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Springer-Lehrbuch
Ralf Schindler
Logische Grundlagen der Mathematik
123
Prof. Dr. Ralf Schindler Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Mathematische Logik und Grundlagenforschung Einsteinstraße 62 48149 Münster [email protected] Springer-Lehrbuch ISSN 0937-7433 ISBN 978-3-540-95931-1 e-ISBN 978-3-540-95932-8 DOI 10.1007/978-3-540-95932-8 Springer Dordrecht Heidelberg London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Mathematics Subject Classification (2000): 00-01, 00A05, 03-01, 03B10, 03W05 c Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und MarkenschutzGesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.de)
Dem Andenken an Walter Felscher gewidmet.
Vorwort Dieses B¨ uchlein soll grundlegende mathematische Einsichten, Werkzeuge und Allgemeinbildung vermitteln. Mathematikerinnen und Mathematiker sind zumeist damit besch¨ aftigt, (m¨ oglichst) interessante neue S¨ atze aus bereits bekannten S¨atzen oder Axiomen zu beweisen. Der Rigorosit¨ at der in der Mathematik sp¨ atestens seit Euklid vorgeschriebenen axiomatischen Methode steht freilich ein notwendiger geh¨ origer Schuss mathematischer Intuition, d. h. (bildliche) Anschauung, Phantasie und Kreativit¨at der erfolgreich t¨ atigen Mathematikerinnen und Mathematiker zur Seite. Diesen beiden S¨ aulen soll in der folgenden Darstellung Rechnung getragen werden. Ziel ist es, fundamentale mathematische Einsichten f¨ ur den sp¨ ateren Gebrauch und f¨ ur den richtigen Blick auf die Welt der Mathematik im Lichte von Axiomatik und Intuition n¨ aherzubringen. Das Buch sollte von allen Mathematik-Studierenden in den ersten Semestern mit Gewinn durchgearbeitet werden k¨onnen. Sein Inhalt ist absichtlich nicht zu umfangreich gehalten, so dass es auch nebenbei“ gelesen werden kann. ” Wir werden folgende Fragen betrachten: Was unterscheidet endliche von unendlichen Mengen? Wie lassen sich die ganzen, rationalen und reellen Zahlen aus den nat¨ urlichen Zahlen und letztere aus Mengen konstruieren? Welche grundlegenden mengentheoretischen Konstruktionen werden hierf¨ ur und u ¨berhaupt in der Mathematik gebraucht? Welche grundlegenden topologischen Eigenschaften besitzt
die Menge der reellen Zahlen? Wof¨ ur wird das Auswahlaxiom ben¨ otigt? Lassen sich die nat¨ urlichen oder reellen Zahlen vollst¨ andig axiomatisch beschreiben? Mit Hilfe der Ultrapotenzmethode werden Nichtstandard-Modelle der Theorie der nat¨ urlichen und reellen Zahlen konstruiert, und es wird eine Version des G¨ odelschen Unvollst¨ andigkeitssatzes bewiesen. Anlaß der Niederschrift dieses B¨ uchleins war die Tatsache, dass seit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudieng¨ ange an der Universit¨ at M¨ unster f¨ ur alle Studierenden der Mathematik im 1-Fach-Bachelor im 2. Semester die Vorlesung Logische Grundlagen“ verpflichtend ange” boten wird. Mathematik l¨ aßt sich nicht durch bloßes Lesen oder Zuh¨o¨ ren erlernen; das Bearbeiten von Ubungsaufgaben ist einer der wichtigesten Bestandteile eines Mathematikstudiums. ¨ Bei den Ubungsaufgaben (Problemen) bezeichnet ◦ reine ∗ Verst¨ andnisprobleme und etwas schwierigere Aufgaben. Ich danke Martina Pfeifer f¨ ur das TeXen der ersten Version und f¨ ur das Zeichnen der Bilder und Dominik Adolf und Philipp L¨ ucke f¨ ur das Korrekturlesen. Verbliebene Fehler ¨ sind mir zuzuschreiben; eine letzte (erste) Ubungsaufgabe sollte lauten: Finden und reparieren Sie bitte alle Fehler, die der Text leider vermutlich immer noch enth¨alt! Und jetzt w¨ unsche ich Ihnen viel Vergn¨ ugen und Erfolg beim Lesen und Durcharbeiten! M¨ unster i. Westf., 16. Januar 2009
Ralf Schindler
Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2
Nat¨ urliche Zahlen Endliche und unendliche Mengen ..... Die Theorie der nat¨ urlichen Zahlen ..
3 23
2 2.1
Reelle Zahlen Die Konstruktion der ganzen und rationalen Zahlen ........................... Die Konstruktion der reellen Zahlen . Die Theorie der reellen Zahlen ........
37 48 69
2.2 2.3 3 3.1 3.2 3.3
4 4.1 4.2 4.3 4.4
Mengen Mengen, Klassen und GrothendieckUniversen .................................. 77 Das Auswahlaxiom....................... 105 Die Topologie von R und die Kontinuumshypothese ......................... 122 Modelle Logik erster Stufe ........................ Ultraprodukte und Kompaktheit ...... Nichtstandard-Modelle .................. Unvollst¨andigkeit.........................
135 162 173 184
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . .
197
Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
Kapitel 1 Nat¨ urliche Zahlen
1
1 1.1 1.2
1
Nat¨ urliche Zahlen Endliche und unendliche Mengen ..... Die Theorie der nat¨ urlichen Zahlen ..
3 23
1.1
Endliche und unendliche Mengen
3
1 Nat¨ urliche Zahlen Eines der Grundger¨ uste der Mathematik ist die Menge der nat¨ urlichen Zahlen 0, 1, 2, . . . sowohl als Untersuchungsobjekt (in der Zahlentheorie) als auch als Hilfsmittel (in allen Bereichen der Mathematik). Dabei interessieren uns die nat¨ urlichen Zahlen nicht so sehr als Menge einzelner Elemente ohne Beziehung untereinander, sondern viel mehr als Struktur, d. h. als Menge mit auf ihr definierten Relationen (z. B. der Ordnungsrelation n, f¨ ur die sowohl fA (m) > fA (n) f¨ fA (m) als auch fA (n) definiert sind. Daraus ergibt sich ur alle n, f¨ ur die fA (n) definiert u ¨ brigens, dass fA (n) ≥ n f¨
10
1. Nat¨ urliche Zahlen
ist (vgl. Problem 1.1.4). Außerdem gilt nach Konstruktion offensichtlich, dass f¨ ur alle n, f¨ ur die fA (n) definiert ist, (∗) {k ∈ A : k ≤ fA (n)} = {fA (0), fA (1), . . . , fA (n)}. Es gibt nun die folgenden beiden F¨ alle. Entweder gibt es ein n, so dass die Konstruktion nach n + 1 Schritten abbricht, d. h. A = {fA (0), fA (1), . . . , fA (n)} und BA = {0, 1, . . . , n}. Oder die Konstruktion bricht nicht ab; in diesem Falle setzen wir BA = {0, 1, 2, . . .} = N. Es ist nun unschwer erkennbar, dass wir in beiden F¨allen ein Anfangsst¨ uck BA von N und eine Bijektion fA : BA → A definiert haben: fA ist injektiv, da fA streng monoton w¨ achst, und fA ist surjektiv wegen (∗). Konstruktionen wie die obige werden als rekursiv“ bezeich” net, da der Funktionswert an der Stelle n in Abh¨angigkeit von den Funktionswerten an den Stellen 0, 1, . . . , n − 1 definiert wird. Im Beweis des Satzes 1.1.4 von Schr¨oderBernstein wurde ebenfalls eine Rekursion verwendet: die Mengen Xn und Yn+1 wurden dort mit Hilfe der Menge Yn konstruiert. 1.1.6
Definition 1.1.6 Sei A ⊂ N, und seien BA und fA wie oben
definiert. Dann heißt A endlich gdw. es ein n ∈ N gibt mit BA = {m ∈ N : m < n}, andernfalls heißt A unendlich.
So ist beispielsweise N selbst oder die Menge der geraden Zahlen oder die Menge der Primzahlen unendlich, w¨ahrend die Menge der ungeraden Zahlen, die kleiner als 1037 sind,
1.1
Endliche und unendliche Mengen
11
endlich ist. Dahingegen weiß man im Moment nicht, ob die Menge der Primzahlen p, f¨ ur die auch p + 2 Primzahl ist, endlich oder unendlich ist. Offensichtlich gilt: Lemma 1.1.7 Sei A ⊂ N. Dann ist entweder A endlich oder
1.1.7
es gibt eine Bijektion f : N → A. Lemma 1.1.8 Seien B, D ⊂ N Anfangsst¨ ucke von N, so dass
eine Bijektion f : B → D existiert. Dann gilt B = D. Beweis: Wir zeigen diese Aussage durch Induktion. Angenommen, es gibt Anfangsst¨ ucke B, D von N mit B D, so dass eine Bijektion f : B → D existiert. F¨ ur derartige Anfangsst¨ ucke B, D existiert ein n ∈ N mit B = {m ∈ N : m < n} . urliche Zahl n, so dass AnfangsSei nun n0 die kleinste nat¨ st¨ ucke B, D von N existieren mit B D, B = {m ∈ N : m < n}, und es eine Bijektion f : B → D gibt. Ofucke von N, fensichtlich gilt n0 > 0. Seien B, D Anfangsst¨ B D, B = {m ∈ N : m < n0 }, und sei f : B → D bijektiv. Sei zun¨ achst angenommen, dass D = {m ∈ N : m < k} f¨ ur ein k ∈ N, k > n0 > 0. Wir definieren dann B = {m ∈ N : m < n0 − 1}, D = {m ∈ N : m < k − 1} und eine Bijektion h : B → D wie folgt.
1.1.8
12
1. Nat¨ urliche Zahlen
0
f (n0 ¡ 1)
k¡1
h
0
s
n0 ¡ 1
Sei s < n0 so, dass f (s) = k − 1. Dann sei f¨ ur m < n0 − 1 der Wert h(m) definiert als f (m), falls m = s, und h(s) = f (n0 − 1), falls s < n0 − 1. (Offensichtlich muss nun auch k − 1 > n0 − 1 > 0 sein.) Die Existenz von B, D, h widerspricht aber dann der Wahl von n0 . Sei nun angenommen, dass D = N. Wir definieren dann B = {m ∈ N : m < n0 − 1} und eine Bijektion h : B → D wie folgt. Es sei, f¨ ur m < n0 − 1, h(m) = f (m), falls f (m) < f (n0 − 1), und es sei h(m) = f (m)− 1, falls f (m) > f (n0 − 1). Abermals widerspricht die Existenz von B, D, h der Wahl von n0 . F¨ ur f : A → B und g : B → D schreiben wir g ◦ f f¨ ur die Hintereinanderausf¨ uhrung von f und g, d. h. f¨ ur diejenige Funktion h : A → D, welche x ∈ A nach g(f (x)) sendet. 1.1.9
Korollar 1.1.9 Sei A ⊂ N, und sei B Anfangsst¨ uck von N, so
dass eine Bijektion f : B → A existiert. Dann gilt B = BA .
1.1
Endliche und unendliche Mengen
13
Beweis: Die Abbildung g = fA−1 ◦ f : B → BA ist bijektiv. Lemma 1.1.8 liefert dann B = BA . F¨ ur jedes endliche A ⊂ N gibt es also genau ein n ∈ N, so dass eine Bijektion f : {0, 1, . . . , n − 1} → A existiert. (Im Falle n = 0 ist f die leere Funktion“.) ” Definition 1.1.10 Sei A ⊂ N. Wenn A endlich ist, dann heißt
1.1.10
dasjenige n ∈ N, so dass eine Bijektion f : {m ∈ N : m < n} → A existiert, die Gr¨oße von A. F¨ ur endliches A ist also wegen Korollar 1.1.9 die Gr¨oße von A gleich n, wobei BA = {m ∈ N : m < n}. Lemma 1.1.11 Seien D und A endliche Mengen, wobei D ⊂ A ⊂ N. Sei die Gr¨ oße von D dieselbe wie die Gr¨oße von A. Dann gilt D = A.
Beweis: Angenommen, D A. Sei n die gemeinsame Gr¨ oße von D und A und seien fD : BD = {m ∈ N : m < urlichen Aufz¨ahlungen. n} → D und fA : BA → A die nat¨ Sei E = A \ D. Da D A gilt E = ∅. Sei fE : BE → E die nat¨ urliche Aufz¨ ahlung. Sei zun¨ achst E als endlich angenommen, und sei k > 0 die Gr¨ oße von E. Wir definieren dann die Verkettung“ ” h : {m ∈ N : m < n + k} → A
1.1.11
14
1. Nat¨ urliche Zahlen
von fD und fE durch h(m) = fD (m), falls m < n und h(n + m) = fE (m), falls m < k. Dann ist h offensichtlich bijektiv. Damit gilt, dass fA−1 ◦ h : {m ∈ N : m < n + k} → {m ∈ N : m < n} bijektiv ist, wonach nach Lemma 1.1.8 gilt, dass n + k = n. Aber k > 0. Widerspruch! A D
0
E
n¡1 n
n +k¡1
Sei nun E als unendlich angenommen. Wir definieren dann die Verkettung“ ” h: N → A von fD und fE durch h(m) = fD (m), falls m < n und h(n + m) = fE (m), falls m ∈ N. Dann ist h offensichtlich bijektiv. Damit gilt, dass fA−1 ◦ h : N → {m ∈ N : m < n}
1.1
Endliche und unendliche Mengen
15
bijektiv ist. Die Existenz einer solchen Bijektion wiederspricht aber Lemma 1.1.8! Eine sehr n¨ utzliche Charakterisierung (un)endlicher Mengen ergibt sich aus dem folgenden Satz 1.1.12 Sei A ⊂ N. Dann ist A endlich gdw. es keine echte Teilmenge D von A gibt, so dass (a) eine Injektion f : A → D existiert, oder (b) eine Surjektion g : D → A existiert, oder (c) eine Bijektion h : A → D existiert.
Beweis: Auf Grund von Lemma 1.1.2 folgt aus (a), dass (b) gilt. Auf Grund von Lemma 1.1.3, welches wir f¨ ur diesen Fall bereits bewiesen haben, folgt aus (b), dass (a) gilt. Aus der Existenz einer echten Teilmenge D von A mit (a) folgt die Existenz einer echten Teilmenge D von A mit (c), da wir f¨ ur eine Injektion f : A → D die Menge D A durch onnen; f : A → D die Menge D = f [A] ⊂ D A ersetzen k¨ ist dann bijektiv. Aus (c) folgt trivial (a). Die Aussagen, wonach eine echte Teilmenge D von A mit (a), (b) oder (c) existiert, sind also paarweise ¨ aquivalent. Sei nun zun¨ achst A unendlich. Wir betrachten fA : BA = N → A. Sei D = {fA (n) : n > 0} A . Wir k¨ onnen eine Surjektion g : D → A definieren, indem wir ur n > 0 nach fA (n − 1) senden. Diese Abbildung fA (n) f¨ ist sogar bijektiv.
1.1.12
16
1. Nat¨ urliche Zahlen
Sei jetzt A endlich. Wir zeigen dann, dass es keine echte Teilmenge D von A gibt, so dass eine Bijektion h : A → D existiert. Andernfalls sei n die Gr¨ oße von A, und es seien fA : BA = {m ∈ N : m < n} → A und fD : BD → D die −1 ◦h◦ nat¨ urlichen Aufz¨ ahlungen von A und D. Dann ist fD fA eine Bijektion von BA auf BD , wonach mit Lemma 1.1.8 gilt, dass BD = {m ∈ N : m < n}. Da D ⊂ A, gilt dann aber D = A nach Lemma 1.1.11. Widerspruch! 1.1.13
Korollar 1.1.13 Sei A ⊂ N endlich, und sei f : A → A. Dann
sind die folgenden Aussagen ¨ aquivalent. (a) f ist injektiv. (b) f ist surjektiv. (c) f ist bijektiv.
Beweis: Sei f injektiv. Angenommen, f w¨ are nicht surjektiv. Sei A = f [A]. Dann gilt A A, und f : A → A ist bijektiv. Widerspruch! Sei nun f surjektiv. Angenommen, f w¨ are nicht injektiv. Sei A die Menge aller n ∈ A, so dass aus m ∈ A und f (n) = f (m) bereits m ≥ n folgt. Dann gilt A A und f A : A → A ist bijektiv. Widerspruch! Damit ist das Korollar bewiesen. Die hier bewiesenen Aussagen u ¨ bertragen sich sehr schnell auf beliebige Mengen.
1.1
Endliche und unendliche Mengen
17
Definition 1.1.14 Sei A eine beliebige Menge. Dann heißt A
1.1.14
endlich gdw. es ein n ∈ N und eine Bijektion f : {m ∈ N : m < n} → A gibt. In diesem Falle heißt n auch die Gr¨oße von A. Wenn A nicht endlich ist, dann heißt A unendlich. Das Auswahlaxiom wird zum Beweis der folgenden Aussage ben¨otigt. Satz 1.1.15 Sei A eine unendliche Menge. Dann existiert eine Injektion f : N → A.
1.1.15
Der Beweis dieses Satzes wird ebenfalls im 3. Kapitel geliefert, siehe Satz 3.2.16. Mit Hilfe dieses Satzes zeigt man dann in ansonsten gleicher Weise wie in den Beweisen von Satz 1.1.12 und Korollar 1.1.13 die folgenden Tatsachen. Satz 1.1.16 Sei A eine beliebige Menge. Dann ist A endlich
1.1.16
gdw. es keine echte Teilmenge D von A gibt, so dass (a) eine Injektion f : A → D existiert, oder (b) eine Surjektion g : D → A existiert, oder (c) eine Bijektion h : A → D existiert. Korollar 1.1.17 Sei A endlich, und sei f : A → A. Dann sind
die folgenden Aussagen ¨ aquivalent. (a) f ist injektiv.
1.1.17
18
1. Nat¨ urliche Zahlen
(b) f ist surjektiv. (c) f ist bijektiv.
Eine Anwendung dieses Korollars ist z. B. die folgende Aussage. Jeder endliche Integrit¨atsring, d. h. kommutative Ring ohne Nullteiler und mit 1 = 0, ist ein K¨ orper. (F¨ ur diese Begriffe siehe z. B. [1] oder [18].) Sei n¨ amlich R ein endlicher Integrit¨ atsring. Wir m¨ ussen zeigen, dass zu jedem r ∈ R \ {0} ein s ∈ R \ {0} mit r · s = 1 existiert. Sei r ∈ R \ {0} beliebig. Wir betrachten die Abbildung fr : R \ {0} → R, die s ∈ R \ {0} nach r · s sendet. Da R nullteilerfrei ist, gilt fr [R \ {0}] ⊂ R \ {0}, und es folgt aus r · s = r · s , d. h. r · (s − s ) = 0, dass s − s = 0, d. h. s = s . Damit ist fr : R \ {0} → R \ {0} injektiv, wegen der Endlichkeit von R und Satz 1.1.17 also auch surjektiv. Insbesondere gibt es also ein s ∈ R \ {0} mit r · s = fr (s) = 1. Dies hat zur Folge, dass f¨ ur jede Primzahl p gilt, dass Z/pZ ein K¨ orper ist. (Siehe [1] oder [18].) 1.1.18
Definition 1.1.18 Sei A eine Menge. Dann heißt A abz¨ ahlbar
gdw. eine Bijektion f : N → A existiert, und A heißt h¨ochstens abz¨ahlbar gdw. eine Surjektion f : N → A existiert. Wenn A nicht h¨ ochstens abz¨ ahlbar ist, dann heißt A u berabz¨ a hlbar . ¨ Aufgrund von Satz 1.1.15 besitzt jede unendliche Menge eine abz¨ ahlbare Teilmenge. Weiterhin ist offensichtlich eine Menge A h¨ ochstens abz¨ ahlbar gdw. A abz¨ahlbar oder
1.1
Endliche und unendliche Mengen
19
endlich ist. Jedes A ⊂ N ist h¨ ochstens abz¨ ahlbar. Wir werden im Abschnitt zeigen, dass Z und Q beide abz¨ahlbar sind (siehe Satz 2.1.2) und dass R u ahlbar ist (siehe ¨berabz¨ Satz 2.2.19 und auch Satz 3.1.5). Problem 1.1.1 ◦ Seien f : A → B und g : B → D Funktionen. Zeigen Sie: (a) Wenn f und g beide injektiv sind, dann ist g ◦ f : A → D injektiv. (b) Wenn f und g beide surjektiv sind, dann ist g ◦ f : A → D surjektiv. (c) Wenn f nicht injektiv ist, dann ist g ◦ f : A → D nicht injektiv. (d) Wenn g nicht surjektiv ist, dann ist g ◦ f : A → D nicht surjektiv. Gelten auch (generell) die folgenden Aussagen? (e) Wenn g nicht injektiv ist, dann ist g ◦ f : A → D nicht injektiv. (f) Wenn f nicht surjektiv ist, dann ist g ◦ f : A → D nicht surjektiv.
1.1.1
Problem 1.1.2 ◦ Sei f : A → A injektiv oder surjektiv, und gelte f ◦ f = f . Zeigen Sie, dass f die Identit¨ at auf A ist. Gilt diese Aussage (generell) auch ohne die Voraussetzung, wonach f injektiv oder surjektiv ist?
1.1.2
F¨ ur beliebige Mengen A und B bezeichnet A ∪ B die Vereinigung von A und B, d. h. die Menge aller x mit x ∈ A oder x ∈ B; A ∩ B bezeichnet den Durchschnitt von A und B, d. h. die Menge aller x mit x ∈ A und x ∈ B. Die Mengen
20
1. Nat¨ urliche Zahlen
A und B heißen disjunkt, falls A ∩ B die leere Menge ist, d. h. A ∩ B = ∅. 1.1.3
Problem 1.1.3 ◦ Sei f : A → B. F¨ ur ein beliebiges Y ⊂ B sei f −1 [Y ] = {x ∈ A : f (x) ∈ Y } . Seien X1 , X2 ⊂ A und Y1 , Y2 ⊂ B. Welche der folgenden Aussagen treffen (generell) zu, und f¨ ur welche gibt es ein Gegenbeispiel? Und welche der folgenden Aussagen treffen (generell) zu, wenn zus¨ atzlich X1 und X2 bzw. Y1 und Y2 als disjunkt vorausgesetzt werden? (a) f [X1 ∪ X2 ] = f [X1 ] ∪ f [X2 ]. (b) f [X1 ∩ X2 ] = f [X1 ] ∩ f [X2 ]. (c) f −1 [Y1 ∩ Y2 ] = f −1 [Y1 ] ∩ f −1 [Y2 ].
1.1.4
Problem 1.1.4 Sei f : N → N streng monoton wachsend. Zeigen Sie: F¨ ur alle n ∈ N gilt f (n) ≥ n. (Hinweis: Betrachten Sie andernfalls das kleinste Element von {n ∈ N : f (n) < n}.)
1.1.5
Problem 1.1.5 Sei A eine endliche Menge, und sei D ⊂ A. Zeigen Sie: D ist endlich. (Hinweis: Sei etwa A ⊂ N. Betrachten Sie −1 dann fD ◦ fA und benutzen Satz 1.1.12.)
1.1.6
Problem 1.1.6 Eine Menge A ⊂ N heißt beschr¨ankt, falls ein n ∈ N existiert mit A ⊂ {k ∈ N : k < n}. Zeigen Sie: eine beliebige Menge A ⊂ N ist endlich gdw. sie beschr¨ ankt ist.
1.1
Endliche und unendliche Mengen
21
Problem 1.1.7 Sei A endlich, und sei n die Gr¨osse von A. Sei m > n und sei f : {p ∈ N : p < m} → A. Zeigen Sie: f ist nicht injektiv. (Diese Aussage wird auch als Schubfachprinzip bezeichnet.)
1.1.7
Problem 1.1.8 ◦ Finden Sie ein Gegenbeispiel zur Aussage von Korollar 1.1.13 f¨ ur unendliches A!
1.1.8
Problem 1.1.9 Zeigen Sie Satz 1.1.16 und Korollar 1.1.17 unter (beweisloser) Benutzung von Satz 1.1.15.
1.1.9
F¨ ur Mengen A und B bezeichnet A × B das Kreuzprodukt von A und B, d. h. die Menge aller geordneten Paare (x, y) (vgl. Abschnitt 2.1 und Definition 3.1.1). Problem 1.1.10
1.1.10
(a) Sei A eine abz¨ ahlbare Menge. Zeigen Sie: Jede Teilmenge von A ist h¨ ochstens abz¨ ahlbar. (b) Zeigen Sie: Eine Menge A ist h¨ ochstens abz¨ ahlbar gdw. A endlich oder abz¨ ahlbar ist. (c) Seien A und B abz¨ ahlbare Mengen. Zeigen Sie: A × B ist abz¨ ahlbar.
Problem 1.1.11 Beweisen Sie: (a) Die Menge aller endlichen Teilmengen von N ist abz¨ ahlbar. (Hinweis: Sei (pn : n ∈ N) die nat¨ urliche Aufz¨ ahlung aller Primzahlen, d. h. p0 = 2, p1 = 3, p2 = 5, . . . Die Abbildung, Q die ein endliches A ⊂ N nach n∈A pn sendet, ist injektiv.)
1.1.11
22
1. Nat¨ urliche Zahlen
(b) Die Menge aller endlichen Folgen nat¨ urlicher Zahlen ist abz¨ ahlbar. (Hinweis: Die Abbildung, die ein f : A → N, wobei A endliches Anfangsst¨ uck von N ist, auf Y f (n)+1 pn n∈A
abbildet, ist injektiv.)
1.2
Die Theorie der nat¨ urlichen Zahlen
23
1.2 Die Theorie der nat¨ urlichen Zahlen Wir hatten oben das Induktionsaxiom als die Aussage formuliert, wonach jede nichtleere Menge nat¨ urlicher Zahlen ein (im Sinne der nat¨ urlichen Ordnung < auf N) kleinstes Element besitzt, welches gleich 0 oder gleich n + 1 f¨ ur eine nat¨ urliche Zahl n ist. In dieser Formulierung wird das Induktionsaxiom manchmal auch als das Prinzip der kleinsten nat¨ urlichen Zahl bezeichnet. Es f¨ uhrt sofort zu folgendem Beweisprinzip. Sei A ⊂ N. Angenommen, (a) 0 ∈ A, und (b) f¨ ur jedes n ∈ N gilt, dass aus n ∈ A auch n + 1 ∈ A folgt. Dann gilt A = N. Mit Hilfe des Prinzips der kleinsten nat¨ urlichen Zahl kann man n¨ amlich wie folgt argumentieren. Angenommen, A N. Die Menge B = {n ∈ N : n ∈ / A} ist dann nichtleer, enth¨ alt also ein kleinstes Element, n0 . Da 0 ∈ A, wegen (a), gilt n0 > 0, so dass n0 = m + 1 gilt f¨ ur den Vorg¨ anger m von n0 . Wegen der Wahl von n0 folgt aus m < n0 , dass m ∈ A. Wegen (b) gilt dann aber auch n0 = m + 1 ∈ A. Widerspruch! Dieser Beweis“ verwendet offensichtlich strukturelle Tat” sachen hinsichtlich N bez¨ uglich < und +, z. B., dass jedes n > 0 einen Vorg¨ anger m besitzt mit m + 1 = n und dass
1.2
24
1. Nat¨ urliche Zahlen
aus m + 1 = n folgt, dass m < n. Wenn man genau analysiert, welche strukturellen Eigenschaften f¨ ur einen Beweis durch Induktion ben¨ otigt werden, gelangt man zum Begriff der fundierten Relation, der im 3. Kapitel diskutiert wird (siehe Definition 3.2.4). Jedenfalls aber ist unser Beweis“ deshalb unbefriedigend, ” da die ihm zugrundeliegenden strukturellen Eigenschaften von N nicht vorher explizit gemacht wurden. Mit anderen Worten: Wir sollten zun¨ achst die Theorie von N axiomatisieren, um sodann im Rahmen eines solchen Axiomensystems g¨ ultige Aussagen u ¨ber N zu beweisen! Diese Maxime ist im Sinne des allgemeinen Euklidschen axiomatischen“ ” Prinzips, wonach die Methode der Mathematik darin besteht, aus Axiomen (interessante) Aussagen logisch abzuleiten. Welches ist also ein gutes Axiomensystem f¨ ur die nat¨ urlichen Zahlen? Zun¨ achst sollte es einige grundlegende arithmetische Tatsachen mitteilen. Die folgende Liste von Axiomen hat sich hier eingeb¨ urgert. (1)
∀n n + 1 = 0
(2) ∀n∀m (n + 1 = m + 1 → n = m) (3)
∀n n + 0 = n
(4) ∀n∀m n + (m + 1) = (n + m) + 1 (5)
∀n n · 0 = 0
(6) ∀n∀m n · (m + 1) = (n · m) + n
1.2
Die Theorie der nat¨ urlichen Zahlen
(7)
25
∀n n0 = 1
(8) ∀n∀m nm+1 = nm · n (9) ∀n∀m (n < m + 1 ↔ (n < m ∨ n = m)) (10)
∀n ¬n < 0
(11) ∀n∀m (n < m ∨ n = m ∨ m < n)
Wir bezeichnen im folgenden das Axiomensystem, das aus diesen 11 Aussagen besteht, als Q. Die Axiome selbst nennen wir (Q1), (Q2), . . . , (Q11). Das Axiomensystem Q ist in einer Sprache der Logik erster Stufe formuliert, die allgemein im Abschnitt 4.1 diskutiert werden wird. Die Sprache von Q, d. h. die Sprache der elementaren Arithmetik, hat die folgenden Symbole: 0 1 + ·
als Konstante f¨ ur die Null als Konstante f¨ ur die Eins als zweistelliges Funktionssymbol f¨ ur die Addition als zweistelliges Funktionssymbol f¨ ur die Multiplikation die Exponentenschreibweise f¨ ur die Exponentiation < als zweistelliges Relationssymbol f¨ ur die Kleiner-Relation Hinzu kommen allgemeine logische Symbole, von denen nicht alle in der obigen Liste von Axiomen verwendet wurden:
26
1. Nat¨ urliche Zahlen
Klammern: ( und ) Junktoren: ¬ f¨ ur es ist nicht der Fall, dass“, ” ∧ f¨ ur und“, ” ∨ f¨ ur oder“, ” → f¨ ur wenn . . . , dann . . .“ und ” ↔ f¨ ur genau dann, wenn“ ” Quantoren: der Allquantor ∀ f¨ ur f¨ ur alle“, ” der Existenzquantor ∃ f¨ ur es gibt“ ” Variablen: n, m, p . . . f¨ ur nat¨ urliche Zahlen Gleichheitszeichen: = Die Leserin/der Leser sollte sich nun vor Augen f¨ uhren, was die einzelnen Axiome von Q besagen. Das erste Axiom besagt z. B., dass f¨ ur alle nat¨ urlichen Zahlen n gilt, dass n + 1 verschieden von 0 ist, d. h., dass 0 kein Nachfolger ist. Das zweite Axiom von Q besagt, dass zwei Zahlen, deren Nachfolger gleich sind, selbst gleich sind. Es l¨aßt sich aber (wie sich z. B. mit Hilfe der in Problem 3.1.5 eingef¨ uhrten Ordinalzahlen nachweisen l¨ asst) nicht in Q beweisen, dass jede Zahl, die verschieden von der Null ist, ein Nachfolger ist. (Siehe Problem 4.3.3.) Hierzu ben¨ otigen wir das Induktionsaxiom.
1.2
Die Theorie der nat¨ urlichen Zahlen
27
Das Induktionsaxiom besagt, dass N die einzige Menge nat¨ urlicher Zahlen ist, die die Null enth¨ alt und mit jedem n auch n + 1. Wenn wir versuchen, diese Aussage mit den ugung sprachlichen Mitteln zu formulieren, die Q zur Verf¨ stellt, dann scheitert dies daran, dass diese Sprache zwar Variablen n, m, p, . . . f¨ ur nat¨ urliche Zahlen, nicht aber Variablen f¨ ur Mengen nat¨ urlicher Zahlen bereitstellt. Nun, dem ist leicht Abhilfe zu verschaffen. Wir wollen die Sprache atzlich Variablen von Q zu einer Sprache erweitern, die zus¨ X, Y , Z, . . . f¨ ur Mengen nat¨ urlicher Zahlen zur Verf¨ ugung stellt. Da wir im Induktionsaxiom aber auch u ¨ ber Elemente von Mengen nat¨ urlicher Zahlen sprechen, m¨ ussen wir die Sprache weiterhin um ein zweistelliges Symbol ∈ f¨ ur ist ” Element von“ anreichern. Dann k¨ onnen wir das Induktionsaxiom wie folgt formulieren. ∀X ((0 ∈ X ∧ ∀n (n ∈ X → n + 1 ∈ X)) → ∀n n ∈ X) . onnen wir nun Mit diesem Axiom und mit Hilfe von Q k¨ versuchen, die Aussage ∀n (n = 0 → ∃m n = m + 1) , welche logische ¨ aquivalent zu ∀n (n = 0 ∨ ∃m n = m + 1) ist, wie folgt zu beweisen. (Hierbei steht n = 0 nat¨ urlich f¨ ur ¬ n = 0.)
28
1. Nat¨ urliche Zahlen
Zu zeigen ist, dass die Menge X = {n ∈ N : n = 0 ∨ ∃m n = m + 1} gleich N ist. Es gilt sicherlich 0 ∈ X. Sei nun n ∈ N beliebig mit n ∈ X. Dann gilt auch n+1 ∈ X, bezeugt durch m = n. Also gilt 0 ∈ X ∧ ∀n(n ∈ X → n + 1 ∈ X) . Auf Grund des Induktionsaxioms gilt also ∀n n ∈ X , und damit ∀n(n = 0 → ∃m n = m + 1), wie gew¨ unscht. Diese Argumentation ist nicht falsch, allerdings wird bei n¨ aherem Hinsehen klar, dass wir dabei etwas benutzen, das uns nicht durch das Induktionsaxiom plus Q geliefert wird, n¨ amlich dass wir das Induktionsaxiom auf die Menge X = {n ∈ N : n = 0 ∨ ∃m n = m + 1} anwenden k¨onnen. Mit anderen Worten, außer dem Induktionsaxiom und Q ben¨ otigen wir ein Mengenexistenzaxiom n¨ amlich ∃X∀n(n ∈ X ↔ (n = 0 ∨ ∃m n = m + 1)) , welches uns liefert, dass {n ∈ N : n = 0 ∨ ∃m n = m + 1} tats¨ achlich eine Menge ist, so dass das Induktionsaxiom auf diese Menge spezialisiert werden darf. Aus allgemeiner Sicht w¨ urde man die Variablen n, m, p, . . . (n¨ amlich die Variablen f¨ ur nat¨ urliche Zahlen) als Variablen erster Stufe bezeichnen und die Variablen X, Y, Z, . . . (n¨amlich die Variablen f¨ ur Mengen nat¨ urlicher Zahlen) als Va-
1.2
Die Theorie der nat¨ urlichen Zahlen
29
riablen zweiter Stufe. Einer derartigen Situation werden wir im Abschnitt 2.3 bei der Axiomatisierung von R wieder begegnen, wo man auch geneigt ist, Variablen erster Stufe (n¨amlich Variablen f¨ ur reelle Zahlen) und Variablen zweiter Stufe (n¨ amlich Variablen f¨ ur Mengen reeller Zahlen) einzuf¨ uhren. Der Preis, der f¨ ur die Einf¨ uhrung von Variablen zweiter Stufe zu zahlen ist, ist allerdings, dass dann Mengenexistenzaxiome erforderlich sind, die nicht ben¨otigt werden, wenn in der Sprache nur Variablen erster Stufe (n¨ amlich Variablen f¨ ur Elemente des Bereichs, u ¨ber den man gerade spricht, nicht f¨ ur Mengen derartiger Elemente) verwendet werden. In der Zahlentheorie lassen sich Variablen zweiter Stufe plus Mengenexistenzaxiome dadurch vermeiden, dass anstelle eines Induktionsaxioms eine unendliche Menge von Induktionsaxiomen (das Induktions” schema“) angegeben wird. Um etwa den obigen Beweis laufen zu lassen, gen¨ ugt es, das Induktionsaxiom f¨ ur den Fall X = {n ∈ N : n = 0 ∨ ∃m n = m + 1} als g¨ ultig vorauszusetzen. Sei ϕ(n) die Formel n = 0 ∨ ∃m n = m + 1. Dann lautet die f¨ ur das obige Argument ben¨ otigte Aussage (ϕ(0) ∧ ∀n(ϕ(n) → ϕ(n + 1))) → ∀nϕ(n) . ur jeDas Induktionsschema lautet nun einfach wie folgt. F¨ de Formel ϕ(n, m1 , . . . , mk ) der Sprache von Q, in der die
30
1. Nat¨ urliche Zahlen
Variablen n, m1 , . . . , mk vorkommen, ist (Ind )ϕ ∀m1 . . . ∀mk ((ϕ(0, m1 , . . . , mk ) ∧ ∀n(ϕ(n, m1 , . . . , mk ) → ϕ(n + 1, m1 , . . . , mk ))) → ∀nϕ(n, m1 , . . . , mk )) das zu ϕ geh¨orige Induktionsaxiom. Das Induktionsschema ist die (unendliche) Menge aller (Ind )ϕ , wobei ϕ eine Formel der Sprache von Q ist. (Der Begriff der Formel der Sprache azisiert werden; eine Formel von Q wird in Abschnitt 4.1 pr¨ ist eine Aussage, die mit den sprachlichen Mitteln, die Q zur Verf¨ ugung stellt, hingeschrieben werden kann.) Wir bezeichnen Q plus dem Induktionsschema als Peanouckgeht. Arithmetik , kurz: PA, da sie auf G. Peano zur¨ onnen wir beispielsweise die Assoziativit¨at von + In PA k¨ wie folgt beweisen. 1.2.1
Satz 1.2.1 (PA) ∀n∀m∀q (m + q) + n = m + (q + n).
Beweis: Wir zeigen zun¨ achst (∗) ∀m∀q (m + q) + 0 = m + (q + 0) mit Hilfe von zweimaliger Anwendung von (Q3) wie folgt: Seien m und q beliebig, dann ist (m + q) + 0 = m + q = m + (q + 0). Sodann zeigen wir (∗∗) ∀n(∀m∀q (m + q) + n = m + (q + n) → ∀m∀q (m + q) + (n + 1) = m + (q + (n + 1))
1.2
Die Theorie der nat¨ urlichen Zahlen
31
wie folgt: Seien n, m und q beliebig, und werde (m+q)+n = m + (q + n) vorausgesetzt. Dann ist (m + q) + (n + 1) = ((m + q) + n) + 1 wegen (Q4), welches nach Voraussetzung gleich (m + (q + n)) + 1, ist, welches nach (Q4) wiederum gleich m + ((q + n) + 1), also nochmals nach (Q4) gleich m + (q + (n + 1)) ist. Aus (∗) und (∗∗) folgt aber nun mit Hilfe von (Ind )∀m∀q (m+q)+n=m+(q+n) sofort die zu beweisende Aussage ∀n∀m∀q (m + q) + n = m + (q + n). Die Kommutativit¨at von + beweist sich in P A nun mit Hilfe von Satz 1.2.1 wie folgt. Satz 1.2.2 (PA) ∀n∀m n + m = m + n.
Beweis: Wir zeigen zun¨ achst (∗) ∀m 0 + m = m + 0. Es gilt n¨ amlich 0 + 0 = 0 + 0. Außerdem folgt aus 0 + m = m+0 und mit Hilfe von (Q4), dass 0+(m+1) = (0+m)+1 = (m + 0) + 1, welches wegen (Q3) gleich m + 1 = (m + 1) + 0 ist. (Ind )0+m=m+0 liefert dann (∗) . Sodann zeigen wir (∗∗) ∀m 1 + m = m + 1.
1.2.2
32
1. Nat¨ urliche Zahlen
Es gilt n¨ amlich 1 + 0 = 0 + 1 wegen (∗) . Aus 1 + m = m + 1 folgt aber mit Hilfe von (Q4), dass 1+(m+1) = (1+m)+1 = (m + 1) + 1. Aufgrund von (Ind )1+m=m+1 ergibt sich dann (∗∗) . Schließlich zeigen wir (∗ ∗ ∗) ∀n(∀m n + m = m + n → ∀m (n + 1) + m = m + (n + 1)). Sei n beliebig, und sei ∀m n + m = m + n vorausgesetzt. Dann gilt f¨ ur beliebiges m, dass (n + 1) + m = n + (1 + m) wegen Satz 1.2.1, welches wegen (∗∗) gleich n + (m + 1), also mit Hilfe von (Q4) gleich (n + m) + 1 und damit nach Voraussetzung gleich (m + n) + 1 ist. Abermalige Anwendung von (Q4) liefert schließlich, dass (n + 1) + m gleich m + (n + 1) ist. Aus (∗) und (∗ ∗ ∗) folgt aber mit Hilfe des Induktionsaxioms (Ind )∀m(n+m=m+n) sofort ∀n∀m n + m = m + n. Es stellt sich heraus, dass in PA alle u ¨ blichen Rechenregeln und Gesetze f¨ ur die nat¨ urlichen Zahlen bewiesen werden k¨ onnen ebenso wie viele Theoreme der Zahlentheorie. asst sich auch zeigen, dass < eine (strikte) lineare In PA l¨ Ordnung auf N ist im folgenden Sinne (siehe Problem 1.2.2).
1.2
Die Theorie der nat¨ urlichen Zahlen
33
Definition 1.2.1 Sei A eine beliebige Menge. Eine zweistel-
1.2.1
lige Relation < auf A ist eine (strikte) lineare Ordnung auf A gdw. gilt: (Antireflexivit¨at ) (Vergleichbarkeit ) (Transitivit¨at )
x < x gilt f¨ ur kein x ∈ A, x < y oder x = y oder y < x f¨ ur alle x, y ∈ A, und f¨ ur alle x, y, z ∈ A folgt aus x < y und y < z, dass x < z.
Wenn < eine strikte lineare Ordnung auf A ist dann schreiben wir f¨ ur x, y ∈ A auch x ≤ y anstelle von x < y ∨ x = y. Gibt es u urlichen ¨berhaupt wahre Aussagen u ¨ber die nat¨ Zahlen, die in der Sprache von Q formuliert werden k¨onnen uhrt und die in PA nicht beweisbar sind? Diese Frage f¨ zum G¨ odelschen Unvollst¨ andigkeitssatz. Eine Version des Unvollst¨ andigkeitssatzes kann aus dem Kompaktheitssatz 4.2.7 abgeleitet werden, der im letzten Kapitel bewiesen wird. Wir beweisen eine solche Version in Abschnitt 4.4, siehe Satz 4.4.1. Problem 1.2.1 Beweisen Sie die folgenden Aussagen aus den Axiomen der Peano-Arithmetik. (a) (b) (c) (d) (e)
(Assoziativit¨ at von ·) ∀n ∀m ∀k (n · m) · k = n · (m · k). (Kommutativit¨ at von ·) ∀n ∀m n · m = m · n. (Distributivit¨ at) ∀n ∀m ∀k n · (m + k) = (n · m) + (n · k). ∀n ∀m ∀k nm+k = nm · nk . ∀n ∀m ∀k nm·k = (nm )k .
1.2.1
34
1.2.2
1. Nat¨ urliche Zahlen
Problem 1.2.2 Beweisen Sie die folgenden Aussagen aus den Axiomen der Peano-Arithmetik. (a) ∀n ¬n < n. (b) ∀n ∀m ∀k ((n < m ∧ m < k) → n < k). (c) (Monotonie) ∀n ∀m ∀k (n < m ↔ n + k < m + k).
1.2.3
Problem 1.2.3 Beweisen Sie die folgenden Aussagen aus den Axiomen der Peano-Arithmetik. (a) ∀n ∀m (n + m = n ↔ m = 0). (b) ∀n ∀m ¬(n + m < n). (c) ∀n ∀m (n < m ↔ ∃k (k = 0 ∧ n + k = m)).
1.2.4
Problem 1.2.4 Beweisen Sie die folgenden Aussage aus den Axiomen der Peano-Arithmetik. ∀m1 . . . ∀mk (∃nϕ(n, m1 , . . . , mk ) → (∃n(ϕ(n, m1 , . . . , mk ) ∧ ∀n (n < n → ¬ϕ(n , m1 , . . . , mk ))))) . Hierbei ist ϕ eine beliebige Formel der Sprache von PA.
Kapitel 2 Reelle Zahlen
2
2 2.1
2
2.2 2.3
Reelle Zahlen Die Konstruktion der ganzen und rationalen Zahlen ........................... Die Konstruktion der reellen Zahlen . Die Theorie der reellen Zahlen ........
37 48 69
2.1
Die Konstruktion der ganzen und rationalen Zahlen
37
2 Reelle Zahlen Die griechische Mathematik hatte die reellen Zahlen zwar eigentlich entdeckt, es wurde aber nicht mit ihnen gerechnet bzw. ihre Theorie entwickelt. Dies wurde erst in der Neuzeit vollzogen. Seit dem 17. Jahrhundert und der Herausarbeitung der Analysis durch Newton und Leibniz sind die reellen Zahlen nicht mehr aus der Mathematik wegzudenken.
2.1 Die Konstruktion der ganzen und rationalen Zahlen
2.1
Die reellen Zahlen lassen sich mit Hilfe einfacher mengentheoretischer Konstruktionen aus den nat¨ urlichen Zahlen gewinnen. Wir ben¨otigen hierf¨ ur lediglich geordnete Paare, ¨ Aquivalenzrelationen und Folgen. Wir gehen dabei in drei Schritten vor: wir konstruieren zuerst die Menge Z der ganzen Zahlen, sodann die Menge Q der rationalen Zahlen und schließlich die Menge R der reellen Zahlen. Definition 2.1.1 Sei A eine beliebige Menge. Eine zweistel-
¨ lige Relation R auf A ist eine Aquivalenzrelation gdw. gilt: (Reflexivit¨at ) (Symmetrie) (Transitivit¨at )
xRx f¨ ur alle x ∈ A, xRy =⇒ yRx f¨ ur alle x, y ∈ A, und xRy ∧ yRz =⇒ xRz f¨ ur alle x, y, z ∈ A.
(Wir schreiben hier und im Folgenden =⇒“ f¨ ur das um” gangssprachliche wenn, dann“, und wir werden ⇐⇒“ ” ”
2.1.1
38
2. Reelle Zahlen
f¨ ur das umgangssprachliche genau dann, wenn“ ( gdw.“) ” ” schreiben.) ¨ Wenn R eine Aquivalenzrelation auf A ist, dann heißt f¨ ur ¨ x ∈ A die Menge [x]R = {y ∈ A : yRx} die (R-)Aqui-
valenzklasse von x. Jedes y ∈ [x]R (d. h. yRx) heißt ein ¨ Repr¨asentant der Aquivalenzklasse von x.
In der Situation von Definition 2.1.1 gilt y ∈ [x]R gdw. yRx ur alle x, y ∈ A. gdw. [x]R = [y]R f¨ ¨ Wir k¨ onnen Z als Menge von Aquivalenzklassen von Paaren nat¨ urlicher Zahlen wie folgt konstruieren. Der Begriff des geordneten Paares wird in 3.1 genauer analysiert werden. F¨ ur beliebige Objekte x, y soll es das geordnete Paar (x, y) von x und y geben, so dass f¨ ur alle x, y, x , y gilt: (x, y) = (x , y ) =⇒ x = x ∧ y = y . Seien nun also (n, m) und (r, s) geordnete Paare nat¨ urlicher Zahlen. Wir identifizieren (n, m) mit (r, s) gdw. die Differenz von n und m gleich der Differenz von r und s ist, d. h. wir definieren eine zweistellige Relation R durch (n, m)R(r, s) ⇐⇒ n + s = r + m . ¨ Offensichtlich ist R eine Aquivalenzrelation. Wir schreiben [n, m] = {(r, s) : (r, s)R(n, m)} ¨ f¨ ur die R-Aquivalenzklasse von (n, m). F¨ ur n ≥ m ist (n, m) = (n − m, 0), und f¨ ur n ≤ m ist (n, m) = (0, m − n),
2.1
Die Konstruktion der ganzen und rationalen Zahlen
39
wodurch die nach links und rechts unendliche Folge“ ” . . . , [0, 2], [0, 1], [0, 0], [1, 0], [2, 0], . . . ¨ s¨ amtliche R-Aquivalenzklassen durchl¨ auft. Unsere Vorstellung ist, dass [n, 0] f¨ ur die ganze Zahl +n und [0, n] f¨ ur die ¨ ganze Zahl −n steht. Die Menge aller R-Aquivalenzklassen bezeichnen wir mit Z und nennen sie die Menge der ganzen Zahlen. Wir schreiben [n, m] < [r, s] ⇐⇒ n + s < r + m . Dies ist wohldefiniert, da die definierende Tatsache n + s < r + m nicht von der Wahl der Repr¨ asentanten der ¨ Aquivalenzklassen [n, m] und [r, s] abh¨ angt (siehe Problem 2.1.3 (a)). wodurch < eine strikte lineare Ordnung auf Z ist. Wir k¨ onnen mit unseren ganzen Zahlen auch in gewohnter Weise rechnen. Hierzu definieren wir die Addition auf Z durch [n, m] + [r, s] = [n + r, m + s] . (Siehe Problem 2.1.3 (b).) Man sieht leicht, dass + assoziativ und kommutativ auf Z ist. Dar¨ uberhinaus gilt [n, m] + [0, 0] = [n, m] und [n, m] + [m, n] = [0, 0] .
40
2. Reelle Zahlen
Somit ist Z bez¨ uglich + eine abelsche Gruppe. Bis auf Isomorphie ist Z die unendliche zyklische Gruppe. (Vgl. [1], [18], oder auch [5, Abschnitt 1.2].) Die Menge N ist in nat¨ urlicher Weise in Z enthalten, indem wir n mit [n, 0] identifizieren. In der angegebenen Art l¨ asst sich u ¨brigens aus einer beliebigen Halbgruppe H eine Gruppe G mit H ⊂ G konstruieren. (Siehe [1].) Wir definieren weiterhin die Multiplikation auf Z durch [n, m] · [r, s] = [n · r + m · s, n · s + m · r] . (Siehe Problem 2.1.3 (c).) Dann gilt [n, m] · [1, 0] = [n, m] , aber [1, 0] und [0, 1] sind die einzigen ganzen Zahlen [n, m], f¨ ur die [r, s] ∈ Z mit [n, m] · [r, s] = [1, 0] existiert. Wir schreiben von nun an +n (gleich −(−n), oder einfach ur die ganze Zahl [0, n]. n) f¨ ur die ganze Zahl [n, 0] und −n f¨ ¨ Wir konstruieren nun Q als Menge von Aquivalenzklassen von Paaren gewisser ganzer Zahlen wie folgt. Seien (n, m) und (r, s) geordnete Paare ganzer Zahlen, wobei m = 0 = s. Wir identifizieren (n, m) mit (r, s) gdw. der Quotient aus n und m gleich dem Quotienten aus r und s ist, d. h. wir definieren eine zweistellige Relation S durch (n, m)S(r, s) ⇐⇒ n · s = r · m .
2.1
Die Konstruktion der ganzen und rationalen Zahlen
41
¨ Offensichtlich ist S eine Aquivalenzrelation auf der Menge aller Paare ganzer Zahlen, deren zweite Komponente nicht 0 ist. (W¨ urden wir als zweite Komponente die 0 zulassen, so w¨ are S nicht transitiv, da dann f¨ ur alle (n, m) gelten w¨ urde, dass (n, m)S(0, 0), aber z. B. gilt (1, 2)S(1, 3) nicht. Die Division durch 0 ist also nicht m¨ oglich!) F¨ ur n, m ∈ Z, m = 0, schreiben wir n, m = {(r, s) : r, s ∈ Z, s = 0, (r, s)S(n, m)} ¨ f¨ ur die S-Aquivalenzklasse von (n, m). Unsere Vorstellung n steht. Die Menge ist, dass n, m f¨ ur die rationale Zahl m ¨ aller S-Aquivalenzklassen bezeichnen wir mit Q und nennen sie die Menge der rationalen Zahlen. Z ist in nat¨ urlicher Weise in Q enthalten, indem wir n ∈ Z mit n, 1 identifizieren. Zu beliebigen r, s ∈ Z mit s = 0 existieren offenbar r , s ∈ Z mit s > 0 und (r, s)S(r , s ). (Falls s < 0, dann setze ur n, m, r, s ∈ Z mit m > 0 und r = −r und s = −s.) F¨ s > 0 schreiben wir n, m < r, s ⇔ n · s < r · m , (siehe Problem 2.1.3) wodurch < eine strikte lineare Ordnung auf Q ist. Wir k¨ onnen mit unseren rationalen Zahlen wieder in gewohnter Weise rechnen. Wir definieren die Addition auf Q durch n, m + r, s = n · s + r · m, m · s .
42
2. Reelle Zahlen
(Siehe Problem 2.1.3.) Wieder ist + assoziativ und kommutativ auf Q. Es gilt n, m + 0, 1 = n, m und n, m + −n, m = 0, 1 . Somit ist Q bez¨ uglich + eine abelsche Gruppe. Wir definieren die Multiplikation auf Q durch n, m · r, s = n · r, m · s . (Siehe Problem 2.1.3.) Man sieht leicht, dass · assoziativ und kommutativ auf Q ist. Außerdem gilt n, m · 0, 1 = 0, 1 und n, m · 1, 1 = n, m f¨ ur alle n, m ∈ Z mit m = 0, und es gilt n, m · m, n = 1, 1 f¨ ur alle n, m ∈ Z mit n = 0 = m. Somit ist Q \ {0, 1} bez¨ uglich · eine abelsche Gruppe. n f¨ ur die rationale Zahl n, m, Wir schreiben von nun an m wobei n, m ∈ Z, m = 0. Weiters benutzen wir im folgenden n n − rs f¨ ur m + −r die u ¨blichen Schreibweisen wie m s , usw. n n werde Der Betrag |x| = | m | einer rationalen Zahl x = m n | wie folgt definiert. Es sei, f¨ ur n, m ∈ Z mit m = 0 = n, | m
2.1
Die Konstruktion der ganzen und rationalen Zahlen
n derjenige der beiden Werte m und −n m , welcher > 0 = 0 ur m = 0 immer gleich 0 = 01 . und es sei | m | f¨
43
0 1
ist;
Satz 2.1.2 Sowohl Z als auch Q sind abz¨ ahlbare Mengen.
Beweis: Im Falle von Z l¨ asst sich eine Bijektion f : N → Z wie folgt angeben. Es sei f (2n) = n und f (2n+1) = −n. Im Falle von Q ist es etwas trickreicher, eine Bijektion g : N → Q anzugeben, welches wir wie folgt leisten. urliche Aufz¨ ahlung aller PrimzahSei (pm : m ∈ N) die nat¨ len (siehe Problem 1.1.11), d. h. p0 = 2, p1 = 3, p2 = 5, ur m ∈ N, Pm die Menge aller n ∈ N, n ≥ 2, p4 = 7, . . . Sei, f¨ so dass pm die kleinste Primzahl ist, die n teilt. (Z. B. ist ur m ∈ N, m ≥ 1, Tm die P1 = {3, 9, 15, . . .}.) Weiter sei f¨ Menge aller n ∈ N, n ≥ 1, so dass 1 der gr¨ oßte gemeinsame Teiler von m und n ist. (Z. B. ist T3 = {1, 2, 4, 5, . . .}.) Betrachten wir zun¨ achst die Menge Q+ der positiven raasst sich eindeutionalen Zahlen. Jedes Element von Q+ l¨ n darstellen, wobei m ≥ 1 und tig als gek¨ urzter Bruch“ m ” onnen nun eine Bin ∈ Tm . (Siehe Problem 2.1.5.) Wir k¨ jektion ϕ : Q+ → N folgendermaßen angeben. Sei rs ∈ Q+ n gegeben, und sei m die eindeutige gek¨ urzte Darstellung von r n r , d. h. = , m ≥ 1 und n ∈ T . Wir setzen dann m s m s r (n)) − 2 . ϕ( ) = fPm−1 (fT−1 m s Hierbei sind fTm : N → Tm und fPm−1 : N → Pm−1 die nat¨ urlichen Aufz¨ ahlungen“ von Tm und Pm−1 wie in Ab” schnitt 1.1. Wenn also n das k te Element von Tm ist, dann
2.1.2
44
2. Reelle Zahlen
n ordnen wir rs = m dem k ten Element von Pm−1 zu. Dabei subtrahieren wir 2, um die Zahlen 0 und 1 ebenfalls in den Wertebereich von ϕ zu bekommen. Da N \ {0, 1} die disjunkte Vereinigung aller Pm , m ∈ N, ist, und da sowohl fTm : N → Tm als auch fPm : N → Pm bijektiv sind, ist leicht zu verifizieren, dass die so definierte Abbildung ϕ : Q+ → N bijektiv ist.
n f T¡1 m
k fPm¡1
0
1
2
fPm¡1 (k)
Wir erhalten in derselben Weise eine bijektive Abbildung ψ : Q− → N der Menge der negativen rationalen Zahlen auf N. Schließlich k¨ onnen wir eine Bijektion g : N → Q definieren, indem wir setzen: g(0) = 01 , g(2n + 1) = ϕ−1 (n) und ur n ∈ N. g(2n + 2) = ψ −1 (n) f¨
2.1
Die Konstruktion der ganzen und rationalen Zahlen
45
Die im Beweis von Satz 2.1.2 definierte Bijektion g : N → Q respektiert nat¨ urlich in keinster Weise die nat¨ urlichen Ordnungen auf N bzw. Q. Eine Bijektion, die diese Ordnung respektieren w¨ urde, d. h. einen Ordnungsisomorphismus von N und Q, kann es auch gar nicht geben. Im Unterschied zu N ist Q, zusammen mit 0, existieren n eindeutige n, m ∈ N\{0} mit p = m , so dass n und m teilerfremd sind, d. h. 1 ist die einzige nat¨ urliche Zahl r, so dass n , m ∈ N mit n · r = n und m · r = m existieren.
2.1.5
Problem 2.1.6 Zeigen Sie, dass Q archimedisch“ ist im folgen” den Sinne: f¨ ur alle q ∈ Q existiert ein n ∈ N mit q < n.
2.1.6
Problem 2.1.7 chung f¨ ur Q:
2.1.7
Zeigen Sie die G¨ ultigkeit der Dreiecksunglei-
(a) F¨ ur alle p, q ∈ Q gilt |p + q| ≤ |p| + |q|. Benutzen Sie diese Aussage, um durch Induktion (nach n) zu zeigen: (b) F¨ ur alle p1 , . . . , pn ∈ Q gilt |x1 − xn | ≤ |x1 − x2 | + |x2 − x3 | + · · · + |xn−1 − xn |.
Problem 2.1.8 ∗ Seien A und B abz¨ahlbar, und seien 1ε (ein derartiges n0 existiert, da f¨ ur alle n, m ≥ n0 : xn0 ≤ xn ≤ yn0 gilt: 2n ≥ n). Dann gilt f¨ und xn0 ≤ xm ≤ yn0 und daher xm − xn ≤ yn0 − xn0 und xn − xm ≤ yn0 − xn0 , also |xm − xn | ≤ yn0 − xn0 =
1 2n0 −1
0 und sei n0 ∈ N, ur n0 > 0, so, dass 2n01−1 < ε. Dann gilt wegen x ≥ xn f¨ n ≥ n0 : |yn − x| ≤ yn − xn ≤ yn0 − xn0 =
1 0. Sei n0 so, dass f¨ Dann gilt f¨ ur alle n ≥ n0 : 2−x2n ≤ yn2 −x2n = (yn −xn )(yn + xn ) ≤ (yn − xn ) · 2yn < 14 · ε · 4 = ε, und damit x2n ≥ 2 − ε. (Die Folge (x2n : n ∈ N) konvergiert damit gegen 2.) Also ur alle ε > 0, woraus x2 ≥ 2 folgt. V¨ollig gilt x2 ≥ 2 − ε f¨ analog zeigt man x2 ≤ 2. Also gilt x2 = 2. Dies ist ein Widerspruch zu Lemma 2.2.2! Lemma 2.2.3 besagt, dass Q nicht vollst¨ andig ist: es gibt in Q verlaufende Cauchy-Folgen, die nicht in Q konvergieren. Wir werden nun Q vervollst¨ andigen“. ” ¨ Wir definieren dazu zun¨ achst eine Aquivalenzrelation auf der Menge der (rationalen) Cauchy-Folgen. Seien (xn : n ∈ N), (yn : n ∈ N) rationale Cauchy-Folgen. Wir schreiben dann (xn : n ∈ N)E(yn : n ∈ N) , falls die Differenz von (xn : n ∈ N) und (yn : n ∈ N) eine Nullfolge ist. Offensichtlich ist E reflexiv und symmetrisch. Die Transitivit¨ at von E ergibt sich folgendermaßen. Sei (xn : n ∈ N)E(yn : n ∈ N) und (yn : n ∈ N)E(zn : n ∈ N).
2.2
Die Konstruktion der reellen Zahlen
53
Sei ε > 0, und sei n0 ∈ N so, dass f¨ ur alle n ≥ n0 gilt: ur alle |yn − xn | < 12 ε und |zn − yn | < 12 ε. Dann gilt f¨ n ≥ n0 : |zn − xn | ≤ |zn − yn | + |yn − xn | < 12 ε + 12 ε = ε mit Hilfe der Dreiecksungleichung. Also ist auch die Differenz von (xn : n ∈ N) und (zn : n ∈ N) eine Nullfolge. Wenn (xn : n ∈ N) eine rationale Cauchy-Folge ist, dann schreiben wir nun [xn : n ∈ N] = {(yn : n ∈ N) : (yn : n ∈ N)E(xn : n ∈ N)} ¨ f¨ ur die E-Aquivalenzklasse von (xn : n ∈ N). Unsere Vorstellung ist, dass [xn : n ∈ N] diejenige reelle Zahl ist, gegen die (xn : n ∈ N) konvergiert. Die Menge aller E¨ Aquivalenzklassen bezeichnen wir mit R und nennen sie die Menge der reellen Zahlen. Die Menge Q der rationalen Zahlen ist in nat¨ urlicher Weise in der Menge R der reellen Zahlen enthalten, indem wir x ∈ Q mit [x : n ∈ N] identifizieren. F¨ ur x ∈ Q schreiben wir im Folgenden auch x anstelle von [x : n ∈ N]. Lemma 2.2.4 Seien (xn : n ∈ N), (yn : n ∈ N) rationale Cauchy-Folgen. Dann gilt genau eine der folgenden Aussagen:
(1) (xn : n ∈ N)E(yn : n ∈ N) ur alle (2) es gibt ein n0 ∈ N und ein ε ∈ Q, ε > 0, so dass f¨ n ≥ n0 : yn > xn + ε ur alle (3) es gibt ein n0 ∈ N und ein ε ∈ Q, ε > 0, so dass f¨ n ≥ n0 : xn > yn + ε.
2.2.4
54
2. Reelle Zahlen
Beweis: Offensichtlich schließen sich (1), (2) und (3) gegenseitig aus. Wir zeigen, dass (1) gilt, falls sowohl (2) als auch (3) falsch sind. Wenn (2) und (3) falsch sind, dann gibt es f¨ ur jedes n ∈ N und f¨ ur jedes ε ∈ Q, ε > 0, ein m ≥ n mit ym ≤ xm + ε , und f¨ ur jedes n ∈ N und f¨ ur jedes ε ∈ Q, ε > 0, gibt es ein m ≥ n mit xm ≤ ym + ε . Sei nun ε ∈ Q, ε > 0. Sei n0 ∈ N so, dass f¨ ur alle n, m ≥ n0 : |xm − xn | < 13 ε |ym − yn |
0, gibt, so dass f¨ ur alle n ≥ n0 : yn > xn + ε. Wir m¨ ussen zeigen, dass < wohldefiniert ist. Die definierende Tatsache ( es gibt n0 ∈ N und ε ∈ Q, ε > 0, so dass ” f¨ ur alle n ≥ n0 : yn > xn + ε“) nimmt Bezug auf jeweils ¨ einen Repr¨ asentanten der Aquivalenzklassen [xn : n ∈ N] amlich (xn : n ∈ N) und (yn : n ∈ N)). und [yn : n ∈ N] (n¨ Wir m¨ ussen zeigen, dass der Wahrheitswert der definierenden Tatsache nicht von der Wahl der Repr¨asentanten abh¨ angt. Dies erfolgt im Wesentlichen in gleicher Weise wie im Beweis von Lemma 2.2.4 Lemma 2.2.6 Seien (xn : n ∈ N), (xn : n ∈ N), (yn : n ∈ N)
und (yn : n ∈ N) rationale Cauchy-Folgen mit (xn : n ∈ N)E(xn : n ∈ N) und (yn : n ∈ N)E(yn : n ∈ N). Dann sind die folgenden Aussagen a ¨quivalent. (1) Es gibt ein n0 ∈ N und ein ε ∈ Q, ε > 0 so, dass f¨ ur alle n ≥ n0 : yn > xn + ε. ur (2) Es gibt ein n0 ∈ N und ein ε ∈ Q, ε > 0 so, dass f¨ alle n ≥ n0 : yn > xn + ε.
2.2.6
56
2. Reelle Zahlen
Beweis: Aus Symmetriegr¨ unden gen¨ ugt es zu zeigen, dass (2) aus (1) folgt. Sei also (1) angenommen, und werde dies durch n0 ∈ N und ε ∈ Q, ε > 0, bezeugt. Sei m0 ∈ N so, dass f¨ ur alle n ≥ m0 gilt: |xn − xn | < 3ε und |yn − yn | < ε3 . ur alle n ≥ m0 : Sei o. B. d. A. m0 ≥ n0 . Dann gilt f¨ yn − xn = (yn − xn ) − (yn − yn ) − (xn − xn ) ≥ (yn − xn ) − |yn − yn | − |xn − xn | >ε−
ε 3
−
ε 3
= 3ε .
Damit gilt (2), bezeugt durch m0 und 3ε .
Wir haben gezeigt, dass < eine strikte lineare Ordnung auf R ist. Die rationalen Zahlen sind im folgenden Sinne dicht“ ” in den reellen Zahlen enthalten: 2.2.7
Satz 2.2.7 Seien x, y ∈ R. Dann existiert ein z ∈ Q mit
x < z und z < y. Beweis: Sei x = [xn : n ∈ N] und y = [yn : n ∈ N], wobei (xn : n ∈ N), (yn : n ∈ N) rationale Cauchy-Folgen sind. ur Da x < y, gibt es n0 ∈ N und ε ∈ Q, ε > 0, so dass f¨ ur alle alle n ≥ n0 : yn > xn + ε. Sei m0 ≥ n0 so, dass f¨ n, m ≥ m0 gilt: |xm − xn | < 3ε und |ym − yn | < 3ε . Setze ur alle n ≥ m0 : z = 12 · (xm0 + ym0 ). Dann gilt f¨ z − xn = z − xm0 + xm0 − xn ≥ z − xm0 − |xm0 − xn | · (ym0 − xm0 ) − |xn0 − xn |
=
1 2
>
1 2ε
− 13 ε = 16 ε ,
2.2
Die Konstruktion der reellen Zahlen
57
d. h. es gilt z > xn + 16 ε f¨ ur alle n ≥ m0 . Dies zeigt x = [xn : n ∈ N] < [z : n ∈ N]. Analog zeigt man [z : n ∈ N] < [yn : n ∈ N] = y. Korollar 2.2.8 R ist archimedisch“ im folgenden Sinne. Sei
” x ∈ R. Dann existiert ein n ∈ N mit x < n.
2.2.8
Beweis: Der Fall x ≤ 0 ist trivial. Nehmen wir also an, es gelte x > 0. Sei z ∈ Q, so dass z > 0 und z < x1 . (Ein solches z existiert wegen Satz 2.2.7.) Es gibt m, n ∈ N mit m 1 m > 0 und n > 0, so dass z = m n . Es gilt dann n < x , also m · x < n. Daraus folgt x < n. Mit den reellen Zahlen l¨ asst sich in gewohnter Weise rechnen. Wir definieren die Addition auf R durch [xn : n ∈ N] + [yn : n ∈ N] = [xn + yn : n ∈ N] , wobei (xn : n ∈ N) und (yn : n ∈ N) rationale Cauchy-Folgen sind. Lemma 2.2.9 Seien (xn : n ∈ N), (xn : n ∈ N), (yn : n ∈ N),
(yn : n ∈ N) rationale Cauchy-Folgen mit (xn : n ∈ N)E (xn : n ∈ N) und (yn : n ∈ N)E(yn : n ∈ N). Dann sind auch (xn + yn : n ∈ N), (xn + yn : n ∈ N) rationale CauchyFolgen und es gilt (xn + yn : n ∈ N)E(xn + yn : n ∈ N). Beweis: Siehe Problem 2.2.2 (1).
2.2.9
58
2. Reelle Zahlen
Damit ist die Addition auf R wohldefiniert. Man sieht leicht, dass + assoziativ und kommutativ auf R ist. Außerdem gilt [xn : n ∈ N] + [0 : n ∈ N] = [xn : n ∈ N] und [xn : n ∈ N] + [−xn : n ∈ N] = [0 : n ∈ N] f¨ ur alle rationalen Cauchy-Folgen (xn : n ∈ N), wodurch R bez¨ uglich + eine abelsche Gruppe ist. Wir definieren die Multiplikation auf R durch [xn : n ∈ N] · [yn : n ∈ N] = [xn · yn : n ∈ N] , wobei (xn : n ∈ N) und (yn : n ∈ N) rationale Cauchy-Folgen sind. 2.2.10
Lemma 2.2.10 Seien (xn : n ∈ N), (xn : n ∈ N), (yn : n ∈ N)
und (yn : n ∈ N) rationale Cauchy-Folgen mit (xn : n ∈ N)E (xn : n ∈ N) und (yn : n ∈ N)E(yn : n ∈ N). Dann sind auch (xn · yn : n ∈ N), (xn · yn : n ∈ N) rationale Cauchy-Folgen und es gilt (xn · yn : n ∈ N)E(xn · yn : n ∈ N) Beweis: Siehe Problem 2.2.2 (2).
Damit ist die Multiplikation auf R wohldefiniert. Man sieht leicht, dass · assoziativ und kommutativ auf R ist. Außerdem gilt [xn : n ∈ N] · [1 : n ∈ N] = [xn : n ∈ N]
2.2
Die Konstruktion der reellen Zahlen
59
f¨ ur alle rationalen Cauchy-Folgen (xn : n ∈ N). Sei weiterhin (xn : n ∈ N) eine rationale Cauchy-Folge, (xn : n ∈ N) keine Nullfolge, d. h. es gibt ein n0 ∈ N und ein ε ∈ Q, ε > 0, ur alle n ≥ n0 . Sei dann (yn : n ∈ N) deso dass |xn | > ε f¨ finiert durch yn = 1, falls n < n0 , und yn = x1n , falls n ≥ n0 . Dann ist (yn : n ∈ N) eine rationale Cauchy-Folur ge. Sei n¨ amlich ε ∈ Q, ε > 0. Sei m0 ≥ n0 so, dass f¨ 3 ur alle alle m, n ≥ m0 gilt: |xm − xn | < ε ; dann gilt f¨ |xn −xm | ε3 < m, n ≥ m0 : |ym − yn | = | x1m − x1n | = |x ε·ε = ε. m |·|xn | Außerdem sieht man leicht, dass (xn · yn : n ∈ N)E(1 : n ∈ N) = 1 . Somit ist R \ {0} bez¨ uglich · eine abelsche Gruppe. Ebenso leicht lassen sich die Distributionsgesetze f¨ ur + und · nachrechnen, wodurch R ein K¨ orper ist. Wir wollen nun die Vollst¨ andigkeit von R nachrechnen. Die Vollst¨ andigkeit von R besagt, dass jede Cauchy-Folge, die in R verl¨ auft, einen Grenzwert in R besitzt. Hierzu m¨ ussen wir zun¨ achst die Begriffe Cauchy-Folge“ und Konvergenz“ in ” ” nat¨ urlicher Weise auf R ausdehnen. F¨ ur x ∈ R sei der Betrag |x| von x wie folgt definiert: es sei |x| = x, falls x ≥ 0, und es sei |x| = −x, falls x ≤ 0. Die Dreiecksungleichung (siehe Problem 2.1.7 und 2.2.3) gilt auch f¨ ur reelle anstelle von rationalen Zahlen.
60
2.2.11
2. Reelle Zahlen
Definition 2.2.11 Sei (xn : n ∈ N) eine Folge reeller Zahlen. ur alle Dann heißt (xn : n ∈ N) eine Cauchy-Folge gdw. f¨ ur alle n, m ≥ n0 gilt: ε > 0 ein n0 ∈ N existiert, so dass f¨ |xm − xn | < ε.
Da wegen Satz 2.2.7 zu jedem ε ∈ R mit ε > 0 ein ε ∈ Q mit ε < ε und ε > 0 existiert, spielt es keine Rolle, ob die Zahl ε in Definition 2.2.11 als rational oder reell angenommen wird. 2.2.12
Definition 2.2.12 Sei (xn : n ∈ N) eine Folge reeller Zahlen
und sei x eine reelle Zahl. Dann konvergiert (xn : n ∈ N) gegen x, in Zeichen lim xn = x ,
n→∞
gdw. f¨ ur alle ε > 0 ein n0 ∈ N existiert, so dass f¨ ur alle n ≥ n0 gilt: |x − xn | < ε. Sei (xn : n ∈ N) eine reelle Folge, und sei x ∈ R. Angenommen, es gilt limn→∞ xn = x. Zu vorgelegtem ε > 0 sei ur alle n ≥ n0 . Dann gilt f¨ ur n0 ∈ N so, dass |x − xn | < 2ε f¨ alle n, m ≥ n0 : |xm − xn | = |x − xn + xm − x| ≤ |x − xn | + |xm − x|
0 vorgelegt. Sei n0 ∈ N so, dass n01+1 < 3ε . Dann gilt f¨ ur alle m, n ≥ n0 : |ym − yn | = |ym − xm + xm − xn + xn − yn | ≤ |ym − xm | + |xm − xn | + |xn − yn | <
0 ein n0 ∈ N existiert, so dass f¨ ur alle m ≥ n0 gilt: |y − xm | < ε. Sei also ε > 0 vorgelegt. ur alle m ≥ n0 Behauptung. Es gibt ein n0 ∈ N, so dass f¨ ε 1 ε gilt: |ym − y| < 2 und m+1 < 2 .
2.2.13
62
2. Reelle Zahlen
Sei zun¨ achst die Behauptung als richtig angenommen. Dann gilt f¨ ur m ≥ n0 mit Hilfe der Dreiecksungleichung: |xm − y| = |xm − ym + ym − y| ≤ |xm − ym | + |ym − y| <
ym + δ
ym +
ε 2
> yn + δ .
und
Nach Definition 2.2.5 bedeutet dies: ym = [ym : n ∈ N] < [yn + 2ε : n ∈ N] = y +
ε 2
und y = [yn : n ∈ N] < [ym + 2ε : n ∈ N] = ym +
ε 2
,
d. h. |ym − y|
0 wird mit 2 bezeichnet. Jedes Element von R \ Q heißt irrationale Zahl. Definition 2.2.14 Seien x, y ∈ R mit x < y. Wir schreiben
dann (x, y) = {z ∈ R : x < z ∧ z < y} f¨ ur das offene Intervall zwischen x und y, und wir schreiben [x, y] = {z ∈ R : x ≤ z ∧ z ≤ y} f¨ ur das abgeschlossene Intervall zwischen x und y.
Wir benutzen nun die folgende Notation. Sei, f¨ ur n ∈ N, An eine Menge. Dann seien An = {x : es gibt ein n ∈ N mit x ∈ An } n∈N
und
An = {x : f¨ ur alle n ∈ N, x ∈ An } .
n∈N
Seien (xn : n ∈ N), (yn : n ∈ N) Folgen reeller Zahlen mit ur alle n ∈ N. xn < yn , xn+1 ≥ xn und yn+1 ≤ yn f¨ Dann gilt nicht notwendig, dass n∈N (xn , yn ) = ∅. (Wenn 1 f¨ ur alle n ∈ N, dann ist etwa xn = 0 und yn = n+1 (x , y ) = ∅.) Andererseits gilt in dieser Situation n∈N n n
2.2.14
64
2. Reelle Zahlen
immer, dass n∈N [xn , yn ] = ∅. Dies ist die Aussage des Intervallschachtelungsprinzips. 2.2.15
Definition 2.2.15 Seien (xn : n ∈ N), (yn : n ∈ N) Folgen ur alle n ∈ N. reeller Zahlen mit xn ≤ xn+1 < yn+1 ≤ yn f¨ Dann heißt die Folge
([xn , yn ] : n ∈ N) abgeschlossener Intervalle eine (abgeschlossene) Intervallschachtelung. 2.2.16
Satz 2.2.16 (Intervallschachtelungsprinzip) Sei ([xn , yn ] : n ∈ N) eine Intervallschachtelung. Dann gilt [xn , yn ] = ∅ . n∈N
Beweis: (Siehe auch Problem 2.2.4 (1).) Zun¨achst ist leicht zu sehen, dass (xn : n ∈ N) eine Cauchy-Folge ist. Andernfalls g¨ abe es n¨ amlich ein ε > 0, so dass f¨ ur alle n0 ∈ N nat¨ urliche Zahlen n, m ≥ n0 mit |xm − xn | ≥ ε existieren, was sofort liefert, dass ein n ∈ N mit xn > y0 existiert. Ebenso sieht man, dass (yn : n ∈ N) eine Cauchy-Folge ist. Seien x = limn→∞ xn und y = limn→∞ yn . Es gilt x ≤ y, usste. da ansonsten ein n ∈ N mit yn < xn existieren m¨ ur alle m ∈ N, d. h. Damit gilt nun auch x ∈ [xn , yn ] f¨ n∈N [xn , yn ] = ∅.
2.2
Die Konstruktion der reellen Zahlen
65
Definition 2.2.17 Sei A ⊂ R. Dann heißt A beschr¨ ankt gdw.
2.2.17
ur alle y ∈ A. x0 , x1 ∈ R existieren, so dass x0 < y < x1 f¨ Wenn A ⊂ R beschr¨ ankt ist, dann gibt es, da R wegen Korollar 2.2.8 archimedisch ist, auch ein n < N, so dass y < n f¨ ur alle y ∈ A. Satz 2.2.18 (Supremumsprinzip) Sei A ⊂ R eine nichtleere beschr¨ ankte Menge reeller Zahlen. Dann existiert ein x ∈ R mit:
(a) f¨ ur alle y ∈ A gilt y ≤ x, und (b) wenn z ∈ R so ist, dass y ≤ z f¨ ur alle y ∈ A gilt, dann ist x ≤ z.
Beweis: (Siehe auch Problem 2.2.4 (2).) Wir definieren eine Intervallschachtelung ([xn , yn ] : n ∈ N) wie folgt. Sei x0 ∈ ur alle y ∈ A gilt. Nehmen wir A, und sei y0 so, dass y < y0 f¨ an, xn und yn seien definiert, wobei gilt: es gibt ein y ∈ A ur alle y ∈ A. Sei z = 12 · (xn + yn ). mit xn ≤ y und y < yn f¨ ur alle Wir setzen xn+1 = xn und yn+1 = z falls y < z f¨ y ∈ A, und wir setzen xn+1 = z und yn+1 = yn , falls es ein y ∈ A mit z ≤ y gibt. asst sich dann leicht nachrechnen, Sei x = limn→∞ xn . Es l¨ dass x wie gew¨ unscht ist.
2.2.18
66
2. Reelle Zahlen
Das Intervallschachtelungsprinzip kann in sehr einfacher ¨ Weise benutzt werden, um die Uberabz¨ ahlbarkeit von R (siehe Definition 1.1.18) zu zeigen. 2.2.19
Satz 2.2.19 (Cantor) Es gibt keine Surjektion
f: N → R. Beweis: Sei f : N → R. Wir definieren eine Intervallschachtelung ([xn , yn ] : n ∈ N) wie folgt. Sei x0 = 0 < 1 = y0 . Angenommen xn und yn seien bereits konstruiert. Falls f (n) ∈ [xn , yn ], dann setzen wir xn+1 = xn und yn+1 = yn . Falls f (n) ∈ [xn , yn ], dann sei ε = 13 · (yn − xn ). In mindestens einem der Intervalle [xn , xn +ε], [xn +ε, xn +2·ε], [xn +2·ε, yn] ist dann f (n) nicht enthalten. Sei k ∈ {0, 1, 2} minimal, so dass f (n) ∈ [xn + k · ε, xn + (k + 1) · ε]. Wir setzen dann xn+1 = xn + k · ε und yn+1 = xn + (k + 1) · ε. Dies definiert eine Intervallschachtelung ([xn , yn ] : n ∈ N) so, dass f¨ ur jedes n ∈ N gilt: f (n) ∈ [xn+1 , yn+1 ]. Wenn also x ∈ n∈N [xn , yn ], dann ist x ∈ {f (n) : n ∈ N}, und f kann nicht surjektiv sein. 2.2.1
Problem 2.2.1 Sei n > 1 eine nat¨ urliche Zahl. Zeigen Sie: Es gibt ein x ∈ Q mit x2 = n gdw. ein m ∈ N mit m2 = n existiert.
2.2.2
Problem 2.2.2 (1) Beweisen Sie Lemma 2.2.9! (2) Beweisen Sie Lemma 2.2.10!
2.2
Die Konstruktion der reellen Zahlen
67
Problem 2.2.3 Zeigen Sie die G¨ ultigkeit der Dreiecksungleichung f¨ ur R: F¨ ur alle x, y ∈ R gilt |x + y| ≤ |x| + |y|.
2.2.3
Problem 2.2.4
2.2.4
(1) Erg¨ anzen Sie die Details im Beweis von Satz 2.2.16! (2) Erg¨ anzen Sie die Details im Beweis von Satz 2.2.18!
Problem 2.2.5 Sei ([xn , yn ] : n ∈ N) eine Intervallschachtelung, wobei (yn − xn : n ∈ N) eine Nullfolge ist. Zeigen Sie, dass dann T ur dieses Elen∈N [xn , yn ] genau ein Element besitzt, und dass f¨ ment x gilt: x = limn→∞ xn = limn→∞ yn .
2.2.5
Problem 2.2.6 Zeigen Sie die G¨ ultigkeit des Intervallschachtelungsprinzips unter Voraussetzung des Supremumsprinzips! Zeigen Sie unter Voraussetzung des Supremumsprinzips, dass jede Cauchy-Folge gegen eine reelle Zahl konvergiert!
2.2.6
Problem 2.2.7 Zeigen Sie mit Hilfe des Supremumsprinzips die G¨ ultigkeit der folgenden Aussage ( Infimumsprinzip“): Sei A ei” ne nichtleere beschr¨ ankte Menge reeller Zahlen. Dann existert ein x ∈ R mit:
2.2.7
(a) f¨ ur alle y ∈ A gilt x ≤ y, und (b) wenn z ∈ R so ist, dass z ≤ y f¨ ur alle y ∈ A gilt, dann ist z ≤ x.
Problem 2.2.8 Zeigen Sie: Es gibt eine Bijektion von R auf die Menge der Teilmengen von N. Also gibt es auch eine Bijektion von R auf die Menge aller unendlichen 0–1-Folgen.
2.2.8
68
2.2.9
2. Reelle Zahlen
Problem 2.2.9 ∗ Zeigen Sie: Es gibt eine Bijektion von R auf die Menge aller stetigen Funktionen von R nach R. (Siehe z. B. [6] zum Begriff der stetigen Funktion. Hinweis: Wenn f : R → R und g : R → R stetig sind mit f Q = g Q, dann ist f = g.)
2.3
Die Theorie der reellen Zahlen
69
2.3 Die Theorie der reellen Zahlen Wir wollen nun, ¨ ahnlich wie dies in Abschnitt 1.2 f¨ ur die nat¨ urlichen Zahlen geschehen ist, ein Axiomensystem f¨ ur die reellen Zahlen angeben. Zun¨ achst sind die reellen Zahlen ein K¨orper, d. h. es gelten die nachfolgenden Axiome: (1)
∀x∀y x + y = y + x
(2)
∀x∀y x · y = y · x
(3) ∀x∀y∀z (x + y) + z = x + (y + z) (4) ∀x∀y∀z (x · y) · z = x · (y · z) (5) ∀x∀y∀z x · (y + z) = (x · y) + (x · z) (6)
∀x x + 0 = x
(7)
∀x x · 1 = x
(8) (9) (10)
∀x∃y x + y = 0 ∀x (x = 0 → ∃y x · y = 1) 0 = 1
Hierbei besagen die Axiome (1), (3), (6) und (8), dass R bez¨ uglich + eine abelsche Gruppe mit 0 als neutralem Element ist, und die Axiome (2), (4), (7) und (9) besagen, dass R \ {0} bez¨ uglich · eine abelsche Gruppe mit 1 als neutralem Element ist. Die Axiome (1) und (2) sind die Kommutativ- und die Axiome (3) und (4) die Assoziativgesetze. Axiom (5) ist das Distributivit¨atsgesetz. Dar¨ uber hinaus ist R sogar ein geordneter K¨ orper, d. h. es gelten
2.3
70
2. Reelle Zahlen
weiterhin die nachfolgenden Axiome: (11) (12)
∀x ¬x < x ∀x∀y (x < y ∨ x = y ∨ y < x)
(13) ∀x∀y∀z (x < y ∧ y < z → x < z) (14) ∀x∀y∀z (x < y → x + z < y + z) (15) ∀x∀y∀z (x < y ∧ 0 < z → x · z < y · z) Die Axiome (11)–(13) dr¨ ucken aus, dass R durch < linear geordnet ist, und dass f¨ ur reelle Zahlen x, y genau eine der drei Aussagen x < y, x = y, y < x zutrifft (Trichotomie). Die Axiome (14) und (15) sind die Monotoniegesetze. Wir bezeichnen das Axiomensystem, das durch die obiur geordnete gen Axiome (1)–(15) gegeben ist, mit GK (f¨ ” K¨ orper“). Die Sprache, in der GK formuliert ist, hat neben den allgemeinen logischen Symbolen (siehe Abschnitt 1.2) und Variablen x, y, z, . . . f¨ ur reelle Zahlen die folgenden Symbole: 0 1 + ·
0 ⇐⇒ −z < 0. (f) F¨ ur alle x, y, z gilt: wenn z < 0 und x < y, dann x·z > y ·z. (g) F¨ ur alle z mit z = 0 gilt z · z > 0. (h) 0 < 1.
2.3
Die Theorie der reellen Zahlen
73
Problem 2.3.2 ∗ Beweisen Sie die folgenden Aussagen in VGK. (F¨ ur die Aussagen (b), (c), (d) wird lediglich GK ben¨ otigt.) ∀x(x ≥ 0 → ∃y y 2 = x). ∀x0 ∀x1 (x1 = 0 → ∃y x1 · y + x0 = 0). ∀x0 ∀x1 ∀x2 ∀x3 (x3 = 0 → ∃y x3 ·y 3 +x2 ·y 2 +x1 ·y +x0 > 0). ∀x0 ∀x1 ∀x2 ∀x3 (x3 = 0 → ∃y x3 · y 3 + x2 · y 2 + x1 · y + x0 < 0). (e) ∀x0 ∀x1 ∀x2 ∀x3 (x3 = 0 → ∃y x3 · y 3 + x2 · y 2 + x1 · y + x0 = 0).
(a) (b) (c) (d)
ur y · y und y 3 kurz f¨ ur y · y · y. Hier ist y 2 kurz f¨
2.3.2
Kapitel 3 Mengen
3
3 3.1
3
3.2 3.3
Mengen Mengen, Klassen und GrothendieckUniversen .................................. 77 Das Auswahlaxiom....................... 105 Die Topologie von R und die Kontinuumshypothese ......................... 122
3.1
Mengen, Klassen und Grothendieck-Universen
77
3 Mengen Wir haben oben, insbesondere anl¨ asslich der Konstruktion der reellen aus den nat¨ urlichen Zahlen, die N¨ utzlichkeit mengentheoretischer Konstruktionen beobachten k¨onnen. Es stellt sich nun heraus, dass s¨ amtliche Objekte bzw. Strukturen der Mathematik mengentheoretisch konstruiert werden k¨ onnen. Einigen Aspekten hiervon wollen wir in diesem Kapitel nachgehen. Wir wollen auch die Rolle des Auswahlaxioms und die fundamentalen toplogischen Eigenschaften von R untersuchen. Gute Einf¨ uhrungen in die Mengenlehre sind in den B¨ uchern [12], [8] und [9] zu finden.
3.1 Mengen, Klassen und Grothendieck-Universen Einer der grundlegenden Begriffe der Mathematik ist der der Funktion. Eine Funktion f von A nach B weist jedem Element a von A genau ein Element f (a) von B zu. Wir k¨onnen Funktionen als Mengen von geordneten Paaren mit bestimmten Eigenschaften ansehen. Wir m¨ ussen uns daher zun¨achst mit dem Begriff des geordneten Paares besch¨aftigen. Zu gegebenen Objekten x und y wollen wir das ge” ordnete Paar“ (x, y) so konstruieren, dass f¨ ur alle x, y, x , y gilt: (∗) (x, y) = (x , y ) ⇐⇒ x = x und y = y .
3.1
78
3. Mengen
(Siehe Abschnitt 2.1.) Wir k¨ onnten das geordnete Paar als vordefinierten Grundbegriff einf¨ uhren, von dem wir die Eigenschaft (∗) verlangen. (So verf¨ ahrt etwa Bourbaki.) Wir k¨ onnen aber besser das geordnete Paar selbst mengentheoretisch definieren. Hierzu gibt es mehrere M¨oglichkeiten, von denen wir die folgende w¨ ahlen. 3.1.1
Definition 3.1.1 Seien x, y beliebige Objekte. Das geordnete Paar von x und y ist dann die Menge (x, y), die als {{x}, {x, y}} definiert ist.
Wir beweisen nun (∗). 3.1.2
Lemma 3.1.2 Seien x, y, x , y beliebige Objekte. Dann gilt
(x, y) = (x , y ) ⇐⇒ x = x ∧ y = y . Beweis: Die G¨ ultigkeit von ⇐“ ist trivial. Wir zeigen nun ” ussen ⇒“. Sei also (x, y) = (x , y ) vorausgesetzt. Wir m¨ ” zeigen, dass x = x und y = y . Zun¨ achst bemerken wir Folgendes. Im Falle x = y gilt dann {x, y} = {x}, also (x, y) = {{x}, {x, y}} = {{x}}, und (x, y) besitzt also dann ein Element, n¨ amlich {x}. Im Falle x = y dagegen besitzt (x, y) = {{x}, {x, y}} zwei verschiedene Elemente, n¨ amlich {x} und {x, y} (w¨are {x} = {x, y} dann h¨ atten wir y ∈ {x}, also y = x). Analoges gilt nat¨ urlich auch f¨ ur (x , y ). Dies zeigt, dass aus (x, y) = (x , y ) folgt, dass entweder sowohl x = y als auch x = y gilt oder dass sowohl x = y als auch x = y gilt.
3.1
Mengen, Klassen und Grothendieck-Universen
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1. Fall. x = y und x = y . Dann gilt {{x}} = (x, y) = (x , y ) = {{x }}. Daraus folgt {x} = {x }, also x = x , also auch y = x = x = y . 2. Fall. x = y und x = y . Dann besitzt (x, y) die zwei verschiedenen Elemente {x} und {x, y}, und (x , y ) besitzt die zwei verschiedenen Elemente {x } und {x , y }. Da (x, y) = (x , y ), gilt zun¨achst {x} ∈ (x , y ) = {{x }, {x , y }}, also {x} = {x } oder oglich, da {x} ein{x} = {x , y }. Letzteres ist aber unm¨ elementig und (wegen x = y ) {x , y } zweielementig ist. Also gilt {x} = {x }, woraus x = x folgt. Sodann gilt wegen (x, y) = (x , y ) auch {x, y} ∈ (x , y ) = {{x }, {x , y }}, also {x, y} = {x } oder {x, y} = {x , y }. Ersteres ist wieder unm¨ oglich, da {x, y} (wegen x = y) zweielementig und {x } einelementig ist. Also gilt {x, y} = {x , y }. Insbesondere gilt y = y oder y = x . Letzteres ergibt aber wegen x = x (wie bereits gezeigt wurde), dass y = x, was x = y widerspricht. Also gilt y = y . Wir haben damit x = x und y = y gezeigt. Mit Hilfe des Begriffs des geordneten Paares k¨onnen wir nun sehr leicht den Begriff der Funktion einf¨ uhren. Definition 3.1.3 Seien A, B beliebige Mengen. Das Kreuz-
produkt, A × B, von A und B ist dann die Menge aller geordneten Paare (a, b), wobei a ∈ A und b ∈ B gilt. Wir ur A × A, A3 f¨ ur (A × A) × A, usw. schreiben auch A2 f¨ Jede Teilmenge R von A × B wird als Relation auf A, B
3.1.3
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3. Mengen
bezeichnet. F¨ ur n ∈ N wird eine Teilmenge S von An = A × (A × · · · (A × A) · · · ) n-viele A
als n-stellige Relation auf A bezeichnet. F¨ ur D ⊂ A schrein ben wir dann auch S D f¨ ur S ∩D . Eine zweistellige Relation < auf A heißt eine Ordnung auf A gdw. die folgenden Aussagen gelten (vgl. Problem 1.2.2 (a) und (b) sowie die Axiome (11) und (13) von GK): (a) f¨ ur alle x ∈ A gilt x < x nicht (b) f¨ ur alle x, y, z ∈ A folgt aus x < y und y < z, dass x < z. Die Ordnung < heißt linear gdw. zus¨ atzlich gilt (vgl. (Q11), das Axiom (12) von GK und Definition 1.2.1): (c) f¨ ur alle x, y ∈ A gilt x < y oder x = y oder y < x. Wenn < eine Ordnung auf A ist, dann schreiben wir oft auch x ≤ y anstelle von x < y ∨ x = y. Eine Funktion von A nach B, geschrieben f : A → B, ist dann eine Relation R auf A, B, so dass f¨ ur jedes a ∈ A genau ein b ∈ B mit ¨ (a, b) ∈ R existiert. Ublicherweise benutzen wir die Buchstaben f, g, . . . , F, . . . , ϕ, . . . f¨ ur Funktionen. Wenn f eine Funktion von A nach B ist, so heißt A der Definitionsbereich (oder, Urbildbereich) von f und B der Wertebereich von f . Wenn