink-Insulin ist außerdem nicht mischbar und wird heute nicht mehr empfohlen. t Seit Mai 2006 ist auch ein Insulin zur inhalativen Anwendung erhäl tlich. Nach den bisherigen klinischen Studien ist es als wirksam

Konventionelle Insulintherapie Unter lnkaufnahme einer schlechteren Stoffwechseleinstellung und möglicher Spätkomplikationen stell t die konventionelle Insulintherapie für ältere Menschen eine einfach durchzuführende Therapieform dar. Das Grundprinzip ist eine zweimal tägliche Injektion eines Mischinsulins (meist 70 % NPH und 30 % Normalinsulin). Zwei Drittel der Tagesdosis werden morgens und ein Drittel abends injiziert. Sowohl die Insulindosis als auch der Zeitpunkt und die Größe der Mahlzeiten sind vorgegeben. Die Patienten müssen essen, nachdem sie Insulin gespritzt haben. Das wichtigste Ziel ist die Vorbeugung eines Komas. Eine Kontrolle erfolgt alle drei Monate. Konventionelle lnsulintherapie: Ziel ist es, einem Koma vorzubeugen!

Intensivierte Therapieformen t Prandiale Therapie: Dabei werden 1- bis 2-mal täglich ein lang

wirksames Insulin und eine konstante Dosis eines kurz wirksamen Insulins zu den Hauptmahlzeiten gespritzt. Es besteht eine weitgehende Vorgabe der Mahlzeiten. Der Patient kann jedoch durch Anpassung der präprand ialen Insulindosis selbstständig eine Blutzuckerkorrektur durchführen. t Funktionelle Insulintherapie (FIT oder Basis-Bolus·Therapie): Diese Therapie basiert auf einer Trennung von basaler und prand ialer lnsulinzufuhr: - Ohne Essen: Verzögerungsi nsul in (zweimal täglich NPH -Insulin oder einma l morgens Insulin Glargin ILantus®l) und bei manchen Patien-

Normalinsulin (z. B. Actrap id ~ HM) Kurz wirksame lnsulinanaloga: (Huma l og~) . Insulin Aspartat (NovoRapid" ), Insulin Glu lisin (Apidra" )

t Insulin Lispro

Intermediär wirksam: NPH-Insulin (z. B. insu man'" Basal), Zink-Insulin (z. B. Insulin Ultratard'" HM)

t

Lang wirksame Insuline: Insulin Glargin (Lan tu s" ). Insulin Deiemir (Levemi r")

t

lnhalatives Insulin (Exubera" )

I

Tab. 2: In sulin und ln sulinanaloga.

Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel

I Abb. 1: Schematische Darstellung verschiedener

Hauptmahlzeiten

~

~

lnsulintherapien: a) konventionelle lnsulin therapie; b) funktionelle In sulintherapie mit lang wirksamem Insulin (z. B. Insulin Glargin); c) lnsulinpumpentherapie. [7]

~

7.00

19.00

7.00

7.00

19.00

7.00

b

Hauptmahlzeiten

~

1- )ro

7.00

19.00

7.00

ten zusätzlich ein kurz wirksames Insulin (z. B. Insulin Lispro [Humalog®]) für den physiologischen morgendlichen Insulinan· stieg ("Morgengupf" ). -Zu den Mahlzeiten: Injektion ei nes kurz wirksamen Insulins (z. B. Insulin Lispro).

Es besteht eine Unabhängigkeit von Nahrungsaufnahme, körperlicher Aktivität und Möglichkelt der Blutzuckerkorrektur. Dazu sind jedoch mehrmals täglich Blutzuckermessungen und eine selbstständige Anpassung der Insulindosis notwendig. Dies erfordert Lernbereitschaft und Lernfähigkeit sowie eine verantwortungsbewusste und konsequente Durchführung.

t Insulinpumpentherapie: Diese wird nur bei speziellen Indikationen angewendet. Bei den Verzögerungsinsulinen bereitet v. a. die Imitation des frühmorgendlichen Insulinanstiegs Schwierigkeiten. Bei einer Insulinpumpe kann die Basalsekretion hingegen individuell programmiert werden. Zu den Mahlzeiten wird dann auf Knopfdruck eine erhöhte Insulinmenge abgegeben.

Grundprinzipien der Insulintherapie t Die Injektion erfolgt mit lnsulinpens in den

Bauch, die Hüfte oder den Oberschenkel bzw. durch eine lnsulinpumpe. Um eine Lipohypertrophie zu vermeiden, müssen die Injektionsstellen gewechselt werden. t Das basale Insulin macht etwa 40-50% der Gesamtdosis aus. Dazu werden häufig NPH-Insulin (zweimal täglich) oder Insulin Glargin (einmal täglich, aber bei hohen Dosen evtl. auf zwei Gaben aufgeteilt) verwendet. Richtwert für den Basalinsulinbedarf sind 0,3 - 0,5 IE/kg KG.

t Bei der Berechnung des prandialen Insulins müssen v. a. der Kohlenhydratgehalt, die aktuelle Blutzuckerkonzentration, die körperliche Belastung und Stress berücksichtigt werden. Bei einer reinen Eiweißmahlzeit wird auch eine geringe Insulinmenge injiziert. Fette werden nicht gezählt 12 g Kohlenhydrate entsprechen I Broteinheit (BE). Für 1 BE muss etwa 1 JE (internationale Einheit) Insulin gespritzt werden. Dieses Verhältnis kann sich jedoch im Tagesverlauf ändern (ITab. 3)! t Bei Normalinsulin sollte ein Spritz-EssAbstand von etwa 15-30 Min. eingehalten werden. Die Glukosekonzentration kann neben der Insulinmenge zusätzlich durch Variation des Spritz-Ess-Abstandes beeinflusst werden. Besteht vor der Mahlzeit ein höherer Blutzucker, so sollte der Spritz-Ess-Ahstand verlängert werden, ist der Blutzucker vor der Mahlzeit zu niedrig, sollte er verkürzt werden. Bei kurz wirksamen Insulinanaloga kann

32

I 33

es dann auch notwendig sein, erst während oder nach dem Essen zu spritzen, um eine Hypoglykämie zu vermeiden. t Zielbereiche: präprandial ca. I 00 rng/dl (90 - 120 mg/dl); postprandial nach 1 Std. < 160 mg/dl; nach 2 Std. < 140 mg/dl; vor dem Schlafengehen: ca. 120 rng/dl (in der Schwangerschaft gelten strengere Richtlinien) t Blutzuckerkorrektur: Liegt die Glukosekonzentration außerhalb des Zielbereichs, kann etwa 3 Std. nach der Mahlzeit nachkorrigiert werden. 1 JE Insulin senkt den Blutzucker um durchschnittlich 40 rng/dl, während I BE zu einem Anstieg von 40 rng/dl führt (± 40, 40er-Regel). Diese Werte sind jedoch individuell stark unterschiedlich und schwanken abhängig von Größe und Gewicht zwischen 20 und 60 mg/ dl pro JE Insulin bzw. BE. Jeder Diabetiker sollte seinen Korrekturfaktor kennen, um adäquat reagieren zu können. 40er-Regel: 1 BE~ +40 mg/dl; liE Insulin~ - 40 mg/dl

t Körperliche Aktivität: senkt den Insulinbedarf! Dieser Effekt kann z. B. nach einem Wochenende mit sportlicher Betätigung auch noch 1-2 Tage anhalten. Die Insulinmenge ist dementsprechend zu senken! t Als weitere Nebenwirkung kommt es häufig zu einer Gewichtszunahme, die die Insulinresistenz verstärkt Der Insulinbedarf erhöht sich dann.

Morgens

Ca. 2,5 IE/BE

Mittags

Ca. 1 IE/BE

Abends

Ca. 1,5 IE/BE

I Tab. 3: Im Tagesverlauf ergibt sich ein unterschiedlicher Insulinbedarf pro BE .

Zusammenfassung • Beim Gesunden besteht eine kontinuierliche basale Insulinsekretion mit einem Anstieg in den frühen Morgenstunden. • Insulinanaloga werden aufgrund ihrer günstigen pharmakakinetischen Eigenschaften sehr häufig eingesetzt. • Die funktionelle Insulintherapie (FIT) entspricht weitgehend der physiologischen lnsulinsekretion. Die Patienten sind nicht an fixe Mahlzeiten gebunden. • Durch körperliche Aktivität wird die Insulinresistenz gesenkt.

stoffwec h seI :::~--=~:o-:2 iin ist ein wichtiges Strukturelement der Zellmembranen und stellt die Ausgangssubstanz für die Synthese von Steroidhormonen und Gallensäuren dar. Triglyzeride (TG) sind vor allem Energieträger. Cholesterin und TG werden zum einen über die Nahrung aufgenommen, zum anderen können sie auch selbst synthetisiert werden.

LDL

HOL

Chylomikronen

VLDL

Protein

1 -2

10

25

50

Cholesterin

3-4

15

50

20

Triglyzeride

90

57

Phospholipide

18

5 20

Biosynthese t Exogener Weg: Nach der Aufnahme von TG und Cholesterin im Darm werden diese in Chylomikronen eingebaut und gelangen über die Lymphe, unter Umgehung der Leber, in das venöse Blut. Am Endothel der Kapillaren von Fettgewebe, Herz und Skelettmuskel wird die Lipoproteinlipase (LPL) exprimiert. Diese spaltet von den Triglyzeriden freie Fettsäuren ab, die in die Zellen aufgenommen werden. Die verbleibenden ChylomikronenRemnants werden dann von der Leber aufgenommen. t Endogener Weg: Der endogene Transport beinhaltet die hepatische Sekretion von VLDL (Very-low-Density-Lipoproteine) und deren Umwandlung zu IDL (lntermediate- Density· Lipoproteine) und weiter zu LDL (Low-Density-Lipoproteine). VLDL enthalten einen großen Anteil an TG, die ebenfalls durch die LPL in den Kapillaren hydrolysiert werden. 40-60 % der VLDL und IDL werden über den LDL-Rezeptor wieder in die Leber aufgenommen. Der Rest wird durch die hepatische Lipase zu LDL umgeformt, das vorwiegend Cholesterin enthält. Das LOL-Choiesterin stellt ca. 70 % des Gesamtplasmacholesterins dar. Der Großteil davon gelangt ebenfalls über

exogener Lipidtransport

zung in Proze nt

TG

t

Diabetes mellitus

TG

t, (LDL t. HOL .J,)

Alkoholismu s

TG t (mäßiger Alkoholgenusskann HOL erhöhen )

Niereninsuffizienz bei Hämedialyse

TG t

Nephrotisches Syndrom

Cholesterin

Hypothyreose

LDL

25

I Tab . 1: Lipoproteine und deren Zusammenset-

Transport Um die Lösungsfahigkeit der Lipide im Blut zu erhöhen, werden sie in Form von Lipoproteinen transportiert (ITab. I) . Diese bestehen aus Lipiden und Apolipoproteinen. Apolipoproteine dienen nicht nur als Strukturelemente, sondern haben auch Einfluss auf die Regulation von Enzymen und vermitteln die Rezeptorinteraktion.

Adipositas

Cholestase

t

i

Cholesterin

t,

Lipo-

protein X nachweisbar Schwangerschaft

Cholesterin und TG

t

Medikamente (z. B. Betablocker, Östrogene, Glukokortikoide, Thiazide)

Cholesterin und TG

t

I Tab. 2: Häufige Ursac hen se kundärer Dyslipoproteinämie n.

rezeptorvermittelte Endozytose wieder in die Cholesterinspiegels mit der KHK. So steigt ab Leberzellen. Der Rest wird von peripheren einer Cholesterinkonzentration > 200 mg/d! Zellen aufgenommen. das Risiko eines Myokardinfarkts linear an. Bei einer massiven Hypertriglyzeridämie t Cholesterinrücktransport: Aus der Leber und dem Darm stammen HOL (High-Density- besteht die Gefahr einer akuten PankreatiLipoproteine ). Sie können direkt überschüssi- tis. ges Cholesterin von peripheren Zellen aufKlassifikation nehmen und verestern. Durch das CholesNach der Ätiologie unterscheidet man: terinester-Transferprotein (CETP) können die Cholesterinester auf VLDL übertragen werden , oder sie werden direkt durch HDL an die t Primäre Fettstoffwechselstörungen: Leber abgegeben. Durch den Abtransport von Defekte des LDL-Rezeptors (z. B. bei familiärer Hypercholesterinämie), der ApolipoproCholesterin aus peripheren Zellen können teine oder Mutationen der metabolisierenden HOL das Arterioskleroserisiko senken (antiEnzyme können zu vererbbaren Fettstoffatherogene Wirkung). Die Ausscheidung von Cholesterin erfolgt fast wechselstörungen mit unterschiedlicher Ausausschließlich über die Galle, entweder unver- prägung führen. Dadurch kann es mitunter bereits in jungen Jahren zum Auftreten von ändert oder in Form von Gallensäuren. Arteriosklerose oder Xanthomen (Lipidablagerungen in der Haut, s. u. ) kommen. Die häuFettstoffwech sei stö ru nge n figste Ursache einer primären Hyperlipoproteinämie ist die polygene Hypercholesterinämie Die Feststellung von Fettstoffwechselstörunbei der neben unbekannten genetischen Stö- ' gen ist von großer klinischer Bedeutung, da rungenauch die Ernährungsgewohnheiten eine Erhöhung des Plasmacholesterins mit und der Lebensstil Einfluss auf die Manifestaeinem erhöhten Arterioskleroserisiko einhertion haben. geht. Es besteht eine enge Korrelation des

endogener Lipidtransport

I Abb. 1: Schematische Da rs tellung des Lip id stoffwechse ls. Details siehe Text (C ~ Chylomikronen R = Chylomikronen-Rem nants, VLDL = Very-low- ' Density-Lipoproteine, IDL ~ lntermediate-Den sityLipoproteine, LDL - Low-Density-Lipoprotei ne,

CholesterinrOcktransport

HDL - High-De nsity-Lipoproteine, LPL = Lipoproteinlipa se, HL - hepati sc he Lipase, LCAT • Lezithin-Cholesterin-Acyltransferase, CETP - Cholesterin ester-Transferprolein). 121

Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel

34135 I

• Zu Beginn steht eine Umstellung der Ernäh· rung und des Lebensstils. Bei sekundären Formen sollte eine Beseitigung auslösender Faktoren angestrebt werden. t Bei allen Fettstoffwechselstörungen wird auch regelmäßige körperliche Aktivität empfohlen, die allerdings bei Hypercholesterinämien nur geringe Wirkung zeigt.

Abb. 2: Arcus lipoides corneae. ]7]

Bei Versagen dieser Möglichkeiten kommt zusätzlich eine medikamentöse Therapie zur Anwendung (H ab. 3). Kann der erwünschte Erfolg damit nicht erzielt werden, so ist an die Möglichkeit einer LDL-Apherese zu denken. Bei einer Kombination von Statinen und Fibraten (v. a. Gemfibrozil) besteht jedoch ein erhöhtes Risiko einer schweren Myopathie. Das Präparat Lipobay® (Cerivastatin) wurde 2001 wegen zahlreicher Todesfälle durch Rhabdomyolyse (Auflösung quergestreifter Muskulatur) mit konsekutivem akutem Nierenversagen vom Markt genommen.

• Sekundäre Fettstoffwechselstörungen:

Auch zahlreiche andere Erkrankungen oder Umweltfaktoren können zu einer Lipiderhöhung führen (I Tab. 2). Zur Diagnose einer primären Störung müssen diese Ursachen ausgeschlossen werden . Die Klassifikation nach Frederickson (Hyperlipoproteinämie Typ I - V) kann zur Beschreibung des Lipoproteinverteilungsmusters von primären und sekundären Fettstoffwechselstörungen verwendet werden. Allerdings hat sie keine Bedeutung für die Therapie und gibt keine Auskunft über die Ätiologie oder die Veränderung der HDL Auch gibt es bei vielen Dyslipidämien keine eindeutige oder konstante Zuordnung zu einem Typus.

Klinik Eine Hypercholesterinämie kann sich klinisch durch Arteriosklerose und deren Komplikationen manifestieren. Seltenere und relativ unspezifische Symptome sind Xanthome [Lipideinlagerungen an Sehnen, Ellbogen, Knie, Gesäß oder Zwischenfingerfalten), Xanthelasmen [Cholesterinablagerung im Bereich der Augenlider) oder ein Arcus lipoides corneae [I Abb. 2). Eine Hypertriglyzeridämie kann hingegen zu einer Fettleber oder einer akuten Pankreatitis führen, die sich häufig durch rezidivierende abdominelle Schmerzattacken manifestiert. Diagnostik Zu Beginn ist besondere Beachtung der Familienanamnese, weiteren Arterioskleroserisikofaktoren sowie dem BMI und der Körperfettverteilung zu schenken. Als Screening wird eine Bestimmung des Gesamtcholesterins, des HOL und der TC empfohlen. Für die Triglyzeridbestimmung sollte vor der Blutabnahme eine Nahrungskarenz von 12 Stunden eingehalten werden, damit in der Blutprobe keine Chylomikronen mehr vorhanden sind. Die Bestimmung des Plasmacholesterins kann hingegen auch im nicht nüchternen Zustand durchgeführt werden. Das aufwändig zu bestimmende LOL-Choiesterin wird häufig nach der Friedewald-Formel berechnet [nur aussagekräftig bei Nüchternserum und TC < 350 mg/dl):

Friedewald-Formel: LDL • Gesamtcholesterin - HOL- TG/5

Therapie Die Behandlung richtet sich nach der erhöhten Lipoproteinfraktion. Ziel ist eine Verminderung des Risikos von Komplikationen. Liegen weitere Arterioskleroserisikofaktoren vor, so gelten strengere Zielwerte.

Substanzen

Wirkung

Statine (HMG-CoA-

Lovastatin, Simvastatin,

V. a. LOL-Senkung

Reduktase-Hemmer)

Atorvastatin

Gruppe

NW Hautexanthem, Myopathie (CK t), Kopfschmerz, TA-Anstieg

Fibrate

Bezafibrat, Fenofibrat,

V. a. TG-Senk ung,

Gallensteine, Myopathie (CK t),

(PPAR-a-Antagonisten)

Gemfibrozil

HOLt

TA-Anstieg

Anionenaustauscher-

Colestyramin

Cholesterinsenkung

Meteorismus, Obstipation

harze (Gallensäurebinder)

Colestipol

(können TG t)

Cholesterinabsorptions-

Ezetimib

Cholesterinsenkung

Gastrointestinale Beschwerden

Senkt Cholesterin

Flush, Verschlechterung der

hemmer

Nikotinsäurederivate

Niacin (Nikotinsäure)

und TG

Glukosetoleranz, gastrointestinale Beschwerden

I

Tab. 3: Lipidsenkende Medikamente.

Zusammenfassung • Cholesterin und Triglyzeride werden zur besseren Löslichkeit im Blut in Form von Lipoproteinen transportiert. X Fettstoffwechselstörungen sind häufig und erhöhen das Arterioskleroseund insbesondere das Herzinfarktrisiko. Man unterscheidet primäre von sekundären Formen. X Neben der Arteriosklerosebildung kann es auch zu Xanthomen oder Xanthelasmen kommen. Ein Arcus lipoides corneae kann ebenfalls auf eine Fettstoffwechselstörung hinweisen. X Therapie: Ernährungsumstellung, Bewegung und evtl. Lipidsenker (z. B. Statine, Fibrate)

Physiologie und Diagnostik Hypothalamus

Hypophyse

Die Hypophyse liegt in der Sella turcica und Der Hypothalamus ist ein wichtiges zentrales besteht aus einem Hinterlappen mit neuroIntegrationszentrum endokriner, vegetativer nalem Ursprung (Neurohypophyse) und und somatischer Funktionen. Afferenzen einem Vorderlappen, der sich als Ausstülpu ng kommen aus dem Hirnstamm, dem limbisehen System und über den Thalamus von der der ektodermalen Rathke-Tasche vom Oropharynx abschnürt (Adenohypophyse) . DaKörperoberfläche und den inneren Organen. zwischen liegt der Zwischenlappen, besteMan findet spezielle Neurene im Hypothala· hend aus einer dünnen Zellschicht, der bei mus, die z. B. Osmorezeptoren, Rezeptoren Säugetieren allerdings kaum Bedeutung hat. für die Temperatur des Blutes oder fü r die Messung von Hormonkonzentrationen besitzen. Peptidhormone können dabei über die Neurohypop hyse zirkumventrikulären Organe die Blut-HirnDie Hormone der Neurohypophyse sind ADH Schranke umgehen und zum Hypothalamus (antidiuretisches Hormon oder Vasopressin) gelangen. Verschiedene humorale und neuround Oxytozin, die eine sehr ähnliche chenale Informationen werden dann integriert mische Struktur besitzen: und im hypothalamisch-hypophysären Regelkreis weitergegeben. Die negative Rückkoppt Die Sekretion von ADH wird durch Hyperlung dieses Regelkreises funktioniert auch osmolarität (über hypothalamisehe Osmoohne das ZNS; das ZNS führt jedoch zu einer rezeptoren) und verminderte Vorhoffüllung Anpassung an endogene und exogene Ein(bei vermindertem Blutvolumen) stimuliert, flüsse. Daneben besitzt der Hypothalamus auch efferente Fasern für die übergeordnete darüber hinaus auch durch Angst, Stress, Angiotensin II und Dopamin. Eine verstärkte Regulation z. B. des kardiavaskulären SysVorhofdehnung, Alkohol oder Kälte wirken tems. hingegen hemmend. ADH bewirkt über V1Neurosekretorische Nervenzellen des NucL Rezeptoren eine Vasokonstriktion. Nach Stisupraopticus und Nucl. paraventricularis bilmulation von V2-Rezeptoren werden Wasserden mit ihren Axonendigungen den Hypokanäle (Aquaporine) in die luminale Membran physenhinterlappen. Sie produzieren die von Zellen im distalen Tubulus und im Sam Prohormone von ADH und Oxyt ozin, die melrohr eingebaut und erhöhen so die Wasdurch axonalen Transport in die Neurohyposerrückresorption (s. a. S. 44 ). physe gelangen, wo das aktive Hormon entsteht. Aus anderen Hypothalamuskernen wer- t Oxytozin wird durch mechanische Reizung der Vagina und der Cervix uteri bzw. den Releasing-Hormone in ein spezialisiertes Mamillen ausgeschüttet und bewirkt dann der gelangen kapilläres Portalsystem sezerniert, eine verstärkte Kontraktion der Uterusmuskudann auf einem kurzen Blutweg zum Hypolatur, die am End e der Schwangerschaft durch physenvorderlappen und stimulieren dort Östrogenwirkung für Oxytozin sensibili die die Hormonsekretion. Negative Rückkoppist. Durch Oxytozi n kommt es ebenso zu siert bei Regulation die steuern lungsmechanismen einer Kontraktion des Myoepithels der Brustder Hormonausschüttung (s . S. 6).

drüse und damit zum Milchejektionsreflex . AufSerdern verstärkt Oxytozin auch die sozial e Bindung beim Menschen.

Adenohypop hyse Der Hypophysenvorderlappen wird nicht zentraJnervös innerviert, sond ern ausschließlich über hypothalamisehe Neurohormone reguliert, die pu lsatil und mit einem zirkadianen Rhythmus ausgeschüttet werd en. Die Adenohypophyse produziert vier glandotrope Hormone (ACTH, TSH, FSH und LH ) und zwei nichtglandotrope Hormone (GH und Prolaktin). Aus ACTH entsteht außerdem auch das a -MSH (melanozytenstimulierendes Hormon). Glandotrope Hormone Releasing-Faktoren führen zur Ausschüttung der glandotropen Hormone, die dann ihr peripheres Zielorgan stimulieren. ACTH wird durch CRH (Corticou·opin-releasing-Hormon) freigesetzt, TSH fördert hingegen nicht nur die TSH-, sondern auch die Prolaktinfreisetzung (I Abb. I). Die Ausschüttung der Gonadotropine FSH und LH wird durch GnRH (Gonadotropin-releasing-Hormon ) stimuliert das pulsatil freigesetzt wird. Bei einer gestör: ten pulsatilen Ausschüttung oder einer Rezeptor-Down-Regulierung durch die längere Einnahme von lang wirksamen GnRH-Agonisten kom mt es zu einer Abnahme der Gonadotropinsekretion mit anschließendem Abfall der Sexualhormonkonzentration .

t ACTH (adrenokortikotropes Hormon) ist ein Peptidhormon, das durch Proteolyse aus POMC (Proopiomelanocortin) entsteht. Es stimuliert in weiterer Folge die Synthese der NNR-Hormone, v. a. der Glukokortikoide,

Hypophysenhinterlappen

Nieren[ tubul1

tf II ] ~

I Abb . 1: Hypothalami se he Hormone steuern Synthese und Sekretion der Hypophyse nhormone. 12 1)

...

Hypothalamus - Hypophyse

FSH

LH

Frau

Follikelreifung

Ovulation, Gelbkörperbildung

Mann

Spermatogenese

Androgensynthese in den l eydig-Zellen

aber auch die der Androgene sowie der Mineralokortikoide. Ein anhaltender ACTH-Stimulus bewirkt eine Hyperplasie und Hypertrophie der inneren NNR-Zonen . POMC enthält neben der Peptidsequenz für ACTH gleichzeitig auch die für ß-MSH, y-MSH, ß-Lipotrophin, ß-Endorphin und Metenkephalin. Aus ACTH entsteht durch proteolytische Spaltung das a-MSH, welches peripher stimulierend auf Melanozyten wirkt und im Hypothalamus die Nahrungsaufnahme hemmt und den Sympathikotonus sowie den Energieverbrauch steigert • Daneben werden auch die Glykoproteine TSH, FSH und LH im VorderJappen gebildet Diese Hormone bestehen alle aus einer identischen u-Untereinheit und einer unterschiedlichen ß-Untereinheit, durch die jeweils die hormonspezifischen Wirkungen vermittelt werden. -Die Freisetzung von TSH (thyroideastimulierendes Hormon) erfolgt ebenfalls pulsatil und in einem zirkadianen Rhythmus mit einem Maximum um Mitternacht Diese Schwankungen sind jedoch zu gering, um diagnostisch bedeutsam zu sein. Für die Diagnostik von Schilddrüsenfunktionsstörungen ist TSH einer der bedeutsamsten Parameter. Die Wirkungen auf die Schilddrüse sind auf Seite 47 beschrieben. -Die Wirkung von FSH (follikelstimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon) ist v. a. auf die Gonaden gerichtet Bei der Frau kommt es durch FSH zur Follikelreifung, während LH neben dem Einfluss auf die Follikelreifung auch die Ovulation auslöst und für die Entstehung des Corpus luteum verantwortlich ist Beim Mann steuern FSH die Spermatogenese und LH die Androgensynthese in den Leydig-Zwischenzellen (H ab. l ).

361 37

I Tab. 1: Wirkungen der Gonad otropine (FSH und LH) bei Fra uen und Männern .

Libidoverlust und Infertilität Daneben hat Prolaktin wahrscheinlich eine stimulierende Wirkung auf das Immunsystem.

Diagnostik bei hypothalamisch-hypophysären Erkrankungen Sowohl hypothalamisehe als auch hypophysäre Hormone werden vorwiegend pulsatil ausgeschüttet. Dynamische Funktionstests sind somit für die Diagnostik meist besser geeignet als die Bestimmung der basalen Hormonkonzentrationen. Vor allem die Messung der hypo· thalamisehen Hormone bereitet Probleme, da diese nach Passage des hypophysären Portalsystems im peripheren Kreislauf in etwa zehnfach verdünnter Konzentration erscheinen. Für die Differenzierung zwischen hypothalamisehen oder hypophysären Störungen eignet sich daher besser die periphere Messung der hypophysären Hormone (z. B. ACTH, TSH) nach Stimulation durch die hypothalamisehen ReleasingHormone (z. B. CRH, TRH). Bei den bildgebenden Verfahren der Hypophyse ist der Goldstandard die MRT, Verkalkungen sind jedoch besser mittels CT darstellbar. Eine Gesichtsfeldeinschränkung in der Perimetrie kann auf Hypophysentumoren hinweisen. Abhängig von der Lokalisation der Sehbahnstörung ergeben sich unterschiedliche Ausfälle. Sie entwickeln sich sehr langsam und bleiben daher lange unbemerkt. Bei Adenomen wird am häufigsten ein beginnender Ausfall des oberen temporalen Gesichtsfelds beobachtet, der zu einer symmetrischen bilateralen Hemianopsie ("Scheuklappensehen") fortschreiten kann.

Nichtglandotrope Hormone Die nichtglandotropen Hormone werden durch Releasing- und lnhibi· ting-Faktoren reguliert: • Das Wachstumshormon (GH) übt Einfluss auf die Aktivität und den Stoffwechsel fast aller Zellen aus und ist essentiell für die körperliche Entwicklung, hat aber auch beim Erwachsenen wichtige Funktionen. Die Ausschüttung wird durch mehrere Faktoren reguliert: GHRH (Growth-Hormone-releasing-Hormon), Schlaf, körperliche Anstrengung, Stress und Hypoglykämie steigern die GH-Sekretion, die typischerweise pulsatil erfolgt (I Abb. I, S. 40). Somatostatin, Hyperglykämie und GH (negatives Feedback) wirken hingegen hemmend. GH stimuliert auf direktem Weg die Lipolyse und Glykogenolyse. Die wachstumsfördernden Wirkungen werden vorwiegend auf indirektem Weg über eine Freisetzung von IGF- 1 (insulin-like growth factor) aus der Leber vermittelt Durch lGF-1 kommt es zu einer Stimulation des Knorpel- und Knochenaufbaus sowie zu einer gesteigerten Proteinsynthese, die auch die Zellteilung stimuliert • Die Freisetzung von Prolaktin (PRL) wird vorwiegend durch hemmenden hypothalamisehen Einfluss gesteuert Die größte Bedeutung hat dabei Dopamin, das am D2-Rezeptor ansetzt und so die Prolaktinausschüttung hemmt Andererseits kommt es durch Dopaminantagonisten zu einer gesteigerten Prolaktinsekretion, ebenso durch TRH , Östrogene, Hypoglykämie, Stress oder den Saugreiz (s. a. S. 38). Prolaktin stimuliert Wachstum und Differenzierung der Brustdrüse und auch die Milchproduktion. Die physiologische Funktion beim Mann ist unklar. In hoher Konzentration hemmt es die pulsatile GnRH-Ausschüttung und führt in der Folge bei der Frau zu Amenorrhö (physiologische Laktationsamenorrhö während des Stil lens), beim Mann zu

Zusammenfassung X Der Hypothalamus ist ein Integrationszentrum lebenswichtiger Funktionen. X Über das Portalsystem gelangen stimulierende und hemmende Hormone vom Hypothalamus zum Hypophysenvorderlappen und steuern dort die Hormonfreisetzung. Daneben bewirken auch andere Hormone und Einflüsse eine Regulation der hypophysären Hormone. X Die Hormone des Hypophysenvorderlappens sind ACTH, TSH, FSH, LH, GH, Prolaktin und MSH, Hor-

mone des Hypophysenhinterlappens sind ADH und Oxytozln. Deren Synthese erfolgt jedoch in Neuronen des Hypothalamus.

i-iypophysentumoren Raumforderungen im Bereich der Hypophyse sind sehr häufig und kommen in etwa 10-20 % bei Autopsien vor. Allerdings haben diese nur in wenigen Fällen auch einen Krankheitswert Man spricht daher auch von lnzidentalornen, also zuf;illig entdeckten Raumforderungen. Bei den Hypophysentumoren handelt es sich fast ausschließlich um Adenome. Diese können entweder endokrin inaktiv (40 %) oder hormonaktiv (60%) sein (H ab. I). Nach der Größe unterscheidet man Mikroadenorne mit einem Durchmesser kleiner 10 mm von größeren Makroadenornen. Karzinome sind eine Seltenheit. jedoch können auch Adenome durch Hormonproduk· tion oder durch ihr verdrängendes Wachstum symptomatisch werden. Wachsen sie nach oben, kann es zu einer Kompression des Chiasma opticum mit Gesichtsfeldeinschränkungen kommen; eine seitliche Ausdehnung in den Sinus cavernosus kann zu Ausfällen der Augenmuskelnerven und Anisokorie führen und eine komplette Resektion erschweren .

Hyperprolaktinämie Eine Hyperprolaktinämie ist eine allgemeine Erhöhung des Prolaktinwertes über 25 ng/ml bei Frauen und 20 ng/ml bei Männern. Sie kann auch verschiedene physiologische Ursachen haben (ITab. 2). Ein Wert > 200 ng/ml ist fast beweisend für ein Prolaktinom. Dieses ist der häufigste endokrin aktive Tumor der Hypophyse und kommt bei Frauen etwa fünfmal häufiger vor als bei Männern .

Abb. 1: Darstellung ein es Makroprolaktinoms i rn MRT. ]2]

I

Klinik Die Diagnose wird häufig als Zufallsbefund oder bei einem unerfüllten Kinderwunsch gestellt. Durch Prolaktin wird die hypothalamisehe GnRH-Sekretion gehemmt, mit der Folge eines hypogonadotropen Hypogonadismus. Die basalen FSH· und LH-Konzentrationen sind dabei häufig normal, während die pulsatile Sekretion und der mittzyklische LH Anstieg unterdrückt werden.

t Bei der Frau: Durch Störung der Hypo· physen·Gonaden-Achse kommt es zum Leitsymptom der sekundären Amenorrhö. Daneben kann es zu verminderter Libido, Osteopenie/Osteoporose (Östrogenmangell ) und Kopfschmerzen kommen. Eine Galaktorrhö wird bei weniger als der Hälfte beobachtet.

t Beim Mann: Die Leitsymptome verminderte Libido und Impotenz werden oft längere Zeit toleriert. Daher wird die Diagnose manchmal erst viel später beim Auftreten von Gesichtsfeldeinschränkunge n, Kopfsc hmerzen oder einer Hypophysenvorderlappeninsuffizienz gestellt. Außerdem kann es zu verminderter Bart- und Sexualbehaarung und Gynäkomastie kommen.

Diagnostik Stimulationstests mit TRH werden heute kaum noch durchgeführt. Trotz der unregel-

Adenom

Häufigkeit

Ursachen

Differentialdiagnosen

Ausschluss durch

Endokrin inaktive Adenome

40 %

Physiologisch

Sc hwangerschaft, Stillzeit

An amnese

Proiaktinome

25 %

GH-produzierende Adenome (von diesen

20% (20 %)

Stress und körperliche Belas tun g Prolaktinom

Wiederholte Prolaktinmessungen,

Hypophysenstiei-Phänomen: vermind erter Tran sport von Dopamin zum HVL durch RF, Trauma, Bestrahl ung u.a.

Anamn ese (Trauma), MRT

Pharmakolo-

Östrogene

Medika mentenanamnese

gisch

Alle Neuroleptika (D,-Antagonisten)

Hypophyse

zusätzlich Prolaktin)

ACTH-produzierende Adenome

t0%

(M. Cushing)

Sonstige (LH, FSH, TSH, pluri horm onal)

I

Bei einer regelmiBigen Menstruation kann eine Störung der Hypophysen-Gonaden-Achse ausgeschlossen werden.

5%

Tab. 1: Häufigkeitsvertei lung vo n Hypo physen-

Antidepressiva (TCA, MAO-Hemmer, seltener SSRI)

adenomen.

Metoclopramid Reserpin, a-Methyldopa Verapamil (Kalziumantagonist) Opioide u. v.a.

Weitere

Hypothyreose (TRH

I

Au sschlussdiagnose

Idiopathi sch

1'1

TSH

Chronische Niereninsuffizienz

Anamn ese und Serum-Kreatinin

Leberinsuffizienz

An amnese, Syntheseparameter

Akromegalie

IGF- 1, oGTI (GH)

Tab. 2: Ursachen der Hype rpro lak t in ämie.

MRT

)--------------------------------------------H-y~p_o_t_h_a_la_m__ us__-_H_y~p_o~p_h~y_s_e mäßigen Prolaktinfreisetzung ist die Bestimmung des basalen Prolaktins die Methode der WahL Werte zwischen 25 und 200 ng/ml erfordern mehrfache Messungen, Werte über 200 ng/ml weisen auf ein Makroprolaktinom (Durchmesser > I 0 mm) hin. Eine Raumforderung der Hypophyse und erhöhtes Prolaktin sind bei fehlenden klinischen Symptomen nicht immer vergesellschaftet. Daher muss vor der MRT-Untersuchung (I Abb. I) der anamnestische Ausschluss anderer funktioneller Ursachen erfolgen .

Die Diagnose eines Prolaktinoms wird durch den Ausschluss anderer Ursachen und den Nachweis einer Raumforderung gestellt. Da· nach sind zur Bestimmung einer Hypophyseninsuffizienz die Diagnostik der Partialfunktionen und eine Perimetrie (Bestimmung des Gesichtsfelds) durchzuführen. Manche Personen synthetisieren eine höhermolekulare Form des Hormons (Makroprolaktin) mit geringerer Bioaktivität, die in Assays eine Hyperprolaktinämie vortäuschen kann.

Therapie Im Gegensatz zu den anderen Hypophysenadenomen, die primär operativ therapiert werden, ist beim Prolaktinom die pharmakologische Behandlung die erste Wahl (I Abb. 2). Die Therapie eines Mikroadenoms kann bei Patienten ohne Galaktorrhö und ohne Kinderwunsch auch mit Sexualhormonen (bei Frauen Kontrazeptiva, bei Männern Testosteronsubstitution) erfolgen. ln den anderen Fällen sollte einschleichend mit Dopaminagonisten therapiert werden. Diese bewirken nicht nur eine Normalisierung der Prolaktinkonzentration, sondern führen auch in über 80% zu einer Verkleinerung des Tumors. Zur Verfügung stehen Ergotalkaloide wie Cabergolin (Dostinex®), das nur 1- bis 2-mal pro Woche gegeben wird und eine höhere Effektivität und Verträglichkeit besitzt

als der erste verfügbare Wirkstoff Bromocriptin (Pravidel®). Weitere Substanzen sind Lisurid und Ouinagolid. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Orthostasestörungen, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Bei Absetzen der Medikamente (nach 2-3 Jahren Auslassversuch bzw. Dosisreduktion) kommt es jedoch häufig zu einem Wiederanstieg des Prolaktins. Bei Medikamentenunverträglichkeit gibt es die Möglichkeit einer operativen Therapie, während eine Strahlenthera pie nur in seltenen Fällen indiziert ist.

M. Cushing Mit etwa 70% ist die häufigste Ursache des endogenen Hyperkortisolismus ein ACTHproduzierendes Hypophysenadenom

(M. Cushing im eigentlichen Sinne). Meist handelt es sich dabei um Mikroadenome. Zur

Sinus cavernosus

konfluierende hypophysäre Venen

Sinus petrosus inferior

38 I 39

Differenzierung zwischen hypophysärer, adrenaler (von der NNR ausgehender) oder ektoper Hormonproduktion dient eine ACTH· Bestimmung in Kombination mit dem CRHTest und dem hochdosierten Dexamethasonhemmtest. Die Ergebnisse sind jedoch nicht immer eindeutig. Vor allem die Unterscheidung zwischen einem M. Cushing (zentrale Ursache) ohne nachweisbare hypophysäre Raumforderung und einer ektopen ACTHProduktion ist schwierig, so dass in manchen Fällen eine hypophysäre Überproduktion erst mit einem Sinus-petrosus-Katheter nachgewiesen werden kann (I Abb. 3). Auf ein Hypophysenadenom weist ein Quotient von petrosaler zu peripherer ACTH-Konzentration > 3 unter CRH-Stimulation hin. Die Klinik, Diagnostik und Therapie des M. Cushing sind gemeinsam mit den anderen Formen des Hyperkortisolismus auf Seite 78 f. zu finden.

I Abb. 3: Sinus-petrosus-Katheter: Unter Röntgenkontrolle wird der Kath eter bis nahe an die Hypophyse geschoben, und die ACTH-Konzentration nach CRH-Stimulation wird bestim mt. Eine Seitenabweichung bzw . ein Gradient zwischen zentraler und peripherer Konzentration spricht für ein en M. Cushing. [2]

Zusammenfassung ac Raumforderungen der Hypophyse sind sehr häufig ( 10- 20 %)! Diese werden jedoch nur in wenigen Fällen durch Hormonproduktion oder verdrängendes Wachstum symptomatisch. • Das Prolaktinom ist der häufigste Hypophysentumor. Auch zahlreiche anerhöhtes Risiko neurologischer Symptome in der Schwangerschaft (Adenomwachstum

dere Ursachen können zu einer Erhöhung des Prolaktins führen. leitsymptome der Hyperprolaktinämie sind sekundäre Amenorrhö bzw. Libido- und

unter Östrogen)

Potenzverlust. • ACTH-produzierende Hypophysenadenome (M. Cushing) sind die häufigste Ursache eines endogenen Hyperkortisolismus. I Abb. 2: Medikame ntöse Therapie beim Prolaktinom . [3]

Akromegalie GH-Konzentration

I

(~g / 1 )

Abb . 2: 46-jä hri ge r Patient mit

sei t 22 Jah ren bes tehender m ega lie. [2 [

Schlaf 20

Akro-

10

0 +."~-rrrrrrTTTTTO>O>""nrr 8 .00 8.00 12.00 16.00 20.00 24.00 4 .00 Tageszeit

I

Abb. 1: Die ph ys iologische Wachstumshormon -

sek reti o n erfolgt pul satil und v. a. in der Nacht. [7]

Akromegalie ist die pathologische Überproduktion von Wachstumshormon beim Erwachsenen. Von einem Gigantismus spricht man bei dem selteneren Auftreten vor dem Schluss der Epiphysenfugen mit einem proportionierten Hochwuchs. Die Ursache ist in 99% ein GH-produzierendes Hypophysenadenom. Andere Ursachen (ektope GH-Sekretion z. B. durch Lymphome oder hypothalamisehe bzw. ektope GHRHSekretion) sind sehr selten. Die Inzidenz (Neuerkrankungen) liegt bei 3- 4 Mio. pro Jahr. Bei der Diagnose sind die Patienten häu· fig im 3. - 5. Lebensjahrzehnt Klinik Bis zur Diagnosestellung dauert es oft mehr als I 0 Jahre, da sich die Veränd erungen schleichend entwickeln und vom Patienten selbst ka um wahrgenommen werden (I Abb. 2 und Tab. I). Manchmal fällt die Zunahme von Schuh-, Handschuh· oder Hut· größeauf (I Abb. 3).

All gemeinsymptome

Diagnostik Bei der Labordiagnostik ist ein einzelner basaler GH-Wert (G H > 5 ng/m l) aufgrund der pulsatilen Ausschüttung diagnostisch nicht aussagekräftig (I Abb. I). Deshalb kommen folgende Tests zum Einsatz:

sung der GH-Supprimierbarkeit (dynamischer Test) bei klinischem Verdacht und erhöhtem IGF-1. Wie bei der Diabetesdiagnostik werden 75 mg Glukose oral verabreicht und die GH · Konzentration nach 0, 60 und 120 Min . be· stimmt. Eine Akromegalie kann ausgeschlos· sen werden, wenn GH < I ng/ml.

Außerdem wird die restliche Hypophysenfunktion laborchem isch bestimmt, um eine Hypophyseninsuffi zienz auszuschließen bzw um eine kombinierte Prolaktinsekretion nachzuweisen, die in etwa 20 %auftritt. Nach Diagnosestellung sollten weitere Untersuchungen (EK G, Echokardiographie, Koloskopie, Schilddrüsensonographie) durchgeführt werden. Differentialdiagnostisch müssen ein Akromegaloid (genetische Ko nstitutionsvariante ohne endokrine Regulationsstörung) und bei Kindern ein konstitutioneller Hochwuchs ausgeschlossen werden. Eine GH-Erhöhung findet man auch bei Angst, körperlicher Belastung, chronischer Niereninsuffizienz, akuten Erkrankungen, Leberzirrhose, Hunger oder Unterernährung.

Eine MRT dient zur Lokalisationsd iagnostik und zur Beurteilung der Tumorgröße. Die Perimetrie gibt Auskunft über eine Beteiligung der Sehbahn und subklinische Gesichtsfeldeinschränkungen.

Therapie Behandlungsziel ist eine Normalisierung der IGF· l· und GH-Konzentration. Therapie der ersten Wahl und einziger potentiell kurativer Ansatz ist die operative Entfernung, meist

J IGF-1: als Suchtest und zur Beurteilung des

Verlaufs J oGTT (oraler Glukosetoleranztest): Mes·

t Rasche Ermüd barkeit, verringerte körperliche Belastbarkeit t Konzentrationsschwäche t Schwitzen

Skelett und Bewe-

• Akrales Wachstum: Hände, Nase, Ki nn, Jochbogen , Füße (I Abb. 3)

gungsapparat

t

Karpaltunnelsyndrom (Kompression des Nervus medianu s mit nächtlichen Schmerzen und Parästhesien von Daumen , Zeige- und Mittelfinger und evl l. Daumenballenatro phie)

• Diffuse Gelenkbeschwerden Gesicht

t t

Vergröberte Gesichtszüge, Makroglassie (vergrößerte Zunge) Prognathie (Vorstehen des Oberkiefers vor den Unterkiefer) und vergrößerter Zahnabstand

t Verdickte Haut, vermehrt e Talgsekretion (Seborrhö) Organveränderungen

• Organomegalie (z. 8. Herz, Leber, Schilddrüse)

Endokrine Symptome

t Ges törte Glukose toleranz

t t

Hände: warm-feucht , leicht konsi stenzvermehrt, verbrei tert und plump

Menstruation sstörungen , verminderte Libid o

t Struma t Endokrines Psychesyndrom (Müdigkeit, Lethargie und Stimmungsschwankungen) Ophthalmologische

t

und neuro logische

t Gesichtsfeldausfä lle

Kopfschmerzen

Symplome

t

Parästhesien

Weitere

t

Hypertonie und kardiavaskuläre Erkran kungen

t Schlafapnoesyndrom

I

Tab . I : Sympt om e d er Akromegali e (Leit-

symptome fett ausgeze ichnet) .

Hypothalamus - Hypophyse

40 141

I Abb. 3: Charakteristische Vergrößerung der Hände bei einem Patienten mit Akromegalie im Vergleich zu einem Gesunden mit gleicher Körpergröße. [7]

durch eine transsphenoidale Adenomektomie. Dabei wird durch die Nase und die Keilbeinhöhle ein Zugang zur Sella turcica eröffnet und selektiv das Tumorgewebe entfernt. Die Operation ist - abhängig von der Tumorgröße - in 50 - 80% erfolgreich. Als mögliche Nebenwirkungen können eine Sinusitis oder Blutung, selten auch eine Meningitis auftreten. Teilweise kommt es zu einem vorübergehenden Diabetes insipidus. Die Hypophysenfunktion bleibt meist erhalten. Nur in 5-20% ist eine lebenslange hormonelle Substitution aufgrund einer partiellen oder kompletten HVL-lnsuffizienz notwendig. Doch selbst bei einem GH -Abfall kann es nach Jahren zu einem erneuten Anstieg kommen. Bei Versagen einer operativen Behandlung oder adjuvant (ergänzend) ist auch eine medikamentöse Therapie möglich: t Die Somatostatinanaloga sind länger wirksam als die physiologische Form und hemmen ebenso die GH-Sekretion. Octreotid (Sandostatin®) kann initialdreimal täglich s. c. und danach als Depotpräparat (Sandostatin LAR®) einmal pro Monat i. m. verabreicht werden. Lanreotid (Somatuline®) ist ein weiterer Wirkstoff, der nur einmal monatlich s. c. gegeben wird. Die Somatostatinanaloga werden zur präoperativen Vorbereitung, zur Überbrückung bis zum Wirkeintritt der Strah· Jentherapie sowie bei Patienten, bei denen

eine Kontraindikation für eine Operation vorliegt, verwendet. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind Bauchschmerzen, Blähungen und Diarrhö sowie Vitamin-B 12 -Mangel und Gallensteinbildung. t Der GH-Rezeptor-Antagonist Pegvisomant (Somavert®) bewirkt nicht eine verminderte GH-Sekretion, sondern hemmt die Wirkung von GH am Rezeptor. Es kommt zu einer Normalisierung der ICF-I-Konzentration und klinischer Besserung bei hoher GH-Konzentration. Dieses teure, jedoch sehr wirksame Präparat findet bei Versagen der anderen therapeutischen Möglichkeiten Anwendung. t Dopaminagonisten stimulieren beim Gesunden die GH-Sekretion, können sie bei der Akromegalie hingegen hemmen. Bei kleinen Adenomen kann ein Therapieversuch erfolgreich sein. Vorteile sind die perorale Gabe und der niedrige Preis bei jedoch geringerer Wirksamkeit im Vergleich zu Somatostatinanaloga. Cabergolin (Dostinex®) wird heute oft dem Bromocriptin (Pravidel®) vorgezogen (s. a. S. 39). Zu Beginn treten häufig Kreislaufbeschwerden, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen auf.

chirurgie (Linearbeschleuniger oder "Gammaknife"). Es kann dabei zur Insuffizienz anderer Hypophysenfunktionen, seltener zu Optikusneuropathie mit Erblindung oder Zweittumoren kommen. Durch den verzögerten Wirkein tritt, der erst Monate bis Jahre später einsetzt, muss zusätzlich medikamentös behandelt werden.

Prognose Unbehandelt sinkt die Lebenserwartung um etwa I 0 Jahre. Die erhöhte Morbidität und Mortalität sind auf Sekundärkomplikationen zurückzuführen: kardiavaskuläre Erkrankungen durch Hypertonie und Kardiomegalie, Diabetes mellitus, Gelenkerkrankungen, Zweittumoren wie kolarektale Karzinome oder Mammakarzinome, respiratorische Komplikationen bei Schlafapnoesyndrom. Entscheidend sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sowie eine konsequente medikamentöse Substitution im Fall einer postoperativen Hypophyseninsuffizienz.

Bei Therapieversagen oder erneutem Tumorwachstum kann eine Strahlentherapie eingesetzt werden. Verwendet werden die konventionelle, fraktionierte Röntgenbestrahlung (auf mehrere Dosen verteilt) oder die Radio-

Zusammenfassung X Die Akromegalie Ist eine seltene Erkrankung mit schleichendem Verlauf.

ac Die häufigsten Symptome sind die Vergrößerung der Akren und der Zunge, Vergröberung der Gesichtszüge, Kopfschmerzen und Sehstörungen. Des Weiteren findet man häufig eine Hypertonie und eine pathologische Glukosetoleranz. X Diagnose durch Klinik, IGF-1 und GH-5uppressionstest X Therapie der Wahl ist die transsphenoidale Adenomektomie.

10pituitarismus Diagnostik Für die Diagnose sind die klinischen Zeichen des Hormonmangei wegweisend. Der Nachweis ist durch die Interpretation von gleichzei-s tig gemessenen hypophysären (ACTH, TSH, LH/ FSH, GH, PRL) unct peripheren Hormonen (Kortisol, fT,, Östrad iol, Testosteron, IGF-1) zu stellen. Typisch ist dabei eine Erniedrigung der Zielho rmone bei inadäquat niedrigen hypophysären Hormonen. Vor allem bei der kortikotropen (ACTH) und der somatotropen ~chse (GH) ist die Bestimmung der basalen Hormonkonzentrattonen hauflg mcht ausreichend, wobei eine kombinierte Verabreichung der hypo thalamisehen Releasing-Hormone CRH, GnRH, TRH, GHR H und Arginin (Somatostatinantagonist) weiterhilft. Eine Hypophysenvorderlappeninsuffizie nz liegt bei fe hlendem oder unzureichendem Anstieg der hypophysären und peripheren Hormone vor. Zur Differenzierung zwischen sekundären (hypophysä ren) und tertiären (hypo thalamischen) Ursachen dient die Kombination aus Releasing-Hormon-Test und Insulin-Hypoglykämietest, der auch die Funktion des Hypothalamus beurteilt. Bei intaktem Regelkreis führt die insulininduzierte Hypoglykämie ab ei ner Serumglukose < 40 mg/dl zur GH- und CRH-Sekretion und somit auch zur ACTH- und Kortiso!freisetzung. Daneben tre ten Tachykard ie und evtl. neuroglukopenische Symptome auf, weshalb dieser Test aufgrund des erhöhten kardiovaskulären Risikos bei Wachstumshormonmangel nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Ein fehlender Anstieg von ACTH bei Hypoglykämie bei einem normalen Anstieg nach CRH-Gabe weist auf eine hypothalamisehe Schädigung hin . Ein normaler Anstieg des Wachstumshormons spricht für eine intakte Funktion der somatotropen Achse. Zum Tumorausschluss werden eine MRT bzw. CT und eine Perimetrie durchgeführt.

___ , :-:-·:.apituitarismus bezeichnet man einen partiellen oder kom;;;c ~~en Ausfall der Funktion des Hypophysenvorderlappens. Die Schädigung kann auf der Ebene der Hypophyse oder durch eine Störung der übergeordneten hypothalamisehen Regelzentren entstehen. Häufige Ursachen der Hypophysenerkrankungen sind in I Tab. I dargestellt. Diegenaue Pathogenese der postpartalen Hypophysennekrose beim Sheehan·Syndrom ist unklar. Die Hypophyse zeigt während der Schwangerschaft ein Wachstum und reagiert daher empfindlicher auf Hypoxie. Bei der Geburt kann es durch größere Blutverluste zu einer verminderten Durchblutung kommen, außerdem werden häufiger Thrombosen beobachtet. Die Hypophyseninsuffizienz kann sich dabei auch erst über ein Jahr nach der Geburt manifestieren . Typische Symptome sind Agalaktie und sekundäre Amenorrhö.

Klinik Klinische Symptome treten erst ein, wenn 80!16 des Hypophysenvorderlappens zerstört sind. Bei Hypophysenadenomen findet man eine typische Reihenfolge beim Ausfall der einzelnen Funktionen. Dabei sind zuerst die nicht lebensnotwendigen Hormonsysteme betroffen: GH -+ FSH / LH -+ TSH -+ ACTH.

Allein Prolaktin ist häufig bis zuletzt nachweisbar und kann durch den Ausfall der inhibitorischen Kontrolle sogar erhöht sein . Symptome ergeben sich durch den Ausfall verschiedenen Hormonachsen (ITab. 2). Ein Ausfall der Gonadotropine und von GH ist häufiger zu finden als ein Ausfall von TSH oder ACTH. Der Verlauf ist meist schleichend.

Tumoren

Hormonausfall

Hypophysenadenome und andere Raumforderungen mit lok aler Verdrängung, Kraniopharyngeom (benigner Tumor von Zellen der

GH

Rathk e-Tasche, häufiger bei Kindern) Trauma

Posttraumatische Einblutung, Schädel-Hirn-Trauma, Opera tions-

Kind er

Hypophysäre r Kleinwuchs

Erwachsene

t Abdomin elle Fetteinlagerungen, Abnahme der Muskelmasse

trauma Entzündungen

Hypophysitis, granu lomatöse Erkrankungen (Tuberkulose, Sarko-

Autoimmun -

Autoimmunhypophysitis

idose, Histiozytose X) FSH/ LH

prozesse Apoplexie

Sheehan-Syndrom (heute se lten)

Therapeutisch

Nach Adenomektomie oder Bes trahlung

Symptome

Kinder

t

Adynamie, erh öhtes Arteriosk lero seri siko! LDL/ HDLQuotient i

t

Hypoglykämie

Gestörte Pubertät sentwick lung

Frauen und

Zeichen des Hypogonadism us, wächsern e blasse Haut,

Männer

Gerodermie (periokuläre und periorale Fältelung der Haut), fehlende Seku ndärbehaarung, Fehlen der latera len Augenbrauen, verminderter Antrieb, Depression, verminderte

I

Tab. 1: Häufige Ursachen des Hypopi t uitarismus.

Muske lmasse, spä ter auch Osteoporose Frauen

Menstruationss törungen und sek. Amen orrhö , Atrophie der Mammae

Männer

Libido- und Potenzs törungen, weiche und verk leinerte Hod en

t Müdigkeit, Kälteintoleranz, Obstipation, Ödemneigung

TSH

t Trockene , raue Haut, Hyperlipidämie t Gewichtszu nahme

t

ACTH

Müdigkeit, Gewich tsverlust

t Übelkeit, Hypoglyk ämien t Bradykardi e, Hypotonie a -MSH Prolaktin

Blässe

.j.

Au sbleiben der postpartat en Lak tation

i

t Sekund äre Amenorrhö t Libido- und Potenzverlust

Bei Tumoren außerd em

I

Kopfschm erzen, Gesichtsfeldeinschränkungen

Tab. 2: Sy mpto m e bei Hyp o physe nvorderlappe nin suffi zien z.

-

Hypothalamus - Hypophyse

Differentialdiagnose Besonders schwierig ist die Diagnose einer partiellen Insuffizienz mit einem Ausfall einzelner Hormonachsen. Bei der polyglandulären Insuffizienz (s.S. I06 f.) kommt es ebenfalls zu endokrinen Unterfunktionen, die häufig die Nebenniere und Schi lddrüse betreffen . Endokrine Störungen können auch bei schweren Allgemeinerkrankungen wie Leberoder Niereninsuffizienz auftreten. Therapie Die Therapie besteht aus einer kausalen Behandlung (z. B. Adenomektomie) und einer Substitution der ausgefallenen Hormonachsen. Außerdem müssen die Patienten immer einen Notfallausweis bei sich haben. II Zur Substitution der kortikotropen Achse wird üblicherweise Hydrokortison verwendet: Bei einem normalen Tagesablaufwerden von den 20 - 30 mg/Tag zwei Drittel morgens und ein Drittel am frühen Nachmittag eingenommen. Bei Infekten oder Operationen kann eine Erhöhung der Dosis auf das 2· bis 3fache nötig sein. Auch bei großer Hitze oder starker körperlicher Anstrengung sollte die Dosis um 50% erhöht werden. Eine Unterdosierung zeigt sich durch Appetitlosigkeit, Übelkeit und Müdigkeit. Eine Dosisanpassung sollte dann nach dem Befinden des Patienten und nicht nach dem Serumkortisol erfolgen. II Oie Substitution der Schilddrüsenhormone erfolgt durch Levothyroxin. Die Einnahme soll 30 Min. vor dem Frühstück erfolgen. Vor allem bei älteren Patienten muss einschlei· chend dosiert werden, um eine bestehende KHK nicht zu verschlimmern. II Sexualhormone: - Bei prämenopausalen Frauen werden Sexualhormone durch eine Hormonersatztherapie (HET) mit einer sequentiellen Östrogen-Gestagen-Kombination wie im Klimakterium substituiert. Bei hysterektomierten Frauen ist eine Cestagengabe nicht notwendig. Ohne Substitution besteht eine erhöhte Mortalität, die durch eine HET normalisiert werden kann. Bei jüngeren Frauen überwiegen daher die Vorteile einer Substitution, die in der geringsten notwendigen Dosis erfolgen sollte. Für perimenopausale Frauen sind aufgrund

der Risiken regelmäßig die Indikation und das Nutzen-Risiko-Verhältnis zu überprüfen (s. a. S. I 02). - Bei Männern erfolgt die Substitution durch eine intramuskuläre Testosteroninjektion oder auch als Pilaster oder Gel (s. S. 91 f.). II Eine Fertilität wird jedoch durch alleinige Stereidsubstitution nicht erreicht. Besteht ein Kinderwunsch, so sollte eine Fertilitätstherapie (s. S. 92) mit Gonadotropinen oder GnRH begonnen werden. II Bei Kindern mit Kleinwuchs und bei Erwachsenen mit ausgeprägtem GH-Mangel (bei verminderter Lebensqualität, Hyperlipidämie, abdomineller Adipositas, Osteopenie) kann eine subkutane Injektion von gentechnisch hergestelltem GH angewendet werden.

42143

12 - 24 Stunden darf Levothyroxin gegeben werden, da der Kortisolbedarf durch Schilddrüsenhormone erhöht wird und sich so die NNR-Insuffizienz verschlimmern würde.

Empty-Sella-Syndrom Die primäre Form entsteht bei einer Fehl· bildungdes Diaphragma sellae, wodurch sich der Subarachnoidalraum in die Sella ausbreiten kann und bei erhöhtem Hirndruck die Hypophyse verdrängt. Endokrine Symptome sind aufgrund der großen Reservekapazität jedoch selten. Zu einem sekundären Empty-SellaSyndrom kommt es durch Nekrose z. B. beim Sheehan-Syndrom oder bei der Apoplexie eines Adenoms.

Hypophysäres Koma Dabei handelt es sich um eine lebensbedrohliche Kombination einer sekundären NNRInsuffizienz und einer sekundären Hypothyreose. Häufig führen dabei bestimmte Ereignisse wie Infekte, Operationen, Traumata, Erbrechen oder Diarrhö zur akuten Manifestation einer chronischen Insuffizienz. Ein Ausfall der anderen hypophysären Hormone ist nicht lebensbedrohlich, führt jedoch zu charakteristischen Begleitsymptomen. Klinik: Typisch ist ein schläfrig-stuporöses Bild mit ausgeprägter Hypotonie, Bradykardie und Hypothermie auch unter 30 °C! Durch Kortisolmangel kommt es zur Hypoglykämie. Auffällig sind eine wächserne Blässe und fehlende Sekundärbehaarung. Diagnostik und Therapie: Das hypophysäre Koma ist selten. Eine rechtzeitige Diagnose und Therapie können jedoch lebensrettend sein. Begonnen wird mit I00 mg Hydrokorti· son als Kurzinfusion und Flüssigkeitssubstitution (evtl. glukosehaltige Infusion). Erst nach

'---+-- - Hypophysenhinterlappen

I

Abb. 1: MRT: Empty-Sella-Syndrom. Die Hypophyse ist an den hinteren Rand der Sei Ia turcica gedrängt, der Sellainhalt erscheint liquordicht. [2]

Zusammenfassung • Häufige Ursachen einer Hypophysenvorderlappeninsuffizienz sind Tumoren, Traumata oder Entzündungen. Die endokrine Reservekapazität der Hypophyse ist sehr groß. • Die Symptome sind abhängig vom Ausfall der jeweiligen Hormonachse und von der Schnelligkeit des Auftretens. Typische klinische Zeichen sind ein Fehlen der Sekundärbehaarung und der lateralen Augenbrauen, blasse Haut, Libidoverlust, Muskelschwäche und abdominelle Fetteinlagerung. • ln der Laboroiagnostik findet sich eine Erniedrigung der Zielhormone (Kortisol, fT4, Östradiol, Testosteron, IGF-1) bei inadäquat niedrigen hypophysären Hormonen (ACTH, TSH, LH, FSH, GH). Die Therapie besteht in einer Substitution der ausgefallenen Hormonachsen.

1-Störu ngen ::: ---=-~ _-.DH kommt es zur Rückresorption von Wasser im distalen Tubulus und in den Sammelrohren der Niere, während die Natriumausscheidung unbeeinflusst bleibt. Für die Volumenregulation, die weitgehend durch die Natriumausscheidung reguliert wird, gibt es mehrere Regulationsmechanismen (Sympathikus, RAAS, ANP, ADH)_ Die Osmolalität hingegen wird durch Osmorezeptoren im Hypothalamus gemessen und allein durch die Wasserausscheidung über ADH und die Wasserzufuhr bei Durstgefühl gesteuert (s. S. I3). Pathophysiologie Störungen der ADH-Sekretion haben in weiterer Folge durch Dehydra· tationeine Hypernatriämie bZ\v. durch Verdünnung eine Hyponarri· ämie zur Folge. Ausscheidung von freiem Wasser -+ (Na•] t und Osmolalität tt

Dadurch kommt es zu einer Veränderung der Serumosmolalität, also der Konzentration der gelösten Teilchen pro Kilogramm Lösungswasser (normal: 280 - 300 mosmol/kg H20; die Osmolarität hingegen gibt die gelösten Teilchen pro Liter Lösung an= mosmol/ 1). Die Osmolali· tät kann einfach abgeschätzt werden:

längerem Dursten kommt es durch Dehydratation zur hypovolämischen Hypernatriämie mi t neurologischen Symptomen (Somnolenz Verwi rrtheit, Gereiztheit, Muskelkrämpfe, Fieber). ' Diagnosti k Als einfache Methode werden Harnvolumen und Trinkmenge übe eine oder zwei 24-Stunden·Perioden nach Absetzen diuretischer Med;. kamente festgehalten. Außerde m sollte eine Bestimmung der P!asmaosmolalität und des Serumnatriums erfolgen. Bei einem Harnvolumen über 2V2l pro Tag wird zum Nachweis eines Diabetes insipidus der Durstversuch du rchgeführt. Bei Flüssigkeitskarenz kom mt es physiologisch durch Hyperosmolarität und Hypovolämie zur ADH ·Ausschüttung und somit zu verstärkter Harnkonzen trierung mit einer Abnahme des Harnvolumens. Vor dem Test sollten eine Glukosurie (durch Urinstix) ausgeschlossen und der Hydratationszustand abgeschätzt werden. Ab 24 Uhr darf der Patient nichts mehr trinken und wird ab 8 Uhr alle zwei Stunden zum Harnlassen aufgefordert. Dabei werden Urinmenge, Urinosmolalität, Körpergewicht Blutdruck und Puls gemessen. Um einen zu großen Flüssigkeitsverlu;t u.nd Trinken während des Versuches zu verhi ndern, ist eine ständige Uberwachung erforderlich. Zu Beginn und gegen Ende werden Serumosmolalität, Serumnatrium und ADH bestimmt. Bei einem Diabetes insipidus steigt die Urinosmolalität nicht oder nur gering (< 30 mosmollkg/h), während die Serumosmolalität erhöht ist.

Serumosmolalität - 2 x [Na•] +Glukose (mg/dl) /18 +Harnstoff

(mg/dl) /5,6 Wie aus der Formel ersichtlich ist, wird die Osmolalität vorwiegend durch Natrium bestimmt. Bei Störungen der Osmolalität kann es durch Veränderungen des Zellvolumens rasch zu zentralnervösen Störungen und zum Koma kommen. Bei Hyperglykämie oder Nieren· insuffizienzsteigt auch der Einfluss von Glukose bzw. Harnstoff auf die Osmola!ität.

Di abetes in si pidus Durch verminderte ADH-Produktion beim zentralen Diabetes insipidus oder durch vermindertes Ansprechen auf ADH beim selteneren renalen Diabetes insipidus kann die Niere den Harn nicht ausrei· chend konzentrieren. Die Folge ist eine vermehrte Ausscheidung eines verdünnten Urins (Polyurie) bei verminderter Harnkonzenrrierung (lsosthenurie). Ätiologie Ursachen des zentralen Diabetes insipidus sind idiopathisch (30 %), Tumoren (25 %), vorübergehend nach Hypophysektomie (nur selten persistierend, da die Hormonbildung im Hypothalamus lokalisiert ist), traumatisch, bei neurochirurgischen Operationen u. a. Für die renale Form gibt es angeborene Ursachen wie Mutationen des V2·Rezeptors oder der Aquaporinkanäle. Tubuläre Nierenerkrankungen, Hypokaliämie, Hyperkalziämie oder bestimmte Medikamente (Lithium, Furosemid, Gentamicin, Amphorericin B) können zu einer erworbenen ADH-Resistenz führen. Klin ik Die typischen Leitsyrnptome sind Polyurie/Nykturie, Polydipsie und Ausscheidung eines hypotonen Harns. Typischerweise kommt es zu einem plötzlichen Auftreten der Störung und zu einer Urinausschei· dungvon 5- I 0 I pro Tag. Nur bei einem kompletten Fehlen von ADH wird auch eine Ausscheidung von bis zu 20 I beobachtet. Der hohe Wasserverlust führt zur Austrocknung von Haut und Schleimhäuten sowie Obstipation. Die Patienten müssen zwanghaft trinken. Aus unbekannten Gründen werden oft kalte Getränke bevorzugt. Nur bei

Diabetes insipidus: Urinosmolalität < Serumosmolalität

Zur Differenzierung zwischen der zentralen und der renalen Form Wird am Ende Desmopressin i. v./s. c. (ADH·Analogon, s. u.) verabreicht. Bei der zentralen Form kommt es nach 1- 2 Std. zu einem Anstieg der Urinosmolalität, da exogenes ADH an den intakten Sammelrohren nun eine Wasserrückresorption bewirkt. Beim renalen Diabetes insipidus hingegen bleibt die Urinosmolalität niedrig (I Abb. I). Der Test Wird beend et, wenn ein Diabetes insipidus nachgewiesen oder ausgeschlossen werden kann, bzw. wenn der Patient mehr als 3- 4 % des Körpergewichts verliert oder eine Hypotonie auftritt. Nach Diagnosesicherung sollte zum Tumorausschluss eine MRT durchgeführt werden. Differentialdiagnostisch ist eine psychogene Polydipsie (oft bei jüngeren Patienten und mit psychischen Störungen kombiniert) oder ein Diuretikamissbrauch abzugrenzen. Bei der psychogenen Polydipsie kann der Anstieg der Urinosmolalität ähnlich niedrig sein wie bei einem partiellen Diabetes insipidus centralis. Eine Desmopressin-Gabe führt jedoch nicht zu einem weiteren Anstieg. Nur selten ist zur Differenzierung ein Kochsalzinfusionstest nötig. Polyurie und Polydipsie sind auch häufig die ersten Symptome eines Diabetes mellitus.

Uosm (mosmol/kg) 14110 DDAVPI

1100 1000 900 800

.,.,.

.•..

+ ........................ .

700 - ~

600 . •••• .... 500 •••• •••••·••· 400 •••••• •••••• 300 ••••• •••••••••• 200 100

normal

Polydipsie zentraler Diabetes insipidus nephrogener Diabetes insipidus

0~----~----~----~r+

0

9 18 Zelt (Stunden)

27

I Abb . I : Urinosmol alität währe nd ein es Durstversuchs. 121

Hypothalamu s - Hypophyse

44 145

Th erap ie Wenn eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr gegeben ist, ist eine medikamentöse Therapie häufig nicht notwendig. Nykturie und Polyurie können jedoch die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Bei schwereren Formen kann einschleichend Desmopressin (z. ß_Minirin®) substituiert werden. Dabei handelt es sich um ein ADH-Analogon, das nicht nur eine längere HWZ hat, sondern auch bevorzugt an V2-Rezeptoren ansetzt und so kaum eine Vasokonstriktorische Wirkung hat Es muss gekühlt werden und kann intranasal als Spray, oral oder parenteral (Intensivmedizin) angewendet werden. Ziel ist eine Harnmenge von 2- 4 I. Bei Überdosierung kann es zu Nebenwirkungen kommen, die auf die Flüssigkeitsretention zurückzuführen sind [Gewichtszunahme, Hyponatriämie, Krämpfe, Bewusstlosigkeit). Der renale Diabetes insipidus wird mit Thiaziddiuretika und Kochsalzrestriktion behandelt Für beide Formen ist eine ausreichende Wasserzufuhr nötig, um Flüssigkeitsverluste auszugleichen. Bei der psychogenen Polydipsie sollte neben Flüssigkeitsrestriktion eine Behandlung der psychiatrischen Grunderkrankung erfolgen.

Diagnostik Zur Diagnose müssen per Definition andere Ursachen einer Hyponatriämie ausgeschlossen werden:

SIADH

Zur Diagnostik einer Grunderkrankung sind eine genaue Anamnese und eine Bildgebung von Schädel und Lunge erforderlich. Nur selten ist zur Diagnostik ein Wasserbelastungstest notwendig.

Unter dem Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion oder dem Schwartz-Bartter-Syndrom versteht man eine pathologisch erhöhte ADH-Sekretion, die hypophysär oder ektop lokalisiert ist Kennzeichnend sind eine Verdünnungshyponatriämie und Hypoosmolalität bei nicht supprimiertem ADH. Der Verlauf ist häufig akut und selbstlimitierend.

Ätiologie t Zentralnervöse Störungen: Schädelfraktur, Meningitis, Insult t Paraneoplastische ADH-Produktion: häufig kleinzelliges Bronchialkarzinom t Chronische pulmonale Prozesse: Entkopplung der ADH-Sekretion z. B. bei Tuberkulose, Pneumonie t Medikamente: Carbamazepin, Neuroleptika, Antidepressiva, Vincristin Stress, Schmerzen oder Übelkeit stimulieren die ADH-Synthese hingegen nur vorübergehend.

Klinik Teilweise werden asymptomatische Verläufe beobachtet Symptome treten durch die Hyponatriämie auf, die zu Zellschwellung und einem Hirnöd em führt. Ab einem Serumnatrium < 125 mmol/ 1oder einer Serumosmolalität < 260 mosmollkg kommt es zu zunehmenden neurologischen Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Somnolenz und Koma. Entscheidend ist dabei aber auch die Schnelligkeit des Auftretens. So kann eine Hyponatriämie, die langsam auftritt, auch leichter kompensiert werden. Erhöhter Wassergehalt in der Muskulatur führt zu Muskelkrä mpfen. ADH hat jedoch nur einen geringeren Effekt auf die Volumenregulation . Die Patienten haben daher typischerweise keine Ödeme. Es kommt jedoch zur Einstellung des Wasserhaushaltes auf einem neuen Gleichgewicht mit einer Retention von ca. 2- 3 I und milder Hypervolämie.

t Hypothyreose/ NNR-lnsuffizienz t Nierenversagen, Medikamente (Diuretika) t Beim SIADH: keine Ödeme, keine Hypovolämie! (zur Einschätzung der Volumensituation s. S. 13) Es finden sich eine Hyponatriämie und Hypoosmolalität bei gleichzeitig erhöhter Natriumausscheidung [> 20 mmol/ 1). ADH ist dabei häufig normal oder gering erhöht, in Bezug auf die Serumosmolalität jedoch inadäquat erhöht. Bei einer Hyponatriämie anderer Genese ist ADH hingegen erniedrigt.

Therapie Da es sich vorwiegend um sekundäre Ursachen handelt, steht die Behandlung der Grunderkrankung oder das Absetzen auslösender Medikamente im Vordergrund . Eine Restriktion der Trinkmenge (0,5 - 11/Tag) hilft, das Ausmaß der Hyponatriämie zu begrenzen. Bei chronischen Formen kann außerdem eine medikamentöse Therapie mit Lithiumkarbonat oder mit ADH-Antagonisten (Democlocyclin, in Deutschland nicht zugelassen) versucht werden. Nur bei schwerer Hyponatriämie [< I 00 mmolll) solllangsam (maximale Korrektur 0,5 mmol/1pro Std.) 3 %iges Na Cl infundiert werden. Dieser Vorgang kann auch über Tage dauern. Oie Korrektur der Hyponatriämie darf nur langsam erfolgen, da sonst die Gefahr einer irreversiblen zentralen pontlnen Myelinolyse besteht!

Zusammenfassung X ADH reguliert über die Wasserausscheidung die Osmolalität. X Diabetes lnslpidus: Kennzeichnend für die zentrale und die renale Form sind Polyurie, Nykturie und Polydipsie. Die Diagnose wird mit dem Durstversuch gestellt. X SIADH: Auffällig sind neurologische Symptome durch eine Hyponatriämie. Es treten keine Ödeme auf. Für die Diagnostik müssen andere Ursachen der Hyponatriämie (Hypothyreose, NNR-Insuffizienz) ausgeschlossen werden.

Anatomie und Physiologie Die Schilddrüse entsteht als Aussprossung des Schlunddarms und ist mit diesem durch den Ductus thyroglossus verbunden, der sich später zurückbildet. Die Schilddrüsenanlage wandert nach unten und erreicht etwa in der 7. Schwangerschaftswoche ihre endgültige Position. Etwa ab der 10. Woche besitzt die Schilddrüse die Fähigkeit, Iod aufzunehmen. Wenig später kann sie auch Schilddrüsenhor· mone synthetisieren und freisetzen. Die Schi lddrüse besteht aus zwei Lappen, die durch den Isthmus (Enge) verbunden sind. Sie liegt halbringförmig um die Trachea, knapp unterhalb des Kehlkopfs (I Abb. 1). Als Rest des Ductus thyroglossus ist teilweise ein variabler Lobus pyramidalis zu finden. Unvoll· ständige Rückbildungen können zu Thyroglos· suszysten oder Zungengrundstrumen führen. Die Schilddrüse ist von einer fibrösen Kapsel umgeben, mit der sie an der Trachea befestigt ist, und somit den Schluckbewegungen folgt. Dorsal anliegend verläuft der N. laryngeus recurrens nach kranial, um die innere Kehl· kopfmuskulatur zu innervieren. Die Follikel stellen die funktionelle Einheit der Schilddrüse dar. Sie bestehen aus einem einschichtigen Epithel, welches das Follikel· Iumen mit dem Kolloid umgibt. In Abhängig· keit vom Funktionszustand der Schilddrüse verändern sich Form und Größe der Follikel· epithelzellen und der Follikel sowie der Kol· loidgehalt. Zwischen den Follikeln befinden sich die kalzitoninproduzierenden C-Zellen. Bei Überfunktionszuständen ist die arterielle Durchblutung erhöht und kann zu einem auskultierbaren Rauschen und Schwirren führen.

Iod Für die Schilddrüsenhormonsynthese ist eine ausreichende Versorgung mit Iod entschei·

Follikellumen

Tyr

Tyr

NAOPH 2

NADP+

I Abb. 1: Die Schilddrüse ist lei cht für UnterA. thyroid ea

superior

suc hungen zugä nglich . Daher sind die Kenntnisse der topografi sc hen Anatomie von praktischer Bedeutung. ]2 1I

. carotis

dend . Die WHO empfiehlt eine tägliche Iod· zufuhr von !50- 300 11g. In der Schwanger· schalt ist der Bedarf erhöht, weshalb die Subs· titution von 200 11g Iodid/ Tag empfohlen wird. In Österreich muss seit 1990 Speisesalz gesetzlich mit 20 mg Kaliumiodid/ kg Vollsalz iodiert werden. Auch der Großteil der deut· sehen Haushalte verwendet iodiertes Speise· salz. Dadurch konnte die Iodversorgung in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert werden. Iod kommt natürlich in Meeresfi sch und anderen Meerestieren vor. Es wird eben· falls Futtermitteln zugesetzt, wodurch auch in Fleisch, Milch und Milchprodukten nennens· werten Mengen Iod enthalten sind. Für eine ausreichende Iodversorgung ist keine regelmäßige Zufuhr notwendig, da die Schild · drüsenfollikel als Hormonspeicher dienen. Die darin enthaltenen Schilddrüsen hormone decken den Bedarf für bis zu zwei Monate. Iod ist außerdem in Pharmaka (Amiodaron,

DIT

MIT

Desinfektionsmittell und manchen Kontrastmitteln enthalten.

Biosynthese und Metabolismus der Schilddrüsenhormone Iod ist ein wesentlicher Bestandteil der Schilddrüsenhormone. Es wird rasch und nahezu vollständig im Dünndarm resorbiert und aus der Blutbahn gegen ein Konzentrationsgefälle in die Follikelepithelzelle aufgenommen (I Abb. 2) . Die Aufnahme erfolgt energieabhängig über einen Na+·lodid·Symport (lod.ination). In den Zellen wird das G!ykoprotein Thyreoglobulin (Tg) synthetisiert, das zahl· reiche Tyrosinreste besitzt und du rch Exozytose in das Follikellumen abgegeben wird. Die Epithelzellen exprimieren an der Iuminalen Membran das Enzym thyreoidale Peroxidase (TPO). Diese oxidiert Iodid zu Iod, baut Iod in die Tyrosinreste des TG ein (lodisation) und katalystert dte Kopplungsreaktion der

OIT

MIT

Kopplung

lodiorung

+Ü2

Lyso~------ t . 'tJ

~-Erzeugung

I - - - - Duiodlorung

Hy_d~olyso MIT ~ · ~ ·~

----

1- .....------

Blut

sauren

DIT

~

T3

T,

Amino -

sä uren

I Abb. 2: Biosynthese der Sc hilddrüsenhormone. Monoiod tyrosin (MIT) und Diiodtyrosin (DIT) sin d Vorläuferstufen der Sc hilddrü sen hormo ne. ]1 1

Schilddrüse

Vorläuferstufen zur Hormonsynthese von Thyroxin (T4 ) und Triiodthyronin (T 3 ) (I Abb. 3). Die an Thyreoglobulin gebundenen Schilddrüsenhormone werden in die Zelle aufgenommen, wo T4 und T3 in Phagolysosomen abgespalten werden und dann aus der Zelle diffundieren können. T4 macht mit etwa 90 % den weitaus größeren Anteil der sezernierten Hormone aus, während T3 großteilserst in der Peripherie oder der Zielzelle selbst aus T4 durch Deiodierung entsteht. Die Konversion von T4 zu T3 kann durch Propylthiouracil, Kortikosteroide und Propranolol gehemmt werden. Durch Deiodierung an einer anderen Stelle entsteht aus T4 in etwa gleicher Menge wie T3 das inaktive rT 3 (reverses T3 ] . Der Transport der Schilddrüsenhormone im Blut erfolgt durch Bindung an thyroxinbindendes Globulin (TBC) und Transthyretin (keine Bindung von T3). Sie wirken über einen intrazellulären Rezeptor (s. S. 4 f.). Die Halbwertszeit der Schilddrüsenhormone ist sehr lang. Sie beträgt für das schwächer wirksame T4 7- I 0 Tage. T4 hat somit die Funktion eines peripheren Hormonspeichers, da daraus das etwa zehnlach potentere T3 entsteht, das eine kürzere Halbwertszeit von ca. einem Tag hat. Der Großteil wird durch Deiodierung abgebaut, wobei das frei werdende Iodid wieder für die Hormonsynthese verwendet wird. Ein kleiner Teil wird nach Konjugation an Glukuronat oder Sulfat über die Galle ausgeschieden. Die Schilddrüse synthetisiert ihre Hormone unter der Regulation durch TSH. TSH stimuliert dabei über einen G5-Protein-gekoppelten Rezeptor die Aufnahme von Iodid, die Thy· reoglobulinsynthese sowie die Synthese und Freisetzung der Schilddrüsenhormone. TSH führt außerdem zu einer Hypertrophie der Epithelzellen. Die Iodidaufnahme wird neben

HO-b-0-9-CH,J:~COOH I Triiodthyronin (Liothyronin)

H0-9-0-9-CH,J:~COOH I

I Thyroxin (Levothyroxin)

I

Abb. 3: Struk tur der Schilddrüsenhormone. ]1]

46147

Beeinflusste Faktoren und Systeme

Physiologische Effekte

Wachstum und Entwicklung

t Essentiell für eine normale ZNS- und Skelettentwicklung

Grundumsatz

t Stimulation der Na' /K' -ATPase--> erhöhter 0 2-Verbrauch--> Hyperventilation

t Erhöhte Wärmeproduktion -->gesteigerter Grundumsatz Herz- Kreislauf-System

t Positiv inotrop: Schlagvolumen 't, systolischer RR 't, Blutdruckamplitude 't t Positiv chronotrop: Herzfrequenz 't t Vermehrte ß-Adrenorezeptor-Expression: erhöhte Empfindlichkeit für Katechotamine (permissive Wirkung)

t Bei Älteren: Extrasystolen, Vorhofflimmern, Angina pectoris Gastrointestinaltrakt

t Steigerung der Darmmotilität

Knochen

t Erhöhter Kalzium- und Phosphatumsatz, Stimulation des Knochenumbaus (Knochenturnover)

Kohlenhydratstoffwechsel

t Durch Steigerung der Glukoneogenese und Glykogenolyse Erhöhung des

Fettstoffwechsel

t

Proteinstoffwechsel

t ln physiologischen Dosen anabol, erhöhte Konzentrationen wirken katabol

Blutzuckers--> Insulinbedarf steigt an! Gesteigerte Fettmobilisierung, vermehrte LDL-Rezeptor-Expression, LDL/HDL-Quotient

.J.

--> Abnahme der Muskelmasse Blutbildung

t

ZNS und neuromuskuläre

• Stimulation zentralnervöser Funktionen und gesteigerte neuromuskuläre

Stimulation der Erythropoese

Erregbarkeit

Übertragung Hormone

I

t Gesteigerter Abbau von Kortisol und Pharmaka in der Leber

Tab. 1: Effekte der Schilddrüsenhormone.

TSH zusätzlich von einem autoregulatorischen Mechanismus beeinflusst, durch den die Schilddrüse ihre Funktion dem Iodangebot anpasst. Iodmangel erhöht die Iodaufnahme und die Synthese von T3 • Das Gegenteil kann therapeutisch für eine rasche Blockade der Schilddrüse genutzt werden: Ein massiver Iodüberschuss hemmt bei normaler Schilddrüsenfunktion die lodisation sowie die Hormonsynthese und -freisetzung (Wolff-Chai·

koff·Effekt). Dieser Effekt tritt innerhalb von 24 Stunden ein, geht aber nach etwa 2 Wochen verloren ("Escape-Phänomen"). Wirkungen der Schilddrüsenhormone Die Schilddrüsenhormone haben vielfältige Effekte, u. a. auf die Entwicklung, den Stoffwechsel, das Herz-Kreislauf- und das Nervensystem (I Tab. I).

Zusammenfassung • Die Schilddrüse besteht aus zwei Lappen und einem Isthmus. • Sie ist aus kleinen Follikeln aufgebaut, in denen sich das Kolloid mit den an Thyreoglobulin gebundenen Schilddrüsenhormonen befindet. Die kalzitoninproduzierenden C-Zellen liegen zwischen den Follikeln. • Triiodthyronin (T3} ist stärker wirksam, hat aber eine kürzere Halbwertszeit als Thyroxin (T4). • Ein Erwachsener benötigt pro Tag etwa 150-300 1-18 Iod für die Schilddrüsenhormonsynthese.

ac Die Schilddrüsenhormone haben zahlreiche Wirkungen auf die Entwicklung, den Stoffwechsel, das Herz-Kreislauf- und das Nervensystem.

Schilddrüsendiagnostik Anamnese Neben den Fragen zu typischen Symptomen bei Funktionsstörungen darf nicht vergessen werden, auch nach "einfachen" Dingen wie einer früheren Strumektomie, Radioiodtherapie oder Bestrahlung der Halsregion zu fragen. Ebenso soll ermittelt werden, ob und warum eine Behandlung mit Schilddrüsen· hormonen, Thyreostatika oder Amiodaron (z. B. Cordarex®) erfolgt. Des Weiteren ist die Frage nach bekannten Schilddrüsenerkrankun· gen in der Familie zu stellen.

Kö rperlich e Untersuchung Bei der Palpation (I Abb. I) wird die Ver· schieblichkeit bewertet, und es können größere Zysten oder Knoten getastet werden. Außerdem werden die Konsistenz und die Druckschmerzhaftigkeit untersucht. Eine normale Schilddrüse ist jedoch nur bei schlanken Menschen tastbar. Ein auskultatorisches Schwirren oder Strömungsgeräusche deuten auf eine erhöhte Durchblutung hin. Daneben sind auch immer auf Hinweise einer endokrinen Orbitapathie zu achten sowie Pu ls und Blutdruck zu messen.

In-vitra-Diagnostik t Zur Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen ist TSH einer der sensi tivsten Parameter, da bereits bei einem geringen Absinken der Schilddrüsenhormonkonzentration die TSHKonzentration deutlich ansteigen kann. Heute gibt es Methoden, die auch im unteren Bere ich sehr sensitiv sind. In der Regel genügt zum Screening von Schilddrüsenerkrankun-

geneine alleinige Bestimm ung der TSH -Kon zentration, die im Normalfall 0,3 - 4,0 mU/ l beträgt. Allerdings gehen bereits Werte über 2,5 mU/ 1mit einem erhöhten Ri siko für eine Hypothyreose einher. Die Grenzwerte variieren aber auch im unteren Bereich. Bei einer Hyperthyreose liegt das supprimierte TSH häufig < 0, I mU/ 1. t Bei der Bestimmung der Schilddrüsenhormone ist zu berücksichtigen, dass die Gesamtkonzentration von der Proteinbindungskapazität abhängig ist. Da nur der ungebun· dene Anteil aktiv ist, ist es besser, die freie Hormonkonzentration (fT 4 und fT 3) zu bestimmen. Für die Diagnostik der Hypothyreose ist T4 ein Parameter, der die Hormonpro· duktion der Schilddrüse besser wiedergibt als T3• Eine Hyperthyreose kann jedoch auch durch vermehrte Deiodierung mit alleiniger T3-Erhöhung bedingt sein, so dass beide Wer· te zu bestimmen sind.

Schwangerschaft oder Östrogene (.Pille") führen zu einer Erhöhung der Bindungsproteine und somit Erhöhung der Gesamthormonkonzentration. Die Stoffwechsellage bleibt jedoch euthyreot! t Bei den häufigen Autoimmunthyreopathien spielt die Bestimmung von Schilddrüsenautoantikörpern eine wichtige Rolle. Diagnostisch bedeutsam sind die Antikörper gegen Thyreoglobulin (Tg·AK), gegen die thyreoidale Peroxidase (TPO-AK ) und gegen den TSH-Rezeptor (TRAK). t Als Tumormarker beim medullären Schilddrüsenkarzinom dient Kalzitonin. Thyreoglobulin ist bei Gesunden nicht nur in der Schild-

drüse, sondern auch im Serum nachzuweisen Nach vollständiger Entfernung ei nes differen _· zierten Karzinoms weist eine messbare TgKonzentration (> I ng/m l) auf eine Metastasierung oder ein Rezidiv hin.

In -vive - Diag nostik t Die Sonographie der Schilddrüse ist eine einfache Methode, um die Größe und Morphologie zu beurteilen (I Abb. 2, ITab. 1). Dokumentiert werden die Echogenität und Homogen ität (lokalisierte oder diffuse Läsionen) der Binnenstruktur sowie die Lage, For rn und Begrenzu ng der Schilddrüse und benachbarter Strukturen (Lymphknoten, vergrößer te Nebenschilddrüsen). Im Normalfall ist die Schilddrüse im Vergleich zur umliegenden Muskulatur echoreicher (heller). t Mit einer farbkod ierten Duplexsonographie kann auch die Perfusion beurteilt werden . Bei manchen Knoten findet man einen echoarmen Randsaum (Halo-Zeichen), der einer Zone mit erhöhter Perfusion entspricht.

Volumen eines Schilddrüsenlappens (ml) • Linge x Breite x Dicke (cm) x o,s (Gesamtvolumen Schilddrüse - linker + rechter Lappen)

Ist der Knoten nicht tastbar und < 1 cm erfolgt unter Abschätzung des Risikos ' eine Sonographische Verlaufsbeobachtung. Bei Knoten > 1 cm ist eine weitere Abklärung (Szintigraphie) notwendig.

I Abb . I: Palpation der Schilddrüse. [ 15]

I Abb . 2: Sonographische Vermessung der Schi lddrüse. [ 16]

Schilddrüse

Diffus

Lokalisiert

I

Sonographie

Mögliche Schilddrüsenerkrankungen

Vergrößert und ec honorma l

Diffuse Struma

Echoarm

Autoimmunthyreopathien (M. Basedow, chronisch-lymphozytäre Thyreoiditis)

Echodicht

Verkalkung (dorsale Schallauslöschung!)

Echonorm al und echoreich

Regressiv veränderte Knoten, teilweise mit Halo (häufig bei Iodmangell

Echoreduziert --> Szintigraphie!

Adenome, Karzinome. kleinzystisch degenerierte Knoten, Struma

Echoleer

Zyste (dorsale Schallverstärkung!)

48149

Tab. 1: Typische Sonographiebefunde bei Sch ilddrü senerkrankungen.

~ Die Szintigraphie gibt Auskunft über die Stoffwechselaktivität sowie Lage, Form und Größe der Schilddrüse. Intravenös verabreichtes Pertechnetat, das mit dem radioaktiven Technetium (09mTc) gekoppelt ist, wird abhängig vom Funktionszustand der Schilddrüsenzelle über den Iodidtransporter aufgenommen, jedoch nicht weiter verstoffwechselt. Radioiodisotope (123 1, 131 1) werden nur bei bestimmten Indikationen verwendet (Dosisberechnung für Radioiodtherapie, Karzinome und bei Verdacht auf abnorm gelegenes Schilddrüsengewebe). Mit der Gammakamera wird schließlich ein funktionstopographisches Bild erzeugt und außerdem die prozentuale Aufnahme bestimmt und als Uptake (TcTU bei ausreichender Iodversorgung: 0,5-2 %) angegeben. Die Szintigraphie wird zur Abklärung einer Struma nodosa, hyperthyreoter Zustände und bei fokalen Läsionen verwendet. Bei lokalisierten Arealen mit veränderter Aktivität unterscheidet man: - Kalter Knoten: nicht oder vermindert speichernd, malignitätsverdächtig! -t Feinnadelpunktion! - Warmer Knoten: speichert der Schichtdicke entsprechend stärker als das umliegende Gewebe - Heißer Knoten: intensive Speicherung mit verminderter Aufnahme in das übrige Gewebe (meist funk tionelle Autonomie) ~ Die Auflösu ng der Szintigraphie ist jedoch sehr gering. Mehr Aussa· gekraft zum Nachweis von Schilddrüsenautonomjen hat die Suppres-

sionsszintigraphie. Dabei wird TSH durch Levothyroxin supprimiert (z. B. 150 ).lg/Tag für 2 Wochen, abhängig vom Alter und kardiavaskulären Erkrankungen). Es erfolgt dann vorwiegend eine Speicherung in Zellen, die auch TSH·unabhängig Iod aufnehmen können. • Die Feinnadelaspirationspunktion (FNP) ist ein einfacher Eingriff mit sehr geringem Risiko. Sie dient meist zur Malignitätsahklärung von kalten und echoarmen oder rasch wachsenden Knoten. Durch zytologische Untersuchung des Aspirats (keine Stanze!) können präoperativ die Dignität eingestuft und so evtl. eine Operation vermieden werden. Keine Untersuchungen mit Kontrastmittel bei Verdacht auf Schilddrüsenfunktionsstörungenl Durch exogene Iodzufuhr kann eine latente, bisher nicht erkannte Hyperthyreose manifest werden und für ca. 4- 6 Wochen Ist keine Diagnostik und Therapie mit Radioiod möglich!

Falls unbedingt eine Bildgebung mit iodhaltigen Kontrastmitteln not· wendig ist, sollte Perchlorat (lrenat®) gegeben werden, das die Iodidaufnahme in die Schilddrüse hemmt und so zur raschen Blockierung bei einer Autonomie führt.

Zusammenfassung

ac Der wichtigste Screeningparameter bei Schilddrüsenfunktionsstörungen ist TSH. X Sonographie und Szintigraphie sind bildgebende Verfahren, die sich ergänzen. X Die Feinnadelpunktion ist eine effektive, sichere und günstige Methode zur präoperativen Malignitätsabklärung eines Knotens. X Bei Verdacht auf Schilddrüsenfunktionsstörungen muss die Anwendung Iodhaitiger Kontrastmittel vermieden werden.

Struma und solitäre r Knoten I Abb. 1: Pati entin mi t mass iver Struma . [8]

Struma Unter einer Struma versteht man jede Vergrö· ßerung der Schilddrüse über ein Volumen von 18 ml bei Frauen und 25 ml bei Männern sowie knotige Veränderungen bei normal großer Schilddrüse (I Abb. 1). Man unterscheidet eine homogen vergrößerte Struma diffusa von einer Struma nodosa mit Knotenbil· dung. Abhängig von der Ursache kann funk· tionell eine Euthyreose, Hyperthyreose oder Hypothyreose vorliegen. In Deutschland haben etwa 30% der Erwachsenen eine euthyreote Struma. Sie stellt somit die häu· figste endokrine Erkrankung dar. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Ätiologie Iodmangel ist mit 90 % die mit Abstand häu· figste Ursache einer Struma. Andere Ursachen sind Immunthyreopathien (M. Basedow, chronisch-lymphozytäre Thyreoiditis), eine Autonomie, Zysten, Adenome, Karzinome, Metastasen, Thyreoiditiden, Medikamente (Lithium, Thyreostatika), strumigene Substan· zen (z. B. Thiocyanat, Nitrat) u. a. Iodmanseilst in Deutschl"nd die :hlu~Ursache einer Struma!

Pa t hogen ese Zu Beginn entsteht eine Hypertrophie (Zellvergrößerung), die vorwiegend durch TSH bedingt ist. Dies stellt einen Kompensationsmechanismus zur ausreichenden Versorgung des Körpers mit Schilddrüsenhormonen dar. Erst später kommt es zur Hyperplasie (Zellver· mehrung), für die vorwiegend ein intrathy· reoidaler Iodmangel verantwortlich gemacht wird. Die Thyreozyten bilden iodabhängig organische Iodverbindungen, wie 8-lodlacton, das die wachstumsfördernde Wirkung von IGF- 1 und anderen lokalen Wachstumsfakto· ren (EGF, TGF·ß) hemmt. Fällt diese Hem· mung bei Iodmangel weg, kommt es zu einer Proliferation der Zellen. Bei jeder länger bestehenden Struma tritt nach mehreren Jahren eine irreversible Knotenbildung auf. Dafür kommt eine Korn·

Konsistenz

bination verschiedener Mechanismen in Betracht: t Durch degenerative Prozesse und

Einblutungen kommt es zur Narbenbildung und zu einem Narbennetz. Ein homogenes Wachstum ist dann nicht mehr möglich. t Regionale Unterschiede der Proliterationsfähigkeit der Thyreozyten führen zu einem asymmetrischen Wachsrum und zur Knotenbildung. t Iodmangel begünstigt Gain·of·FunctionMutationen, also eine erhöhte Aktivität der Funktion eines Proteins (z. B. des TSH-Rezeptors), was zur Bildung klonaler Knoten führen kann. lSH-+Hypertrophle lodmengel-+ Wachstumsfaktoren -+ Hyperplasie

Klinik Eine Vergrößerung der Schilddrüse macht bei euthyreoter Stoffwechsellage kaum Be· schwerden. Nur ein Teil der Patienten hat ein Druck- und Engegefühl am Hals. Bei einer großen Struma können Kompressionssyndrome auftreten, die zu Schluckbeschwerden,

Atembeschwerden oder oberer Einflussstauung führen. Das Bild einer Tracheomalazie mit Säbelscheidentrachea durch Kompressio der Luftröhre wird heute nur noch selten n beobachter. Heiserkeit durch eine Rekurrensparese tritt vorwiegend bei malignen Erkran kungen auf. Bei hyper- und hypothyreoter Stoffwechsellage treten die auf Seite 52 u. 54 beschriebenen Symptome auf. Diagnostik Die Diagnostik beginnt mit Anamnese und Palpation (I Tab. I). In der Sonographie kö . nen die Größe (I Abb. 2, S. 48) bestimmt n und Zysten und Knoten erkannt werden . Liegt das basale TSH außerhalb des Normbereichs, sollten ergänzend eine fT 4- und fT 3-Bestimmung und eine Szintigraphie durchgeführt werden. Dadurch können die häufigsten anderen Thyreopathien diagnostisch von einer euthyreoten Struma bei Iodmangel abgegrenzt werden. Bei einer lang bestehenden Struma zeigen sich in der Szinu. graphiesowohl heiße als auch kalte Knoten. Karzinomverdächtig sind dabei vor allem kalte Knoten, die bei einer Feinnadelpunktio n aber nicht immer getroffen werden .

Belspiele

Weich und symmetrisch

lodmangel, M. Basedow

Knotig

Multifokal e Autonomie, Spätstadium des lodmangels, Karzinome

Schmerzhaft und hart

Akute und subakute Thyreoiditis

Schmerzlos und hart

Schilddrü senkarzinom

Eisenhart

Riedei-S trum a

I

Tab. I : Typi sche Befund e bei Strumen unterschiedlic her Ätiologi e.

Schilddrüse

Grad

Charakteristika

Kolloidhaitiger Knoten

0

Keine Struma

Adenom

Ia

Ta stbare, aber nicht sichtbare Struma

Zyste

lb

Ta stbare und nur bei zurückgebeugtem

Narbe

Kopf sichtbare Struma

Karzinom

Sichtbare Struma

Thyreoiditis

Große, sichtbare Struma

Asymmetrische Organvergrößeru ng

111

I Tab . 2: WHO- Kiass ifikation der Struma.

I

50

I 51

Tab . 3: Häufige Ursachen so litärer Sch ilddrüsen-

k noten.

Verlauf und Stoffwechsellage Die Stoffwechsellage bleibt im Verlauf häufig euthyreot. Nur bei sehr ausgeprägtem Iodmangel reicht die Kompensation nicht mehr aus, um eine adäquate Versorgung mit Schilddrüsenhormonen zu sichern. Andererseits werden bei Iodmangel häufiger Mutationen im TSH·Rezeptor oder des G5·Proteins gefunden, die zu einer Autonomie der Zelle führen. Diese autonomen Areale in einer bestehenden Struma nodosa können so eine hyperthyreote Stoffwechsellage hervorrufen. Therapie Bei Kindern und jugendlichen sowie bei Erwachsenen unter 35 Jahren ist eine Rückbildung einer Iodmangelstruma unter Kaliumiodidtherapie (z. B. Jodetten®Henning; Kin· der: I00 1Jg/Tag, ab I 0 Jahren: 200 11g/Tag) erfolgversprechend. Bei größerer Struma (>50 ml) ist die Wirkung jedoch einge· schränkt. Vor Therapiebeginn müssen eine Autonomie und eine Autoimmunthyreoiditis ausgeschlossen werden. Eine effektivere Rückbildung erfolgt durch eine Kombination von Kaliumiodid und Levothyroxin (z. B. Thyronajod®). Ziel ist ein TSH im unteren

Normbereich (0,3 -0,6 mU/1) bei normalem fT 4 und fT 3 . Außerdem sollten regelmäßig der

Halsumfang kontrolliert und die Schilddrüse sonegraphisch vermessen werden. Eine absolute Indikation für eine Operation besteht bei Malignitätsverdacht oder Kompressionssymptomen (Dyspnoe, Schluckbeschwerden). Ein fehlender Therapieerfolg bei medikamentöser Behandlung stellt eine relative Indikation dar. Nach der Operation erfolgt eine lebenslange Rezidivprophylaxe mit Iodid. Bei geringem verbleibendem Schilddrüsengewebe (< l 0 ml) wird außerdem Levothyroxin substituiert. Ist eine Operation nicht möglich oder nicht erwünscht, kann auch eine Radioiodtherapie (RlT) angewendet werden. Dabei ist eine Verkleinerung der Schilddrüse um ca. 30-50% möglich.

Solitärer Knoten Die Ursachen für Knoten in der Schilddrüse sind vielfältig (I Tab. 3). Karzinome machen im Gegensatz zu anderen, benignen Verände· rungennur einen sehr geringen Anteil aus. Außerdem sind das Wachstum differenzierter

Malignome sehr langsam und die Prognose ausgesprochen günstig. Daher wird in der Praxis bei nicht tastbaren Knoten mit einem Durchmesser unter 1 cm unter Abschätzung des Risikos eine sonographische Beobachtung alle 3-6 Monate als ausreichend angesehen. Die Knoten sollen dabei in drei Dimensionen vermessen werden. Eine Volumenzunahme kann jedoch erst ab einer Änderung von etwa 50 %sicher beurteilt werden. Die Auflösung der Szintigraphie ist außerdem bei kleineren Knoten nicht ausreichend, so dass erst ab einem Durchmesser über 1 cm eine weitere Abklärung sinnvoll ist. Eine Feinnadelpunktion ist bei echoarmen und kalten Knoten indiziert. Auch bei suspekten warmen, nicht jedoch bei heißen Knoten sollte punktiert werden. Handelt es sich um eine Zyste, können diese punktiert und der Inhalt zytologisch untersucht werden. Der therapeutische Erfolg einer solchen Punktion wird erhöht, wenn danach die Punktionsstelle lang und kräftig komprimiert wird, um die Adhäsion der Zystenwände zu fördern. Bei größeren Zysten beobachtet man häufig Rezidive. Eine endgültige Sanierung wird dann nur chirurgisch erreicht.

Zusammenfassung ac Als Struma bezeichnet man jede Schilddrüsenvergrößerung oder Knotenbildung unabhängig von der Ursache oder der Schilddrüsenfunktion.

ac Iodmangel ist in Deutschland die häufigste Ursache einer Struma. Etwa 30% der Erwachsenen sind davon betroffen.

ac Bei euthyreoter Stoffwechsellage ergeben sich kaum Beschwerden. Nur teilweise werden Symptome wie ein Druck- und Engegefühl beschrieben.

ac Die Diagnose der Iodmangelstruma erfolgt nach Ausschluss anderer in Frage kommender Schilddrüsenerkrankungen. • Therapie: wichtigste Maßnahme Kaliumiodldsubstitution; bei mechanischen Komplikationen oder Malignitätsverdacht: Operation

Funktionsstörungen I I Abb . 1: Patientin mit Hypothyreose bei chronisc h-lymphozytärer Thyreoiditis. Die Patientin zeigt ein e trockene Haut, herdförmige Vitil igo Und trockenes, struppiges Ha ar. ]51

Schilddrüsenfunktionsstörungen sind fast immer primäre Störungen (von der Schilddrüse ausgehend), extrem selten sekundäre oder tertiäre Störungen.

Hypothyreose Die Hypothyreose ist durch einen Mangel oder eine nicht ausreichende Versorgung der Körperzellen mit Schilddrüsenhormonen gekennzeichnet. Mit einer Prävalenz von l 0 % (ca. 6-7% latent, nur 1-3% manifest) ist die Unterfunktion der Schilddrüse häufiger als die Überfunktion . Viel seltener ist eine angeborene Hypothyreose (ca. I : 5.000), die jedoch eine der häufigsten angeborenen Stoffwechselerkrankungen darstellt.

Hypothyreose im Kinde salter Die Hypothyreose beim Neugeborenen kann angeboren (Aplasie, Dysplasie, Hormonsynthesestörungen, periphere SO-Hormonresistenz) oder intrauterin erworben sein (bei Iodmangel oder lodexzess; durch blockierende AK der Mutter mit einer transienten Hypothyreose beim Neugeborenen). Man beobachtet oft eine verlängerte Schwangerschaftsdauer und ein hohes Geburtsgewicht Häufige Symptome sind ein verlängerter Neugeborenenikterus, Trinkfaulheit, Bewegungsarm ut, Obstipation, Makroglassie und kühle Haut. Durch Hormonmangel besteht die Gefahr von Wachstumsstörungen und geistiger Retard ierung. Ein Hormonmangel kann unbehandelt beim Kind zum Vollbild des Kretinismus mit Skelettveränderungen, Schwerhörigkeit, Verzögerung der Pubertät und irreversiblen ZNS-Störungen führen. Bei Neugeborenen wird im Rahmen des Guthrie-Tests ein TSHScreening durchgeführt, da für die Prognose eine frühe Diagnose und Therapie entscheidend sind. Bei Kindem manifestiert sich eine Hypothyreose durch verzögertes Wachstum und gestörte Zahnentwicklung sowie das Nachlassen der intellektuellen Entwicklung und schulischer Leistungen.

ln Europa ist selten ein extremer Iodmangel für eine Hypothyreose verantwortlich. Wei tere rare Ursachen sind Tumoren, eine sekundäre oder tertiäre Hypothyreose oder eine späte Manifestation einer angeborenen Schilddrüsenhormonresistenz. Frauen sind häufiger betroffen. Sofern keine iatrogene Hypothyreose vorliegt, iat die mit Abstand häufigste Ursache der Hypothyreose eine chronische Iymphozytöre Thyreoidltis.

Kl inik Die Symptome entwickeln sich langsam und werden vom Patienten typischerweise lange Zeit nicht wahrgenommen:

t Müdigkeit und Antriebslosigkeit t Frieren (Kälteintoleranz) t Gewichtszunahm e, Obstipation t Trockene, schuppige Haare, Haara usfall, brüchige und splitternde Nägel, kü hle, trockene, blassgraue Haut t Depression t Myxödem (nicht eindrückbare SchwelHypothyreose beim Erwachsene n lungen im Gesicht und an den Extremitäten); .,Myxödemherz": Bradykardie, koronare Zu einer primären (von der Schilddrüse ausge- Herzkrankheit, Low-Voltage-EKG, Hypertonie henden) Hypothyreose kommt es häufig durch: (Anstieg des peripheren Widerstands) t Heisere Stimme t Muskelschwäche t Entzündliche Ursachen: Die chronisch lymphozytäre Thyreoiditis ist in mehr als 50 % t Menstruationsstörungen und Libidoverlust (TRH--+ Hyperprolaktinämie--+ gehemmte die Ursache einer Hypothyreose bei ErwachGnRH-Freisetzung) senen (s.S. 58). t Hyperlipidämie (erhöhtes Arterioskleroset Iatrogene Ursachen: Therapie einer risiko), Anämie, Hyponatriämie Hyperthyreose (Operation, Radioiodtherapie, Thyreostatika), Bestrahlung der Halsregion Oft entwickeln ältere Patienten wenige oder (bei 20 - 60% innerhalb von 3- 6 Jahren) , uncharakteristische Symptome wie KälteintoMedikamente (z. B. Lithium)

Ieranz, eine nicht dem Alter entsprechende motorische und geistige Retardierung, Gedächtnisstörungen oder Depression. Dies macht die klinische Differenzierung zu einer Altersdepression oder Senilität schwierig. Bei einer Hypothyreose besteht ein erhöhtes Risi _ ko für kard iavaskuläre Erkrankungen (Arteriosklerose und koronare Herzkrankheit) .

Diagnostik t Manifeste Hypothyreose: basales TSH (> 4,0 mU/ 1) erhöht, rr. erniedrigt t Latente Hypothyreose: basales TSH erhöht, IT 4 und fT3 normal oder im unteren Normbereich Zur Diagnose der chronisch-lymphozytäre Thyreoiditis dient der Nachweis von TPO- n AK (in 95 % positiv), die spezifischer sind als Tg-AK. In der Diagnostik werden außerdem die Sonographie (I Abb. 2) und teilweise die Feinnadelpunktion eingesetzt. Bei hypothyreoter Stoffwechsellage ist die Nuklidaufnahme in der Szintigraphie oft vermindert oder feh lend. Im Labor findet man häufig Nebenbefund e wie eine Hypercholesterinämie, Hyponatriäm ie, Anämie oder eine Hyperprolaktinämie.

I Abb . 2: Echoarme Sc hilddrü se be i chronischer lymphozytärer Thyreoiditis. ] 16]

Schilddrüse

Bei einer seltenen sekundären (hypophysären) Hypothyreose sind sowohl basales TSH als auch IT 4 erniedrigt. Zu beachten sind dabei auch andere Zeichen eines Hypopituitarismus (s. S. 42). Bei der peripheren Schilddrüsenhormonresistenz kommt es wie auch bei der sekundären Schilddrüsenüberfunktion (beide extrem selten) zu einer Erhöhung von TSH und IT 4 •

Serumhormonkonzentration

Meist ist eine lebenslange Substitution mit Schilddrüsenhormonen notwendig. Vor allem bei koronarer Herzerkrankung und länger bestehender oder ausgeprägter Hypothyreose ist es wichtig, einschleichend zu dosieren. Die Erhaltungsdosis liegt bei I ,5-2,0 pg/kg KG (-75-200 pg/Tag) Levothyroxin (T4 , z. B. Euthyrox®). Die Konversion zu T3 erfolgt im Gewebe in Abhängigkeit vom Bedarf. Während Patienten über 60 Jahre einen geringeren Bedarf haben, ist dieser bei Kindern (bis zu 4 J.lg/kg KG) und in der Schwangerschaft erhöht. Die Einnahme sollte unter konstanten Bedingungen, am besten 30 Minuten vor dem Frühstück erfolgen. Die Vollsubstitution wird aber nicht von allen Patienten toleriert. Bei Nichtansprechen kann auch ein Therapieversuch mit einer Kombination von Liothyronin (T3 ) und Levothyroxin unternommen werden, die jedoch keinen gesicherten Nutzen hat. Ziel ist ein TSH im Bereich von 0,5-2 mU/ 1, was jedoch nur bei wenigen Patienten erreicht wird (je ein Viertel darunter oder darüber). Eine Änderung der Dosis saUte erst nach einer Therapie von 6-8 Wochen mit gleicher Dosis erfolgen, da die Normalisierung von TSH verzögert eintritt. Bei Überdosierung

I 53

I Abb. 3: Verlauf des Low-T,-Syndroms bei schweren Erkrankungen . [2]

.,.,. ;r3--- . . .

\ \

''

Therapie

Manifeste Hypothyreose

52

mild

''

. . . . . . . ~ ---*"'

mittel

schwer

Erholung

Krankheitsphase

kommt es zu Symptomen der Hyperthyreose. Zu schnelle Dosiserhöhung oder zu hohe Dosen führen zu Tachyarrhythmien und Angina pectoris, die sich durch Betablocker mildern lassen. Durch Levothyroxin können der Insulinbedarf und die Wirkung von Phenprocoumon (Marcumar®) erhöht werden.

Latente Hypothyreose Hier ist eine Substitution nur bei klinischer Symptomatik oder anderen Kriterien (z. B. Kinderwunsch, Schwangerschaft, nachweisbare TPO-Antikörper oder Hypercholesterinämie!) indiziert. Wichtig ist jedoch eine Verlaufskomrolle in Intervallen von 6-12 Monaten, da 2- 4 %dieser Patienten pro Jahr eine manifeste Hypothyreose entwickeln.

Low-T3 -Synd rom

minderte Deiodierung zu einem Absinken von fT 3 bei gleichzeitigem Anstieg von reversem T3 (rT 3) kommen (I Abb. 3). Das Low-T3 -Syndrom wird vor allem bei Intensivpatienten beobachtet, bei denen die Hormoninterpretation außerdem durch Medikamente (Glukokortikoide, Dopamin) erschwert wird, die den Hormonmetabolismus beeinträchtigen. Diese verminderte Konversion ist physiologisch und bewirkt eine Reduktion des Energieverbrauchs in der Peripherie, während der Metabolismus in der Leber häufig gesteigert ist. Eine Substitution von Schilddrüsenhormonen führt nicht zu einer Verbesserung der Prognose und sollte daher unterlassen werden. Später kann es bei schweren Erkrankungen durch verminderte Schilddrüsenhormonsynthese auch zu einem Absinken von fT 4 kommen.

Bei schweren nichtthyreoidalen Erkrankungen (z. B. Niereninsuffizienz, Myokardinfarkt, Leberzirrhose, Sepsis) , nach Operationen oder Traumata kann es durch eine ver-

Zusammenfassung Hypothyreose • Als Kretinismus bezeichnet man eine gestörte ZN5- und Skelettentwicklung im Kindesalter durch einen schweren SchilddrüsenhormonmangeL • Die häufigste nichtiatrogene Ursache einer Hypothyreose ist die chronische Iymphozytära Thyreoiditis. • Klinik: Kälteintoleranz, Gewichtszunahme, kühle, trockene, pastöse, schuppende Haut und Obstipation sind häufige Symptome. • Diagnose: TSH 1' bei fT4 ..1. • Therapie: Substitution von Levothyroxin • Das Low-T3-5yndrom ist eine Deiodierungsstörung bei schweren nichtthyreoidalen Erkrankungen. Eine Substitution von Schilddrüsenhormonen ist nicht nötig.

Funktionsstörungen II Hyperthyreose Unter einer Hyperthyreose versteht man ein erhöhtes Angebot von Schilddrüsenhormonen mit der Folge einer vermehrten Rezeploraktivierung. Die häufigsten Ursachen sind der M. Basedow und die funktion elle Schilddrüsenautonomie. Auch in einer länger bestehenden Struma (s. S. 50 f.) können autonom e Bezirke mit vermehrter Hormonsynthese entstehen. Bei Thyreoiditiden kann es durch Zerstörung von Follikeln zur Freisetzung von Schilddrüsenhormonen und zu einer passage· ren Hyperthyreose kommen. Ist die Ursache eine übermäßige exogene Zufuhr von Schild· drüsenhormonen (z. B. zur Gewichtsreduk· tion), so spricht man von einer Hyperthyreo· sis factitia. Klinik Typische Symptome der Hyperthyreose sind:

t Unruhe und Nervosität t Wärmeintoleranz, Schwitzen, warme, feuchte Haut, Haarausfall t Gewichtsverlusttrotz gesteigerten Appeti ts t gesteigerte Stuhlfrequenz bis zur Diarrhö t Atemnot t Muskelschwäche t Schlafstörungen t Sinustachykardie, Arrhythmien t Feinschlägiger Tremor der ausgestreckten Finger t BeiM. Basedow: endokrine Orbitopathie, seltener prätibiales Myxödem Während bei jüngeren Personen Symptome wie gesteigerter Appetit, Schwitzen, Diarrhö, Nervosität und Wärmeintoleranz dominieren, finde t man bei älteren Patienten oft oligosymptomatische Verläufe. Dabei kommt es eher zu Gewichtsabnahme, Atemnot, Herzrhythmusstörungen (plötzliches Vorhofflimmern) , Herzinsuffizienz, Besserung einer Obstipation, zunehmendem Tremor und VerwirrtheiL

Durch das erhöhte Schlagvolumen steigt der systolische Blutdruc k an, während der Mitteldruck durch eine Gefaßdilatation eher abnimmt. Die erhöhte Herzbelastung kann zu einer Kardiamyopathie führen. Manche Symptome sind sowohl bei der Hyperthyreose als auch bei der Hypothyreose zu finden, z. B. Konzentrationsstörungen , Muskelschwäche oder Haarausfall.

Im Gegensatz zu Doppelbildern bei der Orb itapathie sind solche bei Erm üdung abends stärker ausgeprägt. Weitere extrathyreoidale Manifestationen des M. Basedow sind das prätibiale Myxödem (in ca. 4 %) oder die seltenere Akropachie (subperiostale Knochenneubildung mit Trommelschlägelfingern) . In 5- l 0% find en sich auch andere Autoimmun. erkrankungen (z. B. Vitil igo, Myasthenia gravis, M. Addison).

Häufige Ursachen

Morbus Basedow

Funktionelle Autonomie

Die Basedow-Krankheit (eng!. Graves' disease) ist eine häufige Autoimmunerkrankung mit thyreoidalen und extrathyreoidaJen Manifestationen und genetischer Disposition (Assoziation mit HLA-B8 und -DR3). Es kommt zur Bildung von Antikörpern gegen den TSH Rezeptor (TRAK). Diese verdrängen TSH und wirken stimulierend auf die Schilddrüse, was eine Überfunktion und ein diffuses Wachstum zur Folge hat. Neben der Hyperthyreose kommt es in etwa 40 % zur endokrinen Orbitapathie (I Abb. 4), die fast immer beidseitig auftritt. Diese kann sich zeitlich vor, während oder nach dem Erstauftreten der Hyperthyreose manifestieren und ist durch eine Kreuzreaktion der IRAK mit Antigenen von Augenmuskelgewebe bedingt. In weiterer Folge kommt es durch eine lymphozytäre Infiltration mit Aktivierung von Fibroblasten zur Einlagerung von Glykosaminoglykanen und zu einem retrobulbären Ödem. Der intraorbitale Druckanstieg führt zum Vortreten der Augen (Protrusio bulbi). Typische Symptome sind seltener Lidschlag, erhöhte Lichtempfindlichkeit, Fremdkörpergefühl, verschwommenes Sehen und Doppelbilder.

Auch im physiologischen Zustand gibt es Ar _ ale in der Schilddrüse, deren Aktivität nicht e durch TSH reguliert wird (physiologische basale Autonomie) . Intrathyroidaler Iodmangel führt zum bevorzugten Wachstum dieser Zellen, was sich im höheren Alter als multifokale oder disseminierte Autonomie manifestiert. Mit zunehmender Masse an autonomem Gewebe entwickelt sich aus einer euthyreoten Stoffwechsellage eine latente oder manifeste Hyperthyreose. Bei der unifokalen Autonomie (autonomes Adenom) kommt es durch Mutationen zur konstitutiven Aktivierung des TSH-Rezeptors (oder d e G5-Proteins). Das bedeutet, dass de r AktiVitä~­ zustand des Rezeptors erhöht wird, auch ohne dass dabei ein Agonist gebunden Wird Diese Mutationen werden ebenfalls durch l~d _ mange! begünstigt.

Die endokrine Orbitopathie tritt fast Immer beidseitig auf. Die Symptome sind morgens hluflg stärker ausgeprägt als abends.

Die Stoffwechsellage bleibt lange Zelt euthyreot. Eine exogene Iodzufuhr bei bestehender Autonomie löst jedoch eine Iodinduzierte Hyperthyreose aus.

Marine-Lenhart-Syndrom Als Marine-Lenhart-Syndrom bezeichnet ma Autonornr: die Kombination von funktioneller te . und M. Basedow. Man fmdet dabei echoarm_ und knotige Veränderungen mit fokaler Meh~­ speicherung bei gleichzeitig nachweisbaren IRAK.

I Abb . 4: Endokrine Orbitopathie bei einer Patientin mit M. Basedow. }5]

Schilddrüse

541 55

I

Abb . 5: Szintigraphie: a) M. Basedow (Tc TU: 7,5%; Pfeil: Speicherung im Lobus pyramida li s); b) multinoduläre Knoten st ruma mit autonomen Area len.

[16]

a)

Diagnostik Manifeste Hyperthyreose: TSH erniedrigt, fT 3 fast immer erhöht, rr4 in 90% erhöht IJ Latente Hyperthyreose: erniedrigtes TSH bei normalem IT4 und

1J

fTJ

Zur Differentialdiagnose zwischen M. Basedow und Schilddrüsenautonomie ist der Nachweis von Autoantikörpern wegweisend. Unterschiede findet man auch in der Sonographie und der Szintigraphie (ITab. I, I Abb. 5). Als Nebenbefunde können sich bei der Hyperthyreose niedriges Cholesterin, eine milde Hyperkalzämie oder Leuküpenie zeigen.

M. Basedow Alter

häufig jüngeres Lebensalter

Differentialdiagnosen Besonders schwer ist die Differentialdiagnose zwischen dem TRAKnegativen M. Basedow ohne endokrine Orbitapathie und einer disseminierten Autonomie, die jedoch therapeutisch keine große Relevanz besitzt. Die Unterscheidung zwischen einer unifokalen Autonomie und einem sehr seltenen hormonproduzierenden, follikulären Malignom kann zytologisch nicht immer gestellt werden. Eine weitere Abklärung ist in diesem Fall jedoch nur bei raschem Wachstum indiziert. Diagnostisch abzugrenzen sind Zustände bei Fieber, Psychosen oder Drogenmissbrauch. Ähnliche Symptome zeigen sich auch bei einer stressbedingten Überlastung (Nervosität, Unruhe und Tachykardie, häufig mit Obstipation und Gewichtszunahme). Ein vermehrtes Schwitzen ohne besondere Anstrengung wird auch bei der Hyperhidrosis beobachtet.

Funktionelle Autonomie Höheres Lebensalter

(> 50.-60. Lj .) Geschlecht

Frauen 5-mal häufiger

Endokrine

ln ca. 40 %

Kein signifikanter Unterschied

Orbitapathie Beginn

Plötzlich

Sonographie

Diffuse echoarme Struma,

Nodöse Struma (erhöhte

ve rstärkte Vaskularisation

Durchblutung in den Knoten)

Schleichend

(..vaskuläres Inferno") Szintigraphie

Homogene Mehrspeicherung bei vergrößerter Schilddrüse

Häufig fokale Mehrspeicherungen (evtl. Suppressionsszintigraphie notwendig)

TRAK

>95%

Selten

TPO-AK

- 70%

(Evtl. niedrige AK-Titer)

I

Tab. 1: Differentialdiagnose: M. Basedow und funktionelle Autonomie .

Funktionsstörungen 111 Hyperthyreose (Fortsetzung) The rapie

Thyreostatika Zu Beginn wird jede Hyperthyreose mit Thyreostatika behandelt, bis ein euthyreoter Zustand erreicht ist. Dieser sollte nach etwa drei Wochen eintreten_ Durch die Thioamide wird die thyreoidale Peroxidase (TPO) gehemmt, was zur Inhibition der Hormonsynthese führt. Gehemmt wird jedoch nicht die Freisetzung bereits gebildeter Hormone, weshalb die Wirkung erst nach 6- 8 Tagen eintritt Substanzen: Am häufigsten werden Thiamazol (z. B. Favistan®) oder Carbimazol verwendet Aufgrund häufigerer Nebenwirkungen sollte Propylthiouracil nur bei Unverträglichkeit der anderen Wirkstoffe gegeben werden. Es führt in hohen Dosen auch zu einer Hemmung der Deiodase und somit zu einer geringeren Bildung des stärker wirksamen T3• Bei Iodmangel kommt es durch eine irreversible Hemmung der TPO zu einer stärkeren Wirkung der Thyreostatika als bei einem lodüberschuss. Bei einer iodinduzierten Hyperthyreose sind daher höhere Dosen notwendig! Initial wird eine höhere Dosis verabreicht, die dann auf eine Erhaltungsdosis gesenkt wird (z. ß_ 2,5- 10 mg für Thiamazol). Nebenwirkungen: Die gefährlichste Nebenwirkung ist eine in 0,2 - 0,5 % und häufig dosisabhängig auftretende Agranulozytose (< 500 Granulozyten/!-11), die sich häufig durch Fieber und Halsschmerzen bemerkbar macht Diese tritt häufiger bei älteren Patienten und in den ersten 2-6 Wochen auf. Die Therapie muss dann sofort abgesetzt und eine Blutbildkontrolle durchgeführt werden . Außerdem sollten regelmäßig die Transaminasen kontrolliert werden. Daneben kann es zu allergischen Hautreaktionen kommen. Der Leidensdruck bei der Hyperthyreose ist gering, weshalb die Nebenwirkungen der Therapie nicht von allen Patienten toleriert werden. Der häufigen Gewichtszunahme und einer verminderten Leistungsfähigkeit steht jedoch ein erhöhtes kardiavaskuläres Risiko bei Nichteinhalten der Therapie gegenüber. Dauer: Während bei der Autonomie keine spontane Heilung möglich ist, werden beim M. Basedow innerhalb von einem Jahr Remissionen bei 30% beobachtet Später sind jedoch Rezidive möglich. Rauchen und Stress erhöhen das Rezidivrisiko I Niedriger ist das Risiko hingegen bei Frauen, einem Alter über 40 Jahren und langer Therapiedauer. Üblicherweise wird beim M. Basedow eine thyreostatische Therapie über 12 Monate durchgeführt Eine längerfristige Therapie mit Thyreostatika sollte allerd ings nicht erfolgen.

Radioiodtherapie (RJT) Die RIT kommt bei einer funktionellen Autonomie oder bei ausbleibender Remission bei einem M. Basedow zum Einsatz. Es handelt sich um eine sehr effektive Methode, die seit über 60 Jahren existiert. Bei de r funktionellen Au tonomie wird nach Erreichen einer Euthyreose das TSH im unteren Normbereich eingestellt, damit die Iodaufnahme vor allem in die auronomen, TSH-unabhängigen Areale erfolgt. Durch 1311können hohe Strahlendosen mit jedoch sehr geringer Reichweite (0,5 - 2 mm) erzielt werden. Es kommt dabei zu einer selektiven Zerstörung von speichernden Zellen bei gleichzeitig geringer Belastung des um liegenden Gewebes. Der Therapieeffekt tritt nach 6- 12 Wochen ein. Bis dahin wird die thyreostatische Therapie fortgeführt. Die RIT ist die Standardtherapie in den USA und gewinnt auch in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Die Nebenwirkungen sind gering, im Gegensatz zur hochdosierten RIT bei Karzinomen. Eine endokrine Orbitapathie kann sich jedoch verschlechtern oder neu auftreten. In diesen Fällen erfolgt die RIT nur unter einer Kortisonschutzther apie.

Operation Eine chirurgische Intervention ist auf jeden Fall indiziert bei unifokaler Autonomie, großer Struma mit Verdrängungssymptomen (Stridor, Dysphagie), kalten Knoten (Malignitätsverdacht), thyreotoxischer Krise und schwerer endokriner Orbitapathie mit der Notwendigkeit eines sofortigen Therapieeffektes. Vor der Operation muss jedoch durch Thyreostatika ein euthyreoter Zustand hergestellt werden. Abhängig vom Geschick des Chirurgen kann es in etwa I % zur Rekurrensparese oder zum Hypoparathyreoid ismus kommen. Fast immer entsteht eine postoperative substitutionsbedürftige Hypothyreose. Eine subtotale Resektion hat dabei den Vorteil, dass Substitutionsschwankungen durch das verbleibende Schilddrüsengewebe ausgeglichen werden können .

Begleittherapie t Bei einer Tachykardie sollten die Patienten zusätzlich einen Betablocker bekommen. Ob-

wohl es bei Propranolol in hoher Dosierun auch zu einer Deiodasehemmung kommt g werden ß,-selektive Antagonisten wie At;n 0 _ lol oder Bisoprolol, die nur einmal täglich genommen werden müssen, oft bevorzugt_ t Für die endokrine Orbitapathie gibt es keine kausale Therapie. Angewendet werct Glukokortikoide~ die bei Ansprechen mög- e n ltchst bald reduztert werden , und eine SYmptomatische Begleittherapie (Augentropfen SonnenbriJ!en). Rauchen oder eine Hypothyreose verschlechtern den Zustand der end okrinen Orbitopathie! Bei akut drohendem Sehverlust ist eine Dekompressionsop eratio notwendig. Vorerst in klinischer Erprobung~ das Somarosratin-Analogon Octreotid (San - Ist dostatin®).

Prognose In Studien hat sich gezeigt, dass bereits bei einer latenten Hyperthyreose die Mortalität bei über 60-Jährigen signifikant erhöht ist_ ~as Risiko, innerhalb von zehn Jahren Vorh offlimmern zu entwtckeln, 1st dreifac h erhöh t In diesen Fällen sollten neben der Therapie der Hyperthyreose auch die Gabe eines Betablockers erfolgen und eine antikoagulatarische Therapie erwogen werden. Außerdem sind der Knochenumsatz beschleunigt unct der Verlust von Knochenmasse erhöht

Notfälle Thyreotoxische Krise Die thyreotoxische Krise ist eine seltene Dekompensation einer bestehenden Hyperthyreose. Ätiologie: Ursachen sind ein Iodexzess (z_ B Kontrastmittel, Amiodaron ) bei bestehender Autonomie oder ein spontanes Auftreten bei emem M. Basedow. Andere Ursachen könn e Operationen, schwere Beglei terkrankungen n oder das Absetzen von Thyreostatika sein. Eine Verschlechterung tritt unerwartet unct innerhalb von Stund en bis Tagen ein. Klinik und Diagnostik: Die Leitsymptome sind Tachykardie und Hyperthermie. Zur Diagnosestell ung dient die Kombination von klinischer Symptomatik (I Tab. 2) und TSH fT '

4

I Abb. 6: Schwere Hypothyreose bei einer Patientin mit chronischer lymphozytärerThyreoiditis. [2]

Schilddrüse

561 57

I Tab. 2: Stadien der th yreotoxischen Krise nach Stadium

Symptome

t t t t t

Herrmann.

Tachykardi e (> 150 / m in), Herzrhythmusstörungen Fieber, Schwitzen und Exsikkose Unruhe, Tremor, Angst, Hyperkinesie Erbrechen, Durc hfälle Muskelschwäche, Adynami e

11

t Zusätzlich Bewu ss tseinseinsstörungen, Somnolenz, psyc hotische Zu stände, Desorientiertheil

111

t Zusätzlich Koma (evtl. NNR-Insuffizienz und Kreislaufversagen)

und fT 3• Es besteht jedoch nicht immer ein direkter Zusammenhang zwischen der Hormonkonzentration und der klinischen Symptomatik. Therapie: Es ist eine intensivmedizinische Behandlung notwendig: t Initial 80- 120 mg Thiamazol i. v., jedoch

verzögerter Wirkeintritt, bei Iodexzess zusätzlich Perchlorat t Elektrolyt- und Flüssigkeitssubslitution; parenterale Kalorienzufuhr, Senkung der Körpertemperatur t Betablocker: Propranolol, Esmolol (unter Berücksichtigung der NW und Kl!) t Eine Glukokortikoidgabe soll wegen relati· ver NNR·Insuffizienz und zur Konversionshemmung erfolgen. t Bei einer bedrohlichen Krise ist durch eine subtotale Thyreoidektomie eine rasche Normalisierung der Schilddrüsenhormone möglich. Eine Plasmapherese hat nur eine kurzfristige Wirkung und kann bei Kontraindikationen für eine Operation durchgefüh rt werden.

Die Mortalität liegt in Stadium I unter 10%, in Stadium 111 bereits über 30%1

Myxödemkoma Es handelt sich dabei um eine sehr seltene Manifestation einer länger bestehel)den, nicht behandelten Hypothyreose. Typischerweise tritt sie bei älteren, nicht überwachten Patien· ten während der kalten Jahreszeit auf. Ätiologie: Als auslösende Faktoren kommen Medikamente (z. B. Sedativa), Kälte, Infekte, Operationen oder das Absetzen einer Schilddrüsenhormonsubstitution in Frage. Über Monate entwickeln sich die Symptome einer schweren Hypothyreose (Kälteintoleranz, Gewichtszunahme, Obstipation, Apathie und Somnolenz) . Klinik und Diagnostik: Die Leitsymptome sind Hypothermie, Sinusbradykardie (< 50/ min), Hypoventilation und Hypotonie. Durch die Hypoxie und die Ausbildung einer respira-

torisehen Azidose kommt es zu Bewusstseinsstörungen. Für die Diagnosestellung werden die klinische Symptomatik, eine Bestimmung von IT4 , TSH sowie eine Blutgasanalyse heran· gezogen. Auch beim Myxödemkoma steht der Schweregrad der Symptome nicht unbedingt in direktem Verhältnis zur Hormonkonzentration. Therapie: Es ist eine intensivmedizinische Behandlung notwendig: t Sicherung der Vitalfunktionen (Atemhilfe, temporärer Schrittmacher) t Glukokortikoide (häufig verminderte Korlisolsynthese) t Initial 100-200 flg Thyroxin i. v. t Glukosehaltige Lösung, Korrektur einer evtl. Hyponatriämie, Volumenersatz bei Hypotonie

Zusammenfassung Hyperthyreose

• Häufigste Ursachen: M. Basedow und funktionelle Autonomie • Klinik: Häufige Symptome sind Wärmeintoleranz, Tachykardie und Gewichtsabnahme. • Diagnose: Ausschluss einer Hyperthyreose durch TSH, Nachweis durch Bestimmung von fT4 und fT3. Man unterscheidet eine latente von einer manifesten Hyperthyreose. • Behandlung: Thyreostatika, Radioiodtherapie und operative Verfahren Thyreotoxische Krise

• Seltener Notfall mit Tachykardie, Hyperthermie und Exsikkose • Behandlung: Thyreostatika und symptomatische Therapie (Fiüssigkeitszufuhr, Elektrolyte, Kalorien, Betablocker, Temperatursenkung und Kortikosteroide)! Myxödemkoma

• Extrem seltene, schwere Manifestation einer lange bestehenden Hypothyreose mit den Leitsymptomen Hypothermie, Sinusbradykardie, Hypoventilation und Hypotonie • Therapie: Levothyroxin i. v.

Thyreoiditiden Unter den Entzünd ungen der Schilddrüse fasst man eine heterogene Gruppe von Erkrankunge n mit unterschiedlichen Ursachen, Symptomen und Therapien zusammen. Man kan n sie nach der Ätiologie, ihrem Verlauf (akut, subakut, chronisch ) oder de m histologischen Bild (lym phozytär, granulomatös) unte rscheiden. Bei den verschiedenen Thyreoiditiden kann es durch Zellzerstöru ng zur Hormonfreisetzung und zu einer transienten, selbstlimitierenden Hyperthyreose kommen. Es handelt sich dabei um bereits gebildete Hormone, weshalb eine thyreostatische Therapie nicht indiziert ist Besser sollte man symptomatisch mit Betablockern behandeln.

Immunologisch bedingte Schilddrüsenentzündungen Autoimmunthyreoiditiden Gemeinsam ist den Autoimmunthyreoiditiden, dass sie fast immer schmerzlos verlaufen. Außerdem ist eine vermind erte Echogenität in der Sonographie kennzeichnend. Die Schild drüse ist dann teilweise schwer von umgebenden Strukturen abgrenzbar. Für die Diagnostik ist der Nachweis von Autoantikörpern wegweisend. Jedoch lassen sich auch häufig bei Gesund en Auto-AK nachweisen, wobei diese Personen ein erhöhtes Risiko für das spätere Auftreten einer Autoimmunthyreopathie haben.

Morbus Basedow Zu den Autoimmunthyreoiditiden zählt auch die Basedow- Krankheit Diese wird bei der Hyperthyreose behandelt (s. S. 54).

Chronische lymphozytäre Thyreoiditis Diese organspezifische Autoimmunerkrankungmit genetischer Disposition (HLADR3, -DR5 und -B8) ist die häufigste Entzündung der Schilddrüse. Bei Frauen tritt sie etwa zehnmal häufiger als bei Männern auf. Betroffen sind v. a. Frauen zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Man unterscheidet eine hypertrophe Form (klassische HashimotoThyreoiditis) mit meist anfangs symmetrisch

vergrößerter Schildd rüse und eine atrophe Form als häufigere Variante . Klinik und Diagnostik: Die Patienten haben weder Schm erzen noch Entz ündungszeichen. Der Verlauf ist chronisch, da sich erst ab einer Zerstörung von 90 %des Gewebes eine Hypothyreose entwickelt. Die Zelldestruktion führt zur Freisetzung präformierter Hormone mit einer transiente n hyperth yreoten Phase. Diese Phase bleibt häufig un bemerkt, so dass die chronische lymphozytäre Thyreoiditis oft erst diagnostiziert wird, wenn eine Hypoth yreose vorliegt in der Sonograph ie erscheint die Schilddrüse echoarm und häufig verkleinert (I Abb. 2, S. 52). Eine Szintigraphie ist nicht immer notwendig. Vor allem aber in der Phase der passageren Hyperth yreose ist das Bild eines global stark verminderten Uptakes diagnostisch hilfreich. Die Diagnose kann schließlich durc h den Nachweis von TPO-AK, die in 95 % vorhanden sind , gestellt werden. Tg-AKsind weniger aussagekräftig, aber auch häufig nachweisbar. Die chronische lym phozytäre Thyreoidi tis kan n auch mit anderen Autoimm unerkra nkungen (z . B. M. Addison, Diabetes mellitus Typ 1, Vitiligo, Alopecia areata) assoziiert sein . Therapie: Kortikosteroide haben kei nen Effekt auf den KrankheitsverJauL Die Behand lung besteht in der Substitution von Levo· thyroxin, sowohl bei manifester als auch bereits bei einer latenten Hypothyreose. Ziel ist ein TSH im unteren Normbereich (0,5 - 2,0 mU/ 1). Chronische Iymphozytire Thyreolditis: echoanne, verkleinerte Schilddrüse mit vermindertem Uptake und positiven TPQ-AK.

Post-partum-Thyreoiditis Diese Autoimmunthyreoid itis tritt bei ca. 5 % der Frauen innerhalb von einem Jahr nach der Entbindung auf. Manche Patientinnen haben bereits vor der Schwangerschaft nachweisbare TPO-AK . Eine erhöhte immunologische Toleranz während der Schwangerschaft führt

0

t

Diagnose

5

6

9 M o nate

dazu, dass sich die Entzündung erst nach d e r Geburt manifestiert. Häufig bleibt sie jedoc h kli nisch latent oder wird nu r zufällig entdeckr. Anfangs beobachtet man eine 1- bis 3monatige hyperthyreote Phase, gefolgt von einer passageren oder seltener permanenten Hypothyreose (I Abb. I ). Bei postpartaler Depression sollte auch nicht vergessen w e rden, auf die Schildd rüsen fun ktion zu achten Eine Szintigraphie während der Stillzeit ist kontraind iziert! Nac h dem Abstillen zeigt s ic h eine vermi nderte Speicherung im Gegensatz zum M. Basedow.

Andere Autoimmunthyreoiditide n II Die Silent-Thyreoiditis ähnelt sehr der Post-partum-Thyreoid itis. Man fi ndet auch eine schmerzlose En tzündung, die v. a_ Frauen zwischen dem 30. und 50. Lj. betrifft. Es dom iniert jedoch die hyperthyreo te Phase eine permanente Hypothyreose kommt ni~h t vor. II Die iFN-a -induzierte Thyreoiditis tritt in 1- 5 % bei einer Therapie mit lFN-a (Hepa ti tisbehandlung) und genetischer Disposition auf. Der Verlauf ist ähnlich wie bei der Postpartum-Thyreo id itis. Immunologis ch vermittelte

Thyreoiditis

Subakute Thyreoiditis de Ouervain Diese Form tritt typischerweise einige Wochen nach einem viralen Atemwegsinfek t auf Klinik: Die Patienten haben eine be rühru n gs~ empfindliche, derbe Schilddrüse. Neben einem allgemeinen Krankheitsgefü hl und Fieber kommt es zu starke n Halsschmerzen die auch die Seite wechseln und in Ohren ' und Kiefer ausstrahlen kön nen. Die Lymphknoten sind nicht geschwollen. Diagnostik: Auffäll ig sind eine stark erhöhte Blutsenku ng (BSG > 50 mm/ h) und erhöh tes CRP bei normaler LeukozytenzahL TSH ist zu Beginn häufig supprimiert und Auto-AK sind evtl. und dann nu r vorübergehend nachweisbar. Eine anfängliche leichte Hyperthyreose kann in eine Euthyreose und nach Wochen bis Monaten in eine Hypothyreose übergehen . Meist kommt es nach 1- 4 Monaten zu einer

I

Abb . 1: Verlauf der fT ,-Konze ntration bei ein er Post-partum-Thy reoidi tis. 161

Schilddrüse

sa I 59

spontanen Heilung. Sonographisch zeigen sich landkartenartige, konfluierende echoarme Areale mit einem Übergang in Areale mit normaler Echogenität. in der Szintigraphie findet man eine reduzierte oder fehlende Nuklidaufnahme. Therapie: Für die passagere Hyperthyreose reicht eine symptomati· sehe Behandlung (s.o.), während bei einer Hypothyreose vorüber· gehend mit Hormonen substituiert werden sollte. Bei einem leichten Entzündungsverlauf genügen NSAR wie Diclofenac. Meist reichen die· se gegen die Schmerzen jedoch nicht aus. Man kann dann auch mit Prednisolon behandeln und sollte die Dosis unter Beobachtung der BSG langsam senken. Dadurch ergibt sich jedoch kein Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung. Falls unter Kortikosteroiden keine Besserung innerhalb von 1-2 Tagen eintritt, ist die Diagnose zu prüfen!

sehe Veränderungen infolge der Grunderkrankung. Es wird eine Therapie mit hochdosiertem Thiamazol und Perchlorat empfohlen. Ein Absetzen von Amiodaron sollte nur kontrolliert erfolgen (Achtung: HWZ beträgt mehrere Wochen!). ln manchen Fällen ist eine Thyreo· idektomie notwendig. • Amiodaroninduzierte Hyperthyreose Typ 2: Durch Zellzerstö· rung kommt es zur Freisetzung präformierter Hormone. Die destruk· tive Thyreoiditis entwickelt sich langsam innerhalb von Monaten bis Jahren und ist selbstlimitierend. Sie kann später in eine Hypothyreose übergehen. Therapie der Wahl sind Kortikosteroide über 2- 3 Monate. II Daneben können auch Mischtypen einer Typ· I· und Typ·2·Hyper· thyreose auftreten.

Nichtimmunologisch bedingte Schilddrüsenentzündungen

t Thyreoiditiden nach Bestrahlung der Halsregion (z. B. bei

Physikalische Ursachen

Infektiöse Ursachen Die akute eitrige Thyreoiditis ist eine seltene Entzündung, die durch Absiedlung von Keimen bei Bakteriämie oder Sepsis entsteht. Die Entzündung ist überwiegend durch Bakterien wie Staphylokokken oder Streptokokken bedingt und tritt meist bei Kindern auf. Durch andere Erreger wie Mykobakterien, Viren oder Pilze kommt es zur nichteitrigen Thyreoiditis, die v. a. immunsupprimierte Patienten betrifft. Typisch ist eine akut auftretende, schmerzhafte Schwellung der Schild· drüse mit Hautrötung. Sie wird oft mit der viel häufigeren subakuten Thyreoiditis verwechselt. Jedoch findet man bei der akuten Thyreo· iditis oft vergrößerte Lymphknoten, während eine Störung der Schild· drüsenfunktion nicht beobachtet wird. Blutsenkung, CRP und die Leukozyten sind häufig erhöht. ln der Sonographie werden oft Zysten gefunden, die punktiert und für eine gezielte Therapie zytologisch und mikrobiologisch untersucht werden sollten. Des Weiteren ist auch nach dem Primärherd der Streuung zu suchen. Chemische Ursachen Amiodaron ist ein iodhaltiges Klasse·lll·Antiarrhythmikum, das sowohl bei supraventrikulären als auch bei ventrikulären Arrhythmien ver· wendet wird. Bei einer Erhaltungsdosis von 200 mg wird täglich ein Vielfaches des natürlichen Iodbedarfs freigesetzt(- 6-7 mg). Daher müssen vor Therapiebeginn bestehende Schilddrüsenerkrankungen ausgeschlossen werden. Auch während der Behandlung sind in Abständen von 6 Monaten TSH, fT 4 und IT 3 zu kontrollieren. Es kann dabei sowohl zu hypothyreoten als auch zu hyperthyreoten Zuständen kommen (eigentlich wird nur die amiodaroninduzierte Hyperthyreose Typ 2 zu den Thyreoiditiden gezählt. Hier sollen jedoch auch die ande· ren Formen erwähnt werden): t Amiodaroninduzierte Hypothyreose: Amiodaron wirkt antago·

nistisch am T3·Rezeptor, hemmt die Deiodase und kann durch einen Iodexzess die Schilddrüsenfunktion vorübergehend hemmen. Es sollte dann mit Levothyroxin substituiert werden. Die Konversionshemmung durch Amiodaron macht höhere Dosen nötig. Ein Absetzen von Amio· daron ist nicht notwendig. II Amiodaroninduzierte Hyperthyreose Typ 1: Diese Form wird überwiegend bei vorbestehender Autonomie beobachtet und ent· spricht einer iodinduzierten Hyperthyreose. Sie tritt meist innerhalb der ersten Wochen bis Monate nach Medikationsbeginn auf. Im Gegen· satz zum Typ 2 findet man häufiger Knoten oder andere morphologi·

M. Hodgkin) treten oft erst nach Jahren auf. Abhängig von der Dosis kann es zur Knotenbildung oder seltener zu Schilddrüsenkarzinomen kommen. Die Schilddrüsenfunktion ist nach einer Bestrahlung meist normal. II Nach hochdosierter Radioiodtherapie mit 13 11 bei malignen Erkran· kungen kann eine akute Thyreoiditis mit Schwellung und Schmerzen auftreten. Selten tritt eine Entzündung nach RIT benigner Erkrankun· gen (M. Basedow) auf. Behandelt wird mit Kühlung und evtl. Anti· phlogistika wie Prednisolon. II Nach Traumata im Halsbereich, die bei Autounfällen oder Opera· tionen auftreten, kann es auch zu einer akuten und schmerzhaften Entzündung kommen.

Sonderformen

Fibrosierende Thyreoiditis Riedel Es handelt sich dabei um eine extrem seltene Entzündung mit lym· phozytärem Infiltrat und Fibroblastenproliferation. Häufig findet man auch multifokale Fibrosen, wie z. B. eine retroperitoneale Fibrose. Eine Fibrose der Orbita kann zu einem Bild wie bei der endokrinen Orbita· pathie führen. Typisch sind eine Kapselüberschreitung und ein infil· tratives Wachstum in das umliegende Gewebe. Die Schilddrüse fühlt sich "eisenhart" an und ist nicht schluckverschieblich.

Zusammenfassung X Die chronische Iymphozytära Thyreoiditis ist die häufigste Schilddrüsenentzündung. Typisch sind hochtitrige TPO-AK und eine verminderte Echogenität. Nach "Ausbrennen" der Entzündung kommt es häufig zur Hypothyreose. X Post-partum-Thyreoiditis: erst hyperthyreote, dann hypothyreote Phase • Thyreoiditis de Quervain: schmerzhafte Entzündung, häufig nach viralen Atemwegsinfekten • Amiodaroninduzierte Hyperthyreose: Typ 1 = bestehende Autonomie mit Hyperthyreose durch Iodexzess, Typ 2 = destruktive Thyreoiditis mit Freisetzung bereits gebildeter Hormone

Schilddrüsenmalignome Schi ldd rüse nkarzinome

Formen Papilläres Karzi nom

Epidemiolog ie Maligne Neoplasien der Schilddrüse sind selten. ln Deutsch land liegt die lnzidenz bei ca. 3/ 100.000 pro Jahr. Die Mortalität beträgt jedoch nur 0,5/ 100.000 pro Jahr. Bei Frauen kommen differenzierte Karzino· me (papi!läres und follikuläres Karzinom) 2· bis 3·mal häufiger vor als bei Männern. Betroffen sind vorwiegend Patienten vor dem 30. und nach dem 60. Lebensjahr. Die Klassifikation der Schilddrüsenkarzi· nomenachderen histologischer Di fferenzierung bestimm t die Thera· pie und gibt Auskunft über die Prognose. Für die Prognose sind neben der histologischen Differenzierung auch das Alter des Patienten und das Tumorstadium von Bedeutung. Prognostisch günstig ist ein Alter unter 45 Jahren. In Ländern mit Iodprophylaxe zeigt sich ein Wandel in der Häufigkeit der einzelnen Formen. So werden weniger follikuläre Karzinome und vermehrt papilläre Karzinome diagnosti ziert.

Das papilläre Karzinom ist mit 50 - 60 %das häufigste Karzinom der Schilddrüse. Es gibt verschiedene histologische Subtypen, die sich jedoch in de r Prognose nicht unterscheiden. Mischtumoren mit follikulärer und papillärer Differenzierung werden aufgrund des biologisch e Verhaltens auch zu den papillären Karzinomen gezäh lt. Typisch sind n papilläre Gewebsstruktu ren mit einer zentralen fibrovaskulären Achs Milchglaskerne und dachziegelartig übereinand er geschichtete Zellene ' In bis zu 10 %treten papilläre Karzinome multifokal auf. Sie metasta- sieren vorwiegend lymphogen . Bei Diagnose liegen häufig regionäre Lymphknotenm etastasen vor, die jedoch die Prognose nicht signifikan vermindern. Papilläre Karzinome metastasieren später auch hämato- t gen in die Lunge. Sie haben eine günstige Prognose, die 10-JahresÜberlebensrate liegt bei 80 - 90 %.

Ätiologie Als auslösende Ursachen sind ionisierende Strahlung und beim medul· lären Ka rzinom genetische Faktoren zu nennen. Lokale Wachstums· Faktoren und erhöhtes TSH haben hingegen keine gesicherte Wirkung auf die Karzinomentstehung. Auch eine Radioiodtherapi e zur Behand· Jung einer Hyperthyreose führt zu keinem statistisch erhöhten Karzi· nomrisiko.

Das follikuläre Karzinom hat einen Anteil von etwa 20 - 30% an den Schilddrüsenma lignomen. Es kommt häufiger in Iodmangelgebieten und bei einer bestehenden Struma vor. Meist handelt es sich um eine solitären, unilateralen Tumor, oft mit einer bindegewebige n Abkapse- n Jung. Der Unterschied zum follikulären Adenom ist nur durch eine Gefäßinvasion oder einen Kapseleinbruch definiert, histologisch unterscheiden sie sich sonst kaum. Hervorzuheben ist die onkozytäre Variante, die im Gegensatz zu den and eren differenzierten Karzinomen nicht am Iodstoffwechsel teilnimmt und da her nicht mit Radioiod behandelt werden kann. Die Metastasierung erfolgt überwiegend hämatogen in Lunge und Skelett. Die IO·Jahres·Überlebensrate liegt bei 60 - 70 %. Wie bereits erwähnt, ist die Prognose aber auch vom Tumorstadium und vom Alter der Patienten abhängig. Bei Fernmetastasen liegt eine deutlich schlechtere Prognose vor. Eselsbrücke zur Metastasierung: Pa·pi·llär = lym·pho·gen (3 Silben); fo·lli-ku·lär = hä-ma·to·gen (4 Silben)!

Klinik Bei jüngeren Patienten ist das häufigste Symptom ein solitärer, derber Knoten in der Schilddrüse. Bei älteren Patienten sind vor allem schmerzlose , kalte Knoten in einer lang bestehenden Struma verdäch· tig. Weitere Zeichen treten erst bei größeren Tumoren auf und sind bereits Spätsymptome. Dazu gehören Schluckbeschwerden, Atembe· schwerden oder schmerzlose, verbackene Lymphknoten. Des Weiteren kann es zu Heiserkeit durch eine Rekurrensparese oder zu einer obe· ren Einflussstauung kommen. Eine Destruktion des Ganglion stellatum füh rt zum Horner·Syndrom mit Miosis, Ptosis und Enophthalmus. Diagnostik ln der Anamnese müssen Fragen nach einer früheren Bestrahlung im Rahmen einer Therapie oder nach einer anderen Strahlenexposition gestellt werden. Malignomverdächtig ist auch ein Strumawachstum unter Levothyroxinth erapie. Eine Bestimmung der Schilddrüsenhormone hat keine Aussagekraft, die Stoffwechsellage ist meist euthyreot. in der Sonographie findet sich häufig ein unregelmäßig begrenzter, echoreduzierter oder echo· komplexer Knoten mit oder ohne Infiltration des umliegenden Gewebes. Die Szintigraphie zeigt eine verminderte Aufnahme. Nur weniger als 1 %sind hyperfunktione iL Andererseits entsprechen nur etwa 5 %aller kalter Knoten einem Malignom. Zur Abklärung der Malignität wird die Feinnadelpunktion verwendet. Bei follikulären Neoplasien ist jedoch aufgrund der hohen Differenzierung keine Unterscheidung zwischen benignen und malignen Tumoren möglich. Das Karzinom befindet sich bei einer Struma multinodosa außerdem nicht immer in dem dominierenden Knoten, und in bis zu einem Viertel der Punktionen ist keine exakte Aussage möglich .

Follikuläres Karzinom

Undifferenzierte (anaplastische) Karzinome Anaplastische Karzinome machen etwa 5- I0 %der Schilddrüsenkarzinome aus. Charakteristisch ist ein lokal destruierendes und deutliches Wachstum innerhalb von Wochen. Eine Subtypisierung ist obsolet, da sich daraus keine weitere klinische Aussage ergibt. Anaplastische Karzinome haben generell eine schlechte Prognose. Die mittlere Überlebenszeit nach Diagnosestellun g liegt bei nu r etwa 6 Monaten.

Medulläres Karzi nom Das medulläre Karzinom geht von den parafollikulären , kalziteninproduzierenden C·Zellen aus und hat einen Anteil von nur etwa 5 % der Sc hilddrüsenkarzinome. Bei einem Drittel der Patienten kommt es zu einer sekretorischen Diarrhö. Ein sehr guter Tumormarker ist Ka!zitonin. Bei Kon zentrationen > 10 pglml sollte ein Pentagastrin·Stimulationstest mit anschließender Kalzitoninbestimmung durc hgeführt werden. in der Sonogra phie können grobschollige Verkalkungen zu sehen sein. Kennzeich nend ist eine aktivierende Mutation im RET·Protoonkogen einem Gen auf Chromosom I0, das mit verschiedenen endokrinen '

Schilddrüse

Neoplasien assoziiert ist. 25 % der Karzinome entstehen durch autosomal-dominante Vererbung im Rahmen einer MEN Typ 2 (s.S. I04 f.). Typisch ist dabei ein Auftreten in jüngeren Jahren mit einem multizentrischen Befall. In den übrigen Fällen handelt es sich um sporadische Mutationen, die erst im späteren Alter vorkommen und mit einer schlechteren Prognose verbunden sind. Die I 0-JahresÜberlebensrate liegt bei ca. 50 %. Eine gute Prognose ist nur dann gegeben, wenn die Diagnose früh erfolgt, keine Metastasen bestehen und Therapie und Nachsorge erfolgreich sind .

Grundsätzlich sollte bei allen medullären Schilddrüsenkarzinomen von einem familiären Auftreten ausgegangen werden.

60

I 61

eine Beherrschung des Wachstums. Dazu kann eine Operation mit einer Bestrahlung der Halsregion und einer Chemotherapie kombiniert werden. lt Die Therapie des medullären Karzinoms besteht in einer totalen Resektion der Schilddrüse mit einer vollständigen Entfernung der regionären Halslymphknoten. Haben auch Familienmitglieder eine nach· weisbare Mutation, so ist möglichst bald eine prophylaktische Entfernung der Schilddrüse indiziert (s. S. 105). Sowohl anaplastische als auch medulläre Karzinome besitzen in der Regel nicht die Fähigkeit, Iod aufzunehmen. Eine Therapie mit Radioiod ist daher nicht erfolgreich.

Die postoperative Hypothyreose nach Thyreoidektomie muss durch lebenslange Levothyroxin-Substitution behandelt werden. Bei den Therapie differenzierten Karzinomen soll eine TSH-suppressive Dosis gewählt Die Behandlung erfolgt abhängig von der Tumorart: werden, um den Wachstumsreiz auf okkulte Metastasen zu vermindern. Weitere postoperative Komplikationen sind eine Rekurrensparese lt Bei differenzierten Karzinomen sollte eine totale Thyreoidekto(in ca. I %) und ein Hypoparathyreoidismus (ca. 1-2 %; Serumkalzium mie mit Entfernung der regionalen Halslymphknoten durchgeführt bestimmen! ). werden. Die Schilddrüsenhormonkonzentration fällt anschließend ab, Die Tumornachsorge dient der frühen Erkennung eines Rezidivs und während TSH ansteigt. Ein 1311-Ganzkörperscan dient dem Nachweis damit der Verlängerung der Lebensdauer. Es sind eine regelmäßige von Restgewebe und Metastasen. Levothyroxin sollte vorerst nicht zu- Sonographie und eine Kontrolle von TSH, Thyreoglobulin und Schildgeführt werden, da du rch die TSH-Erhöhung die 1311-Aufnahme verbes- drüsenantikörpern notwendig. Die Szintigraphie sollte weiterhin mit 1l 11durchgeführt werden. Erfolgt diese unter Stimulation mit rekomsert wird. Nach 4-6 Wochen wird bei einem TSH-Wert von mindestens 30 ebenfalls mit 1311 eine hochdosierte Radioiodtherapie zur Zerbinantem humanem TSH (Thyrogen®), so muss Levothyroxin nicht störung von verbliebenem Tumor- oder Schilddrüsengewebe abgesetzt werden. Bei nicht iodspeichernden Metastasen kann durchgeführt. Thyreoglobulin kann anschließend als Tumormarker die Szintigraphie alternativ z. B. mit 111 lndium-Octreotid, 90Yttriumverwendet werden, der auf ein Rezidiv oder eine Metastase hinweist. DOTADOC oder durch eine PET-Szintigraphie mit 18 F-FDG durchgeRadioiod wird in geringerer Menge auch in die Speicheldrüsen und die führt werden. Magenschleimhaut aufgenommen. Eine akute Sialadenitis und eine radiogene Gastritis sind daher häufige Nebenwirkungen. Bei hochWeitere maligne Tumoren dosierter Radioiodtherapie liegt das Risiko einer späteren Leukämie bei bis zu I %. Andere Tumoren der Schilddrüse wie maligne Lymphome sind selten. lt Bei anaplastischen Karzinomen ist eine vollständige Entfernung Häufiger sind hingegen Metastasen. Sie kommen vorwiegend bei Niehäufig nicht mehr möglich. Ziele sind dann eine Tumorreduktion und renzell-, Bronchial- und Mammakarzinomen vor.

Zusammenfassung X Die häufigsten Malignome der Schilddrüse sind das papilläre und das follikuläre Karzinom. Seltener sind ansplastische Karzinome und das medulläre Karzinom. X Malignomverdächtig sind echoreduzierte oder echokomplexe Knoten mit vermindertem Uptake. X Die Prognose der differenzierten Karzinome ist sehr gut. Bei ansplastischen Karzinomen beträgt die mittlere Überlebenszeit hingegen nur etwa 6 Monate. X Das medulläre Karzinom geht von den C-Zellen aus und tritt familiär oder sporadisch auf. Als Tumormarker dient Kalzitonin.

Physiologie I Abb. 1: Die Differenzierung der Osteck lasten

Knochens toffwec hsel Zusammens etzung: Der Großteil des Knochens wird von Kalzium zusammen mit Phosphat gebildet. Außerdem besteht der Knoc hen aus einem Proteingerüst, der Knochenmatrix , die von Osteoblasten gebildet wird. Die Phosphat- und Kalziumkonzentration im Serum liegen im Bereich des Löslichkeitsprodukts. Eine Ausfällung (Präzipitation) in den Gefäßen wird durch Proteine, wie das GLA-Protein, verhindert. Knochenumbau: An der Zelloberfläche von Osteoblaste n fördert hingegen die alkalische Phosphatase (wichtiger Marker des Knochenanbaus) die Ausfallung und Ablagerung von Kalzium und Phosphat im Knochen (Mineralisation). Osteoidaste n entstehen aus Makro· phagen. Es sind mehrkernige Zellen, die den Abbau der Knochenmatrix vermitteln. Sie sezernieren Säure und Proteasen, die den Knochen auflösen. Der Knochen unterliegt außerdem einem stän· digen Umbau ("bone remodeling"). Osteoidasten und Osteoblasten werden dabei zeitlich nacheinander aktiviert und sorgen für einen Ab· und anschließenden Aufbau der Knochen· grundsubstanz. Dies ist entscheidend für die Reparatur, Erneuerung und die Anpassung des Knochens an veränderte Belastungen. Mechanische Reize, die bei körperlicher Aktivität entstehen, gehören zu den bedeutendsten Stimuli für den Knochenaufbau . Die Regulation der Knochenresorption durch Hormone erfolgt u. a. über das RANK-System (receptor of activation of nuclear factor KB, I Abb. I). Resorptionsfördernde Substanzen induzieren die Sekretion von RANKLiganden (RANKL) durch Osteoblasten . RANKL bindet an dessen Rezeptoren RANK auf der Zelloberfläche von Osteoklasten und stimuliert die Differenzierung der Osteoklas· ten. Daneben gibt es auch noch einen löslichen Attrappenrezeptor, das sog. Osteoprotegerin, das auch an RANKL bindet und so über eine verminderte Osteoklastenaktivierung die Resorption hemmt. Nachdem im jungen Erwachsenenalter die Peak-Bone·Mass (Knochengipfelmasse) er· reicht wird, kommt es zu einer negativen

wird u.a. durch da s RANK-System stimuliert. [5 ]

OPG

(blockiert RANKL/ RANKInteraktion)

Makrophage (Os teoklastenvorläufer)

Knochenbilanz mit einem Überwiegen des Abbaus.

Wichtige Substa nzen im Knoch enstoff wechsel Kalzium Mehr als 99% des Kalziums sind im Knochen enthalten. Dies entspricht beim Erwachsenen etwa einer Masse von I ,4 kg. Im Serum liegt Kalzium in drei verschiedenen Formen vor: t - 45 %an Eiweiß gebunden t - 5% komplexgebunden an Zitrat,

Bikarbonat oder Phosphat t - 50 % ionisiertes, biologisch aktives Kai· zium (Ca 2+)! Funktion: Kalzium ist ein wichtiger intrazellu lärer Botenstoff (s. S. 4), der an der Blutgerinnung beteiligt ist und für die Integrität und Funktion der Zellmembran sorgt. Durch Kalzium kommt es auch zu: t Erregung von Kalziumreze ptoren

(~bei

höheren Konzentrationen: Übelkeit und Er· brechen) t Aktivierung von Kaliumkanälen (~ Verkürzung des Aktionspotentialsam Herzen) t Stabilisierung von Natriumkanälen (~ gesteigerte Erregbarkeit und Tetanie bei Hypokalzämie) t Verminderter Durchlässigkeit der Basalmembranen und der Tight-Junctions (~ erhöhte Diurese; die Polyurie entsteht auch durch ein vermindertes Ansprechen auf ADH). I Abb. 2: Schematische Darstellung der Hauptwirkung en von Parathormon (PTH) und Vitamin D. Die Regulation der Kalziumk onzen tration erfolgt über die intestinale Absorption, die rena le Rü ckresorption und ei ne Aufnahme oder Abgabe aus dem Knochen.

121

Der tägliche Kalziumbedarf liegt bei etwa 1.000 mg. Er ist bei Jugendlichen, in der Schwangerschaft und Stillzeit erhöht. Auch Frauen nach der Menopause und Männer über 65 Jahre haben einen erhöh ten Bedarf_ Kalzium ist z. B. in Eiern, Milch und Milchprodukten, in Sojaprodukten und Sesam enthalten. Darm, Knochen und Niere sind die wesentlichen Organe für_ die Regulation des Kalziurnstoffwechsels. Uber den Darm werden etw 20 % des gesamten Kalziums resorbiert. Bei a extremem Kalziummangel können durch die Vitamin-D-Wirkung auch bis zu 90% aufgenommen werden. Der Knochen dient als Speicher, aus dem das Kalzium auch wieder mob 1. _ lisierbar ist. Bei ausgeglichener Bilanz Wird der Großteil mit dem Stuh l, der Rest über die Nieren ausgeschieden (I Abb. 2). Kalziumdiagnostik: Meist wird die Gesamtkonzentration bestimmt. Bezüglich der diagnostischen Aussage bringtdie Bestimmung des IOniSierten Kalz1ums keme Vorteile, auch wenn nur der freie Kalziumanteil wirksam ist. Normwerte: Gesamtkalzium 2,2- 2,6 mmol/1 freies Kalzium 1,1-1,3 mmol/1.

Die Kalziumkonzen tration ist abhängig vom: t Proteingehalt des Serums: Je höher der Proteingehalt, desto höher das Gesamtlkalzium. Eine Interpretation des Gesamtlkalzi um sollte daher in Kombination mit Albumin er- s folgen. So kann etwa bei niedrigem Gesamt-

Nebenschilddrüse und Knochenstoffwechsel

kalzium und Album in die Konzentration von ionisiertem Kalzium normal sein.

62 I 63

I Abb. 3: Parathormon und Vitamin D hal ten die Kalziumkonzentration konstant. [2]

Faustregel: Eine Albuminabweichung um 1 g/1 verändert das Gesamtkalzium um 0,02 mmol/1in dieselbe Richtung! Ca++

t pH·Wert des Blutes: Bei einer Alkalose (IH+].J..), werden von Serumproteinen zur Puf·

ferung zunehmend H+·lonen abgegeben, im Gegenzug kann Ca 2+ gebunden werden. Dadurch sinkt der freie KalziumanteiL Um· gekehrt steigt das ionisierte Kalzium bei Azi· dose.

Parathormon Parathormon (PTH) ist ein Peptidhormon, das bei Absinken der Kal ziumkonzentration aus der Nebenschilddrüse (Parathyroidea) freige· setzt wird. Die Regulation erfolgt direkt über Kalziumrezeptoren an der Membran der hor· monbildenden Zellen. Funktion: Am Knochen bewirkt PTH eine Freisetzung von Kalzium und Phosphat und erhöht somit die Kalziumkonzentration im Se· rum (I Abb. 3). An der Niere kommt es zur verstärkten Kalziumrückresorption, während die Phosphatausscheidung gefördert wird . Da· durch wird eine Überschreitung des Löslich· keitsprodukts verhindert. Bei Absinken des Serumkalziums kommt es durch PTH kurz· fristig zu einem Abbau von anorganischen Substanzen aus dem Knochen. Langfristig sti· muliert PTH aber die Vitamin-D-Bildung durch Stimulation der 1a·Hydroxylase und bewirkt damit einen Ausgleich des Kalziumdefizits über eine erhöhte Resorption aus dem Darm. Intermittierend wirkt PTH auf den Knochen sogar aufbauend, während es bei kontinuierlicher Erhöhung zu einem Überwiegen der Resorption kommt.

resorption steigert Parathormon auch die Vitamin-D-Synthese und erhöht so längerfristig die Kalziumkonzentration über eine vermehrte intestinale Kalziumresorptlon.

Vitamin D Der überwiegende Anteil (60-80%) des Vitamin D wird im Körper synthetisiert. Dafür braucht der Organismus jedoch Sonnenlicht. Vitamin 0 3 (Colecalciferol) entsteht unter Einwirkung von UV·Licht in der Haut aus 7· Dehydrocholesterin oder wird direkt über die Nahrung aufgenommen. Aber erst durch zwei Hydroxylierungen, zuerst in der Leber und dann in der Niere, entsteht die aktive Form, das l ,25-Dihydroxy-Vitamin D3 (Calcitriol). Die I a ·Hydroxylierung in der Niere wird durch PTH und durch einen niedrigen Phosphatspiegel stimuliert, während eine Hyper· phosphatämie (z. B. bei Niereninsuffizienz) hemmend wirkt. Funktion: Vitamin D sti· muliert die Kalzium- und Phosphatresorption aus dem Darm und die Mineralisation der Knochenmatrix. In hohen Konzentrationen fördert es hingegen die Osteoklastendifferen· zierung (resorptionsfördernde Wirkung).

Kalzitonin Kalzitonin ist ein Peptidhormon der parafollikulären C-Zellen der Schilddrüse. Funktion: Seine Hauptaufgabe ist wahrschein· lieh eine osteoprotektive Wirkung durch Hemmung der Osteoklasten. Kalzitonin besitzt daneben eine zentralnervöse analgetische Wirkung, vermutlich durch Freisetzung von Endorphinen. Kalzitonin kann evtl. ergänzend z. B. bei schmerzhaften osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen angewendet werden. Andere Substanzen Insulin förde rt die Bildung von Knochengrundsubstanz, während Glukokortikoide

diese hemmen. Letztere wirken auch Vitamin· D-antagonistisch. Durch Androgene kommt es zum Epiphysenschluss und so zum Ende des Längenwachstums. Die osteoprotektive Wirkung von Bisphosphonaten erfolgt wie bei Kalzitonin über eine direkte Osteoklastenhemmung. Östrogene hingegen hemmen Ostecklasten indirekt über eine TGF-ß-Frei· setzung aus Osteoblasten. Auch bei Männern sind Östrogene für den Knochenaufbau und -erhalt erforderlich (s.a. S. 89).

Zusammenfassung X Der Knochen unterliegt einem ständigen Umbau (Remodeling). Während in der Jugend der Aufbau überwiegt, kommt es später zu einem vermehrten Abbau. X Kalzium und Phosphat bilden als Hydroxylapatit den mineralisierten Teil des Knochens. X Die wichtigsten Organe im Kalziumstoffwechsel sind Darm, Knochen und Niere. Die Serumkalziumkonzentration ist abhängig vom Proteingehalt und pH-Wert.

x Parathormon und Vitamin D sind die zwei bedeutendsten Hormone für die Regulation der Kalziumkonzentration.

Hyperkalzämie Bei stationären Patienten findet man in ca. 1 %eine Hyperkalzämie. Die häufigsten Ursa· chen sind die tumorinduzierte Hyperkalzämie und der primäre Hyperparathyreoidismus (I Tab. 1).

Tumorhyperkalzämie Eine Hyperkalzämie bei Tumorerkrankungen kann auf zwei Arten entstehen:

Klinik Die Patienten sind bei Diagnosestellung häu· fig beschwerdefrei. Durch routinemäßige Kalziumbestimmungen bei Vorsorgeunter· suchungen kommt es heute seltener zu einem ausgeprägten Bild des Hyperkalzämie·Syn· droms. Typisch ist ein oligosymptomatischer Verlauf. Manifestationen findet man an folgen· den Organen:

dem erhöht eine Hyperkalzämie die Empfindlichkeit für Digitalis (Kontraindikation!). Diepathogenetischen Mechanismen sind teilweise auf Seite 62 erläutert. Die klassische Symptomentrias wStelnBein- und Magenpein• wurde durch oll~o­ symptomatische Verläufe abgelöst.

l l Niere: Eine anfängliche Polyurie und reak· t Osteolytische Hyperkalzämie beim

tive Polydipsie können evtl. zur Exsikkose

Plasmozytom oder bei Metastasen z. B. eines Mammakarzinoms lll Paraneoplastische Hyperkalzämie: Tumoren, wie das Bronchialkarzinom können z. B. Peptide mit parathormonähnlicher Wirkung (PTH·related peptide) oder lokale Mediatoren (Zytokine, PGE) mit osteolyti· scher Aktivität sezernieren (s. a. S I 08).

führen . Eine rezidivierende Nephrolithiasis ist immer noch eine der häufigsten Manifestatio· nen des pHPT. Allerdings haben nur ca. 2 % der Patienten mit Nierensteinen auch einen pHPT. Durch die Hyperkalzämie entsteht ein reversibler Funktionsverlust der Niere mit einem Kreatininanstieg. Nur in seltenen Fällen kommt es sekundär zur chronischen Niereninsuflizienz. l l Gastrointestinaltrakt: Durch Übelkeit und Erbrechen werden der Volumenmangel ver· stärkt und eine Hypokaliämie begünstigt. Des Weiteren können eine Obstipation, Magen· ulzera (Patienten nehmen evtl. Protonen· pumpeninhibitoren!), eine Cholelithiasis oder Pankreatitiden auftreten. lll Nervensystem: Reflexabschwächung, Ver· Stimmung und Depression sind oft diskret, aber bereits bei geringer Hyperkalzämie zu beobachten. lll Knochen: Es finden sich Osteoporose und Knochenabbau, der vorwiegend die Kompakta betrifft. Charakteristisch, aber seltener ist eine Subperiostale Resorption an den Fingerglie· dern (I Abb. I). Eine Rarität ist die klassische Osteodystrophia librosa cystica generalisata mit Osteolyse und Zystenbildung. lll Herz-Kreislauf-System: Die Hypokaliämie kann zu Herzrhythmusstörungen führen . Außer·

Diagnostisch wegweisend ist neben den Syrn· ptomen der Grunderkrankung eine suppri· mierte Konzentration von intaktem PTH bei möglicherweise erhöhtem PTHrP.

Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT) Beim pHPT handelt es sich um eine autonom erhöhte Sekretion von PTH bei einem Neben· Schilddrüsenadenom (85 %) oder bei einer primären Hyperplasie aller vier Nebenschild· drüsen (15 %). Sehr selten sind Karzinome oder das Auftreten im Rahmen einer multi· plen endokrinen Neoplasie (MEN). Die Inzi· denz beträgt 25/ 100.000 pro Jahr. Frauen sind doppelt so häufig betroffen. Der Alters· gipfelliegt im letzten LebensdritteL Bei einem frühen Auftreten sollte an die Möglichkeit einer MEN Typ I gedacht werden (s. S. 104).

Diagnostik und Differentialdiagnosen Die Interpretation der Kalziumkonzentration erfolgt in Bezug auf PTH ("diagnostisches Paar", s. S. I 0), unter Berücksichtigung der Nierenfunktion und des Albumingehalts. Beweisend ist ein erhöhter oder inadäquat hoher Wert von Kalzium und intaktem PTH (I Abb. 2). Die Hyperkalzämie kann allerdings durch emen V1tamm·D·Mangel oder eine Niereninsuffizienz maskiert werden . Durch die erhöhte Phosphatausscheidung ist das Phosphat im Serum erniedrigt. Die alkalische Phosphatase ist regelmäßig erhöht. Wenn kein Hinweis auf eine fortgeschrittene Tumorerkrankung oder eine Hyperkalzämie anderer Genese gegeben ist, wird versucht einen pHPT nachzuweisen. Kann dieser a~s­ geschlossen werden, wird zum Nachweis von Knochenmetastasen eine Ganzkörper-Kn 0 . chenszintigraphie durchgeführt. Für ein Plasmozytom sprechen eine Erhöhung der BSG und der y·Bande in der Serumelektrophorese . Die Lokalisation eines Adenoms der Nebenschilddrüse ist mit der Sonographie unct sog. Sestamibi·Szintigraphie häufig nicht möglich. Die beste Lokalisationsmaßnahme ist dann die intraoperative Darstellung aller vier Nebenschilddrüsen durch einen erfahrenen Chirurgen.

Tumorinduzierte Hyperkalzämie (60%) Primärer Hyperparathyreoidismus (20%) Medikamente: Viiamin-D-Intoxikation (!),Vitamin A, Thiazide Immobilisation Niere: Niereninsuffizienz, familiäre hypokalzurischer Hyperkalzämie Granulomatöse Erkrankungen (z. B. Sarkoidose) mit extrarenaler Viiamin-D-Bildung Milch-Alka li-Syndrom Hyperthyreose NNR-Insuffizienz

I Tab. 1: Ursachen der Hyperkalzämie.

I

Abb . 1: Subperiostale Resorptionszonen an den Phalangen beim pHPT . [21]

Nebensch ilddrüse und Knochens toffwechs el

Serum-lntakt-PTH (pg / ml)

200



175 150 125 Primärer

100 75

••

• • • • Hyperparathyreoidismus ••

sekundärer • Hyperparathyreoidism us

641 65

I Abb . 2: Ve rgleich von Serumka lzium und intaktem Parathormon bei Patienten mit prim . und se k. HPT, Tumorhyperka lzämie und Hypoparathyreoidismus bei Di agnosestellung. [7]

• Tumorhype rkalzämie

50

• Hypoparathyreoidismus

25

3

4

Serum kalzi um (mmo l/ 1)

Therapie Patienten mit mildem pHPT können auch über mehrere Jahre asymptomatisch bleiben. Eine Operation ist daher nicht immer indiziert Vor allem bei älteren Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko kommt eine alleinige konservative Therapie in Frage. Diese besteht in einer ausreichenden Flüssigkeitszufu hr, Bewegung und moderater, aber auch nicht zu geringer Kalziumzufuhr (sonst PTH t). Thiazide und Digitalisglykoside sind kontraindiziert Nicht nur für die Langzeit-, sondern auch für die Akuttherapie werden Bisphosphanale verwendet. Sie führen durch eine Osteok.lastenhemmung zu einer verminderten Knochenresorption. ln klinischer Erprobung sind Kalzium-Rezeptor-Agonisten, die die PTH-Sekretion reduzieren. Im Verlauf sind regelmäßige Kontrollen des Serumkalziums, der Nierenfunktion und der Knochendichte notwendig. Eine Operation ist angezeigt, wenn die Patienten bereits symptomatisch sind (Osteoporose, Nephrolithiasis, Niereninsuffizienz), oder auch bei asymptomatisch en Patienten unter bestimmten Kriterien (Alter< SO Jahre, Serumkalzium > 0,25 mmol/ 1über der Normgrenze, Hyperkalzurie, verminderte Kreatininclearance) . Nach Darstellung der Nebenschilddrüsen muss durch den Chirurgen beurteilt werden, ob eines oder mehrere Epithelkörperchen vergrößert sind. Ein intraoperativer Schnellschnitt dient v. a. der Organdiagnose bzw. der Unterscheidung von anderen Geweben. Dabei kann aber nicht sicher zwischen normalem und tumorösem Gewebe differenziert werden. Hilfreich ist eine intraoperative PTH-Schnellbestimmung, wobei es nach erfolgreicher Entfernung nach 10 Min. zu einem signifikanten Abfall kommt. Im Fall einer Hyperplasie werden alle Epithelkörperchen reseziert und anschließend Gewebereste in den M. brachioradialis transplantiert. Bei einem Rezidiv kann so eine unkomplizierte Nachresektion in Lokalanästhesie erfolgen. Prognose Bei frü her Diagnose und Operation ist die Prognose sehr gut, wenn keine Niereninsuffizienz vorliegt. Nach der Operation kann es zu einem Hypoparathyreo idismus mit Hypokalzämie und Tetanie kom· men. Als schwere Komplikation des Hyperparathyreoidismus kann eine hyperkalzämische Krise auftreten .

Hyperkalzämische Krise Diese akute Komplikation des Hyperparathyreoidismus droht ab einem Serumkalzium über 3,5 mmol/ 1. Sie wird durch weitere Faktoren wie Bettlägerigkeit, Thiazide, Kalzium- oder Viiamin-D-Substitution begünstigt. Typisch sind Symptome der chronischen Hyperkalzämie mit zunehmenden psychiatrischen Störungen bis hin zum Koma.

Therapie Für die rasche Kalziumsenkung sind folgende Maßnahmen nötig:

t Volumenmangel ausgleichen (2-4 10,9 %ige Na Cl-Lösung) t Erst nach Rehydratation Furosemid (bis zu I 00 mg/h) mit ausreichend Flüssigkeit. Häufig liegt gleichzeitig eine Hypokaliämie vor, die durch Erbrechen und Volumenmangel begünstigt wird (s. a. S. 15 ). Es ist daher auf eine ausreichende Kaliumsubstitution zu achten. t Antiresorptive Substanzen (Bisphosphonate); bei der hyperkalzämischen Krise wird z. B. das intravenös verabreichbare Pamidronat ver· wendet. Die Wirkung setzt jedoch erst nach I -2 Tagen ein.

Kortikosteroide haben auch eine Vitamin-D-antagonistische Wirkung und sind daher v. a. bei einer Vitamin-D-lntoxikation wirksam. Kalzitonin besitzt eine schnelle, aber variable Wirkung und nur eine kurze Wirkdauer. Bei Niereninsuffizienz ist die Kalziumsekretionsfähigkeit eingeschränkt. In diesem Fall kann eine Akut-Hämodialyse notwendig sein. Die Letalität der hyperkalzämisc hen Krise beträgt bis zu 50 %.

Zusammenfassung X Die häufigsten Ursachen der Hyperkalzämie sind die Tumorhyperkalzämie und der primäre Hyperparathyreoidismus. X Anfangs stehen Symptome wie Polyurie, Polydipsie, Übelkeit und Erbrechen im Vordergrund. Später kann es zu Nierenversagen und zu zentralnervösen Störungen kommen. X Diagnostisch ist eine Erhöhung von Kalzium und intaktem PTH für den pHPT beweisend, therapeutisch kommen konservative oder chirurgische Methoden in Frage. X Die hyperkalzämische Krise ist ein lebensbedrohlicher Notfall. Zu Beginn wird der Flüssigkeitsmangel ausgeglichen, und anschließend wird mit Schleifendiuretika die Kalziumausscheidung gesteigert. Zusätzlich werden antiresorptive Substanzen gegeben.

---Hypokalzämie I Abb. 1: a) Chvostek-Ze ichen; b) Trou sseauZeichen. 191

Eine Reihe von Veränderungen kann zu einem verminderten Kalziumgehalt des Blutserums führen, z. B. Hypoparathyreoid ismus, Vitamin-D-Mangel, Steatorrhö, Nierenerkrankungen mit Phosphatretention, akute Pankreatitis.

• Hypoparathyreoidismus: Hypokalzämie durch mangelnde PTH-Sekretion. Die dadurch verminderte Phosphatausscheidung führt zu einer erhöhten Phosphatkonze ntration im Serum. • Sekundärer Hyperparathyreoidismus: Hypokalzämie bei erhaltener PTH -Sekretion. Eine permanente Hypokalzämie, die durch Erkrankungen bed ingt ist, die nicht die Nebenschilddrüsen betreffen, führt zu einer reaktiven PTH-Erhöhung. Die Rückkopplung zwischen Kalziumkonzentration und PTH· Sekretion ist aber primär intakt. Phosphat ist abhängig von der Grunderkrankung eher erhöht oder erniedrigt. t Hyperventilationstetanie: Eine respi rarorische Alkalose geht durch eine Verminderung des ionisierten Kalziumanteils mit typischen Symptomen der Hypokalzämie einher. Das Gesamtkalzium ist jedoch normaL

Hyperventilation ~ C02-Abatmung ~ respiratorische Alkalose ~ freies Kalzium sinkt~ Tetanie

Hypoparathyreoidismu s Eine verminderte oder feh lende Sekretion von Parathormon entsteht am häu figsten postoperativ, z. B. nach Thyreoidektomie, oder auch nach Bestrahlung der HaJsregion. Eine postoperative Hypokalzämie tritt oft bereits nach 1-2 Tagen auf, wird bei milderen Verläufen aber womöglich erst Jahre später diagnostiziert. Es kann sich um einen vorübergehenden PTH-Mangel handeln, der innerhalb von etwa vier Wochen verschwindet, oder um einen permanenten Hypoparathyreoidismus. Seltener ist der idiopathische oder der autoimmune Hypoparathyreoidismus (z. B. PAS Typ 1, s.S. 106 f.).

Klinik Durch die Hypokalzämie steigt die neuro· muskuläre Erregbarkeit. Ein Gesamtkalziu m < I ,8 mmol/1 manifestiert sich durch Parästhesien (z. B. Kribbeln ) im Bereich des Mundes, der Finger- und Zehenspitzen. Es kann zu einer Tetanie mit Verkrampfung der Mittelfuß- und Mittelhandmuskulatur (Pfötchenstellung der Hände) und einer Myopathie der proximalen Extremitäten kommen . Weiterhin können sogar foka le oder generalisierte (Grand -MaJ-)Anfalle auftreten . Bei einem Laryngospasmu s besteht die Gefahr des Erstickens. Bei der körperlichen Untersuchung

sind typische Zeichen zu beobachten (I Abb. 1): • Positives Chvostek-Zeichen: Durch Beklopfen des N. facialisvor dem äußeren Gehörgang lassen sich Muskelzuckungen auslösen. t Positives Trousseau-Zeichen: Eine Blutdruckmansc hette wird auf suprasystolisch en Wert aufgeblasen. Nach 3- 5 Min. tritt eine Pfötchenstellung ein. Bei Beteiligung der glatten Muskulatur kön nen Spasmen und Obstipation auftreten. Besteht die Hypokalzämie über längere Zei t, kommt es zu trocken er und schuppiger Hau t, brüchigen Nägeln und Haarausfall.

Diagnostik und Differentialdiagnosen Beweisend für einen Hypoparathyreoidismus ist die Kombination aus Hypokalzämie, Hyperphosphatämie und vermindertem, aber intaktem PTH. • Die Hyperventilationstetanie manifestiert sich durch ähnliche Symptome. Sie ist aber durch eine Normokalzämie charakterisiert und kann mit einer Blutgasanalyse (BGA) nachgewiesen werden. t Bei dem seltenen angeborenen Pseudohypoparathyreoidismus liegt ein Defekt im Parathormonrezeptor oder in der Signaltransduktion vor, wodurch es zur Parathormonresisten z kommt. Typisch si nd eine Hypokalzämie und Hyperphosphatämie wie beim Hypoparathyreoidismus bei jedoch erhöhter PTH -Konzentration. t Ein Magnesiumman gel hemmt die Bildung von aktivem Vitamin D und führt zu einer PTH-Resistenz. Eine lange bestehend e Hypomagnesiämie (z. B. durch Schleifendiuretika, bei chronischem Alkoh olkonsum ) kann deshalb zu ei nem Bild ähnlich dem Hypoparathyreoidismus führen. Eine Störung des Magnesiumhaushaltes sollte daher ausgeschlossen bzw. behandelt werden.

ohne Vitamin D ist Kal zium p. o. wirkungslos!). Das Ziel ist anfangs ei ne Beseitigung d er Symptome und nicht unbedingt eine Normalisierung des Kalziumspiegels. Durch die erniedrigte Kalziumschwelle (da PTH .J..) kann sonst eine Kalziurie mit Nephrokalzinose u n d Nephrolithiasis auftreten. • Für die Therapi e des Hypoparathy reoidismus steht Parathormon nicht zur Verfügung_ Anfangs kann ein Therapieversuch mit Kalzium allein (I .000 - 2.000 mg/ Tag) oder i n Kombination mit niedrig dosiertem Vitamin D, das die Kalziumresorption gewährleistet, unternommen werden. Ansonsten wird Vitamin D, teilweise hochdosiert (z. B. initial40.000 IE Colecalciferol) mit Kalziu m gegeben. Ein Vorteil von Calcitrial (I ,25(0Hlz·D3) ist der schnellere Wirkeintritt Die Wirkung setzt jedoch bei allen Präparaten er st verzögert ein! Ziel ist es, unter Beobachtung des Phosphatspiegels das Kalzium in den unteren Normbereich zu heben. Bei Hyperphosphatämie droht eine Ausfällung mit Gefahr der Klappenverkalkung oder Kataraktbildung. Anfangs sollte eine wöchentliche Kontrolle des Serumkalziums und der Kal ziumausscheidung erfolgen, um die Gefahr einer Hyperkalzämie zu mindern. Anschließend wird die Dosis der Vitamin·D-Substitution reduziert. Thiazide haben ebenfalls einen kalziumretendierenct en Effekt. Bei einer erfolgreichen Therapie ist die Prognose gut. Als Spätkomplikation kann es durch Ausfällungen zur Katarakt, Nephrokalzinose oder Basalganglienve rkalkung (M . Fahr) mit Dyskinesien kommen.

Sekund ärer Hyperparathyreoidismus Als sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) bezeich net man die reaktive Erhöhun der PTH -Sekretion , die durch Senkung des g Serumkal ziums hervorgerufen wird .

Therapie und Prognose

Formen und Klinik t Renaler sHPT: Bei chronischer Nieren-

t Bei akuter Hypokalzämie mit Tetanie wird I O%iges Kal ziumglukonat intravenös unter Monitorkontrolle verabreicht (beachte:

insuffizienz komm t es durch den ParenchYmverlu st zu einer verminderten Bi ldung von I ,25-(0Hh- D3• Die bei einer Niereninsuffi-

Nebenschilddrüse und Knochenstoffwechsel

zienz auftretende Phosphatrete ntion führt zu einer Hemmung der I a ·Hyd roxylase und damit zur Verstärkung dieses Effekts. Es überwiegen häufig die Symptome der Grund· erkrankung. Nur ein Teil der Patienten klagt über langsam progrediente Knochenschmerzen des Achsenskeletts, die oft schlec ht loka· lisierbar sind . Die erhöhte PTH·Sekretion führt zu einer Vermehrung von Bindegewebe und Osteoklasten (Fibroosteoklasie). Durch die Hyperphosphatäm ie ka nn es zur Über· schreitung des Löslichkeitsprodukts und evtl. zu extraossären Kalzifizierungen in Gefäßen, Herzklappen, Kornea und Gelenken kommen. t Renale Osteopathie: Unter diesem Begriff fasst man generalisierte Skelettveränderungen im Rahmen einer chronischen Niereninsuffi· zienz oder Dialyse zusammen. Nach dem Knochen umsatz unterscheidet man: - High·Turnover-Osteopathie: mit sHPT und osteomalazischer Komponente (I Abb. 2) - Low-Turnover·Osteopathie (adyname Kno· chenerkrankung mit relativ erniedrigtem PTH) t Intestinaler sHPT: Eine Hypokalzämie kann direkt über eine verminderte Kalzium· aufnahme oder indirekt über eine reduzierte Aufnahme von Vitamin D entstehen. Ursachen einer Malassimilation sind z. B. Laktose· intoleranz, Cholestase, Zöliakie oder M. Crohn. Neben den Beschwerden der Grunderkrankung kann es durch den gleich· zeitigen Vitamin-D-Mangel zu Symptomen der Osteomalazie kommen . Die verminderte Kalziumaufnahme zeigt sich durch tetanische Symptome und Muskelschwäche der proxi· malen Extremitäten. Gleichzeitig ist häufig Phosphat im Serum erniedrigt. t Tertiärer Hyperparathyreoidismus: Diese Form tritt vorwiegend bei lange beste· hendem, renalem sHPT auf. Im Verlauf kommt es zu einer Hyperplasie der Neben· Schilddrüsen mit einer erhöhten basalen PTH·

66

I 67

I Abb . 2: Pathogenese der renalen Osteopathie.

[7]

Sekretion. Bei schwerer Niereninsuffizienz mit Kalziumretention oder nach Nierentrans· plantation und persistierendem Hyperpara· thyreoidismus kann das Bild des tertiären HPT entstehen. Dieser entspricht weitgehend dem primären HPT mit Hyperkalzämie und erhöhtem intaktem PTH. Die Ursache ist je· doch keine autonome Sekretion, sondern ein Missverhältnis zwischen dem Bedarf und der stark erhöhten basalen PTH -Sekretion. Die Therapie besteht meist in einer subtotalen Entfernung der Nebenschilddrüsen.

Diagnostik Kalzium kann durch die Gegenregulation auch im Normalbereich liegen, ist jedoch in Bezug auf das erhöhte intakte PTH inadäquat ernied· rigt (I Abb. 2, S. 65). Häufig ist die alkalische Phosphatase erhöht. Auf eine Niereninsuffi· zienz weisen eine Erhöhung von Kreatinin und Harnstoff bei einer Hyperphosphatämie hin. Spätzeichen des sHPT sind, ähnlich wie beim pHPT, eine Subperiostale und subchon·

drale Knochenresorption im Röntgenbild. Diese betreffen vorwiegend die Finger und die Gelenke des Schulter· und Beckengürtels.

Therapie Neben der Behandlung der Grunderkrankung müssen eine ausreichende Kalzium· und Vit· amin·D-Versorgung erfolgen. Bei einer Nieren· insuffizienz ist zuerst der Phosphatspiegel zu senken. Bei den kalziumhaltigen Phosphatbin· dern (Kalziumacetat, Kalziumkarbonat) kann jedoch die Hyperkalzämie, v. a. in Kombina· tion mit Vitamin D, dosislimitierend sein. Bei einem Teil der Patienten wird dann der Phos· phatbinder Sevelamer (RenageJ®) verwendet. Im Rahmen einer Niereninsuffizienz kann der aktive Vitamin·D 3 -Metabolit nicht mehr gebil· det werden. Daher wird das teurere Calcitrial (z. B. RocaltroJ®) oder Alfacalcidol (z. B. Bon· dioJ®) verabreicht. Beim intestinalen sHPT ist es zu Beginn häufig notwendig, Vitamin D3 (Colecalciferol) in hohen Dosen zu geben, um die Speicher wieder aufzufüllen.

Zusammenfassung X Hypokalzämische Symptome werden beim Hypoparathyreoidismus, beim sekundären Hyperparathyreoidismus und bei Hyperventilation beobachtet. X Klinik: Parästhesien, Tetanie, Muskelschwäche, nachweisbares Chvostekund Trousseau-Zeichen X Diagnose des Hypoparathyreoidismus: Kalzium

J., Phosphat t, PTH J..

X Therapie: Kalzium + Vitamin D (regelmäßige Kalziumkontrolle wegen Gefahr der Überdosierung!) X Sekundärer Hyperparathyreoidismus: Häufige Ursachen sind Niereninsuffizienz und Malassimilation.

Osteomalazie und Rachitis Unter Rachitis versteht man eine Desorganisation und eine gestörte Mineralisation der Epiphysenfuge vor Abschluss des Wachstums. Als Osteomalazie bezeichnet man eine verzögerte oder fehlende Mineralisation neu gebildeter Knochenmatrix im Rahmen des Knochenumbaus ("bone remodeling") bei Erwachsenen. Durch eine allgemeine Vitamin-D-Substitution bei Kleinkindern kommt die Rachitis in Europa heute praktisch nich t mehr vor. Ältere und besonders bettlägerige Personen leiden jedoch häufig an einem ernsthaften Vitamin-D-MangeL Es stellt sich daher die Frage, ob nicht auch in diesen Fällen eine generelle Prävention sinnvoll wäre.

Ätiologie Die gestörte Knochenmineralisierung entsteht durch eine verminderte Kalziumresorption bei einem Vitamin-D-Mangel (kalzipenische Osteomalazie ) oder bei übermäßigem renalen Phosphatverlust (phosphopeni sche Osteomalazie) . Auslösend für die Manifestation einer Osteomalazie ist häufig eine Kombination mehrerer Faktoren: • Ein Mangel an UV-Licht führt zu einer verminderten Vitamin-0 3-Synthese aus 7-Dehydrocholesterin. Betroffen sind vor allem ältere Personen und Frauen, die verhüllende Kleidung tragen. Häufig wird ein Vitamin-DMangel auch bei Einwanderern mit dunkler Hautfarbe in Ländern mit geringerer Sonneneinstrahlung beobachtet (Immigranten-Osteomalazie). In diesen Ländern kann es in den Wintermonaten aber auch bei jungen Menschen zu einer "Hypovitaminosis D" kommen. • Vitamin-D-Mangel durch verminderte Zufuhr (Mangelernährung, vegetarische Ernährung) oder unzureichende enterale Aufnahme (z. B. bei Zöliakie, M. Crohn, Maldigestion bei Pankreasinsuffizienz) . Auch Orlistat, ein Lipasehemmstoff für die Therapie der Adipositas, kann zu einer verminderten Aufnahme fettlöslicher Substanzen und so zur Osteomalazie führen. • Vitamin-D-Stoffwechsei-Störungen: Der Vitamin-O-Stoffwechsel kann durch Leberzirrhose oder durch Medikamente beeinträchtigt sein. Bei einem Vitamin-D-Mangel durch eine chronische Niereninsuffizienz kommt es zu einer renalen Osteopathie, die eine unterschiedlich ausgeprägte osteomalazische Komponente aufweist. • Phosphopenis che Osteomalazie : Ein Phospharverlust füh rt zur inadäquaten PTHErniedrigung. Dadurch ist auch die renale Vitamin-D-Synthese reduziert. Ursachen sind seltene hereditäre renale tubuläre Funktionsstörungen (Phosphatdiabetes = Vitamin-Dresistente Rachitis, renale tubuläre Azidose) oder erworbene Störungen (z. B. durch Medikamente wie Ifosfarnid, Arninoglykoside). Ein

renaler Phosphatverlust wird auch bei Tumoren beobachtet, die phosphaturische Faktoren sezernieren (z. B. mesenchymale Tumoren, aber auch beim Prostatakarzinom möglich). Die häufigsten Ursachen der Osteomalazie sind eine verminderte Sonnenexposition und Malassimilationsstörungen.

Klinik I Bei Erwachsenen kommt es zu diffusen,

langsam progredienten Skelettschmerzen, die vor allem die stärker belasteten Knochen wie die untere Extremität, Becken und Wirbelsäule betreffen. Inadäquate Frakturen findet man v. a. an der Oberschenkelinnenseite, am Schulterblatt und an anderen Stellen, wo es häufig zu Entmineralisierungen kommt (Looser-Umbauzonen, 1 Abb. I) . Zeichen einer ausgeprägten Hypokalzämie sind die Neigung zur Tetanie und eine Muskelschwäche der proximalen Extremitäten. Zusammen mit Knochendeformierungen kann dies auch zu typischen Gangstörungen führen ("Watschelgang"). t Bei Kindern fällt ein Kleinwuchs mit charakteristischen Knochendeformitäten auf. Es kann zu einer verminderten Härte des Schädelknochens (Kraniotabes) und zu Auftreibungen der Wachstumsfugen an der Knorpel-Knochen-Grenze der Rippen kommen (rachitischer Rosenkranz).

Diagnostik Anamnestisch sind Grunderkrankungen und Risikofaktoren zu erheben. Die Diagnose stützt sich zudem auf das klinische Beschwerdebild sowie typische Veränderungen im Röntgenbild und in der laborchemischen Untersuchung. Labor: Bei der ka1zipenische n Osteomalazie liegt ein sHPT vor (Hypokalzämie bei er-

höhter PTH-Konzentration, s. S. 67). Häufig fmdet man eme Erhohung der alkalischen Phosphatase (AP), die um ein Vielfaches über der Norm liegen kann . Die AP kann aber auch z. B. bei Cholestase erhöht sein (s. S. 72) . Zur differentialdiagnostischen Abklärung hilft ein Bestimmung der Isoform des Knochens. Aue~ andere Parameter des Knochenumbaus, Wie z. B. Osteocalcin, sind erhöht, 25-0H-Vitamin 0 3 ist hingegen erniedrigt (I Tab. I). Bei einer chronischen Niereninsuffizienz kann dieses auch im Normbereich liegen, jedoch ist dann der renale Metabolit I ,25(0Hlz-D 3 vermindert. Kennzeichnend für den Phosphatdiabetes ist ein erniedrigtes Serumphosphat bei erhöhter Phosphatclearance. Röntgen: Charakteristisch für die Osteomalazie sind Looser-Umbauzonen (I Abb. 1 ) _ Es handelt sich dabei um bandförmige Aufhellungen, die quer zur Knochenlängsachse verlaufen und entmineralisierter Knochenmatrix entsprechen. Es zeigen sich eine verwaschene, unscharfe Spongiosazeichnung und eine erhöhte Strahlentransparenz. Auch Wirbelkörperdeformierungen ähnlich wie bei der Osteoporose kommen vor. Im Zweifelsfall wird die Diagnose durc h eine Knochenbiopsie gesichert. In der Histologie findet man verbreiterte Osteoidsäume ohne Mineralisation (I Abb. 2).

Differentialdiagnose Zu Beginn muss nach der Ursache der Grunderkrankung gesucht werden. Der Nachweis von Malassimilationsstörungen erfolgt durch Endoskopie und Funktionstests. • Differentialdiagnostisch abzugrenzen ist die renale Osteopathie , bei der in der Frühphase des Nierenversagens das klinische Bild einer Osteomalazie auftreten kann. Im Gegensatz zur Osteomalazie ist für die Therapie eine Senkung des Phosphatspiege ls entschei-

I Abb. 1: Osteomalazie : Azetabu lumprotrus ion (Pfeilspitzen) und Looser-Umbauzonen am rechten Sitz- und Schambein (lange Pfeile). [ 12)

Nebenschilddrüse und Knochenstoffwechsel

681 69

I Abb . 2: Sta rk verbreiterte Osteo id sä ume (rot). Resorpti onslakune mit Osteck lasten (Pfei le) ; diese entspricht der e rh öhten Knochenresorption bei sekundärem HPT als Fo lge des Vitamin-0Mange ls. 15]

dend. Daher muss zur Diagnose der Osteomalazie eine Niereninsuffizienz ausgeschlossen werden. t Sowohl die Osteoporose als auch die Osteomalazie zeigen in der Densitometrie eine verminderte Knochendichte. Auch Wirheleinbrüche werden bei beiden Erkrankungen beobachtet. Eine Unterscheidung gelingt durch die Bestimmung der alkalischen Phosphatase. Bei Frakturen kann diese aber auch bei einer Osteoporose gering erhöht sein. Bei der Osteoporose kann es auch zusätzlich zu Mineralisationsstörungen im Sinne einer Osteomalazie kommen . Man spricht dann auch von einer "Poro-Malazie". t Eine Erhöhung der Knochen-AP liegt auch z. B. bei primären oder sekundären Knochentumoren, beim M. Paget oder beim Hyperparathyreoidismus vor.

Therapie So weit dies möglich ist, soll eine Behandlung der Grunderkrankung erfolgen. Zur Steigerung der Knochenmineralisation wird Vitamin 0 3 (Colecalciferol) verabreicht. Bei Malassimilation ist eine parenterale Applikation notwendig. Daneben ist auch auf eine ausreichende Kalziumsubstitution (ca. 500 - 1.000 mg/Tag) und Flüssigkeitszufuhr zu

Ca "

PTH

Phos-

AP

phat

Zusätzlieh

achten. Um eine Überdosierung zu vermeiden, sollten regelmäßig das Serumkalzium und die Kalziumausscheidung im 24-Stunden-Harn be· stimmt werden. Calcitrio I (I ,25-(0Hiz-D3) oder Alfacalcidiol (1a -OH· 0 3) werden nur bei Umwandlungsstörungen, wie z. B. bei chronischer Niereninsuffizienz, gegeben. Calcitriol ist ein teureres Präparat, das auch häufiger zu Nebenwirkungen wie Hyperkalzurie und Hyperkalz· ämie führt. Vorteile sind jedoch die kürzere Halbwertszeit und der schnellere Wirkeintritt, da für die volle Wirkung keine weiteren Hy· droxylierungen notwendig sind . Bei renalen tubulären Störungen besteht die Therapie in einer Substitution von Phosphat, evtl. in Kombination mit Calcitriol.

Verlauf und Prognose Mittels einer ausreichenden Substitution kann die Mineralisationsstörung beseitigt werden. Bestehende Knochendeformationen bleiben jedoch erhalten. Wenn die Behandlung der Grunderkrankung erfolgreich ist, kommt es meist zu einer Normalisierung des Knochenstoffwechsels. Das kann jedoch auch über mehrere Monate dauern. Gelingt dies nicht, ist die Therapie lebenslang fortzuführen.

Zusammenfassung *C Die Rachitis bei Kindern entspricht der Osteomala-

pHPT

i

i

.j.

t

Renaler sHPT

.j.

t

i

t

.j.

Mineralisationsstörung des Knochens. Die häufigsten

Hypoparathyreoidismu s

.j.

.j.

i

Ursachen sind verminderte Sonnenexposition und

Osteomalazie

.j.

i

.!. (oder

Intestina ler sHPT

i

normal)

Osteoporose

Normal

Normal

Norm al

Normallt

Kreatinin

Vi tamin D .!., Röntgen Röntgen, DXA

I Tab. 1: Differentiald iagnose n bei Störungen des Knochenstoffwechse ls. Bei der Osteoporose sind die Laborpa ram eter meist unauffällig, eine Erhöhung der alka lische n Pho sphatase weist dann auf Frakturen hin . Be i der postmenopausa len Osteoporose kann PTH auch leic ht erh öht sein.

zie bei Erwachsenen. Es handelt sich dabei um eine

Malassimilationsstörungen. *C Klinik: Zu den Beschwerden gehören diffuse, langsam

progrediente Knochenschmerzen, inadäquate Frakturen, Knochendeformierungen und Gangstörungen. *C Diagnose: Anamnese (Grunderkrankung), Klinik,

sHPT, AP t, 25-0H-Vitamin D3 .J.., evtl. Looser-Umbauzonen im Röntgenbild, ggf. Knochenbiopsie *C Therapie: Colecalciferol oder aktive Vitamin-D-Meta-

boliten (z. B. Calcitriol), ausreichende Kalziumversorgung (regelmäßige Kalziumkontrolleil

Osteoporose I Bei der Osteoporose handelt es sich um einen erhöhten Verlust an Knochenstruktur, der mit einer verminderten Knochenfunktion und -dichte einhergeht. Dadurch ergibt sich ein erhöhtes Frakturrisiko. Im Gegensatz zur Os· teomalazie (s. S. 68 f.) ist die Mineralisierung nicht gestört, sondern es besteht ein Missverhältnis zwischen Knochenab- und ·anbau. Als primäre Osteoporose bezeichnet man ätiologisch unklare Formen , bei denen es aber auch eindeutige Risikofaktoren, wie z. B. einen postmenopausalen Östrogenmangel, gibt. Die seltenere sekundäre Osteoporose tritt bei klar definierten Grunderkrankungen auf und betrifft auch häufiger jüngere Perso· nen. Man unterscheidet weiter eine schwere Osteoporose, bei der bereits Frakturen vorliegen, von einer Osteoporose ohne Frakturen. Als Osteopenie bezeichnet man eine geri ng· gradige Verminderung der Knochenmasse. Epidemiologie Die Osteoporose ist die häufigste generalisier· te Skeletterkrankung. Betroffen sind überwie· gend postmenopausale Frauen. Aber nicht nur wegen der Therapiekosten, sondern vor allem durch die Folgekosten bei krankheitsbeding· ten Frakturen hat die Osteoporose eine hohe ökonomische Bedeutung. Nach einer Sehen· kelhalsfraktur erhöht sich die Morbidität signifikant, und die Patienten benötigen auch zunehmend Hilfe im Alltag. Klassifikation

Primäre Osteoporose Die primäre Osteoporose ist die mit Abstand häufigste Form. Dazu zählt man: II Postmenopausale Osteoporose (Typ 1):

Ein postmenopausaler Östrogenmangel in Ver· bindungmit einer geringeren maximalen Kno· ehendichte ("peak bone mass") bei Frauen zählt zu den auslösenden Faktoren. Daneben sind jedoch auch genetische Faktoren für die Manifestation ausschlaggebend. Betroffen ist vorwiegend die Spongiosa, weniger die Korn· pakta. Am häufigsten findet man Frakturen der Wirbelkörper.

II Senile Osteoporose (Typ II): Mit zuneh· mendem Alter nehmen die Fähigkeit der Kno· chenneubildung ab und die negative Knochenbilanz zu. Weitere mögliche Faktoren sind Bewegungsmangel, sowie ein Vitamin-D- und KalziummangeL Es treten sowohl vertebrale als auch extravertebrale Frakturen auf. II Idiopathische juvenile Osteoporose: Diese seltene Form der Osteoporose kann sich bereits im Kindesalter manifestieren .

II Neoplasien: Plasmozytom, (systemische) Mastozytose, Non·Hodgkin·Lymphome oder diffuser neoplastischer Knochenmarksbefall II Hereditäre Bindegewebserkrank ungen: Osteogenesis imperfecta, Marfan·Syndrom Ehlers·Danlos·Syndrom , Homozystinurie ' II Hyperkalzurie: Eine Hyperkalzurie unbekannter Ätiologie wird besonders bei Män nern im Zusammenhang mit Osteoporose gefunden.

Sekundäre Osteoporose

Verlauf Die höchste Knochendichte ["peak bone mass") wird zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr erreicht und fäl lt danach um ca. 0,5% pro Jahr ab. Sie ist abhängig von Geschlecht, Rasse, genetischem Potential und anderen Einflüssen, z. B. der Kalziumaufnahme oder körperlicher Aktivität. Nach der Menopause kom mt es zu einem "high turnover", also einem Verlust an trabekulärer Knochendichte von 2 % und mehr pro Jahr. Diese Phase geht nach etwa 10 Jahren in einen langsameren Knochenverlust ["low turnover") über, der altersassoziiert ist (I Abb. 1) . Abhängig von der Höhe der "peak bone mass" und dem Ausmaß der negativen Knochenbilanz wird die Frakturrisikoschwelle zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt erreicht. Dann steigt das Risiko von inadäquaten Frakturen, also von Knochenbrüchen ohne entsprechendes Trauma. Mit abnehmen . der Knochenmineraldichte findet sich ein exponentieller Anstieg des Frakturrisikos. Außerdem sorgt eine Übermineralisation bei verminderter Knochenmatrix im Alter für eine erhöhte Sprödigkeit und Brüchigkeit.

Mindestens 5- 10 % der Fälle entstehen durch andere definierte Grunderkrankungen, wobei auch primäre und sekundäre Formen kombiniert auftreten können. Insbesond ere bei Männern ist auf folgende Ursachen zu achten: II Endokrinopathien: Hyperparathyreoidis· mus (primär oder sekundär), Osteomalazie, Hypogonadismus, Hyperkortisolismus, Wachstumshormonmangel, Hyperprolaktinämie, Hyperthyreose II Iatrogen: Dazu zählt die glukokortikoid· induzierte Osteoporose. Fischwirbelbildungen und Rippenfrakturen werden häufiger bei dieser sekundären Form beobachtet. Situationen, bei denen hohe Dosen von Steraiden angewendet werden, sind z. B. rheumatische Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, lymphatische Neoplasien, Asthma bronchiale oder nach Transplantationen. Eine Osteoporose kann dabei auch durch die Grunderkrankung verstärkt werden (z. B. M. Crohn). Auch bei der Therapie mit Heparin oder GnRH· Analoga (z. B. bei Prostatakarzinom) kann es zur Osteoporose kommen . II Immobilisation II Schwangerschaft: erhöhter Kalziumbedarf durch Mineralisation des fetalen Skeletts II Gastroenterologische Erkrankungen: Zöliakie, M. Crohn, Magenresektion, chroni· sehe Pankreatitis und andere gastrointestinale Erkrankungen können zur Osteoporose füh· ren. Es kann dabei auch ein kombinierter Vitamin-D-Mangel vorliegen. Man spricht dann von einer "Poro·Malazie".

Obwohl es zu einem generalisierten Abbau von Knochensubstanz kommt, sind typische, stark belastete Stellen betrof-

fen.

111

I

0

10

20

30

40 50 60 70 80 Lebensalter (Jahre)

90

Abb . 1: Verlauf der Knochendichte bei Frauen. Die ,.peak bone mass" wird im frühen Erwachsenenalter erreicht. Danach kommt es zu einem ko nti nu ierlic hen Abfa ll, der nach der Menopause initia l besc hl eu nigt ist (.. high turnover"). Es folgt dann ein langsamerer, altersassoziierter Knoc henverlu st (,. low turnover") . • - Persone n mit osteoporotischer Fraktur. 121

Nebenschilddrüse und Knochenstoffwechsel

70

I 71

I Abb. 2: a) Osteo porose: erhöhte Strahlentransparenz und verminderte Wirbelkörperhöhe (Ao ~ Aorta). b) Vertikalisierung der Trabeke lstruktur. [2 !

Risikofa ktoren

Klinik

Zu den Risikofaktoren der Osteoporose gehören:

Eines der wichtigsten Symptome der Osteoporose ist die Fraktur ohne adäquates Trauma. Diese kann schmerzhaft oder schmerzlos verlau· fen, führt aber fast immer zu Funktionseinschränkungen . Bei den Kno· chenbrüchen unterscheidet man vertebrale (Wirbelkörperfrakturen) von nichtvertebralen Frakturen (typischerweise Schenkelhalsfraktur, distale Radiusfraktur) . Während extravertebrale Frakturen in der Regel traumatisch bedingt sind, treten vertebrale Frakturen auch spontan auf. Besondere Bedeutung hat die Schenkelhalsfraktur, da die !·Jahres· Mortalitätsrate bei ca. I 0 % liegt und sie mit hohem therapeutischem Aufwand verbunden ist. Weitere häufige Symptome der Osteoporose sind Rückenschmerzen, Rundrücken und Größenverlust (> 4 cm) . Durch die Größenabnahme können schräg übereinander angeordnete Hautfalten am Rücken auftreten (Tannenbaumphänomen) . Bei ausgeprägtem Größenverlust kann es zu einem ausladenden Abdomen und zum direkten und schmerzhaften Kontakt zwischen Rippen und Beckenkamm kommen ("rib kissing spine"). Der chronische Schmerz bei der Osteoporose wird auch durch Fehlbelastung und Muskelverspannungen verstärkt und ist typischerweise belastungsabhängig. Patienten beschreiben die Schmerzen als bohrend und schneidend.

t Genetische Prädisposition (Schenkelhalsfrakturen bei Verwandten ersten Grades), höheres Alter, weibliches Geschlecht, geringes Körpergewicht, Gewichtsabnahme, überdurchschnittliche Größe t Östrogenmangel: weniger als 30 Jahre zwischen Menarche und Menopause, Nulliparität, langes Stillen, Östrogenmangelzustände (Amenorrhö, z. B. bei Anorexie, Hyperprolaktinämie), Hypogonadis· mus t Lifestyle·Faktoren: Bewegungsmangel, kalziumarme Ernährung (wenig Milchprodukte), geringe Sonnenexposition, Rauchen, Alkohol t Iatrogene Faktoren: lange Glukokortikoidtherapie, Immunsuppressiva, Zytostatika, Heparin oder GnRH-Analoga t Knochenunabhängige Faktoren: Das Frakturrisiko steigt mit der Zahl der Stürze. Ursachen einer erhöhten Sturzneigung bei älteren Men· sehen sind z. B. eine reduzierte motorische Leistung, verminderte Reaktion, Psychopharmaka, Blutdruckschwankungen, Sehschwäche und Stolperfallen im Haushalt.

Osteoporose II Diagnostik und Verlaufskontro lle Oie Diagnose der primären Osteoporose erfolgt durch Ausschluss anderer Erkrankungen, die ebenfalls mit einer verminderten Knochendichte einhergehen. Dabei ist vor allem an sekundäre Ursachen einer Osteoporose zu denken. Die Diagnose dient dem Nachweis vorliegender Frakturen, der Abschätzung des künftigen Frakturrisikos und der Abgrenzung zu anderen Knochenerkrankungen. Neben der Anamnese mit Erfragung der Risikofaktoren sowie der kö rperlichen Untersuchung werden Verfahren zur Bestimmung von Knochenmineralgehalt und laborchemischen Parametern durchgeführt. Beim Röntgen kann eine Verminderung der Knochendichte erst ab einem Verlust von etwa 30 %erfasst werden, es ist jedoch eine einfache Methode zum Nachweis von Frakturen. Charakteristisch für vertebrale Frakturen durch Osteoporose ist eine Abnahme der Höhe der Wirbelvorderkante (Keilwirbel) oder der Wirbelmitte (Fischwirbel, da der Zwischenwirbelraum die Form eines Fisches hat). Knochenmi neraldichte Die Knochenmineraldichte ("hone mineral density" = BMD) ist ein gurer diagnostischer Richtwert fü r die Festigkeit des Knochens. Allerdings ist für die Funktionalität des Knochens auch das Remodeling mit einem Zusammenspiel von ausreichender Osteoidsynthese und Mineralisation notwendig. Therapeutische Methoden werden daher nicht durch die Knochendichte, sondern die Frakturhäufigkeit evaluiert, die mehr über die Funktion des Knochens aussagt Zur Knochendichtemessunggibt es zwei quantitative densilometrische Verfahren:

t DXA (DuaJXRay-Absorptiometrie, I Abb. 3): Die DXA (sprich Dexa) ist die am häufigsten angewendete densilometrische Untersuchung zur Bestimmung der Knochendichte, die in jg/cm 2 j angegeben wird. Oie DXA ist durch zahlreiche epidemiologische Studien am besten validiert und kann auch sehr gut reproduziert werden, was für die Verlaufskontrolle bedeutend ist Die Messung erfolgt an der Wirbelsäule und am Schenkelhals einer Seite. Falsch hohe Werte erhält man jedoch durch Aortenkalzifikationen oder Arthrosen, die bei älteren Patienten häufig vorkommen. Die DXA ist als Screeningmethode nicht geeignet, sondern sollte nur bei Patienten mit erhöhtem Risiko durchgeführt werden. II QCT (quantitative Computertomographie): Die qCT erlaubt eine Bestimmung der Knochen volumenmineraldichte jg/m 3J. Die Vorteile sind eine überlagerungsfreie Bestimmung der Knochendichte und eine getrennte Beurteilbarkeil von Kompakta und Spongiosa. Zur Beurteilung wird die Knochenmineraldichte in Bezug zum mittleren Normwert eines knochengesunden Kollektivs junger Erwachsener des gleichen Geschlechts gesetzt. Die Anzahl der Standardabwei-

Knochendichte

I

Bewertung

T-Score > - I

Norm ale Kn oc hendichte

T-Score - 1 bi s - 2,5

Osteopenie

l -Score < - 2,5 ohne Frakturen

Osteoporose

T-Score < - 2,5 mit einer oder mehreren Frak turen

Schwere Osteoporose

Tab. 1: Klassifikation nach WHO.

chungen davon wird als T-Score angegeben. Dieser Wert ist für die Beurteilung des Frakturrisikos und die Therapie ausschlaggebend. Von einer Osteoporose spricht man, wenn bei mindestens einem Wirbel ein T-Score < - 2,5 vorliegt (I Tab. 1l- Geringere Bedeutung hat heute der Z-Score, der sich auf ein alters- und geschlechtsgleiches Kollektiv bezieht. Labordiagnost ik Laborchemische Veränderungen fehlen bei der Osteoporose weitgehend. Die Labordiagnostik hilft jedoch bei der Abgrenzung zu anderen Knochenerkrankungen (I Tab. I, S. 69). Zur Differentialdiagnose werden meist Kalzium (mit Albumin! ), Phosphat, alkalische Phosphatase BSG, CRP, Oifferentialblutbi ld, y-GT, Kreatinin und TSH bestimmt ' Daneben sollten die Kalziumausscheidung im Harn ermittelt und eine Elektrophorese durchgeführt werden . Bei klinischem Verdacht auf Hypogonadismus oder Hyperkortisolismus werden zusätzliche Untersuch ungen durchgeführt. Marker des Knochenumbaus sind nicht für die Diagnostik, dafür aber für die Therapiekontrolle hilfreich. Deren Bestimmung ist z. T. speziellen Zentren vorbehalten. II Zu den Anbaumarkern gehören: - Alkalische Phosphatase (s. a. S. 62): Neben dem Isoenzym des Knochens (knochenspezifische AP) existieren auch noch eine !soform der Leber (zeigt Cholestase an), der Plazenta und des Dünndarms. Bei der Osteoporose ist die alkalische Phosphatase meist nur im Rahmen von Frakturen erhöht. - Osteocalcin: sehr spezifischer Marker, der ausschließlich von Osteoblasten synthetisiert wird. Dieses Protein ist sehr instabil. Daher muss die Probe sofort eingefroren werden. II Marker des Knochenabbaus müssen bei einer erfolgreichen Therapie abfallen: - Cross-Links (freies Desoxypyridinolin): sehr spezifischer Parameter ' entsteht durch Abbau von reifem Kollagen

I

Abb . 3: Di e Bestimmung der Knochendi chte mit der DXA erfo lgt a) an der Lendenwirbelsäule und b) am Schenkelhals ei ner Seite. [ 161

Nebensch ilddrüse und Knochenstoffwechsel

- Cross-linked N-telepeptides (NTX) Typ-1-Telopeptid

=

aminote rminales Kollagen-

Zur Differenzierung zwischen Low- und High-Turnover-Osteoporose sollte eine kombinierte Bestimmu ng eines Anbau- und eines Abbauparameters erfolgen.

Prävention Die Vorbeugung der Osteoporose beginnt bereits in der Jugend und beinhaltet eine ausreichende Kalziumzufuhr, Sonnenexposition und körperliche Aktivität. Nur so kann gewährleistet werden, dass die individuell mögliche maximale Knochendichte erreicht wird.

-

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-

Therapi e Nach Möglichkei t sollte bei sekundären Formen eine kausale Behand · lung, z. B. durch Dosisreduktion der Glukokortikoid e, erfolgen. Bei jedem Patienten ist eine ausreichende Kalziumzufuhr mit der Nahrung zu gewährleisten. Dazu eignen sich Milch und fettarm e Milchprodukte. Regelmäßige körperliche Aktivi tät ist eine Voraussetzung für den Erhalt der Knochenstruktur und führt zudem durch erhöhte Geschick· lichkeit zu einer Reduktion des Sturzrisikos.

Basistherapie Eine Substitution von Kalzium (1.200 - 1.500 mg/Tag) und Vitamin D (400 - 800 lE/ Tag) sorgt für eine ausreichende Versorgung, die sonst v. a. bei älteren Menschen nicht gewährleistet ist. Statt kalziuretischer Diuretika sollten besser Thiazide verwendet werden, da sie die Kalziumrückresorption steigern.

-

72 I 73

(WHl)-Study wurde auch gezeigt, dass unter einer Östrogen-Gestagen-Therapie Ereignisse wie Apoplexie, Myokardinfarkt und Lungenembolie häufiger auftreten. Bei nicht hysterektomierten Patientinnen ist zusätzlich ein Cestagen zu verabreichen, um die proliferatorische Wirkung der Östrogene auf den Uterus zu hemmen (s. a. S. 102) Kalzitonin wird heute nu r noch ergänzend angewendet (s. a. S. 63). Strontiumranelat kann als Reservepräparat eingesetzt werden. Durch einen noch unbekannten Mechanismus kommt es sowohl zur Osteoklastenhemmung (resorptionshemmend) als auch zur Osteoblastenstimulierung (osteoanabol) . Das Risiko vertebraler und extravertebraler Frakturen wird signifikant gesenkt. Substanzen, die die Knochenbildung stimulieren: Ein neuer Therapieansatz besteht in der Stimulation des Knochenaufbaus. Im Gegensatz dazu wird durch Bisphosphanale vorwiegend die Resorption verhindert. Bei einmal täglicher subkutaner Injektion des Parathormon-Fragments Teriparatid konnte jedoch eine deut· liehe Knochenzunahme gezeigt werden . Die Indikation ist vorerst auf die Therapie komplizierter Verlaufsformen und eine max. Dauer von 18 Monaten mit einer anschließenden Resorptionshemmung beschränkt. Fluoride führen zwar zu einer Stimulation der Osteoblasten und zu einer Zunahme der Knochendichte. Die Qualität des neu gebildeten Knochens gewährleistet jedoch keine ausreichende Stabilität. Bisher gibt es keinen eindeutigen Nachweis einer verminderten Frakturhäufigkeit bei einer Fluortherapie.

Neue Therapieprinzipien könnten in einer Hemmung der Osteoblastendifferenzierung durch das RANK-System bestehen.

Medikamentöse Therapie Die medikamentöse Behandlung ist ab einem T-Score :,; - 2,5 indiziert und umso erfolgreicher, je früher diese begonnen wird. t Knochenresorptionshemmende Substanzen: - Die wirksamsten Substanzen sind Bisphosphonate. Sie werden in den Knochen eingebaut und können die Osteoklastenaktivität hem· men. Sie führen nicht nur zu einer erhöhten Knochendichte, sondern senken auch das Risiko vertebraler und extravertebraler Frakturen. Nachgewiesen ist die Wirkung für Alendronat (Fosamax"') und Risedronat (Actonel®). Die Präparate werden im Allgemeinen gut vertragen. Die häufigste Nebenwirkung ist eine Schädigung der Schleimhaut mit Gefahr von Osophagusulzera tionen. Daher sollte durch ausreichend Flüssigkeit bei der Einnahme und das Vermeiden anschließender Bettruhe die Magenpassage gewährleistet werden . Bei Alendronat hat sich außerdem gezeigt, dass eine wöchentliche Gabe den gleichen Effekt wie eine tägliche Einnahme hat. Kontraindikationen sind schwere Niereninsuffizienz, gastrointestinale Ent· zündungen, Hypokalzämie, Schwangerschaft und Stillzeit - Raloxifen (z. B. Evista®) gehört zur Klasse der selektiven ÖstrogenRezeptor-Modulatoren (SE RM) und ist für die postmenopausale Osteoporose zugelassen. Die Wirkung auf den Knochen und den Lipidstoffwechsel entspricht der von Östrogenen, auf die Mamma und den Uterus wirkt es hingegen antiöstrogen. Es konnte eine Reduktion vertebraler Frakture n nachgewiesen werden, während Schenkelhalsfrakture n nicht signifikant vermindert werden. Als Nebenwirkungen können klimakterische Beschwerden und Thrombosen auftreten. Das Mammakarzinom risiko wird wahrscheinlich gesenkt. -Obwohl der postmenopausale High-Turnover bei Frauen du rch ein Östrogendefizit bed ingt ist, sind Östrogene heute nicht mehr Medikamente der ersten Wah l. Für einen ausreichenden Schutz ist eine langjährige Therapie notwend ig. Nach einer Therapiedauer von fün f Jahre n beobachtet man jedoch einen signifikanten Anstieg des Mammakarzinomrisikos. In der Women's Health Initiative

Zusammenfassung • Osteoporose: generalisierte Knochenerkrankung mit verminderter Knocher;~ struktu r und erhöhtem Frakturrisiko • Klinik: schmerzlose oder schmerzhafte Frakturen (Wirbelkörper, Schenkelhals, distaler Radius), Rückenschmerzen, Größenverlust und Rundrücken • Diagnose: verminderte Knochenmineraldichte bei weitgehend fehlenden laborchemischen Veränderungen; Diagnose nach Ausschluss sekundärer Formen! • Therapie: Basisthe~a pie (Kalzium und Vitamin 0), Bisphosphonate, Raloxifen u. a.

Physiologie I Die Nebenniere (Glandula suprarenalis) sitzt dem Nierenpol auf und besteht aus zwei entwickl ungsgesc hichtlich unterschied lichen Komponenten: der Nebennierenrinde (NNR), die sich aus dem Mesoderm entwickelt und Steroidhormone bildet, und einem kleineren, ektodermalen Anteil, dem Nebennierenmark (NNM), das zu den sympathischen Paraganglien gehört (s. S. 86) .

Nebennierenrinde Histologisch kann man drei Schichten der NNR unterscheiden: t Äußere Zone (Zona glomerulosa): Synthese von Mineralokortiko-

iden (v. a. Aldosteron) t Mittlere Zone [Zona fasciculata): Synthese von Glukokortikoiden (v. a. Kortisol) t Innere Zone (Zona reticularis) : Synthese von Androgenen (v. a. Dehydroepiandosteron [DHEAJ und DHEA-Sulfat), aber auch von Glukokortikoiden Das hypophysäre Hormon ACTH stimuliert die Freisetzung der Glukokortikoide und der Androgene, in geringem Ausmaß auch die der Mineralokortikoide. Die Aldosteronsekretion wird jedoch vorwiegend durch Angiotensin ll (AT li ) stimuliert. Bei den Krankheiten der NNR unterscheidet man eine Insuffizienz (s. S. 84 f.) von einer Überfunktion, die wiederum nach den vorwiegend gebildeten Hormonen eingeteilt wird: t Kortisol: Cushing-Syndrom (s. S. 78 f.) t Aldosteron: Hyperaldosteronismus [Conn-Syndrom, s. S. 80 f.) t Androgene: Hyperand roge nämie (s. S. 82 f_ )

Steroidsynthese Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt für die Synthese aller Steroide ist die enzymatische Umwandlu ng der Ausgangssubstanz Cholesterin zu Pregnenolon (I Abb. 1). ACTH induziert u. a. die Bildung dieses Enzyms. Der weitere Syntheseweg der Steroide wird durch di Enzymexpression in den Zellen bestimmt. Ausgehend von Pregneno: Ion entstehen in der NNR du rc h ei ne Reihe enzymatischer Schritte Mineralokortikoide, Glukokortikoide und Androgene. Die Steroidsynthese in Ovar und Testis läuft analog ab. Durch eine unterschied liche Rezeptorexpression für die übergeordneten Hormone (z. B. ACTH, FSH, LH) und eine andere Enzymausstattung der Zellen kommt es jedoch im Ovar vorwiegend zu einer Progesteron- und Östradiolsekretion, während in den Hoden Testosteron den Hauptanteil ausmacht. Angeborene Enzymdefekte führen zu einer vermehrten Synthese anderer Steroide, deren Syntheseweg nicht betroffen ist. Dies ist beim adrenogenitalen Syndrom zu berücksichtigen, bei dem z. B. die Expression der 21-Hydroxylase betroffen ist (s. S. 82 f.). Transpo rt Zur verbesserten Löslichkeit werden Steroidhormone im Blut reversibel an Transportproteine gebunden, wobei nur der freie Anteil Wirk_ sam ist. Kortisol wird an CBG [kortisolbindendes Globulin ) und Albumin gebunden. In Entzündungsgebieten ist die Bindungsafftnität von CBG vermindert. Dies führt zu einer Erhöhung der freien KortisoJkonzentration. Androgene werden an sexualhormonbindendes Globulin (SHBG) und Albumin gebunden. CBG und SHBG haben eine hohe Bindungsaffinität zu ihren Hormonen. Die Transportkapazität ist jedoch im Vergleich zu Albumin gering.

Metabolismus Der Abbau der Steroide erfolgt vorwiegend durch Konjugation mit Glukuronsäure oder Schwefelsäure in der Leber und anschließende renale Elim ination.

HO~

~

lt-:rOH

HO_(()' ~

I Abb . I: Abhängig von der Enzymexpression werden in der NNR, den Testes und den Ovarien unterschiedliche Steroide gebildet. Oben: Minera lokortik oid e; Mitte: Glukokortikoid e; Unten: Sexua lhormon e. Die Umwandlung der Androgene in Östrogene erfolgt durch di e Aromatase (A). 2 1 ~ 21 -Hydroxylase , I I ß - l l ß-Hydroxylase, nicht zu verwec hseln m1t der llß-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (s . Text) .

Nebennie re

74 1 75

Kortisolkonzentration

im Blutplasma [11g/ dl]

t Förden den Abbau von Proteinen (z. B. im Muskel) und den Aufbau der daraus

Stoffwechsel

entstehenden Aminosäuren zu Glukose (Giukoneogenese) 30

t Verminderte periphere Glukoseaufnahme und gestörte Glukosetoleranz

20

t Lipolyse (Freisetzung von freien Fettsäuren)

(diabetogen)

t Antiproliferative Wirkung auf Fibroblasten (Hemmung der Nukleinsäure- und

Muskel- und Bindegewebe

10

Proteinsynthese): Hautatrophie, verzögerte Wundheilung

t 12

18

24

6

Tageszeit

I

Gefäßfragi lität (Blutungen)

Uhr

Abb. 2: Zirkadianer Rhyt hmu s der Kortisol-

Herz-Kreislauf

t Erhöhtes HMV und erhöh ter peripherer Widerstand

Knochen

t Hemmung der Osteoidsynthese (Vit.-0-a ntagonistisch, erhöhte Zahl an Osteoklasten)

sekretio n. [ 10[ Mineralokortikoide Wirkung

t Niere u. a. Organe: Na- und Flüssigkeitsretention, Kaliumsekretion

Antiinflammatorische und

t Hemmung der Phospholipase A2 (durch Lipocortin) und dadurch Hemmung der

immunsuppressive Wirkung

Prostaglandin- und Leukotriensynthese t Verminderte Lymphozytenzah l, verminderte Synthese von lnterleukinen, TNF-u und GM-CSF (Giukokortikoide verhindern so eine überschießende lmmunantwort)

t Granulozyten (HWZ und Turnover), Eosinophile J. t Veränderungen der Psyche und im EEG

ZNS

I

NNR-Hormone Glukokortikoide Kortisolist das wichtigste Glukokortikoid und erfüllt lebensnotwendige Funktionen im Organismus. Pro Tag synthetisieren Erwachsene etwa eine Menge von 20 - 30 mg. Die Konzentration im Blut folgt dabei einem typischen zirkadianen Rhythmus, mit einem Maximum in den frühen Morgenstunden und einem Absinken im Verlauf des Tages (I Abb. 2). Bei Menschen mit ei nem verschobenen Tagesablauf (Nachtarbeiter) erfolgt eine Anpassung an den veränderten Rhythmus. Stress ist der wichtigste Stimulus der Kortisolfreisetzung. Bei Ereignissen wie Traumen, Sepsis oder Operationen ist die Kortisolkonzentration um ein Vielfaches erhöht, und der Tag-Nacht·Rhythmus ist aufgehoben. Glukokortikoide fördern dann die Aufrechterhaltung des Gefäßtonus und eine erhöhte Bereitstel-

Tab. 1: Wirkungen von Glukokortikoiden.

Jung von Energie, die zur Bewältigung der Stresssituation benötigt wird. Weitere Effekte sind in I Tab. 1 dargestellt. Ähnlich wie bei den Schilddrüsenhormonen entstehen bestimmte Glukokortikoidwirkun· gendurch ein erhöhtes Ansprechen von Geweben auf Katecholamine (permissive Wirkung). So wird die Wirkung auf das HerzKreislauf-System vorwiegend durch eine erhöhte Katecholaminsensitivität vermittelt. Ebenso zeigt Kortisol, in Abwesenheit von Katecholaminen, kaum eine lipolytische Wirkung, verstärkt jedoch deren Effekte auf das Fettgewebe.

Glukokortikoidtherapie Glukokortikoide haben aufgrund ihrer zahlreichen Wirkungen ein breites Anwendungsgebiet. Zum Einsatz kommen sie u. a. bei rheumatischen Erkrankungen, Allergien, physikalisch verursachten Erkrankungen (Höhenlungenödem), Autoimmunerkrankun-

I

Äquivalente Dosis

Substanz

25 mg

Hydrokortison (a Kortisol)

gen, zur Immunsuppression, zur Lungenreifung vor einer Frühgeburt und natürlich zur Substitution bei Kortisolmangel. Bei der Entwicklung synthetischer Substanzen galt es, zunächst die mineralokortikoide Wirkung zu reduzieren und die glukokortikoide Potenz und die Wirkdauer zu erhöhen (I Tab. 2).

t lnhalative Glukokortikoide (z. B. bei Asthma bronchiale) haben den Vorteil eines hohen First-Pass-Effektes. Das heißt, dass ein großer Anteil bei der ersten Leberpassage abgebaut wird, weshalb die systemisch wirksamen Kon· zentrationen relativ gering sind. t Bei der dermalen Anwendung ist zu berücksichtigen, dass die Resorption an verschiedenen Hautstellen unterschiedlich ist (Richtwert ist der Resorptionsindex) . Besonders hoch ist der resorbierte Anteil dabei im Genitalbereich und im Gesicht.

5 mg

Prednisolon (z. B. Decortin 8 H)

1 mg

Dexamethason (z. B. Fortecortin'")

Tab.

Relative gtukokortlkolde Potenz (RGP)

0,5

5 25 (5

Relative mlneralokortlkolde Potenz (RMP)

X

5)

0

2: Äquiva lentdosen gä ngiger Kortikosteroide nach der Fünfer-Regel. Es hande lt sich um annä-

he rnde Werte, die nur als Merkhi lfe dienen sollen .

Physiologie II GI ukokortikoidthera pie (Fortsetzung) Bei der Glukokortikoidtherapie sind einige Punkte zu beachten. Die Osteoporoseprophylaxe bei Glukokortikoidtherapie: pharmakadynamische Therapie (s. a. S. 12) ist nur eine symptoma· Substitution von Kalzium ( 1 .~00- 1.500 mg) und Vitamin 0 3 tische, keine kausale Therapie! Mit der Höhe der Dosierung und der (400 - 800 IE/Tag), (+ evtl. B•sphosphonate). Länge der Behandlungsdauer steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen, die den Symptomen des endogenen Cushing-SynDerzeit suchen Wissenschaftler nach neuen Substanzen mit einem gedroms entsprechen. ringeren Nebenwirkungsspektrum. Dies soll durch Präparate mit rein Bei einer einmaligen hochdosierten Glukokortikoidgabe sind hingegen transrepressorischer Aktivität gelingen (s. a. S. 5). Man vermutet, dass keine Nebenwirkungen zu erwarten. Hohe Stereiddosen sind bei ein Großteil der endokrinen und metabolischen Wirkungen durch akuten Erkrankungen notwendig. Nach Eintritt einer klinischen BesTransaktivation entsteht, während die antiinflammatorische Wirkung eher durch Transrepression vermittelt wird . serung sollte dann eine stufenweise Dosisreduktion erfolgen . Es wird versucht, die Dosis bei einer Dauertherapie unter 7,5 mg/Tag für Prednisolon anzusetzen (Cushing-Schwellendosis). was etwa der Mineralokortikoide physiologischen Synthesemenge eines Erwachsenen entspricht. Jedoch auch bei geringen Mengen über längere Zeit kommt es regelmäßig zu Das Steroid mit der größten mineralokortikoiden Wirkung ist AldoNebenwirkungen. steron. Dessen Freisetzung wird vorwiegend durch Angiotensin !I Bei längerer Therapie kommt es durch einen negativen Feedback(AT II ) und Hyperkaliämie stimuliert und durch ANP (atriales natri· Mechanismus zur reduzierten ACTH-Sekretion und damit zur NNR· uretisches Peptid) gehemmt (I Abb. 3). Aldosteron bewirkt eine Atrophie. Die Patienten müssen daher auf die Gefahr einer NNR-Insuf· vermehrte Natriumretention und eine erhöhte Kaliumsekretion in fizienz bei selbstständigem, abruptem Absetzen aufmerksam gemacht der Niere, aber auch in anderen Organen (Kolon, Speicheldrüsen Schweißdrüsen , Gallenblase). ' werden. Ebenso ist bei Beendigung der Therapie, die über mehr als vier Wochen dauert, auf ein langsames Ausschleichen zu achten. Es Kortisol hat etwa die gleiche Affinität zum Mineralokortikoidrezeptor kann sonst zu einem Kortikoidentzugssyndrom mit Myalgien, Müdig· (MR) wie Aldosteron. Obwohl es in etwa I00- bis I.OOOfach höherer keit und einem Wiederauftreten der Grunderkrankung kommen. Konzentration als Aldosteron vorliegt, ist dessen Wirkung dennoch Während die Dosis bei der Substitutionstherapie physiologisch ange- gering. Verantwortlich dafür ist die Expression der 11 ß·Hydroxystepasst werden sollte, wird bei der pharmakadynamischen Therapie die roid-Dehydrogenase in den Mineralokortikoid·Zielzellen, die Kortiso! gesamte Dosis einmal morgens zwischen 6 und 8 Uhr verabreicht. Es in Kortison umwandelt, welches nicht an den MR binden kann. soll so die Entstehung einer NNR·Atrophie verhindert werden. Der Renin-Angiotensin-Aidosteron-Systems (RAAS) Großteil der körpereigenen Kortikosteroide ist dann bereits sezerniert, und der ACTH-Rückkopplungsmechanismus spricht geringer auf exo· Aldosteron ist ein wichtiger Bestandteil des Renin-Angiotensin-Aldogene Steroide an. Noch besser ist eine Einnahme der Gesamtdosis, die steron-Systems. Renin wird bei vermindertem renalen Perfusionsdruck nur alle zwei Tage erfolgt (a lternierende Gabe) . Bei schwereren Eroder durch adrenerge Stimulation aus den granulierten Zellen des Vas afferens fre igesetzt. Es spaltet dann von Angiotensinogen Angiotensin 1 krankungen ist dies jedoch nicht immer ausreichend. ab. Dieses wird durch das Angiotensin·converting·Enzym (ACE) zu Bei einer längeren Anwendung kommt es häufig zu Nebenwirkungen wie Magenulzera (v. a. in Kombination mit NSAR), Osteoporose, Infek- dem viel wirksameren Angiotensin II (AT II ) aktiviert. tionen, Katarakt, Glaukom und psychischen Veränderung. Liegen diese Erkrankungen vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie vor, so sollten andere Möglichkeiten zu Anwendung kommen.

Rege/größen:

j

Rege/größe: Blutvolumen

1--

-

-

Konversionsenzym

(ACE)

Angiotensinogen

I Abb. 3: Regu lation des Renin-Angiotensin-Aidosleron-Systems (RAAS). 11O]

Nebenniere

Angiotensin II: t stimuliert die Aldosteronausschüttung aus der Nebenniere, t vermittelt eine Vasokonstriktion,

t bewirkt im Hypothalamus eine erhöhte ADH·Sekretion und eine gesteigerte Salz- und Wasseraufnahme. Das RAAS bewirkt somit über die Regulation des Gefäßtonus und der Natriumausscheidung sowie der Flüssigkeits- und Salzzufuhr eine Steuerung des effektiven zirkulierenden Volumens. Durch die physiologischen Regulationsmechanismen wird ein dynamisches Gleichgewicht hergestellt: Hypovolllmle und Hypotonie -+ Renin t -+ AT II t-+ erhöhtes zirkulierendes Volumen und Vasekonstriktion (RR t) -+ negative ROckkopplung -+ Normalisierung der Reninsekretion

Daneben gibt es auch in bestimmten Organen (Niere, Nebenniere, Herz, Uterus, Plazenta, Gefäße, ZNS) ein lokales Renin-Angiotensin-Aldosteron-System. Die Funktion des dort gebildeten AT II ist noch nicht vollkommen geklärt. Vermutet wird ein Einfluss auf das Wachstum und die Funktion bestimmter Gewebe.

Androgene In der Zona reticularis werden die Androgene Dehydroepiandrosteron (DHEA) und DHEA-Suifat (DHEAS) synthetisiert, in geringe-

76

I 77

ren Mengen auch Androstendion und Testosteron. DHEA-Sulfat ist das Steroidhormon der höchsten Serumkonzentration und liegt in etwa l .OOOfach höherer Menge vor als DHEA, weshalb es als diagnostischer Parameter geeigneter ist. DHEA wird hingegen nur von wenigen Labors bestimmt. DHEA und DHEAS besitzen selbst nur eine geringe androgene Wirkung. Sie dienen jedoch als Ausgangssubstanz für die Umwandlung in andere Androgene und Östrogene. Die Umwandlung in das potente Testosteron und Dihydrotestosteron erfolgt dabei teilweise erst in der Zielzelle. Die periphere Aromatisierung von Androgenen zu Östrogenen erfolgt weitgehend im Fettgewebe. Durch eine Substitution mit DHEA bei Patienten mit NNR-Insuffizienz soll deren Wohlbefinden gesteigert werden. Zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr erreicht die Sekretion von DHEA ein Maximum und fällt im Verlauf des weiteren Lebens stetig ab. Es wurde daher vermutet, dass Dehydroepiandrosteron bei Älteren als "Anti·Aging-Pille" Energie und Sexualität steigert Eine solche Wirkung konnte jedoch bei gesunden, älteren Personen nicht nachgewiesen werden.

Diagnostik Für die Diagnostik von Nebennierenerkrankungen muss auf Elektrolytabweichungen (Kalium, pH, Natrium) geachtet werden. Die Bestimmung der basalen Hormonkonzentrationen hat nur eine eingeschränkte Bedeutung. Höhere Aussagekraft kann hingegen durch eine kombinierte Interpretation mit adrenotropen Hormonen (ACTH, Renin) erreicht werden. Ferner werden verschiedene dynamische Funktionstests eingesetzt

Zusammenfassung X Die Nebenniere besteht aus der Nebennierenrinde (NNR), die Steroidhormone bildet, und dem Nebennierenmark (NNM), das katecholaminproduzierende Neurone enthält. X Die NNR besteht aus drei Schichten, in denen Glukokortikoide, Mineralokortikoide und Androgene gebildet werden: - Kortlsol wird unter Stress freigesetzt und bewirkt eine Bereitstellung von Energie und eine Aufrechterhaltung des Gefäßtonus. Daneben haben Glukokortikoide auch zahlreiche Effekte auf den Stoffwechsel. Die therapeutische Anwendung von synthetischen Glukokortikoiden beruht vorwiegend auf deren antiinflammatorischen und immunsuppressiven Wirkungen. - Aldosteron ist das potenteste Mineralokortikoid und ein Bestandteil des RAAS. Es bewirkt eine Natriumrückresorption und eine Kaliumsekretion. - Die vorwiegend gebildeten Androgene sind DHEAS und DHEA. Sie haben nur eine geringe androgene Wirkung, können peripher aber z. B. in das potentere Testosteron umgewandelt werden. X Im Blut werden die Steroidhormone an Transportproteine gebunden. Dabei gilt nur der freie Anteil als wirksam.

Cushing-Syndrom Als Cushing-Syndrom bezeichnet man einen Komplex aus klinischen Zeichen und Symptomen, die durch einen chronischen Hyperkortisolism us entstehen. Ätiologie Die mit Abstand häufigste Ursache ist das exogene Cushing-Syndrom bei Langzeittherapie mit Glukokortikoiden. Dem endogenen Cushing-Syndrom mit einer lnzidenz von ca. I : I 00.000 pro Jahr können mehrere Ursachen zugrunde liegen:

t ACTH-produzierendes Adenom der Hypophyse (M. Cushing im eigentlichen Sinn), ca. 70 % (s.S. 39) t Nebennierentumor: Adenom oder Karzinom, mikro-/ makronoduläre Hyperplasie, 15 % t Ektope ACTH- oder CRH-Sekretion: z. B. durch kleinzelliges Bronchuskarzinom oder andere neuroendokrine Tumoren, 15% Klinik Häufige Symptome des Cushing-Syndroms sind:

t Stammfettsucht, Vollmondgesicht (Plethora), Büffelnacken t Muskelatrophie und Muskelschwäche

t Erschöpfbarkeil und Schwäche t Hypertonie t Haut: Hautatrophie mit Striae rubrae distensae und Hautblutungen t Frauen: Zyklusunregelmäßigkeiten, Hirs utismus und Akne (durch die Androgensekretion) t Osteoporose t Gestörte Glukosetoleranz t Persönlichkeitsveränderungen und Suizidgedanken t Infekte (v. a. der Haut) t Wachstumsstillstand bei Kindern • Neigung zu Magenulzera bei der Einnahme von NSAR! Bei Kindern sind Wachstumsstörungen hinweisend! Die Ursache der typischen Fettverteilung ist bislang unklar. Sehr spezifisch sind Fettablagerungen im Nacken, zwischen den Schulterblättern, supraklavikulärund in der Bauchregion, während die Extremitäten durch die Muskelatrophie schlank erscheinen. Charakteristisch sind auch breite blaurote Striae im Bereich des Abdomens, die durch das Reißen von Kollagenfasern entstehen. Die Haut erscheint atroph und kann infolge einer erhöhten Gefäßbrüchigkeit Blutungen aufweisen. Eine Muskelschwäche kann besser erkannt werden, wenn man die Patienten aus der Hocke ohne Hilfe der Arme aufstehen lässt. Häufig finden sich weitere (Iaborchemische Befunde) wie Hypokaliämie, Granulozytose, Eosinopenie oder eine diabetische Stoffwechsellage.

Diagnostik Die Verdachtsdiagnose wird häufig gestellt, der tatsächliche Nachweis eines Cushing-Syndroms gestaltet sich mitunter sehr schwer. Die Patienten entwickeln meist kein klinisches Vollbild, sondern haben oft nur unspezifische Zeichen. Auch der Nachweis mit Hilfe labordiagnostischer Verfahren ist nicht immer eindeutig. Beim endogenen CushingSyndrom ist der zirkadiane Rhythmus der Kortisolsekretion aufgehoben. Eine Bestimmung des Kortisoltagesprofils ist jedoch sehr aufwändig. Eine einmalige Kortisolbestimmung ist hingegen nicht aussagekräftig. Die Diagnostik folgt einem Stufenschema (I Abb. 3): • Labordiagnostik: -Zum Ausschluss (nicht aber zum Nachweis) eines Cushing-Syndroms wird der Dexamethasonkurztest empfohlen. 1- 2 mg Dexamethason um 23 Uhr führen bei Gesunden zu einer Suppression der Kortisolkonzentration am nächsten Morgen. Durch Dexa-

methason komm t es dabei zu keiner Kreuzreaktion bei der KortisoJbestimmung. - Zusammen mit der Bestimmung des freien Kortisols im 24-Stunden-Urin kann in den meisten Fällen schon die Diagnose gestellt oder ausgeschlossen werden. Es ist wichtig, dem Patienten den Ablauf genau zu erklären, da es sonst leicht zu einer falschen Durchführung kommen kann! - Zur weiteren Differenzierung erfolgt eine ACTH-Bestimmung. Eine supprimierte ACTH -Konzentration spricht für eine autonome Kortisolsekretion der Nebennieren. Für die schwierigere Unterscheidung zwischen hypophysärer oder ektoper ACTH-Sekretion werden der CRH·Test mit anschließender ACTH-Bestimmung und der hochdosierte Dexamethasonhemmtest (Liddle-Test) angewendet. Der letztere Test wird ähnlich dem Kurztest durchgeführt jedoch mit einer Dexamethasongabe alle 6 Stunden über 4 Tage ' (z. B. l./2. Tag: 0,5 mg; 3./4. Tag: 2 mg, jeweils viermal täglich)_ Dabei werden täglich die Serumkonzentration und die 24-StundenAusscheidung von Kortisol bestimmt Bei einem ACTH -produzierenden Mikroadenom können durch CRH die ACTH-Sekretion stimuliert und durch Dexamethason die Kortisolsekretion supprimiert werden . Bei einem ektopen CushingSyndrom ISt die ACTH-Konzentratwn oft massiv erhöht und selten durch CRH stimulierbar. Durch Dexamethason ist Kortisol nicht supprimierbar. t Gemäß dem diagnostischen Grundprinzip sollte erst danach eine weitere Abklärung durch bildgebende Verfahren (Sonographie, CT oder MRT) erfo lgen: Klinisch unauffällige Raumforderungen der HyPophyse smd Jedoch haufig und werden bei Gesunden in l 0- 20 % beobachtet. Bei unklaren Befunden kann zur weiteren Abklärung evtL ein Sinus-petrosus-Katheter notwendig sein (s. S. 39). Zu einem Hyperkortisolismus kann es auch bei schwerer Depression oder Alkoholismus kommen. Die Kortisolsekretion ist dabei jedoch geringer. Eine sorgfältige Anamnese und pathologische Leberwerte be·1 Alkoholikern sind für die Diagnose wegweisend.

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I Abb. 1: Häufige Ursach en des Cushing~Syndroms und deren Auswirkungen auf d1e Nebenmeren: a) norma le Regulat1on, b) M. Cushing, c) Nebennierentumor, d) paraneop lasti sc he ACTH-Sekretion, e) exoge ne Stero idzufuhr. ll ]

Nebenniere

78

I 79

I Abb. 2: Patientin mit M. Cushing vor und ein Jahr nach erfolgreicher transsp henoidaler Adenomektom ie. [21

Therapie • Die Therapie des M. Cushing besteht in einer transsphenoidalen Adenomektomie, die in über 90% erfolgreich ist. Eine postoperative passagere Unterfunktion , die über mehrere Monate andauern kann, erweist sich als prognostisch günstig. Bei einem Rezidiv kann neben einer zweiten Operation auch eine Bestrahlung angewendet werden. Bei ausbleibendem Erfolg kann auch eine beidseitige Adrenalektomie (Entfernung der Nebennieren) notwendig sein, nach der jedoch lebenslang Glukokortikoide substituiert werden müssen. • Bei einem Nebennierentumor sollte eine Adrenalektomie erfolgen. Durch Suppression der anderen Nebenniere besteht nach der Operation eine vorübergehende, substitutionspflichtige NNR-lnsuffizienz.

Bei der seltenen mikronodulären Hyperplasie sind beide Nebennieren betroffen und müssen daher entfernt werden. t Bei ektoper ACTH-Sekretion ist nach dem hormonproduzierenden Tumor zu suchen und wenn möglich eine Operation durchzuführen. Eine medikamentöse Therapie kommt in der Tumornachsorge und bei Therapieversagen in Frage. Ketoconazol (ein Antimykotikum), Aminoglutethimid, Metyrapon und Etomidat (lnjektionsnarkotikum) hemmen die Steroidsynthese durch Inhibition bestimmter Enzyme. Mitotane führt neben einer Synthesehemmung auch zu einer selektiven Zerstörung der Zonae fasciculata und glomerulosa. Diese Substanzen haben beträchtliche Nebenwirkungen, können bei Malignomen aber die Prognose und auch die Lebensqualität verbessern. Häufig kommt es zur NNR-Insuffizienz, weshalb die Kortisolkonzentration regelmäßig bestimmt werden muss.

Prognose Wenn ein Cushing-Syndrom nachgewiesen wird, ist eine Therapie auf jeden Fall indiziert. Die Hauptkomplikationen sind kardiavaskuläre Erkrankungen oder schwere Infektionen. Unbehandelt kann es durch die Abwehrschwäche in Kombination mit einer diabetischen Stoffwechsellage zu lebensgefährlichen Pneumonien oder einer Urosepsis kommen. Eine weitere Komplikation ist die Steroidosteoporose mit Inadäquaten Frakturen.

Zusammenfassung • Ätiologie: exogene Steroidzufuhr, ACTH-produzierendes Hypophysenadenom, Nebennierentumoren und ektope ACTH-Sekretion Spezielle endokrine Funktio nsdiagnostik (CRH-Test, High-Dose-Dexamethasonhemmtest, ggf. Sinus- petrosus-Katheter)

ACTH ii (meist) nicht durch CRH stimullerbar Keine Suppression durch Dexamethason

N ebenni erentumor:

• Adenom • Karzinom • mikro-/makro-

nodu lä re Hyperplasie ACTH i durch CRH stimulierbar Durch

dismus, Osteoporose und breite Striae Dexamethason, erhöhte Kortisolkonzentration im

Dexamethason

M.Cushlng

diabettsehe Stoffwechsellage, Hypertonie, Hypogona• Diagnostik: fehlende Kortisolsuppression nach

Suppression > 50%

l

• Klinik: Vollmondgesicht, stammbetonte Adipositas,

J

bildgebende Verfahren

24-Stunden-Urin; weiterführend: ACTH-Bestimmung, CRH-Test und hochdosierter Dexamethasonhemmtest in Kombination mit Bildgebung • Therapie: Bei hormonproduzierenden Tumoren wird eine chirurgische Entfernung angestrebt.

I Abb. 3: Dia gnostik des Cushin g-Syndroms. [3]

Hyperaldosteronismus Das klinisch bedeutsamste Mineralokortikoid ist Aldosteron. Desoxykortikosteron (DOC) hat nur etwa 5% der Wirkung des Aldosterons.

Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) Womöglich ist der primäre Hyperaldosteronismus häufiger Ursache einer sekundären Hypertonie als bisher angenommen wurde. Der Erkrankungsgipfelliegt zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Aufgrund der therapeutischen Konsequenzen müssen dabei verschiedene Ursa· chen unterschieden werden: t Einseitiges NNR-Adenom, 70-80 % (weitgehend AT-11-unab· hängige Sekretion) • Idiopathische beidseitige Hyperplasie der Zona glomerulosa, 20-30% (meist empfindlich auf exogenes und endogenes AT !I= reninresponsiv) • Seltene Ursachen sind ein Karzinom der NNR oder ein glukokortikoidsensitiver Hyperaldosteronismus, bei dem die Aldosteronsekretion weitgehend durch ACTH reguliert wird.

Durch die erhöhte Aldosteronfreisetzung kommt es zu einer Suppression der Reninsekretion. Primärer Hyperaldosteronismus: Reninsuppressionl Sekundärer Hyperaldosteronismus: erhöhte Plasmareninaktivität!

Klinik Das Leitsymptom ist eine hypokaliämische Hypertonie mit teilweise hohen diastolischen Werten (RR diast > 110 mmHg)! Vor allem bei der bilateralen Hyperplasie ist jedoch ein großer Teil der Patienten normokaliämisch und entwickelt nur eine milde Hypertonie. Die Hypertonie ist schwer einstellbar und therapierefraktär, so dass die Patienten häufig drei oder mehr Antihypertensiva einnehmen. Teilweise sind die Patienten völlig asymptomatisch oder haben nur gering ausgeprägte

Symptome, wie z. B. Kopfschmerzen, Müdigkeit und Muskelschwäche. Es können auch weitere Symptome einer Hypokaliämie (Obstipation, Polyurie) und einer metabolischen Alkalose (Parästhesien, s. a . S. 14 f.) auftreten. Verstärkt wird die Hypokaliämie durch Kochsalzzufuhr, da bei einem erhöhten Natriumangebot im Sammelrohr die Kaliumsekretion gesteigert ist. Die erhöhte Aldosteronsekretion füh rt zu einem neuen Volumengleichgewicht auf einem höheren Niveau. E kommt dabei durch die Natriumretention zu r Volumenerhöhung und s zum Blutdruckanstieg. Nach einigen Wochen tritt das "AldosteronEscape-Phänomen" ein, mit Erhöhung des peripheren Widerstands und einer "Druckdiurese", durch die auch Natrium vermehrt ausgeschieden wird. Das zurückgehaltene Volumen führt jedoch in der Regel zu keinen Ödemen.

Hyperaldosteronismus: häufig Hypertonie und Hypokaliämie (K• ,J...)!

Diagnostik Die Diagnose wird oft im Rahmen einer Hypertonieabklärung gestellt Wenn die Hypokaliämie auch nach Absetzen kaliuretischer Diuretika· für l - 2 Wochen und Kaliumgabe besteht, dann sollte weiter abgeklärt werden. Die mittlerweile sehr häufige normokaliämische Form Wird s jedoch nicht erkannt. Bei der Bestimmung der Kaliumkonzentration is~ darauf zu achten, dass das Blut ohne langes Stauen und Pumpen abgenommen wird . Auch durch Hämolyse oder Thrombozytose kann es 2 falsch hohen Werten kommen! Zunächst werden Aldosteronkon- u zentration und Reninaktivität bestimmt, für das weitere Vorgehen siehe I Abb. l. Als Screeningparameter spricht ein Verhältnis von Aldosteronkonzentration (ng/dl) zu Reninaktivität (ng/ mlfh) von> 30 nach zweistündigem Uegen bei gleichzeitig erhöhtem Aldosteron (> 15 ng/dl) fQr ein Conn-5yndrom.

Screeningtest Ratio Aldosteron i.S. (ng/dl) zu Reninaktivität [ng/ml/h], mit Aldosteron i.S. > 15 ng/dl

I I

Ratio< 30

I

j

Ratio > 30

~Stimulation

der Reninsekretion (3 Tage NaCIarme Kost, 2 h Orthostase 20 mg Furosemid i.v.)

j Reninaktivität

i j

l

IReninaktivität .!.

l Nachmessung Aldosteron i.S. j

I

_L

l

IAldosteron ij

I

j Salzbelastung (8 h Bettruhe, 2 I 0, 9%ige NaCI-lösung)

I

r

/ Aldosteron .J.. j

$ Conn-Syndrom ausgeschlossen

J

l

IV.a. Mlneralokortikoid-Syndrom I

l

j Aldosteron 1'j

l j

Conn-Syndrom belegt

I Abb. 1: Hormondiagnostik bei Verda cht auf primären Hyperaldosteronismus.l31

Nebenniere

Die Bestimmung der Plasmareninaktivität ist aufwändig und erfolgt unter Abnahme auf Eis! In Zukunft könnte sich daher die Bestimmung der Reninkonzentration durchsetzen, die aber noch weniger validiert ist. Die Bestätigung der Diagnose erfolgt in zwei Schri tten:

80

I 81

genetische Enzymdefekte [z. B. Liddle-Syndrom). Von einem NiedrigRenin-Hochdruck spricht man bei einer essentiellen Hypertonie mit normaler Aldosteronkonzentration und erniedrigtem Renin, wobei es jedoch einen fließenden Übergang zum idiopathischen Hyperaldosteronismus gibt.

t Zuerst wird eine supprimierte Reninsekretion unter maximaler

Stimulation des RAAS nachgewiesen. Die Blutabnahme erfolgt nach kochsalzarmer Diät über drei Tage mit anschließender aktiver Ortho· staseund einer Gabe von 20 mg Furosemid i. v. t Im zweiten Schritt wird die fe hlende Aldosteronsuppression nachgewiesen. Die erste Messung erfolgt mit der Reninbestimmung. Nach Infusion von 2 I isotoner NaCI-Lösung und 8 Stunden Bettruhe sinkt beim Conn-Syndrom die Aldosteronkonzentration nicht adäquat ab. 2-4 Wochen davor müssen Medikamente, die Einfluss auf das RAAS haben, z. B. Spironolacton und andere Diuretika, ACE- Hemmer und Betablocker abgesetzt werden. Zur Differenzierung der möglichen Ursachen dienen bildgebende Verfahren wie MRT und CT in Kombination mit dem Orthostasetest. Dieser wird folgendermaßen durchgeführt:

t Bei der bilateralen Hyperplasie find et man ein Ansprechen auf AT II [reninresponsiv, s.o.). Eine Sti mulation des RAAS durch zweistündige Orthostase [und evtl. furosem idind uzierte Diurese) führt somit zu einem Anstieg der Aldosteronkonzentration. Bei einem Adenom ist die Aldosteronsekretion hingegen häufig ACTH·abhängig und folgt somit dem zirkadianeo Rhythmus der Kortisolkon zentration. Unter Ortho· stasekann es so zu einem paradoxen Abfall des Serumaldosterons kommen. Bei diskordanten Befunden wird zur Unterscheidung zwischen ein· seitigern Adenom und beidseitiger Hyperplasie eine Katheterisierung der Nebennierenvene n durchgefü hrt.

Differentialdiagnose Differentialdiagnostisch müssen andere Ursachen einer hypokaliämischen Hypertonie abgegrenzt werden. Dazu gehören die verschiedenen Ursachen des sekundären Hyperaldosteronism us sowie seltene

Hypovolämie

t Diuretika , Diarrhö, Blutverlust

Ödemerkrankungen

t Nephrotisches Syndrom t Herzinsuffizienz (verstärkt durch Furosemid und Thiazide) t Leberinsuffizienz (vermind ert e Aldosteroninaktivierung) t Schwangerschaft

Renale Ursachen

Genetische Ursachen

t Renevaskuläre Hypertonie: reduzierter Nierenperfusionsdruck (z. B. durch Nierenarteri enstenose) t Renoparenchymatöse Hypertonie: verminderte Nierendurchblutung (z. B. bei arteriolärer Nephrosk lerose) t Reninbildender Tumor (selten) • Bartier-Synd rom (Defek t in Transportka nälen der HenleSchleife) t Gitelman-Syndrom (rena ler Salzverlu st)

I Tab . 1: Ursach en d es sek undäre n Hypera ldost eroni smus .

Therapie t NNR-Adenom: Die Therapie besteht in einer chirurgischen Entfer-

nung, wenn möglich durch Laparoskopie. Um einen postoperativen Hypoaldosteronismus durch Atrophie der anderen Nebenniere zu vermeiden, wird mit Spironolacton [Aldosteronantagonist) vorbehandelt. Wenn die Operation früh erfolgt, kommt es meist zu einer Normalisierung der Hypertonie und Hypokaliämie. t Idiopathische Hyperplasie: Bei dieser hat eine Adrenalektomie keinen Einfluss auf die Hypertonie und ist nur sehr selten bei symptomatischer Hypokaliämie indiziert. Zur Therapie werden Spironolacton und andere kaliumsparende Diuretika (Amilorid, Triamteren) eingesetzt. Der neuere Mineralokortikoidrezeptor-Antagonist Eplerenon [Inspra®) hat geringere antiandrogene Nebenwirkungen als Spironolacton, ist jedoch für die Therapie des primären Hyperaldosteronismus nicht zugelassen. Außerdem sollen eine kochsalzarme Diät eingehalten und wenn nötig der Blutdruck durch weitere Antihypertensiva behandelt werden.

Sekund ärer Hypera ldosteronismus Von dem primären Hyperaldosteronismus ist der häufigere sekundäre Hyperaldosteronismus abzugrenzen. Durch verschiedene Ursachen, die nicht primär die Nebennieren betreffen [I Tab. I) kommt es zu einer physiologischen Gegenregu lation mit einer vermehrten Reninsekretion und weiterer Alktivierung des RAAS. Im Gegensatz zum Conn-Syndrom ist die Reninsekretion beim sekundären Hyperaldosteronismus also nicht supprimiert, sondern erhöht. In weiterer Folge ist auch die Aldosteronkonzentration erhöht. Der sekundäre Hyperaldosteronismus tritt oft in Verbindung mit einer malignen Hypertonie oder auf der Basis einer Ödemerkrankung auf. Sind eine Hypovolämie oder Ödeme die Ursache, so besteht keine gleichzeitige Hypertonie.

Zusammenfassung X Ätiologie: Nebennierenadenom oder idiopathische beidseitige Hyperplasie X Die Patienten entwickeln eine therapierefraktäre Hypertonie, evtl. in Kombination mit einer hypokaliämischen Alkalose. X Diagnostik: erhöhte Aldosteronkonzentration und erniedrigte Reninaktivität; außerdem bildgebende Verfahren und Orthostasetest X Häufiger ist der sekundäre Hyperaldosteronisrnus. Basierend auf einer extraadrenalen Erkrankung kommt es durch RAAS-Aktivierung zu einer erhöhten Aldosteronsekretion.

Adrenale Hyperandrogenämie Das wichtigsten Androgene der NNR sind DHEA, DHEAS und Androstendion. Die adre· nalen Androgene werden in peripheren Ge· weben auch zum potenteren Testosteron um· gewandelt. Für eine adrenale Hyperandrogen· ämie spricht also eine DHEAS·Erhöhung bei erhöhtem Testosteron und/oder Androsten· dion.

Ätiologie Ursachen einer vermehrten Androgensekre· tion der Nebenniere sind:

t Adrenogenitales Syndrom (AGS): Da· runter fasst man verschiedene autosomal· rezessiv vererbte Enzymdefekte der Steroid· synthese der NNR zusammen. Durch den Enzymdefekt kom mt es zu einer verminder· ten Kortisol· und Aldosteronsekretion und einem konsekutiven ACTH·Anstieg. in der Folge werden vermehrt Steroide gebildet (vorwiegend Androgene), deren Synthese durch den Enzymdefekt nicht betroffen ist (I Abb. 1). Außerdem führt ACTH zu einer NNR·Hyperplasie, der das Syndrom seine englische Bezeichnung "congenital adrenal hyperplasia" verdankt. t Androgenproduzierende NNR-Tumoren: Karzinome, seltener Adenome t Cushing-Syndrom

Formen des AGS In 90-95% der Fälle liegt ein 21-Hydroxylase-Defekt zugrunde. Dabei werden wiederum mehrere Formen unterschieden:

t Klassische Form mit Salzverlustsyndrom und komplettem Enzymverlust, eine lebensbedrohliche Salzverlustkrise tritt typischer· weise zwischen der 2. und 3. Lebenswoche auf; Inzidenz I : 20.000 t Klassische Form ohne Salzverlustsyndrom, nur mit Virilisierung ("classic simple virilizing"), minimale Enzymaktivität vorhan· den (ca. 1%); Inzidenz 1: 60.000 t Nichtklassische Late-Onset-Form: Manifestation in der Regel kurz vor oder während der Pubertät, verschiedene Mutationen mit partieller Einschränkung der Enzymaktivität [20-50%); lnzidenz 1: 1.000 t Asymptomatische ("cryptic") Form: Genträger mit hormonellen Veränderungen, jedoch ohne klinische Symptome

Viel seltener treten andere Enzymdefekte, z. B. ein ll ß-Hydroxylase-Defekt, auf. Zu· sätzlich zur Androgenübe rproduktion kommt es dabei zur Hyperton ie durch die mineralokortikoide Wirkung des verstärkt gebildeten Desoxykortikosterons.

Androgenbildende Tumoren NNR-Tumoren mit alleiniger Androgensynthese sind selten. Für einen Tumor sprechen ein Auftreten nach dem 20. Lebensjahr, eine rasche Progredienz und extrem erhöhte Androgen kon zentra tionen. Klinik t Bei Mädchen mit einem AGS liegt bei der Geburt eine Virilisierung mit Hypertrophie der Klitoris vor. Das innere Genitale ist jedoch immer weiblich (Pseudohermaphroditismus femininus). Knaben sind bei der Geburt hin· gegen unauffällig. Wird die Krankheit nicht erkannt, so entwickelt sich bei beiden Geschlechtern eine zunehmende Pseudopubertas praecox (s. S. 90). Dabei kommt es zu einem vorzeitigen Auftreten der Sekundär· behaarung, einer Penis- bzw. Klitorishypertro· phie und beschleunigtem Längenwachstum , während die Hoden klein sind und die Fertili· tät ausbleibt. Als Kind er sind Betroffene im Vergleich zu Gleichaltrigen größer. Ohne Therapie tritt jedoch ein vorzeitiger Epiphysenschluss ein, weshalb sie als Erwachsene kleinwüchsig sind. Die hohe Androgenkonzentration bewirkt durch negative Rückkopp· lung eine Suppression der HypothalamusHypophysen-Gonaden-Achse mit einem hypo· gonadotropen Hypogonadismus. Bei Mädchen bleibt dann die Menarche aus (primäre Amenorrhö ). t Im Erwachsenenalter füh rt eine Hyper· androgenämie bei Männern zu keinen Ände· rungen des äußeren Erscheinungsbildes. Es

kommt jedoch durch den hypogonadotropen Hypogonadismus zu einem Ausbleiben der Spermatogenese und zur Hodenatrophie . Bei Frauen führt der Androgenüberschuss zu Hirsutism us (s . u.). Als Virilisierung bezeichnet man das zusätzliche Auftreten von androgenetischem Haarausfall, tiefer Stimme, der Entwicklung einer männlichen Körperform Klitorishypertrophie und Brustdrüsenatrophie bei übermäßig hohen Androgenkonzentrationen. t Bei ei ner späten Manifestation eines 21 -Hydroxylase-Mangels (Late-Onset-AGS) treten bei beiden Geschlechtern in der Pubertät ode bei Frauen auch im Erwachsenenalter zuneh-r mend Symptome der Hyperandrogenämie auf. Bei Frauen kann es zu einem Bild ähnlich dem PCOS mit Zyklusstörungen und Infertilität kom men (s.S. 100 f.).

Salzverlustkrise Typischerweise kom mt es zwischen der 2. und 3. Woche zu einer lebensbedrohlichen Krise als Folge der verminderten Glukokortikoid- und Mineralokortikoidsekretion . Betroffen sind häufiger Knaben, da sie bei der Geburt unauffällig sind . Die charakteristischen Symptome sind Trinkschwäche, Erbrechen und Dehydratation, die evtl. zum Kreislaufkollaps führen. Es kommt zur Hyponatriämie einer hyperkaliämischen Azidose und Hypo- ' glykämie.

Hirsutismus Diese Behaarung mit einem männlichen Verteilungsmusterbei Frauen ist Ausdruck einer Hyperandrogenämie oder einer gesteigerten Androgensensitivität in der Haut (idiopathischer Hirsutismus) . Die Hypertrichose dagegen ist eine vermehrte Körperbehaarung ohne männliches Verteilungsmuster (I Abb. 2). Zur einfachen Differenzierung zwischen Hirsutis-

Hypothalamus Gn RHJ.

CRHi Hypophyse

GonadotropineJ.

ACTHi

I Nebenniere I

I Gonaden I

Hormonvorstufen

l Hypogonadismus I

I ~

I Enzymdefekt '--

/

J

ad renale Androgenei

I

I

I

Ko rt1soiJ. AldosteronJ.

NNR-Insuffizienz Hyperandrogenämie Salzverlustsyndrom

I Abb . I : Die Hyperandrogenämi e führt beim AGs zu einer LH- /FS H-Suppression und einem hypogonadotropen Hypogonad ismu s. 115]

Nebennier e

82

I 83

musund Hypertrichose ist au f androgensensitive Regionen zu achten. Dazu gehören Oberlippe, Kinn, Brust, Bauch , Rücken , Lenden, Oberarme und Oberschenkel.

Diagnostik Die Diagnostik bei Verdacht auf eine Hyperandrogenämie umfasst die Bestimmung von DHEAS, Androstendion und Tes tosteron. Für eine Hyperandrogenämie spricht deren Erh öhung.

AGS Beweisend für einen 21 -Hydroxylase-Defekt ist eine starke Erhö· hung von 17·Hydroxyprogesteron (I Abb. I , S. 74), das durch den Enzymdefekt nicht zu Kortisol umgewa ndelt werden kann. Kortisol ist daher erniedrigt, ACTH erh öht, und du rch den Hypoaldosteronismus liegen eine Hyponatriämie und eine Hyperkaliämie vor. Nachdem bei einem Kind ein AGS diagnostiziert wurde, kann bei einer weiteren Schwangerschaft eine pränatale Diagnostik durchgeführt werden. Dabei wird eine Genanalyse aus einer Chorionzottenbiopsie erstellt. Alterna tiven si nd eine HLA·Typisierun g von Amnionzellen (AGS·Patienten einer Fam ilie haben den gleichen HLA-Genotyp) oder eine 17-Hydroxyproges teron- und And rostendionbesti mmung im Fruchtwasser. Schwieriger ist der Nachweis eines Late-Onset-AGS mit 21 -Hydroxylase-Mangel. Bei Frau en erfolgt die Durch führung in der frühfolli· kulären Phase. Hinweisend sind eine erhöhte basale Konzentration von 17-Hydroxyprogesteron und ein deutlicher Anstieg nach Stimulation durch ACTH (Synacthen®). Differentialdiagnostisch sind ein PCOS bzw. ein Cushing-Syndro m abzugrenzen.

I Abb. 2: Vergleich: a) Hirsuti smus mit mä nnli chem Behaa rungsmuster, b) Hypertrichose. [2]

Androgenbildender Tumor Liegt eine extreme Erhöhung der Androgene vor (Tumorbereich: Tes· tosteron > 1.500 ngldl oder DH EAS > 7.000 1Jg/dl), besteht der Ver· dacht auf einen androgenbildenden Tumor der Nebenniere oder der Gonaden. Es erfolgt eine weitere Abklärung durch bildgebende Verfahren. In unklaren Fällen kann zur Unterscheidu ng zwi schen einer autonomen Androgensynth ese durch einen Tumor oder einer funktionellen Hyperandrogenämie (AGS, M. Cushing) ein Suppressionstes t ähnlich dem hochdosierten Dexamethasonhemmtest (s. S. 78; hier 3 mg Dexamethason 3 x täglich über drei Tage) mit einer Bestimmung der Androgene durchgefü hrt werd en. Bei m AGS kommt es zu einer Sup· pression, während bei Tumoren nur eine irrkomplette Suppression erreicht wird.

Zusammenfassung Adrenogenitales Syndrom 1C Autosoma I-rezessiv vererbte Enzymdefekte mit vermehrter Androgensynthese und verminderter Kortisol- und Aldosteronsekretion; häufigste Form: 21-Hydroxylase-Defekt mit Erhöhung von 17-Hydroxyprogesteron. Patienten sind in der Kindheit groß,

exzessiver Androgenerh6hung --. Tumorverdachtl

als Erwachsene klein. - Bei Mädchen Virilisierung mit Klitorishypertrophie

Therapie Die Behandlung des AGS besteht in einer lebenslangen Glukokortikoidsubstitution zur Suppression der hohen ACTH-Kon zentrationen. Die Dosis sollte dabei über den ganzen Tag verteilt werden, wobei ein Teil abends eingenommen wird, um den morgendlichen ACTH-Anstieg zu unterdrücken. Bei einem Salzverlustsyndrom sind zusätzlich Mineralokortikoide (Fludrokortison ) notwendig. Bei der Late·OnsetForm liegt hingegen kein Glukokorti koidmangel vor. Es sollte daher lediglich zur Androgensuppression die geringste nötige Kortisoldosis gegeben werden. Kinder erhalten eine kl einere Dosis, die im Laufe des Wachstums regelmäßig erhöht werden muss. Außerdem muss die Dosis bei allen Stresssituati onen angepasst werden. NNR-Tumoren werd en durch operative Entfe rnung behandelt. Bel Karzinomen ist dabei ein ausreic hend großer Resektionsrand einzuhalten. Der Hirsutlsmus kann mechanisc h (Rasur, Epilation, Elektrolyse) oder medikamentös (z. B. orale Kontrazeptiva) behandelt werden (s.S. 100) .

- Bei Jungen: bei der Geburt unauffällig, Gefahr des Salzverlustsyndroms! Ohne Therapie spätere Entwicklung einer Pseudopubertas praecox - Bei Frauen: Leitsymptom Hirsutismus. Bei Männern tritt keine Veränderung der äußeren Erscheinung auf.

a Therapie: medikamentös Androgenbildende Tumoren X Verdacht auf Malignom bei exzessiver Androgenerhöhung 1C Therapie: operativ

Nebennierenrindeninsuffizienz Als Nebennierenrindeninsuffizienz werden die verminderte oder fehlende Sekretion von Kortisol, Aldosteron und adrenalen Androgenen sowie die resultierenden Krankheitsbilder bezeichnet. Man unterscheidet eine primäre Form mit akuter oder allmählicher Destruktion der NNR von einer sekundären Form bei Hypopituitarismus (infolge Ausfalls de r ACTH-Produktion) oder durch exogene Steroide. Die lnzidenz liegt bei etwa 5 : 100.000/ Jahr. Ätiologie

Primäre NNR-Insuffizienz (M. Addison} t Autoimmunadrenalitis: evtl. in Kombi· nation mit anderen Autoimmunerkrankungen (s. S. I 06 f. ), ca. 75% der primären NNRInsuffizienzen t Infektionen mit Zerstörung der Nebenniere: nekrotisierende CMY. Adrenaliris bei AIDS-Patienten; Tuberkulose, die in den westlichen Ländern recht geringe Bedeutung hat, in Entwicklungsländern jedoch zu den häufigsten Ursache einer NNRInsuffizienz gehört! t Metastasen: bei Bronchialkarzinomen, maligne Melanomen, Nierenzellkarzinomen. Nur ein Teil der Patienten entwickelt eine therapiebedürftige NNR-Insuffizienz. t Waterhouse-Friderichsen-Syndrom: seltene hämorrhagische Destruktion der Nebennieren mit akuter Insuffizienz durch Infekt, v. a. bei Kindern (klassisch durch Meningokokken, aber z. B. auch Pseudo· monas) t Seltene genetische Enzymdefekte der Nebennierenrinde

Sekundäre NNR-Insuffizienz t Hypopituitarismus: Meist liegt keine iso·

lierte ACTH-Unterfunktion vor. Daher sollte eine Diagnostik der Hypophysenvorderlappen· funktion durchgeführt werden. t Iatrogen: Suppression der HypothalamusHypophysen-Achse durch exogene Steroide mit NNR-Atrophie durch verminderten ACTH-Stimulus

Hyperpigmentierung fehlt, da die ACTH-Sekr _ tion vermindert ist. Wegen der blassen und e pigmentlosen Haut spricht man auch von einem "weißen Addison". Klinik Die Symptomatik ist abhängig vom Verlauf und Ausmaß der NNR-Insuffizienz. Die Krankheit schreitet oft langsam voran. Klinische Zeichen treten erst ab einer Zerstörung von 90 % der Nebenniere auf. Im Rahmen eines akuten Stresszustandes kann es zur Dekompensation einer chronischen Insuffizienz kom men (Addison-Krise, s. u.). Die Diagnostik bei der primären NNR-Insuffizienz gestaltet sich häufig schwierig, da die

Symptome sehr unspezifisch sind. Die vier folgenden Zeichen kommen jedoch häufig vor: t Schwäche und rasche Ermüdbarkeit t Dehydratation und Gewichtsverlust

t Hypotonie t Hyperpigmentierung Daneben kommt es auch oft zu gastrointestinalen Beschwerden (Appetitlosigkeit, Übelkeit, Oberbauchschmerzen) und gelegentlich zu Hypoglykämien. Ein sehr spezifisches Zeichen ist hingegen die Hyperpigmentierung. Sie entsteht durch eine hypothalamisch-hypophysäre Gegenregulation mit vermehrter Sekretion von ACTH , aus dem das Peptid a-MSH abgespalten werden kann (s. a. S. 37). a-MSH stimuliert wie ß- und y-MSH die Melaninbildung in den Melanozyten. Die verstärkte Pigmentierung ist vor allem an den Handlinien (I Abb. I), der Schleimhaut, den Areolae mammae, den Fingerknöcheln und an Narbengewebe zu beobachten. Durch den Androgenmangel kommt es bei Frauen zu einer verminderten Schambehaarung, Mus· ketschwund und Libidoverlust Bei Männern ergeben sich, solange die Testosteronproduktion in den Hoden normal ist, keine solchen Symptome. Die sekundäre NNR-Insuffizienz entspricht weitgehend dem Bild der primären Form, jedoch ohne Hypotonie und Zeichen von Elektrolytstörungen, da die Regulation über das RAAS meist noch erhalten ist. Auch die

Di agnostik Manchmal kann es notwendig sein, Untersuchungen zu wiederholen, um eine NNR-Insu ffizie nz nachzuweisen. Durch den Aldosteronausfall kommt es zu einer verminderte Na+-Rückresorption und erhöhten K+-Reten- n tion. Hinweisend ist daher die Kombination

von Hyponatriämie und Hyperkaliämie. Natrium kann durch die Dehydratation aber auch im Normbereich liegen. Außerdem kann es zur Retention harnpfl ichtiger Substanzen zu Hyperkalzämie, Hypoglykämie, Anämie, ' Lym phozytose und Eosinophilie kommen. NNR-Insuffizienz: K" t , (Na• .J..) ~ Na• /K• 2 vor. Wegen des häufig assoziierten metabolischen Syndroms sollten der BMI be· rechnet, Blutdruck und Lipoproteine be· stimmt und ein oGTT durchgeführt werden.

Therapie Das Ziel der Behandlung ist eine Unterbre· chung des Circulus vitiosus. Die wichtigste Maßnahme bei adipösen Patientinnen besteht

in einer Gewichtsreduktion! Die weiteren Methoden richten sich nach dem gewünsch· ten Therapieziel: ~ Für die Therapie des Hirsutismus stehen mechanische Verfahren wie Rasur, Epilation oder Elektrolyse zur Verfügung. Eine medika· mentöse Therapie erfolgt z. B. durch orale Kontrazeptiva mit einer antiandrogenen Ge· stagenkomponente. ~ Zykluskontrolle: Durch eine zyklische Cestagengabe über mindestens 12 Tage pro Monat zur sekretorischen Endometriumum· wandJung können eine regelmäßige Menstrua· tionsblutung erreicht und eine Endometrium· hyperplasieverhindert werden. Bei der An· wendungvon oralen Kontrazeptiva kann auch die Androgensynthese supprimiert werden. ~ Besteht ein Kinderwunsch, so muss meist eine Ovulation induziert werden. Sehr gute Ergebnisse lassen sich mit einer Kombination von Metformin und Clomifen (nichtsteroida· !er Östrogenantagonist) erzielen. Clomifen führt zu einer Erhöhung der FSH-Sekretion. Diese Therapie ist bislang noch nicht zuge· lassen. Sie wird nur im Rahmen von Studien

angewendet und soll im Fall eines Schwanger· Schaftseintritts abgesetzt werden. Als Alter· native kann auch eine Fertilitätstherapie durchgeführt werden (s. S. 92). Durch Met· formin wird die Insulinresistenz gesenkt und so die Androgenkonzentration signifikant vermindert. Nach neueren Untersuchungen lassen sich auch bei nicht insulinresistenten Patientinnen positive Effekte durch Metfor· min nachweisen. t Ein operativer Eingriff mit laparoskopi· scher Elektrokoagulation oder Laservaporisa· tion der Ovaroberfläche hat heute nur noch eine untergeordnete Bedeutung.

Komplikationen Bei Patientinnen mit PCOS kann es zu Lang· Zeitkomplikationen wie Diabetes mellitus Typ 2 und kardiavaskulären Erkrankungen kommen. Es besteht auch ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Hypertonie oder eines Endometriumkarzinoms (durch den chroni· sehen Östrogenstimulus).

Zusammenfassung X Pathogenese: Insulinresistenz ~ Hyperandrogenämie ~ periphere kontinuierliche (azyklische) Aromatisierung ~Anstieg des LH/FSH-Quotienten ~

Verstärkung der Hyperandrogenämie

• Klinik: Hyperandrogenämie (Hirsutismus, Akne, androgenetische Alopezie) und chronische Anovulation • Diagnose: durch Ausschluss anderer Krankheiten mit Anovulation oder Hyperandrogenämie • Therapie: wichtigste Maßnahme Gewichtsreduktion!

Klimakterium Eine zunehmende Follikelatresie führt etwa um das 50. Lebensjahr zu einer Erschöpfung stimulierbarer Follikel. Es kommt zu einem langsamen Sistieren der Follikelreifung und einem zunehmenden ÖstrogenmangeL Dabei können verschiedene Phasen unterschieden werden (I Tab. I). Klin ik Es kommt zu zunehmenden Zyklusunregel· mäßigkeiten mit verminderten und verkürz· ten Blutungen und anovulatorische Zyklen. Des Weiteren treten typische Östrogenman· gelsymptome (I Tab. 2) auf. Diese sind nicht spezifisch für die Postrnenopause, sondern können auch bei einem Östrogenmangel an· derer Genese vorkommen. Zunächst domi· nieren neurovegetative und psychische Sym· ptome, bei längerem Östrogenmangel kommt es auch zu Organveränderungen. Diagnostik Die Diagnose der Menopause wird rückbli· ckend nach 12-monatiger Amenorrhö gestellt. Dazu sind das Alter, die Menstruationsana· mnese und klinische Symptome meist ausreichend. Zum Teil ist auch eine standardisierte Befragung mittels Fragebogen hilfreich. Nur in bestimmten Fällen ist eine Hormonbestimmung erforderlich, wobei FSH erhöht und Östradiol erniedrigt sind. Die Hormonkonzentrationen folgen im Klimakterium einem typischen Verlauf (I Abb. 1). in der Prä- und Perimenopause tritt bereits ein Progesteronmangel auf, während die Östrogensynthese noch vorhanden ist und erst später abfällt. Die fehlende negative Rückkopplung führt dann zu einem GnRH·Anstieg mit folgender FSHund LH -Erhöhung.

hyperplasie kombiniert werden. Androgene Gestagene können Hirsutismus und Akne fördern, haben jedoch auch positive Effekte auf Antrieb und Stimmung. Durch eine Hormonersatztherapie (HET) können vegetative Symptome und andere Beschwerden wirksam behandelt werden. Eine Langzeitbehandlung mit Östrogenen dient der Osteoporoseprophylaxe. Es wurde jedoch in mehreren großen Studien, z. B. der Women's Health Initiative (WH!), eine erhöhte In zidenz von Mammakarzinomen und thromboembolischen Ereignissen bei einer HET nachgewiesen. Bei der WHI-Stud ie wurde der Studienarm mit einer Östrogen-Gestagen-Therapie aufgrund von schweren Gefäßereignissen wie Apoplexie, Myokardinfarkt und Lungenembolie vorzeitig abgebrochen. Dabei traten die meisten Nebenwirkungen in den ersten 1-2 Jahren auf, während die Inzidenz der Mammakarzinome bei einer Therapie über mehr als 5 Jahre signifikant anstieg. Obwohl die Zusammensetzung der Studien· population mit einem erhöhten Vorkommen kardiavaskulärer Risikofaktoren kritisiert wurde, liegen derzeit keine gleichwertigen Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit der HET vor. Es ist daher ein Wandel von einer unkriti·

FSH, LH E1• E2 (miE/ml) (pg/ml) Prämeno - Peri100 80 60 40

140 120 100

·····.. -

~

..,

20

10

of

Hitzewa llungen Schweißausbrüche

t Palpitationen (Herzrasen) Psychische

t Schlafstörungen

Störungen

t Stimmungsschwankungen t Depressive Verstimmung

Organverände-

t Osteoporos e

run gen

t Urogenitale Veränderungen (Vaginalatrophie)

t Arthralgie (Arthropathia cl imacterica)

t Kardiavaskuläre Erkrankungen

I

Tab. 2 : Symptome des Östrogenmange ls.

sehen Anwendung der Langzeittherapie zu einer kurzen, symptomorientierten Behandlung akuter klimakterischer Beschwerden eingetreten. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis muss eingeschätzt und die Indikation zur Therapie regelmäßig überprüft werden! Signifikante Vorteile bezüglich des Risikos von Thromboembolien hat eine transdermale Applikation durch Umgehung des First-Pass-Effektes bei nur geringer Veränderung der leberspezifi schen Gerinnungsparameter.

I

Abb. 1: Verlauf der Hormo nkonzentra t ionen

im Klimak te rium

(E, -

Östron,

E1 -

Östrad io l,

P - Progesteron, LH - luteinis ie rendes Hormon ' FSH - follike lstimul ierendes Hormon). [2]

..'\.

·6 4

\~

LH

....

-----F-sH-

··••, ,,r•...... .

·······

o,2

o~_,--.--.-,-..-.-..,-.-...--.,....-J- o 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62

Alter (fahre)

Klimakterium

Übergang vom Ende der ferti len Phase zum Beginn des Seniums

Menopause

Letzte spontane ovariell gesteuerte Regelblutung (mit durchschnittlich 51 Jahren)

Prämenopause

t t

8

\

: E, ~ .........

ll 30

10

El pause

·........ \

80

IO

Postmenopause

meno-

pause

40

Therapie Verwendet werden Östrogene, die bei nicht hysterektomierten Frauen mit einem Gestagen zum Schutz vor einer Endometrium-

P(ng/ml)

Neurovegeta tive Symptome

Zunehmende Zyklusunrege lmäßigkeiten und vege tative Beschwerden (beginnt ca . 5 Jahre vor

Zusammenfassung ac Die Menopause (letzte Men-

der Menopa use)

struationsblutung) tritt um das

Postmenopause

Beginnt ein Jahr nach der Menopause und geht nach 10- 15 Jahren ins Senium über

50. Lebensjahr ein.

Perimenopause

Übergang zwischen Prä- und Postmenopause (ca. 2 Jahre vor und nach der Menopa use)

1 Tab.

1: Beim Klimak t eri um können versch iedene Phasen unterschieden werden .

X Klimakterische Symptome: Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Schlafstörungen

ac Heute keine Langzeit-Hormonersatztherapie mehr!

Hormonelle Kontrazeption

1021103

Die hormonelle Kontrazeption mit einer Östrogen-Gestagen-Kombination ist heute die zuverlässigste reversible Methode. Die Sicherheit von Kontrazeptiva wird durch den Pearllndex angegeben, der sich aus der Zahl der ungewollten Schwangerschaften pro I 00 Frauenjahre [= 1.200 Zyklen) errechnet. Die Sicherheit ist jedoch nur bei täglicher Einnahme gegeben!

I

Abb. 1: Präparatetypen zur oralen Kontrazeption.

[1]

Wirkung Es entsteht eine funktionelle Sterilität. Diese beruht auf mehreren Mechanismen: I Die Hauptwirkung beruht auf der Inhibition der Gonadotropinausschüttung [negative Rückkopplung) mit folgender Hemmung des Follikelwachstums und der Ovulation. I Weitere Effekte werden vorwiegend durch die Cestagenkomponente vermittelt: - Macht Zervixschleim für Spermien undurchdringbar - Antiproliferatorische Wirkung auf das Endometrium und Bewirken einer vorzeitigen sekretorischen Transformation, wodurch die Einnistung verhindert wird [Nidations· hemmung) - Hemmung der Tubenmotilität

Substanzen Als Östrogenkomponente kommen Ethinylöstradiol oder Mestranol [wird in Ethinylöstradiol umgewandelt) zur Anwendung, häufig in einer Dosis von 30-35 )lg. Es stehen zahlreiche Gestagene zur Verfügung, die sich vom 17a-Hydroxyprogesteron oder 19·Nortestosteron ableiten. Zu den Progesteronderivaten gehören z. B. Cyproteronacetat oder Medroxyprogesteron. Die Derivate des 19-Nortestosterons haben alle eine geringe androgene Wirkung (Ausnahme: Dienagest = antiandrogen). Bei den Substanzen der dritten Generation [z. B. Desogestrel, Gestaden, Norgestimat) ist die androgene Restwirkung jedoch sehr gering. Präparate Die Einnahme von oralen Kontrazeptiva erfolgt in einem zyklischen Schema mit einer Einnahme über 21 Tage und einem hormonfreien Intervall von 7 Tagen, in dem die Abbruchblutung erfolgt. Die Präparate unterscheiden sich in der Zusammensetzung der Substanzen und der Dosierung. Der Dosierungsverlauf verschiedener Kombinationspräparate ist in I Abb. 1 zu erkennen. Vorteile der Einphasenpräparate sind eine gute Zykluskontrolle und eine mögliche Verbesserung einer Dysmenorrhö (Regelschmerzen) . Bei den Dreistufenpräparaten ist das Ziel eine möglichst physiologische Anpassung an den Zyklus. Die kontrazeptive Wirkung der "Minipille" beruht auf einer kontinuierlichen Gestagengabe, die jedoch mit einer geringeren Zuverlässigkeit verbunden ist.

Die parentale Anwendung kann als Depotpräparat (z. B. gestagenhaltiges Depo-Clinovir® alle 3 Monate) oder neuerdings als Pflaster (EVRA®= Östrogen-Gestagen-Kombination) erfolgen. Durch Umgehung des First·Pass·Ef· fektes bei transdermaler Anwendung sinkt das Risiko thromboembolischer Komplikationen. Die Auswahl eines geeigneten Präparats richtet sich nach Kontraindikationen und weiteren Faktoren wie Nebenwirkungen, Zuverlässigkeit, Verträglichkeit und Zykluskontrolle. In Deutschland wird als Postkoitalpille ("Pille danach") hochdosiertes Levonorgestrel (Duofem®, Levogynon®) verwendet. Die An· wendungsollte möglichst bald (spätestens nach 72 Std.), nach Ausschluss einer bestehenden Schwangerschaft, erfolgen und nach 12 Std. wiederholt werden. Durch die hohe

Nebenwirkungen

Dosis kommt es häufig zu Übelkeit und Erbre· chen. Nebenwirkungen und Kontraindikationen Neben den unerwünschten Wirkungen treten auch einige Effekte auf, die therapeutisch erwünscht sind: Verbesserung der Zykluskontrolle (weniger Zwischenblutungen, selte· ner Eisenmangelanämie und Dysmenorrhö), weniger Akne, Senkung des Endometriumund Ovarialkarzinomrisikos. Es gibt aber auch zahlreiche unerwünschte Wirkungen (I Tab. 1). Weitere Nebenwirkungen sind eine Triglyzeriderhöhung, Wasserretention, Gewichtszunahme, Ödeme, Appetitsteigerung, Übel· keit, Erbrechen, Ulcus ventriculi u.v. a.

Absolute Kontraindikationen

Relative Kontraindikationen

Arterielle und venöse Th rombo-

Nach Thromboembolien (tiefe Venen-

Migräne (Absetzen bei Neuauftreten

embolien

thrombose, Apoplexie, Myokard-

von Migräne oder Sehstörun gen --.

evtl. Hinweis auf zerebrale MikroInfarkt) - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - embolien) Periph ere Durchblutungsstörungen Kardiavaskuläre Erkrankungen Hypertonie

Hypertonie(> 160/95 mm Hg)

Hypertonie

Schwangerschaft Lebererkrankungen (Cholestase,

Akute und chronische Lebererkran-

Ikteru s, Adenome!

kungen

Wahrscheinlich kein erhöh tes

Östrogenabhängige Karzinome

Mammakarzinomrisiko

(Mamma-, Endometriumkarzinom)

Erhöhung der Insulinresistenz

Mikro-/Makroangiopathie bei Dia-

Diabetes mellitus

betes mellitus Typ 2 Raucherinn en über 35 Jahre

I

Rauch en

Tab. 1: Nebenwirkungen und Kontraindikationen oraler Kontrazeptiva.

Zusammenfassung X Durch verschiedene Effekte (v. a. Hemmung der Gonadotropinausschüttung) entsteht bei der hormonellen Kontrazeption mit Östrogenen und Gestagenen eine reversible funktionelle Sterilität. X Nebenwirkungen: arterielle und venöse Thromboembolien, Hypertonie, Lebererkrankungen I

Multiple endokrine Neoplasie (M EN) Bei der multiplen endokrinen Neoplasie [MEN) handelt es sich um eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung mit benignen oder malignen Veränderungen in zwei oder mehr endokrinen Organen (I Abb. I). Die Prävalenz liegt für die MEN I und 2 bei jeweils etwa I : 50.000. Der Erbgang ist autosomaldominant Bei ei nem Auftreten in der Familie beträgt daher die Wahrscheinlichkei t für einen Angehörigen ersten Grades, auch an einer MEN zu erkranken, etwa 50 %. Es liegt somit eine starke familiäre Häufung vor. Demzufolge kommt den präventiven Maßnahmen eine große Bedeutung zu. Für die Diagnose spielt der Nachweis von Genmutationen eine zentrale Rolle. Genetische Untersuchungen sollen dabei zweimal mit verschiedenen Proben durchgeführt werden. Charakteristisch für die MEN sind eine Manifestation im jüngeren Lebensalter und ein multifokales oder bilaterales Auftreten von Tumoren.

MEN Typ 1 Die MEN 1 entsteht durch Mutationen im Gen, das für das Menin-Protein kodiert. Sie ist durch folgende Syndrome gekennzeichnet: II Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT, in 90 %): meist Nebenschilddrüsenhyperplasie II Endokrine Pankreastumoren (50-85 %): Gastrinom, Insulinom, VIPom (s. S. 108 f. ) II Hypophysenadenome (30 - 65 %): hormoninaktiv oder -aktiv (Prolaktinom, GH-produzierender Tumor)

Hypophysentumor, Akromegalie, Prolaktinom , CUSHING -Syndrom

Bei diesen Patienten findet man auch vermehrt multiple Lipome. Selten treten weite re neuroendokrine Tumoren des Thymus, der Lunge oder des Gastrointestinaltrakts auf. Klinik Das Bild der MEN l ist bestimmt durch Zei· chen der Hyperkalziämie wie Polyurie und rezidivierende Nephrolithiasis. Der pHPT (s. S. 64 f. ) ist häufig die erste Manifestation und tritt bei der MEN vermehrt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf. Dazu können Beschwerden durch eine Hyperprolaktinäm ie oder vermehrte GH-Sekretion [Akromegalie, s. S. 104 f.) kommen. Endokrine Pankreastumoren manifestieren sich vorwiegend durch gastrointestinale Beschwerden.

durchgeführt werden. Dazu erfolgt eine Bestimmung von Kalzium , intakte m PTH, Prolaktin, GH, IGF- I und bei klinisc hem Verdacht auch von Gastrin und Insulin. Da bei der MEN Typ I maligne Tumoren nicht un bedingt auftreten, werden regelmäßige Screeni nguntersuchungen und eine genetische Diagnostik teilweise erst ab dem 18. Lebensjahr durchgeführt. Therapie Eine Operation sollte bei einem pHPT oder einem lnsulinom erfolgen, wobei jedoch häu fig Rezidive auftreten. Gastrinome treten häufig multizentrisch auf und sind operativ schwer zu entfernen. Die Symptome lassen sich jedoch gut durch Protonenpumpenhemmer beherrschen. Die Therapie der Hypophysentumoren ist auf Seite 38 beschrieben.

Diagnostik Diagnostik und Therapie entsprechen weitMEN Typ 2 gehend dem Vorgehen bei solitärem Auftreten der einzelnen Erkrankungen. Vor allem bei Bei der MEN 2 un terscheidet man drei Unterformen: der Manifestation eines pHPT bei jüngeren Patienten [Ca 2+t und PTH t ) sollte auch an die Möglichkeit einer MEN gedacht werden. II FMTC ["familial medullary thyroid carcinoNachdem eine MEN l nachgewiesen wurde, ma"): nur medulläres Schilddrüsenkarzinom wird auch bei Familienmitgliedern eine geneohne Assoziation mit anderen Erkrankungen (ca. 15 %) tische Diagnostik zum Nachweis einer MutaII MEN 2a [ca. 80 %) tion empfohlen . Im Gegensatz zur MEN 2, II MEN 2b (selten) bei der nur bestimmte Mutationen eine RETAktivierung bedingen, können zahlreiche Mutationen zu einem Defekt des Menin-Proteins Die Gemeinsamkeit sind aktivierende Mutaführen. Bei etwa I 0-20% der Patienten ist tionen im RET-Protoonkogen, das für einen daher auch bei eindeutiger Diagnose einer Tyrosink.inaserezeptor kodiert. Nur MutatioMEN Typ I kein Nachweis einer Mutation nen an bestimmten Stellen ("hot spots") fü hmöglich. ren zu einer Aktivierung dieses Rezeptors unct Bei den betroffenen Patienten sollte eine somit zur Tumorentstehung. Leittumor bei regelmäßige Screeninguntersuchung zur allen Formen der MEN 2 ist ein medulläres Schilddrüsenkarzinom [s. S. 60) . Erkennung von später auftretenden Tumoren

medulläres Schilddrüsenkarzinom Neurome Augenlid, Lippe, Zunge, Kolon

primärer Hyperparathyreoid ismus Pankreastumor, Gastrinom,

Glukagonom , VIPom

Phäochromozytom

I

Abb. 1: Überlappung der Orga nbeteiligungen be i der multiplen endokri nen Neoplasie. [20)

Spezielle Themen

1041 105

I Abb. 2: Schleimhautneurome an Zunge und Lippen bei einem Patienten mit MEN Typ 2b. [21

MEN 2a Bei der MEN 2a treten auf:

t Medulläres Schilddrüsenkarzinom (ca. 90-100%) t (Beidseitiges) Phäochromozytom (ca. 85-90%) t Primärer Hyperparathyreoidismus (ca. 60%)

MEN 2b DieMEN Typ 2b ist viel seltener als der Typ 2a. Teilweise ist durch den charakteris· tischen marfanoiden Körperbau und Schleimhautneurome eine Blickdiagnose möglich (I Abb. 2). Ein primärer Hyperparathyreoidismus kommt meist nicht vor. Das medulläre Schilddrüsenkarzinom bei der MEN 2b tritt bereits sehr früh auf und hat eine schlechtere Prognose als bei der MEN 2a.

Häufig tritt zwischen dem 20. und 40. Le· bensjahr eine Knotenbildung in der Schilddrüse als Zeichen eines medullären Schilddrüsen- Diagnostik und Therapie karzinoms auf. Hinweisend ist eine erhöhte Kalzitoninkonzentration . Im Unterschied zum Bis zum endgültigen Nachweis sollte bei sporadischen Karzinom kommt es zu einer allen medullären Schilddrüsenkarzinofrüheren Manifestation und häufig zu einem men von einem familiären Auftreten ausmultizentrischen Auftreten. Ansonsten präsengegangen werden, da ein Viertel dieser tiert sich das familiäre medulläre Schilddrüsen· Tumoren im Rahmen einer MEN Typ 2 karzinomwie die sporadische Form. vorkommt Ein Phäochromozytom tritt meist erst später auf und führt zu einer Hypertonie. Ein pHPT Daher sollte neben der operativen Entferwird häufig erst nach Diagnose des medullären Schilddrüsenkarzinoms manifest und ent· nung auch immer eine genetische Diagnostik zum Nachweis einer MEN-2-auslösenden wickelt nur eine geringe Symptomatik.

RH-Mutation erfolgen. Bei einem positiven Nachweis ist auch ein genetisches Familien· screening durchzuführen. Den betroffenen Familienmitgliedern wird wegen des sicheren Auftretens eines Karzinoms möglichst früh eine prophylaktische Thyreoidektomie emp· fohlen. Vor der Thyreoidektomie muss ein Phäochromozytom ausgeschlossen werden, das zuerst operiert wird . Bei der MEN 2b kommt es bereits bei Kleinkindern zu einer Tumorentstehung und Metastasierung, so dass eine Thyreoidektomie vor dem 1. Lebensjahr erfolgen sollte. Bei den weniger aggressiven Karzinomen im Rahmen der MEN 2a wird eine Schilddrüsenentfernung vor dem 6. Lebensjahr empfohlen. Als Screening auf weitere Erkrankungen sollten eine regelmäßige Kalzium-, PTH- und Metanephrin- bzw. Katecholaminbestimmung erfolgen.

Zusammenfassung X Multiple endokrine Neoplasie: multifokales oder bilaterales Auftreten von endokrinen Tumoren in jüngerem Lebensalter X MEN Typ 1: pHPT plus endokrine Pankreastumoren +Hypophysenadenome X MEN Typ 2: medulläres Schilddrüsenkarzinom plus - 2a: Phäochromozytom + pHPT 2b: Phäochromozytom + Neurome X Therapie ähnlich wie bei solitärem Auftreten. Nach positiver genetischer Untersuchung sollten regelmäßige Screeninguntersuchungen erfolgen und evtl. präventive Maßnahmen durchgeführt werden.

Polyglanduläres Autoimmunsyndrom (PAS) Das polyglanduläre Autoimmunsyndrom Manifestation Häufigkeit (oder auch autoimmunes polyglanduläres Syndrom = APS) ist eine seltene, hereditäre ErTyp 1 Uuvenile Form) Mukokutane Candidiasis 75-90% krankung mit einer gleichzeitigen oder nachHypoparathyreoidismus 80-90% einander folgenden Manifestation von zwei M. Addison 60-70% oder mehr endokrinen Autoimmunopathien. M. Addison Ca. 100% Daneben kommt es aber auch zu weiteren Typ 2 !adulte Form) Erkrankungen, die wahrscheinlich nicht Autoimmunthyreopathie (chron. lymphozytäre Thyreoid itis Ca. 70% durch autoimmune Prozesse entstehen. Zwimit Hypothyreose, M. Basedow) schen dem Auftreten der einzelnen ErkranDiabetes mellitus Typ 1 Ca. 50% kungen können auch mehrere Jahre liegen. I Tab. 1: Häufige Erk rankungen bei den polyglandulären Autoimmunsyndromen. Daher soll nochmals auf die Bedeutung der Familienanamnese und der Erhebung von früheren und bestehenden Krankheiten hingewiesen werden, die eventuell in Assoziation mit den aktuellen Beschwerden stehen. Beim gehäuft. Das PAS Typ I wird auch als APE· Klinik CED-Syndrom (autoimmune Polyendokrino- Bei betroffenen Kindern kommt es meist zu Auftreten einer autoimmunen Endokrinapapathie-Candidiasis-ektodermale-Dystrophie) thie sollte immer auch an eine Manifestation einer rezidivierenden mukokutanen Candiim Rahmen eines PAS gedacht werden. Eine bezeichnet diasis (I Abb. I) , die schlecht auf eine TheraGefahr stellt v. a. die NNR-Insuffizienz dar. pie anspricht. Dazu kommen Symptome des Die Krankheit verläuft schleichend, und die Pathophysiologie Hypoparathyreoidismus mit Parästhesien Im Thymus erfolgt die Reifung der I-LymphoSymptome sind derart unspezifisch, dass sie und Tetanie bis zu Dyskinesien. Eine häufig nur schwer erkannt wird. Beim PAS unterzyten. Ausgehend von unreifen Zellen findet assoziierte NNR-Insuffizienz kann auch erst scheidet man eine juvenile Form (Typ I) von zuerst eine positive Selektion statt. Im AnJahre später auftreten. Etwa die Hälfte der einer adulten Form (Typ 2, I Tab. I) . Eine Un- schluss erfolgt die negative Selektion, bei der Frauen entwickelt nach der Pubertät eine vorterscheidung ist dabei häufig erst im Verlauf potentiell autoreaktive Zellen ausgeschlossen zeitige Ovarialinsuffizienz. Seltener kommt es möglich. werden. Dabei präsentieren medulläre Thyzu einer Insuffizienz der Schilddrüse oder des endokrinen Pankreas oder zu einer musepithelzellen körpereigene Antigene an Au toimm unhepati tis. I-Lymphozyten. Erkennen die I-Zellen die Die einzelnen Erkrankungen können Antigene, bekommen sie von den Thymusepigleichzeitig oder auch Jahre nacheinanthelzellen ein Signal, das die Apoptose induPolyglanduläres Autoimmunder auftreten! ziert. Nur T-Lymphozyten, die nicht mit körsyndrom Typ 2 pereigenen Antigenen reagieren, werden selektioniert. Eine zentrale Bedeutung bei die- Das polyglanduläre Autoimmunsyndrom Polyglanduläres Autoimmunsem Vorgang hat das AI RE-Gen (AutoimmunTyp 2 kommt viel häufiger als der Typ 1 vor syndrom Typ 1 und wird überwiegend autosomal-dominant regulator), dessen Produkt als Transkriptionsfaktor zur Expression verschiedenster Selbstvererbt, jedoch mit unterschiedlicher PeneDiese seltene Erkrankung manifestiert sich tranz. Für das Auftreten dürften weitere Fakhäufig schon in der ersten Lebensdekade. Die Antigene (Proteine) an der Zellmembran der toren von Bedeutung sein, da häufiger Frauen Ursache ist ein Gendefekt, der zu einer Auto- Thymusepithelzellen führt. Das Besondere daran ist, dass durch das AIRE-Gen auch Anti- betroffen sind, während endokrine Autoimimmunität führt (s. u.). Durch den meist gene exprimiert werden, die sonst nur an munopathien bei Männern eher isoliert aufautosomal-rezessiven Erbgang sind mitunter räumlich getrennten Zellen vorkommen. Bei treten. Die Ursache ist unbekannt. Es besteht weitere Geschwister betroffen, während die jedoch eine Assoziation mit HLA-DR3 und einem Gendefekt wird somit die negative Eltern nur ein defektes Gen haben. Dieses Selektion der I-Lymphozyten verhindert, und -DR4. Typischerweise kommen verschiedene Syndrom tritt in Deutschland nur sporadisch Antikörper vor (I Tab. 3). auf, ist jedoch z. B. bei Finnen und Sardiniern es kann eine Autoimmunität entstehen.

I Abb. 1: Mukokutane Candidiasis. [13J

Spezielle Themen

I PAS Typ 1 Kinder, Jugendliche

Erwachsene

Autosomal-rezessiv

Autosomal- 90 %): Bei einem Rush kann ein Erythem an Gesicht, Hals, Nacken und oberem Rumpf auftreten. Es kommt zu Hitzewallungen und Jucken sowie Schwindel und Schwäche durch die Hypotonie. Die Anfälle können teilweise durch Nahrung, Alkohol Stress, emotionale Aufregung oder körperliche Belastung ausgelöst ' werden und dauern Sekunden bis Minuren. Bei fortgesch rittener Tumorerkrankung können die Anfalle aber auch über Stunden andauern. t Diarrhö (ca. 70%) t Krampfa rtige Bauchschmerzen t Asthmaanfälle durch Bronchialobstruktion t Hypotonie und Tachykardie t Eine Rechtsherzendokardfibrose tritt erst als Spätsymptom auf. Diagnostik: Serotonin kann teilweise deutlich erhöh t sein. Wie auch bei anderen neuroendokrinen Tumoren liegt die Chromogranin-A-Konzentration häufig über den Normwerten. Die Diagnose wird durch die klinische Symptomatik und eine erhöhte Ausscheidung des Serotoninmetaboliten 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIES) im 24-StundenUrin gestell t. Zuvor sollen eine serotoninarme Diät eingehalten (keine Bananen, Nüsse, Tomaten, Ananas, kein Kaffee etc.) und möglichst keine Antihistaminika, Neuroleptika und bestimmte andere Medikamente eingenommen werden. Die Urinkonzentration ist auch davon abhängig, ob während des Untersuchungsintervalls ein Flush aufgetreten ist. Ein Nachweis durch bildgebende Verfahren (Sonographie, CT, MRT, endoskopische Sonographie) gestaltet sich aufgrund einer geringen Tumorgröße oft schwierig. Häufig exprimieren neuroendokrine Tumoren Somatostatin·Rezeptoren an ihrer Zelloberfläche. Tumorgewebe kann dann evtl. durch indiummarkierte SomatostatinAnaloga (111ln·Octreotid) in der Szintigraphie nachgewiesen werden (Octreotid·Scan). Ferner ist auch nach Lebermetastasen zu suchen. Differentialdiagnostisch muss eine systemische Mastozytose ausge. schlossen werden. Dabei kommt es zu einer variablen Symptomatik bei der auch Flush, Pruritus und Kopfschmerzen auftreten können. ' Die Mastozytose ist durch ein Mastzellinfiltrat in der Haut oder anderen Organen charakterisiert. Therapie: Anzustreben ist eine chirurgische Resektion. Bei inope· rablen Tumoren und präoperativ sollte eine symptomatische, medikamentöse Therapie erfolgen:

t Somatostatin·Analoga (Octreotid, Lanreotid, s. a. S. 41) bewirken nicht nur eine verminderte Hormonsekretion der Tumorzellen sondern haben in höherer Konzentration auch zytostatische ' Effekte. t Nuklidgekoppelte Somatostatin·Analoga werden nicht nur für bild· gebende Verfahren, sondern auch therapeutisch angewendet. Als Nuklide dienen Indium oder Yttrium. Dabei treten häufig renale Nebenwirkungen auf. t a·lnterferon hemmt ebenso das Tumorwachstum und wird auch in Kombination mit Somatostatin·Analoga angewendet. t 5·HT3·Antagonisten können eine Diarrhö, nicht jedoch die Flush· symptomatik verbessern.

Spezielle Themen

108

I

109

I Abb. 1: Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei Karzinoid, Gastrinom und lnsulinom. [3]

< 10mg/24h

>10mg/24h

j Kein Karzinoid

j j

j

Karzinoid

Kein Gastrin-

Gastrinanstieg

anstieg

um> 200 pg/ml

J Therapie beim Karzlnold: • Kurative, chirurgische Exzision/Tumor-Debulking

• Somatostatin-Analoga • a-lnterferon • evtl. lndium-111-/Yttrium-90-

markiertes Octreotid

• evtl. hepatische Chemoembolisation

• evtl. Chemotherapie

Therapie beim Gastrinom: • Kurative, chirurgische Exzision/Tumor-Debulking • Protonenpumpenhemmer

• evtl. Somatostatin-Analoga • evtl. hepatische Chemoembolisation • evtl. Chemotherapie

Therapie beim lnsullnom: • Kurative, chirurgische Ex.zi sion/Tumor-Debulking • Regelmäßige Einnahme kohlehydratreicher Nahrung • Diazoxid • Somatostatin-Analoga • o:-lntelferon • evtl. hepatische Chemoembolisation • evtl. Chemotherapie

Häufig liegen iedoch ausgedehnte Lebermetastasen vor. Wenn diese nicht reseziert werden können, kommt einen Chemoembolisation (z. B. mit Streptozotocin und 5-Fluorouracil) über die Arteria hepatica in Frage. Gastrinom Gastrinome sind meist im Pankreas oder in der Duodenalwand lokalisierte Tumoren, die Gastrin produzieren. Sie sind in ca. 50 % maligne und in 25- 30% mit einer MEN Typ 1 assoziiert. Klinik: Die durch die Gastrinüberproduktion und damit erhöhte Säuresekretion verursachte Erkrankung wird als Zollinger-Ellison-Syndrom bezeichnet. Neben rezidivierenden peptischen Ulzera im oberen Verdauungstrakt kommt es häufig zu Diarrhö, manchmal auch zu gastroösophagealem Reflux_ Diagnostik: Die Diagnose wird durch eine erhöhte Gastrinkonzentration (Gastrin > 1.000 pg/ml ist bei nüchternen Patienten fast beweisend) bei erhöhter Säuresekretion (pH < 2,5) gestellt. Eine Gastrinerhöhung liegt auch bei einer perniziösen Anämie oder bei einer Therapie mit Protonenpumpenhemmern vor. In manchen Fällen ist zur Diagnosesicherung ein Sekretln-Stimulationstest notwendig. Der Nachweis des Tumors in der Bildgebung ist aufgrund der Größe nicht immer möglich. Therapie: Aufgrund des malignen Wachstums sollte möglichst eine chirurgische Entfernung erfolgen. Eine Hemmung der Säureproduktion wird erfolgreich durch Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol) erreicht. Bei der MEN Typ 1 treten Gastrinome meist multifokal und häufiger in der Duodenalwand auf. Bei diesen Patienten kommt teilweise eine lebenslange Therapie mit Protonenpumpenhem· mern zum Einsatz.

Nüchternzustand auf und verbessern sich umgehend nach Glukosezufuhr! Diagnostik: Die Diagnose wird durch den Hungerversuch gestellt. Über mindestens drei Tage erhält der Patient nur Wasser oder kalorienfreie Getränke. Alle 4-6 Stunden oder beim Auftreten von Symptomen erfolgt eine Bestimmung der Glukosekonzentration sowie von Insulin und C-Peptid. Bei Patienten mit einem lnsulinom kommt es zu einem Blutzuckerabfall bei gleichbleibendem oder ansteigendem Insulin und C-Peptid. Auch bei Gesunden fällt die Blutzuckerkonzentration ab. Allerdings fehlen Hypoglykämiesymptome, und die Insulinsekretion ist supprimiert. Bei einer Hypoglykämie durch exogenes Insulin oder Sulfonylharnstoffe zeigen sich ähnliche Befunde wie bei einem lnsulinom. Bei zugeführtem Insulin ist jedoch das C-Peptid vermin· dert. Sulfonylharnstoffe führen auch zu einer Erhöhung von Insulin und C-Peptid. Sie können dann im Harn nachgewiesen werden. Therapie: Es sollte eine operative Entfernung erfolgen. Präoperativ kann durch DiazOJcid (Proglicem®) die Insulinsekretion gehemmt wer· den. Eine weitere Alternative stellen Somatostatin·Analoga (z. B. Oe· treotid) dar, die aber wie Diazoxid nur in etwa der Hälfte wirksam sind.

Zusammenfassung X Endokrines paraneoplastisches Syndrom: ektope Honnonproduktion, häufig beim kleinzelligen Bronchuskarzinom oder anderen neuroendokrinen Tumoren X Karzinoldsyndrom: Flush, Diarrhö, Asthmaanfälle,

lnsulinom Insulinome sind im Gegensatz zu anderen neuroendokrinen Tumoren überwiegend benigne. Sie gehen von pankreatischen B-Zellen aus und treten meist solitär, seltener multipel auf. Klinik: Durch die autonome Insulinsekretion kommt es zu Hypoglykämiesymptomen wie Heißhunger, Schwitzen, Zittern und zu neuroglu· kopenischen Symptomen (Kopfschmerzen, Sehstörungen, Konzentrationsstörungen). Die Symptome treten charakteristischerweise im

Hypotonie und Tachykardie X Gastrlnom: rezidivierende Magenulzera mit Bauchschmerzen X lnsullnom: Hypoglykämiesymptome im Nüchternzustand, Besserung unter Glukose

Doping Zahlreiche Hormone haben auch eine leistungssteigernde Wirkung, durch die sich Athleten einen Vorteil im Wettkampf erhoffen. Doping ist der Versuch der Leistungssteigerung du rch die Anwendung von verbotenen Substanzen oder verbotenen Methoden. Es gibt außerdem Substanzen, die bestimmten Einschränkungen unterliegen (z. B. Alkohol, Marihuana, Lokalanästhetika, Kortikosteroide und Betablocker). Neben der Anwendung sind aber auch die Verschreibung und das lnverkehrbringen dieser Substanzen zur Leistungssteigerung strafbar.

Dopi ngkontrolle Neben Kontrollen bei Wettkämpfe n [,.in competition ") gibt es auch Kontrollen außerhalb eines Wettbewerbs ("out of competition"). Die Kontrolle erfolgt meist durch Harnproben, seltener durch Blutproben. Die Urinprobe wird unter Aufsicht abgegeben und auf zwei Flaschen und einen Becher aufgeteilt. Der Urinbecher wird für die Bestimmung von pH und Harndichte verwendet. Die Flaschen werden versiegelt und in das Labor geschickt. Bei einer positiven A·Probe erfolgt die Benachrichtigung des Sportverbandes und des Athleten. Erst wenn das Ergebnis durch die B-Probe bestätigt wird, gilt der Test als positiv.

Ve rbotene Substa nzen Anabolika Zu den Anabolika gehören Androgene, Wachstumshormon, hCG [humanes Choriongonadotropin) und ß2-Agonisten: Die erste Substanz der anabol androgenen Stereidhormone [Ana· bolika im engeren Sinn ) war 19-Nortestosteron , von dem sich viele Anabolika ableiten. Häufig verwendete Substanzen sind z. B. Tetrahydrogestrinon (THG}, Nandrolon, Stanozol oder auch Testosteron. t Anabolika gehören zu den ersten Dopingsubstanzen und sind durch

ihre anabolen Wirkungen auch heute noch die wirksamsten Mittel zur Leistungssteigerung bei Kraft- und Schnellkraftsportarten. Sie füh · ren zu einer Positivierung der Stickstoffbilanz, wodurch es zu einer allgemeinen Beschleunigung von Wachstumsprozessen kommt: -Steigerung der Proteinsynthese in der Muskulatur - Wachstum von Zellen, die die Fähigkeit zum Wachstum besitzen (auch Erythropoese und andere Organe) -Abnahme des Körperfetts - Neben diesen erwünschten anabolen Effekten treten aber auch im· mer (unerwünschte) androgene Wirkungen auf.

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