Chirurgie... in 5 Tagen, Band 2

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Springer-Lehrbuch

H. Clusmann A. Heidenreich N. Pallua H.-C. Pape M. Tingart

Chirurgie IN 5 TAGEN Band 2 Orthopädie und Unfallchirurgie Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie, Handchirurgie Neurochirurgie Urologie

Unter Mitarbeit von B. Brehmer, B. Carow, H. Delbrück, W. Drescher, F. J. Hans, S. Kathrein, R. Kirschner-Herrmanns, M. Knobe, P. Kobbe, A. Komadinic, M. Lörken, J. Lüring, G. Neuloh, M. Nossek, M. F. Oertel, J. Ohnsorge, D. Pfister, A. Piatkowski de Grzymala, S. Povoden, B. Rath, D. Rohrmann, K. Salem, M. Schaltenbrand, B. Schmidt-Rolfing, S. Schröder, C. Schwenninger, R. M. Sellei

123

Univ.-Prof. Dr. med. Hans Clusmann

Univ.-Prof. Dr. med. Hans-Christoph Pape, FACS

Neurochirurgische Klinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Unfallchirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Univ.-Prov. Dr. med. Axel Heidenreich Klinik für Urologie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Univ.-Prof. Dr. med. Markus Tingart

Univ.-Prof. Dr. med. Norbert Pallua

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

ISBN 978-3-642-20474-6 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012 Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Planung: Christine Ströhla, Heidelberg Projektmanagement: Axel Treiber, Heidelberg Lektorat: Ingrid Fritz, Bad Füssing Titelbild: Sonja Werner, Köln Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg SPIN 80023520 Gedruckt auf säurefreiem Papier

15/2117 – 5 4 3 2 1 0

V

Vorwort Alle chirurgischen Fächer in zweimal 5 Tagen für das sogenannte Hammerexamen zu lernen, stellt eine durchaus große, aber lösbare Herausforderung dar. Die beiden vorliegenden chirurgischen Bände sollen Medizinstudierende dabei unterstützen, ihre Prüfungsvorbereitung so effizient wie möglich zu gestalten. In 9 Kapiteln haben wir den prüfungsrelevanten Stoff der Fächer so aufgearbeitet, dass Sie nach intensiver Lektüre und Lernen den Anforderungen des Staatsexamens mehr als genügen sollten. Dieses Buch kann und will Lehrbücher und den Unterricht vor Ort nicht ersetzen; es erhebt keinen Anspruch, das jeweilige Fach vollständig und in der Tiefe darzustellen. Manche Themen, über die man jeweils ganze Bücher verfassen könnte, werden nur kurz angerissen. Das »5-Tage-Buch« konzentriert sich vielmehr auf die prüfungsrelevanten Inhalte und versteht sich als Intensivrepetitorium oder kommentierten Index der jeweiligen Fächer. Bei den in diesen Bänden gemeinsam auftretenden Disziplinen finden sich neben dem »großen Fach« Chirurgie auch die anderen Disziplinen des chirurgischen Fächerkanon Gefäßchirurgie, Herz- und Thoraxchirurgie, Neurochirurgie, Orthopädie, Plastische Chirurgie, Unfallchirurgie und Urologie. Letztere werden im Vergleich zur Inneren Medizin oder Chirurgie im Staatsexamen mit einer kleineren Zahl von Fragen bedacht; der Umfang des Repetitoriums trägt dieser Situation Rechnung. In der klinischen Realität der Ausund Weiterbildung werden jedoch diejenigen von Ihnen, die sich nach dem Examen in einem dieser Fächer weiterbilden, feststellen, dass auch vermeintlich kleinere Fächer inhaltsreich sind und oft Subdisziplinen existieren. Die Autoren und Mitarbeiter dieses Repetitoriums wünschen Ihnen für die Prüfungsvorbereitung das notwendige Durchhaltevermögen, klar strukturiertes und fokussiertes Denken sowie eine zielsichere und ruhige Hand bei der Beantwortung Ihrer Examensfragen und, bei aller Lernerei, trotzdem etwas Spaß. Für die Prüfung wünschen wir Ihnen viel Erfolg! Aachen, im Herbst 2011

Rüdiger Autschbach Hans Clusmann Axel Heidenreich Michael Jacobs Ulf Peter Neumann Norbert Pallua Hans-Christoph Pape Markus Tingart

VII

Die Autoren

Univ.-Prof. Dr. med. Hans Clusmann Neurochirurgische Klinik, RWTH Aachen

Univ.-Prof. Dr. med. Hans-Christoph Pape Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Schwerpunkt Unfallchirurgie, RWTH Aachen

Univ.-Prov. Dr. med. Axel Heidenreich Klinik für Urologie, RWTH Aachen

Univ.-Prof. Dr. med. Markus Tingart Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Schwerpunkt Orthopädie, RWTH Aachen

Univ.-Prof. Dr. med. Norbert Pallua Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, RWTH Aachen

IX

Inhaltsverzeichnis Tag 1 – Orthopädie 1

Orthopädie und Unfallchirurgie . . . .

1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6

Orthopädie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systemerkrankungen . . . . . . . . . . . . Knochen- und Weichteiltumoren . . . . . Weichteil-, Knochen-, Gelenkinfektionen Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulter, Oberarm und Ellenbogen . . . . Hüft- und Oberschenkelerkrankungen .

. . . . . . .

Tag 4 – Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie, Handchirurgie und Neurochirurgie

1 2 2 25 55 64 80 96

Tag 2 – Orthopädie, Unfallchirurgie

2

Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie . . . . . . . 285

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Wundheilung . . . . . . . . Infektionen der Weichteile Periphere Nervenläsionen Verbrennungschirurgie . . Handchirurgie . . . . . . . .

3

Neurochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . 318

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

3.1 3.2 1.1.7 1.1.8 1.1.9 1.2 1.2.1 1.2.2

Knie und Unterschenkel . . . . . . . Sprunggelenk und Fuß . . . . . . . Kinderorthopädie . . . . . . . . . . . Unfallchirurgie . . . . . . . . . . . . Allgemeine Frakturlehre . . . . . . Verletzungen des Schultergürtels und der oberen Extremität . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

103 123 138 164 164

. . . . . 168

Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . Entwicklungsstörungen – Kinderneurochirurgie . . . . . . . . . . 3.3 Liquorzirkulation und Hydrozephalus 3.4 Nervenkompressionssyndrome . . . . 3.5 Spinale Neurochirurgie . . . . . . . . . 3.6 Neurochirurgische Onkologie . . . . . 3.7 Zerebrovaskuläre Erkrankungen . . . 3.8 Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . . . . . 3.9 Funktionelle Neurochirurgie . . . . . . 3.10 Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

286 289 293 298 302

. . . 320 . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

322 327 329 332 340 350 357 365 370

Tag 3 – Unfallchirurgie 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6

Verletzungen der Wirbelsäule . . . . . . . . Beckenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen der unteren Extremität . . . Besondere Situationen in der Traumatologie . . . . . . . . . . . . . . 1.2.7 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.8 Physiotherapie in der Unfallchirurgie . . . 1.2.9 Berufsgenossenschaftliches Heilverfahren und gesetzliche Unfallversicherung . . . . 1.2.10 Klassifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . .

Tag 5 – Urologie

201 211 218

4

Urologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

252 259 277

4.1 4.2 4.3 4.4

Urologische Onkologie . . . . . . . . Kinderurologie . . . . . . . . . . . . . Andrologie . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsstörungen des unteren Harntrakts . . . . . . . . . . . . . . . . Urolithiasis . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungen des Urogenitaltrakts Verletzungen und Notfälle . . . . . .

280 282

4.5 4.6 4.7

. . . . 375 . . . . 441 . . . . 459 . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

467 475 490 502

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . 511

XI

Autorenverzeichnis Univ.-Prof. Dr. med. Hans Clusmann

Dr. med. Susanne Kathrein

Neurochirurgische Klinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

PD Dr. med. Berhnhard Brehmer

Klinik für Urologie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

PD Dr. med. Ruth Kirschner-Herrmanns

Klinik für Urologie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Dr. med. Bennet Carow

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Unfallchirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Dr. med. Matthias Knobe

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Unfallchirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Dr. med. Heide Delbrück

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Dr. med. Philipp Kobbe

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Unfallchirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

PD Dr. med. Wolf Drescher

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Dr. med. Adrian Komadinic

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

PD Dr. med. Franz-Joseph Hans

Neurochirurgische Klinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen Univ.-Prov. Dr. med. Axel Heidenreich

Klinik für Urologie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Dr. med. Michael Lörken

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Unfallchirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

XII Autorenverzeichnis

PD Dr. med. Christian Lüring

Dr. med. David Pfister

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Klinik für Urologie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen Dr. med. Andrzey Piatkowski de Grzymala

Dr. med. Georg Neuloh

Neurochirurgische Klinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Dr. med. Matthias Nossek

Dr. med. Sabine Povoden

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Unfallchirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Unfallchirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Dr. med. Markus Oertel

Dr. med. Benjamin Rath

Neurochirurgische Klinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

PD Dr. med. Jörg Ohnsorge

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

PD Dr. med. Dorothea Rohrmann

Univ.-Prof. Dr. med. Norbert Pallua

Dr. med. Khaled Salem

Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Univ.-Prof. Dr. med. Hans-Christoph Pape

Dr. med. Maren Schaltenbrand

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Unfallchirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

Klinik für Urologie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

XIII Autorenverzeichnis

Prof. Dr. med. Bernhard Schmidt-Rolfing

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Unfallchirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen Dr. med. Silvia Schröder

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen Dr. med. Christoph Schwenninger

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen Dr. med. Richard Martin Sellei

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Unfallchirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen Univ.-Prof. Dr. med. Markus Tingart

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schwerpunkt Orthopädie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen

1 1

Orthopädie und Unfallchirurgie

Tag 1 – Orthopädie 1.1

Orthopädie – 2

1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6

Systemerkrankungen – 2 Knochen- und Weichteiltumoren – 25 Weichteil-, Knochen-, Gelenkinfektionen – 55 Wirbelsäule – 64 Schulter, Oberarm und Ellenbogen – 80 Hüft- und Oberschenkelerkrankungen – 96

Tag 2 – Orthopädie 1.1.7 1.1.8 1.1.9

Knie und Unterschenkel – 103 Sprunggelenk und Fuß – 123 Kinderorthopädie – 138

1.2

Unfallchirurgie – 164

1.2.1 1.2.2

Allgemeine Frakturlehre – 164 Verletzungen des Schultergürtels und der oberen Extremität

Tag 3 – Unfallchirurgie 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.2.8 1.2.9 1.2.10

Verletzungen der Wirbelsäule – 201 Beckenverletzungen – 211 Verletzungen der unteren Extremität – 218 Besondere Situationen in der Traumatologie – 252 Komplikationen – 259 Physiotherapie in der Unfallchirurgie – 277 Berufsgenossenschaftliches Heilverfahren und gesetzliche Unfallversicherung – 280 Klassifikationen – 282

H. Clusmann et al., Chirurgie IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20475-3_1, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012

– 168

2

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

1.1

Orthopädie

1.1.1

Systemerkrankungen S. Schröder, H. Delbrück

Angeborene Skelettentwicklungsstörungen Allgemeines 4 bei angeborenen Entwicklungsstörungen des Skeletts handelt es sich um eine fehlerhafte Anlage und Entwicklung der Knorpel-Knochen-Zelle mit verschiedenen klinischen Erscheinungsbildern: 5 Dysplasien: Gewebedefekte 5 Dysostosen: Organdefekte 5 Dystrophien: angeborene generalisierte metabolische Erkrankungen

Skelettdysplasien Achondroplasie Epidemiologie und Ätiologie 4 häufigste Skelettdysplasie: 2–3/100.000 4 autosomal-dominante Vererbung 4 Störung der enchondralen Ossifikation

Klinik 4 kurzgliedrige Form des Kleinwuchses: 5 kurze Extremitäten 5 plumpe Hände und Füße 4 relativ großer Schädel, einfallende Nasenwurzel 4 Wirbelsäulenveränderungen mit verengtem Spinalkanal 4 durchschnittliche Erwachsenengröße ca. 125 cm

Therapie 4 4 4 4

symptomatisch ggf. spinale Dekompression stabilisierende Eingriffe an der Wirbelsäule Beinverlängerungen mit gleichzeitiger Achskorrektur

Pseudochondroplasie Ätiologie 4 autosomal-dominanter Vererbungsgang

Klinik 4 starke Verkürzung der Extremitäten 4 Schädel und Gesicht weitgehend unauffällig

Therapie 4 symptomatisch 4 ggf. spinale Dekompression

3 1.1 · Orthopädie

4 stabilisierende Eingriffe an der Wirbelsäule 4 Beinverlängerungen mit gleichzeitiger Achskorrektur

Spondyloepiphysäre Dysplasie Klinik 4 vornehmliche Wachstumsstörung der Wirbelsäule mit Rumpfverkürzung 4 evtl. mit Kyphose oder/und Skoliose 4 Veränderungen des proximalen Epiphysenwachstums

Therapie 4 symptomatisch 4 ggf. stabilisierende 4 korrigierende Eingriffe an der Wirbelsäule

Kleidokraniale Dysplasie Klinik 4 4 4 4

großer Kopf mit hervorspringenden Stirnhöckern Fehlen der Schlüsselbeine, daher Hypermobilität des Schultergürtels ggf. Thoraxdeformitäten (Trichterbrust) ggf. Spaltbecken

Therapie 4 selten notwendig 4 symptomatisch

Multiple epiphysäre Dysplasie Ätiologie 4 tritt in unterschiedlicher Lokalisation und Schweregrad auf: 5 Typ Ribbing: J autosomal rezessiv vererbt J besonders betroffen sind Hüftgelenke und Wirbelsäule J Kleinkinder weisen bereits Coxa vara auf. DD: beidseitiger Morbus Perthes 5 Typ Fairbank: J autosomal rezessiv vererbt J bereits frühzeitig hochgradige Deformierungen und arthrotische Veränderungen

Therapie 4 symptomatisch 4 ggf. operative Eingriffe an den Hüftgelenken 4 ggf. stabilisierende, korrigierende Eingriffe an der Wirbelsäule

Multiple kartilaginäre Exostosen 4 siehe 7 Abschn. 1.1.2

1

Eigene Notizen

4

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Ätiologie 4 autosomal-dominante Vererbung 4 Überschussbildung von Spongiosa im metaphysären Bereich 4 bei weniger als 2% kann es im Erwachsenenalter zur malignen Entartung (Chondrosarkom) kommen. ! Cave Größenprogredienz der Exostose im Erwachsenenalter

Klinik 4 bereits im Kleinkindesalter wachsen in der Nähe der Wachstumsfugen, vor allem in Nähe von Schulter, Hüfte, Knie und Sprunggelenk sowie Rippen Knochenauswüchse mit einer Knorpelkappe

Therapie 4 funktionsbehindernde Exostosen werden entfernt (Schmerzen oder zu Fehlwachstum der Wachstumsfuge führend)

Enchondromatose Siehe auch 7 Abschn. 1.1.2

Ätiologie 4 Ansammlung von Knorpelnestern in normalem Knochengewebe 4 Gefahr der Störungen des Wachstums und Entstehung von Deformitäten 5 Morbus Ollier: J Befall einer Körperhälfte J maligne Entartung möglich (25% im 40. Lebensjahr) 5 Mafucci-Syndrom: J Kombination von multiplen Enchondromen und Hämangiomen J häufig sarkomatöse Entartung

Fibröse Dysplasie Ätiologie 4 Fehlentwicklung von Knorpel und fibrösen Elementen

Klinik 4 fibröse Herde im Markraum führen zu zunehmenden Deformierungen und Spontanfrakturen 4 in der Nähe der Hüfte kann es zur sog. Hirtenstabdeformität kommen 4 McCune-Albright-Syndrom: 5 fibröse Dysplasie in Kombination mit Pubertas praecox und Pigmentstörungen

Therapie 4 bei ausgeprägtem Befall und Gefahr der Fraktur Ausräumung des fibrösen Herdes und Auffüllung mit Spongiosa 4 Erkrankung kommt nach der Pubertät oft zum Stillstand

5 1.1 · Orthopädie

Neurofibromatose (Morbus Recklinghausen) Definition 4 Auftreten von multiplen Neurofibromen

Ätiologie 4 autosomal dominante Vererbung

Einteilung 4 Typ I: peripherer Befall (Inzidenz von 1:3000) 4 Typ II: zentraler Befall (Inzidenz von 1:40 000)

Klinik 4 Typ I: Neurofibrome der Haut (Café-au-lait-Flecken) 5 Pseudarthrose des Unterschenkels mit Crus varum congenitum 5 Skoliose, Zusammenbruch neurofibrotisch veränderter Wirbelkörper 5 Neurofibrome in sämtlichen Organen (Weichteile, Harnblase etc.) 4 Typ II: Akustikusneurinome 5 spinale Raumforderungen 5 Katarakt

Therapie 4 symptomatisch 4 Skoliose: 5 frühzeitige operative Stabilisierung 4 Pseudarthrose des Unterschenkels: 5 Entfernung und Achskorrektur

Osteogenesis imperfecta (Glasknochenkrankheit) Epidemiologie und Ätiologie 4 4–7/100.000 Neugeborenen 4 autosomal-dominante Vererbung 4 Störung der Kollagensynthese und der periostalen Knochenformation führt zur abnormalen Knochendichte

Klinik 4 Knochenbrüchigkeit 4 Minderwuchs

Klassifikation 4 nach Sillence: 5 Typ I (früher Typ Lobstein): J mildeste Form J blaue Skleren J Frakturen erst mit Beginn der Vertikalisierung J im Erwachsenenalter Gefahr der Schwerhörigkeit 5 Typ II: J schwerste Form J blaue Skleren

1

Eigene Notizen

6

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

5 5

5 5 5

J bereits bei Geburt zahlreichen Frakturen J Lebenserwartung Memo Wird die Biopsie außerhalb des Zentrums durchgeführt, wo die endgültige Operation stattfindet, steigen Lokalrezidv- und Amputationsrate (Biopsierichtlinien s.u.). 4 bei Lokalrezidiv (z.B. bei Osteosarkom) sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten auf beinahe null!

Benigne Knochentumoren Knochenbildende benigne Knochentumoren Osteom Definition 4 WHO: benigne Läsion aus gut differenziertem reifen Knochengewebe mit überwiegend lamellärer Struktur und von sehr langsamem Wachstum

Allgemein 4 klassisches Osteom: in Schädelknochen 4 medulläres Osteom: Kompaktainsel 4 bei multiplem Auftreten an Gardner-Syndrom denken

Klinik 4 meist asymptomatisch 4 meist radiologischer Zufallsbefund 4 ggf. Verlegung der Nasennebenhöhlen

Therapie 4 nur bei klinischer Symptomatik im Kopfbereich

Differenzialdiagnose 4 röntgenologische DD: Prostatakarzinommetastase

27 1.1 · Orthopädie

Osteoid-Osteom und Osteoblastom Definition 4 WHO: benigne osteoblastische Läsion gekennzeichnet durch: 5 geringe Ausdehnung (= zentrale Aufhellungszone = Nidus) 5 gute Begrenzung 5 durch i.d.R. umgebende reaktive Knochenneubildung

Allgemein 4 Nidusgröße 1,5 cm → Osteoblastom 4 Osteoid-Osteom: 5 30% Femur 5 25% Tibia 4 Osteoblastom: 5 50% Wirbelsäule

Diagnostik 4 4 4 4

Röntgen dynamisches CT (Kontrastmittelanreicherung im Nidus) Szintigraphie MRT

Klinik 4 Nachtschmerz, der auf Salizylate anspricht 4 50% 2. Lebensdekade

Therapie 4 CT-gesteuerte Radiofrequenzablation (RF) oder laserinduzierte Thermotherapie (LITT) des Nidus 4 offene Nidusresektion (eher im Rezidivfall) 4 selbstlimitierende Verläufe beschrieben → NSAR

Knorpelbildende benigne Knochentumoren Osteochondrom Synonyme 4 kartilaginäre Exostose

Definition 4 WHO: kappenartig mit Knorpelgewebe überzogener knöcherner Vorsprung auf der Außenfläche des Knochens

Allgemein 4 häufigste Knochengeschwulst 4 Lokalisation: Metaphyse der langen Röhrenknochen 4 treten im Wachstumsalter auf, Osteochondromwachstum sistiert mit Abschluss des Knochenwachstums 4 Risiko für maligne Entartung 8 Punkte) Punkte

1

2

3

Metastasenlokalisation

obere Extremität

untere Extremität

proximaler Femur

Kortikalisdestruktion

2/3

Metastasentyp

osteoblastisch

gemischt

osteolytisch

Schmerz

gering

mäßig

stark

Score nach Tomita Punkte

Primärtumor

Viszerale Metastasen

1

langsam wachsend (Mamma, Schilddrüse)

2

mäßig wachsend (Niere, Uterus)

behandelbar

3

schnell wachsend (Lunge, Magen)

nicht behandelbar

Dissemination Knochen solitär

multipel

1

Eigene Notizen

46 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

1

Eigene Notizen

Score nach Tomita Punkte

Behandlungsziel

Operative Strategie

2–3

langfristige lokale Kontrolle

weite oder marginale Resektion

4–5

mittelfristige lokale Kontrolle

marginale oder intraläsionale Resektion

6–7

Kurzzeitpalliation

palliative Chirurgie

8–10

Endstadium

unterstützende Maßnahmen

Systemerkrankungen mit Knochenbefall (solitäres und multiples Myelom) Synonyme 4 solitäres Myelom = Plasmozytom, = solitäres Plasmozytom (sehr selten) 4 multiples Myelom = generalisiertes Plasmozytom, Morbus Kahler

Definition 4 Tumorkrankheit, die durch die klonale Proliferation von Plasmazellen im Knochenmark gekennzeichnet ist, charakteristisch: 5 Bildung monoklonaler Immunglobuline (M-Proteine) 5 Osteolysen 5 Nierenfunktionsstörungen 5 erhöhte Infektneigung

Allgemein 4 4 4 4 4 4

häufigstes primär am Knochen lokalisiertes Tumorleiden ca. 50% der primären Knochenmalignome 6. und 7. Lebensdekade Männer > Frauen schwarze > weiße Bevölkerung Lokalisation vorw. in Skelettabschnitten mit rotem (blutbildendem) Knochenmark: 5 Brust- und Lendenwirbelsäule, Rippen 5 Schädel 5 Becken und Schultergürtel 5 proximale Extremitätenabschnitte 4 Inzidenz: 4/100.000 4 > Memo Begriff »Metastase« auf Myelommanifestationen nicht anwenden, da keine Absiedlungen im artfremden Gewebe.

Einteilung 4 aus therapeutischer, klinisch-radiologischer Sicht: 5 solitäre Manifestationsform: J keine weiteren Knochenherde J Knochenmarkpunktat negativ 5 generalisierte Manifestationsform am Skelett: J Markinfiltration durch Sternal- oder Beckenkammpunktion nachweisbar

47 1.1 · Orthopädie

J nichtosteolytische Myelomatose (imponiert als schwere Osteoporose) vs. multilokuläre Osteolysen 5 extraskelettale Manifestationsform: J extraossäres Plasmozytom J Plasmazellleukämie J Plasmozytom des Lymphknotens 4 entsprechend der Sekretion: 5 Sekretion kompletter Ig 5 Sekretion freier Kappa- oder Lambda-Leichtketten 5 Sekretion kompletter Ig als auch Leichtketten 5 asekretorisches Myelom

Diagnostik 4 Skelettszintigraphie: 5 oft negativ (aus rein osteolytischen Läsionen resultiert keine Mehranreicherung) 4 Röntgen (alle potenziellen Manifestationsorte in 10–15% reduzierter Aufnahmespannung): 5 Schädel in 2 Ebenen 5 HWS, BWS, LWS je in 2 Ebenen 5 Thoraxübersicht mit Rippendarstellung 5 Beckenübersicht 5 proximale Extremitätenabschnitte in 2 Ebenen 4 präventives MRT der Wirbelsäule: 5 frühzeitiger Nachweis intraspinaler Tumormanifestationen 4 Labordiagnostik: 5 Myelom-Protein-Bestimmung (Gesamteiweiß und Eiweißelektrophorese im Blut und Urin, β2-Mikroglobulin) 5 Differenzialblutbild 5 Kappa- und Lambdaleichtketten im Blut und/oder Urin 4 Knochenmarkbiopsie

Differenzialdiagnose 4 Knochenmetastasen 4 Hyperparathyreoidismus 4 Osteoporose

Therapie 4 solitäres Myelom: 5 in erster Linie kurative Radiatio 5 ggf. Resektion 4 multiples Myelom: 5 interdisziplinär je nach Stadium Chemotherapie 5 Stammzelltransplantation 5 Bisphosphonate 5 Schmerztherapie 5 lokale Therapieverfahren wie Radiatio oder Operation

1

Eigene Notizen

48 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

1

Eigene Notizen

4 Lokaltherapie bei: 5 manifester pathologischer Fraktur der unteren Extremitäten → Operation (Verbundosteosynthesen, zementierte Endoprothesen) 5 drohender pathologischer Fraktur der unteren Extremitäten (Mirels-Score siehe Kap. »Knochenmetastasen«) → Bestrahlung, prophylaktische Osteosynthese 5 manifester pathologischer Fraktur der oberen Extremitäten → Bestrahlung und Ruhigstellung, ggf. Osteosynthese, selten zementierte Endoprothese 5 drohender pathologischer Fraktur der oberen Extremitäten → Bestrahlung, Schonung, selten prophylaktische Osteosynthese 5 instabilen Wirbelfrakturen → Bestrahlung, selten Stabilisierung mittels Fixateur interne, diese Wirbelfrakturen gleichen osteoporotischen Sinterungsfrakturen, welche langsam entstehen und selten mit neurologischen Komplikationen einhergehen 5 drohender Lähmung → Wirkung der Bestrahlung abwarten, in zweiter Linie operative Dekompression 5 inkompletter Querschnittslähmung oder Kaudasyndrom → operative Entlastung durch Laminektomie 4 Bestrahlung: 5 indiziert bei starken Wirbelsäulenschmerzen (wirkt analgetisch) 4 > Memo Strahlentherapie ist gegenüber der Operation, wenn möglich, immer zu bevorzugen, nach operative Stabilisierungen oder Entlastungen – adjuvante Radiatio anschließen.

Benigne Weichteiltumoren Lipom Definition 4 gutartiger Tumor aus reifem Fettgewebe ohne Zeichen von Zellatypien

Allgemein 4 4 4 4 4 4

häufigster mesenchymaler Tumor des Menschen Prävalenz: ca. 2/100 Menschen Lipom:Liposarkom = 100:1 15–20% in Kopf-Hals-Region 5.–7. Lebensdekade Lokalisation: 5 meist subkutan 5 1–2% subfaszial 4 Lipomatose: multiple Lipome

Klinik 4 meist oberflächliche Lage 4 verschiebbar 4 langsam wachsend

49 1.1 · Orthopädie

Diagnostik 4 klinischer Befund und Verlaufsbeobachtung 4 ggf. Sonographie 4 bei tiefer Lokalisation MRT obligat (DD: Liposarkom)

Therapie 4 bei kosmetischer oder mechanischer Beeinträchtigung Exzision mit nachfolgender histopathologischer Untersuchung

Noduläre Fasziitis Definition 4 pseudosarkomatöse, solitäre und schnell wachsende Proliferation von Fibroblasten und Myoblasten

Allgemein 4 junge Erwachsene: 20–40 Jahre 4 Lokalisation: 5 bevorzugt im oberen Extremitätenbereich (Unterarm) und Körperstamm (Brustwand) 5 typischerweise subkutan und perifaszial 5 seltener intramuskulär (10%)

Klinik 4 schnell wachsende (schneller als Sarkome) schmerzhafte Läsion 4 meist 2–5 cm

Therapie 4 Exzision 4 geringe Rezidivrate

Myositis ossificans Synonyme heterotope Ossifikation

Definition 4 nichtneoplastische Veränderung, die gelegentlich mit einem Trauma assoziiert ist

Allgemein 4 kann auf den Außenflächen von Knochen oder in Weichgeweben, aber immer mit einer Distanz vom Periost auftreten 4 Proliferation von Bindegewebe, Bildung größerer Mengen neuen Knochens oder Knorpel 4 ca. 70% Traumaanamnese: 5 junge sportliche Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren 5 neuropathisch, z.B. nach SHT

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Eigene Notizen

50 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

Klassifikation 4 progressive Myositis ossificans (Morbus Münchemeyer): 5 autosomal-dominant vererbt 5 sehr selten 4 Myositis ossificans circumscripta 5 Myositis ossificans traumatica 5 Myositis ossificans ohne Traumaanamnese (neuropathisch oder idiopathisch)

Klinik 4 Prädilektionsorte: 5 Oberschenkel 5 Oberarm 5 Glutealregion 4 Prädilektionsorte bei neuropathischer Form: 5 Muskulatur um Knie und Hüfte sowie Oberschenkel 4 »Reifung« der Läsion: 5 über ca. 6 Wochen nach Trauma 5 trizonaler Aufbau: zunächst periphere Verknöcherungen, bei noch aktiven Läsionen im Zentrum kalzifikationsfreie Zone 5 anfangs gelegentlich Fieber, Rötung, Schwellung 5 klinisch tastbarer nicht druckschmerzhafter Tumor

Diagnostik 4 Szintigraphie: szintigraphische Mehrspeicherung nimmt mit Ausreifung ab 4 bei multilokulärem Befall erhöhte alkalische Phosphatase, die sich bei Ausreifung normalisiert 4 Röntgen 4 CT (trizonaler Aufbau)

Therapie 4 Exzision nach sicherer Ausreifung ansonsten Rezidiv 4 Bisphosphonate 4 Bestrahlung

Differenzialdiagnose 4 ! Cave Juxtakortikales Osteosarkom

Pigmentierte villonoduläre Synovitis (PVNS) Definition 4 benigne, proliferative Erkrankung der Synovialis, diffus oder fokal in Strukturen mit synovialer Auskleidung (Gelenke, Bursen, Sehnen)

Allgemein 4 durch intra- und extrazelluläre Hämosiderineinlagerungen typisch rostbraune arbe der Läsion 4 nicht selten intraossäre Ausbreitung 4 Erkrankungsgipfel zwischen 10. und 40. Lebensjahrzehnt

51 1.1 · Orthopädie

Klinik 4 Schmerzen und Schwellung abhängig von Lokalisation und Ausprägung (diffuse oder lokal) 4 Lokalisation: 5 Sehnenscheidenbefall: Hand, Fuß 5 Gelenkbefall: 60% Knie

Diagnostik 4 MRT bevorzugtes Verfahren, da klassische Befundkonstellation in diversen Wichtungen durch Eiseneinlagerung

Therapie 4 Resektion 4 Synovektomie bei diffuser Form 5 hohe Rezidivraten der diffusen Form (40%) 4 Bestrahlung oder Radiosynoviorthese bei Rezidiv erwägen 4 bei schwerer Gelenkdestruktion Arthrodese oder Alloarthroplastik

Hämangiom Definition 4 kapillärer bis kavernöser Tumor, imitiert den Aufbau von Blutgefäßen

Pathogenese 4 4 4 4 4

entsteht aus einer Gefäßanomalie ist gutartig meist angeboren oder entwickelt sich in den ersten Lebenswochen oberflächliche Form meist bereits nach Geburt sichtbar Manifestation tiefer Hämangiome während Adoleszenz, häufig intramuskulär im Oberschenkel (mit Schmerzen verbunden) 4 histologisch: 5 kapillär und kavernös 5 intramuskuläre Hämangiome meist kapillär 4 intraossäre Hämangiome: 20% in der Wirbelsäule im höheren Lebensalter

Therapie 4 Resektion 4 ggf. Lasertherapie 4 ggf. Embolisation

Semimaligne Weichteiltumoren Atypisches Lipom 4 4 4 4

lokal aggressiver Fettgewebetumor ohne Metastasierungspotenzial unter Liposarkomen: Anteil von 40–45% Rezidivgefahr und lokale Wachstumspotenz führen bis zu Inoperabilität an den Extremitäten bei 2% Übergang in dedifferenzierte Liposarkome

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Eigene Notizen

52 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

Superfizielle Fibromatosen Palmare Fibromatose (Morbus Dupuytren) 4 m:w = 3:1 4 >50% bilateral

Plantare Lokalisation (Morbus Ledderhose) 4 im Kindesalter gehäuft

Differenzialdiagnostisch bedeutsame Hauttumoren Dermatofibrosarcoma protuberans (DFSP) Definition 4 fibroblastischer, ausschließlich in der Haut vorkommender, intermediärer lokal aggressiver, selten (1%) metastasierender Tumor

Allgemein 4 fibrosarkomatöses DFSP: Progressionsform, metastasiert häufiger 4 gehäuftes Vorliegen chromosomaler Translokationen in DFSP-Zellen 4 8 cm 5 Schmerz 5 schneller Größenprogression 5 tiefer Lokalisation 5 fehlender Verschiebbarkeit 4 systemische Ausbreitungsdiagnostik: 5 CT: Thorax/Abdomen/Becken 5 ggf. PET-CT

Biopsierichtlinien 4 Biopsiedurchführung: 5 genaue Planung wie definitive OP, keine Eröffnung nicht tumorbefallener Kompartimente oder unbeteiligter Gefäß- und Nervenstraßen und Gelenke 5 höchste Aufmerksamkeit hinsichtlich Asepsis, Hautpräparation, Blutstillung (Vermeidung postoperativer Hämatome), Wundverschluss (Redon-Drainage im Wundverlauf distal ausleiten) 5 Platzierung der Hautinzision im Verlauf des geplanten Hautschnittes für die endgültige Operation (an den Extremitäten Längsschnitt) 5 Sicherstellung, dass eine adäquate Menge von repräsentativem Gewebe entnommen wurde 5 Referenzpathologie einfordern 5 Biopsie in der Einrichtung, wo später die endgültige OP durchgeführt wird, nach Möglichkeit auch durch den späteren Operateur 4 diagnostische Sicherheit: 5 Stanzbiopsie: 97% (im Tumorzentrum der offenen Biopsie beinahe gleichwertig) 5 Feinnadelaspirationsbiopsie: nur 80%

Histopathologisches Grading und Stadieneinteilung 4 French Federation of Cancer Centers Sarcoma Group (FNCLCC): 5 G1: niedriggradig 5 G2 und G3: hochgradig

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Eigene Notizen

54 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

1

Eigene Notizen

4 Union for International Cancer Control (UICC)/American Joint Committee on Cancer (AJCC) 2010 (. Tab.), kurzgefasste TNM-Klassifikation: 5 T: Primärtumor 5 T1: Tumordurchmesser ≤5 cm 5 T1a: oberflächlich (oberhalb der Faszie) 5 T1b: tief 5 T2: Tumordurchmesser >5 cm 5 T2a: oberflächlich 5 T2b: tief 5 N: regionäre Lymphknoten 5 N1: regionäre Lymphknotenmetastasen 5 M: Fernmetastasen 5 M1: Fernmetastasen (Lunge häufigstes Zielorgan) Stadieneinteilung Weichteilsarkome (UICC/AJCC 2010) Stadium

FNCLCC-Grad

T

N

M

Stadium IA

niedrigmaligne

T1a/b

N0

M0

Stadium IB

niedrigmaligne

T2a/b

N0

M0

Stadium IIA

hochmaligne

T1a/b

N0

M0

Stadium IIB

hochmaligne

T2a

N0

M0

Stadium III

hochmaligne

T2b

N0

M0

hochmaligne

T2b

N1

M0

jedes G

jedes T

N1

M0

jedes G

jedes T

jedes N

M1

Stadium IV

Prognose 4 5-Jahresüberlebensraten: 5 Stadium I: 85–96% 5 Stadium II: 72–78% 5 Stadium III: 50% 5 Stadium IV: 10%

Interdisziplinäre Therapie und Nachsorge Therapie 4 immer Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche 4 Ziel: lokale Tumorkontrolle und Prävention/Therapie der Fernmetastasierung 4 Chirurgische Therapie: 5 R0-Resektion (Resektion im Gesunden), da adjuvante Therapieoptionen lokale Tumorkontrolle in der Regel nicht erreichen 5 R1-Resektion vermeiden (marginale Resektion = histologisch Tumorzellen im Resektionsrand) – im peritumoralen Ödem bis zu 65% vitale Tumorzellen

55 1.1 · Orthopädie

5 R2-Resektion (intraläsionale Resektion) nicht anstreben 5 neoadjuvante Therapieoptionen bei primär nicht möglicher R0-Resektion berücksichtigen (systemische Chemotherapie +/- Hyperthermie, Radiotherapie, isolierte hypertherme Extremitätenperfusion) 4 Strahlentherapie: 5 im multimodalen Therapiekonzept wesentlicher Stellenwert 5 erlaubt z.B. eine extremitätenerhaltende Operation, wobei mit Hilfe der Strahlentherapie in bis zu 90% der Fälle eine lokale Kontrolle zu erzielen ist 4 Chemotherapie: 5 Entscheidung über eine (neo-)adjuvante Chemotherapie immer in einem Sarkomzentrum 5 verschiedene Metaanalysen zeigen Überlebensvorteile zugunsten der adjuvanten Chemotherapie im Bereich von 4–11% 5 Vorteile fanden sich dabei vorwiegend bei Patienten mit Hochrisikosarkomen (>5–10 cm, hoher Malignitätsgrad, tiefe Lokalisation) 5 fester Bestandteil der Behandlung im metastasierten Stadium

Nachsorge 4 Regelmäßige Nachsorge: 5 Jahr 1 und 2: i.d.R. alle 3 Monate 5 Jahr 3 bis 5: i.d.R. alle 6 Monate 5 danach: 1-mal jährlich

1.1.3

Weichteil-, Knochen-, Gelenkinfektionen C. Schwenninger, J. Ohnsorge

Epidemiologie 4 Durchschnittlich 500.000 Fälle nosokomialer Infektionen pro Jahr in Deutschland

Klinik 4 5 morphologische Symptome der Entzündung: 5 Dolor 5 Calor 5 Rubor 5 Tumor 5 Functio laesa 4 Ausbreitung der Erreger: 5 per continuitatem 5 lymphogen 5 hämatogen

Risikofaktoren 4 mangelndes Rohstoffangebot: 5 konsumierende Erkrankungen 5 schwere Zweiterkrankungen

1

Eigene Notizen

56 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

1

Eigene Notizen

5 Hypoproteinämie 5 Vitaminmangel 5 Elektrolytstörungen 4 gestörte Blutzusammensetzung: 5 Leukopenie 5 HIV 5 Medikamente 4 verminderte Perfusion: 5 hoher Gewebedruck bei Schwellung, Hämatom oder Serom 5 strangulierende Nähte 5 Verbände 5 Mikroangiopathie bei Diabetes mellitus 5 respiratorische Insuffizienz 5 Anämie 5 Herzinsuffizienz

Therapie 4 4 4 4 4 4 4

Hygiene perioperative Antibiotikaprophylaxe korrekter Keimnachweis konsequentes Handel atraumatische Operationstechnik radikales Débridement: »Ubi pus, ibi evacua!« Serombehandlung

Abszess 4 umkapselte Eiteransammlung in einer nicht präformierten Körperhöhle durch Bakterien-, Protozoen oder Pilzbefall verursacht 4 meist Staphylokokken und Streptokokken, Escherichia coli, aber auch viele andere Erregen (z.B. Parasiten) 4 häufig Mischinfektionen

Klinik 4 4 4 4

klassische Entzündungszeichen evtl. tastbare Fluktuation pulssynchrone pochende Schmerzen gelegentlich Fieber

Diagnostik 4 klinische Diagnostik 4 Labor: 5 Leukozytose 5 erhöhtes BSG 5 erhöhtes CRP 5 Blutkultur, mikrobiologische und serologische Tests 4 Sonographie 4 MRT

57 1.1 · Orthopädie

Differenzialdiagnose 4 tuberkulöser, sog. kalter Abszess (ohne Rötung und lokaler Überwärmung) 4 Tumore 4 infizierte Zysten 4 erweichende Tumore

Therapie 4 4 4 4 4 4

Spaltung und Exzision Spülung Drainage offene Wundbehandlung/Vakuumversiegelung Ruhigstellung der Region antibiotische Therapie nach Erregernachweis und Antibiogramm

Phlegmone Definition 4 flächenhaft sich infiltrativ ausbreitende, eitrige Zellgewebeentzündung mit ödematöser Durchtränkung der Umgebung und lokalen und allgemeinen Entzündungszeichen

Erreger 4 hauptsächlich Streptokokken 4 Staphylokokken (purulente Phlegmone) 4 selten anaerobe Keine (putride Phlegmone)

Klinik 4 4 4 4 4

akuter Verlauf mit klassischen Entzündungszeichen teigige Schwellung und glänzende Hautoberfläche allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber, evtl. Schüttelfrost Myalgien Schwellung der regionalen Lymphknoten

Diagnostik 4 primär klinische Diagnose

Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4

tiefe Beinvenenthrombose Kontaktdermatitis Insektenstich Fremdkörperreaktion Lymphödem

Therapie 4 allgemeine Richtlinien der Wundbehandlung: 5 Ruhigstellung 5 lokale Antiseptika 5 systemisch hochdosierte Antibiotika

1

Eigene Notizen

58 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

1

5 5 5 5 5

Eigene Notizen

chirurgische Inzision, wenn es zu lokalen Eiterungen gekommen ist evtl. mehrfache Inzision oder breite Eröffnung Ausräumung der Nekrose Spülung Drainage

Komplikationen 4 4 4 4

fortschreitende Eiterung in tiefere Gewebeschichten Übergreifen der Eiterung auf Sehnen, Gelenke und Knochen Lymphangitis und -adenitis Pyämie mit septischer Metastasierung

Akute Osteomyelitis Definition 4 akute Knochenmarkentzündung durch Bakterien und (sehr selten) Pilze unter 4 Wochen

Erreger 4 meist Staphylococcus aureus, Streptokokken 4 Ausbreitung: 5 hämatogene Streuung 5 posttraumatisch oder nosokomial 4 spezifische Osteomyelitis: Tuberkulose, Syphilis, HIV

Klinik 4 4 4 4 4

lokale Rötung, Glanzhaut durch Schwellung, Überwärmung begleitender Gelenkerguss in Gelenksnähe persistierender oder zunehmender Schmerz, Schonhaltung trübe Sekretion aus der Wunde allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber, evtl. Schüttelfrost

Diagnostik 4 klinische Diagnostik 4 Labor: 5 Leukozytose 5 erhöhtes BSG 5 erhöhtes CRP 5 Blutkultur 4 Röntgen: 5 periostale Reaktion erst nach 2–3 Wochen sichtbar 5 fleckige Aufhellung mit Usuren 5 später Sequester mit Totenlade

Differenzialdiagnose 4 Tumor: Nachweis mittels Biopsie

Therapie 4 frühzeitige radikale Ausräumung des Infektherdes und Débridement 4 Spül-Saug-Drainagen

59 1.1 · Orthopädie

4 4 4 4 4 4

lokale Antibiotikaketten gezielte, hochdosierte Antibiotikagabe i.v. für mindestens 6 Wochen ggf. Umstellung bei Keimnachweis nach Antibiogramm Oralisierung bei Normalisierung der Entzündungsparameter möglich Ruhigstellung ggf. Amputation bei Übertritt der Infektion

Komplikationen 4 Übergang in chronische Form 4 Knocheninfarkte, Sequester 4 Osteosklerose

Chronische Osteomyelitis Pathogenese 4 mehr als 5–7 Wochen bestehende Knochenmarkentzündung 4 Unterscheidung zwischen primär und sekundär chronischer Osteomyelitis 4 spezifische Osteomyelitis: Tuberkulose, Syphilis, HIV 4 langjähriger Verlauf möglich

Klinik 4 Schmerzhaftigkeit der entzündeten Region im Vordergrund 4 allgemeines Krankheitsgefühl häufig in abgeschwächter Form

Therapie 4 Débridement und Ausräumung des nekrotischen/infektiösen Gewebes 4 hochdosierte Antibiotikagabe nach Antibiogramm

Brodie-Abszess 4 besondere Form der hämatogenen Osteomyelitis 4 kennzeichnend ist das ausgeprägte Granulationsgewebe 4 Ausdehnung des Abszesses ist durch das Granulationsgewebe behindert

Bakterielle Arthritis Synonyme 4 Empyem (Infektion in präformierter Höhle)

Definition 4 Infektion eines Gelenks durch Bakterien

Erreger 4 Staphylococcus aureus, Streptokokken und gramnegative Stäbchen 4 spezifische Erreger: 5 Mykobakterien (Tbc) 5 Treponema pallidum (Lues) 4 Ausbreitung: 5 hämatogene Streuung 5 posttraumatisch oder nosokomial

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Eigene Notizen

60 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

Klinik 4 4 4 4

klassische Entzündungszeichen schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Gelenks allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber evtl. Schüttelfrost

Diagnostik 4 klinische Diagnostik 4 Labor: 5 Leukozytose 5 erhöhtes BSG 5 erhöhtes CRP 5 Blutkultur 5 mikrobiologische und serologische Tests 4 Gelenkpunktion und Erregernachweis 4 Röntgen 4 Sonographie

Differenzialdiagnose 4 Malignom 4 rheumatische Erkrankung 4 aseptische Knochennekrose (z.B. Morbus Perthes)

Therapie 4 ! Cave Notfallsituation 4 Punktion des Gelenks und Erregernachweis 4 sofortige hochdosierte Antibiotikagabe i.v. nach Punktion bzw. Materialgewinnung 4 ggf. Umstellung bei Keimnachweis nach Antibiogramm 4 operative Spülung des Gelenks 4 Synovektomie 4 ggf. Spül-Saug-Drainage 4 Ruhigstellung in Funktionsstellung

Infizierte Prothese 4 Infektion des künstlichen Hüftgelenks in 1–3% der Fälle, Knie- und Ellenbogengelenke 5–7% (einschließlich Revisionsendoprothetik) 4 Frühinfektion: 5 bis 6 Wochen postoperativ 5 meist exogener Ursache 4 Spätinfektion: 5 verzögerte Infektion bis 3 Monaten danach 5 meist hämatogen 4 Keimspektrum: 5 Frühinfektion: J meist Staphylococcus aureus 5 verzögerte Infektion:

61 1.1 · Orthopädie

J koagulasenegative Staphylokokken J Corynebacterium spp. J Propionibacterium spp. 5 Spätinfektion: J diverse Keime, meist Staphylokokkus aureus 4 prädisponierende Faktoren: 5 rheumatoide Arthritis 5 Steroid- und Methotrexat-Therapie 5 Diabetes mellitus 5 krankheits- und therapiebedingte Immunsuppression 4 keine Häufung von Spätinfektionen bei HIV-Patienten dokumentiert 4 Unterscheidung von: 5 Low-grade-Infektion: leichtgradige Laborveränderungen (CRP Erhöhung), ggf. nur geringgradige lokale Beschwerdesymptomatik und 5 High-grade-Infektion: deutliche Laborveränderungen, ggf. Fieber, lokal mit typischen Symptome einer floriden Infektion

Frühinfektion Klinik 4 Anzeichen einer drohenden Infektion bzw. Frühinfektion: 5 anhaltende oder neu aufgetretene Schmerzen 5 lokale Rötung oder Überwärmung 5 anhaltende Sekretion 5 gespannte lokale Weichteile 5 anhaltende oder neu auftretende CRP-Erhöhung bzw. Leukozytose 5 Temperaturerhöhung

Therapie 4 umgehende operative Revision im Sinne eines lokalen Débridements und Synovektomie 4 mikrobiologische und histologische Untersuchung der Gewebeproben 4 Spülung mit NaCl, ggf. Jet-Lavage mit großen Mengen Flüssigkeit 4 passgerechte Antibiotikagabe für 6–12 Wochen 4 Versuch des Prothesenwechsel 4 bei persistierender Infektion Vorgehen idem zu Spätinfekt

Spätinfekt Klinik 4 intermittierende Phase der Beschwerdefreiheit 4 neu aufgetretener Ruhe- und Belastungsschmerz 4 im weiteren Verlauf klassischer Infektzeichen und Anstieg der laborchemischen Infektparameter 4 frühe Lockerung der Endoprothese, radiologische Lockerungszeichen

Therapie 4 Keimnachweis mittels Abstrich (bei Fistel) oder Gelenkspunktion 4 peri- und postoperative Antibiotikatherapie nach Antibiogramm

1

Eigene Notizen

62 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

1

Eigene Notizen

4 Prothesenwechsel notwendig: 5 einzeitiger Wechsel: J gesunde Patienten ohne zusätzliche Erkrankungen J sicherer Nachweis eines sensiblen Keimes J gute Qualität und Durchblutung des lokalen Knochengewebes J Erfolgsrate mit 83% beschrieben 5 zweizeitiger Wechsel: J intermittierend, ggf. antibiotikahaltiger Zementplatzhalter J passgerechte Antibiose zunächst i.v., danach oral für insgesamt 6 Wochen J Pausieren der Antibiose für 2 Wochen J Punktion des Gelenks und Bebrütung für 2 Wochen J bei Keimfreiheit Wiedereinbau J bei persistierendem Infekt operative Revision und gleiches Vorgehen wiederholen J Erfolgsrate von bis zu 94% beschrieben 4 alternative Behandlungsmöglichkeiten (nur in begründeten Ausnahmefällen!): 5 permanente Gelenkresektion (z.B. Girdlestone-Hüfte) 5 Schaffung bzw. Belassen einer dauerhaften Fistel 5 Amputation

Spondylitis/Spondylodiszitis Definition 4 exogene oder endogene Infektion von Wirbelkörper und/oder Bandscheibe 4 Prädisposition: 5 hohes Alter 5 Immunschwäche 5 Diabetes mellitus 5 HIV 5 Alkoholabusus

Erreger 4 meist Staphylococcus aureus oder Mykobakterien 4 Ausbreitung: 5 meist hämatogene Streuung (anamnestisch Primärinfekt?, Tuberkulose?)

Klinik 4 lokalisierte Rückenschmerzen (mäßiggradig bis invalidisierend) 4 lokale Überwärmung, ggf. auch Rötung 4 ggf. Krankheitsgefühl mit allgemeiner Abgeschlagenheit, Fieber, nächtlichem Schwitzen 4 ggf. sensomotorische Defizite

63 1.1 · Orthopädie

Diagnostik 4 klinische Diagnostik 4 Labor: 5 Leukozytose 5 erhöhtes BSG 5 erhöhtes CRP 5 Blutkultur 4 Röntgenaufnahmen des betroffenen Wirbelsäulenabschnittes in 2 Ebenen 4 MRT zur Darstellung der Weichteilanteils des Abszesses 4 CT zur Darstellung der Wirbelkörperdestruktion 4 CT-gesteuerte Punktion, PE (operativ)

Differenzialdiagnose 4 Tumor 4 Fraktur (Spondylitis) 4 erosive Osteochondrose (Spondylodiszitis)

Therapie 4 konservative Therapie: 5 absolute Bettruhe, später Mobilisation im Korsett, sukzessive im Stehbrett 5 hochdosierte Antibiotika i.v. 5 CT-gesteuerte Punktion mit Einlage einer Drainage und ggf. Spülung 5 Keimnachweis, Antibiogramm mit anschließender spezifischer Antibiotikagabe 5 bei drohender Sepsis Beginn mit unspezifische BreitspektrumAntibiose 5 Verlaufskontrolle 4 operative Therapie: Indikation: 5 bei Therapie-Resistenz/Progredienz 5 bei erheblicher knöcherner Destruktion, biomechanischer Instabilität 5 bei neurologischen Symptomen sofort 4 OP-Verfahren: 5 Débridement 5 Resektion 5 Bandscheiben-/Wirbelkörperersatz 5 Spondylodese/Fusion

Komplikationen 4 4 4 4 4

Wirbelkörperdestruktion/Fraktur/Kyphose segmentale Instabilität Querschnittslähmung epiduraler Abszess Meningitis/Enzephalitis

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Eigene Notizen

64 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

1

Eigene Notizen

1.1.4

Wirbelsäule J Ohnsorge, K. Salem

Wichtige Laien- und Fachbegriffe HWS Brachialgie

Schmerzen im Arm

Zervikalgie

Nackenschmerzen

Zephalgie

Kopfschmerzen

Zervikozephalobrachialgie

in Arm und Kopf ausstrahlende Nackenschmerzen

LWS Dorsalgie

Rückenschmerzen

Lumbalgie

Kreuzschmerzen

Lumbago

»Hexenschuss«, akute immobilisierende Kreuzschmerzen

Ischialgie

(radikuläre?) Schmerzen im Bein

Glutealgie

Schmerzen im Gesäß

Lumboischialgie

ins Bein ausstrahlende Rückenschmerzen

Radikuläre Symptome

eindeutig auf eine Nervenreizung zurückzuführend

Pseudoradikuläre Symptome

anderweitig ausgelöste, einer Nervenreizung ähnliche Symptome

Zeichen nach Lasègue

5 Nervenwurzeldehnungsschmerz 5 passives Anheben des gestreckten Beines (bis 50° max. 70°) 5 reproduzierbares Auslösen eines radikulären Schmerzes

Zeichen nach Bragard

5 Nervenwurzeldehnungsschmerz 5 plötzliche passive Fußflexion im Anschluss an Lasègue-Test

Sensomotorische Defizite

gestörte Empfindung/aktive Beweglichkeit

Dermatome

typische von bestimmten Nervenwurzeln versorgte Hautareale

Kennmuskeln

typische von bestimmten Nervenwurzeln versorgte Muskeln

Kraftgrad

volle Kraft (5/5) bis keine Kraft (0/5)

Wirbelsäule allgemein Chondrose

Degeneration der Bandscheibe, Dehydratation, Degradation

»black disc«

MRT-Befund bei H2O-Verlust der Bandscheibe

Osteochondrose

zusätzlich Grund- und Deckplattensklerose, Exophyten, Ödem

Spondylarthrose

»Verschleiß« der kleinen Wirbelgelenke

6

65 1.1 · Orthopädie

Wichtige Laien- und Fachbegriffe Spondylolyse

Unterbrechung der Interartikularportion, verschiedene Ursachen

Spondylolisthesis

»Wirbelgleiten«, verschiedene Ursachen

Spondylose

(appositionelle) Exophyten infolge Instabilität und Bänderzug

Synostose

überbrückendes exophytäres Spangenwachstum

Spondylodese

Osteosynthese mit Pedikelschrauben und Stäben

TLIF

transforaminale lumbale interkorporelle Fusion (Arthrektomie, BS-Resektion, Platzhalter, Spongiosa)

ALIF/PLIF

anteriore/posteriore lumbale interkorporelle Fusion

Nukleotomie

Entfernung des Nucleus pulposus (Prolapses)

Sequestrotomie

Entfernung eines freien Sequesters im Spinalkanal

Dekompression

Beseitigung von Stenosen

IDET

intradiskale elektrothermische Therapie (Radiofrequenz)

Chemonukleolyse

intradiskale Chymopapain- oder Alkoholapplikation

Vertebroplastie

perkutane transpedikuläre Wirbelkörper-Augmentation (PMMA)

Kyphoplastie

Ballondilatation und PMMA zur Frakturaufrichtung

Klinische Untersuchung Anamnese 4 Beruf/Art der Tätigkeit (körperlich anspruchsvoll, Büro, Kraftfahrer etc.) 4 soziofamiliärer Kontext 4 Psyche 4 Vorerkrankungen (systemisch, infektiös, Tumor, immunologisch, Gelenke, Wirbelsäule) 4 Voroperationen 4 Unfälle, Verletzungen und Frakturen 4 aktuelle Beschwerden 4 Beginn der Beschwerden 4 Art und Verlauf der Beschwerden 4 Belastungsabhängigkeit der Beschwerden 4 Beeinträchtigung im Alltag 4 Arbeitsfähigkeit/AU/Rente 4 Geh-/Steh-/Sitzfähigkeit (Schmerzen, Lähmungen, Gehstrecke, Claudicatio spinalis) 4 Harn-/Stuhlfunktion 4 neurologische Ausfallerscheinungen 4 bisherige Behandlung/deren Erfolg 4 individuelle Wünsche und Ziele (Schmerzfreiheit, Linderung, Arbeits-, Sportfähigkeit)

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Eigene Notizen

66 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

1

Eigene Notizen

Körperliche Untersuchung Inspektion 4 Allgemeinzustand (AZ), Ernährungszustand (EZ), Habitus 4 Hilfsmittel (Gehstock, Orthesen, Bandagen, Einlagen, Beinlängenausgleich etc.) 4 Facies/Gesichtsausdruck (Schmerzen, Trauer etc.) 4 Mobilität, Gangbild 4 (Fehl-)Haltung 4 manuelle Geschicklichkeit/Armeinsatz/Koordination 4 Kopf-/Hals-Bewegungen 4 Einbeinstand (Trendelenburgzeichen, Ataxie etc.) 4 Zehenspitzenstand 5 Kennmuskeln/Nervenwurzeln L5/S1 4 Hackengang 5 Kennmuskeln/Nervenwurzeln L4 4 Hocke/Aufstehen 5 Kennmuskeln/Nervenwurzeln L3 5 Kletterphänomen (Climbing-up-the-legs) 5 Knie-/Hüftschmerzen 4 Narben 4 Rundrücken, Hohlrücken, Flachrücken 4 Rippenbuckel, Lendenwulst (Skoliose) 4 Trichter-/Kielbrust 4 Schulterstand 4 Beckenstand/Beinlänge (messen) 4 Taillendreiecke 4 Hautfaltenmuster

Palpation, Beweglichkeit 4 4 4 4 4 4 4

aktive und passive Beweglichkeit Inklination/Reklination Rotation Seitneigung Finger-Boden-Abstand Zeichen nach Schober und Ott harte oder weiche Sperrung einzelner Bewegungsrichtungen (»Blockierungen«) 4 muskulärer Hartspann 4 Haltungstest nach Matthiaß 4 Trendelenburg-Zeichen, Einbeinstand

Spezielle Tests der manuellen Medizin (»Blockierungen«) 4 4 4 4

Mennel-Zeichen Vorlaufphänomen Federtest Spine-Test (variable Beinlängendifferenz)

67 1.1 · Orthopädie

Neurologie 4 Sensibilität (Dermatome), Extremitäten, Brust und Bauch 5 radial bis Daumen (C6) 5 2.–4. Finger (C7) 5 ulnar (C8) 5 Oberschenkel – ventral (L3) 5 Oberschenkel – lateral (L4) 5 Unterschenkel – ventrolateral (L5) 5 dorsaler Ober-/Unterschenkel, Ferse, Dig. V (S1) 4 Reithosenanästhesie 4 Motorik (Kennmuskeln), Extremitäten, Gesicht 5 M. biceps brachii (C5) 5 M. ext. carpi rad. (C6) 5 M. triceps brachii (C7) 5 Finger (C8) 5 M. quadriceps/Hüftbeugerschwäche (L3 > L4) 5 M. tibialis ant./Kniestrecker (L4 > L3) 5 Fußheberschwäche/Zehenheberschwäche (L5 > L4) 5 Fußsenkerschwäche (S1) 4 Atrophie: Thenar (C7), Hypothenar (C8) 4 Sphinktertonus/Analreflex/Erektionsschwäche 4 Harninkontinenz/Restharn 4 Reflexe (Nervenwurzeln), Extremitäten 5 BSR (C5) 5 RPR (C6) 5 PSR (L3, L4) 5 TPR (L5) 5 ASR (S1) 4 Durchblutung/Pulse

Apparative Diagnostik Röntgen 4 4 4 4 4 4

2 Ebenen Zielaufnahmen (einzelne Wirbelkörper oder Segmente, Rippen) Schrägaufnahmen (Neuroforamina) Funktionsaufnahmen (Inklination und Reklination) Bending-Aufnahmen (Skoliose) Wirbelsäulenganzaufnahmen

MRT 4 diverse Modalitäten (T1-, T2-Wichtung, STIR), je nach Fragestellung 4 meist Mittel der Wahl zur weitergehenden Diagnostik (früher: CT), z.B.: 5 Osteochondrose?/Stadium nach Modic (I–III) 5 Diskusprolaps? 5 Spinalkanalstenose?/Wodurch? 5 Infektion?/Beteiligung welcher Strukturen? 5 Frische oder alte Fraktur? 5 Tumor?

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Eigene Notizen

68 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

4 optimale Weichteildarstellung (Fett, H 2O) bei oft ausreichender Knochendarstellung 5 Bandscheiben(-Vorfälle) 5 Kompression (Myelon, Nervenwurzeln) 5 Abszesse 5 Liquor 5 Ödeme 5 epidurales Fett (Reserveräume) 5 Verfettung der Muskulatur

CT 4 Bei Frage nach knöcherner Situation, z.B.: 5 Fraktur (Klassifikation, Stabilität) 5 Fusion (Verlaufskontrolle) 4 Alternative zur (teureren, oft nicht verfügbaren) MRT 4 bei Implantaten in situ (MRT: größere Artefakte) 4 bei differenzierter Fragestellung, mit Kontrastmittel: 5 nach Myelographie (postMyeloCT) 5 nach PET (PET-CT) 5 nach Diskographie (postDiscoCT)

Myelographie 4 Kontrastmittelinjektion intradural 4 Kompression?

Szintigraphie 4 erhöhte Stoffwechselaktivität bei Fraktur, Tumor oder Infektion

Diskographie 4 KM-Injektion in die Bandscheibe 4 diagnostisch: 5 Fissuren im Anulus fibrosus, pathologischen Verteilungsmuster 5 Schmerzprovokation bei V.a. diskogenen Schmerz (VolumenDistensions-Test) 4 therapeutisch (Beimengung von Kortikoiden und Lokalanästhetika)

Injektionen 4 diagnostisch und therapeutisch 5 Facetten 5 periradikulär 5 epidural

Neurologie 4 EMG (Elektromyographie) 4 NLG (Nervenleitgeschwindigkeit)

Gefäßdarstellung 4 Angiographie

69 1.1 · Orthopädie

Therapie 4 konservative Therapie prinzipiell immer sinnvoll, da meistens erfolgreich: 5 spezielle Schmerztherapie 5 begleitend Psychotherapie/somatische Therapie 5 interdisziplinäre Behandlungskonzepte oftmals sehr sinnvoll und erfolgreich 4 interventionelle, bzw. operative Therapie je nach Diagnose und Verlauf (Stufenschema): 5 wenige absolute OP-Indikationen, z.B.: J Conus-Cauda-Syndrom J (drohende) Paresen/Lähmungen J solitäre Tumoren, wenn sicher resektabel (R0) J instabile Frakturen J Frakturgefahr mit hohem Komplikationsrisiko J nicht beherrschbare Komplikation durch Infektionen/drohende Sepsis 4 OP-Indikation meistens relativ (Risiko-Nutzen-Abwägung): 5 seltener rein elektiv (z.B. therapieresistente Schmerzen) 5 Operation: oft Kompromiss (Mobilität/Stabilität und Beschwerdereduktion) 5 reduzierte Komplikationsraten und geringere Morbidität durch minimal-invasive Techniken 5 realistische Erwartungshaltung vor Therapiebeginn herbeiführen (Aufklärung!) 5 Arzt-Patienten-Verhältnis besonders wichtig! (psychosoziale Komponente der Erkrankung) 4 Compliance!

Infektiöse Wirbelsäulenerkrankungen Siehe 7 Abschn. 1.1.3

Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen 4 Kirkaldy-Willis-Klassifikation (3 Stadien der WS-Degeneration): 5 Dysfunktion (15.–45. LJ): Anulusrisse, Facettengelenksynovialitis 5 Instabilität (35.–70. LJ): Bandscheibenresorption, Spondylarthrose, Subluxation 5 Stabilisation (>60. LJ): Osteophyten, segmentale Fusion bzw. Ankylose

Lumbalsyndrom 4 4 4 4

subsummierender Begriff (unspezifisch, keine Diagnose!) verschiedene Ursachen/verschiedene Krankheitsbilder Lumbalgie: reine Kreuzschmerzen (multifaktoriell) Lumboischialgie: Kreuzschmerzen mit radikulärer Symptomatik (meist morpholog. Korrelat) 4 Lumbago: perakut, meist vorrübergehende funktionelle segmentale Störung (neuromuskulär) 4 insgesamt häufig degenerativ bedingt, daher auch am häufigsten in der 2. Lebenshälfte

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Eigene Notizen

70 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

Klinik 4 chronische Beschwerden oder akute plötzlich einschießende Schmerzen (»Hexenschuss«/Lumbago) durch Belastung oder ruckartige Bewegung 4 WS-Beweglichkeit durch Muskelverspannung reflektorisch gemindert 4 psychovegetative Begleiterscheinungen

Diagnostik 4 Röntgen: keine, leichte oder ausgeprägte degenerative Veränderungen, z.B.: 5 Chondrose 5 Osteochondrose 5 Spondylose 5 Spondylarthrose

Therapie 4 im Akutstadium: 5 Stufenbettlagerung 5 Wärme 5 Schmerztherapie 5 Muskelrelaxanzien 4 immer: 5 physikalische Therapie 5 Physiotherapie 4 bei funktionellen Störungen (»Blockierungen«): 5 manuelle Therapie 4 bei chronischen Beschwerden: 5 Rückenschule

Zervikalsyndrom Definition 4 klinisches Erscheinungsbild bei diversen Erkrankungen der HWS (keine Diagnose!)

Ätiologie 4 meist degenerativ bedingt (Spondylose, Spondylarthrose bzw. Unkovertebralarthrose) 4 aber auch Fehlbildungen, entzündliche Destruktion, neoplastische Destruktion, zervikaler Diskusprolaps und Frakturen der HWS 4 oft durch Reklination und Rotation auslösbar

Klinik 4 4 4 4

Kopf- und Nackenschmerzen (zervikozephales Syndrom) Schulter-Arm-Schmerz (zervikobrachiales Syndrom) »okzipitale Neuralgie« (Radikulärsyndrom) »Migraine cervicale«, Schwindel, Hör-, Seh- oder Schluckstörungen (vegetative Syndrome)

71 1.1 · Orthopädie

4 selten Entwicklung einer Myelopathie (medulläres Syndrom) z.B. durch: 5 Osteophyten im mittleren dorsalen Teil der HWK, 5 Kompression der A. spinalis anterior und Myelons 5 evtl. spastische Parese mit Pyramidenbahnzeichen, Tetraplegien und Tiefensensibilitätsstörung 4 unkovertebrale Spondylophyten können A. vertebralis einengen und zur vertebrobasilären Insuffizienz führen

Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4

zervikale Rippe (C8/Th1-Wurzelsyndrom) Karpaltunnelsyndrom (C6/C7-Wurzelsyndrom) Subakromialsyndrom der Schulter Spondylodiszitis Tumoren

Therapie 4 Analgetika, Antiphlogistika, Muskelrelaxanzien, Neuroleptika 4 Krankengymnastik, physikalische Therapie (Massage, Wärme, Elektrotherapie) 4 medizinische Trainingstherapie (MTT) 4 Rehabilitation

Osteochondrose Klinik 4 Lumbalsyndrom 4 diskogener Schmerz 4 Beginn als Chondrose: 5 Dehydratation des galertartigen Nucleus pulposus (MRT-Befund: »black disc«) 5 Elastizität ↓/Pufferfunktion ↓ 5 Vorwölbung von Bandscheibengewebe über die Wirbelkörpergrenzen hinaus (Protrusion) 5 Risse im Anulus fibrosus, dadurch Bandscheibenvorfall (Prolaps) möglich 5 Höhe des Bandscheibenfaches ↓, dadurch auch Überlastung der Facettengelenke 5 Instabilität, ggf. bis hin zum Wirbelgleiten (Pseudospondylolisthese) 5 konsekutive Stenose von Recessus lateralis/Neuroforamen und Spinalkanal 5 diskogener Schmerz, Einsprossung von Nervenfasern im Grundund Deckplattenbereich 4 Entwicklung zur Osteochondrose: 5 reaktive Veränderungen am Knochen, Umbauprozesse 5 Ödeme im Bereich der Grund- und Deckplatten (MRT) 5 subchondrale Sklerosezonen (Röntgen und CT) 5 Osteophyten, exophytäre Randzacken (Röntgen und CT) 5 weiterer Substanzverlust der Bandscheibe, ggf. Vakuum-Phänomen (Röntgen und CT)

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Eigene Notizen

72 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

4 Fortgeschrittene/erosive Osteochondrose: 5 schwere osteochondrotische Veränderungen 5 Einbruch der Grund- und Deckplatten 5 intrasomatische Bandscheibenvorfälle (in die Wirbelkörper) 5 ! Cave Differenzialdiagnose Spondylodiszitis 4 De-novo-Skoliose/degenerative Skoliose: 5 Gefügestörung der Wirbelsäule (meist LWS) infolge multisegmentaler Osteochondrose und Instabilität 5 nicht selten auch osteoporotisch bedingte Sinterungsfrakturen

Diagnostik 4 Röntgen 4 MRT 4 ggf. Distensionstest (Diskographie)

Bandscheibenvorfall (BSV, Diskusprolaps) Definition 4 Bandscheibengewebe außerhalb des Bandscheibenfaches 4 fließender Übergang von Protrusion zum Prolaps 4 kein Kontakt mehr zur Bandscheibe: freier Sequester (sequestrierter BSV) 4 kraniale/kaudale Dislokation eines Sequesters möglich 4 Reizung/Schädigung nervaler Strukturen im Spinalkanal 4 meist LWS, seltener HWS, äußerst selten BWS (segmentale Stabilität des Thorax) 4 Unterscheidung: extra-/intraforaminal, lateral, mediolateral, medial (oft breitbasig) 4 ! Cave Sehr oft asymptomatisch

Ätiologie 4 mechanische Beanspruchung (Prädilektionsalter: 30–50 Jahre) 4 Strukturveränderungen (meist degenerativ, vgl. Osteochondrose) 4 selten traumatisch

Klinik 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4

radikuläre Symptomatik (Nervenwurzel) Zunahme durch Husten und Pressen fixierte Schonhaltung häufig pos. Lasègue- bzw. Bragard-Zeichen (Nervenwurzeldehnungsschmerz) Sensibilitätsstörung (vgl. Dermatome) Lähmungen (Paresen), unterschiedliche Kraftgrade typisch: Zehenstand und Hackengang eingeschränkt (vgl. Kennmuskeln!) Reflexabschwächung oder -ausfall Notfall: Konus-Kauda-Syndrom/Kauda-equina-Syndrom! Blasen-Mastdarm-Störung, unwillkürlicher Urin-/Stuhlabgang, Restharn, Reiterhosenanästhesie

73 1.1 · Orthopädie

Differenzialdiagnose 4 Unterscheidung radikulär/pseudoradikulär/zentral 4 ISG-Affektion 4 funktionelle Störungen/»Blockierung« (neuromuskulär bedingt, harmlos) 4 Infekt 4 Tumoren 4 Polyneuropathie

Therapie 4 konservativ: 5 Schmerztherapie! 5 Ruhe/adäquate Lagerung 5 Wärme 5 Krankengymnastik, Rückenschule 4 operativ: 5 Nukleotomie bzw. Sequestrotomie 5 ggf. Chemonukleolyse/Radiofrequenz 5 Standard-Verfahren: J mikrochirurgisch/mikroskopisch 5 moderne Verfahren: J endoskopisch 5 absolute OP-Indikation bei akuten massiven motorischen Ausfällen (Kauda-Syndrom etc.) 5 relative OP-Indikation bei Therapieresistenz, Lähmungen und/oder starken Schmerzen 5 strenge und enge Indikationsstellung (OP-Risiken, gute Prognose für konservative Therapie)

Postnukleotomie-Syndrom Synonyme 4 Failed Back Surgery Syndrome (FBSS)

Pathogenese 4 meist radikulär-pseudoradikuläre Mischsymptomatik (Ursachenforschung oft sehr schwierig) 4 persistierende oder erneute Beschwerden nach spinaler OP, viele Ursachen denkbar, z.B.: 5 OP-Fehler oder Versäumnisse 5 falsche Diagnose (Indikation!) 5 fortschreitende Pathologie (z.B. degenerativ, Tumor, etc.) 5 Adhäsionen (Vernarbung, Arachnoiditis, Fibrose) 4 ! Cave Operative Adhäsiolyse risikoreich und nicht selten erfolglos

Spinale Stenose Definition 4 Einengung des Spinalkanals und/oder der Neuroforamina aufgrund verschiedener sekundärer Ursachen 4 primäre Stenose meistens L2/3, L3/4,seltener L4/5 (anatomisch anlagebedingt)

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Eigene Notizen

74 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

Ätiologie 4 kongenital: anlagebedingte Veränderungen z.B. bei Achondroplasia, Hypochondroplasia oder idiopathisch 4 degenerativ: Spondylarthrose der WS und Bandscheibendegeneration 4 spondylolisthetisch: bei Wirbelgleiten 4 andere Ursachen: z.B. Morbus Paget, Tumoren, Infekt oder TB

Pathologie 4 Zentralstenose: Kompression des Duralsackes und Cauda equina 4 Lateralstenose: Nervenwurzelkompression 5 Recessusstenose: Einengung der unteren Nervenwurzel 5 Foraminalstenose: Einengung der oberen Nervenwurzel

Klinik 4 Claudicatio spinalis (Gefühlsstörung, z.T. auch Schmerzen in den Beinen beim Gehen) 4 chronische Rückenschmerzen, oft mit Ausstrahlung in beide Beine 4 Besserung durch Inklination, also Vorbeugen oder Sitzen, typisch!

Diagnostik 4 Röntgen: degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 4 MRT, CT: Sanduhrphänomen des Spinalkanals/Duralsacks 4 Kanaldurchmesser: 5 w)

Klinik 4 hauptsächlich betroffen ist die untere Sternumhälfte 4 symmetrische oder asymmetrische trichterförmige Veränderung (meist beschwerdefrei) 4 oft in Kombination mit Deformierung der BWS (Kyphose, Skoliose) 4 häufig psychische Beeinträchtigung

79 1.1 · Orthopädie

Diagnostik 4 Röntgen: 5 Tiefe des Trichters und Abstand zwischen dem Trichter und der Wirbelsäule

Therapie 4 Indikation meistens kosmetisch, selten zur Schmerzlinderung 4 OP bei tiefen Trichtern zwischen 2. und 6. Lebensjahr: 5 Osteotomie der Rippen und des Sternums 5 Anheben des Trichters 5 Plattenosteosynthese

Hühnerbrust Synonyme 4 Kielbrust 4 Pectus carinatum 4 Chicken breast

Ätiologie 4 endogene Fehlbildung 4 evtl. Rachitis 4 10-fach seltener als Trichterbrust

Klinik 4 Sternum und kaudale Rippen nach vorn vorgewölbt 4 keine funktionelle Störung, rein kosmetische Beeinträchtigung

Diagnostik 4 Röntgen: spitzwinklig prominentes Sternum

Therapie 4 operative Korrektur nur in schweren Fällen

Spina bifida Definition 4 Spina bifida occulta: 5 knöcherne Bogenschluss bleibt aus, Spinalkanal nur knorpelig geschlossen (lumbosakral) 4 Spina bifida aperta 5 Neuralrohr unzureichend verschlossen 5 Wirbelbögen breit offen 5 Rückenmarkfehlbildung: J Meningozele: Ausstülpung des Duralsackes J Myelomeningozele: gleichzeitige Ausstülpung des Duralsackes und des Rückenmarks J Syringomyelozele: Ausstülpung des Duralsackes mit RM und zusätzlich von Nervenwurzeln

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Eigene Notizen

80 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

Klinik 4 sensible/schlaffe motorische Plegien der Beine 4 evtl. Blasen- und Mastdarmlähmung 4 Assoziation mit Hydrozephalus, (Kypho-)Skoliose, Hüftluxation, Kontrakturen, Deformitäten

Therapie 4 schnelle neurochirurgische Versorgung wegen Infektionsgefahr

Torticollis muscularis (muskulärer Schiefhals) Siehe 7 Abschn. 1.1.9

1.1.5

Schulter, Oberarm und Ellenbogen A. Komadinic, W. Drescher

Schultergelenk Degenerative Schultergelenkserkrankungen Akromioklavikulargelenkarthrose (Schultereckgelenkarthrose) Definition 4 degenerative Erkrankung des Schultereckgelenks (AC-Gelenksarthrose)

Ätiologie 4 idiopathisch 4 sekundär, resultierend aus einer chronischen Instabilität oder Überlastung 4 bei rheumatoider Arthritis 4 posttraumatisch

Klinik 4 4 4 4

druckschmerzhaftes AC-Gelenk lokale Schmerzen bei Bewegungen über die Schulterhorizontalebene hoher schmerzhafter Bogen (>150°-Abduktion) positiver Horizontal-Adduktions-Test (Cross-Body-Test)

Diagnostik 4 Röntgen: 5 Schulter in 3 Ebenen 5 ggf. mit AC-Gelenkzielaufnahme 4 Lokalanästhesie-Infiltrationstest

Therapie 4 konservativ: 5 NSAR 5 Krankengymnastik 5 intraartikuläre Infiltrationsserie mit Lokalanästhetika 5 ggf. Kortikosteroide 4 operativ: bei Versagen der konservativen Therapie 5 (arthroskopische) AC-Gelenkresektion

81 1.1 · Orthopädie

Omarthrose (Schultergelenkarthrose) Definition 4 degenerative Erkrankung (Arthrosis deformans) des Glenohumeralgelenks mit initialer Chondromalazie und konsekutiven Veränderungen im Bereich des subchondralen Knochens (Sklerosierung, Osteophyten, subchondralen Zysten)

Ätiologie 4 idiopathisch (vermutlich multifaktoriell) 4 sekundär bei Vorerkrankungen (s.u.) oder Verletzungen

Einteilung 4 primäre oder idiopathische Omarthrose ohne eruierbare Ursache 4 sekundäre Omarthrose: 5 Instabilitätsarthrose (rezidivierender Luxationen) 5 posttraumatische Arthrose (Fehlstellung, Humeruskopfnekrose) 5 Defektarthropathie (Cuff-Arthropathie: im Verlauf persistierender Rotatorenmanschettenrupturen) 5 avaskuläre Humeruskopfnekrose nach: J Chemotherapie J Kortikosteroidtherapie J neuroendokrinen Vorerkrankungen 5 rheumatoide Arthritis 5 Infektarthropathie 5 Gicht

Klinik 4 belastungsabhängige Schmerzen 4 zunehmende Bewegungseinschränkung

Diagnostik 4 Röntgen der Schulter in 3 Ebenen (in der Regel ausreichend): 5 Gelenkspaltverschmälerung 5 subchondrale Sklerosierung 5 Osteophyten 5 subchondralen Zysten

Therapie 4 konservativ: 5 bei beginnender Arthrose mit NSAR und Krankengymnastik 4 operativ: 5 arthroskopischer Abrasionsarthroplastik im Anfangsstadium möglich (Therapieversuch) 5 endoprothetische Versorgung bei fortgeschrittener Omarthrose

Sternoklavikulargelenkarthrose Definition 4 degenerative Erkrankung des Brustbein-Schlüsselbein-Gelenks (sehr selten)

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Eigene Notizen

82 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

Ätiologie 4 idiopathisch 4 sekundär: 5 posttraumatisch bei chronischer Instabilität oder Fehlstellung 5 rheumatoide Arthritis

Klinik 4 Verdickung bei hypertropher Arthrose 4 lokaler Druckschmerz

Diagnostik 4 Röntgen (Zielaufnahme nach Rockwood)

Therapie 4 konservative: 5 NSAR 5 Krankengymnastik 5 intraartikuläre Infiltrationsserie mit LA und ggf. Kortikosteroiden 4 operativ: als ultima ratio bei Versagen der konservativen Therapie 5 sparsame Resektion der medialen Klavikula

Impingementsyndrome der Schulter Definition 4 Sammelbegriff von Erkrankungen unterschiedlicher Genese, wobei es zur Enge meistens im Subakromialraum, seltener subkorakoidal kommt (sog. »Schulterenge-Syndrom«) 4 Einteilung in ein extra- und in ein intraartikuläres Impingement mit jeweils zwei Subtypen

Ätiologie 4 vielfältig, man unterscheidet: 5 strukturelle (morphologische) Ursachen 5 funktionelle Ursachen

Subakromiales Impingement Definition 4 Einengung des subakromialen Raumes zwischen knöchernem Schulterdach und Oberarmkopf

Einteilung 4 primäres (Outlet-)Impingement: 5 morphologische Ursachen der Einengung: J subakromialer Sporn J hakenförmiges Akromion (Typ III nach Bigliani), Os acromiale J AC-Gelenkosteophyten 5 posttraumatische Einengung

83 1.1 · Orthopädie

4 sekundäres (Non-outlet-)Impingement: 5 muskuläre Dysbalance zwischen Rotatorenmanschette und Deltamuskel oder Schwäche/Riss der Humeruskopfdepressoren führen zum relativen Humeruskopfhochstand 5 Instabilität bzw. Hyperlaxität 5 Bursitis subacromialis 5 Tendinosis calcarea

Klinik 4 bewegungsabhängige Schmerzen vor allem bei Abduktionsbewegungen 4 schmerzhafter Bogen (»painful-arc«) zwischen 60°- und 120°-Abduktion 4 Impingement-Test nach Neer 4 Hawkins-Zeichen 4 Lokalanästhesie-Infiltrationstest nach Neer 4 häufig Nachtschmerz beim Liegen auf der betroffenen Seite

Diagnostik 4 Röntgen der Schulter in 3 Ebenen: 5 subakromialer Sporn 5 Osteophyten 5 Akromionmorphologie 5 Os acromiale 5 akromiohumeraler Abstand 4 MRT der Schulter zur Beurteilung von: 5 Rotatorenmanschette (RM-Riss, Degeneration) 5 Bizepssehne 5 Bursa

Therapie 4 Beginn mit konservativer Therapie: > Merke Ziel: Durch antiphlogistische Maßnahmen und Kräftigung der humeruskopfzentrierenden und kaudalisierenden Muskeln der Rotatorenmanschette (bei RMLäsion auch der langen Bizepssehne), das Impingement zu verringern. 5 NSAR 5 Krankengymnastik 5 intraartikuläre Infiltrationsserie mit LA 5 ggf. Kortikosteroide (! Cave Sehnendegeneration!) 4 operative Therapie bei Versagen der konservativen Therapie: 5 arthroskopische subakromiale Dekompression und Bursektomie 5 bei schweren anatomischen Verhältnissen ggf. offene (»mini-open«) Operation 5 begleitende Pathologien werden mit versorgt (RM-Ruptur, ACGArthrose)

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Eigene Notizen

84 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

Rotatorenmanschettenruptur Definition 4 partielle oder vollständige Ruptur einer oder mehrerer Sehnen der Rotatorenmanschette

Ätiologie 4 extrinsische Faktoren führen über eine anatomische Enge (Outlet-Impingement) zur zunehmenden Auffaserung und schließlich zur Ruptur der betroffenen Sehne 4 intrinsische Faktoren sind anlage- bzw. altersabhängig und führen über eine verminderte Vaskularisation zu einer zunehmend geringeren mechanischen Belastbarkeit der Sehne (Enthesiopathie) 4 RM-Rupturen häufig bei Bagatelltraumen i.d.R. bei degenerativ vorgeschädigter Sehne (ca. 85% der Rupturen), ca. 15% traumatische Rupturen (meistens M. subscapularis)

Klinik 4 4 4 4

bewegungsabhängige Schmerzen Nachtschmerz beim Liegen auf der betroffenen Seite inverse Korrelation zwischen Rupturgröße und Schmerzsymptomatik bursaseitige Partialrupturen können deutlich schmerzhafter sein, als eine Massenruptur; Bewegungseinschränkung und Kraftverlust nehmen jedoch zu 4 spezielle Tests: 5 Supraspinatus: J Jobe-Test J Starter-Test 5 Infraspinatus: J Außenrotations-Lag-Zeichen J Drop-Arm-Sign 5 Subskapularis: J Lift-off-Test J Belly-press-Test J Innenrotations-Lag-Zeichen 5 Teres minor: J Hornblower-Zeichen 5 lange Bizepssehne: J Palm-up-Test J Speed-Test J Popeye-Zeichen

Diagnostik 4 Röntgen der Schulter in 3 Ebenen: 5 akromiohumeraler Abstand (Normwert: 7–14 mm) 5 Akromionmorphologie 5 subakromiale Spornbildung 4 Sonographie: 5 Nachweis einer RM-Ruptur 5 Beurteilung der Bizepssehne

85 1.1 · Orthopädie

4 MRT der Schulter: 5 Beurteilung der Sehnendegeneration und Rupturgröße 5 Unterscheidung zwischen kompletter und partieller Ruptur 5 Beurteilung der Bizepssehne und der Bursa

Therapie 4 konservativ bei älteren und inaktiven Patienten mit geringem Funktionsanspruch: 5 NSAR 5 Krankengymnastik 5 subakromiale Infiltrationsserie mit Kortikosteroiden (max. 3 Injektionen aufgrund zunehmender Sehnendegeneration) 4 operativ bei jungen und aktiven Patienten mit hohem Funktionsanspruch und traumatischer Ruptur: 5 diagnostische Arthroskopie zur sicheren Beurteilung der Ruptur und Identifizierung von Begleitpathologien 5 arthroskopische Rotatorenmanschettenrekonstruktion 5 arthroskopische subakromiale Dekompression 5 ggf. arthroskopische Bizepssehnentenodese oder -tenotomie zur Verbesserung der Beschwerdesymptomatik 4 alternativ: 5 Mini-open- oder offene Rotatorenmanschettenrekonstruktion nach diagnostischer Arthroskopie und arthroskopischer Dekompression bei entsprechender Notwendigkeit (arthroskopische Naht nicht möglich) 4 Muskel-Sehnen-Transfers bei degenerativem Funktionsverlust der Rotatorenmanschette oder Massenruptur: 5 Delta-Lappen-Plastik 5 Pectoralis-major-Transfer 5 Latissimus-dorsi-Transfer 4 inverse Schulterprothese bei Defektarthropathien (nicht rekonstruierbare RM-Massenruptur mit fortgeschrittener Degeneration); Abduktion des Arms erfolgt über den Deltamuskel 4 postoperativ intensive physiotherapeutische Beübung notwendig: 5 erst passive Bewegungsübungen 5 im Verlauf zunehmend aktive Bewegungsübungen

SLAP-Läsion Definition 4 Superior-Labrum-Anterior-Posterior-Läsion 4 Läsion des Labrums im Bereich des Bizepssehnenankers (Ursprung der langen Bizepssehne, Labrum-Bizepssehnen-Komplex)

Ätiologie 4 3 Pathomechanismen werden heutzutage für SLAP-Läsionen verantwortlich gemacht: 5 Sturz auf den ausgestreckten Arm mit Kompression und resultierender Abscherung des superioren Labrums

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Eigene Notizen

86 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

5 repetetive Mikrotraumen bei Überkopf-Sportarten (z.B. Werfer) durch extreme Abduktions- und Außenrotationsbewegungen 5 Begleitverletzung bei einem akuten Außenrotations-Abduktionstrauma

Einteilung 4 Klassifikation nach Snyder in Typ I bis IV: 5 Typ I: degenerative Veränderung des superioren Labrum und des Bizepssehnenankers ohne Ablösung 5 Typ II: Abriss des Labrum-Bizepssehnen-Komplexes (Bizeps und Labrum) vom superioren Glenoid 5 Typ III: Korbhenkelriss des superioren Labrums bei intakter Bizepssehneninsertion 5 Typ IV: Korbhenkelriss des superioren Labrums mit Beteiligung des Bizepssehnenankers

Klinik 4 unspezifische Schulterschmerzen insbesondere bei Überkopfbewegungen 4 O’Brien-Test 4 Kompressions-Rotations-Test 4 Kibler-Test 4 Crank-Test

Diagnostik 4 Anamnese: 5 Unfallmechanismus 5 Überkopf-Belastungen 5 akute oder chronische Entwicklung der Beschwerden 4 Röntgen der Schulter in 3 Ebenen: 5 Ausschluss einer knöchernen Läsion 4 MRT der Schulter: 5 SLAP-Läsionen sind im MRT schwer zu erkennen 5 MRT-Arthrographie: verbessert die Diagnostik 4 diagnostische Arthroskopie

Therapie 4 konservativer Therapieversuch bei Typ-I-Läsionen: 5 NSAR 5 Krankengymnastik 4 operative Therapie in Abhängigkeit vom Typ der Läsion: 5 Typ I und III: in der Regel werden diese Läsionen arthroskopisch débridiert 5 Typ II und IV: arthroskopische Refixation des Labrum-Bizepssehnen-Komplexes mit Nahtanker (Fadenanker) 5 Bizepssehnentenodese: führt zu guten Ergebnissen bei älteren Patienten und bei Rezidiven

87 1.1 · Orthopädie

Schultergelenkinstabilitäten und -luxationen Definition 4 Instabilität: pathologische Verschiebbarkeit (Translation) des Oberarmkopfes in jeglicher Richtung gegenüber der Pfanne 4 Hyperlaxität: anlagebedingte unphysiologische glenohumerale Translation 4 Luxation: Verrenkung des Glenohumeralgelenks mit Dislokation der Gelenkflächen des Humeruskopfes gegenüber dem Glenoid

Ätiologie 4 Instabilität: 5 als Residuum einer stattgehabten traumatischen Luxation mit Schädigung der Kapsel-Band-Strukturen und des Labrums oder 5 aufgrund einer hyperlaxitätsbedingten Instabilität

Einteilung 4 traumatische Luxation: 5 Erstluxation 5 Reluxation 5 rezidivierende Luxationen bei posttraumatischer Instabilität 4 habituelle Luxationen: 5 Hyperlaxität ohne adäquates Unfallereignis 4 Luxationsrichtung: 5 vordere (80–90%) 5 hintere (~4%) 5 untere (selten) 4 Grad der Luxation: 5 Subluxation 5 Luxation 5 verhakte Luxation

Klinik 4 deutliche Schmerzsymptomatik 4 typische Schonhaltung (hängender Oberarm, Beugung im Ellenbogen, leichte Abduktion und Innenrotation) 4 federnd fixierter Bewegungsunfähigkeit 4 Laxitätstests: 5 Sulcuszeichen 5 vordere und hintere Schublade 4 Instabilitätstests: 5 vordere Apprehension-Test 5 Jerk-Test 5 Fulcrum-Test 4 mögliche Begleitverletzungen: 5 Bankart-Läsion: Abriss des Labrum glenoidale 5 knöcherne Bankart-Läsion: knöcherner Abriss des Labrum glenoidale am Pfannenrand 5 Hill-Sachs-Läsion: Impression am dorsolateralen Humeruskopf durch den vorderen Pfannenrand bei ventralen Luxationen

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Eigene Notizen

88 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

4 knöcherne Begleitverletzung: 5 Humeruskopfluxationsfraktur 5 Fraktur des Tuberculum majus 4 neurovaskuläre Begleitverletzung: A. oder N. axillaris

Diagnostik 4 Anamnese: 5 Trauma, -mechanismus 5 Instabilitätsgefühl 4 Röntgen der Schulter in 2 Ebenen: 5 vor Reposition zum Ausschluss knöcherner Begleitverletzung 5 nach Reposition zur Dokumentation des Repositionsergebnisses 4 CT der Schulter: nur in Ausnahmefällen zur besseren Beurteilung von knöchernen Defekten oder zum Nachweis einer verhakten Luxation 4 MRT der Schulter zum Nachweis von: 5 Verletzungen des Kapsel-Band-Apparates 5 Labrumläsionen 5 Rotatorenmanschettenruptur

Therapie 4 umgehende Reposition der Luxation unter Analgosedierung oder Kurznarkose 4 Repositionstechniken nach Arlt, Kocher oder Hippokrates 4 bei verhakten Luxationen ist ggf. eine offene Reposition durchzuführen 4 nach Reposition kurzzeitige Ruhigstellung im Armschlingenverband für 1 Woche 4 anschließende Krankengymnastik mit schrittweisem Belastungsaufbau über 6–8 Wochen 4 konservative Therapie bei älteren Patienten mit Erstluxation und bei Patienten mit multidirektionaler Hyperlaxität 4 operative Therapie bei jungen Patienten und bei Sportlern (Reluxationsrisiko): 5 diagnostische Arthroskopie 5 arthroskopische ggf. offene Bankart-OP mit Refixation des Labrums und der Kapsel in Ankernahttechnik 5 arthroskopisches ggf. offenes Kapselshift bei Hyperlaxität; hierbei erfolgt eine Raffung der Gelenkkapsel zur Stabilisierung 5 Defektauffüllung von Hill-Sachs-Läsionen >20% der Gelenkfläche (Tuberculum minus Transfer); bei Defekten >40% Schulterendoprothese 5 bei höhergradigen knöchernen Pfannendefekten ggf. Einbringen eines kortikospongiösen Knochenspans oder Korakoidtransfer 5 arthroskopische Rekonstruktion der Rotatorenmanschette

89 1.1 · Orthopädie

Tendinosis calcarea Definition 4 depotförmige Kalkablagerungen (Hydroxylapatit) in der Rotatorenmanschette der Schulter, meist im Bereich des Sehnenansatz des M. supraspinatus

Ätiologie 4 Ursache noch nicht sicher geklärt; diskutiert werden: 5 mechanische Überlastung 5 degenerative und vaskuläre Faktoren die zu einer Minderdurchblutung führen

Pathogenese 4 nach Uthoff: 4 Stadium der Präkalzifizierung: 5 Umwandlung von Sehnenzellen zu Chondrozyten (Metaplasie) 5 keine radiologische oder sonographische Veränderungen 5 keine oder nur geringe Schmerzen 4 Stadium der Kalzifikation (Formation-Ruhephase-Resorption): 5 Bildung von Kalkherden 5 sonographischer und radiologischer Nachweis möglich 5 akute Schmerzsymptomatik 4 Postkalzifikation: 5 Narbenbildung 5 Remodelling zur normalen Sehnenstruktur

Klinik 4 phasenweiser Verlauf mit häufiger Spontanresorption 4 bei Entleerung in den oberhalb liegenden Schleimbeutel kann eine begleitende Bursitis entstehen 4 in der Akutphase abrupt heftigste Schulterschmerzen und schmerzbedingte Schonhaltung 4 Abklingen der Schmerzen nach Resorption 4 chronische Verläufe mit Schulterschmerzen wechselnder Intensität über Monate oder Jahre hinweg möglich

Diagnostik 4 Röntgen der Schulter in 3 Ebenen: 5 Nachweis, Lokalisation und Größe des Kalkdepots 4 Sonographie: 5 Nachweis eines intratendinösen Schallschattens

Therapie 4 konservativ im Anfangsstadium: 5 Krankengymnastik 5 Wärmeanwendungen 4 Akutphase: 5 NSAR 5 lokale Kältetherapie

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Eigene Notizen

90 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

4 bei chronisch rezidivierenden Verläufen oder beim Ausbleiben einer Spontanresorption: 5 arthroskopische Kalkentfernung 5 ggf. mit arthroskopischer Bursektomie

Frozen Shoulder Synonyme 4 adhäsive Kapsulitis

Definition 4 Erkrankung, die mit einer Schultersteife, also einer Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit im Glenohumeralgelenk einhergeht

Ätiologie 4 unbekannt 4 multifaktorielle Genese wird diskutiert

Einteilung 4 primäre (idiopathische) Frozen shoulder: 5 fibroisierende Entzündungsreaktion der Gelenkkapsel (Kapsulitis), die über eine zunehmende Kapselvernarbung (Kapselfibrose) zur Schultersteife führt 4 sekundäre Frozen shoulder: 5 auszumachende Vorerkrankung/Ereignis 5 häufig im Anschluss an Luxationen, Prellungen, Operationen oder längerer Ruhigstellung 5 gehäuft bei Diabetes mellitus

Klinik 4 diffuser Druckschmerz 4 zunehmende Bewegungseinschränkung 4 Nachtschmerz

Diagnostik 4 Röntgen der Schulter in 3 Ebenen: 5 keine typischen Zeichen 5 Ausschluss einer Fraktur, Luxation oder Arthrose 4 MRT der Schulter: 5 häufig Kontrastmittelanreicherung in der Synovialmembran 5 Ausschluss weiterer Schultergelenkspathologien

Therapie 4 konservativ: 5 NSAR 5 intraartikuläre Infiltrationsserie mit LA und Kortikosteroiden 5 adjuvante Krankengymnastik 5 Manualtherapie

91 1.1 · Orthopädie

4 operativ: bei Persistenz der Beschwerden nach 10–12 Monaten unter konservativer Therapie 5 Versuch der Narkosemobilisation 5 arthroskopische partielle Synovektomie 5 Release der ventrokaudalen Kapsel und der glenohumeralen Bänder 4 postoperativ: 5 suffiziente Schmerzbehandlung 5 ggf. mit Skalenuskatheter für mehrere Tage

Oberarm Bizepssehnenruptur Definition 4 Riss der Bizepssehne entweder im Bereich des proximalen Ursprungs oder im Bereich des distalen Ansatzes am Radius

Ätiologie 4 Spontanruptur oder im Rahmen eines Bagatelltraumas auf dem Boden einer degenerativen Vorschädigung 4 selten rein traumatisch durch erhebliche Krafteinwirkung

Einteilung 4 proximale Bizepssehnenruptur (häufig): Riss der langen Bizepssehne in ihrem intraartikulärem Verlauf (meistens bei degenerativer Vorschädigung) 4 distale Bizepssehnenruptur (selten): ansatznaher Riss der Sehne an der Tuberositas radii

Klinik 4 plötzlich einschießender Schmerz mit Distalisierung des bizipitalen Muskelbauchs (sog. Popeye-Muskel) bei proximalen Rupturen bzw. Verlagerung des Muskelbauchs nach proximal bei distalen Rupturen 4 Druckschmerz über dem Sulcus bicipitalis bzw. im Bereich des Sehnenansatz 4 deutliche Abschwächung der Flexion im Ellenbogengelenk bei distalen Rupturen, minimal bei proximalen Rupturen aufgrund des Ausgleichs über die kurze Bizepssehne und den M. coracobrachialis 4 positiver Palm-up- und/oder Speed-Test

Diagnostik 4 Sonographie: Nachweis der Sehnenstümpfe 4 MRT der Schulter: 5 gute Beurteilung der Bizepssehne (Verlauf, Luxation, Retraktion, Degeneration) 5 und von Begleiterkrankungen (Rotatorenmanschettenläsionen)

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Eigene Notizen

92 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

Therapie 4 proximale Bizepssehnenruptur: 5 konservativ: J mit NSAR J kurze Ruhigstellung in der Akutphase und J Krankengymnastik im Verlauf 5 operativ bei jungen und aktiven Patienten mit hohem Funktionsanspruch möglich: J arthroskopische Tenodese mit resorbierbarer Interferenzschraube im Sulcus intertubercularis oder J ggf. extraanatomische Refixation an die kurze Bizepssehne 4 distale Bizepssehnenruptur: 5 operativ aufgrund des Funktionsverlustes immer indiziert: J offene anatomische oder extraanatomische Refixation transossär oder mittels Fadenanker (Nahtankertechnik)

Ellenbogengelenk Ellenbogengelenkarthrose Definition 4 degenerative Erkrankung des Ellenbogengelenks mit Destruktion des Gelenkknorpels und im weiterem Verlauf auch des gelenknahen Knochens (Arthrosis deformans)

Einteilung 4 primäre idiopathische Ellenbogengelenkarthrose (sehr selten) 4 sekundäre Ellenbogengelenkarthrose bei posttraumatischen Fehlstellungen oder Instabilität 4 rheumatoide Arthritis

Klinik 4 belastungsabhängige Schmerzen 4 zunehmende Bewegungseinschränkung

Diagnostik 4 Röntgen des Ellenbogengelenks in 2 Ebenen (a.-p. und seitlich): 5 Sklerosierung 5 Osteophyten 5 Gelenkspaltverschmälerung

Therapie 4 konservativ bei beginnender Arthrose: 5 NSAR 5 Krankengymnastik 4 operativ: 5 arthroskopische Abrasionsarthroplastik und Osteophytenabtragung im Anfangsstadium möglich (Therapieversuch) 5 arthroskopisches Kapselrelease bei Bewegungseinschränkung 5 prinzipiell endoprothetische Versorgung bei fortgeschrittener Ellenbogengelenkarthrose

93 1.1 · Orthopädie

Epicondylitis humeri radialis et ulnaris Definition 4 Insertionstendinopathie: chronisch schmerzhafte Reizung der entsprechenden Sehnenansätze

Ätiologie 4 funktionelle (chronische) Überlastung der Muskelansätze der Handund Fingerextensoren: 5 bei der Epicondylitis humeri radialis meistens M. extensor carpi radialis brevis 5 bei der Epicondylitis humeri ulnaris der Hand- und Fingerflexoren M. pronator teres, M. flexor carpi ulnaris 4 meist ist die dominante Seite betroffen

Einteilung 4 laterale Epikondylitis: Epicondylitis humeri radialis (Tennisellenbogen) 4 mediale Epikondylitis: Epicondylitis humeri ulnaris (Golferellenbogen)

Laterale Epikondylitis (Epicondylitis humeri radialis) Synonyme 4 Tennisellenbogen

Klinik 4 Druck- und belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des lateralen Epikondylus 4 Zunahme der Beschwerden besonders bei Extensionsbewegungen im Handgelenk gegen Widerstand 4 positiver Chair-Test oder Thomsen-Test

Diagnostik 4 optional Röntgen des Ellenbogengelenks in 2 Ebenen (a.-p. und seitlich): 5 Ausschluss von Traktionsosteophyten 5 degenerative Veränderungen

Therapie 4 konservativ: 5 NSAR 5 Schonung 5 Krankengymnastik 5 physikalische Therapie (Elektrotherapie, Querfiktionsmassage) 5 lokale Infiltrationsserie mit LA und ggf. Kortikosteroide 4 operativ bei Versagen der konservativen Therapie: 5 OP nach Hohmann: J Abschieben der Sehnenansätze am Epikondylus J ggf. in Verbindung mit einer Denervierung nach Wilhelm (Radialisäste) 5 arthroskopische Ablösung der lateralen Sehnenansätze

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Eigene Notizen

94 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

Mediale Epikondylitis (Epicondylitis humeri ulnaris) Synonyme 4 Golferellenbogen

Klinik 4 Druck- und belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des medialen Epikondylus 4 Zunahme der Beschwerden besonders bei Flexionsbewegungen im Handgelenk gegen Widerstand

Diagnostik 4 optional Röntgen in 2 Ebenen

Therapie 4 konservativ: 5 NSAR 5 Schonung 5 Krankengymnastik 5 physikalische Therapie (Elektrotherapie, Querfiktionsmassage) 5 lokale Infiltrationsserie mit LA und ggf. Kortikosteroide 4 operativ bei Versagen der konservativen Therapie: 5 arthroskopische, ggf. offene Ablösung der medialen Sehnenansätze

Bursitis olecrani Definition 4 Entzündung des Schleimbeutels am streckseitigen Ellenbogen

Ätiologie 4 aseptische Bursitis infolge chronischer mechanischer Druckbelastung oder nach einem kräftigen stumpfen Anpralltrauma 4 bakterielle Bursitis nach 5 Mikroläsionen 5 Injektionen 5 Verletzungen der Haut 5 sekundärer Keimbesiedlung oder auch hämatogen

Einteilung 4 chronische Bursitis olecrani (Student’s elbow) 4 septische Bursitis olecrani

Klinik 4 prallelastische, fluktuierende Schwellung 4 ggf. mit Rötung und Überwärmung insbesondere bei bakterieller Bursitis

Diagnostik 4 klinische Untersuchung: 5 Inspektion: typische prall-elastische Schwellung am streckseitigem Ellenbogen 4 Röntgen des Ellenbogengelenks in 2 Ebenen (a.-p. und seitlich): 5 Ausschluss von Begleitpathologien

95 1.1 · Orthopädie

Therapie 4 konservativer Therapieversuch bei aseptischen Bursitiden möglich: 5 NSAR 5 Punktion (mikrobiologische Untersuchung) 4 operativ: 5 Bursektomie bei chronisch aseptischen Bursitiden indiziert 5 unverzügliche Bursektomie bei septischer Bursitis

Juvenile Osteochondonekrosen und Osteochondrosis dissecans des Ellenbogengelenks Juvenile Osteochondronekrosen Definition 4 aseptische Osteonekrose: Nekrose des Knochens aufgrund einer Störung der Blutzirkulation = avaskuläre Knochennekrose (im Gegensatz zur septischen Osteonekrose bei der Osteomyelitis) 4 juvenile Osteochondronekrose: aseptische Osteonekrose des epiphysialen Knochens und der Metaphyse im Wachstumsalter mit spontaner Regeneration

Ätiologie 4 ischämische Nekrose bedingt durch eine Störung der intraossären Mikrozirkulation 4 diskutiert werden anlagebedingte, traumatische und/oder vaskuläre Ursachen

Einteilung 4 Capitulum humeri = Morbus Panner (häufigste Form) 4 Trochlea humeri = Morbus Hegemann

Klinik 4 unspezifische Gelenkschmerzen mit endgradiger Bewegungseinschränkung, v.a. der Extension

Diagnostik 4 Röntgen des Ellenbogengelenks in 2 Ebenen (a.-p. und seitlich): 5 Strukturunregelmäßigkeiten 5 Aufhellungszonen 5 Fragmentationen 4 MRT des Ellenbogens: 5 Knochenödem 5 Beurteilung der Knorpel-Knochen-Vitalität 5 Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen

Therapie 4 primär konservative Therapie: 5 symptomatische Schmerztherapie J kurzzeitige Ruhigstellung J NSAR 5 Schonung ggf. Entlastung

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Eigene Notizen

96 Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Eigene Notizen

Osteochondrosis dissecans Definition 4 Sonderform der aseptischen Knochennekrose mit typischer Demarkierung eines Knorpel-Knochen-Fragments und möglicher Bildung freier Gelenkkörper (Gelenkmaus, Dissekat)

Ätiologie 4 ungeklärt 4 konstitutionelle, vaskuläre, biomechanische Ursachen werden diskutiert 4 häufig mit Sport assoziiert

Klinik 4 unspezifische Beschwerden mit belastungsabhängigen Schmerzen 4 Einklemmungen und Gelenkblockierungen bei freien Dissektaten

Diagnostik 4 Röntgen des Ellenbogengelenks in 2 Ebenen (a.-p. und seitlich): 5 Strukturveränderungen des subchondralen Knochens 5 Nachweis freier Gelenkkörper 4 MRT des Ellenbogens: 5 Stadieneinteilung 5 Beurteilung der Knorpelverhältnisse und -vitalität

Therapie 4 stadiengerecht: 4 Stadium I und II: 5 konservativer Therapieversuch mit Schonung bzw. Entlastung 5 operative Therapie bei Versagen der konservativen Therapie 4 Stadien III und IV: 5 operative Therapie: J bei intakter Knorpeloberfläche arthroskopisch assistierte retrograde Anbohrung J im Stadium III ggf. anterograde Anbohrung und Fixierung J im Stadium IV und bei intaktem Knorpel des Dissektats kann eine arthroskopische Refixation versucht werden, ansonsten autologe osteochondrale Transplantation oder alternativ eine Mikrofrakurierung bzw. Pridie-Bohrung

1.1.6

Hüft- und Oberschenkelerkrankungen W. Drescher, S. Kathrein, C. Lüring, A. Komadinic

Degenerative Hüfterkrankungen Koxarthrose Definition 4 degenerative Erkrankung des Hüftgelenks idiopathischer Genese (d.h. ohne erkennbare Ursache) oder sekundärer Art mit schmerzhafter Funktionseinschränkung des Gelenks

97 1.1 · Orthopädie

Klinik 4 Leistenschmerz (in manchen Fällen Ausstrahlung zum Kniegelenk) 4 glutealer Schmerz 4 Anlauf-, Einlauf- und Belastungsschmerz, im fortgeschrittenen Stadium Ruheschmerz 4 Kreuzschmerz durch Kompensation mit Hyperlordose 4 Verkürzungs-, Schmerz- oder Schonhinken 4 positives Trendelenburgzeichen: Absinken des Beckens zur gesunden Seite im Einbeinstand 4 Muskelatrophie 4 Bewegungseinschränkung (Fragen nach Alltag des Patienten, Sport) 4 Thomas-Handgriff: zur Bestimmung des Extensionsdefizites bzw. der Beugekontraktur (Pat. kontralaterales Bein an den Körper beugen lassen → Ausgleichung der Hyperlordose in der LWS → Extensionseinschränkung der erkrankten Seite führt zu einer Beugestellung der erkrankten Seite)

Diagnostik 4 Röntgen: 5 typische Arthrosezeichen: J Gelenkspaltverschmälerung J subchondrale Sklerosierung J osteophytäre Randzackenbildung J Geröllzysten 5 immer Beckenübersicht, häufig bilateral

Therapie 4 4 4 4 4 4

allgemeine Maßnahmen (Übergewicht vermeiden, Bewegung) physikalische und balneologische Therapie Schmerztherapie (NSAR) Myotonolytika Antiphlogistika intraartikuläre Injektionen (Gemisch aus Lokalanästhetikum und Kortikoide) 4 orthopädietechnische Maßnahmen (Gehstock, Pufferabsatz) 4 operative Therapie (Indikationsstellung abhängig von klinischer Beschwerdesymptomatik): Endoprothesen 5 Totalendoprothesen (Entfernung von Pfanne, Femurkopf und Kapsel-Band-Apparat) J zementiert (Patient >75 LJ, Osteoporose, Incompliance für Teilbelastung für mehrere Wochen) J zementfrei (Patient m

Diagnostik 4 Ganguntersuchung: 5 sicht- und fühlbares Schnappen

101 1.1 · Orthopädie

Therapie 4 konservativ: 5 Aufklärung 5 Physiotherapie 5 lokale Infiltration mit Lokalanästhetikum 4 operativ: 5 nur bei therapieresistenten Beschwerden

Hüftkopfnekrose beim Erwachsenen Definition 4 aseptische, nicht traumatische subchondrale Osteonekrose infolge einer lokalen Durchblutungsstörung

Ätiologie 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4

idiopathisch (Ursache unbekannt) Alkoholabusus Lebererkrankungen Morbus Gaucher systemischer Lupus erythematodes Kortisonbehandlung chronisch entzündliche Darmerkrankungen Sichelzellanämie Caisson-Krankheit der Taucher m:w = 4:1 Altersgipfel: 30–60 LJ 50% doppelseitig

Klinik 4 zunehmende belastungsabhängige Leistenschmerzen 4 Bewegungseinschränkung, insbesondere nach Einbruch der Gelenkfläche 4 im Endstadium wie Koxarthrose

Diagnostik 4 4 4 4

Röntgen MRT: Frühdiagnose möglich CT: räumliche Einordnung des Nekrosebereiches Szintigraphie: 5 Frühdiagnose, verminderte Speicherung auffällig 5 Beginn der Reparaturvorgänge 5 vermehrte Speicherung im Szintigramm

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Eigene Notizen

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1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Einteilung nach ARCO (Association Research Circulation Osseous) Stadium

Diagnostische Kriterien

0

keine radiologischen Veränderungen alle bildgebenden Verfahren mit negativen Befund inkl. MRT positive Histologie

I

Röntgen negativ MRT u. Szintigraphie positiv

II

Röntgen und MRT positiv Hüftkopfkontur erhalten

III

subchondrale Fraktur im Röntgen

IV

Abflachung des Femurkopfes annähernd normaler Gelenksspalt

V

Abflachung des Femurkopfes mit Sekundärarthrose

VI

vollständige Gelenksdestruktion

Therapie 4 konservativ nur in begründeten Ausnahmefällen, da Ergebnisse insgesamt enttäuschend: 5 Entlastung 5 passagere Traktionsbehandlung 5 medikamentöse Therapie 4 operativ: 5 Stadium I und II: Markraumanbohrung 5 Stadium II und III: J intertrochantäre Umstellungsosteotomie J gefäßgestielter Becken- oder Fibulaspan (Versuch Revaskularisierung) J Nekroseausräumung und Unterfütterung 5 Stadium IV bzw. sekundäre Koxarthrose: J Totalendoprothese

Schenkelhalsfraktur Pathogenese 4 häufige Fraktur des alten Menschen mit steigender Inzidenz 4 Ursachen: 5 Bagatelltraumata bei Menschen mit Osteoporose, malignen Erkrankungen oder Zysten 4 Siehe 7 Kap. 1.2.5

Femoroazetabuläres Impingement (nach Ganz) Definition 4 Impingement zwischen proximalem Femurende und Pfannenrand 4 CAM-(Nockenwellen-) und Pincer-(Kneifzangen-)Impingement 4 begünstigt durch: 5 azetabuläre Retroversion bzw. tiefe Pfanne bis Protrusion 5 fehlendes Offset zwischen Kopf und Hals 5 reduzierten CCD-Winkel

103 1.1 · Orthopädie

Ätiologie 4 häufigste Ursache für Koxarthrose in der nichtdysplastischen Hüfte 4 m>w 4 Altersgipfel: 30.–40. LJ

Klinik 4 Leistenschmerz 4 Belastungs- und bewegungsabhängig wie bei Koxarthrose 4 pos. Impingement-Test (Innenrotation, Adduktion und Flexion)

Einteilung 4 Cam-Impingement: 5 > Männer 5 Behinderung der Beugung durch zu geringes Offset oder durch einen nichtsphärischen Kopf → sekundäre Labrumdegeneration, azetabulärer Knorpelschaden 4 Pincer-Impingement 5 > Frauen 5 Labrumläsion durch eine zu große Überdachung anterior → Labrumläsion, langsamer als Cam-Mechanismus

Diagnostik 4 Röntgen (a.-p. und lateral) 5 fehlender taillierter Übergang Kopf auf Hals mit Knochenbuckel (»Ganz bump«)

Therapie 4 konservativ 4 operativ: arthroskopisch oder offen

1.1.7

Knie und Unterschenkel C. Lüring, W. Drescher, B. Rath

Kniegelenk Spezielle klinische Inspektion, Anamnese und Untersuchung Anamnese 4 Beschwerden/Schmerzen: 5 Dauer 5 Intensität 5 Art 5 Periodik 5 Abhängigkeiten: J Belastungsschmerz J Anlauf-, Ruhe-, Nachtschmerz 4 stattgehabtes Trauma, Ablauf 4 Instabilitätsgefühl, Blockierungen

1

Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Aktivitätsniveau: 5 Beruf 5 Alltag 5 Sport 4 vorangegangene Operationen: 5 Wo? 5 Was? 5 Wann? 4 bisherige Therapie: 5 Physiotherapie 5 Medikamente 5 Punktion 5 Injektion

Untersuchung 4 Inspektion: 5 Achsenabweichung: Genu varum, valgum, flexum, recurvatum 5 Gelenkbefund: J Schwellung J Erguss J Synovialitis J Quadrizepsatrophie (insbesondere Atrophie des M. vastus medialis) 5 Hautveränderungen: J Narbe J Fistel J Ödeme J Varikosis J Entzündungszeichen 4 Palpation am liegenden Patient: 5 Gelenkspalt: Schwellung, Resistenz, Druckempfindlichkeit, HoffaFettkörper, Kollateralbänder, Patellafacetten, Kniekehle, Hauttemperatur 4 Beweglichkeit: 5 Neutral-0-Methode: J normale Ext./Flex.: 5°/0°/140°, Abd./Add., Iro./Aro.: in Streckstellung nicht möglich J bei 90° Knieflexion: Aro./Iro.: 20–0–10°: Krepitation, Blockierung 4 spezielle Tests: 5 Seitenbänder: J in Streckung und strecknaher Beugestellung (dorsale Kapsel entspannt) 5 Kreuzbänder: J vordere/hintere Schublade J Lachman-Test J Pivot-Shift-Test (alle im Seitenvergleich) 5 Menisken: J Steinmann-I- und Steinmann-II-Zeichen

105 1.1 · Orthopädie

Eigene Notizen

Abschätzen des Ausmaßes einer Instabilität Grad

Kürzel Ausmaß

I

+ = leicht

3–5 mm oder bis 5°

II

++ = mittel

5–10 mm oder bis 10°

III

+++ = ausgeprägt

10 mm oder bis 15°

Verschiebung/Rotation

Bursitis praepatellaris Definition 4 Entzündung des präpatellaren Schleimbeutels, septisch, aseptisch oder traumatisch, häufig rezidivierend bei bestimmten Berufsgruppen (Pflasterer, Fliesenleger, kniende Berufe)

Klinik 4 Druckschmerz und Schwellung 4 evtl. Rötung über der Patella ! Cave Perforation in das Gelenk

Diagnostik 4 4 4 4

1

Untersuchung (Eintrittspforte, oft Blickdiagnose) Sonographie evtl. Röntgen evtl. Punktion (Bakteriologie, Harnsäurekristalle?)

Therapie 4 eitrige Bursitis: 5 chirurgische Entlastung 5 Antibiose 5 Ruhigstellung 5 Punktion zur mikrobiologischen Diagnostik und Notfalleingriff: J Inzision und Bursektomie J Drainageeinlage J testgerechte Antibiose J Ruhigstellung J Thromboseprophylaxe 4 traumatische Bursitis: 5 offene Resektion 5 Ruhigstellung 4 chronische (auch rheumatische) Bursitis: 5 Punktion bei Ergussbildung 5 Kompressionsverband 5 ggf. Infiltration mit Kortison 5 ggf. chirurgische Resektion 4 Bursitis bei Gicht: 5 Antiphlogistika 5 Eis 5 Ruhigstellung 4 Bursektomie: Indikation bei chron. rezidivierende Ergussbildung bei Therapieresistenz

106

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Komplikationen 4 Rezidiv 4 chronische Fistelung nach Inzision einer eitrigen Bursitis

Kontraktur des Kniegelenks Synonyme 4 Bewegungseinschränkung

Definition 4 Störung der Bewegung durch ligamentäre, kapsuläre, muskuläre, ossäre Strukturen oder Kombinationen 5 Beugehemmung (Verkürzung ventrale Muskelgruppen, Verklebung oberer Rezessus nach OP, Trauma, Blutung) 5 häufiger als Streckhemmung (Kontraktur der dorsalen Muskelgruppen oder Kapselanteile)

Ätiologie 4 4 4 4 4 4

Unfallfolge lange Ruhigstellung akute/chronische Entzündungen Morbus Sudeck Arthrose knöcherne Ankylose (Versteifung des Gelenks mit vollständiger Bewegungseinschränkung)

Klinik 4 reduzierter Bewegungsumfang im Vergleich zur Norm (Neutral-0Methode) 4 Alltagsaktivität nicht mehr möglich (Fahrradfahren, Knie gestreckt ablegen)

Diagnostik 4 reduzierter Bewegungsumfang im Vergleich zur Norm (Neutral-0Methode) 4 Bewegungsausmaß mit Goniometer exakt dokumentieren 4 Patellamobilität oft eingeschränkt 4 funktionelle Beinverkürzung bei Beugekontraktur (kompensatorische Spitzfußstellung) 4 wichtige Prüfung: harter, weicher oder federnder Anschlag beim Bewegen 4 Schweregrade der Gelenksteifen: 5 Grad I: Bewegungsausmaß mind. 0–0–90° 5 Grad II: 0–60–90° 5 Grad III: 30–60° 5 Grad IV: 10 cm) 5 temporäre Epiphysiodese mit Klammern oder Eight-Plates unter Berücksichtigung des Restwachstums und der noch zu erwartenden Korrekturpotenz 5 halbjährliche Kontrollen (je nach Wachstumsgeschwindigkeit): J klinisch J ggf. radiologisch J Materialentnahme nach Korrektur planen

Pathologien des Kapsel-Band-Apparates Seitenbandruptur/-partialruptur Definition 4 partielle/komplette Kontinuitätsunterbrechung des medialen oder lateralen Seitenbandes

Ätiologie 4 in der Regel traumatisch bedingt 4 Verletzungsmechanismus: 5 Außenrotation – Abduktion: mediales Kollateralband, vorderes Kreuzband 5 Valgusstress: mediales Kollateralband, hinteres/vorderes Kreuzband 5 Varusstress: laterales Kollateralband, hinteres/vorderes Kreuzband

Klinik 4 4 4 4

Druckschmerz über dem jeweiligen Seitenbandkomplex Schwellung Hämatomverfärbung mediale oder laterale Instabilität je nach Mechanismus

Diagnostik 4 Anamnese 4 Untersuchung mit fassbarer Instabilität in der Stressuntersuchung in Kniestreckung und 30° Flexion

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 4 4 4

ggf. Sonographie und Darstellung der Kontinuitätsunterbrechung in Ausnahmefällen MRT intraartikuläre Begleitverletzungen ausschließen Orientierung am Grad der Aufklappbarkeit und dem Grad der translatorischen Verschiebbarkeit (nach Fetto-Marshall): 5 Grad I: 2–5 mm 5 Grad II: 6–10 mm 5 Grad III: >10 mm

Therapie 4 konservativ: 5 Frühfunktionelle Nachbehandlung in Bewegungsknieschiene: J Woche 1: 0–20–90, schmerzadaptierte Belastung J Woche 2: 0–0–90 Vollbelastung J Woche 3–6: Freie Beweglichkeit des Kniegelenks in der Schiene J danach Schiene ab und Auftrainieren der knieführenden Muskulatur 4 operativ: 5 frische knöcherne Ausrisse 5 bei drittgradiger Aufklappbarkeit, hohe sportliche Aktivität 5 Naht und/oder Schraubenrefixation

Kreuzbandruptur Definition 4 Kontinuitätsunterbrechung des vorderen oder hinteren Kreuzbandes

Ätiologie 4 vorderes Kreuzband: 5 meist traumatische Genese im Sinne eines Valgus-Flexions-Außenrotationstrauma bei sportlicher Betätigung 5 häufig vergesellschaftet mit Innenband und Innenmeniskusläsion als sog. »Unhappy Triad« 4 hinteres Kreuzband: 5 hintere Translation des Schienbeinkopfes (z.B. Sturz auf den Tibiakopf, Armaturenbrettanprall) 5 Hyperextension

Klinik 4 4 4 4

Schmerzen Schwellungen intraartikulärer Erguss (häufig direkt posttraumatisch) Giving-way-Phänomen (spontanes Wegknicken des Kniegelenks nach vorne unter Belastung)

Diagnostik 4 Anamnese 4 klinische Untersuchung mit Lachman-Test 4 vorderem und hinterem Schubladentest

111 1.1 · Orthopädie

4 Pivot-Shift-Test 4 konventionelles Röntgen zum Ausschluss von knöchernen Begleitverletzungen 4 MRT bei unklarer Klinik

Therapie 4 Frische Ruptur mit ausgeprägtem Hämarthros: 5 Punktion des Gelenks (Fettaugen auf dem Erguss sind in der Regel Hinweis auf knöcherne Begleitverletzung) 5 ggf. arthroskopische Spülung 5 bei höhergradiger Instabilität Bewegungsschiene 4 Studienlage ist nicht eindeutig hinsichtlich operativer oder konservativer Therapie 4 konservativ bei: 5 höherem Patientenalter 5 geringem Patientenanspruch 5 sehr gute muskuläre Führung/Stabilisierung: J frühfunktionelle Behandlung bei Vollbelastung in Kniebewegungsschiene J gezieltes Training der kniestabilisierenden Muskelgruppen 4 operativ bei: 5 hohem sportlichen Anspruch 5 hohem Maß an subjektivem Instabilitätsgefühl 5 beruflich exponierter Patient (Leistungssportler, Dachdecker etc.) 5 Begleitverletzungen, knöcherne Ausrisse, alte Rupturen, die konservativ nach 3 Monaten nicht stabilisierbar sind 4 Vordere Kreuzbandruptur: 5 Kreuzbandnaht nicht indiziert 5 arthroskopisch assistierte Ersatzplastik in der Regel durch autologen Ersatz mit Semitendinosus-/Gracilis-Plastik oder Bone-tendonbone-Transplantat aus Patella, Patellarsehne und Tuberositas tibiae 5 Nachbehandlung in Kniebewegungsschiene: J Woche 1: Schiene 0–0–90, TB bis halbes Körpergewicht, KG mit Brace J Woche 2–3: Schiene 0–0–90, TB halbes Körpergewicht, KG ohne Brace J Woche 4–6: Schien 0–0–90 zunehmende Vollbelastung, KG ohne Brace J Woche 7–9: Flexion über 90°, Vollbelastung, Schiene ab J Woche 10 aufwärts: freie Flexion, Vollbelastung

Patellapathologien Diagnostik des Femoropatellargelenks 4 Untersuchung der Patellamobilität: 5 Hypo-, Hypermobilität 5 Subluxationstendenz 5 Facettendruckschmerz 5 Krepitationen

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Zohlen-Zeichen: Test positiv bei Schmerzangabe 4 Apprehension-Zeichen: 5 Hinweis auf stattgehabte Patellaluxation. Patella wird nach lateral subluxiert 5 Test positiv bei Abwehrbewegung des Patienten 4 Q-Winkel: Winkel zwischen der Linie der Spina iliaca ant. sup. zur Patellamitte und von Patellamitte zur Tuberositas tibiae (Norm: m 1,3 cm Durchmesser, Risse 5 Grad IV: Erosion bis auf subchondralen Knochen 4 keine Korrelation zwischen Chondromalaziegrad und Klinik

Klinik 4 Schmerzen peripatellar nach länger Kniebeugung/langem Sitzen (Kino, Theater, Büroarbeit, Schule) 4 häufig beidseits

Diagnostik 4 4 4 4 4 4

Anamnese Untersuchung (s.o.) Patellaanpress- oder -verschiebeschmerz Krepitation Lateralisation der Patella Röntgen: 5 axiale Patellaaufnahme 5 Defilé-Aufnahmen (Patella axial in 30°, 60°, 90°)

113 1.1 · Orthopädie

Differenzialdiagnose 4 4 4 4

Patellaspitzen-Syndrom Meniskusläsionen Morbus Sinding-Larsen Bursitis

Therapie 4 konservativ: 5 individuelle Therapiemaßnahmen entsprechend der pathophysiologischen und »pathomechanischen« Differenzierung 5 Kräftigung der Kniestabilisatoren, insbesondere des M. vastus medialis (medialisierender Zug 5 Krankengymnastik und selbständiges Trainingsprogramm: J Dehnen der ischiokruralen Muskulatur 5 Iontophorese 5 Ultraschall 5 Elektrotherapie 5 Kühlen (Eis) oder Wärme 5 Verhaltensschule: J Schonung J Vermeiden von längerem Sitzen in Kniebeugung J Hockstellung J sportlicher Überlastung (Sprungdisziplinen, Ski) 5 medikamentös: J Antiphlogistika (systemisch oder lokal) J ggf. Chondroprotektiva (Hyaluronsäurepräparate) 4 operativ, nach Ausschöpfen aller konservativen Maßnahmen: 5 arthroskopische laterale Retinakulumspaltung (Längsspalten des Lig. patellae longitudinale laterale) in Kombination mit diagnostischer/therapeutischer Arthroskopie je nach Befund 5 bei schwerer isolierter Retropatellararthrose Retropatellarersatz diskutieren 5 keine Patellektomie

Patella partita Definition 4 angeborene geteilte Patella (Hemmungsfehlbildung): 5 über 90% Patella bipartita (oberer lateraler Quadrant) 5 bis zu 6 Segmente (tri-, multipartita)

Klinik 4 meist Zufallsbefund 4 keine Beschwerden

Diagnostik 4 konventionelles Röntgen, beide Kniegelenke röntgen: 5 Differenzialdiagnostik: Patellafraktur (Patella partita hat sklerosierten Rand, Fraktur nicht, Fraktur benötigt adäquates Trauma)

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Therapie 4 in der Regel keine Therapie erforderlich 4 bei Klinik: 5 Arthroskopie und Beurteilung des Knorpels der Patellrückfläche 5 ggf. Exstirpation des Ossikels

Patellaluxation Definition 4 Luxation der Patella aus dem femoralen Gleitlager, in der Regel nach lateral, traumatisch (direktes Anpralltrauma) oder spontan (Drehbewegung des Kniegelenks) bei laxen Bandverhältnissen (starker Zug des M. vastus lateralis, geschwächtes mediales Retinakulum/M. vastus medialis)

Klinik 4 nichtreponierte Patellaluxation: 5 schmerzhafte Fehlstellung tastbar 5 das Knie befindet sich in Beugestellung 5 Patella liegt in der Regel lateral 5 Bein kann nicht gestreckt werden 4 (spontan) reponierte Patellaluxation: 5 lokaler Druckschmerz am medialen Retinakulum 5 abnorme Verschiebbarkeit der Kniescheibe 5 Erguss (Hämarthros)

Diagnostik 4 Anamnese (s.o.) 4 klinische Untersuchung (s.o.) 4 Röntgen: 5 Knie in 2 Ebenen und Patella tangential: J Patellahochstand bei Patellarsehnenruptur J Patellatiefstand nach Quadrizepssehnenruptur J verkippte Patella nach lateral J Dysplasiezeichen J ggf. osteochondraler Flake J Gelenkerguss 4 Sonographie: 5 Darstellung der Ruptur 5 Hämarthros

Therapie 4 Reposition! 4 konservativ bei erstmaliger Luxation und fehlendem Hämarthros: 5 Ruhigstellung in Kniebewegungsschiene für 2 Wochen 5 danach funktionelle Therapie mit Stabilisierung der Patella 5 ggf. Arthroskopie anschließend zur Befunderhebung intraartikulär 4 operativ bei reponierter Patella und ausgeprägtem Hämarthros und osteochondralem Flake: 5 Ausspülen des Hämarthros 5 Aufsuchen freier Gelenkkörper

115 1.1 · Orthopädie

5 ggf. Refixation größerer osteochondraler Flakes 5 ggf. Naht des rupturierten Retinakulums 5 bei rezidivierenden Luxationen laterales Release und mediale Kapselraffung 5 je nach Q-Winkel und TT-TG-Distanz auch Tuberositasmedialisierung nach Elmslie 5 ggf. MPFL-Plastik (mediales patellofemorales Ligament)

Plica mediopatellaris Definition 4 Reste embryonaler Septierung im Kniegelenk: 5 Plica mediopatellaris 5 Plica infrapatellaris 5 Plica suprapatellaris

Klinik 4 klinisch nur dann relevant, wenn hypertroph und fibrosiert, häufig harmloser Nebenbefund bei Arthroskopie 4 medialer Druckschmerz 4 Reibephänomene medial 4 Schnappen bei Bewegungen 4 strangförmige Verdickung medial des medialen Femurkondylus 4 nicht selten fehlen eindeutige klinische Zeichen

Diagnostik 4 in der Regel klinische Diagnose und arthroskopisch gesichert 4 MRT (häufig falsch negative, falsch positive Befunde)

Therapie 4 Arthroskopie 4 Plikaresektion bei entsprechender Klinik

Poplitealzyste (Baker-Zyste) Definition 4 zystische Aussackung der dorsalen Kniegelenkskapsel mit stielartiger Verbindung zum Gelenk

Ätiologie 4 in der Regel Folge einer Kniebinnenerkrankung (chronische Polyarthritis, degenerativer Meniskusschaden, Chondromalazie) mit Kniegelenkerguss und langandauernd erhöhtem Knieinnendruck

Klinik 4 Schmerzen in der Kniekehle 4 Streck-Beuge-Hemmung durch »Tumor« in der Kniekehle

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Diagnostik 4 in erster Linie Sonographie von dorsal 5 Größenbestimmung 5 Verbindung zum Gelenk 5 Lage zu Gefäßen 4 konventionelles Röntgen zur Beurteilung des Kniegelenks (Arthrose etc.) 4 MRT in Ausnahmefällen

Differenzialdiagnose 4 Ganglion 4 Tumoren 4 Thrombose

Therapie 4 Sanierung des Kniegelenks 4 Zystenexstirpation bei zunehmenden Beschwerden und zunehmender Größe 4 Rezidiv möglich

Meniskuspathologien Definition 4 Kontinuitätsunterbrechung des Innen- oder Außenmeniskus

Ätiologie 4 traumatisch (häufig Rotationsmechanismen) 4 oder degenerativ bedingt 4 Prädilektionsstellen: 5 Innenmeniskushinterhorn 5 Pars intermedia des Außenmeniskus 4 Rissentstehung: 5 ca. 40% sekundär traumatische Meniskusrisse 5 ca. 50% degenerative Meniskusschäden 5 ca. 8% primär traumatische Meniskusrisse 5 Rest anlagebedingte Pathologien (Scheibenmeniskus)

Klinik 4 Schmerzen in Projektion auf den Gelenkspalt 4 evtl. Einklemmungserscheinung mit Blockadephänomen des Kniegelenks 4 Streckhemmung 4 intraartikulärer Erguss

Diagnostik 4 Anamnese 4 klinische Untersuchung (Steinmann I/II, Apley-Grinding, Böhler-Test, Payr-Zeichen etc.) 4 konventionelles Röntgen (Ausschluss von Begleitverletzungen) 4 MRT bei unklarem klinischen Befund

117 1.1 · Orthopädie

Therapie 4 operativ: 5 frische Läsionen sofort 5 Einklemmung sofort 5 Meniskusnaht nur bei basisnahen (rote Zone) Läsionen sinnvoll und möglich 5 basisferne (rot-weiße, weiße Zone) Läsionen werden in der Regel reseziert 5 degenerative Läsionen elektiv planen, in der Regel Partial-, Subtotalresektion 4 Nachbehandlung: 5 schmerzadaptierte Vollbelastung an Unterarmgehstützen für 2 Wochen (auch abhängig von Begleitverletzungen)

Scheibenmeniskus Definition 4 seltene, über die Embryonalzeit hinaus persistierende Scheibenform meist des Außenmeniskus (Hemmungsfehlbildung) 4 Neigung zu frühzeitiger Degeneration

Klinik 4 auffällig im Kindes- und Jugendalter ist ein charakteristisches, meist endgradig auftretendes Schnappen bei Bewegung des Kniegelenks und/ oder Meniskussymptomatik 4 gelegentlich erst im Erwachsenenalter symptomatisch

Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 MRT

Therapie 4 bei Beschwerden (z.B. nach Einriss) partielle (arthroskopische) Meniskektomie 4 Ziel: regelrechte Meniskusform

Meniskusganglion Definition 4 Weichteilzyste, ausgehend vom Innen- oder häufiger vom Außenmeniskus 4 in der Regel mit einer intraartikulären Meniskusläsion vergesellschaftet

Klinik 4 Schmerzen 4 palpable Vorwölbung über dem Gelenkspalt

Diagnostik 4 Untersuchung 4 Sonographie 4 MRT in Ausnahmefällen

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Therapie 4 diagnostische Arthroskopie und ggf. Sanierung des intraartikulären Befundes 4 ggf. transarthroskopische Resektion des Ganglions 4 offene Exstirpation

Aseptische Knochennekrosen Morbus Ahlbäck (Femurrollennekrose) Definition 4 kongenitale Osteonekrose des medialen Femurkondylus

Ätiologie 4 meist primär (idiopathisch) 4 seltener sekundär nach systemischer oder lokaler Kortison-Therapie 4 seltene Erkrankung bei älteren Patienten der 6. und 7. Lebensdekade

Klinik 4 vergleichbar der medialen Gonarthrose 4 erheblicher Ruhe- und Belastungsschmerz am medialen Kniegelenk mit plötzlichem Beginn 4 Gelenkerguss 4 reaktive Synovialitis 4 zunehmende Varusdeformierung

Diagnostik 4 konventionelles Röntgen: 5 im Frühstadium: beginnende Abflachung des medialen Femurkondylus 5 später: subchondraler Aufhellungsbezirk am medialen Femurkondylus mit sklerotischem Randsaum 4 Skelettszintigraphie nur in Ausnahmefällen und im Frühstadium

Therapie 4 im Frühstadium: 5 Entlastung 5 Antiphlogistika 5 ggf. durchblutungsfördernde Infusionen 4 ggf. Arthroskopie und retrograde Herdanbohrung 4 im Spätstadium, je nach Gelenkbefund: 5 isolierte mediale unikondyläre Schlittenprothese 5 bikondyläre Knieprothese (Begleitpathologien)

Morbus Osgood-Schlatter Definition 4 aseptische Knochennekrose der Tuberositas tibiae (vermehrter Zug am Lig. patellae bei sportlicher Überbelastung gilt als Prädisposition)

119 1.1 · Orthopädie

Klinik 4 besonders 10–14-jährige, sportlich aktive Jungen betroffen mit: 5 lokalem Belastungsschmerz im Bereich der Tuberositas tibiae 5 druckschmerzhafter Schwellung mit Schmerzverstärkung bei Streckung des Kniegelenks gegen Widerstand

Diagnostik 4 Anamnese 4 klinische Untersuchung 4 konventionelles Röntgen (laterale Ansicht)

Therapie 4 konservativ: 5 Sportkarenz 5 lokale und systemische Antiphlogistika 4 operativ bei Beschwerdepersistenz nach Wachstumsabschluss: 5 Exstirpation der Verknöcherungsstörung durch Längsspalten des Lig. patellae

Morbus Sinding-Larsen-Johansson Definition 4 aseptische Knochennekrose des distalen Patellapols

Klinik 4 druckschmerzhafte Schwellung am distalen Patellapol 4 Schmerzverstärkung bei Streckung des Kniegelenks gegen Widerstand

Diagnostik 4 Anamnese 4 klinische Untersuchung 4 konventionelles Röntgen

Therapie 4 konservativ: 5 Sportkarenz 5 lokale und systemische Antiphlogistika 4 operativ bei Beschwerdepersistenz nach Wachstumsabschluss: 5 Exstirpation der Verknöcherungsstörung

Osteochondrosis dissecans Definition 4 aseptische Knochennekrose im Bereich der Pars lateralis des medialen Femurkondylus 4 in der Regel bei 12–16-Jährigen mit stärkerer sportlicher Belastung 4 genetische Prädisposition wird diskutiert

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Klinik 4 im Stadium der Nekroseentstehung wenige, uncharakteristische, meist belastungsabhängige Knieschmerzen 4 im Zeitverlauf ggf. Schwellung und Ergussbildung 4 akute und ggf. rezidivierende Gelenkblockaden bei Abstoßen des Dissekats (Gelenkmaus)

Diagnostik 4 konventionelles Röntgen mit umschriebenen, subchondralem Verdichtungsbezirk mit sklerotischer konvexer Randzone, 4 Stadien: 5 Stadium l: Schlummerstadium (pathologischer Befund nur im CT) 5 Stadium II: deutliche Aufhellung 5 Stadium III: Demarkierung durch Sklerosewall 5 Stadium IV: freier Körper 4 MRT 5 Beurteilung der Knorpeloberfläche v.a. im Stadium I und II 5 Bewertung der Vitalität des Dissekats möglich

Therapie 4 konservativ im Stadium l und II, bei jüngeren Kindern mit kleinem Herd und geringen Beschwerden: 5 Entlastung (Unterarmgehstützen für 6 Wochen) 5 Sportkarenz 5 systemische und lokale Analgetika 5 Antiphlogistika, Röntgenkontrolle nach 3–6 Monaten 4 operativ je nach Klinik und MRT bei: 5 intakter Gelenkfläche: J Arthroskopie und retrograde Herdanbohrung zur Revaskularisierung der Osteonekrose 5 Knorpeldemarkierung im Stadium III: J Anfrischen des Mausbettes und J Refixierung des Dissekats 5 Dissekatabstoßung im Stadium IV: abhängig von der Größe des Defekts: J Knorpelzelltransplantation J autologe osteochondrale Transplantation

Gonarthrose Definition 4 Kniegelenkverschleiß 4 häufigste Arthrose (neben Spondylarthrose) zwischen dem 30.–50. Lebensjahr bereits bei 25% der Bevölkerung

Ätiologie 4 primäre Gonarthrose: 5 idiopathisch 4 sekundäre Gonarthrose (seltener): 5 Achsfehlstellung 5 posttraumatisch

121 1.1 · Orthopädie

5 bei rheumatologischen Erkrankungen 5 Stoffwechselstörung

Klinik 4 Anamnese: 5 uncharakteristische Gelenkschmerzen 5 Steifigkeitsgefühl 5 Schwellneigung 5 Anlauf-, Belastungsschmerz 5 später Dauer- und Nachtschmerz 5 Verminderung der Gehstrecke 4 Arthrosezeichen häufig medial und retropatellar, seltener lateral betont 4 zeitlicher Verlauf wellenförmig progredient

Diagnostik 4 Untersuchung: 5 Achsenfehlstellung (Varus- oder Valgusgonarthrose) 5 Atrophie der Oberschenkelmuskulatur 5 intraartikulärer Erguss 5 Schwellung 5 Überwärmung 5 Druckschmerz über Gelenkspalt 5 ligamentäre Instabilität 5 Patellakrepitation 5 Reduktion des Bewegungsumfanges 5 Beweglichkeit: in fortgeschrittenen Fällen Bewegungseinschränkung 4 Röntgen: 5 konventionelles Röntgen des Kniegelenks in 2 Ebenen und Patella tangential: J typische Arthrosezeichen (subchondrale Sklerosierung, Gelenkspaltverschmälerung, Osteophyten, Geröllzysten) 5 Ganzbeinstandaufnahme J Achsenfehlstellung

Therapie 4 konservativ: 5 Entlastung, Bewegung unter Reduktion des Körpergewichtes (Schwimmen, Fahrradfahren) 5 lokale und systemische Antiphlogistika und Analgetika 5 ggf. intraartikuläre Hyaluronsäure und Steroidinjektion 5 physikalische Therapie mit Krankengymnastik, Wärmetherapie, Kryotherapie, Elektrotherapie 5 orthopädietechnische Optionen: Handstock auf Gegenseite, Pufferabsätze, Schuhaußen-/-innenranderhöhung, selten Orthesen bei Bandinstabilität 4 operativ: 5 Arthroskopie:

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

J Gelenklavage (Ausspülen von Zelldetritus), Knorpelstabilisierung, Meniskussanierung bei initialer Gonarthrose 5 gelenknahe Umstellungsosteotomie: J bei Achsfehlstellungen und deformiertem proximalem tibialem oder distalem femoralen Gelenkwinkel, kontralaterales Kompartiment nur geringfügig geschädigt, keine Bandinstabilität, aktiver und kooperativer jüngerer Patient, keine Adipositas, kein Streckdefizit 5 künstlicher Kniegelenkersatz: J bei therapieresistenten Schmerzen, Reduktion der Gehstrecke auf wenige hundert Meter, Nachtschmerz, Ruheschmerz, regelmäßige Schmerzmedikation, zunehmende Instabilität J je nach ligamentärer Stabilität Wahl des Implantates: unilaterale Prothese bei isolierter medialer/lateraler Arthrose, bikompartimenteller Ersatz bei kombinierter medialer oder lateraler Arthrose mit Retropatellararthrose, trikompartimenteller Ersatz bei Pangonarthrose J Trikompartimentersatz bei guter Bandführung nicht gekoppelte, bei mäßiger Bandführung teilgekoppelte und bei schlechter Bandführung achsgeführte Prothesen 5 Arthrodese: J Ausnahmeindikation: schwerste Arthrosen bei operativ sonst nicht zu behebender Instabilität (z.B. schlaffe Lähmung, posttraumatisch, chron. destruktiven Arthritiden), nur wenn ipsilaterale Hüfte gut beweglich

Achillessehnenruptur Definition 4 spontane/traumatische Kontinuitätsunterbrechung der Achillessehne meist auf dem Boden einer chronischen Sehnendegeneration, in der Regel in der 3.-4. Lebensdekade

Klinik 4 typische Anamnese: 5 peitschenschlagartiger Knall und Schmerzen in der distalen Wade z.B. bei schnellem Antritt beim Sport (Squash, Tennis etc.) 5 Schmerzen im Bereich der Achillessehne 5 fehlende/stark eingeschränkte aktive Plantarflexion des Fußes 5 Zehenstand nicht mehr möglich

Diagnostik 4 Anamnese 4 klinische Untersuchung: 5 Delle tastbar 5 Thompson-Test negativ: bei Kompression der Wade bei Achillessehnenriss keine Plantarflexion 4 Sonographie: 5 Ruptur/Teilruptur darstellbar 5 Distanz der Sehnenenden messbar

123 1.1 · Orthopädie

4 konventionelles Röntgen nur Fersenbein seitlich: 5 Ausschluss einer knöchernen Ausrissverletzung 4 kein MRT nötig

Therapie 4 konservativ: 5 funktionelle Therapie nur wenn die Distanz der Sehnenstümpfe in Neutralstellung weniger als 1 cm beträgt und bei 20°-Plantarflexion eine Annäherung der Sehnenenden erreicht werden kann 5 4 Wochen Vacoped® in 30°-Spitzfußstellung unter Entlastung 5 2 Wochen Vacoped® in 15°-Spitzfußstellung unter schmerzadaptierter Vollbelastung 5 2 Wochen Vacoped® in Neutralstellung unter schmerzadaptierter Vollbelastung 5 Abschlusssonographie 4 operativ wenn hoher sportlicher Anspruch des Patienten: 5 Sehnennaht: J offen oder perkutan möglich J Nachbehandlung auch im Vacoped® wie konservative Therapie, schmerzadaptierte Vollbelastung ab der 1.–2. Woche erlaubt und frühfunktionelle Physiotherapie ab der 3. Woche 5 bei knöchernem Ausriss Refixierung mit Schraube/Ankern 5 Rerupturen müssen operiert werden: J Umkipp-Plastik: aus der Sehne proximal der Ruptur wird die dorsale Hälfte als Lappen entnommen und um 180° nach distal umgekippt und in Spitzfußstellung am distalen Anteil der Sehne vernäht J Griffelschachtel-Plastik: aus dem proximalen Sehnenanteil wird das mittlere Drittel im Sehnenspiegel scharf gelöst und nach distal gezogen und mit dem distalen Sehnenstumpf vernäht, der Sehnenspiegel wird ebenfalls vernäht

1.1.8

Sprunggelenk und Fuß S. Schröder

Rotationsfehler Unterschenkel Definition 4 Verdrehung der Unterschenkel infolge der intrauterinen Lage oder durch einseitige Lagerung des Säuglings oder bestimmter Schlafpositionen (Bauchschläfer) sowie infolge eines fehlverheilten Traumas

Klinik 4 4 4 4

Gangunsicherheit bei Laufbeginn Stolpern über die eigenen Füße beim Erwachsenen ggf. Schmerzen durch Fehlbelastung Untersuchung der Unterschenkel unter Ausschluss der Rotationsmöglichkeit der Hüften

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Therapie 4 Physiotherapie 4 Unterschenkelschaumstoffringe zum Schlafen 4 Derotationsosteotomie

Peroneussehnenluxation Definition 4 Subluxation oder Luxation der Peronealsehnen am Außenknöchel nach ventral, Sehnen werden nicht mehr vom Retinaculum superius gehalten

Ätiologie 4 habituell 4 posttraumatisch 4 nach operativen Eingriffen beispielsweise nach peritalarem Release beim kongenitalen Klumpfuß

Klinik 4 Schmerzen 4 Gangunsicherheit

Therapie 4 operative Korrektur durch: 5 Rekonstruktion des Retinaculum superius 5 knöcherne Führung der Sehne durch Verschiebespan

Osteochondrosis dissecans Talus Definition 4 aseptische Knochennekrose am Talus, die mit Abstoßung eines Gelenkflächenfragmentes (Gelenkmaus, Dissekat) oder unter Hinterlassung eines Gelenkflächendefektes (Mausbett) enden kann 4 mediale Schulter ist häufiger betroffen als die laterale

Ätiologie 4 Folge eines Distorsionstrauma des OSG 4 gestörtes Gleichgewicht zwischen Belastung und Belastbarkeit der Wachstumsregion

Klinik 4 Zufallsbefund bis ausgeprägte Beschwerden mit Schmerzen 4 Schwellung

Therapie 4 zunächst Entlastung 4 Sportkarenz 4 bei Beschwerdepersistenz: 5 Arthroskopie 5 ggf. Anbohrung 5 operative Ausräumung und Spongiosaplastik

125 1.1 · Orthopädie

Arthrose des Talokruralgelenks Definition 4 Verschleiß des oberen Sprunggelenks, fast immer nach vorausgehender Erkrankung

Ätiologie 4 in Fehlstellung verheilte Sprunggelenkfrakturen (häufigste Ursache) 4 nach OCD tali 4 infolge einer angeborenen Fußfehlstellung (z.B. Flat-top-Talus beim Klumpfuß)

Klinik 4 4 4 4 4

schmerzhafte Bewegungseinschränkung Abrollen des Rückfußes eingeschränkt eingeschränkte Beweglichkeit OSG Schwellung Überwärmung des OSG nach Belastung

Therapie 4 konservativ: 5 orthopädietechnisch: J Abrollhilfen mit Sohlenrolle J Arthrodesenstiefel 4 operativ: 5 bei beginnender Arthrose: J Arthroskopie OSG mit Gelenktoilette (entfernen der ventralen Osteophyten) 5 bei fortgeschrittener Arthrose: J Arthrodese OSG J OSG-Endoprothese

Achillodynie Definition 4 Schmerzen im distalen Anteil der Achillessehne

Ätiologie 4 Stoffwechselstörungen (Gicht, Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie) mit Kristallablagerungen 4 meist jedoch degenerative Veränderungen aufgrund chronischer Überbelastung

Klinik 4 verdickte Achillessehne 4 Schmerzen aufgrund der Paratendinitis bis zur Gehunfähigkeit

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Therapie 4 akutes Stadium: 5 Ruhigstellung durch Gips- oder Tape-Verband 5 analgetische und antiphlogistische medikamentöse Therapie (NSAR) 4 chronisches Stadium: 5 Absatztherapie 5 Elektrotherapie 5 Salbenverbände 5 selten OP 4 Kontraindikation: Kortisoninjektion in die Sehne

Hängefuß Definition 4 lähmungsbedingte Unfähigkeit, den Fuß aktiv zu heben

Ätiologie 4 Lähmung der Extensoren des Fußes aufgrund: 5 einer schlaffen Lähmung, z.B. durch Infektion (Poliomyelitis, Diphtherie) 5 Schädigung der Nervenwurzel L5 durch einen Bandscheibenvorfall 5 einer Druckschädigung des N. peroneus am Fibulaköpfchen

Therapie 4 wenn möglich Behebung der Ursache (z.B. Nukleotomie) 4 Spitzfußprophylaxe (z.B. mit Peroneusfeder, Innenschuh) 4 operative Korrektur mittels korrigierender Arthrodese

Spreizfuß Definition 4 Verlust des Quergewölbes bei Absinken der Metatarsaleköpfchen

Ätiologie 4 statische Deformität, die in der Regel mit dem Alter auftritt und sich aus Zusammenspiel mehrerer Faktoren ergibt: 5 endogene Faktoren (familiäre Veranlagung) 5 Übergewicht 5 unzweckmäßiges Schuhwerk oder entzündlich rheumatische Faktoren

Klinik 4 häufigste schmerzhafte Fußdeformität 4 Verbreiterung des Vorfußes mit Mehrbelastung der Metatarsaleköpfchen II–IV 4 schmerzhafte Schwielenbildung unter den Metatarsaleköpfchen 4 Druckschmerz der Metatarsaleköpfchen 4 Kompressionsschmerz des gesamten Mittelfußes 4 im Verlauf häufig Entstehen von Zehendeformitäten

127 1.1 · Orthopädie

Therapie 4 akute Reizzustände: 5 Ruhigstellung 5 Gabe analgetischer und antiphlogistischer Medikamente 4 langfristige Therapie: 5 Fußgymnastik zur Stärkung der Fußmuskulatur 5 Fußbettung mit retrokapitaler Abstützung der Metatarsaleköpfchen 5 selten operative Maßnahmen

Hallux valgus Definition 4 laterale Abweichung der Großzehe (Subluxation) im Grundgelenk bei varischer Stellung des Metatarsale I (Abduktionskontraktur) als Folge eines Spreizfußes

Ätiologie 4 endogene Disposition (familiäre Häufung) 4 enges und modisches Schuhwerk mit hohen Absätzen

Klinik 4 Valgusposition der Großzehe mit Varusposition des Metatarsale I führen zur 5 Verbreiterung des Vorfußes mit sichtbaren und palpablen knöchernen und später arthrotischen Veränderungen des Metatarsaleköpfchen und der Grundgelenkbasis, Folgen: J Schleimbeutelreizungen J Hornhautschwielen 4 Beschwerden und Bewegungseinschränkungen des Großzehengrundgelenks aufgrund von Arthrose 4 Valgusabweichung der Großzehe: 5 Überlappung der zweiten Zehe 5 Zehenfehlstellungen

Therapie 4 Behandlung des ursächlichen Spreizfußes 4 Hallux-valgus-Nachtlagerungsschiene zur Prophylaxe einer weiteren Verschlechterung und postoperativ 4 operative Maßnahmen: 5 Wahl des operativen Verfahrens abhängig: J vom Ausmaß der Fehlstellung J der ggf. bereits bestehenden Arthrose des Großzehengrundgelenks J der führenden Klinik J Alter des Patienten 5 Techniken: J distale Weichteileingriffe J Exostosenabtragung

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

J Umstellungsosteotomien des distalen oder des proximalen Metatarsale J Korrekturarthrodesen des proximalen Metatarsale J bei älteren Patienten ggf. Arthrodese des Großzehengrundgelenks oder Resektions-Interpositions-Arthroplastiken

Eigene Notizen

Hallux rigidus Definition 4 Arthrose des Großzehengrundgelenks mit Kontraktur im Großzehengrundgelenk bei oft fehlender Fehlstellung

Ätiologie 4 4 4 4

meist unbekannt endogene Disposition rezidivierende Traumen Teilerscheinung des Spreizfußes

Klinik 4 4 4 4 4

verdicktes Großzehengrundgelenk verminderte Dorsalextension Zehenspitzengang eingeschränkt Abrollen des Fußes schmerzhaft eingeschränkt bei akuten Reizungen: 5 Überwärmung 5 Schwellung 4 Röntgen: 5 arthrotische Veränderungen mit Gelenkspaltverschmälerung 5 osteophytischen Anbauten 5 subchondrale Sklerosierung

Therapie 4 starre Einlage und vordere Schuhabrollung, um das Großzehengrundgelenk zu entlasten 4 im akuten Reizzustand: 5 analgetische und antiphlogistische medikamentöse Therapie 4 operativ: 5 Resektions-Interpositions-Arthroplastik 5 Arthrodese des Großzehengrundgelenks

Differenzialdiagnose 4 entzündliche Veränderungen wie Arthritis urica (Gicht)

Hammer- und Krallenzehen Definition 4 Hammerzehe: fixierte Beugung im Zehenendgelenk bei gestrecktem Grundgelenk 4 Krallenzehe: Überstreckung im Grundgelenk bei gebeugtem Mittelund Endgelenk

129 1.1 · Orthopädie

Ätiologie 4 meist Folge des Hallux valgus und des Spreizfußes 4 Ballenhohlfuß 4 Verstärkung durch enges Schuhwerk

Klinik 4 schmerzhafte Hornhautschwielenbildung (Klavi) über den prominenten Knochenvorsprüngen 4 Schmerzen aufgrund der degenerativ veränderten Gelenke 4 Subluxationen und Luxationen der Gelenke

Therapie 4 konservativ: 5 weites Schuhwerk zu Vermeidung von Druckstellen 4 operativ: 5 Resektions-Interpositions-Plastiken nach Hohmann (Resektion des prominenten Köpfchens des Grundgliedes mit gleichzeitiger Raffung der Strecksehne)

Digitus quintus varus superductus Definition 4 Auflage der 5. Zehe auf der 4. Zehe durch varische Subluxation im Grundgelenk

Ätiologie 4 selten angeboren 4 meist als Folgeerscheinung beim Spreizfuß

Therapie 4 Kinder: 5 Versuch der Wachstumslenkung durch Pflasterzügelverband 5 ansonsten retrokapitale Korrekturosteotomie des Metatarsale V 4 Erwachsene: 5 analoge OP-Verfahren wie beim Hallux valgus 5 retrokapitale Korrekturosteotomie des Metatarsale V 5 ggf. beim älteren Menschen Resektions-Interpositions-Arthroplastik

Klavus Definition 4 Hornhautschwiele über den knöchernen Prominenzen des Fußes

Ätiologie 4 Entstehung durch chronischen Druck 4 ggf. kann sich die Hornhautschwiele nach innen fortsetzen, so dass ein harter, druckdolenter Dorn entsteht

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Klinik 4 Hornhautschwielen entstehen bevorzugt 5 unter den Metatarsaleköpfchen 5 am Großzehenballen 5 bei Krallen- und Hammerzehen dorsalseitig über Mittel- und Endgelenke 5 der nach innen gerichtete Dorn verursacht Schmerzen

Therapie 4 Therapie der Ursache (Hallux valgus, Spreizfuß etc.) 4 ggf. Abpolsterung mittels Filzringen 4 bei schmerzhaftem Dorn: lokale Exzision

Dornwarze Definition 4 durch DNS-Viren hervorgerufene, in die Tiefe wachsende Hautveränderungen 4 entstehen meist im Bereich von druckbelasteten Areale des Vorfußes

Ätiologie 4 DNS-Viren

Klinik 4 lokale Beschwerden, die bei stärkerer Ausprägung sportliche Aktivitäten und längere Gehstecken einschränken können 4 verursachen ausgestanzte Defekte der Haut

Therapie 4 4 4 4

hohe Selbstheilungsrate Vereisung Elektrokoagulation nach Vorbehandlung mit Salizylatlösungen 40–60%ig mechanische Säuberung (Skapell, scharfer Löffel) 4 hohe Rezidivrate

Unguis incarnatus Definition 4 eingewachsener Zehennagel

Ätiologie 4 falsche Nagelpflege 4 zu enges Schuhwerk

Klinik 4 lokale Beschwerden 4 Prädisposition für Nagelfalzinfektionen

131 1.1 · Orthopädie

Therapie 4 Prävention: 5 gerades Abschneiden der Zehennägel zur Verhinderung des Einwachsens des Nagels 4 akute Paronychien: 5 Fußbäder 5 ggf. Entfernung des Nagels 4 chronische Paronchychien: 4 Keilexzision des gesamten Nagelfalzes mitsamt der Wurzel

Dorsale Fußhöcker Definition 4 knöcherne Prominenz am Fußrücken

Ätiologie 4 Prominenz aufgrund von Osteophytenbildung bei Arthrose des Gelenks zwischen Metatarsale I und Os cuneiforme mediale

Klinik 4 lokale Druckbeschwerden im Schuh

Therapie 4 Schuhe mit weichem Obermaterial 4 keilförmige Resektion des vorderen Gelenkanteiles mit dem Exophyten

Rheumatischer Fuß Definition 4 Sammelbegriff für Fußveränderungen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen

Ätiologie und Pathogenese 4 alle rheumatischen Erkrankungen können sich im Bereich des Fußes manifestieren 4 Folgen: 5 Tenosynovitiden mit Sehnenrupturen 5 schmerzhafte Bursitiden 5 entzündliche Lockerungen der Kapsel-Band-Strukturen 5 chronische Arthritiden mit sekundären Veränderungen (degenerativen Veränderungen) bis zur Ankylose

Klinik 4 4 4 4 4

extreme Valgusstellung der Großzehe Varusstellung der Kleinzehe Subduktion der Großzehe unter die Zehen II–IV Krallenzehe II–IV Bursitiden plantarseitig der prominenten Metatarsaleköpfchen

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Spreizfuß 4 Gelenkschädigungen im Rück- und Mittelfußbereich mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung

Diagnostik 4 Röntgen: 5 Zehenfehlstellungen 5 arthrotische Veränderungen 5 ausgeprägte Knochendystrophie 5 verminderte Knochendichte 5 kleinzystische Veränderungen des Fußskelettes

Therapie 4 konservativ: 5 Entlastung der entzündlichen Druckpunkte des Fußskelettes durch Abrollhilfen im Schuh und durch eine Fußbettung 5 Nachtlagerungsschienen zur Vermeidung von Fehlstellungen 4 operativ: 5 Tenosynovialektomien 5 Bursektomien 5 Arthrodesen 5 Resektions-Interpositions-Arthroplastiken 5 Zehengelenkendoprothesen

Diabetischer Fuß Definition 4 Sammelbegriff für Fußveränderungen beim Diabetes mellitus (Charcot-Fuß)

Ätiologie und Pathogenese 4 Veränderungen werden verursacht durch: 5 Polyneuropathie 5 Mikroangiopathie 5 bei unphysiologischer Belastung durch die verminderte Wahrnehmung kommt es bei kritischer Durchblutungssituation zu Perforationen der Haut J werden oft vom Patienten nicht bemerkt J führen zu bakteriellen Infektionen

Klinik 4 4 4 4

Burning-Feet-Syndrom aufgrund der Polyneuropathie diabetisches Gangrän (Nekrosen) aufgrund der Mikroangiopathie erhaltene Fußpulse Malum perforans: durch sekundäre bakteriologische Besiedlung kommt es zu chronischen Osteomyelitiden

133 1.1 · Orthopädie

Diagnostik 4 Röntgen: 5 neurogene Osteoarthropathie mit Fehlstellung der Gelenke 5 Sklerosezonen 5 vermehrte Strahlentransparenz 5 reaktionslose Osteolysen

Therapie 4 optimale Blutzuckereinstellung 4 Vermeidung kleinerer Verletzungen 4 bei eingetretenen Veränderungen: 5 Erhaltung der Gehfähigkeit und Entlastung der erkrankten Fußregion mittels Gipsverband 5 entlastendem Apparat 5 Fußbettung oder orthopädischer Schuh oder Therapieschuh 4 bei mikroangiopathischer Gangrän und/oder Osteomyelitis: 5 OP 5 Grenzzonenamputation am Übergang zum gesunden Gewebe

Osteochondrosen des Fußes Morbus Köhler I Definition 4 aseptische Nekrose des Os naviculare

Ätiologie 4 kommt in der Regel bei Kindern oder Jugendlichen vor 4 Durchblutungsstörung unklarer Genese 4 Durchlaufen werden Initial-, Kondensations-, Fragmentations- und Aufbaustadium 4 in 30% doppelseitiger Befall

Klinik 4 Schmerzen und Schwellung des Fußinnenrandes

Therapie 4 symptomatisch: Einlagenversorgung mit Unterstützung des Längsgewölbes 4 ggf. Sportkarenz 4 Erkrankung heilt in der Regel folgenlos aus

Morbus Köhler II Definition 4 aseptische Nekrose des Mittelfußköpfchens II, III oder IV

Ätiologie 4 Durchblutungsstörung unklarer Genese 4 Durchlaufen werden Initial-, Kondensations-, Fragmentations- und Aufbaustadium

1

Eigene Notizen

134

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 in der Regel sind Kinder und Jugendliche betroffen 4 Mädchen häufiger als Jungen

Klinik 4 geringe Schmerzen im Bereich der Mittelfußköpfchen

Therapie 4 symptomatisch: Einlagenversorgung mit retrokapitaler Abstützung 4 Erkrankung heilt in der Regel folgenlos aus

Apophysitis calcanei Definition 4 Osteonekrose der Kalkaneusapophyse (im Wachstumsalter)

Klinik 4 Schmerzhaftigkeit 4 ggf. lokale Schwellung der Kalkaneusapophyse

Therapie 4 symptomatisch: 5 Schonung 5 Weichpolsterung der Ferse 5 ggf. Gipsverband

Akzessorische Fußwurzelknochen Definition 4 akzessorische Knochen im Bereich der Fußwurzel: 5 Os tibiale externum (medial/plantarwärts des Os naviculare) 5 Os intermetatarseum 5 Os trigonum 5 Os vesalianum 5 Os peroneum

Klinik 4 lokale Druckbeschwerden (typisch: Os tibiale externum im Skischuh)

Therapie 4 Entlastung im Schuh 4 ggf. operative Entfernung

Hagelund-Exostose Definition 4 proximal dorsal gelegener Fersenhöcker

Klinik 4 lokaler Druckschmerz auf Höhe des Schuhrandes 4 kann ggf. zu Achillodynien führen

135 1.1 · Orthopädie

Therapie 4 Entlastung durch entsprechendes Schuhwerk 4 operative Abtragung

Plantarfasziitis und Fersensporn Definition 4 Plantarfasziitis: Entzündung der Plantarfaszie 4 Fersensporn: knöcherne Ausziehung an der Medialseite des Kalkaneus am Ansatz der Plantarfaszie (bei 10% der Bevölkerung nachweisbar)

Klinik 4 lokale Schmerzhaftigkeit am Ansatz der Plantarfaszie am Kalkaneus

Therapie 4 Einlagenversorgung mit Unterstützung des Längsgewölbes mit Aussparung bzw. Weichbettung entlang der Plantarfaszie 4 analgetisch-antiphlogistische Therapie mittels NSAR 4 Infiltration von Lokalanästhetika 4 Stoßwellentherapie 4 operative Therapie (selten): 5 Denervierung im Ansatzbereich der Plantarfaszie

Coalitio im Bereich der Fußknochen Definition 4 angeborene knöcherne oder knorpelige Verbindung zwischen einzelnen Fußknochen, meist zwischen: 5 Kalkaneus und Navikulare 5 Kalkaneus und Talus 5 Talus und Navikulare

Klinik 4 knöcherne Verbindungen können die Ursache eines nicht korrigierbaren Knick-Platt-Fußes sein 4 evtl. Schmerzen

Therapie 4 Operation bei ausgeprägter Fußfehlstellung und bei Beschwerden: 5 frühe Diagnose und mäßig ausgeprägtem Befund: J operative Lösung der Verbindung und Einbringen von Fettgewebe als Interposition 5 späte Diagnose und/oder ausgeprägtem Befund: J Korrekturarthrodese

Morton-Interdigitalneuralgie Definition 4 Neurombildung zwischen den Metatarsalköpfchen beim Spreizfuß verursacht durch eine chronisch mechanische Reizung

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Eigene Notizen

136

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Klinik 4 stechende, plötzlich auftretende Beschwerden zwischen den Metatarsaleköpfchen (meist zwischen II und III) 4 ausgeprägte lokale Druckdolenz 4 Schmerzprovokation durch Kompression der Metatarsaleköpfchen

Diagnostik 4 MRT

Differenzialdiagnose 4 Metatarsalgien beim Spreizfuß

Therapie 4 Allgemeinbehandlung des Spreizfußes 4 Instillation von Lokalanästhetika 4 operative Exzision des Neuroms

Tarsaltunnelsyndrom Definition 4 Kompression des N. tibialis am Eintritt in den Tarsaltunnel am Innenknöchel

Ätiologie 4 4 4 4

Entzündungen Traumata venöse Stauungen funktionelle Ursachen

Klinik 4 nächtliche Dysästhesien im Bereich der Fußsohle und Zehen 4 Auslösung der Dysästhesien durch Perkussion des Nervs im Tarsaltunnel 4 Druckschmerzhaftigkeit am Innenknöchel

Diagnostik 4 EMG: Quantifizierung

Therapie 4 Abstützung des Fußlängsgewölbes 4 operative Dekompression

Tibialis-posterior-Sehnen-Insuffizienz Definition 4 aufgrund einer Insuffizienz des M. tibialis posterior kommt es zum progredienten Knick-Senk-Fuß

137 1.1 · Orthopädie

Klinik 4 Schmerzen medialer Malleolus und ins mediale Fußgewölbe ausstrahlend 4 Schwellung entlang des Verlaufes des M. tibialis posterior 4 Verringerung des Längsgewölbes und Entwicklung eines Plattfußes 4 »toe many toes sign«: von hinten sind lateral des Fußes mehrere Zehen zu sehen 4 Zehenspitzengang auf einem Bein nicht möglich 4 Stadieneinteilung: nach Johnson und Strom

Risikofaktoren 4 4 4 4 4

weibliches Geschlecht (w:m = 3:1) >40 Jahre weiße Hautfarbe Übergewicht Bluthochdruck

Therapie 4 konservativ: 5 NSAR 5 Gewölbestützende Einlagen 5 Innenschuhorthese zur Stabilisierung des Rückfußes 4 operativ: 5 Stadium 1 (Tenosynovitis ohne Deformität): J Tenosynovektomie 5 Stadium 2 (verlängerte degenerierte Tibialis-posterior-Sehne mit flexiblem Knick-Senk-Fuß, Zehenspitzengang eingeschränkt möglich): J Transfer des Flexor digitorum longus J ggf. in Kombination mit knöchernen Eingriffen (Verlängerung laterale Säule: Kalkaneus, Verlagerung Tuber calcanei, Arthrodese USG) 5 Stadium 3 (verlängerte degenerierte Tibialis-posterior-Sehne mit fixiertem Knick-Senk-Fuß, Zehenspitzengang nicht möglich, keine Arthrose): J Arthrodese USG 5 Stadium 4: (verlängert degenerierte Tibialis-posterior-Sehne mit fixiertem Knick-Senk-Fuß, Zehenspitzengang nicht möglich, Arthrose): J Tripel-Arthrodese

1

Eigene Notizen

138

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

1.1.9

Kinderorthopädie S. Schröder, H. Delbrück

Hüftgelenkdysplasie und Hüftgelenkluxation Definition 4 Hüftgelenkdysplasie: angeborene Fehlanlage oder erworbene Fehlentwicklung des Hüftgelenks, vorrangig der Hüftpfanne (Pfannendysplasie) mit begleitender Fehlanlage bzw. Fehlentwicklung des koxalen Femurendes im Sinne einer Steilstellung und/oder Vorwärtsdrehung des Schenkelhalses (Coxa valga/antetorta) → morphologische Diagnose 4 Hüftgelenkluxation: partielle (Subluxation) oder komplette (Luxation) Dislokation des Hüftkopfes aus der Pfanne → klinische Diagnose

Epidemiologie 5 w:m = 4:1

Risikofaktoren 4 4 4 4 4 4

Beckenend-/Steißlage Oligohydramnion Fußanomalitäten familiäre Disposition hohes Geburtsgewicht intrauterine räumliche Enge

Diagnostik 4 klinische Untersuchung: 5 Abspreizdefizit 5 Oberschenkelverkürzung 5 Ortolani-/Barlow-Zeichen positiv 5 Luloff-Zeichen positiv 5 Faltenasymmetrie → unspezifisch, findet sich bei 30% aller Neugeborenen 4 Sonographie: 5 Standardmethode 5 knöchernes und knorpeliges Pfannendach werden beurteilt → Erkermethode 5 Teil der U3 in Deutschland 5 Baby in Seitenlage 5 Beurteilung qualitativ und quantitativ 5 α-Winkel (definiert zwischen der Geraden durch die Y-Fuge tangential zum Pfannenerker und dem lateralen Rand des Os ilium) → Quantifikation knöcherne Formgebung 5 β-Winkel (definiert durch die Gerade der Verbindungslinie Labrum acetabulare/Pfannenerker und lateralem Rand des Os iliums) → Quantifikation knorpelige Überdachung

139 1.1 · Orthopädie

4 Röntgen: 5 ab dem 1. Lebensjahr 5 Bestimmung von: J AC- und CE-Winkel J Reimers-Index J Shenton-Ménard-Linie

1

Eigene Notizen

Einteilung der Hüfgelenktypen (nach Graf) Alpha

Beta

Typ

Knöcherner Erker

Knorpeliger Erker

Therapieempfehlung

>60

60

>55

Ib

stumpf

(kurz) übergreifend

entfällt

50-59

>55

IIa (bis einschließlich 3 LM)

rund

übergreifend

Kontrolle in der Regel ausreichend

50-59

>55

IIb (nach 3. LM)

rund

übergreifend

Abspreizbehandlung

43-49

77

D

rund bis flach

verdrängt

sichere Fixation

77

IIIa/IIIb

flach

verdrängt ohne/mit Strukturstörung

Reposition/ Fixation

50% der Höhe des lateralen Pfeilers erhalten

Stadium C

>50% der Höhe des lateralen Pfeilers erhalten

Risikofaktoren 4 radiologische Risikofaktoren 5 Verkalkungen lateral des Hüftkopfes 5 Subluxation des Hüftkopfes (Lateralisierung des Hüftkopfes) 5 metaphysäre Mitbeteiligung 5 »Gage-Zeichen« (dreieckförmige Osteopenie im lateralen Kopfanteil) 5 Horizontalisierung der Epiphysenfuge 5 Hinge-Abduktion-Phänomen 4 klinische Risikofaktoren 5 korpulentes Kind 5 eingeschränkte Hüftbeweglichkeit 5 Adduktionskontraktur Hüfte 5 Alter >8 Jahre

Therapie 4 Abhängig von: 5 Alter 5 Containment

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Eigene Notizen

142

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

5 klinischen und radiologischen Risikofaktoren 5 der Beweglichkeit der Hüfte und 5 dem Stadium nach Catterall und Herring 4 konservativ: 5 Vermeidung der Stoßbelastung (kein Laufen, kein Springen) 5 Vermeidung von längeren Gehstrecken 5 bei akuten Beschwerden ggf. zeitlich begrenzte Entlastung sowie Gabe von Ibuprofen 5 Krankengymnastik zur Verbesserung der Beweglichkeit 5 ggf. Traktionsbehandlung 4 operativ zur Verbesserung des Containments: 5 Beckenosteotomien nach Salter 5 Tripel-Beckenosteotomie nach Tönnis 5 derotierende varisierende Umstellungsosteotomie proximales Femur 5 Adduktorentenotomie 5 Valgisationsextensionsosteotomien proximales Femur bei »hinge abduction« 5 Kombination verschiedener OP-Verfahren

Differenzialdiagnose 4 4 4 4

Koxitis (unspezifisch, rheumatisch, spezifisch) Koxitis fugax epiphysäre Dysplasie (Morbus Ribbing) hormonelle Dysfunktion

Epiphysiolysis capitis femoris Definition 4 Dislokation der proximalen Femurepiphyse nach distal dorsal

Ätiologie und Inzidenz 4 4 4 4 4 4

Alter: 9. Lebensjahr bis Wachstumsabschluss m:w = 3:1 Inzidenz: 1:100000 40% beidseits 20% initial beidseits, 41% innerhalb von 2 Jahren beidseits Formen: 5 akut: Anamnesedauer 2 Wochen 5 akut auf chronisch: Anamnesedauer >2 Wochen mit akuter Verschlimmerung

Klinik 4 Bewegungseinschränkung (vor allem Innenrotation) 4 Schmerz bis zur Belastungsunfähigkeit (vor allem Knieschmerzen) 4 positives Drehmann-Zeichen (das Bein wird in Außenrotation gehalten)

143 1.1 · Orthopädie

Diagnostik 4 Röntgen: 5 immer in 2 Ebenen, da ECF in a.-p. Aufnahme nicht immer erkennbar 4 Sonographie: 5 im Frühstadium ggf. Erguss

Komplikationen 4 avaskuläre Nekrose des Femurkopfes 4 Chondrolyse 4 sekundäre Koxarthrose

Therapie 4 akute Hüftkopflösung: 5 notfallmäßige Reposition mit Hämatomentlastung 5 Drahtspickung oder Verschraubung 4 Lenta-Form 30: 5 Fixation der Epiphyse und korrigierende Osteotomie (nach Imhäuser (flektierend/valgisierend/derotierend oder subkapital; Gefahr der Kompression der zum Hüftkopf führenden Gefäße) 4 prophylaktische Spickung oder Verschraubung der Gegenseite

Coxitis fugax Definition 4 nichtinfektiöse Entzündung des Hüftgelenks, die zur Synovialitis mit Erguss führt (kein Erregernachweis)

Ätiologie und Inzidenz 4 Begleiterscheinung eines Virusinfektes der oberen Luftwege (80%) oder des Gastrointestinaltraktes 4 Inzidenz: 1:1000 4 Alter: 5–8 Jahre 4 w:m = 1:2,5

Diagnostik 4 Anamnese (vorausgegangener Virusinfekt) 4 Sonographie: 5 Hüftgelenkerguss 4 Labor: 5 Entzündungswerte: Ausschluss einer septischen Koxitis 4 Röntgen: 5 Ausschluss eines Morbus Perthes 4 ggf. MRT bei Beschwerdepersistenz 4 ggf. rheumatische Abklärung bei Beschwerdepersistenz oder rezidivierendem Auftreten

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Therapie 4 4 4 4 4

Schonung ggf. Entlastung an Unterarmgehstützen NSAR Kontrolle nach 1, 3 und 5 Tagen bei Beschwerdepersistenz weitere Abklärung

Septischer Hüftgelenkinfekt Definition 4 eitrige Entzündung des Hüftgelenks 4 Notfall 4 häufig nach vorausgegangenem Infekt der oberen Atemwege

Klinik 4 4 4 4

Kind ist krank Fieber ggf. grampositive Kettenkokken in der Blutkultur schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der Hüfte, Kind möchte nicht laufen

Diagnostik 4 4 4 4

Sonographie: Erguss des Gelenks Labor: erhöhte Entzündungswerte Röntgen: unauffällig MRT: 5 Epiphyse ggf. nicht durchblutet 5 Gelenkerguss 5 ggf. Abszedierung 5 muskuläre Einschmelzung

Therapie 4 ! Cave Notfall in der Kinderorthopädie 4 Entlastung und Spülung des Hüftgelenks (bei Unsicherheit ggf. Punktion der Hüfte in OP-Bereitschaft) 4 stationäre Aufnahme 4 keimspezifische i.v. Antibiotikagabe 4 im Verlauf MRT-Kontrolle (Osteomyelitis, Hüftkopfnekrose)

Antetorsionssyndrom Definition 4 Vorwärtstorsion des Schenkelhalses

Ätiologie 4 Coxa antetorta gehört zur physiologischen Entwicklung der Hüfte

145 1.1 · Orthopädie

Klinik 4 häufiges Stolpern 4 begleitende Hüftdysplasie 4 Kniegelenkprobleme aufgrund von »kissing knees«

Diagnostik 4 klinisch: 5 innenrotiertes Gangbild mit vermehrter Innenrotationsfähigkeit im Vergleich zur Außenrotation 4 Röntgen: 5 Rippstein-I- und -II-Aufnahmen zur Bestimmung des Antetorsionswinkel des proximalen Femurs

Therapie 4 während des Wachstums spontane Normalisierungstendenz 4 nur in Ausnahmefällen eine derotierende Osteotomie notwendig

Osteochondrosis dissecans des Kniegelenks Siehe auch 7 Abschn. 1.1.7

Definition 4 aseptische Osteochondrose eines umschriebenen Gelenkflächenareals, die mit der Abstoßung eines Gelenkflächenfragmentes (Mausbett) enden kann

Inzidenz 4 11% beidseits 4 m:w = 2:1

Ätiologie 4 unbekannt 4 fraglich repetitive Mikrotraumatisierung des Knorpels beim sportlichen Kind

Klinik 4 4 4 4 4

belastungsabhängige Schmerzen Gelenkblockierungen (selten) Gelenkerguss oft asymptomatisch Hauptlokalisation: 80% mediale Femurkondyle (70% lateraler Anteil)

Diagnostik 4 klinisch 4 Röntgen a.-p. und seitlich Tunnelaufnahmen nach Frick 4 MRT zur Beurteilung des Knorpel, der Vitalität und des Ausmaßes

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Eigene Notizen

146

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Therapie 4 konservativ: 5 bei offener Wachstumsfuge 5 Defekt 5 pro Jahr): J operativ (Weichteiloperationen) 5 posttraumatisch rezidivierende Luxation: J arthroskopisch oder J offen durchgeführte Refixation des Labrum glenoidale 4 willkürliche Luxation: 5 gezieltes Muskeltraining 5 Biofeedbackmethoden 5 Vermeidung luxationsfördernder Bewegungen

Infantile Zerebralparese (ICP) Definition 4 kein einheitliches Krankheitsbild 4 Störung der Haltungs- und Bewegungsfunktionen infolge einer stattgehabten nicht progredienten Schädigung des sich entwickelnden unreifen Gehirns und des 1. Motorneurons

Ätiologie 4 Entstehung der Schädigung: 5 pränatal, z.B. intrauterine Infektionen 5 perinatal, z.B. Nabelschnurprobleme 5 postnatal, z.B. Meningitis, Enzephalitis, Hirnblutungen 4 als Ausdruck der zentralen Störung liegen oft Mehrfachbehinderungen vor: 5 Intelligenzminderung 5 Perzeptionsstörungen 5 Verhaltensauffälligkeiten 5 Seh- und Hörstörungen 5 Anfallsleiden 5 vegetative Störungen

159 1.1 · Orthopädie

Einteilung 4 Lähmungsformen 5 spastische Lähmungen: 75%, die häufigste hypertone Bewegungsstörung: J Kokontraktion von Agonisten und Antagonisten, dadurch verlangsamter Bewegungsablauf J durch das Muskelungleichgewicht entstehen zahlreiche muskuläre Kontrakturen und später Gelenkfehlstellungen 5 Athetosen: 10%: J unwillkürliche, langsame verkrampfte Bewegungen, die unter emotionaler Anspannung sich verstärken und im Schlaf verschwinden J typisch für den Kernikterus 5 Ataxien: 15%: J infolge Kleinhirnschädigung J Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen stehen im Vordergrund 4 Topographische Verteilung 5 Hemiparesen: J Lähmungen einer Körperhälfte, obere Extremität ist häufiger betroffen als die untere J vermehrtes Auftreten mit gleichzeitigem Anfallsleiden J Störung der Handfunktion J Gehfähigkeit beeinträchtigt (hinken) J Kinder richten sich aber zeitgemäß auf 5 Diparesen: J überwiegende Lähmung der Beine bei gleichzeitiger feinmotorischer Störung der Arme J Meilensteine der motorischen Entwicklung werden deutlich später erreicht J später Laufbeginn J oft Orthesenversorgung notwendig J häufiges Auftreten von Schielen J Intelligenz kann normal sein 5 Tetraparesen: J globale Lähmung von Arm, Beinen und Rumpf J meist liegt eine geistige Behinderung vor J nur 10% der Kinder werden gehfähig J überwiegende Teil ist sitzfähig

Klinik 4 spastisch veränderter Muskeltonus: 5 Ruhe-Hypotonie 5 bei motorisch oder emotionaler Aktivität oder Intention kommt es zur spastischen Tonuserhöhung 4 Kokontraktionen: 5 paretische Antagonisten und Agonisten spannen gleichzeitig an

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Muskeleigenreflexe: 5 gesteigerte Reflexe 5 positive Pyramidenzeichen 4 Entstehen von muskulären Kontrakturen, z.B.: 5 Adduktionskontraktur der Hüften 5 Beugekontraktur in den Knien 5 Spitzfüße 4 Entstehen von Gelenkfehlstellungen: 5 Hüftdysplasie 5 Antetorsion des Schenkelhalses 5 Skoliose

Therapie 4 abhängig von: 5 Alter des Kindes 5 Art und Ausmaß der ICP 4 notwendig ist eine interdisziplinäre Betreuung durch Neuropädiater und Kinderorthopäden 4 konservativ: 5 Physiotherapie 5 Redressionsgipstherapie 5 Injektion von Botulinumtoxin 5 systemische medikamentöse Therapie (z.B. mit Baclofen) 5 Orthesenversorgung/Hilfsmittelversorgung 4 operativ: 5 weichteilig: Muskel- und Sehnenverlängerungen und -verlagerungen 5 knöchern: Korrektur von Deformitäten

Skoliose Siehe auch 7 Abschn. 1.1.4

Definition 4 fixierte Seitverbiegung mit Torsion der Wirbelkörper (dreidimensionale Deformität)

Ätiologie 4 idiopathisch, unbekannte Ursache (ca. 85%) 4 Wirbelkörperfehlbildungen 4 neuromuskuläre Grunderkrankungen (ICP, Duchenne-Muskeldystrophie, Marfan-Syndrom etc.)

Inzidenz 4 idiopathische Skoliose: 5 ca. 1:100 5 Mädchen sind 4-mal häufiger betroffen als Jungen

161 1.1 · Orthopädie

Einteilung 4 idiopathischen Skoliose: 5 infantile: 0–5 Jahre 5 juvenile: 6–10 Jahre 5 adoleszente: ab 11 Jahre

Klinik 4 4 4 4 4 4 4 4

in der Regel keine Schmerzen Asymmetrie des Rückenprofils Asymmetrie der Taillendreiecke ggf. Schulterschiefstand ggf. Beckenschiefstand Asymmetrie des Standes der Schulterblätter beim Vornüberneigetest: Rippenbuckel, Lendenwulst ggf. Seitabweichung des Lotes von C7 in Richtung der Rima ani

Diagnostik 4 Röntgen (Wirbelsäulenganzaufnahme in 2 Ebenen mit Darstellung der Beckenkämme): 5 Ausmaß der Krümmung in der a.-p. Ansicht mittels der Winkelmaße nach Cobb 5 Ausmaß der Rotation der Wirbelkörper nach Nash und Moe 5 Bestimmung des Risser-Zeichen zur Beurteilung des Restwachstums

Therapie 4 abhängig von der Ätiologie, vom Ausmaß der Skoliose und vom zu erwartendem Restwachstum (Risser-Zeichen) 4 die Wahrscheinlichkeit der Progredienz ist umso höher, je früher die Skoliose auftritt und je stärker sie zum Zeitpunkt der Diagnose ist 4 Therapie der idiopathischen Skoliose: 5 40°: Operation (korrigierende Spondylodese)

Morbus Scheuermann Siehe auch 7 Abschn. 1.1.4

Definition 4 wachstumsbedingte 5 vermehrte Kyphose der BWS oder 5 vermehrte Kyphosierung im thorakolumbalen Übergang oder 5 lumbal mit Wachstumsstörungen an den Deck- und Grundplatten der Wirbelkörper 4 mit den Folgen: 5 Bandscheibenverschmälerung 5 Keilwirbel- und Rundwirbelbildung

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Eigene Notizen

162

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Ätiologie 4 4 4 4 4 4

Ursache ungeklärt gehäuft groß gewachsene Jugendliche sportliche Jugendliche: Ruderer, Geräteturnerinnen familiäre Disposition kollagene Stoffwechselstörungen konstitutionelle Haltung, endogene Faktoren

Klinik 4 thorakaler Scheuermann: 5 kaum Rückenschmerzen 5 nicht ausgleichbare Hyperkyphose 4 lumbaler Scheuermann: 5 Rückenschmerzen 5 Hypolordose 5 verkürzte Ischiokruralmuskulatur

Diagnostik 4 Röntgen, Kriterien für die Diagnose Scheuermann: 5 thorakal: J keilförmige Deformierung von 5° bei 3 aufeinanderfolgenden Wirbelkörpern im Bereich des Kyphosescheitels J Vergrößerung des a.-p. Durchmesser der BWK, pathologisch >40° 5 lumbal: J Aufhebung der lumbalen Lordose J Verschmälerung des Bandscheibenraumes J Ausbildung von Schmorl’schen Knoten und Randleistenhernien

Therapie 4 konservativ: 5 Physiotherapie (Kräftigung Rückenstrecker, Haltungsschulung) 5 ggf. Korsett 4 operativ: 5 selten 5 ab 70° in der BWS: Korrekturspondylodese

Prognose 4 Kyphosewinkel bis 60° im Bereich der BWS: 5 meist keine Spätschäden zu erwarten 4 Kyphosewinkel >65° und tief sitzendem Scheitelwinkel: 5 Gefahr der Progredienz im Erwachsenenalter 5 Schmerzen und Bandscheibenprobleme 4 lumbaler Scheuermann: 5 schlechtere Prognose mit gehäuft auftretenden lumbalgieformen Beschwerden 5 Bandscheibenprobleme

163 1.1 · Orthopädie

Spondylolisthese Siehe auch 7 Abschn. 1.1.4

Definition 4 Spondylolyse: Spaltbildung der Pars interarticularis des Wirbelbogens 4 Spondylolisthese: Ventralverschiebung und Verkippung des kranialen gegenüber dem kaudalen Wirbel

Ätiologie und Inzidenz 4 6% der mitteleuropäischen Bevölkerung 4 Neugeborene: 5 kein Auftreten 5 entsteht erst nach Vertikalisierung als Ermüdungsfraktur der Pars interarticularis 4 vermehrtes Auftreten bei Kindern, die hyperlordisierende Sportarten betreiben (turnen, Trampolin springen, Speerwerfen, Delphinschwimmen)

Klinik 4 oft asymptomatisch 4 oft röntgenologischer Zufallsbefund

Diagnostik 4 Röntgen: 5 bei ausgeprägterem Befund: J Sprungschanzenphänomen J Nervenwurzelirritation mit Hüftlendenstrecksteife 5 Einteilung der Ventralverschiebung nach Meyerding: J Einstufung erfolgt anhand der Stellung der Wirbelkörperhinterkante in Relation zum in 4 Abschnitte eingeteilte Sakralplateau 5 Röntgen im 45°-Schrägbild: J Spondylolyse imponiert als »Halsband der Hundefigur« (ergibt sich durch die Projektion der Gelenkfortsätze, der Pedikel und des Dornfortsatzes) J bei beginnender Spondylolisthesis Sakralplateau S-förmig J bei fortgeschrittener Spondylolisthesis Sakralplateau kuppelförmig

Therapie 4 Meyerding Grad I–II ohne Beschwerden: 5 keine spezifische Therapie 5 Vermeidung von Sportarten mit rezidivierenden lordosierenden Übungen 5 frisch aufgetretene Spondylolysen (Szintigraphie) können durch Gipskorsett zur Ausheilung gebracht werden 4 Meyerding Grad I–II mit Beschwerden: 5 Korsett 4 Meyerding Grad III–IV: 5 operative Stabilisierung empfohlen

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Eigene Notizen

164

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

1.2

Unfallchirurgie

1.2.1

Allgemeine Frakturlehre P. Kobbe

Frakturätiologie 4 Traumatische Fraktur: Häufigste Frakturätiologie, bei der der Knochen im Rahmen eines Unfalls durch eine hohe Energieübertragung bricht. 4 Pathologische Fraktur: Der Knochen ist durch eine zugrunde liegende Pathologie (Knochentumore/-metastasen, primäre Osteoporose, sekundäre Osteoporose, . Tabelle) in seiner Festigkeit vermindert und bricht spontan oder durch ein inadäquates Trauma. Insbesondere die Inzidenz von osteoporotischen Frakturen nimmt durch die epidemiologische Entwicklung rasant zu. 4 Stressfrakturen: Dies sind sog. Ermüdungsfrakturen, die durch eine repetitive Überbelastung entstehen (typischerweise Marschfrakturen bei jungen Rekruten). Ursachen einer sekundären Osteoporose Medikamenteninduziert (Kortikosteroide, Antiepileptika, Antidepressiva) Hyperthyreose Hyperparathyreoidismus Renale Osteopathie Hypogonadismus Malnutrition/Malabsorption (Magersucht, Magenresektion)

Frakturzeichen, Frakturlokalisation, Frakturformen und -dislokation Frakturzeichen 4 Sichere Frakturzeichen: 5 Fehlstellung 5 sichtbare Knochenenden bei offener Fraktur 5 radiologischer Nachweis einer Fraktur 4 Weitere sichere Frakturzeichen: 5 abnorme Beweglichkeit 5 Krepitation (Knochenknirschen) bei Bewegung (> Memo Die Überprüfung dieser Frakturzeichen ist jedoch sehr schmerzhaft, gefährdet die umliegenden Weichteilstrukturen und ist daher obsolet.) 4 Unsichere Frakturzeichen: 5 Schmerz (Bewegungs-/Druck-/Ruheschmerz) 5 Hämatomschwellung 5 Schonhaltung (Functio laesa)

165 1.2 · Unfallchirurgie

Differenzialdiagnose 4 Prellung 4 Gelenkluxation 4 Verletzung von Muskeln, Sehnen und Bändern

Frakturlokalisation 4 4 4 4

Schaftfrakturen (Diaphyse) Gelenknahe Frakturen (Metaphyse) Gelenkfrakturen Etagenfrakturen (ein Knochen ist auf verschiedenen »Etagen« gebrochen)

Frakturformen Die Frakturform spiegelt häufig den Unfallmechanismus wider: 4 Quer- und Schrägfrakturen (Bruchwinkel >30°) sowie Stück- und Trümmerfrakturen: meist durch direkte äußere Gewalteinwirkung (z.B. Verkehrsunfall) 4 Spiral- und Biegungsfraktur: durch Dreh- und Biegekräfte, die auf den Knochen wirken (z.B. im Rahmen von Sportunfällen) 4 Kompressionsfrakturen an der Wirbelsäule: durch eine axiale Stauchung 4 Abrissfrakturen an Apophysen (Spina iliaca ant. sup. am Beckenkamm oder des Trochanter major) 4 Sonderformen bei kindlichen Frakturen (7 Abschn. 1.2.6): 5 Grünholzfraktur 5 Wulstbruch

Frakturdislokation 4 Achsfehlstellung (ad axim und ad latus) 4 Längenfehlstellung (ad longitudinem): zu kurz bei Trümmerzone 4 Rotationsfehlstellung (ad peripheriam)

Biologie der Knochenheilung 4 Unterscheidung zwischen: 5 direkter (primärer) Frakturheilung 5 indirekter (sekundärer) Frakturheilung 4 Art der Knochenheilung weitestgehend von 2 Faktoren abhängig: 5 Reposition (anatomisch versus nichtanatomisch) 5 Stabilität (absolut versus relativ) 4 Art der Frakturheilung hat keinen Einfluss auf die spätere Stabilität 4 die primäre Frakturheilung beansprucht mehr Zeit als die sekundäre Frakturheilung 4 eine Fraktur, die nach 6 Monaten nicht ausgeheilt ist, wird als Pseudarthrose (Falsch-/Scheingelenk) bezeichnet

Direkte (primäre) Frakturheilung 4 Frakturheilung erfolgt über das direkte Einwandern von Gefäßen aus den Frakturenden und Überbrückung der Frakturzone. 4 Voraussetzungen:

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

5 anatomische Reposition der Fraktur (Kontakt des Havers-Systems) 5 absolute Stabilität und Kompression der Frakturzone (Verhindert eine Zerstörung des sich regenerierenden Havers-Systems) 5 prinzipiell nur durch eine Kompressions-Plattenosteosynthese zu erreichen 4 direkte Frakturheilung ist erstrebenswert bei: 5 Frakturen mit Gelenkbeteiligung 5 Frakturen von Knochen, bei denen der voluminöse Kallus der sekundären Frakturheilung die Funktion einschränkt (z.B. Supination/Pronation bei Unterarmfrakturen)

Indirekte (sekundäre) Frakturheilung Die indirekte Frakturheilung ist erstrebenswert bei Schaftfrakturen von langen Röhrenknochen und erfolgt über die Ausbildung von Kallus über folgende Phasen: 4 Inflammationsphase: posttraumatisches Hämatom und Migration von Entzündungszellen 4 Granulationsphase: (beginnt 48–72 h nach Fraktur): 5 Organisation des Hämatoms durch einwachsende Fibroblasten, Kollagenfibrillen und Kapillaren 5 erste Brückenbildung zwischen den Frakturfragmenten durch das entstandene Granulationsgewebe (weicher Kallus) 4 Differenzierungsphase (beginnt 4–6 Wochen nach Fraktur): 5 Differenzierung des weichen Kallus zu hartem Kallus durch Bildung von verkalkter Knorpelsubstanz und einwandernden Osteoblasten 4 Remodellingphase: (beginnt 6 Wochen nach Fraktur): 5 Umbau des unreifen Faserknochens zu lamellärem Knochen und Rekonstruktion des medullären Gefäßsystems 5 Voraussetzungen: J keine anatomische Reposition der Fraktur (kein Kontakt des Havers-Systems) J relative Stabilität der Frakturzone (eine Regeneration des HaversSystems ist infolge der Mikrobewegungen nicht möglich) J Mikrobewegungen sind als Stimulus für die Kallusbildung zwingend erforderlich 4 Therapiemaßnahme: 5 konservative Therapie mittels Gipsruhigstellung oder 5 operative Versorgung mittels Marknagel

Prinzipien der Frakturbehandlung 4 > Memo Grundlage der Frakturbehandlung ist immer eine Reposition und anschließende Retention (Fixierung) des Knochens möglichst in anatomischer Stellung. 4 Reposition in: 5 Lokal-/Bruchspaltanästhesie 5 Leitungsanästhesie 5 Vollnarkose.

167 1.2 · Unfallchirurgie

4 Retention der Fraktur: 5 konservativ 5 operativ 4 Indikationen für eine operative Versorgung: 5 Gelenkbeteiligung mit einer Gelenkstufe >2 mm 5 offene Frakturen 5 Frakturen mit Störung der peripheren Durchblutung/Motorik/Sensibilität (pDMS) 5 Frühzeitige Mobilisierung zur Verhinderung von sekundären Komplikationen (z.B. Thrombose bei Schenkelhals-/pertrochantärer Fraktur) 4 Die im Rahmen der Frakturbehandlung erreichte Stabilität wird eingeteilt in: 5 lagerungsstabil (absolute Ruhigstellung ist indiziert) 5 übungsstabil (eine physiotherapeutisch kontrollierte Beübung ist möglich) 5 belastungsstabil (Teil- bis Vollbelastung ist möglich) 4 Konservative Behandlungsmaßnahmen: 5 Gipsruhigstellung (Gipsschiene oder zirkulärer Gips) 5 funktionelle Ruhigstellung (z.B. Aircast-Schiene) 4 Operative Behandlungsmaßnahmen: 5 Platten-/Schraubenosteosynthese 5 Marknagelung 5 Fixateur externe

Stoffwechselstörung und immunologische Antwort nach Trauma 4 Postaggressionsstoffwechsel: 5 hypermetabolische Stoffwechsellage nach schweren Verletzungen mit vermehrter Freisetzung antiinsulinerger, kataboler Hormone (z.B. Adrenalin, Cortisol, Glukagon), wodurch in das Blut eine große Menge an Energieträgern (v.a. Glukose, Proteine, freie Fettsäuren) freigesetzt wird 5 infolge einer zellulären Glukoseutilisationsstörung (periphere Insulinresistenz) kommt es trotz einer vermehrten Insulinfreisetzung zur Hyperglykämie 5 im Rahmen der parenteralen Ernährung des schwerverletzten Patienten ist der erhöhte Kalorienbedarf zu berücksichtigen 4 Systemic Inflammatory Response Syndrome (SIRS): 5 systemische Entzündungsreaktion, die durch die posttraumatische Freisetzung von proinflammatorischen Mediatoren ausgelöst wird (im Gegensatz zur Sepsis nicht durch Bakterien) 5 tritt meist innerhalb der ersten Tage nach Trauma auf und prädisponiert für die Entwicklung eines Organversagens (Lunge, Niere, etc.) 5 ähnliche Symptomatik wie bei der Sepsis, jedoch kein Keimnachweis in der Blutkultur 5 zur Diagnose sollten 2 der folgenden 4 Symptome erfüllt werden: J Körpertemperatur >38 °C oder 90/min (Tachykardie)

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

J Tachypnoe: Atemfrequenz >20/min J Leukozytose (>12000/μl) oder Leukopenie ( Merke 5 vordere Luxation: leicht zu reponieren schwer zu retinieren 5 hintere Luxation: schwer zu reponieren, leicht zu retinieren 5 geschlossene Reposition immer in Vollnarkose und Relaxation!

Komplikationen 4 Reluxation 4 Schlingenbruch

Prognose 4 bei rascher Reposition sehr gut

Klavikulafrakturen Pathogenese 4 überwiegend indirektes Trauma durch Sturz auf den ausgestreckten Arm oder die Schulter (meist mittlere Fraktur, häufig Fahrradsturz) 4 nur selten direktes Trauma durch Stoß, Schlag oder Schuss (meist laterale Fraktur) 4 gehäuft auch als Geburtstrauma

Formen 4 mediale Fraktur (5%) 4 mittlere Fraktur (80%) 4 laterale Fraktur (15%)

Klassifikation 4 Klassifikation der lateralen Klavikulafraktur nach Jäger und Breitner = Einteilung nach Beziehung der Fraktur zum Lig. coracoclaviculare in 4 Typen: 5 Typ I: Fraktur lateral des Ligaments, Ligament intakt, stabil 5 Typ II: Fraktur interligamentär (Pars conoidea oder trapezoidea rupturiert), instabil je nach Band 5 Typ III: Fraktur medial des Ligamentes (entspricht einer Fraktur des mittleren Klavikuladrittels), instabil 5 Typ IV: im Kindes- und Adoleszentenalter: laterales Klavikuladrittel aus Periostschlauch ausgelöst, die intakten Bänder inserieren am Periostschlauch

Klinik 4 Weichteilschwellung 4 typische Dislokation des frakturierten medialen Klavikulaanteils nach dorsokranial durch Zug des M. sternocleidomastoideus

171 1.2 · Unfallchirurgie

4 4 4 4

unilaterale Verringerung der Schulterbreite Herunterhängen der Schulter Crepitatio Functio laesa

Begleitverletzungen: 4 Plexus brachialis- und A.-axillaris/subclavia-Läsionen (z.B. Aneurysma) bei deutlich dislozierten medialen Fraktur möglich 4 (Hämato-)Pneumothorax

Diagnostik 4 klinische Untersuchung: 5 Stufenbildung der Klavikula 5 Hochstand des medialen Fragmentes 5 DMS-Prüfung obligat 4 Röntgen 2 Ebenen 4 evtl. CT (v.a. bei lateralen und medialen Frakturen sowie Beteiligung des Sternoklavikulargelenks) 4 Angiographie bei V.a. Gefäßverletzungen

Therapie 4 konservativ: 5 Analgetika 5 Gilchrist-Verband für 1 Woche 5 redressierender Rucksackverband für 3–4 Wochen (kontrovers, eher Kinder) 5 Verbot von Sport und schwerer Arbeit für 6 Wochen: 5 Indikationen: J nichtdislozierte mediale und mittlere Fraktur J nichtdislozierte laterale Fraktur vom Typ I–III (! Cave Sekundäre Dislokation bei Typ-II-Fraktur, daher engmaschig kontrollieren) J Knickbildung 20 mm 5 dislozierte laterale Fraktur vom Typ I, II, IV 5 multifragmentäre Fraktur 5 gelenknahe Fraktur 5 offene Fraktur 5 Weichteilgefährdung bei drohender Durchspießung 5 Begleitverletzungen (Plexus brachialis, A. axillaris/subclavia) 5 Pseudarthrosenbildung 5 pathologische Fraktur 5 fakultativ: persistierender Frakturschmerz nach 4–6 Wochen konservativer Therapie

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 OP-Techniken: 5 geschlossene Reposition mit Marknagelung über ca. 1,5 cm lange senkrechte Hautinzision 5 offene Reposition und Plattenosteosynthese (bei lateralen Fraktur »Hakenplatte«, bei medialen und mittleren Fraktur dreidimensional formbare »Rekonstruktionsplatte« oder anatomisch geformte winkelstabile Platten) über senkrechte (»säbelhiebförmige«) Hautinzision entlang der Hautfalten im Frakturbereich oder Längsschnitt 5 bei Trümmerfrakturen Defektfüllung mit Spongiosa

Komplikationen 4 intraoperative Verletzungen des Plexus brachialis, der A. subclavia oder der Pleura 4 ! Cave Pseudarthrosenbildung 4 überschießende Kallusbildung im Frakturbereich 4 Implantatausrisse 4 Infektionen

Verletzungen des Akromioklavikulargelenks Pathogenese 4 direktes Trauma durch Sturz auf die Schulter (z.B. Reitunfälle) 4 typische Sportverletzung bei Kontaktsportarten durch Zusammenprall

Klassifikation 4 Einteilung nach: 5 ligamentärer Läsion (Tossy I–III) 5 erweitert durch die Beurteilung der Dislokationsrichtung des lateralen Klavikulaendes nach Rockwood (IV–VI) 4 Tossy I–III: 5 Typ I: J Distorsion des Lig. acromioclaviculare und Lig. coracoclaviculare ohne Dislokation J kein röntgenologisches Korrelat 5 Typ II: J Ruptur des Lig. acromioclaviculare J Lig. coracoclaviculare intakt mit mäßiger Dislokation nach proximal (weniger als Schaftbreite) J röntgenlogisch sichtbare Stufenbildung 5 Typ III: J Ruptur des Lig. acromioclaviculare und Lig. coracoclaviculare mit Luxation im Akromioklavikulargelenk (ACG) (mehr als Schaftbreite) J deutliche Stufenbildung 4 Rockwood IV–VI (Deltotrapezoidfaszie verletzt): 5 Typ IV: Luxation des lateralen Klavikulaendes nach dorsal (Einklemmung in Schlitz des M. trapezius)

173 1.2 · Unfallchirurgie

5 Typ V: Luxation des lateralen Klavikulaendes nach kranial (300% Schaftbreite) 5 Typ VI: Luxation des lateralen Klavikulaendes nach kaudal (unter das Akromion oder Korakoid)

Klinik 4 Schonhaltung des Armes in Adduktion und Innenrotation 4 starke Druckschmerzhaftigkeit und Schwellung im ACG-Bereich 4 pathognomonisches, aber bei muskelkräftigen Menschen nicht zwingend auslösbares »Klaviertastenphänomen« bei Tossy III und Rockwood V

Diagnostik 4 Röntgen: 5 Schulter a.-p. 5 transaxillär, »Wasserträgeraufnahme«, ! Cave Horizontale Instabilität prüfen 4 Sonographie hilfreich

Therapie 4 konservativ: 5 keine Reposition, ausschließlich symptomatisch-analgetisch (Gilchrist-Verband, Kühlung): 5 Indikation: J Tossy I + II J Tossy III (individuelle Therapieentscheidung je nach Bedürfnissen des Patienten) 4 operativ: Indikation: J Tossy III bei sportlich aktiven, jungen Patienten und »Über-KopfArbeitern« J Rockwood IV +V + VI 5 OP-Techniken: J korakoklavikuläre Techniken: Bosworth-Schraube (einbringen einer Schraube von der Klavikula in das Korakoid), PDS-Kordeln zwischen Klavikula und Korakoid (Tight rope) J akromioklavikuläre Techniken: Hakenplatte (Balser-, Wolter-, Rüssel-Platte) unter das Akromion, Refixation des ACG über akromioklavikuläre Kirschner-Drähte (oder Cerclage) J Versetzen des korakoakromialen Bandes auf die Klavikula (veraltete Läsionen, Weaver-Dunn-OP) 5 postoperative Versorgung: J schmerzadaptierte Ruhigstellung (Gilchrist) mit anschließender krankengymnastischer Behandlung J bis zur Materialentnahme keine Elevation über die Horizontale (mind. 4 Wochen) 4 > Memo Nach Abschluss der operativen Versorgung muss die Deltotrapezoidfaszie aufgrund ihrer großen Bedeutung für die Redislokation dargestellt und sorgfältig vernäht werden.

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Komplikationen 4 Verknöcherungen der korakoklavikulären Bänder und degenerative Veränderungen des ACG können zu persistierenden Schmerzen führen (ACG-Arthrose häufig klinisch blande) 4 hohes Redislokationsrisiko nach operativer Therapie (15–20%) 4 Infektion 4 Schraubenbruch (Bosworth) 4 Drahtdislokation

Prognose Bei konservativer Behandlung meist unproblematischer Verlauf trotz persistierender Subluxationsstellung (kosmetisches Problem).

Skapulafrakturen Pathogenese 4 die Skapula ist von einem ausgeprägten Muskelmantel umgeben, kann daher einwirkenden Kräften durch ihre Verschiebbarkeit auf dem Thorax gut ausweichen 4 Skapulafrakturen in der Regel im Zusammenhang mit Hochrasanztraumata (Polytrauma)

Klassifikation Einteilung anhand der betroffenen anatomischen Strukturen nach Euler und Rüedi in 5 verschiedene Formen (A–E): 4 Typ A: Korpusfrakturen 4 Typ B: Fortsatzfrakturen von Akromion, Korakoid und Spina 4 Typ C: Kollumfrakturen 4 Typ D: Gelenkfrakturen (Pfannenrandabbrüche oder Glenoidfrakturen) 4 Typ E: Kombinationsfrakturen mit Humeruskopfbeteiligung

Klinik 4 4 4 4 4 4

Absinken der Schulter (Kollumfraktur) Druckschmerz Hämatom Bewegungseinschränkung Schonhaltung bei Polytrauma häufig weitere, zum Teil lebensbedrohliche, Begleitverletzungen: 5 Rippenfrakturen und/oder Hämatopneumothorax (50%) 5 Lungenkontusion (30%) 5 Schädelfraktur (25%) 5 Schädel-Hirn-Trauma (20%) 5 Verletzungen von Nerven ( N. suprascapularis, N. axillaris und Plexus brachialis) 5 Verletzung großer Gefäße

175 1.2 · Unfallchirurgie

Diagnostik 4 Röntgen: 5 a.-p. 5 Schulter 5 Schrägaufnahmen (Y-Aufnahme) 4 CT bei Glenoidbeteiligung 4 > Memo Ausschluss von Begleitverletzungen mittels bildgebender Verfahren obligat.

Therapie 4 konservativ: 5 Gilchrist für 7 Tage 5 anschließend frühfunktionelle Krankengymnastik (erste 6 Wochen nur bis 90°Abduktion/Elevation) 4 Indikationen: 5 A-, B- und C- Frakturen bei geringer bis mäßiger Dislokation 4 operativ: Indikationen: 5 dislozierte C-Frakturen 5 Beteiligung der Incisura scapulae und potenzieller Schädigung des N. suprascapularis 5 D- und E-Frakturen bei Dislokation 4 OP-Technik: 5 Zugangsweg: J von dorsal oder ventral J bei kombinierter Schulterverletzung ausgedehnter Zugang nach Judet 5 Osteosyntheseverfahren: J Kleinfragment- oder Minischrauben bei Fortsatzfrakturen und Querfrakturen des Glenoids J Drittelrohrplatten oder Rekonstruktionsplatten bei Mehrfragmentfrakturen des Collums

Schultergelenk Schulterluxation Einteilung 4 nach Luxationsrichtung: 5 vordere (Lux. subcoracoidea) (80%) 5 kaudale (Lux. infraglenoidalis, axillaris, erecta) (15%) 5 hintere (Lux. infraspinata) (5%)

Pathogenese 4 traumatisch: 5 vordere Luxation: forcierte Abduktion und Außenrotation im Schultergelenk (adäquates Trauma, z.B. Greifen in den Wurfarm beim Handballspieler) 5 hintere Luxation: allgemeine Muskelkontraktion im Rahmen von epileptischen Anfällen, Stromunfällen, Defibrillationen oder bei High-Energy-Verletzungen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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4 atraumatisch/habituell: 5 Bagatelltrauma führt zu Luxation 5 prädisponierende Faktoren: J Anomalien der Gelenkkapsel J Glenoiddysplasien J hereditäre Bindegewebeerkrankungen (Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom) J repetitive Mikrotraumata J muskuläre Dysbalance 4 posttraumatisch-rezidivierend: 5 maßgeblich für die Reluxationsrate sind Ausmaß und die Versorgung der Begleitverletzungen (s.u.). 5 Status des Kapsel-Labrum-Komplexes ist ein guter Indikator für die Einschätzung der Reluxationstendenz, schon ab der 2. Luxation ist eine Schulter als chronisch instabil zu bezeichnen 4 > Memo Vor allem bei Epilepsie, Stromunfällen und Defibrillationen an hintere Luxation denken (wird häufig übersehen). Reluxationstendenz nach Erstluxation nimmt mit zunehmendem Alter ab.

Klinik 4 Schonhaltung des Armes (bei vorderer Luxation adduziert, bei hinterer Luxation retrovertiert und innenrotiert) 4 Bewegungs- und Ruheschmerz 4 federnde Fixation des Schultergelenks 4 inspektorisch und palpatorisch feststellbare Dislokation des Humeruskopfes: »eckige« Kontur des Schultergelenks (»Epaulettenphänomen«), Delle unter dem Akromion) 4 ! Cave Störungen von Durchblutung, Motorik, Sensibilität (DMS) (N. axillaris) Begleitverletzungen: 4 Bankart-Läsion: Abriss des Labrum glenoidale mit Gelenkkapselläsion 4 knöcherne Bankart-Läsion: Bankart-Läsion mit Pfannenrandabbruch am Glenoid 4 Andrews-Läsion/SLAP-Läsion (superior labrum anterior posterior): Bankart- Läsion am superioren Labrum mit Beteiligung des Bizepssehnenankers 4 Hill-Sachs-Delle: rein knorpelige oder knöchern-knorpelige Impression am Humeruskopf 5 bei vorderer Luxation: Delle dorsolateral (durch vorderen Glenoidrand) 5 bei hinterer Luxation: Delle ventrokranial (durch hinteren Glenoidrand; Reversed-Hill-Sachs) 4 Humeruskopffraktur 4 Rotatorenmanschettenruptur: Patienten meist >45 Jahre, bei Hochrasanztraumata auch jünger 4 N.-axillaris-Läsion (10% der Fälle)

177 1.2 · Unfallchirurgie

4 Plexusläsion: N.-axillaris-Prüfung durch Sensibilitätsprüfung im lateralen Schulterbereich (Autonomiegebiet des N. axillaris) obligat! 4 Gefäßläsionen: A. circumflexa humeri anterior et posterior 4 hohe Reluxationsrate: 5 bis 20 Jahre: 90% 5 bis 30 Jahre: 80% 5 bis 40 Jahre: 50% (egal wie lange ruhiggestellt)

Diagnostik 4 Anamnese: 5 Erst- oder Rezidivluxation? 5 Unfallmechanismus (adäquates Trauma? Strom? Epilepsie?) 4 klinische Untersuchung: 5 Überprüfung der DMS sowie einer 5 ggf. Überprüfung einer vorliegenden dynamischen Schulterinstabilität z.B. mit Apprehension-Test (immer im Seitenvergleich!, Laxizitätsteste für statische Stabilität) 4 Röntgen: 5 True-a.-p.-Aufnahme: direkter Einblick in Art. glenohumerale (Strahlengang in 30°) 5 axiale Aufnahme 5 tangentiale Y-Aufnahme (transskapuläre Aufnahme) 4 Sonographie: v.a. zum Ausschluss einer Rotatorenmanschettenruptur 4 CT: v.a. zum Ausschluss knöcherner Läsion (knöcherne Bankart-Läsion, Hill-Sachs-Läsion, Humeruskopffraktur) 4 Arthro-MRT: v.a. zum Ausschluss weichteiliger Verletzungen (Labrumverletzungen, Rotatorenmanschettenruptur)

Therapie Sofortige Reposition (! Cave Geduld und Mitarbeit des Patienten erreichen): 4 vordere Luxation (ggf. Analgesie und/oder Muskelrelaxation (Kurznarkose) nötig): 5 Reposition nach Arlt: sitzender Patient, der Arm der betroffenen Seite wird über eine 5 gepolsterte Stuhllehne in 90° Flexion im Ellenbogengelenk unter langsamem, kontinuierlichem Zug reponiert 5 Reposition nach Hippokrates: J liegender Patient J Fuß des Arztes wird in der Axilla positioniert (Hypomochlion; vgl. Stuhllehne bei Arlt) J Reposition durch langsamen kontinuierlichen Zug am ausgestreckten Arm 5 Reposition nach Matsen (2-Helfer-Methode): J Helfer erzeugt über ein Tuch oder Lederriemen um den Thorax einen Gegenzug (Hypomochlion) J der Arzt einen gleichmäßigen Zug am Oberarm in leichter Außenrotationsstellung

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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4 hintere Luxation (! Cave Immer Narkose und Relaxation nötig): 5 Arm wird 90° abduziert und innenrotiert 5 zusätzlich gleichmäßiger Druck von dorsal auf Humeruskopf > Memo DMS ist bei Schulterluxation vor und nach Reposition sorgfältig zu prüfen. Vor und nach der Reposition erfolgt eine Röntgenkontrolle. 4 konservativ: 5 nach geschlossener Reposition und Ausschluss von schwerwiegenden Begleitverletzungen Ruhigstellung im Gilchrist- oder Desault-Verband für 1–2 Wochen 4 operativ: Indikationen: 5 geschlossene Reposition nicht möglich 5 Gefäßschäden (Notfall!) 5 Bankart-Läsion oder dislozierte knöcherne Bankart-Läsion 5 Hill-Sachs-Läsion (>30% der Gelenkfläche) 5 Subskapularissehnenruptur 5 Rotatorenmanschettenruptur 5 > 2 Luxationen und instabiles Gelenk (v.a. bei Sportlern) 5 fakultativ: sportlich aktive Patienten Memo Bei Rotatorenmanschettenruptur kommt es zu einem Humeruskopfhochstand mit ggf. begleitender Impingement-Symptomatik.

Therapie 4 konservativ: 5 Großteil der degenerativ bedingten Rotatorenmanschettenrupturen: J Immobilisation der Schulter nie >1 Woche (Gefahr der Schultersteife) J Analgetika J Physiotherapie 4 operativ: Indikationen: 5 Sehnenrekonstruktion bei frischer traumatischer Ruptur 5 Akromioplastik aufgrund von Impingementbeschwerden bei degenerativem Sehnenschaden 5 fakultativ bei Persistenz der Beschwerden >6–8 Wochen nach konservativer Therapie 4 OP-Methode: 5 arthroskopisch: J subakromiale Dekompression durch Akromionteilresektion (Shaver, Akromionizer) J Rotatorenmanschettenrekonstruktion (Sehnennaht) 5 offen-chirurgisch: J Zugangsweg: Zugang von ventral über horizontale Inzision vom AC-Gelenk zum Tuberculum majus

181 1.2 · Unfallchirurgie

5 Vorgehen: J frische traumatische Ruptur: Refixation der rupturierten Anteile über Knochenanker J chronischer Rotatorenmanschettendefekt: Auffinden und Mobilisieren der retrahierten, ggf. atrophen Sehne und wenn möglich Refixation am Tuberculum majus mit Knochenankern, transossären Nähten, ggf. Plastik

Komplikationen 4 4 4 4 4 4

intraoperative Nervenschädigung (N. axillaris, N. suprascapularis) Nachblutung Infektion persistierende Schultersteife Deltoideusschwäche Reruptur (Risiko bei 1-Sehnenrekonstruktion 10–20%, bei 3-Sehnenrekonstruktion bis zu 90%)

Prognose 4 gut bei frischen traumatischen Rupturen 4 bei chronischem Schäden variabel 5 negative Einflussfaktoren: J hohes Alter J ausgedehnter Defekt J atropher Muskel oder atrophe Sehne J begleitende AC-Gelenkarthrose J Schulterhochstand J hakenförmiges Akromion (Typ III) J langer Zeitraum zwischen Erstmanifestation und operativer Intervention J vorausgegangene Kortikosteroidinjektionen

Oberarmkopffraktur Einteilung 4 4 4 4 4

Adduktionsfraktur Abduktionsfraktur (stabil da eingestaucht) subkapitale Fraktur, evtl. mit Abriss des Tuberculum majus Trümmerfraktur Luxationsfraktur (schlechte Prognose)

Pathogenese 4 meist indirektes Trauma durch Sturz auf den ausgestreckten Arm mit subkapitaler Fraktur am Collum chirurgicum humeri 4 typischerweise Menschen >60 Jahre! 4 junge Patienten meist nur im Rahmen von massiver Gewalteinwirkung

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Klassifikation 4 Einteilung der Frakturen nach 5 Anzahl der Fragmente 5 Grad der Dislokation (I = nicht disloziert, II–V = disloziert, VI = Luxationsfraktur) 5 betroffene anatomischer Struktur 4 Klassifikation der Humeruskopffrakturen nach Neer (I–VI): 5 Neer I: nichtdislozierte Frakturen (alle 4 Segmente können betroffen sein) 5 Neer II: Fraktur des Collum anatomicum 5 Neer III: Fraktur des Collum chirurgicum 5 Neer IV: Fraktur des Tuberculum majus (2-,3-,4-Fragment-Fraktur) 5 Neer V: Fraktur des Tuberculum minus (2-,3-,4-Fragment-Fraktur) 5 Neer VI: Luxationsfrakturen (vordere oder hintere Kopfluxation)

Klinik 4 starke Weichteilschwellung mit ausgedehntem Hämatom möglich (typischerweise nach 24–48 h, Migration des Hämatoms an der Innenseite des Armes herab) 4 Ruhe- und Bewegungsschmerz 4 Krepitation 4 Stufenbildung 4 Schonhaltung (adduziert, 90°-Flexion im Ellenbogengelenk) Begleitverletzungen: 4 Läsion von: 5 A. circumflexa humeri (! Cave Humeruskopfnekroserisiko, jedoch selten) 5 N. axillaris (Autonomiegebiet prüfen!) 5 Plexus brachialis 5 A. brachialis 4 > Memo Unbedingt DMS wegen möglicher Läsionen der A. circumflexa humeri (Humeruskopfnekroserisiko) und N. axillaris überprüfen.

Diagnostik 4 Röntgen: a.-p. und transskapulär 4 ggf. CT (bei Mehrteilefraktur oder V.a. intraartikuläre Beteiligung großzügige Indikation)

Therapie 4 konservativ (80% der Frakturen): 5 Indikation: geschlossene, nicht/gering dislozierte Frakturen (v.a. impaktierte Frakturen) 5 Desault- oder Gilchrist-Verband für 1 Woche, frühfunktionelle Krankengymnastik (pendeln) 5 Röntgenkontrolle zum Ausschluss einer sekundären Dislokation 4 operativ: Indikation: 5 Gelenkfrakturen 5 multifragmentäre Frakturen

183 1.2 · Unfallchirurgie

5 offene und/oder dislozierte Frakturen 5 Dislokation >5mm 5 Achsabweichung >45° 5 Luxationsfraktur 4 OP-Methode: 5 ORIF (open reduction, internal fixation): offene Reposition und osteosynthetische Versorgung J Zugangsweg: deltoideopektoraler Zugang oder Delta-Split (! Cave N. axillaris) 5 CRIF (closed reduction, internal fixation): J geschlossene Reposition und osteosynthetische Versorgung perkutan 5 Osteosynthesematerialien: J meist winkelstabile proximale Humerusplatten J intramedullärer Nagel J Kirschner-Drähte (KD) J Zuggurtungsosteosynthese und Verschraubung (v.a. bei Abrissfrakturen der Tuberculi) J endoprothetischer Ersatz bei Trümmerfrakturen 5 > Memo Vor allem bei osteoporotischem Knochen kann eine Osteosynthese bei Trümmerfrakturen versagen und eine Totalendoprothesenversorgung (eher Hemiprothese) nötig werden. Die Ergebnisse einer primären prothetischen Versorgung sind besser als ein sekundärer Gelenkersatz.

Komplikationen 4 Bewegungseinschränkung bis zur Bewegungsunfähigkeit (»frozen shoulder«): 5 bei zu langer Ruhigstellung Verklebung des Recessus axillaris und der Kapsel 4 Läsion des N. axillaris: 5 traumabedingt oder 5 intraoperativ (Wundhaken) 4 posttraumatische Arthrose 4 Humeruskopf- oder Rotatorenmanschettennekrose (v.a. bei Trümmeroder Luxationsfrakturen)

Prognose 4 variiert sehr stark zwischen den Frakturtypen 4 Impaktierte stabile Frakturen haben sehr gute Prognose (90% befriedigende Ergebnisse).

Humerusschaftfraktur Pathogenese 4 direkte oder indirekte Gewalt auf den Humerus 4 Frakturtyp abhängig von Pathogenese: 5 direkt: Quer-, Biegungs- oder Stückfrakturen 5 indirekt: Spiralfraktur mit oder ohne Drehkeil

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Klassifikation 4 nach Frakturtyp (nach AO): 5 A: einfach Fraktur 5 B: Biegungsfraktur 5 C: komplexe Fraktur

Klinik 4 bewegungsabhängige Schmerzen 4 sichere Frakturzeichen: 5 Achsabweichung 5 Krepitation 5 abnorme Beweglichkeit 5 Verkürzung des gesamten Armes 4 unsichere Frakturzeichen: 5 ausgedehntes Hämatom 5 Schwellung Begleitverletzungen: 4 Läsion des N. radialis in bis zu 10% der Fälle (kann traumaassoziiert, bei der Reposition oder sekundär durch Einmauerung in Kallusgewebe entstehen) 4 selten Läsion der A. brachialis 4 > Memo Fallhand als charakteristisches klinisches Zeichen einer begleitenden Läsion des N. radialis bei Humerusschaftfraktur.

Diagnostik 4 klinische Untersuchung: 5 DMS-Prüfung obligat 4 Röntgen in 2 Ebenen mit angrenzenden Gelenken (Schulter, Ellenbogen) 4 Angio-CT bei V.a. Gefäßverletzung

Therapie 4 konservativ (häufig!): 5 Desault- oder Gilchrist-Verband für 2–3 Wochen 5 danach Sarmiento-Brace (3–4 Wochen 4 Indikationen: 5 Achsabweichungen (bis 20° in Sagittalebene, 30° Varusfehlstellung) 5 Rotationsfehlstellungen (bis 30°) 4 operativ: Indikationen: 5 Gefäßverletzungen 5 offene Verletzungen (2. und 3. Grades) und Defektverletzungen 5 weitere Frakturen am betroffenen Arm (»Kettenfrakturen«/ «Etagenfrakturen«, Floating shoulder) 5 Polytrauma (beidseitige Humerusfrakturen) 5 drohende Hautperforation der Frakturelemente 5 sekundäre Radialisparese 5 fakultativ: primäre Radialisparese

185 1.2 · Unfallchirurgie

4 OP-Technik: 5 Zugangswege: J anterolateraler oder dorsaler Zugang nach Henry J medialer Zugang 5 Osteosyntheseverfahren: J Plattenosteosynthese: J antero- oder retrograder Verriegelungsnagel (nicht geeignet bei sehr distalen oder sehr proximalen Frakturen) J Fixateur externe (bei Polytrauma oder Kettenverletzung mit großem Weichteilschaden) 4 Therapie bei Kindern: 5 fast ausschließlich konservativ! 5 großes Korrekturpotenzial

Komplikationen 4 traumaassoziierte oder iatrogene Radialisparese 4 Pseudarthrose

Prognose 4 bedingt durch große Stabilität sehr gute Prognose (Schienung durch kräftigen Muskelmantel, rasche Kallusbildung) 4 gute Toleranz von Achsabweichungen (bis 30°)

Verletzungen im Bereich des Ellenbogengelenks Frakturen des distalen Oberarmes Pathogenese 4 Kindesalter: 5 suprakondyläre Extensionsfraktur durch indirektes Trauma (Sturz auf den ausgestreckten Arm, Biegemechanismus im Vordergrund) 5 Fraktur des Condylus radialis humeri 5 Abriss der ulnaren Apophyse 4 Erwachsenenalter: 5 sog. Y-Fraktur (Typ C nach AO) durch direktes Trauma (Sturz, Stoß, Schlag auf Ellenbogen, Stauchungsmechanismus im Vordergrund)

Klassifikation Einteilung nach Frakturtyp (nach AO): 4 A: extraartikuläre Fraktur 5 A1: Ausriss des Epicondylus humeri ulnaris 5 A2: suprakondyläre Fraktur 5 A3: suprakondyläre Mehrfragmentfraktur 4 B: intraartikuläre, unikondyläre Fraktur: 5 B1: Querfraktur 5 B2: Kondylenfraktur 5 B3: tangentiale Fraktur (ohne Condylus radialis) 4 C: intraartikuläre, bikondyläre Fraktur 5 C1: Y-Fraktur 5 C2: Y-Fraktur mit suprakondylärer Mehrfragmentfraktur 5 C3: Stauchungs-, Trümmerfraktur

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Klinik 4 starke Schwellung mit resultierender schmerzhafter Funktionseinschränkung 4 Schonhaltung in 90° Flexion im Ellenbogengelenk 4 Fehlstellung 4 Hämarthros 4 ggf. Sensibilitäts- und/oder Perfusionsstörungen Begleitverletzungen: 4 Läsion des N. ulnaris (v.a. bei Frakturen des Condylus und Epicondylus ulnaris) 4 Läsion von A. brachialis + N. radialis + N. medianus (sehr selten, v.a. bei suprakondylärer Humerusfraktur)

Diagnostik 4 klinische Untersuchung: 5 periphere DMS-Prüfung ist obligat 4 Röntgen: 5 in 2 Ebenen (beim Kind ggf. Vergleich mit gesunder Seite) 4 ggf. CT, MRT

Therapie 4 konservativ: Indikationen: 5 im Kindesalter: nicht bis gering dislozierte suprakondyläre Humerusfrakturen J Verfahren nach Blount Charnley: Fixierung des Ellenbogengelenks in maximaler Flexion, Hand in einer Halsschlinge (»cuff and collar«) für ca. 3 Wochen 5 im Erwachsenenalter: alle nichtdislozierten Frakturen J Ruhigstellung im Oberarmgips für 4–6 Wochen 4 operativ: Indikationen: 5 im Kindesalter: J jede nicht reponier- oder retinierbare Fraktur J dislozierte suprakondyläre Fraktur (»Rotationsnase«) J OP-Methode: möglichst geschlossene, anatomisch korrekte Reposition und Retention durch gekreuzte Kirschner-Drähte (! Cave N.-ulnaris-Läsion durch Einbringen des ulnarseitigen Kirschner-Drahtes) J dislozierte Abrissfraktur des Epicondylus humeri ulnaris J OP-Methode: offene Reposition mit anschließender KirschnerDraht-Spickung J Condylus-radialis-Frakturen: entspricht einer Epiphysenfraktur vom Typ Aitken III (= Salter IV) J ! Cave Ohne streng anatomische Reposition kommt es häufig zu schwerwiegenden Wachstumsstörungen 5 im Erwachsenenalter: Indikationen: J alle dislozierten Frakturen

187 1.2 · Unfallchirurgie

J OP-Methode: winkelstabile Rekonstruktionsplatten, (Zug-) Schrauben, Drähte J Zugangsweg: nach Frakturtyp von medial, lateral oder dorsal (größte Übersicht nach Olekranon-Osteotomie) möglich

Komplikationen 4 akut: 5 Kompartmentsyndrom (selten) 4 chronisch: 5 persistierende neuronale Schädigung (N. ulnaris, N. medianus, N. radialis) 5 Achsfehlstellung im Sinne eines Cubitus varus oder valgus (Kindesalter!) 5 Rotationsfehlstellung (v.a. bei suprakondylärer Humerusfraktur im Kindesalter) 5 Bewegungseinschränkungen im Ellenbogengelenk (oft auch trotz streng anatomischer Reposition) 5 periartikuläre Ossifikationen 5 Pseudarthrose 4 bei Kindern: 5 Schädigung der Epiphysenfuge mit Wachstumsstörungen

Luxationen im Ellenbogengelenk 4 Luxationen im Ellenbogengelenk zeigen sich zumeist als humeroulnare (häufig) oder humeroradiale Luxation (selten) 4 treten oft in Kombination mit begleitenden Verletzungen auf (vgl. Monteggia, Essex-Lopresti)

Humeroulnare Luxation Pathogenese 4 indirektes Trauma durch Sturz auf den ausgestreckten oder leicht gebeugten Arm mit zusätzlichem Valgus- oder Varus-Stress

Einteilung 4 häufig: dorsale Luxation oder dorsoradiale Luxation (90%) 4 selten: ventrale Luxation

Klinik 4 4 4 4

Konturveränderung im Ellenbogengelenk Schwellung federnde Fixation schmerzhafte Bewegungseinschränkung (fixierte Fehlstellung)

Begleitverletzungen: 4 Ruptur des humeroulnaren und humeroradialen Kollateralbandkomplexes 4 epikondyläre Abrissfrakturen (radial oder ulnar) 4 Frakturen des Proc. coronoideus, des Olekranons oder des Caput radii

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Überdehnung des N. ulnaris 4 Läsion der A. radialis

Diagnostik 4 Röntgen: 5 in 2 Ebenen (vor und nach der Reposition) 5 gehaltene Stressaufnahmen a.-p. (Varus und Valgus) zur Kollateralbanddiagnostik (eher klinische Einschätzung) 4 ggf. MRT 4 ggf. CT

Therapie 4 konservativ: 5 rasche Reposition in Analgesie (Kurznarkose: knöchern geführtes Gelenk!) durch Zug am Unterarm bei fixiertem Oberarm (Ellenbogengelenk 90°) 5 ggf. Druck auf proximales Unterarmende von dorsal, Überprüfung der Kollateralbandkomplexe 5 anschließend Röntgen (Stellungskontrolle, Ausschluss knöcherner Begleitverletzungen) 5 Ruhigstellung für 1–2 Wochen im Oberarmgips 4 operativ: Indikationen: 5 Abrissfraktur des Epicondylus humeri ulnaris (Begleitverletzung bei Kindern bei 60% der humeroulnaren Luxationen!) mit Dislokation >3 mm 5 Instabilität und große Reluxationstendenz 5 große, abgesprengte Knorpel-Knochen-Fragmente 5 Repositionshindernis, geschlossene Reposition nicht möglich 5 offene Frakturen 5 Gefäß- oder Nervenläsionen 5 Begleitfrakturen (Kettenfrakturen) 5 Kompartmentsyndrom 5 OP-Methode: J KD-Spickung/Verschraubung bei Abrissfrakturen J Fixateur externe bei großem Weichteilschaden/-schwellung J Kapsel-Band-Naht oder Kapselraffung medial und/oder lateral J Bewegungsfixateur bei komplexer Instabilität (4–6 Wochen) 5 Nachbehandlung: J Ruhigstellung für 3 Wochen im Oberarmgips bei Bandrekonstruktion

Komplikationen 4 periartikuläre Verknöcherung 4 Nervenläsionen (v.a. N. ulnaris) 4 persistierende Bewegungseinschränkungen (v.a. bei Luxationsfrakturen) 4 chronische mediale oder laterale Instabilität

189 1.2 · Unfallchirurgie

Subluxation des Radiusköpfchens Synonyme 4 4 4 4 4

Chassaignac-Lähmung Pronation douloureuse Pronatio dolorosa »pulled elbow« »nurse elbow«

Pathogenese 4 typische Verletzungen im Alter von 1–4 Jahre durch plötzlichen Zug am im Ellenbogen gestreckten und pronierten Arm (Hochreißen des Kindes durch Mutter) 4 Caput radii subluxiert nach anterior und klemmt das Lig. anulare radii am Capitulum humeri ein

Klinik 4 typische Schonhaltung des Armes in Pronationsstellung mit Beugedefizit

Diagnostik 4 Klinik entscheidend! 4 Röntgen zum Ausschluss ossärer Begleitverletzungen umstritten 4 > Memo Eine Chassaignac-Lähmung ohne knöcherne Begleitverletzungen ist eine rein klinische Diagnose und typischerweise im Röntgen nicht zu erkennen.

Therapie 4 nur konservativ: 5 Reposition unter Zug durch rasche passive Supination und Flexion (oder Extension) des Unterarms bei fixiertem Oberarm (sofortige Beschwerdefreiheit) 5 ggf. zusätzlich Druck durch Gegenhand auf Radiusköpfchen 5 keine Ruhigstellung nötig 5 bei Repositionsversagen OA-Gips in Supinationsstellung 5–10 Tage

Komplikationen 4 Resubluxation (5%)

Olekranonfrakturen Pathogenese 4 direktes Trauma (häufig): 5 Sturz auf gebeugtes Ellenbogengelenk 5 Schlag 4 indirektes Trauma (selten): Hebel- oder Biegemechanismus

Klassifikation 4 Einteilung nach Frakturtyp und Lokalisation (nach AO): 5 Typ A: extra- und intraartikuläre Abrissfrakturen im proximalen Drittel der Gelenkfläche

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

5 Typ B: Schräg- und Querfrakturen im mittleren Drittel der Gelenkfläche 5 Typ C: lange Schrägfrakturen, Frakturen mit lateraler Instabilität, Luxationsfrakturen 5 Typ D: Mehrfragment-, Trümmer-, Impressionsfrakturen

Klinik 4 tastbare Delle im Olekranonbereich (M. triceps brachii zieht proximales Fragment weit nach proximal) 4 Streckdefizit im Ellenbogengelenk 4 rasch einsetzende starke Schwellung 4 Schonhaltung

Diagnostik 4 klinische Untersuchung: 5 DMS prüfen 4 Röntgen in 2 Ebenen

Therapie 4 konservativ: 5 Oberarmgips in 60–80°-Flexion für 3–4 Wochen (selten) 5 Indikation: nichtdislozierte Frakturen (v.a. im Kindesalter) 4 operativ: 5 Abrissfrakturen: J Versorgung mit Zuggurtungsosteosynthese, > Memo Die Olekranonfraktur ist neben der Patellaquerfraktur die klassische Indikation für eine Zuggurtungsosteosynthese. J Zugschrauben 5 instabile Brüche und Trümmerfrakturen: J Plattenosteosynthese

Komplikationen 4 Pseudarthrose (10%) 4 posttraumatische Arthrose bei persistierender Gelenkstufe 4 Ulnarisirritation

Radiusköpfchen- und Radiushalsfrakturen Pathogenese 4 indirektes Trauma durch Sturz auf die Hand bei proniertem Unterarm und gestrecktem Arm im Ellenbogengelenk

Einteilung 4 Meißelfraktur 4 Trümmerfraktur des Radiusköpfchens 4 bei Kindern v.a. Knorpelläsionen und Radiushalsfraktur (30% der Fälle mit Epiphysenfugenbeteiligung)

191 1.2 · Unfallchirurgie

Klassifikation 4 Klassifikation der Radiusköpfchenfrakturen nach Mason (Typ1–4): 5 Typ 1: nichtdislozierte Frakturen 5 Typ 2: Frakturen mit Dislokation (inklusive Stauchung, Depression, Abknickung) 5 Typ 3: Mehrfragment- und Trümmerfrakturen mit Beteiligung des gesamten Kopfes 5 Typ 4: Luxationsfrakturen

Klinik 4 4 4 4

schmerzhafte Pro- und Supinationseinschränkung Druckschmerzhaftigkeit radialseitig am Ellenbogengelenk rasch einsetzende starke Schwellung Hämarthros

Begleitverletzungen: 4 Kombinationsverletzung Essex-Lopresti: Radiusköpfchenfraktur mit Ruptur der Membrana interossea und Dislokation im distalen Radioulnargelenk 4 Läsion des N. radialis profundus (Fingerstrecker) 4 Abriss des Proc. coronoideus 4 Innenbandaffektion

Diagnostik 4 Röntgen: 5 Ellenbogen und Hand in 2 Ebenen 5 Radiusköpfchenzielaufnahme (45°) 4 Sonographie: 5 Hämarthros? 5 Stufe? 5 Indikation zur Punktion? 4 ggf. CT: Indikation bei intraartikulären Brüchen großzügig

Therapie 4 im Kindesalter: 5 konservativ: J Ruhigstellung in Gipsschiene für 2 Wochen 5 allgemein sehr gutes Korrekturpotenzial für: J Achsenabweichungen in Frontal und Sagittalebene (10 Jahre bis zu 20°) J Seit-zu-Seit-Verschiebung bis zu ½ Schaftbreite (diese können ohne Intervention zur Ausheilung gebracht werden) 5 operativ (alle instabilen Frakturen sowie Frakturen mit Dislokation jenseits der genannten Obergrenzen müssen osteosynthetisch versorgt werden): J KD J Miniplatte

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 im Erwachsenenalter: 5 konservativ: J dorsale Oberarmschiene in 90°-Flexion für 1–2 Wochen J ggf. mit Punktion eines Hämarthros J frühfunktionelle Beübung 5 Indikationen: nichtdislozierte Frakturen (Mason 1) 5 operativ: Indikationen: J intraartikuläre Stufenbildung >1 mm J Fragmentgröße >1/3 des Radiusköpfchens J Trümmerfrakturen 5 OP-Methode: J Osteosynthese mit Mini-Schrauben oder -Platten J endoprothetischer Ersatz des Radiusköpfchens bei kompletter Zertrümmerung (ist der Resektion vorzuziehen um radiale Länge wiederherzustellen)

Komplikationen 4 persistierende Bewegungseinschränkung (Pro- und Supination, Extensionsdefizit im Ellenbogengelenk) 4 Arthrose im Humeroradialgelenk 4 Wachstumsstörungen bei Frakturen mit Beteiligung der Epiphysenfuge 4 Ulna-Impaktion-Syndrom am Handgelenk bei Radiusköpfchenresektion

Prognose 4 abhängig von Frakturtyp 4 Mason 1 sehr gut

Unterarmfrakturen und distale Radiusfrakturen Isolierte Fraktur des Radius- oder Ulnaschaftes Definition 4 nur ein Knochen des Unterarmes ist gebrochen, der zweite ist unverletzt

Pathogenese 4 meistens Schutzfunktion des Armes als Parierverletzung 4 Biege- und Torsionseinwirkung 4 bei Radiusschaftfrakturen auch Stauchungseinwirkung möglich

Klassifikation Einteilung nach Frakturtyp und Lokalisation im diaphysären Unterarmbereich (AO-22) 4 Typ A: 5 A1: isolierte Radiusschaftfraktur 5 A2: isolierte Ulnaschaftfraktur 4 Typ B: 5 B1: isolierte Radiusschaftfraktur mit ausgesprengtem Biegungskeil 5 B2: isolierte Ulnaschaftfraktur mit ausgesprengtem Biegungskeil

193 1.2 · Unfallchirurgie

Klinik 4 4 4 4 4

Schwellung häufig nur geringe oder keine Fehlstellung Schmerzen Funktionseinschränkung ggf. Weichteilverletzung

Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Röntgen: 5 Unterarm mit Ellenbogen- und Handgelenk in 2 Ebenen

Therapie 4 Kindesalter (selten, meist Unterarmfraktur, Monteggia-Verletzung nicht übersehen!): 5 konservativ: J Ruhigstellung im Oberarmgips, Zeitdauer in Abhängigkeit vom Alter J bei Grünholzfrakturen (Kortikalis konvexseitig frakturiert, konkavseitig angebrochen): Kortikalis sollte in Narkose gegenfrakturiert werden, insbesondere bei Bowing frakture = gebogene Grünholzfraktur ohne sichtbaren Frakturspalt 5 operativ bei instabiler Fraktursituation: J ESIN: elastisch stabile intramedulläre Nagelung 4 Erwachsenenalter: 5 konservativ (dorsale Oberarmschiene in 90°-Flexion für 6 Wochen), bei gesicherten Parierfrakturen der Ulna auch im UnterarmBrace (= angefertigte stabile Kunststoffmanschette) 5 Indikationen: nichtdislozierte Frakturen 5 operativ: Indikationen: J Dislokation von mehr als Kortikalisbreite (relative Indikation) J Mehrfragmentfrakturen J Wunsch nach frühfunktioneller Behandlung 5 OP-Methode: J Implantat der Wahl: KFI (Kleinfragmentinstrumentarium) J interfragmentäre Zugschraube (falls möglich) J LCDCP (low compression deep contact plate) J bei kritischer Weichteilsituation Fixateur externe

Unterarmschaftfrakturen Pathogenese 4 4 4 4

Rasanztrauma häufig Unfälle im Straßenverkehr Sturz aus großer Höhe erhebliche Stauchungs-, Biege-, und Torsionseinwirkung mit kombinierter Fraktur von Radius und Ulna im metaphysären Bereich

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Inzidenz 4 ca. 6% aller Frakturen im Kindesalter 5 davon bis zu 25% Grünholzfrakturen 5 Altersgipfel bei Kindern zwischen 8. und 12. Lebensjahr 4 Altersgipfel bei Erwachsenen ca. 40. Lebensjahr 4 Dominanz des männlichen Geschlechts und des linken Arms

Klinik 4 4 4 4 4 4 4 4

häufig instabile Verletzung Schwellung Fehlstellung Funktionseinschränkung Schmerzen Weichteilverletzung (ca. 7% 1° offen) Nervenläsion (15%) bei proximalen Radiusfrakturen 5 mögliche Schädigung des N. radialis mit Fallhand 5 Sehnenverletzung (4%) 5 Gefäßzerreißung (1%)

Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Röntgen: 5 Unterarm mit Ellenbogen- und Handgelenk in 2 Ebenen

Klassifikation Einteilung nach Frakturtyp und Lokalisation nach AO-22 im diaphysären Unterarmbereich: 4 Typ A: 5 A3 = Querfraktur Radiusschaft und Ulnaschaft 4 Typ B: 5 B3: Radiusschaftfraktur und Ulnaschaftfraktur mit ausgesprengtem Biegungskeil 4 Typ C: 5 C1: Radiusschaft einfach frakturiert, Ulna mehrfragmentär 5 C2: Radiusschaftstückbruch, Ulnaschaft einfach 5 C3: Radius- und Ulnaschaft mehrfragmentär

Therapie 4 > Memo Notfallindikation bei instabilen Verletzungen, hohes Kompartmentrisiko, hohes Risiko für Nervenläsion. 4 im Kindesalter: 5 konservativ: J Ruhigstellung in Oberarmgipsschiene für 3–4 Wochen je nach Stellung und Alter J notfallmäßige Versorgung in Anästhesie bei Abkippung >30° J bei sekundärer Dislokation Gipskeilung am 8.Tag bis zu 20° möglich

195 1.2 · Unfallchirurgie

J bei Grünholzfrakturen immer Frakturierung der Gegenkortikalis in Narkose erforderlich, sonst hohes Risiko für eine Refraktur (25–30%) J eine »bowing fracture« hat kaum Spontankorrekturpotenzial 5 operativ: J meist geschlossene Reposition und ESIN J Materialentfernung nach 3 Monaten J bei Repositionshindernis ORIF 4 im Erwachsenenalter: 5 operativ: J ORIF, Implantat der Wahl: KFI (Kleinfragmentinstrumentarium) J interfragmentäre Zugschraube (falls möglich) J LCDCP (Low compression deep contact plate) J Fixateur externe bei Polytrauma oder ausgeprägtem Weichteilschaden 5 OP-Technik: J 2 separate Zugänge J Hautbrücke von mind. 5 cm, sonst erhöhte Inzidenz von Brückenkallus J bei proximalen Unterarmschaftfrakturen ist ein gemeinsamer Zugang gelegentlich notwendig, Ulna zuerst reponieren und zumindest temporär stabilisieren. (»Sei helle, nimm die Elle.«) 5 ! Cave Proximal Schädigung des tiefen Astes des N. radialis direkt oder durch Druckläsion, distal Läsion des R. superficialis n. radialis 5 postoperativ: J keine Pro-/Supination für 6 Wochen J ggf. Oberarmgipsschiene erforderlich J Physiotherapie für Extension/Flexion im Ellbogen und Handgelenk

Komplikationen 4 persistierende Bewegungseinschränkung bei Pro- und Supination, Extensions- und Flexionsdefizit im Ellenbogen- und Handgelenk möglich 4 Brückenkallus 4 Synostosen (2%) 4 persistierende Nervenläsion 4 Pseudarthrose 4 Refraktur (bis zu 22%) 5 ungeeignetes Implantat 5 vorzeitige Metallentfernung (Materialentfernung bei Erwachsenem frühestens nach 18 Monaten)

Monteggia-Frakturen Pathogenese 4 Sturz auf den extendierten, im Unterarm pronierten Arm mit resultierender Fraktur des Ellenschaftes 4 Zerreißung der Membrana interossea und des Lig. anulare 4 Luxation des Radiusköpfchens

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Klinik 4 4 4 4 4 4

deutliche Schwellung Fehlstellung des Ellenbogens und proximalen Unterarms Funktionseinschränkung im Ellenbogen- und Handgelenk ausgeprägte Schmerzen häufig Irritation N. radialis ggf. Weichteilverletzung

Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Röntgen: 5 Unterarm mit Ellenbogen- und Handgelenk in 2 Ebenen

Klassifikation 4 nach Bado (Typ1–4): 5 Typ 1: anteriore Dislokation prox. Radius, Ulnaschaft mit ant. Angulation 5 Typ 2: posteriore Dislokation d. prox. Radius, Ulnaschaft mit post. Angulation 5 Typ 3: laterale Dislokation des prox. Radius, metaphysäre Ulnaschaftfraktur 5 Typ 4: anteriore Dislokation des prox. Radius, Ulnaschaftfraktur mit Radiusschaftfraktur 4 > Memo Notfallindikation, Luxationsverletzung, hohes Kompartmentrisiko, hohes Risiko für Nervenläsion.

Therapie 4 im Kindesalter: 5 operativ: J meist geschlossene Reposition des Radiusköpfchens J Ulna ORIF J ggf. ESIN J Oberarmgipsschiene für 3–4 Wochen 4 im Erwachsenenalter: 5 geschlossene (ggf. offene) Reposition des Radiusköpfchens 5 ggf. Naht des Lig. anulare 5 ORIF der Ulnafraktur mit LCDCP 5 Oberarmgipsschiene 4 postoperativ: 5 Physiotherapie

Galeazzi-Frakturen Pathogenese 4 4 4 4 4 4

Sturz auf die Hand Verkehrsunfälle Radiusschaftfraktur im distalen Drittel Luxation der Ulna im DRUG (distales Radioulnargelenk) häufig Riss der Membrana interossea evtl. Abriss des Proc. styloideus ulnae

197 1.2 · Unfallchirurgie

Klinik 4 4 4 4 4

deutliche Schwellung Fehlstellung im Handgelenk und distalen Unterarm Funktionseinschränkung im Ellenbogen- und Handgelenk ausgeprägte Schmerzen ggf. Weichteilverletzung

Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Röntgen: 5 Unterarm mit Ellenbogen- und Handgelenk in 2 Ebenen

Inzidenz 4 3–7% aller Unterarmfrakturen

Therapie 4 operativ mit relativer Notfallindikation: 5 geschlossene (ggf. offene) Reposition des DRUG 5 ORIF der Radiusfraktur mit LCDCP 5 ggf. Transfixation des DRUG für 6 Wochen Oberarmgipsschiene 4 postoperativ: 5 Physiotherapie: Extension/Flexion 5 keine Pronation/Supination für 6 Wochen

Komplikationen 4 4 4 4

persistierende Bewegungseinschränkung bei Pro- und Supination Extensionsdefizit im Handgelenk chronische Instabilität sekundäre Arthrose im DRUG

Essex-Lopresti-Verletzung Pathogenese 4 meist Rasanztraumen 4 Radiusköpfchenfraktur mit Zerreißung der Membrana interossea und resultierender Instabilität im PRUG (proximales Radioulnargelenk) und Verletzung des DRUG

Diagnostik 4 4 4 4 4

klinische Untersuchung Röntgen Unterarm mit Ellenbogen- und Handgelenk 2 Ebenen ggf. MRT ggf. Sonographie (Hämatom d. Membrana interossea) > Memo 25% der Essex-Lopresti-Verletzungen werden initial übersehen.

Klinik 4 Radius nach proximal disloziert 4 ulnokarpales Impingement 4 radiale Deviation der Hand

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Klassifikation 4 nach Edwards und Jupiter (1998): 5 Typ 1–3

Therapie 4 operativ: 5 Rekonstruktion des PRUG 5 Transfixation des DRUG für 6 Wochen mit K-Drähten 5 Oberarmgipsschiene für 6 Wochen, hieraus Physiotherapie für Extension und Flexion

Komplikationen 4 Arthrose im PRUG 4 chronische Instabilität und sekundäre Arthrose im DRUG

Distale Radiusfrakturen Pathogenese 4 Sturz auf die Hand 4 Bruch des distalen Speichenendes 4 häufig in Kombination mit einer distalen Ulnafraktur (distale Unterarmfraktur) 4 > Memo Stellung der Hand beim Unfallereignis bestimmt den Frakturtyp (Einteilung nach Dislokationsrichtung): 5 dorsalextendierte Hand → Extensionsfraktur Typ Colles 5 palmarflektierte Hand → Flexionsfraktur Typ Smith.

Inzidenz 4 häufigste Fraktur im Erwachsenenalter (25% aller Frakturen mit ca. 290 Frakturen pro 100.000 Einwohner pro Jahr) 4 Geschlechtsverteilung: w:m = 3,2:1

Klinik 4 4 4 4 4 4 4

Schwellung häufig Hämatom Fehlstellung und Funktionseinschränkung im Handgelenk Schmerzen ggf. Weichteilverletzungen ggf. Sensibilitätsminderung Dislokation: 5 zur Streckseite: Fourchette-Stellung 5 zur Radialseite: Bajonett-Stellung

Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Röntgen: 5 Handgelenk in 2 Ebenen 4 bei intraartikulären Frakturen ggf. CT: 5 Klärung, ob zusätzlich ligamentäre Verletzungen oder Handwurzelfrakturen vorliegen

199 1.2 · Unfallchirurgie

Instabilitätszeichen: 4 Knochendefekte/Trümmerzone 4 Dorsalabkippung primär >20° 4 Volarkippung des distalen Fragments 4 volare und dorsale Kantenfragmente 4 Ulnavorschub >0,75 cm 4 Abriss Proc. styloideus ulnae 4 Stufenbildung in der Gelenkfläche

Klassifikation 4 nach der Dislokationsrichtung: 5 Extensionsfraktur = Typ Colle 5 Flexionsfrakturen = Typ Smith 4 nach AO 23 Typ A–C: 5 Typ A: extraartikuläre Frakturen J A1: Ulna frakturiert, Radius intakt J A2: Radius einfach, extraartikulär J A3: Radius extraartikulär, mehrfragmentär 5 Typ B: partielle Gelenkfraktur J B1: in der Sagittalebene = Chauffeurfraktur J B2: dorsales Kantenfragment = Barton J B3: volares Kantenfragment = reverse Barton 5 Typ C: vollständige Gelenkfraktur J C1: artikulär einfach, metaphysär einfach J C2: artikulär einfach, metaphysär mehrfragmentär J C3: artikulär und metaphysär mehrfragmentär 4 nach Melone: Typ1–5 (Lokalisation der Frakturfragmente) 4 nach Frykman: Typ 1–8 (extra- und intraartikuläre Frakturen unter Berücksichtigung des DRUG 4 zahlreiche weitere Klassifikationen

Therapie 4 konservativ: 5 stabile, nichtdislozierte Verletzungen: J Gipsruhigstellung für 4–6 Wochen J je nach Fraktur dorsale oder volare Unterarmgipsschiene bzw. zirkulärer Unterarmgips oder Cast. J Mittelhandköpfchen bleiben volar frei, der Gips reicht bis zum proximalen Unterarm J die Fingermotorik und Ellenbogenbeweglichkeit dürfen durch den Gips nicht eingeschränkt sein J zirkulieren des Gipses abhängig von Fraktur und Schwellsymptomatik 5 dislozierten Frakturen: J Reposition im Mädchenfänger unter Bruchspaltanästhesie oder Handblock J Anlage eines Repositionsgips

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

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J i.v. Zugang und ausreichende Analgetikagabe erforderlich J ! Cave Brüske Repositionsmanöver und Schmerzen erhöhen das Risiko für ein CRPS. operativ: 5 überwiegend im Verlauf erforderlich OP-Verfahren und Indikationen: 5 Kirschner-Drähte (z.B. nach Kapandji): J junge Patienten (65 J.) J Extensionsfrakturen J extraartikuläre Frakturen Typ A2 und A3 J ggf. intraartikuläre Frakturen bei kritischer Weichteilsituation, zusätzlich Gipsruhigstellung erforderlich 5 Fixateur externe (Anlage vom MHKII bis zum distalen Radiusschaft): J bei offenen Verletzungen J ausgeprägter Schwellsymptomatik J in Kombination mit Plattenosteosynthese und/oder K-Drähten J Fixateur maximal für 6 Wochen (! Cave Pin-Lockerung und Pin-Infekt in ca. 4–21% der Fälle, CRPS in 6%, Fraktur im PinBereich, Korrekturverlust) 5 volare winkelstabile Plattenosteosynthese: J A2,A3, B2, B3, C1–3 ggf. in Kombination mit weiteren Verfahren 5 dorsale winkelstabile Plattenosteosynthese: J bei ausgeprägter dorsaler Trümmerzone J bzw. dorsalen Gelenkfragmenten erforderlich 5 Schraubenosteosynthese: J bei B1-Frakturen »Chauffeurfraktur« OP-Zugang: 5 volare radiale Längsinzision 5 Leitstruktur ist der M. flexor carpi radialis 5 der M. pronator quadratus wird radial abgelöst und ulnarwärts abgeschoben Nachbehandlung: 5 auch bei Platten- und Schraubenosteosynthese ggf. Gipsruhigstellung erforderlich, z.B. bei Osteoporose 5 sofortige Beübung der Finger 5 Therapie für das Handgelenk aus dem Gips heraus fast immer möglich

Komplikationen 4 nach konservativer und operativer Therapie: 5 sekundärer Repositionsverlust 5 CRPS 5 persistierende Bewegungseinschränkung im Handgelenk 5 Hämatom 5 Infektion 5 Verletzung des N. medianus oder der A. radialis

201 1.2 · Unfallchirurgie

5 postoperatives CTS (Karpaltunnelsyndrom) 5 Implantatversagen 4 > Memo Radiologisches Ergebnis und klinische Funktion zeigen oft eine große Diskrepanz am distalen Radius.

1.2.3

Verletzungen der Wirbelsäule B. Schmidt-Rohlfing, P. Kobbe

4 Behandlungsziele von Wirbelsäulenverletzungen: 5 Wiederherstellung der normalen Anatomie und einer möglichst schmerzfreien und optimalen Funktion 5 Verhinderung einer sekundären Rückenmarkschädigung bei instabilen Verletzungen 5 rasche Mobilisation der Patienten 5 Erzielen einer ausreichenden Stabilität durch die operative Versorgung (sofern erforderlich)

Epidemiologie 4 überwiegend Hochenergieverletzungen (Sturz aus großer Höhe, Verkehrsunfälle): 5 hoher Anteil bei schwerstverletzten Patienten (Polytrauma) 5 häufig Flexions-Extensions-Mechanismus der Wirbelsäule 4 davon abzugrenzen: Frakturen durch minimale Krafteinwirkung bei vorgeschädigtem Knochen (pathologische Frakturen v.a. bei Osteoporose) 4 bei bis zu 20% aller Wirbelsäulenverletzten muss mit einer neurologischen Symptomatik gerechnet werden (HWS > BWS > LWS) 4 Altersgipfel: 20.–40. Lebensjahr 4 pathologische Frakturen bei älteren Patienten (>60 J.)

Diagnostik 4 klinische und bildgebende Diagnostik: ! Cave Während der gesamten klinischen und bildgebenden Diagnostik muss die Wirbelsäule des Patienten durch Stiff-Neck und konsequente En-Bloc-Lagerung geschützt werden, bis eine Wirbelsäulenverletzung sicher ausgeschlossen werden kann 4 Anamnese: 5 erste Hinweise auf Verletzungsmuster: J Hochrasanztrauma J Absturz aus größerer Höhe 4 Untersuchungsablauf: unterscheidet sich in Abhängigkeit der Verletzungsschwere grundsätzlich: 5 beim polytraumatisierten Patienten zunächst die Vitalfunktionen sichern (ABC-Schema) 5 bei Monoverletzung der Wirbelsäule: gezielte Abklärung 4 Untersuchung am wachen Patienten: 5 Schmerzangabe 5 Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

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5 Kompressionsschmerz 5 Inspektion: J Kontusionsmarken J Hämatome (Morell-Lavalle-Syndrom) J offene Verletzung 5 orientierende neurologische Untersuchung Untersuchung beim nichtansprechbaren Patienten (erst nach Sicherung der Vitalfunktionen!): 5 Alignment der Dornfortsätze (Stufenbildungen) 5 Inspektion: J Kontusionsmarken J Hämatome (Morell-Lavalle Syndrom) J offene Verletzung 5 orientierende neurologische Untersuchung nicht möglich 5 großzügige Indikation zur radiologischen Abklärung 5 bei polytraumatisierten Patienten frühzeitige Indikation zum Ganzkörper-CT (Traumaspirale) radiologische Standarddiagnostik: Nativaufnahmen in 2 Ebenen 5 im seitlichen Strahlengang: J Einbrüche der Deckplatten/Wirbelkörper (Höhenminderung) J unregelmäßige Distanzen in der Dornfortzreihe J Abweichen von der physiologischen zervikalen Lordose, thorakalen Kyphose und lumbalen Lordose 5 im a.-p. Strahlengang: J skoliotische Achsabweichungen J Änderung der Ausrichtung der Dornfortsatzreihe J symmetrische Darstellung der Bogenwurzeln erweiterte nativ-radiologische Aufnahmen: 5 Dens-Zielaufnahme J symmetrischer Abstand zur Massa lateralis des Atlas 5 Schwimmer-Aufnahme J bessere Darstellung der unteren HWS durch Hochlagerung des Armes 5 Ziel-Aufnahme thorakolumbaler Übergang J bessere Darstellung des thorakolumbalen Übergangs 5 Funktionsaufnahmen der HWS unter Bilderverstärkerkontrolle: J dynamische Aufnahme der HWS zeigt eine vermehrte Aufklappbarkeit bei Flexions-/Extensionsbewegungen bei diskoligamentärer Instabilität (nur beim wachen und kooperativen Patienten durchführen) erweiterte radiologische Diagnostik: 5 Computertomographie: J ermöglicht multiplanare Rekonstruktionen und oftmals erst die eigentliche Diagnose (insbesondere im thorakalen Abschnitt sind die Nativaufnahmen mitunter schwierig zu interpretieren) J gilt als Basisdiagnostik bei komplizierten Verletzungen (etwa zur Beurteilung des Ausmaßes der Hinterkantenbeteiligung) J zur besseren OP-Planung

203 1.2 · Unfallchirurgie

5 Kernspintomographie (MRT): J knöcherne Strukturen werden im CT grundsätzlich besser abgebildet J nur bei speziellen Fragestellungen und als Komplementärverfahren zur CT-Untersuchung J bei V.a. diskoligamentäre Verletzungen (insbesondere HWS) J indiziert bei progredienter Neurologie nach Trauma J evtl. bei Kindern zum Ausschluss einer WS-Verletzung (Vermeidung der Strahlenbelastung) J indiziert bei pathologischen Fraktur zur Abschätzung des Tumorbefalls (insbesondere auch in den angrenzenden Weichteilen)

Klassifikation 4 in Abhängigkeit von der Funktion und Anatomie, verletzungsspezifischer Kriterien und operativer Zugangswege Unterteilung in Verletzungen: 5 obere Halswirbelsäule 5 mittlere und untere Halswirbelsäule 5 Brustwirbelsäule 5 thorakolumbaler Übergang (Th11–L2) 5 Lendenwirbelsäule 4 am häufigsten betroffen: 5 thorakolumbaler Übergang, wo die rigide Brustwirbelsäule in die mobilere Lendenwirbelsäule übergeht (insbesondere die Wirbelkörper Th12 und L1) 4 in Abhängigkeit von den verletzten Strukturen sind zu unterscheiden: 5 knöcherne Verletzungen (am häufigsten) 5 diskoligamentäre Verletzungen (häufiger im Bereich der HWS, selten im Bereich der BWS und LWS) 5 neuronale Begleitverletzungen (Myelon, Cauda equina, Nervenwurzeln); insgesamt selten, dann aber oft mit schwerwiegenden Folgen 5 Kombinationen dieser Verletzungen sind keineswegs selten 5 SCIWORA (Spinal Cord Injury Without Radiographic Abnormality): J neurologische Ausfälle nach Verletzungen ohne entsprechende nativradiologische oder CT-graphische Korrelate; am ehesten bei Kindern mit noch sehr elastischen knöchernen und diskoligamentären Strukturen Frakturklassifikationen: 4 Die im Folgenden aufgeführten Frakturklassifikationen gelten nur für Verletzungen der 5 mittleren und unteren Halswirbelsäule 5 Brustwirbelsäule 5 Lendenwirbelsäule 4 > Memo Verletzungen der oberen Halswirbelsäule lassen sich aufgrund der von der restlichen Wirbelsäule abweichenden Anatomie mit diesen Klassifikationen nicht erfassen.

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 3-Säulen-Modell (Denis): 5 vordere Säule mit Lig. long. ant. mit vorderer Hälfte des Wirbelkörpers 5 mittlere Säule mit Lig. long. post., hinterer Hälfte des Wirbelkörpers mit Bandscheibe 5 hintere Säule mit Facettengelenken, Wirbelbogen, hinterer Ligamentkomplex 4 als instabil(er) gelten: 5 die Verletzung der mittleren Säule 5 eine Kombination von Verletzungen mehrerer Säulen 4 Klassifikation nach Magerl (1994), aufbauend auf dem 3-Säulen-Modell (in Europa am weitesten verbreitet): 5 A-Verletzungen: Kompressionsbrüche (hintere Säule dabei unverletzt) 5 B-Verletzungen: Flexions-Distraktions-Verletzungen (gekennzeichnet durch Zerreißungen des dorsalen Bandapparates bzw. der knöchernen Strukturen) 5 C-Verletzungen: Rotationsverletzungen (Dornfortsätze stehen auf der a.-p. Aufnahme nicht mehr in einer Reihe) 4 Frankel-Schema zur Einteilung von Rückenmarkverletzungen (A–E): 5 A: komplette Lähmung 5 B: sensorische Funktion unterhalb der Verletzungshöhe vorhanden bei komplettem motorischem Querschnitt 5 C: inkomplette motorische Funktion unterhalb der Verletzungshöhe (1–2/5) 5 D: mittlere bis gute motorische Funktion unterhalb der Verletzungshöhe (3–4/5) 5 E: normale Funktion (5/5)

Verletzungen der HWS 4 Anatomisch unterscheidet sich die obere Halswirbelsäule 5 mit den Hinterhauptkondylen (C0) 5 dem Atlas (C1) sowie 5 dem Axis (C2) 4 von den restlichen 5 Halswirbeln (C3–7) 4 Verletzungen der Halswirbelsäule werden unterteilt in Verletzungen 5 der oberen sowie 5 mittleren und unteren Halswirbelsäule 4 ! Cave Bei Verdacht auf eine HWS-Verletzung sollte primär immer ein Stiff-Neck zur Immobilisation angelegt werden 4 Klassischer Unfallmechanismen für HWS-Verletzungen: 5 Hyperflexions-/Hyperextensionsverletzung durch die Schwerkraft des Kopfes 5 axiale Stauchungsverletzungen (z.B. Kopfsprung in niedriges Schwimmbecken)

205 1.2 · Unfallchirurgie

Allgemeine Verletzungen der HWS HWS-Distorsion Definition 4 stabile Verletzung ohne knöcherne oder ligamentäre Beteiligung

Diagnostik 4 Anamnese (häufig PKW-Auffahrunfall) 4 Röntgen: 5 HWS in 2 Ebenen und 5 Dens-axis-Zielaufnahme 4 erweitere radiologische Diagnostik nur bei klinischem oder radiologischem Verdacht auf eine Fraktur oder diskoligamentäre Verletzung

Therapie 4 orale Schmerztherapie 4 Ruhigstellung der HWS in einer Halskrawatte ist umstritten (führt zur schnellen Atrophie der Halsmuskulatur)

Querfortsatz- und Dornfortsatzfrakturen Definition 4 isolierte Querfortsatz- oder Dornfortsatzfrakturen sind als stabile Frakturen zu werten

Diagnostik 4 Röntgen 4 CT: 5 bei nativ-radiologischem Nachweis einer Querfortsatz- oder Dornfortsatzfraktur zum Ausschluss weiterer Verletzungen 4 Angio-CT: 5 bei Querfortsatzfrakturen zum Ausschluss einer Verletzung der A. vertebralis mit Kontrastmittel

Therapie 4 orale Schmerztherapie 4 bei Bedarf Ruhigstellung in einer Halskrawatte

Diskoligamentäre Verletzungen Definition 4 instabile Verletzung der Wirbelsäule mit Verletzung der Bandstrukturen und der Bandscheibe

Diagnostik 4 nativ-radiologisch und CT 5 Verletzungen meist nur durch indirekte Zeichen zu erkennen (z.B. Versatz im Alignement, Teardrop-Fraktur der bandscheibennahen Vorderkante) 4 MRT 5 diagnostisches Mittel der Wahl zum Nachweis von

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

J Einblutungen J zerstörten Bandscheiben J zerstörten Bandstrukturen

Therapie 4 operativ (hochinstabile Verletzungen, die operativ versorgt werden müssen) 5 in der Akutphase: J Immobilisation durch Halo-Fixateur 5 im Verlauf: J Spondylodese durch ventrale Plattenosteosynthese J ggf. in Kombination mit Beckenkammspan oder Cage

Spezifische Verletzungen der oberen Halswirbelsäule 4 20% der HWS-Verletzungen

Verletzungen der Okzipitalkondylen 4 meist stabile Verletzungen

Klassifikation 4 nach Jeanneret in Typ I–IV

Diagnostik 4 nativ-radiologisch (kaum zu diagnostizieren) 4 CT (Methode der Wahl)

Therapie 4 stabile Fraktur: 5 Ruhigstellung mittels Zervikalstütze 4 instabile Fraktur 5 Halo-Fixateur für 4–6 Wochen

Atlantookzipitale Dislokation 4 seltene, hochinstabile Verletzung 4 verläuft meist innerhalb der ersten Stunden tödlich

Diagnostik 4 nativ-radiologisch: 5 in der seitlichen Aufnahme am Versatz des Okziputs zur Halswirbelsäule zu erkennen

Therapie 4 notfallmäßig Anlage eines Halo-Fixateurs 4 definitive Versorgung durch Spondylodese C0–1

Atlas-Frakturen 4 meist stabile Verletzungen

207 1.2 · Unfallchirurgie

Klassifikation 4 nach Gehweiler: 5 Typ III ist die Jefferson-Fraktur: J meist eine instabile Verletzung durch Fraktur des vorderen und hinteren Atlasbogens

Diagnostik 4 nativ-radiologisch: a.-p. Aufnahme: 5 Vergrößerung des Abstandes der Massae laterales auf >7 mm vom Dens axis spricht für eine instabile Atlas-Fraktur 4 CT: Methode der Wahl

Therapie 4 Ruhigstellung mittels Zervikalstütze (stabile Fraktur) 4 dorsale Spondylodese C1/C2 durch Magerl-Verschraubung bei instabilen Frakturen

Atlantoaxiale Luxation 4 instabile Verletzung 4 entsteht häufig aufgrund einer vorderen, bilateralen Bogenfraktur des Atlas und additiver Zerreißung des Lig. transversum

Diagnostik 4 nativ-radiologisch: seitliche Aufnahme 5 Vergrößerung des Abstandes des vorderen Atlasbogens vom Dens >3–4 mm 4 CT: Methode der Wahl

Therapie 4 notfallmäßige Anlage eines Halo-Fixateurs 4 definitive Versorgung durch Spondylodese C1–2 durch Magerl-Verschraubung

Dens-axis-Frakturen Einteilung 4 nach Anderson und D’Alonso: 5 I (Spitze) 5 II (mittig) 5 III (Basis)

Diagnostik 4 Röntgen: 5 HWS in 2 Ebenen 5 Dens-axis-Zielaufnahme 4 CT: zur Diagnosesicherung und OP-Planung 4 ! Cave Ein knöcherner Ausriss der Lig. alaria im Rahmen einer atlantookzipitalen Dislokation (instabile Situation) sollte durch CT sicher ausgeschlossen werden

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Therapie 4 Typ I: meist stabil 5 operativ schwierig zu adressieren, da kleines Fragment 5 Aspen-Collar für 6 Wochen 4 Typ II: 5 operative Versorgung durch 2 von ventral eingebrachte kanülierte Schrauben (trotz operativer Versorgung kommt es in einigen Fällen zur Ausbildung von straffen Pseudarthrosen) 4 Typ III: sind im engeren Sinne keine Dens-Frakturen sondern Wirbelkörper-Frakturen 5 meist stabil, deshalb Aspen-Collar für 6 Wochen

Traumatische Spondylolisthese des Axis (»Hangman’s fracture«) Definition 4 beidseitige C2-Bogenfraktur

Einteilung 4 nach Effendi in Typ I–III

Diagnostik 4 Röntgen: 5 nativ-radiologisch nur bei Dislokation C2/C3 gut zu erkennen 4 CT: Methode der Wahl

Therapie 4 Typ I: stabile Verletzung (beidseitige C2-Bogenfraktur ohne Dislokation; Bandstrukturen intakt): 5 konservative Therapie im Aspen-Collar für 6 Wochen 4 Typ II: instabile Verletzung (beidseitige C2-Bogenfraktur mit Zerreißung der Bänder und des Diskus C2/C3 und dadurch Dislokation C2/C3): 5 notfallmäßige Behandlung im Halo-Fixateur 5 definitive Versorgung durch ventrale Spondylodese C2/C3 4 Typ III: wie Typ II jedoch zusätzliche Luxation C2/C3 in den Facettengelenken

Spezifische Verletzungen der mittleren und unteren Halswirbelsäule Einteilung 4 Einteilung der Verletzung der mittleren und unteren HWS (C3–7) entspricht der nach der AO/Magerl 4 häufigste Verletzungshöhe: Segment C5/C6 sowie C6/C7

Diagnostik 4 Röntgen 5 bei nativ-radiologischen Aufnahmen immer auf eine komplette Abbildung der HWS achten (! Cave Häufig ist der HWK 7 nicht korrekt abgebildet) 5 ggf. Schwimmer-Aufnahmen anfertigen

209 1.2 · Unfallchirurgie

Therapie 4 konservativ: Indikation: 5 A-Verletzungen nach Magerl, wenn Bandscheibe intakt und Keilwirbelbildung 10° 5 alle B- und C-Verletzungen J ventrale Spondylodese mit kortikalem Beckenkammspan

Verletzungen der Brust- und Lendenwirbelsäule 4 Grundsätzlich daran denken: 5 Verletzungen der BWS gehen regelmäßig mit schweren Thoraxverletzungen einher 5 bei Verletzungen der LWS an abdominelle Verletzungen und mögliche Beckenfrakturen denken

Therapie 4 konservativ (Mehrzahl der Wirbelsäulenverletzungen): 5 kurzfristige Bettruhe 5 Schmerzmedikation 5 ggf. externe Stabilisierung (Mieder, Korsett mit 3-Punkt-Abstützung etc.) 5 an abführende Maßnahmen denken (Gefahr der Darmparalyse durch retroperitoneales Hämatom) 4 operativ – wichtige Indikationen: 5 (progrediente) neurologische Symptomatik 5 Keilwirbelbildung >10–20° 5 spinale Kanaleinengung >30% 5 Instabilität (! Cave Auf dorsale Zerreißung achten) 5 alle B- und C-Verletzungen 5 Berstungsbrüche und sog. Kneifzangenbrüche (Unterformen der A-Verletzungen) 4 > Memo Kortisonschema (mit Methylprednisolon) bei akutem Querschnitt zur Behandlung des RM-Ödems ist stark umstritten und wird im eigenen Vorgehen nicht berücksichtigt. 4 Prinzipien der operativen Versorgung: 5 dorsale Instrumentierung J meist durch Fixateur interne J unter Verwendung von sog. Pedikelschrauben werden diese von dorsal her über die Bogenwurzel (Pedikel) in den Wirbelkörper eingebracht 5 ventrale Spondylodese J mit Ausräumung der angrenzenden Bandscheibenfächer und Interposition eines Platzhalters: zumeist trikortikaler, autologer Span vom Beckenkamm oder eines Titan-Cages 5 Einbringen von Knochenzement in den betroffenen Wirbelkörper (Vertebroplastie oder Kyphoplastie)

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Vorteile des Fixateur interne: 5 ermöglicht rasche Stabilisierung von Verletzungen mit einer hohen Primärstabilität 5 gute Korrekturmöglichkeiten und Wiederaufrichtung von höhengeminderten Wirbelkörpern (insbesondere bei frischen Verletzungen) durch lange Hebelarme und unter Ausnutzung des Prinzips der Ligamentotaxis 5 kurzstreckige Instrumentierung möglich (angrenzende Bewegungssegmente werden erhalten) 4 Nachteile des Fixateur interne: 5 Dekompression nervaler Strukturen von dorsal her oftmals nur unzureichend möglich 5 in Abhängigkeit des Frakturtyps ist alleinige dorsale Instrumentierung nicht ausreichend (postoperativer Korrekturverlust!) 5 im oberen thorakalen Abschnitt technisch sehr anspruchsvoll (durch Überlagerung des Thorax bzw. Rippen, Schulterblätter, Schultern intraoperative Bildgebung mittels Durchleuchtung oftmals problematisch) 4 Komplikationen nach dorsaler Instrumentierung: 5 Schraubenfehllage 5 Verletzung der Dura (selten! ca. 1%) 5 Schraubenbruch, Stabbruch 5 mechanisches Versagen mit Korrekturverlust 5 Irritation von Nervenwurzeln 5 Verletzung großer Gefäße (sehr selten) 4 ventrale Spondylodese bei Wirbelkörperfrakturen: 5 überwiegend zweizeitig nach vorausgegangener dorsaler Instrumentierung (bei dorsalseitiger Instabilität ist zunächst eine Instrumentierung mittels Fixateur interne zwingend erforderlich) 5 wird inzwischen ganz überwiegend in thorakoskopischer Technik durchgeführt (vermeidet die hohe Zugangsmorbidität einer Thorakolumbotomie 5 thorakoskopische Technik möglich von Th4–L2/3 5 Unterhalb von L2–4: retroperitonealer Zugang beispielsweise in Mini-open-Technik 5 L5: transperitonealer Zugang erforderlich (seitlich versperren die Beckenschaufeln einen senkrechten Zugang) 4 Technik der thorakoskopischen ventralen Spondylodese 5 Doppellumentubus erforderlich und einseitige Beatmung eines Lungenflügels während der OP 5 streng seitliche Lagerung des Patienten auf einem röntgendurchlässigen Tisch 5 meist 4 Portale erforderlich (Arbeitsportal, Portal für die Kamera, den Retraktor und die Saug-Spül-Vorrichtung) 5 Zwerchfellsplitting unterhalb von Th12/L1 5 sorgfältiges Ausräumen der angrenzenden Bandscheibenfächer erforderlich 5 ! Cave Darstellen des Segmentalgefäßes und sorgfältiges Clippen bzw. Elektrokoagulieren notwendig, andernfalls Blutungskomplikationen

211 1.2 · Unfallchirurgie

4 Vertebroplastie 5 Verfahren: perkutanes, transpedikuläres Einbringen von PMMAKnochenzement in den Wirbelkörper 5 Indikation: hauptsächlich schmerzhafte, osteoporotische Kompressionsfrakturen, die durch konservative Maßnahmen nicht ausreichend behandelt werden können 5 Vorteil: minimal-invasives, wenig belastendes Verfahren, kann auch in Lokalanästhesie (und Sedierung) durchgeführt werden 5 Nachteil: J Aufrichtung des Wirbelkörpers nur indirekt (durch Lagerung) möglich J hohes Risiko des Zementaustritts 5 Wertigkeit: durch prospektiv-randomisierte Studien insgesamt in Zweifel gezogen 4 Kyphoplastie 5 Verfahren: J vor dem Einbringen von PMMA-Zement wird durch einen druckund volumengesteuerten Ballon-Katheter eine Höhle im Wirbelkörper geschaffen J durch den Ballon-Katheter wird die Wiederaufrichtung des Wirbelkörpers angestrebt 5 Vorteil: Risiko des Zementaustritts geringer als bei der Vertebroplastie 5 Nachteil: teures Verfahren

1.2.4

Beckenverletzungen R.M. Sellei

Grundlagen der Beckenring- und Azetabulumverletzungen Bedeutung des Beckenrings 4 Beckenring ist anatomisch-biomechanische Verbindung zwischen Wirbelsäule und unteren Extremitäten 4 Integrität des Beckenrings ist Voraussetzung der vertikalen Kraftübertragung im Sitzen, Stand, Gang und Lauf 4 Beckenring dient als schützendes Skelettorgansystem des unteren Gastrointestinal- und des Urogenitaltraktes mit Geschlechtsorganen, der großen Gefäß-Nerven-Bahnen und der Frucht in der Schwangerschaft 4 Anatomisch-topographische Nähe zu den Organen führt zur komplexer Differenzialdiagnostik traumatischer Verletzungsfolgen

Ätiologie 4 Beckenfrakturen sind in der Regel Folge von Hochrasanzmechanismen: 5 direkte Mechanismen: Verkehrsunfälle mit direktem Trauma (Gurt, deformierte Karosserie) oder Quetschung (Verschüttung,

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Überrolltrauma) Sturz aus großer Höhe (Dachdecker, Suizidalität), Penetration bei Pfählungsverletzungen 5 indirekte Mechanismen: J »dashboard injury«: Schlag des Armaturenbretts im Fahrzeug auf das Knie mit Kraftübertragung auf das Azetabulum und Beckenring J »jumpers fracture«: Sprung aus großer Höhe mit vertikaler Kraftübertragung der unteren Extremitäten und Impaktion der Wirbelsäule führt zur Loslösung des Sakrums vom Beckenring 5 Ausnahmen: Patienten mit Osteoporose oder Tumoren können Frakturen nach niedrigenergetischen Traumen (unkomplizierte und einfache Stürze) und Bagatellmechanismen (Aufstehen aus tiefem Sessel) erleiden

Komplikationen 4 Gefahr der Blutung (akute vitale Bedrohung) durch Verletzung großer Gefäße (Aa. iliaca externa und interna), Gefäßseitenäste (Aa. glutea superior und inferior) und des präsakralen Venenplexus mit hämodynamischer Dekompensation (häufig im frühen posttraumatischen Intervall) 4 Gefahr der urogenitalen Verletzung mit Harnblasenruptur und Harnröhrenabriss 4 Gefahr der Nervenläsion (lumbosakraler Plexus oder direkte Druckläsion sowie Neuropraxie des N. ischiadicus) 4 Gefahr der Weichteilbeteiligung: 5 Hämatome, Kontusionen, oberflächliche und tiefe Riss-QuetschVerletzungen 5 Décollement = Kontinuitätsunterbrechung zwischen Haut und Unterhautfettgewebe mit Muskelfaszie und daraus resultierenden Einblutung 5 Morel-Lavallé = mit Quetsch- oder Überrolltraumen assoziiertes Décollement im Becken- sowie Hüftbereich großen Ausmaßes 5 Gluteales Kompartmentsyndrom = posttraumatische Muskelperfusionsstörung mit Gefahr der Muskelnekrose im Glutealbereich 4 Gefahr von abdominellen Begleitverletzungen (Parenchymverletzungen, abdominelles Kompartmentsyndroms bei retroperitonealer Einblutung)

Beckenringfraktur Klassifikation 4 Stabilitätskriterien nach Tile in Typ-A-, B-, C-Verletzungen: 5 Typ A (60%): stabile Beckenringfraktur mit intaktem hinteren Beckenring 5 Typ B (20%): partiell instabile Beckenringfraktur mit inkompletter Zerreißung des hinteren Beckenrings; J Typ B1: Open-Book-Verletzung mit kompletter und auseinanderweichender Symphysensprengung 5 Typ C (20%): komplette Zerreißung des hinteren Beckenrings, hohe Instabilität (vertikale und Rotationsinstabilität) mit hoher und vital bedrohlicher Blutungsneigung

213 1.2 · Unfallchirurgie

Klinik 4 ABCDE-Schema nach ATLS (advanced trauma life support) 5 in der Schockraumdiagnostik wird neben der frühen Thoraxaufnahme eine a.-p. Beckenaufnahme durchgeführt, da eine dislozierte und aufgebrochene Beckenringfraktur eine massive Blutungsquelle darstellen kann (sofortige Notfallmaßnahmen s.u.) 4 FAST-Sonographie (focused assessment with sonography for trauma): 5 schnelle, einfache, nichtinvasive und effiziente Frühdiagnostik 5 Nachweis von intraabdominellen, retroperitonealen oder intrathorakalen Blutungen mit Parenchymverletzungen (freie Flüssigkeit) 4 Beckeninstabilität: 5 durch die klinische Untersuchung kann über seitliche und vordere Kompression der beiden Beckenkämme eine hochgradige Instabilität erkannt werden 5 Gefahr der Massenblutung ins kleine Becken und Retroperitoneum 4 Ausschluss von penetrierenden Verletzungen (komplettes Entkleiden) 4 digitorektale Untersuchung (Tasten der Prostata) 4 vorsichtiger Versuch einer DK-Anlage um eine Hämaturie und Blasenverletzung auszuschließen 4 bei Hindernissen oder erschwerten Vorantreiben des Katheters nicht forcieren 4 retrograde Urethrozystographie um einen Harnröhrenabriss und Harnblasenruptur auszuschließen 4 auf Beinlängenunterschied achten und passives Bewegen der Hüftgelenke, um eine Hüftgelenksluxation oder Schenkelhalsfraktur zu erkennen 4 detaillierte neurologische Untersuchung 4 frühes Labor mit Verlaufskontrollen 5 Hämoglobin- und Hämatokrit-Status zum Ausschluss einer Anämie 5 Gerinnungsparameter 5 Kreuzblut für Erythrozytenkonzentrate

Diagnostik 4 FAST-Sonographie 4 konventionelle Röntgendiagnostik: 5 a.-p. Beckenübersichtsaufnahme: J Darstellung von Dislokationen des Beckenrings J Symphysensprengung (ggf. Open-Book-Verletzung) J Fraktur des Querfortsatzes LWK V als indirektes Zeichen einer hinteren Beckenringverletzung nach vertikaler Dislokation 5 Inlet-Aufnahme: Strahlengang von kranial (45°) in den Beckenring zur Darstellung der Beckeneingangsebene mit der Linea terminalis zur Darstellung von Dislokationen in der sagittalen Ebene 5 Outlet-Aufnahme: Strahlengang von kaudal (45°) zur Darstellung der Beckenausgangsebene mit Dislokation in der Frontalebene (vertikale Dislokationen)

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Computertomographie (CT): 5 bei Komplexverletzungen 5 zur Klassifikation der Beckenringfrakturen, v.a. zur Darstellung des hinteren Beckenrings 5 Ausschluss von Parenchymverletzungen (Weichteilfenster) 4 retrograde Urethrozystographie

Therapie 4 Notfallbehandlung bei instabilen Beckenringverletzungen: 5 Ziel der frühen Therapiemaßnahmen ist die schnelle Volumenreduktion gesprengter Beckenringfrakturen (z.B. Open-Book-Fraktur) und die Stabilisierung zur Reduktion der Blutungsneigung: 5 geschlossene Reposition: Längszug und Innenrotation am Bein der betroffenen Seite, sowie Kompression von lateral 5 Retention der geschlossenen Reposition mittels Beckenschlinge oder Beckengurt (»pelvic binder«): J Schlingen können bereits am Unfallort vom Rettungsdienst und Notarzt auf Höhe der Trochanteren der Femora angebracht werden J über die Schenkelhälse wird eine Kompression beim Zuziehen auf den Beckenring ausgeübt → der dislozierte Beckenring kann in der Akutphase verkleinert werden J ! Cave Es besteht die Gefahr der Hautnekrosen, so dass der Gurt nicht über mehrere Stunden belassen werden darf 5 ventraler Fixateur externe: Ziel der Retention nach geschlossener Reposition i.d.R. mit supraazetabulären Schanzschrauben und verschraubtem Gestänge (Nachteil: mangelnde Kompressionsfähigkeit und Stabilität am dorsalen Beckenring) 5 Beckenzwinge: von bilateral auf Höhe des Sakrums eingebrachte Pins, die über einen kräftigen Verbindungsbügel eine Kompression am hinteren Beckenring auslösen (Nachteil: Gefahr der Nervenverletzung, Penetration ins kleine Becken oder iatrogener Dislokation bei großen Kompressionskräften) 5 Beckentamponade (»pelvic packing«): mono- oder bilaterale Tamponade des kleinen Beckens mit Kompression auf die präsakralen Gefäße über eine mediane suprasymphysären Laparotomie und temporär einliegenden Bauchtüchern 5 Indikation zur Beckentamponade: bei Persistenz einer Kreislaufinstabilität trotz Volumengabe und externer Fixation 5 Angiographie: Indikation: bei nicht zu kontrollierender Blutungsneigung über Darstellung und Embolisation von arteriellen Gefäßen 5 Hemipelvektomie: operative Versorgung hoher Amputationen oder traumatischer Hemipelvektomien als lebensrettende Maßnahme nach schwerem Beckentrauma 4 konservative Behandlung: 5 stabile Beckenringfrakturen mit Randabrissfrakturen (z.B. Typ-AVerletzungen) 5 stabile Laterale Kompressionsfrakturen (z.B. Typ B2)

215 1.2 · Unfallchirurgie

5 Symphysendiastasen Memo Wesentlich ist die notfallmäßige Reposition der luxierten Hüfte innerhalb der ersten 6 Stunden. Das weitere Vorgehen kann dann abhängig von CT-Befund und Begleitverletzungen früh-elektiv abgestimmt werden.

Komplikationen 4 N.-ischiadicus-Schaden: je schneller die Reposition erfolgt, desto geringer die Schädigung, trotzdem häufig keine Restitutio ad integrum 4 Hüftkopfnekrose: bei Frakturen kaudal der Fovea (Pipkin I) größer als bei Frakturen kranial der Fovea (Pipkin II) 4 posttraumatische Arthrose in 50–100% der Fälle 4 Zugänge zum Hüftgelenk sind mit Bildung von periartikulären Ossifikationen (PAO) verbunden (v.a. hinterer Zugang); Prophylaxe durch Indometacin 2×50 mg. p.o. 4 aufgrund der Komplikationen bei älteren Patienten (>65 Jahre) Indikation für einen primären Hüftgelenkersatz großzügig stellen 4 bei jüngeren Patienten mit kopferhaltendem Versuch ist im weiteren Verlauf häufig trotzdem eine Endoprothese notwendig

Schenkelhalsfraktur Pathogenese 4 fast immer ältere Menschen mit Osteoporose 4 abzugrenzen ist eine innere (Schwindel, Synkope etc.) von einer äußeren (mechanischen) Sturzursache

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Einteilung Es existieren viele Einteilungen und Klassifikationen. 4 Laterale oder mediale Schenkelhalsfraktur (SHF): 5 mediale SHF: Frakturspalt innerhalb der Gelenkkapsel J intraartikuläre Drucksteigerung durch das Hämatom mit zunehmender Gefahr einer avaskulären Hüftkofpnekrose J bei hüftkopferhaltender Operation (Alter 70°: instabil 4 > Memo Die Pauwels-Klassifikation hat einen prädiktiven Wert für die Entstehung einer Pseudarthrose. 4 Klassifikation nach Garden (orientiert sich am Trabekelverlauf im a.-p. Röntgenbild): 5 Garden I: nichtdislozierte Abduktionsfraktur (gute Prognose) 5 Garden II: nichtdislozierte Adduktionsfraktur 5 Garden III: dislozierte Adduktionsfraktur mit Knochenkontakt 5 Garden IV: komplett dislozierte Fraktur (Gefäßversorgung unterbrochen) 4 > Memo Die Garden-Klassifikation hat einen prädiktiven Wert für die Entstehung einer Hüftkopfnekrose (Femurkopfnekrosen bis zu 60% bei Garden III und IV). 4 für den klinischen Alltag ausreichend erscheint die Unterscheidung in: 5 nichtdisloziert/impaktiert und 5 disloziert

Klinik 4 verkürztes und außenrotiertes Bein 4 Stauchungs- und Rotationsschmerz (bei eindeutigem Befund nicht auslösen) 4 periphere Durchblutung und Neurologie überprüfen 4 häufig handelt es sich um multimorbide Patienten, bei denen die Nebenerkrankungen den weiteren Verlauf mit entscheiden 4 an Begleitverletzungen denken

Diagnostik 4 Röntgen: 5 Röntgenübersichtsaufnahme des Beckens (zur Planung muss auch die gesunde Seite mitbeurteilt werden können) 5 verletzte Hüfte axial oder nach Lauenstein 5 ! Cave Röntgen nur der verletzten Hüfte in 2 Ebenen ist nicht ausreichend

223 1.2 · Unfallchirurgie

4 CT: Indikation: 5 nur in Ausnahmefällen bei klinischem Verdacht und fehlendem radiologischen Nachweis einer Fraktur

Therapie 4 von entscheidender Bedeutung sind: 5 Alter des Patienten 5 stabile oder instabile Fraktur 4 stabile (undislozierte, impaktierte) SHF (10%): 5 konservative Behandlung mit früher Belastung 5 Hauptrisiko liegt in der Sekundärdislokation (ca. 20%) 5 undislozierte Frakturen werden deshalb häufig prophylaktisch verschraubt (keine Reposition erforderlich, postoperativ sofortige Vollbelastung möglich) 4 dislozierte (instabile) SHF (90%): 5 >65 Jahre: Hüftkopfersatz – (zementierte) Endoprothese J Duokopfprothese (die natürliche Hüftpfanne wird belassen) oder J Totalendoprothese (TEP) mit Ersatz der Hüftpfanne 5 65 Jahre) erhält aus 2 Gründen eine Prothese (und keine Osteosynthese): J Vermeidung von Sekundäreingriffen (aufgrund von Pseudarthrose und Femurkopfnekrose) J aufgrund der zementierten Prothese ist die sofortige Vollbelastung und damit Mobilisation möglich (Pneumonieprophylaxe) 5 ist bei jungen Patienten die Hüftkopferhaltung nicht möglich, wird die notwendige Prothese als nichtzementierte TEP aus 2 Gründen gewählt: J junge Patienten können in der Regel entlasten J unzementierte Prothesen haben längere Standzeiten als eine zementierte Prothese

Komplikation 4 implantatspezifische Komplikationen: 5 hüftkopferhaltend: J Hüftkopfnekrose J Pseudarthrose J Cutting out von Schenkelhalsschrauben und DHS 5 die mediale SHF ist bei hüftkopferhaltendem Vorgehen ein chirurgischer Notfall (Gefahr der Hüftkopfnekrose) 4 Prothese: 5 Infekt 5 Lockerung 5 Schaftsprengung bzw. periprothetische Fraktur

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 allgemeine Komplikationen: 5 Phlebothrombose und Lungenembolie 5 Pneumonie 5 Harnwegsinfekt 5 Dekubitus 4 > Memo Da die perioperative Morbidität mit jedem Tag der Nichtversorgung drastisch ansteigt, sollte die SHF innerhalb der ersten 24 Stunden operiert werden.

Pertrochantäre Femurfraktur Pathogenese 4 meist bei älteren Patienten mit Osteoporose nach einem niedrigenergetischen Trauma (wie bei Schenkelhalsfrakturen) 4 jüngeren Patienten nur in Ausnahmefällen (nach Hochrasanztrauma) 4 immer extrakapsulär, die Gefahr einer Hüftkopfnekrose besteht nicht

Einteilung 4 nach der AO: 5 relativ stabile Brüche (mediale Abstützung vorhanden) und 5 instabile Brüche (keine mediale Abstützung) 4 entscheidend für die Stabilität sind Trochanter minor und Adamscher Bogen 4 AO-Klassifikation: 5 31-A1: einfache pertrochantäre Femurfraktur 5 31-A2: multifragmentäre pertrochantäre Femurfraktur 5 31-A3: intertrochantäre, reverse pertrochantäre Femurfrakturen oder mit subtrochantärem Verlauf

Diagnostik 4 Röntgen: 5 a.-p. Beckenübersichtsaufnahme 5 verletzte Hüfte axial oder nach Lauenstein 5 bei subtrochantären Frakturen, die weit nach distal ziehen ggf. zusätzlich noch Röntgen des gesamten Femurs mit Kniegelenk (die Fraktur muss mit allen Ausläufern komplett abgebildet sein)

Therapie 4 > Memo Pertrochantäre Femurfrakturen sind immer so instabil, dass sie nicht konservativ behandelt werden können. 4 das Alter des Patienten spielt bei der Wahl des Verfahrens nahezu keine Rolle (im Gegensatz zu Schenkelhalsfrakturen) 4 operative Versorgung: 5 erster Schritt: Reposition, nach Möglichkeit geschlossen mit Hilfe der Extensionslagerung 5 offene Reposition nur beim Vorliegen eines Repositionshindernisses 5 in gleicher Sitzung erfolgt beim Vorliegen eines guten Repositionsergebnisses die Stabilisierung der Fraktur mit Hilfe der folgend auf-

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geführten Verfahren, eine vollständige Freilegung der Fraktur ist in der Regel nicht notwendig Fixation der pertrochantären Femurfraktur (prinzipiell 2 Verfahren): 5 intramedulläre Verfahren: J PFN (proximaler Femurnagel) J Gammanagel J Trigen-Intertan-Nagel 5 extramedulläre Verfahren: J DHS (dynamische Hüftschraube), minimal-invasive Variante als PCCP (per cutanous compression plate) J DCS (dynamische Kondylenschraube) oder nur noch selten 95°Winkelplatte > Memo Alle Verfahren nutzen das Prinzip von ein oder zwei gleitenden Schenkelhalsschrauben, die über einen intramedullären Kraftträger (Nagel) bzw. einen extramedullären Kraftträger (Platte) fixiert sind. Wahl des Verfahrens hängt von der Stabilität der Fraktur ab: 5 stabile pertrochantäre Frakturen mit intakter Trochanter-minorRegion: J extramedulläre Verfahren 5 instabile Frakturen: J intramedullären Verfahren Endoprothetik: 5 hat bei der Versorgung der pertrochantären Femurfraktur nahezu keinen Stellenwert Nachbehandlung: 5 wichtig ist die baldige postoperative Mobilisierung zur Vermeidung der allgemeinen Komplikationen 5 anzustreben ist eine belastungsstabile Situationen

Komplikation 4 eingriffsspezifische Komplikationen: 5 Schraubenfehllage 5 varische Einstellung des Schenkelhalses 5 Materialbruch 5 Cutting out der Schenkelhalsschraube 5 Pseudarthrose

Femurschaftfrakturen

M. Lörken Pathogenese 4 entsteht meist im Rahmen eines Hochrasanztraumas 4 Ausnahme sind: 5 Femurfrakturen bei Osteoporose 5 kindliche Femurfraktur 4 ! Cave Oberschenkelfrakturen können mit erheblichem Blutverlust verbunden sein

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Einteilung 4 nach der AO-Klassifikation: 5 AO: 32 ist die Bezeichnung für den Femurschaft J erste Ziffer (3) bezeichnet den Knochen (Femur) J zweite Ziffer (2) bezeichnet das Segment (Diaphyse) 4 weitere Einteilung: 5 A: einfache Fraktur 5 B: Keilfraktur 5 C: komplexe Fraktur

Klinik 4 typische Zeichen: 5 Fehlstellung mit Verkürzung 5 Functio laesa 5 Schwellung durch Einblutung 5 starke Schmerzen 4 bei offener Fraktur evtl. Gefäß- oder Nervenverletzung 4 ! Cave Es kann zum Kompartmentsyndrom kommen, allerdings seltener als am Unterschenkel

Diagnostik 4 klinische Diagnose (danach evtl. unmittelbare Schienung des Beines) 4 Röntgen: 5 Femurs mit angrenzenden Gelenken in 2 Ebenen, wobei in der Notfallsituation auf die zweite Ebene verzichtet werden kann

Therapie 4 Kinder: 5 konservativ: nur die frühkindliche Femurfraktur ( Memo Die subjektive Instabilität ist bei der isolierten HKB-Ruptur deutlich geringer als bei der VKB-Ruptur, Nachweis mit dem hinteren Schubladentest und dem Hyperextensionstest.

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Zeichen einer isolierten Ruptur der Kollateralbänder: 5 vermehrte Aufklappbarkeit bei Varus- bzw. Valgusstress in 30°-Beugung (in voller Streckung ist das VKB ein wichtiger medialer Stabilisator und kann Zeichen der Innenbandruptur maskieren) 4 Röntgen: 5 in 2 Ebenen zum Ausschluss knöcherner Bandausrisse des Kniegelenks sowie der Patella axial 5 gehaltene Aufnahmen im Seitenvergleich: bei Verdacht auf hintere Kreuzbandruptur (Nachweis einer vermehrte Dorsaltranslation) 4 MRT: 5 zum Nachweis von Kniebinnenverletzungen eine zentrale Rolle; hohe Sensitivität und fehlende Strahlenbelastung (es hat trotz hoher Kosten die rein diagnostische Arthroskopie verdrängt)

Therapie 4 Rupturen der Kollateralbänder: 5 meist konservativ mit Ruhigstellung in einer speziellen Knieschiene 5 nur bei höhergradiger Instabilität (z.B. im Rahmen von einem komplexen Knietrauma) oder bei knöchernen Bandausrissen erfolgt eine operative Rekonstruktion 4 Indikation für eine VKB-Ersatzplastik: 5 berücksichtigt werden müssen Alter und sportlicher Anspruch des Patienten (resultierende Instabilität führt fast immer langfristig zu Sekundärschäden im Knie) 4 Rekonstruktion des VKB: 5 verwendet werden meist autologe Sehnen (z.B. Semitendinosus), die arthroskopisch gestützt durch Bohrkanäle gezogen und fixiert werden 5 in den letzten Jahren findet zunehmend die »Double-Bundle-Technik« Verbreitung, bei der das anteromediale und das posterolaterale Bündel des VKB getrennt ersetzt werden; Langzeitergebnisse stehen noch aus 4 Rupturen des HKB: 5 bei isolierter Läsion meist konservativ mit speziellen Schienen 5 beim Vorliegen einer kombinierten Verletzung (»posterolaterales Eck«) operativ mit autologen Sehnentransplantaten

Unterschenkelfrakturen

R.M. Sellei 4 Unterschenkelverletzungen sind als Folge der exponierten Anatomie häufig geprägt durch: 5 Weichteilbeteiligung 5 Wundheilungsstörungen und komplexe Bandverletzungen 5 Kompartmentsyndrom

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Tibiakopffraktur Pathogenese 4 hervorgerufen durch schwere axiale oder im Kniegelenk varisierende bzw. valgisierende Mechanismen 4 häufig durch Kombinationsmechanismen inklusive einer Rotationskomponente 4 in seltenen Fällen führen direkte Unfallmechanismen zur Fraktur des Tibiaplateaus, evtl. mit massivem Weichteilschaden

Klinik 4 4 4 4

Anamnese im Vordergrund immobilisierende Schmerzen (kein Auftreten möglich) häufig deutlicher Hämarthros > Memo Fettaugen auf dem Punktat eines Hämarthros sind ein wichtiger Hinweis auf eine Fraktur des Tibiaplateaus. Durch die osteochondrale Läsion tritt Knochenmark mit der Einblutung in das Kniegelenk. 4 gelegentlich bereits sichtbare Achsabweichung (Genu valgum > varum) 4 Kniegelenk in leicht gebeugter Schonhaltung 4 bei höheren kinetischen Kräfte sind die Weichteile häufig mit betroffen Begleitverletzungen:

4 die Nähe zum Kniegelenk führt häufig zu intraartikulären und extraartikulären Begleitverletzungen: 5 tibiofemorale Knorpelläsionen 5 Meniskus- und Kreuzbandverletzungen 5 Ruptur des Kapsel-Band-Apparates 5 Verletzungen des poplitealen Gefäß-Nerven-Bündels bei Luxationsfrakturen (immer Puls prüfen und überwachen) 5 Weichteilbeteiligung bis hin zum Kompartmentsyndrom (v.a. in der Tibialis-anterior- und peronealen Loge)

Diagnostik 4 klinischer Verdacht 4 Röntgen: 5 a.-p. und seitlich 4 CT: 5 bei Verdacht oder sicherem Nachweis einer Tibiakopffraktur 5 ggf. mit Kontrastmittel (zum Ausschluss eines Dissekats der A. poplitea v.a. bei stattgehabter Luxation) 5 Goldstandard zur präoperativen Therapieplanung

Klassifikation 4 nach der AO (41 = proximaler Unterschenkel) 5 41-A-Fraktur: ohne Gelenkflächenbeteiligung 5 41-B-Fraktur: partielle Gelenkflächenbeteiligung 5 41-C-Fraktur: komplexe Frakturen mit Gelenkflächenbeteiligung und Mehrfragmentfrakturen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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4 nach Schatzker (1987): Typ I–VI 5 Typ I: laterale Split-Fraktur 5 Typ II: laterale Split-, kombiniert mit Impressionsfraktur 5 Typ III: laterale Impressions-, Depressionsfraktur mit intaktem kortikalem Ring 5 Typ IV: mediale Split-Fraktur 5 Typ V: mediolaterale Split-Fraktur 5 Typ VI: Komplexfraktur mit Loslösung vom Tibiaschaft

Therapie 4 konservativ: 5 grundsätzlich nur dann konservativ, wenn keine Gelenkfrakturstufe vorhanden ist 5 Gelenkstufen (>2 mm) gelten als Präarthrosen 5 Ruhigstellung sowie Entlastung (ggf. Sohlenkontakt) der Extremität sind Voraussetzung für eine konservative Therapie 5 wichtig für die Aufrechterhaltung der Gelenkbeweglichkeit und Knorpelernährung ist eine frühfunktionelle Nachbehandlung mit CPM-Schiene 4 operativ: 5 Indikationen zur operativen Versorgung werden großzügig gestellt: J bei Gefahr einer sekundären Dislokation im Sinne einer Achsabweichung (häufig Genu valgum nach lateraler Typ-II-Fraktur) J Gelenkimpression 5 winkelstabile Implantate mit anatomisch Plattendesign ermöglichen exzellente Ergebnisse 4 operative Strategie: 5 anterolateraler und/oder medialer Hautschnitt 5 Präparation und Anheben der Meniskusbasis 5 Einsicht auf das Tibiaplateau 5 Rekonstruktion der Gelenkebene (Aufstößeln des eingesunkenen osteochondralen Blocks) und Retention mit subchondralen Schrauben (parallel zur Gelenkfläche) 5 Auffüllen des hierdurch entstandenen Knochendefektes mit Beckenkammspongiosa oder Knochenersatzmaterial 5 Sicherung des Plateaus und der Frakturreposition mit einer Platte 4 > Memo Die Gefahr einer peri- und postoperativen Weichteilschädigung (inkl. Kompartmentsyndrom) ist bei Tibiakopffrakturen erhöht und muss engmaschig kontrolliert werden.

Nachbehandlung 4 nach einer operativen Versorgung: 5 restriktive postoperative Belastung (häufig Sohlenkontakt für 6-8 Wochen) 5 funktionelle Nachbehandlung zum Erhalt der Kniegelenkbeweglichkeit und Ernährung des geschädigten Knorpels

233 1.2 · Unfallchirurgie

Komplikationen 4 perioperativen Komplikationen inklusive Wundinfektion 4 weitere Frakturfolgen: 5 sekundäre Dislokation (auch trotz operativer Versorgung möglich) 5 Achsfehlstellung 5 Bewegungseinschränkung oder Instabilität im Kniegelenk 5 posttraumatische Kniegelenksarthrose

Prognose 4 wichtigste prognostische Größen für eine posttraumatische Arthrose sind: 5 Ausmaß der initialen Knorpelschädigung 5 verbleibende Gelenkstufen

Unterschenkelschaftfraktur Pathogenese 4 Frakturen des Unterschenkelschaftes entstehen durch direkte oder durch indirekte Mechanismen (Rotationsbewegungen führen zu Spiralfrakturen): 5 häufig bei Motorrad- und Skiunfällen 5 Sturz aus größerer Höhe 4 häufig Beteiligung der angrenzenden Gelenke (muss bei der klinischen Untersuchung und weiterführenden Diagnostik immer berücksichtigt werden)

Klinik 4 der geringe Weichteilmantel führt gehäuft zu offenen Frakturen (»sicheres« Frakturzeichen) 4 Begleitverletzungen: 5 Weichteilquetschung mit frühen Hautnekrosen 5 Kompartmentsyndrom (v.a. der Loge des M. tibialis anterior) 5 Nervenschäden (z.B. N. peroneus communis) 5 Gefäßverletzungen

Diagnostik 4 Anamnese 4 klinische Untersuchung 4 ! Cave Inkomplette Frakturen können v.a. beim polytraumatisierten Patienten leicht übersehen werden 4 Röntgen: 5 in 2 Ebenen zur präoperativen Planung

Klassifikation 4 nach AO: 5 42: Unterschenkelschaft 5 42 A1–C3-Frakturen: ansteigendes Zerstörungsausmaß

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

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Therapie 4 konservativ: Indikationen: 5 isolierte Fibulafrakturen nach direktem Trauma im mittleren und proximalen Drittel J 4–6 Wochen Unterschenkelgips 5 nichtdislozierte und fissurale Frakturen der Tibia J 4 Wochen Oberschenkelgips und J 2–4 Wochen Unterschenkelgips 4 operativ: 5 I°–III° offene Frakturen: J sofortige Versorgung (siehe Einteilung der Weichteilschäden) J Anlage eines Fixateur externe bei übermäßigem Weichteilschaden oder Polytraumatisierung mit anschließender definitiver Versorgung im Intervall 5 komplette und dislozierte Unterschenkelfrakturen (Versorgung der Tibia mit anterogradem Marknagel – aufgebohrt und unaufgebohrt – statisch verriegelt bei Schrägfrakturen, Etagen- und Trümmerfrakturen und dynamisch verriegelt bei einfachen Querfrakturen): J (aufgebohrter) Tibianagel: stufenweise Aufbohren des Markraums + 1 mm über Nageldicke (Vorteil: langstreckige Kontaktfläche mit hoher Primärstabilität, Nachteile: Gefahr der Markraumembolie durch erhöhte intramedulläre Drücke, Gewebenekrose durch Hitzeentstehung) J statische Verriegelung: der Querbolzen läuft durch ein Rundloch im Nagel, so dass eine axiale Belastung direkt übertragen wird J dynamische Verriegelung: der Verriegelungsbolzen (i.d.R. ein proximaler beim Tibianagel) läuft durch eine ovaläres Loch und kommt im kranialen Anteil des Lochs zu liegen; durch axiale Belastung wird der distal verriegelte Nagel nach kranial geschoben; hierdurch kommt eine »dynamische« Kompressionskraft auf den Frakturspalt zustande J statische und dynamische Verriegelung sind beide rotationsstabil J Pollerschrauben: temporär von ventral oder lateral eingebrachte Schrauben, um beim Einbringen des Nagels eine Achskorrektur durch gezieltes Verdrängen von Nagel und Fragment zu provozieren 5 Versorgung der Tibia: J mit Plattenosteosynthese (neue winkelstabile, anatomisch vorgeformte Implantate, ggf. retrograd über kleine Hautschnitte durchgeschoben) 5 Versorgung der Fibula: J mit einer Plattenosteosynthese v.a. bei Fraktur im distalen Drittel indiziert J bei massivem Weichteilschaden Stabilisierung der Fibula retrograd intramedullär

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Komplikationen 4 Übersehen eines Kompartmentsyndroms oder verspätete Fasziotomie kann zu Muskelnekrosen mit hochgradig eingeschränktem funktionellen Ergebnis bis hin zum Verlust der Extremität führen 4 nach einem schweren Thoraxtrauma verbieten sich intramedulläre Verfahren wegen der Gefahr einer Knochenmarkembolisation (v.a. provoziert durch den intramedullären Druckanstieg) 4 Nervenverletzungen (v.a. N. peroneus) 4 hohe Rate an verzögerter Frakturkonsolidierung und Pseudarthrose (v.a. bei Weichteilschädigung) 4 Fehlstellungen (Rotation, Varus- und Valgusfehlstellung) 4 Implantatversagen bis zum Nagelbruch 4 > Memo Bei intramedullären Verfahren ist bei proximalen oder distalen Frakturen besonders auf Fehlstellungen zu achten, da die zirkumferente Abstützung im Metaphysenbereich abnimmt und das Implantat exakt zentriert eingebracht werden muss.

Pilon-tibiale-Frakturen Definition 4 knöcherne Verletzungen der metaphysären distalen Tibia mit Beteiligung der Gelenkfläche des oberen Sprunggelenks 4 häufig mit gravierenden Weichteilverletzungen

Pathogenese 4 axiale Hochrasanzmechanismen (Sturz aus großer Höhe, Frontalzusammenstöße) führen im metaphysären und gelenkassoziierten Anteil der distalen Tibia zu mehrfragmentären Frakturen 4 weniger als 10% der Frakturen des Unterschenkels 4 mehr Männer als Frauen und mit einem Altersgipfel von 35–40 Jahren

Einteilung 4 unterschiedliche Frakturmorphologien: 5 dorsal-extendierter Fuß: ventrales Kantenfragment der distalen Tibia 5 plantar-flektierter Fuß: dorsales Kantenfragment 5 Zentralstellung des Fußes: ventrodorsale Kantenfragmente

Klinik 4 ! Cave Diese Verletzung kann im Rahmen einer Polytraumatisierung übersehen werden 4 Bewegungsunfähigkeit 4 stärkste Schmerzen 4 deutliche Weichteilbeteiligung/Weichteilzerstörung 4 > Memo Die Weichteilschädigung wird häufig unterschätzt und wird oft erst nach Tagen sichtbar. 4 nicht selten offene Frakturen aufgrund geringer Weichteildeckung mit deutlicher Fehlstellung

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Spannungsblasen (serös oder blutgefüllt) 4 Kompartmentsyndrom des Unterschenkels oder des Fußes Begleitverletzungen: 4 aufgrund des axialen Mechanismus sind häufig betroffen: 5 Mittelfuß 5 Kalkaneus 5 Kniegelenk 5 Becken 5 Wirbelsäule 5 kontralaterale Extremität 4 weitere Schädigungen: 5 Gefäßverletzungen 5 neurologische Defizite

Diagnostik 4 konventionelle Röntgenaufnahmen: 5 a.-p. und seitlich 5 ggf. nach Reposition erneute Aufnahme 4 CT: zur präoperativen Planung 4 Pulsstatus (Gefäß-Doppler) 4 Ausschluss eines Kompartmentsyndroms im Unterschenkel und Fuß (invasive Druckmessung)

Klassifikation 4 nach der AO von 1990: 5 43: distale Tibia J 43-A-Frakturen: ohne Gelenkflächenbeteiligung J 43-B-Frakturen: partielle Gelenkflächenbeteiligung J 43-C-Frakturen: mit hochgradiger Gelenkflächenbeteiligung (häufig zentral eingesunkenes osteochondrales Fragment, sog. »die-punch«-Fragment) 4 weitere Klassifikationen beurteilen das Ausmaß der Frakturmorphologie und die Prognose

Therapie 4 sofortige geschlossene Reposition häufig bereits am Unfallort indiziert: 5 Ruhigstellung mit Schiene 4 offene Reposition und interne Fixation (ORIF) nach Rüedi und Allgöwer - Rüedi und Allgöwer haben in den 1960er Jahren zeigen können, dass sich mit einer operativen Behandlung unter Schonung der Weichteile ein deutlich besseres Ergebnis erzielen lässt, als mit einer konservativen Therapie: 5 ORIF der Fibula (Länge und Rotation) 5 Rekonstruktion der Gelenkfläche 5 Knochenersatz bei Defektsituation (Beckenkammspongiosa oder Kunstknochen) 5 tibiale Plattenosteosynthese 4 > Memo Nie durch akut geschädigtes Weichteilgewebe (v.a. blutige Spannungsblasen) operieren.

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Komplikationen 4 Frühkomplikationen: 5 Hautnekrosen 5 Wundinfektion 5 Osteitis 4 Spätkomplikationen: 5 verzögerte Frakturheilung (bis 6 Monaten) 5 Pseudarthrose (ab 6 Monaten) 5 posttraumatische Arthrose 5 Fehlstellung (Achsabweichungen)

Prognose 4 abhängig vor allem: 5 von der Weichteilschädigung 5 vom Ausmaß der Gelenkbeteiligung

Sprunggelenkfrakturen

R.M. Sellei Anatomie 4 oberes und unteres Sprunggelenk bilden eine funktionelle Einheit 4 hohe Krafteinwirkung bei Gang und Lauf mit axialen Druck-, Rotations- und Scherkräften 4 durch Sehnen und Bänder stabilisiert und funktionell über die muskuläre Führung (Propriozeptivität) gesteuert und »geschützt« 4 Malleolengabel stabilisiert durch Membrana interossea und durch distalen Syndesmosenkomplex: 5 Lig. tibiofibulare anterius et transversale 5 Lig. tibiofibulare interosseum 5 Lig. tibiofibulare posterius 4 für die Stabilität im oberen Sprunggelenk (OSG) sind entscheidend: 5 Länge und Stellung (Rotation und Achse) der distalen Fibula 5 medialer Malleolus mit Lig. deltoideum 5 distaler Syndesmosenkomplex

Pathogenese 4 Unfallhergang ist entscheidend: 5 Luxationsmechanismus bei Fehltritt oder Sturz (80%) 5 Dezelerationstrauma bei Verkehrsunfällen (10%) 5 direkte Gewalteinwirkung (1/3 der Gelenkfläche J Zugschraube von ventral nach Reposition 5 4. Versorgung des Innenknöchels: J offene Reposition i.d.R. zu empfehlen, da Periost häufig einschlägt J Zuggurtung über Kirschner-Drähte und Cerclage J Zugschraubenosteosynthese über kanülierte Schrauben 4 > Memo Bei Sprunggelenkverletzungen mit Weichteilschaden bei Patienten mit Diabetes mellitus und pAVK sind ggf. minimal-invasive Verfahren indiziert (durchgeschobene Plattenosteosynthese oder intramedulläre retrograde Schienung der Fibula mittels MoroteDrahtung).

Komplikationen 4 Wundheilungsstörungen und Infektionen 4 fehlerhafte Osteosynthesen 4 Instabilität und Subluxationsstellung bei übersehener Syndesmoseninstabilität 4 sekundäre Dislokation 4 Kompartmentsyndrom 4 Pseudarthrose 4 posttraumatische Arthrose

241 1.2 · Unfallchirurgie

Verletzungen des Rück-, Mittel- und Vorfußes

R.M. Sellei Pathogenese 4 bei polytraumatisierten Patienten werden knöcherne Verletzungen des Fußes leicht übersehen 4 v.a. Luxationen im Chopart- und Lisfranc-Gelenk werden häufig fehlinterpretiert 4 axiale Mechanismen führen gehäuft zu Kalkaneusfrakturen (häufigsten Fraktur der Fußwurzelknochen) 4 direkte Krafteinwirkung und Quetschmechanismen können die Mittelfußknochen und Zehen frakturieren 4 > Memo Entscheidend für ein gutes, klinisches Ergebnis sind eine adäquate Diagnostik und Behandlung, da bereits geringe, übersehene Fehlstellungen zu chronischen Schmerzen führen können.

Talusfraktur Pathogenese 4 seltene, jedoch schwere Verletzung nach: 5 axialen Hochrasanzmechanismen (Sturz aus großen Höhen, Frontalzusammenstoß) 5 Dezelerationstraumen

Klinik 4 4 4 4 4

Druckschmerz Bewegungs- und Belastungsunfähigkeit Hämatom ggf. offene Fraktur mit Luxation des Talus Chopart-Gelenkluxation

Begleitverletzungen: 4 Beteiligung der tibialen Gelenkfläche 4 Kalkaneusfrakturen 4 Gefäßverletzungen 4 Subluxation oder Luxation im OSG und USG

Diagnostik 4 konventionelle Röntgenaufnahme: 5 OSG in 2 Ebenen 5 Broden-Aufnahme zur Darstellung des USG 4 CT: 5 Ausschluss einer Gelenkbeteiligung 5 präoperative Planung 4 ggf. MRT: 5 zur Visualisierung eines Ödems oder Nekrose im Verlauf (die Frakturen verlaufen in der Regel vertikal und durch den Talushals)

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Klassifikation 4 nach Hawkins (1970): 5 nichtdislozierte Talushalsfraktur (Gruppe I) 5 dislozierte Talushalsfraktur mit Luxation im Subtalargelenk (Gruppe II) 5 dislozierte Talushalsfraktur mit Luxation im Subtalargelenk und OSG (Gruppe III) 4 nach Marti (1971): 5 nichtdislozierte distale Hals- oder Taluskopffraktur, Flake-Frakturen (I) 5 nichtdislozierte proximale Halsfrakturen (II) 5 dislozierte proximale Halsfrakturen (III) 5 dislozierte proximale Halsfrakturen mit Luxation im OSG und USG oder Korpustrümmerfrakturen (IV)

Therapie 4 konservativ: Indikationen: 5 nichtdislozierte Frakturen 4 Maßnahmen: 5 Ruhigstellung und Entlastung über 12 Wochen zu empfehlen 5 ! Cave Erhöhte Nekrosegefahr 4 operativ: Indikationen: 5 dislozierten Frakturen: aufgrund einer posttraumatischen Arthroseneigung bei Verbleib einer Gelenkstufe (im OSG oder USG) und erhöhte Nekroseraten 5 bei Dislokation, Subluxation und Luxation des Talus 4 Vorgehen je nach Frakturmorphologie: 5 medialer und/oder lateraler Zugang kombiniert (ggf. mit Innenknöchelosteotomie) 5 Schraubenosteosynthese von ventral über Taluskopf und -hals in den Korpus (mit anschließender Zuggurtungsosteosynthese über Innenknöchel) 5 postoperative Entlastung für mindestens 12 Wochen wird empfohlen mit darauffolgend prolongiertem Belastungsaufbau 4 > Memo Durch eine posttraumatisch und/oder postoperative bedingte Minderperfusion besteht bei schlechter Vaskularisierung die Gefahr der Talusnekrose oder Pseudarthrose.

Komplikationen 4 Übersehen von Begleitverletzungen (Achsenskelett, untere Extremität) 4 Frühkomplikationen: 5 sekundäre Dislokation der Talushalsfraktur 5 Talusnekrose 5 posttraumatische Arthrose im OSG und OSG

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Kalkaneusfraktur Pathogenese 4 typischer Mechanismus: 5 Sturz aus großer Höhe (Gerüst, Dach, Suizidversuch): J häufig Assoziation mit Begleitverletzungen des Achsenskeletts und der Extremitäten 5 beim polytraumatisierten Patienten leicht unterschätzte Verletzung 5 die axiale Kompressionskraft über den Talus (härtere Konsistenz) bewirkt eine Impression auf Höhe des unteren Sprunggelenks, das Sustentaculum tali bleibt hierbei i.d.R. medialseitig konstant und stehen

Klinik 4 Belastungsunfähigkeit 4 stärkste Schmerzen v.a. bei Bewegung im USG und Klopfschmerzhaftigkeit 4 Deformität 4 Hämatom 4 Schwellung, bis hin zu Spannungsblasen und assoziiert mit Kompartmentsyndrom 4 selten offene Fraktur (dann sehr schwere Verläufe) Begleitverletzungen: 4 Frakturen und/oder Luxation weiterer Fußwurzelknochen (Talusfraktur, Chopart-Gelenkluxation) 4 Beteiligung des OSG und Pilon-tibiale-Frakturen 4 Weichteilschäden

Diagnostik 4 konventionelle Röntgenaufnahmen: 5 axial, seitlich (*) und Broden-Aufnahme (a.-p. Strahlengang mit Innenrotation von ca. 40° zur Darstellung des USG) 5 (*) Tuber-Gelenkwinkel nach Böhler = im seitlichen Strahlengang bildet die Gelenkebene zur Achse des Tuber calcanei einen physiologischen Winkel von ca. 35°; durch Impression der Gelenkfacette flacht dieser deutlich ab; Böhler-Winkel gilt als wichtige intraoperative Repositionskontrolle 4 CT-Dünnschichtaufnahmen: 5 zur Klassifikation 5 zur operativen Planung

Klassifikation 4 nach Essex-Lopresti (1952): 5 »Tongue type« = klaffende horizontale Fraktur des Tuber calcanei (Entenschnabel) 5 »Joint depression type« = Impressionsfraktur des Corpus calcanei mit »eintauchen« der Gelenkfacette

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 nach Zwipp (1988) erstmalig anhand von CT Schnitten: 5 Einteilung des Kalkaneus in 5 Hauptfragmente und 3 Gelenke 5 Einbeziehung der assoziierten Weichteilschädigung 5 hohe prognostische Aussagekraft 5 »Entenschnabel« = 2 Fragmente und 0-Gelenkbeteiligung (2 Punkte) 5 einfache Impressionsfraktur des kalkaneo-kuboidalen Gelenkfläche = 2 Fragmente und 1 Gelenk beteiligt (3 Punkte) 5 »blow out fracture« = 5 Fragmente und 3 Gelenkflächenbeteiligung (8 Punkte) 5 Weichteilschaden geschlossen (g) oder offen (o) 1–3° (1–3 Punkte) 5 Trümmerzone oder angrenzende Frakturassoziation (z.B. Talus) (1 Punkt) 5 maximal 12 Punkte 4 nach Sanders (1993) anhand von koronaren CT-Schnittbildern: 5 Einteilung des Corpus tali in laterale (A), zentrale (B) und mediale (C) Säule zuzüglich des Sustentaculum tali (als medialster Pfeiler): J II A–C: 1 Säule betroffen J III AB, AC, BC: 2 Säulen betroffen J IV: 3 Säulen betroffen

Therapie 4 konservativ: Indikationen: 5 nichtdislozierte Frakturen 5 keine Gelenkbeteiligung 5 massive Weichteilbeteiligung 5 hohe Komorbidität 4 Maßnahmen: 5 Ruhigstellung im Unterschenkelgips 5 engmaschige Weichteilkontrolle 5 Thromboseprophylaxe 5 Hochlagerung 5 intermittierende Kühlung 5 beginnende Mobilisation unter Entlastung nach Abschwellen an Unterarmstützen für 12 Wochen 5 ab der 3.–4. Woche ggf. mit Fersenentlastungsorthese (nach Settner) 4 operativ: Indikationen: 5 dislozierte Frakturen, v.a. mit reduziertem Böhler-Winkel und Gelenkbeteiligung, -impression 4 Maßnahmen: 5 Weichteile abschwellen lassen 4 > Memo Die operative Versorgung und ihr Erfolg hängen von einem die Weichteile respektierenden Vorgehen ab (Gefahr der Wundrandnekrose und Infektion). Primärversorgung durch Osteosynthese im Intervall nach Abschwellen dringend empfohlen. 4 minimal-invasive Verfahren: 5 geschlossene Reposition über eine in den Tuber calcanei platzierte Schanzschraube durch Zug und Kaudalisierung 5 Anheben der imprimierten Gelenkfacette über medialen »Miniopen«-Schnitt mit einem Elevatorium

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5 anschließende Kirschner-Draht-Transfixation in das USG und Chopart-Gelenk 5 Materialentfernung der KD nach 6–8 Wochen 5 Entlastung für 12 Wochen 4 offene Reposition und interne Fixation (ORIF): 5 lateraler L-förmiger Zugang über Tuber calcanei 5 Präparation eines möglichst erhaltenen Hautlappens 5 »Entdeckeln« der lateralen Kortikalisschuppe, Anheben der Gelenkfacette, ggf. Beckenkamm-Spongiosaplastik 5 Wiederherstellung des Böhler-Gelenkwinkels 5 temporäre KD-Transfixation des Repositionsergebnisses 5 Auflage der meist gegebenen lateralen Schuppe und Fixation mit Gitterplatte 5 schonender Hautverschluss 5 postoperativ engmaschige Weichteilkontrolle 5 Entlastung für 12 Wochen unter Thromboseprophylaxe 4 subtalare Arthrodese: 5 bei chronisch schmerzhafter posttraumatischer Arthrose im USG

Komplikationen 4 4 4 4

Weichteilnekrosen Infektion Osteitis Arthrose im USG

Prognose 4 wichtigste prognostische Größen: 5 Wiederherstellung der Gelenkfacette und des Böhler-Gelenkwinkels

Fußwurzel- Metatarsal- und Zehenfrakturen Pathogenese 4 > Memo Die Diagnose von Verletzungen von Os naviculare, Os cuboideum und Ossa cuneiformia ist wichtig. 4 Osteonekrosen und Fehlstellungen können zu schwerwiegender Dysbalance des Fußgewölbes mit chronischen und belastungsabhängigen Schmerzen führen 4 Die Fraktur der Basis des fünften Metatarsalknochens mit dem Ansatz der kurzen Peronealsehne ist eine häufige Verletzung, die zur Pseudarthrose neigt 4 eine basisnahe Schaftfraktur des MFK V (sog. Jones-Fraktur) neigt ebenfalls aufgrund der schlechten Durchblutungssituation zur Pseudarthrosen 4 bei Schaftfrakturen und subkapitalen Frakturen der Metatarsalia sind v.a. der erste und der fünfte Strahl für den Erhalt des Fußgewölbes wichtig: 5 bei Dislokation sollten dieser und transfixiert werden 5 heilen zusammen mit den Zehenfrakturen i.d.R. gut aus 5 anatomische Stellung zueinander und die Wahrung der Chopart-, sowie Lisfranc-Gelenklinie sind für ein gutes klinisches Ergebnis entscheidend

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Klinik 4 belastungsabhängige Schmerzen 4 Druckschmerz und Hämatome 4 Deformation bei Fraktur oder Luxation

Diagnostik 4 konventionelle Röntgenaufnahmen 4 ggf. CT oder MRT

Therapie 4 konservativ: 5 nichtdislozierte Frakturen in Gipsschiene für 4–6 Wochen 5 Marschfrakturen (bei chronischer Überlastung möglich) 5 im Seitenvergleich symmetrische Zehenstellung (ansonsten geschlossene Reposition und Retention mit Pflasterzügelverbänden) 5 knöcherne Bandausrisse der Fußwurzelknochen werden für zwei Wochen in einer Gipsschiene ruhiggestellt (Thromboseprophylaxe) 4 operativ: 5 dislozierte Frakturen der ersten und fünften Strahls 5 Frakturen mit Gelenkbeteiligung 5 Frakturen der Fußwurzel, die zu einer Abflachung des Fußgewölbes führen können 5 dislozierte Frakturen der MFK V Basis (Zug des M. peroneus brevis) durch Zuggurtung oder singulärer Schraube 5 Jones-Fraktur mit Miniplattenosteosynthese

Komplikationen 4 Weichteilverletzungen mit Hämatom, Décollement und Kompartmentsyndrom 4 subinguinales Hämatom (ggf. Trepanation erforderlich) 4 Zehennekrosen 4 CRPS (complex regional pain syndrome, »Sudeck«) v.a. nach Quetschverletzungen 4 posttraumatische Arthrose 4 Verlust des Fußgewölbes mit Senk-Spreiz-Fuß

Weichteilverletzungen im Bereich des Sprunggelenks und Fußes

R.M. Sellei Pathogenese 4 Distorsionstrauma des Fußes: 5 unterschiedliche Verletzungen des Kapsel-Band-Apparates: J Achillessehnenruptur J Verletzungen der Außenbänder des Sprunggelenks 4 Hochrasanzmechanismen: 5 Zerreißung der Kapsel-Band-Strukturen der Fußwurzel kann zur Luxationen führen (wird leicht übersehen)

247 1.2 · Unfallchirurgie

Achillessehnenruptur Anatomie 4 4 4 4

kräftigste Sehne des Körpers sie ermöglicht die Plantarflexion bei Gang, Lauf und Sprung trägt das Vielfache des eigenen Körpergewichts die Achillessehne (Tendo calcaneus) des M. triceps surae (medialer und lateraler Kopf des Gastrocnemius und M. soleus) setzt am Tuber calcanei an

Pathogenese 4 Rupturmechanismen: 5 direktes Trauma (selten): J bei Schnitt- oder Schussverletzungen J direkter Schlag auf die Sehen 5 indirektes Trauma: J durch abrupte exzentrische oder konzentrische Muskelbeanspruchung bei hoher Vorspannung in Kombination von degenerativen Vorschäden 4 Formen: 5 Loco typico: proximal in der Nähe des muskulotendinösen Übergangs 5 selten knöcherner Ausriss (Sonderform: Entenschnabelfraktur) 4 Ursachen degenerative Veränderungen: 5 Alter (typisch Männer um die 40 Jahre) 5 rezidivierende Schädigung durch Mikrotraumen bei Überbeanspruchung 5 chronische Einnahme von Glukokortikoiden 5 wiederholte, lokale Infiltrationen mit Lokalanästhetika und Glukokortikoiden 5 Hyperurikämie 5 immunsuppressive Therapie 5 chronische Polyarthritis

Klinik 4 typisch ist ein »peitschenschlagartiger« in die Wade einschießender Schmerz mit einem »Knall« 4 Hämatom 4 tastbare Sehnen-»Delle« 4 aktive Plantarflexion und Zehenstand nicht möglich 4 Thompson-Test positiv: 5 Thompson-Test: in Bauchlage führt die manuelle Kompression der Wade zu keiner passiven Plantarflexion im OSG (Test positiv) als Hinweis für eine Kontinuitätsunterbrechung der Sehne Begleitverletzungen: 4 Muskelfaserriss der Wadenmuskulatur 4 knöchernen Sehnenausriss (! Cave Immer seitliches Röntgen) 4 Kalkaneusfraktur 4 Verletzungen des Bandapparates des OSG

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Diagnostik 4 konventionelle Röntgenuntersuchung: 5 zum Ausschluss einer Fraktur oder einem knöchernen Sehnenausriss 4 Ultraschalluntersuchung: 5 zur Darstellung des Hämatoms und dynamische Bildgebung zum sicheren Rupturnachweis 4 MRT: 5 bei unsicherer Klinik oder Teilrupturen (selten)

Therapie 4 konservativ: Indikation: 4 v.a. bei guter Adaptation der Sehnenstümpfe im Ultraschall ist eine konservative Therapie möglich: 5 Spitzfußgips für 2 Wochen unter andauernder Thromboseprophylaxe bis zur freien Mobilisation 5 Lymphdrainage unter Wahrung der Spitzfußstellung ab der 3. Woche 5 beginnende Zurückführung mit 15° Plantarflexion für weitere 2 Wochen in Funktionsorthese (Tag und Nacht) 5 0°-Funktionsstellung für weitere 2 Wochen unter Teilbelastung mit 20 kg 5 nach insgesamt 6 Wochen Heilungskarenz fortgeführter Belastungsaufbau 5 physiotherapeutische Beübung (OSG-, USG-, Mittel- und Vorfußbeweglichkeit + Propriozeptivität) ab der 7. Woche (nach konservative Therapie) und ab der 5. Woche (nach operativer Therapie) zur Bekämpfung von Immobilisationsfolgen: J Atrophie der Wadenmuskulatur J Reduktion des Thromboserisikos J Behandlung der Verwachsungen im Narbenbereich J Förderung der Sehnenheilung durch funktionelle Nachbehandlung J Reduktion der Immobilisationsschäden des Gelenkknorpels und Einsteifung des OSG und USG 5 Sportfähigkeit nach 12–16 Wochen 4 operativ: Indikation: 5 v.a. bei jungen und sportlich aktiven Patienten zur Verhinderung einer Sehneninsuffizienz: 4 Maßnahmen: 5 medial orientierter Längsschnitt 5 Präparation und Eröffnung des Peritendineums 5 Spülung und Entfernung des Hämatoms 5 Auskämmen der rupturierten Sehnenenden 5 ggf. Fibrinklebung 5 adaptierende Durchflechtungsnähte (verschiedene Techniken) mit PDS-Nähten J Kessler-Kirchmayr-Naht J Bunnell-Naht J minimal-invasive und perkutane Techniken

249 1.2 · Unfallchirurgie

5 Verschluss des Peritendineums und Wundverschluss 5 Nachbehandlung wie bei der konservativen Therapie

Komplikationen 4 4 4 4 4

tiefe Venenthrombose Reruptur gehäuft am muskulo-tendinösen Übergang chronische Tendinitis mit Verdickung der Sehne Wundheilungsstörung nach operativer Versorgung Sehneninsuffizient durch relative Verlängerung

Prognose 4 insgesamt gute Prognose (operativ und konservativ) 4 > Memo Rerupturgefahr ist in den ersten 3 Monaten am größten, gerade wenn der Patient mit dem Sport wieder anfangen möchte (Aufklärung des Patienten).

Bandverletzungen des Sprunggelenks Pathogenese 4 Verletzungen des Kapsel-Band-Apparates des oberen Sprunggelenks sind die häufigsten in Sport und Freizeit (Gefahr der Persistenz einer Instabilität und rezidivierenden »Supinationstraumen«) 4 häufig mit Sport assoziierte Verletzungsform (Volleyball, Fuß- und Basketball, Waldlauf, usw.) entsteht durch ein Supinations-AdduktionsTrauma (siehe auch Klassifikation nach Lauge-Hansen), bei dem die reflektorisch-muskuläre Stabilisierung über die propriozeptiven Rezeptoren versagt (»point of no return«) 4 der Außenbandkomplex besteht neben dem kranial gelegenen distalen Syndesmosenkomplex aus folgenden Bändern (Anteil wenn rupturiert in Prozent): 5 Lig. fibulotalare anterius (FTA-Ruptur in 90% der Fälle) 5 Lig. fibulocalcaneare (FC-Ruptur in 60% der Fälle) 5 Lig. fibulotalare posterius (FTP-Ruptur in Memo Faustregel: Besonders fruchtbare Fugen an der oberen Extremität fern vom Ellenbogen, an der unteren Extremität nah am Knie. 5 direkte (periostale) Korrekturmechanismen 5 indirekte (epiphysäre) Korrekturmechanismen 4 Rotationsfehler können theoretisch an allen Röhrenknochen korrigiert werden, nachgewiesen bisher aber nur an Humerus und Femur, und nur bis zum 5. Lebensjahr

Diagnostik 4 Röntgendiagnostik mit angrenzenden Gelenken 4 Ultraschall 4 Vergleich mit der unverletzten Gegenseite (absolute Ausnahme!) (von Laer: »Das Kind kommt wegen der Therapie und nicht wegen der Diagnose.«), aber wichtige Ausschlussdiagnosen sind: 5 Schaftfrakturen: J plastische Deformation (bowing fracture) typischerweise an Ulnaoder Fibulaschaft (Operationsbedürftigkeit, weil wahrscheinlich ohne Frakturhämatom Remodellingprozesse ausbleiben) J Grünholzfrakturen (2/3 der diaphysären Unterarmfrakturen): konvexseitig (Biegebeanspruchung) bricht die Kortikalis, konkavseitig (Druckbeanspruchung) bleibt sie nur (ggf. nur geringfügig) plastisch deformiert, was für eine anatomische Reposition und ungestörte Frakturheilung die Komplettierung der Fraktur (»Gegenbrechen«) erforderlich macht J metaphysäre Wulstfrakturen (axiale Kompressionskräfte): rein subperiostal, stabil, unproblematische Heilung J vollständige Frakturen (Quer-, Schräg-, Spiral-, Trümmerfrakturen)

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

5 Gelenkfrakturen: Salter-Harris bzw. Aitken-Klassifikation J Epiphyseolysen: Salter-I-Verletzungen (Aitken 0), d.h. Epiphysenlösung im mechanisch schwächsten metaphysären Fugenanteil, epiphysär in der Regel unbeschadet und periostbehaftet J je größer der Knochenkern, desto größer das Risiko eines metaphysären Frakturanteils (Salter II bzw. Aitken I) (häufigste Form) J eigentliche Epiphysenfrakturen: Salter III und IV bzw. Aitken II und III sind echte intraartikuläre Frakturen mit Verletzung des epiphysären Fugenknorpels J Übergangsfrakturen (two plane, triplane I und II) entstehen auf Grund des sukzessiven, meist exzentrischen Schluss der Wachstumsfugen, durch den deren gelenkprotektiver Effekt ausfällt 5 Bandverletzungen: J chondrale, ossäre oder periostale Ausrisse (Kreuzband, fibulotalares Bandsystem) J intraligamentäre Bandverletzungen vor Fugenschluss als Rarität, erst nach dem 12. Lebensjahr kehrt sich das Verhältnis zugunsten der intraligamentären Rupturen um »Kadi«-Diagnosen (Haftpflichtschaden!): 5 kindertraumatologische Instanz – Lutz von Laer formuliert: Läsionen, bei denen sekundär erhebliche Probleme auftreten können, die vermeidbar wären, wenn die Verletzung initial bereits richtig erkannt und entsprechend behandelt worden wäre (»Kadi«-Diagnosen): J undislozierte Fraktur des Condylus radialis humeri (Sekundärdislokation trotz Gipsruhigstellung): OP-Indikation! J Radiusköpfchenluxation im Rahmen einer Monteggia-Läsion (isolierte Ulnaschaftfraktur nie ohne Röntgenkontrolle des Ellbogengelenks diagnostizieren): OP-Indikation! J Rotationsfehler im Rahmen der suprakondylären Humerusfraktur: OP-Indikation! J metaphysärer Biegungsbruch der proximalen Tibia: Gipskeilung oder OP-Indikation! J Innenknöchelfraktur (Dislokation sicher ausschließen): OP-Indikation!

Therapie 4 konservative Frakturbehandlung: 5 reine Ruhigstellung 5 Zeitraum höchstens 4 Wochen oder geschlossene Reposition und Retention im Gips oder sekundäre Stellungskorrektur durch Keilen des Gipsverbandes 4 operative Therapie: wenn Reposition, dann möglichst auch definitive Retention, ohne wiederholten Repositionsbedarf: 5 geschlossene, seltener offene Stabilisierung durch: J Kirschner-Draht (Fugenverletzungen) J elastisch stabile Markraumschienung (diaphysäre Frakturen): ESIN, Pivot- oder Prevot-Nagel

255 1.2 · Unfallchirurgie

5 im Ausnahmefall offene Reposition und Plattenosteosynthese 5 ältere Jugendliche ggf. auch antegrade Verriegelungsnagelosteosynthese von Femurschaftfrakturen 5 Bandausrisse mit Dislokation: J Refixation durch Schraube oder Drahtschlinge oder nichtresorbierbares Nahtmaterial 4 Rolle der Physiotherapie: 5 in der Regel keine Bedeutung

Alterstraumatologie

M. Nossek Bedeutung 4 in den kommenden 40 Jahren in den wichtigen Bereichen der Alterstraumatologie stark anwachsende Patientenzahlen, z.B. 5 proximale Humerusfrakturen 5 Handgelenkfrakturen 5 hüftgelenknahe Frakturen J Steigerung der wegen hüftgelenksnaher Frakturen zu versorgenden Patienten bis 2050 voraussichtlich um etwa 70% J bei den Patienten älter als 80 Jahre sogar um 150% 4 bei den oft multimorbiden Patienten ist die postoperative Überleitung in die Weiterversorgung wichtig, da eine Fraktur die vollständige Pflegebedürftigkeit bedeuten kann 4 Verbesserungen sind nur von der Osteoporose- und Sturzprophylaxe (Koordinationstraining, muskuläre Kraft, Mobilität, Seh- und Hörvermögen) zu erwarten

Demographische Entwicklung 4 im Jahr 2050 werden doppelt so viele über 70-Jährige in Deutschland leben als heute 4 der Anteil der mehr als 90 Jahre alten Menschen wird sich im gleichen Zeitraum verdreifachen 4 über 50% der Bevölkerung werden älter als 52 Jahre sein, ein Drittel älter als 65 Jahre

Interdisziplinarität 4 ältere Patienten sind häufig multimorbid und dadurch während ihres stationären Aufenthaltes für die Betreuer erheblich anspruchsvoller und zeitaufwendiger als jüngere unfallchirurgische Patienten 4 der pflegerische Aufwand kann im klinischen Alltag neben der schlechteren Mobilität zusätzlich durch eine bereits bestehende Demenz oder ein postoperatives Durchgangssyndrom erschwert werden 4 in der medizinischen Versorgung sind die Nebenerkrankungen der älteren Menschen zu berücksichtigen 4 Herzinsuffizienz, Kreislauferkrankungen oder Diabetes mellitus erfordern die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Kardiologen, Endokrinologen, Neurologen und Geriatern

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Klinik 4 Prädilektionsorte: 5 proximale Humerusfraktur 5 distale Radiusfraktur 5 hüftgelenknahe Femurfraktur 4 Komorbidität: 5 Diabetes mellitus 5 Herzinsuffizienz 5 KHK, AVK, COPD, Klappenersatz 5 demenzielle Erkrankungen 4 Vor- und Begleitmedikation: 5 korrekte Einstellung 5 Beeinträchtigung von Gerinnung 5 Beeinträchtigung von Vigilanz 4 Weichteilverhältnisse kompromittiert durch: 5 Adipositas 5 Dehydrierung 5 Eiweißmangel 5 Pergamenthaut 4 Osteoporose

Therapie 4 Operation: 5 ggf. aufgeschobene Dringlichkeit: J in der Vorbereitung Verbesserungsfähigkeit interdisziplinär klären J ggf. Intervall provisorischer Schienung und Stabilisierung unterer adäquater Schmerztherapie 4 Primärversorgung bei allen immobilisierenden Frakturen: J Vollbelastbarkeit als Ziel (Implantatauswahl) J Überwachungsbedarf perioperativ organisieren J Fast-Track (Ansprache, Mobilisation, Abführen, Kostaufbau, Umgebungsnormalität) J frühestmögliche Entfernung von Kathetermaterial 4 Physiotherapie: 5 Atemgymnastik 5 Mobilisation 5 Gangschulung 5 Alltagsaktivitäten 4 Lagerung und Dekubitusprophylaxe

Polytrauma Definition 4 Verletzung mehrerer Körperregionen oder von Organsystemen, wobei mindestens eine oder die Kombination mehrerer Verletzungen vital bedrohlich sind 4 Verletzungsschwere nach Injury Severity Score (ISS) ≥16 Punkte 4 6 AIS-Körperregionen (AIS = Abbreviated Injury Scale = vereinfachte Verletzungsskala):

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4 4

4 4

5 Schädel und Hals 5 Gesicht 5 Thorax 5 Abdomen 5 Extremitäten 5 Weichteile Ausprägungen: 1–6 (leicht bis nicht überlebbar) 5 Addition der Quadrate der 3 höchsten Bewertungen: Werte zwischen 1 und 75 5 Bewertung: 6 in einer Region bedeutet automatisch einen ISS von 75 Häufigkeit: ca. 8000/Jahr führende Todesursache der unter 44-Jährigen: 5 in Deutschland überwiegend stumpfe Verletzungen (Verkehrsunfall, Arbeits-/Freizeitunfall, Sturz aus großer Höhe) 5 überwiegend männliches Geschlecht Gesamtletalität etwa 20% (weiter sinkend) weitere Verbesserungen erwartet durch Etablierung von TraumaNetzwerken (zertifizierte lokale, regionale und überregionale Traumazentren)

Klinik 4 Pathophysiologische Veränderungen nach Polytrauma: 5 erworbenes Immundefizienzsyndrom: J sekundäre Komplikationen nach hämorrhagisch-traumatischem Schock und Ischämie-/Reperfusionssyndrom J Ursache des posttraumatischen Organ-/Multiorganversagens (MOV) J Ursache der posttraumatischen Sepsis 5 die formale posttraumatische Kausalkette beim MOV beinhaltet folgende Schritte: J Trauma/mechanische Zerstörung von Weichteilgeweben, hämorrhagisch-traumatischer Schock, Ischämie/Reperfusionssyndrom J hypermetabolische Phase mit akuter (abakterieller) Entzündungsreaktion/inflammatorischer Akutphasenreaktion (acute inflammatory response): humoral-zellulär-initial lokalisiert, später mit systemischer Ausbreitung J erworbener posttraumatischer Immundefekt J katabole Phase mit Organmanifestation (solid organ metabolic response) J MOV im Rahmen eines hyperdynamen septiformen Bildes J septisches MOV J Tod 5 > Memo Der posttraumatische Immundefekt manifestiert sich am Übergang von der hypermetabolischen zur katabolen Phase und deutet sich durch eine erhöhte Anfälligkeit für nosokomiale Infektionen an. 4 Therapeutische Prinzipien leiten sich daraus unmittelbar ab: 5 Prävention des MOV ist zeitkritisch, daher frühestmögliche Wiederherstellung und Erhalt der Mikrozirkulation:

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

J Behandlung und Beseitigung von Risikofaktoren (Volumenmangel, Hypothermie, metabolische Azidose, Koagulopathie) J chirurgische Blutstillung J Kontrolle von Sepsisquellen J Dekompression (muskuläre Kompartimente, Thorax, Abdomen, Gehirn) J frühe Frakturstabilisierung 5 akzidentelle Hypothermie: J Schwerverletzte weisen häufig schon bei Einlieferung eine Erniedrigung der Körperkerntemperatur auf unter 35 °C auf J als kritische Temperaturgrenze für die Entwicklung von posttraumatischen Komplikationen und verantwortlich für eine signifikant erhöhte Mortalität muss eine Hypothermie ab 34 °C angesehen werden J effiziente Wiedererwärmung ist Voraussetzung für eine adäquate Blutstillung und hämodynamische Stabilisierung (Temperatur im Schockraum, gewärmte Infusionslösungen, Bedeckung nach Entkleiden usw.) 5 permissive Hypothermie: J kann in der frühen intensivmedizinischen Phase, nach chirurgischer Blutungskontrolle und erzielter erster Stabilisierung eine Option sein

Diagnostik 4 ATLS-(Advanced Trauma Life Support)Prinzip: »threat first, what kills first« 4 Diagnostik erfolgt parallel zu therapeutischen Maßnahmen im Rahmen der klinischen Erstversorgung nach ABCDE-Regel: 5 Start: Atemweg frei? 5 Indikation: Beatmung? 5 Indikation: Thoraxdrainage? 5 Weiter: Blutungsursachen? 4 First survey, Secondary survey, strukturiertes, standardisiertes Vorgehen 4 interdisziplinäres, trainiertes Schockraumteam 4 apparative Diagnostik umfasst 5 initial obligat Röntgen von Thorax und Beckenübersichtaufnahme 5 obligat weiter: J Sonographie Abdomen und Thorax (FAST = Zeitbedarf 1 Minute) J (Spiral-)CT (nur bei kreislaufstabilen Patienten) 4 ! Cave Abbruch der Schockraumdiagnostik für Notoperationen (massiv freie Flüssigkeit)

Therapie 4 klinische Erstversorgung nach ATLS-Prinzipien (und deren Fortschreibung) 4 Operationskonzepte: 5 Damage-Control (Beispiel: Fixateur externe bei Femurfraktur) vs. Early Total Care (Beispiel: Verriegelungsnagel bei Femurfraktur)

259 1.2 · Unfallchirurgie

4 dringliche operative Maßnahmen: 5 Verletzung großer Stammgefäße 5 intrakranielle Raumforderungen 5 offene Hirnverletzungen 5 Verletzung parenchymatöser Organe (Thorax und Abdomen) 5 Rupturen von Hohlorganen 5 hämodynamisch instabile Beckenverletzung 5 lagerungsinstabile Beckenverletzung 5 Kompartmentsyndrom 5 höhergradig offene Fraktur 5 Frakturen mit schwerem Weichteilschaden 5 Femurfraktur 5 offene Augenverletzung 5 stark blutende Mittelgesichtsverletzung 4 operative Maßnahmen abhängig vom Stabilisierungsgrad des Patienten im Verlauf: 5 Schädel 5 Thorax 5 Abdomen 5 Becken 5 Wirbelsäule 5 Nerven 4 Second-Look-Eingriffe 4 Gelenkrekonstruktionen 4 Verfahrenswechsel bei Osteosynthesen

1.2.7

Komplikationen S. Povoden

Kompartmentsyndrom Pathogenese 4 ein Kompartmentsyndrom entsteht durch Flüssigkeitsansammlung und/oder externer Kompression in einem faszienumschlossenen Raum mit resultierender Druckerhöhung in der Muskelloge 4 die Durchblutung sinkt innerhalb dieses Kompartimentes unterhalb des lebensnotwendigen Levels 4 Hypoxie und Permeabilitätsstörungen verursachen Muskelnekrosen, irreversible Nervenschäden und weitere Folgezustände 4 Veränderung des Kompartmentvolumens durch: 5 Kompression z.B. Gipsverbände, Blutsperren, automatische Blutdruckmessgeräte 5 Extension von Frakturen 5 Distraktionsbehandlungen 5 zirkuläre Verbrennungen und Erfrierungen 3. Grades 5 Verschluss von Fasziendefekten 5 lagerungsbedingt

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Vermehrung des Kompartimentinhaltes: 5 Blutung, Gefäßverletzung, Hämophilie, Antikoagulanzientherapie, Thrombolyse 5 Infusionsbehandlung (intraossäre Infusion, venöse Druckinfusion, Arthroskopie) 5 Ödem durch verstärkte Kapillarpermeabilität Ischämie-Reperfusions-Verletzung 5 Kapillarlecksyndrom, Verbrennungen 5 Muskelhypertrophie 5 Zysten 5 Kombination von Blutung und Ödem (Fraktur, Osteotomie, Kontusion) 5 medikamentös (Cyclosporin, Gemfribrosil, Theophyllin) 5 maligne Hyperthermie als anästhesiologische Komplikation 5 toxisch 4 ! Cave Notfall

Inzidenz 4 variiert je nach Frakturen zwischen 3 und 17% 4 mittlere jährliche Inzidenz des Kompartmentsyndroms: 7,3/100.000 bei Männern und 0,3/100.000 bei Frauen

Klinik 4 ausgeprägter Schmerz, starken Analgetika haben nur unverhältnismäßig geringe Wirkung 4 Schwellung und Tonuserhöhung 4 Sensibilitätsausfälle bzw. Sensibilitätsstörungen 4 motorische Störungen 4 Blässe und Temperaturverminderung der Haut 4 periphere Pulse meist erhalten 4 Auftreten Stunden bis Tage nach dem Ereignis 4 > Memo 6P: pressure, paraesthesia, paresis, pain, pallor, puls intact. 4 Kompartimente: 5 Schultergürtel: J M. infra-/supraspinatus J M. teres minor J M. subscapularis 5 Oberarm: J ventrales Kompartiment: M. biceps humeri, M. brachialis, M. coracobrachialis J dorsales Kompartiment: M. triceps humeri 5 Unterarm: J oberflächliche Beugerloge: M. flexor carpi ulnaris et radialis, M. palmaris longus, M. brachioradialis, M. flexor digitorum superficialis J tiefe Beugerloge: M. flexor digitorum profundus, M. flexor pollicis longus J dorsales Kompartiment: Mm. extensor carpi radialis longus et brevis, M. extensor digitorum, M. extensor digiti minimi, M. extensor carpi ulnaris, Mm. abductor pollicis longus et brevis

261 1.2 · Unfallchirurgie

5 Hand: J palmares Kompartiment J Thenar J Hypothenar 5 Glutealkompartiment: J M. gluteus maximus, medius et minimus 5 Oberschenkel: J ventrales Kompartiment: M. quadriceps femoris, M. tensor fasciae latae, Adduktorenmuskulatur J dorsales Kompartiment: M. biceps femoris, M. semitendinosus, M. semimembranosus 5 Unterschenkel: J laterales Kompartiment: Mm. peroneus longus, brevis et tertius J ventrales Kompartiment: M. tibialis anterior, M. extensor digitorum longus, M. extensor hallucis longus J tiefes dorsales Kompartiment: M. tibialis posterior, M. flexor digitorum longus, M. flexor hallucis longus 5 Fuß: J mediales, laterales, plantares und dorsales Kompartiment

Diagnostik 4 Klinische Diagnose! 4 Apparativen Diagnostik bei einem Bewusstlosen oder tief analgosedierten Patienten: 5 Druckmessung mit subfazial applizierter Drucksonde (z.B. Stryker®- und das Coach®-System), in der Literatur keine Übereinstimmung bei den kritischen Grenzwerten J intrakompartimenteller Druckwert von 30 mmHg als Grenze zur Fasziotomie J Differenz von intrakompartimentellem Druck und diastolischem Druck zur Beurteilung J Grenzwert über die Differenz beider Drücke ebenfalls 30 mmHg

Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4 4 4

Phlebothrombose/Thrombophlebitis Nervenläsion lokale Weichteilinfektion Stressfraktur Muskelkater Tumor pAVK

Therapie 4 Erstmaßnahmen: 5 abschnürende Verbände entfernen 5 zu eng sitzende, nicht gespaltene Gipsverbände verändern 5 ungünstige Lagerung der Gliedmaße beseitigen 5 Perfusionsstörungen mindern (meist Tieflagerung der Extremität)

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 ! Cave Notfalloperationsindikation 4 operative Therapie: 5 operativen Druckentlastung durch Dermatofasziotomie des betroffenen Kompartiments 5 Spaltung der Muskelfaszie und der Haut über die gesamte Länge der Loge, ansonsten keine ausreichende Druckentlastung 5 temporäre Weichteildeckung mit alloplastischem Hautersatz oder Anlage eines Vakuumverbandes 5 Second-Look-Operation nach 24–48 Stunden 5 Dermatotraktion 5 Wundverschluss nach 7–14 Tagen 5 ggf. Meshgraft

Komplikationen 4 ischämische Muskelnekrosen 4 Verlust von Muskulatur mit motorischen Defiziten 4 Fibrosierung und Retraktion der betroffenen Gewebsanteile treten Kontrakturen der angrenzenden Gelenke in Erscheinung (klassisches Beispiel »Volkmann-Kontraktur«)

Prognose 4 bei rechtzeitiger Diagnose und korrekter Therapie gut

Pseudarthrose Synonyme 4 Falschgelenk 4 Scheingelenk 4 Pseudogelenk

Definition Pseudarthrose (non union) bezeichnet das Ausbleiben der knöchernen Heilung einer Fraktur oder Osteotomie über einen Zeitraum von 6 Monaten hinaus, bis dahin spricht man von verzögerter Knochenbruchheilung (delayed union).

Pathogenese 4 gestörte Knochenbruchheilung durch: 5 mechanische und/oder biologische Faktoren 5 sowie Infektion 4 sich gegenseitig beeinflussende Kombination der Faktoren sind häufig 4 bei polytraumatisierte Patienten besteht eine erhöhte Gefahr für Pseudarthrosen aufgrund 5 der immunologischen Situation 5 der Immobilisation und des fehlenden Muskeltonus 5 direkter Gewebetraumatisierung bei Hochrasanztrauma 4 Risikofaktoren: 5 Diabetes mellitus 5 Immunsuppression (HIV, Zytostatika, Cortison)

263 1.2 · Unfallchirurgie

5 5 5 5 5 5

Radiatio Nikotinabusus fortgeschrittenes Alter Infektion Ernährungszustand insuffiziente Osteosynthese oder unzureichende Ruhigstellung bei konservativer Therapie

Inzidenz 4 Frequenz von Pseudarthrosen je nach primärer Frakturlokalisation und Weichteilschaden 5–10% 4 häufig Tibiaschaft, Os scaphoideum, Schenkelhals, Unterarm, Klavikula

Klinik 4 4 4 4 4 4 4 4 4

belastungsabhängige Schmerzen Schwellung im Frakturbereich bis völlig symptomfrei ggf. Achsen- und Rotationsfehler ggf. pathologische Beweglichkeit Bewegungseinschränkungen oder Einsteifungen der benachbarten Gelenke sekundär durch eine Pseudarthrose möglich bei Infektpseudarthrosen ist darauf zu achten, ob septische Allgemeinzeichen oder eine Fistelung vorliegt Durchblutungs- und Sensibilitätsminderung möglich Achsen- und Rotationsfehler Weichteilsituation: 5 Infektzeichen 5 Fistelungen 5 instabile Narbenplatten 5 Ulzerationen 5 dystrophe oder atrophe Haut 5 pAVK 5 sensomotorische Ausfälle

Diagnostik 4 Röntgen betroffener Knochen mit angrenzenden Gelenken in 2 Ebenen: 5 persistierende Bruchlinien 5 Sklerosierung der Frakturränder 5 Spaltbildungen 5 hypertropher oder fehlender Kallus 4 CT 4 Szintigraphie: 5 atrophe, nichtreaktive Pseudarthrosen minimale oder keine Isotopenaufnahme 5 hypertrophe Pseudarthrose vermehrte Tracer-Aufnahme 4 ggf. MRT: 5 Signalerhöhung im Pseudarthrosenspalt (T2w-Sequenz) 5 unterschiedlich ausgeprägtes Knochenmarködem

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

5 bei Knochensklerose progrediente Signalminderung in allen Sequenzen 5 Aussagen bezüglich Vitalität und Infektion möglich 4 Labor: 5 BB, CRP, BKS 4 klinisch: 5 ggf. pathologische Beweglichkeit

Klassifikation 4 angeborene Pseudarthrose: häufig Neurofibromatose oder fibröse Dysplasie 4 erworbene Pseudarthrose: nach Weber und Cech reaktive (vitale) bzw. inaktive (avitale) Pseudarthrosen 4 hypertrophe Pseudarthrose: biologisch-reaktionsfähige Pseudarthrosen heilen, sobald sie stabil fixiert werden (Synonym: ElefantenfußPseudarthrose) 4 hypotrophe Pseudarthrose: nur geringe Kallusbildung (Synonym: Pferdefuß-Pseudarthrose) 4 atrophe (avitale) Pseudarthrose: mit vollständigem Fehlen von knöchernen Reaktionen 5 biologisch-reaktionsunfähige Pseudarthrosen heilen nur bei Kombination von: J stabilisierenden Maßnahmen mit einer biologischen Stimulation durch autologen Spongiasatransfer J Segmenttransport nach Ilisarov J unter Umständen auch durch einen die Vaskularisation verbessernden Muskel- oder muskulokutanen Gewebetransfer J ggf. BMP-2-Substitution 4 Defektpseudarthrose: 5 durchblutungsgestörter Knochen 5 fehlender Knochen 5 häufig Infekt 5 Frakturenden der Hauptfragmente sind vaskularisiert 5 osteologisch tote Zone bei fehlender Knochensubstanz 5 Frakturfragmentverlust: J durch Unfall J infolge Osteitis J oder durch Sequestrierung bzw. Nekrose 4 > Memo Die korrekte Klassifikation einer Pseudarthrose ist entscheidend für die Art der erforderlichen Therapie.

Therapie 4 konservativ (selten): 5 gepulster Ultraschall 5 Magnetfeld 5 ESWL bei atrophen Pseudarthrosen 4 meist operativ: 5 reaktive, vitale Pseudarthrosen:

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J Osteosynthese mit höherer Stabilität J ggf. additive Plattenosteosynthese (diaphysär aufgebohrter Marknagel, metaphysär Kompressionsplattenosteosynthese) 5 atrophe, avitale Pseudarthrose: J Spongiosaplastik zusätzlich zur Osteosynthese J ggf. kortikospongiöser Span (auch gefäßgesteilt) J ggf. Weichteildeckung durch Rotationslappen, fasziokutane Schwenklappen, lokale oder freie Muskellappen 5 gelenknahen Pseudarthrosen mit avaskulärer Nekrose eines Gelenkpartners älterer Patienten: J ggf. Endoprothese 5 Infektpseudarthrose: J radikale lokale Sanierung J mehrere Wundabstriche mit Gewebe für Mikrobiologie und zusätzlich für Pathologie entnehmen J lokale und systemische längerfristige testgerechte Antibiotikatherapie J häufig Segmentresektion und Segmenttransport mit TSF oder Ilisarov-Fixateur erforderlich 4 > Memo Auch beschwerdefreien Patienten Operation empfehlen (insbesondere bei Pseudarthrosen der unteren Extremitäten), da Implantatversagen droht.

Komplikationen 4 4 4 4

Pinlockerung Pininfektion Ausbleiben der Heilung Kontrakturen/Ankylose der benachbarten Gelenke

Akute und chronische Infektionen Abszess Pathogenese 4 abgekapselte Ansammlung von Pus als Folge von Gewebeverflüssigung 4 glattwandige oder septierte eitergefüllte Höhle, ggf. mit Fistelbildung bei Penetration in eine Körperhöhle oder nach außen 4 häufig verursachende Keime: 5 Staphylokokken 5 Streptokokken 5 Enterokokken

Klinik 4 4 4 4

lokal begrenzte Schwellung Rötung und Überwärmung Schmerzen und Spannungsgefühl ggf. Fieber und Schüttelfrost

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Eigene Notizen

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Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Diagnostik 4 4 4 4 4

klinische Untersuchung Ultraschall ggf. CT/MRT Labor (Leukozyten, CRP) Punktion (Pus?)

Therapie 4 4 4 4 4

operativ: Abszessausräumung und Drainage ggf. Vakuumtherapie häufig geplante Revisionsoperation Verschluss nur nach sicherer Keimfreiheit, sonst sekundäre Wundheilung (nicht über Implantaten!) 4 Antibiotikatherapie, nach Abstrichgewinnung (nicht von der Haut, da sonst Kontamination mit Hautkeimen) 4 > Memo Ubi pus, ibi evacua.

Komplikationen 4 Perforation mit innerer oder äußerer Fistelbildung 4 Bildung von multiplen Mikroabszessen 4 Sepsis

Phlegmone Pathogenese 4 Infektion des interstitiellen Bindegewebes durch: 5 β-hämolysierende Streptokokken 5 Staphylokokken 5 selten Anaerobier 4 Ausbreitung auch im Markraum oder Sehnenscheiden

Klinik 4 4 4 4

livide Rötung Überwärmung reduzierter Allgemeinzustand Fieber

Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Labor (Leukozyten, CRP) 4 Temperatur

Therapie 4 4 4 4

Antibiotika lokale Antiseptika ggf. Débridement mit Nekrosenausräumung Vakuumtherapie

267 1.2 · Unfallchirurgie

Komplikation 4 4 4 4 4

Abszessbildung nekrotisierende Fasziitis Sepsis Lymphangitis Lymphadenitis

Erysipel Synonyme 4 Wundrose 4 Streptodermia cutanea lymphatica

Pathogenese 4 von Epitheldefekten ausgehende flächenhafte, scharf begrenzte Hautinfektion mit β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (selten andere Erreger)

Klinik 4 4 4 4

scharf begrenzte, flammende Rötung ausgeprägte Überwärmung Fieber verschiedene Formen: 5 bullös 5 ekchymatös 5 hämorrhagisch 5 gangränös 5 abszedierend

Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Labor (Leukozyten, CRP) 4 Temperatur

Therapie 4 4 4 4

Antibiotika (Penicillin G, ! Cave Häufig Allergien) lokal Antiseptika Kühlung Hochlagerung

Differenzialdiagnose 4 4 4 4

postthrombotisches Syndrom allergische Kontaktdermatitis Angioödem nekrotisierende Fasziitis

Komplikationen 4 hohe Rezidivquote bei inadäquater Therapie bis zu 30% mit Lymphödem bis hin zur Elephantiasis 4 Thrombophlebitis

1

Eigene Notizen

268

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Thrombose 4 Lymphangitis 4 Lymphadenitis

Nekrotisierende Fasziitis Pathogenese 4 lebensbedrohliche Weichteilinfektion, die durch sich foudroyant ausbreitende Nekrosen der betroffenen Faszien gekennzeichnet ist 4 meist durch β-hämolysierende Streptokokken 4 Staphylococcus aureus 4 MRSA

Klassifikation 4 Typ I: 5 kombinierte Infektionen mit aerob/anaerober Mischinfektion ohne Nachweis von Streptokokken der Gruppe A 4 Typ II: 5 primäre Infektion mit Streptokokken der Gruppe A 5 mit oder ohne gleichzeitiger Infektion mit Staphylococcus aureus oder epidermidis

Klinik 4 4 4 4 4 4 4 4 4

scheinbar unerklärlich starke Schmerzen (100%) Erythem (77%) Induration (43%) Schwellung (20%) Fluktuation (20%) Nekrose (10%) Bulla (3%) Krepitation (3%) rascher Verfall des Patienten mit fulminanten Mehrorganversagen

> Memo Tetanusschutz bei allen Weichteilinfektionen abklären, im Zweifelsfall komplettieren.

Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Labor 4 Röntgen: 5 bis 76% mit nekrotisierender Fasziitis ohne Hinweis auf Gaseinschlüsse 4 Sonographie: 5 verdickte unregelmäßige Faszien 5 Flüssigkeit mind. 4 mm neben der Faszie 5 falsch positiv: 6% 5 falsch negativ: 8% 4 CT: 5 verdickte Faszien 5 Gaseinschlüsse bei 50–60%

269 1.2 · Unfallchirurgie

4 MRT: 5 besonders im Frühstadium in der T2-Wichtung Faszienveränderungen 4 Punktion: 5 die Punktionsstelle blutet typischerweise nicht (aufgrund der Nekrose) > Memo Klinischer Verdacht auf eine nekrotisierende Fasziitis ist eine

sofortige Notfall-OP-Indikation, d.h. keine Zeit auf weitere Diagnostik verschwenden. Die Art des auslösenden Keimes hat keinen Einfluss auf das operative Vorgehen.

Therapie 4 operativ: 5 radikales und ausgedehntes Débridement 5 Gewebetaschen vermeiden 5 ausgedehnte Lavage 5 Vakuumverband 5 falls nicht möglich Feuchtverband 5 intraoperativ Abstriche mit Gewebeproben für Mikrobiologie und Probenentnahme für Pathologie 5 Breitspektrum-Antibiotikatherapie 5 präoperativ EKs und Gerinnungsfaktoren bereitstellen 5 intensivmedizinisches Monitoring 5 regelhafte Second-Look-Operation nach 12–24 Stunden (in der Literatur: 6–48 h) 5 bei voranschreitenden nicht beherrschbaren Nekrosen und/oder funktionsloser Extremität besteht Indikation zur Amputation 5 Wundverschluss nach neg. Abstrichen (3-mal) 5 Sekundärnaht 5 Dermatotraktion 5 plastische Deckung

Komplikationen 4 septisches Multiorganversagen 4 Letalität bis 80%

Osteitis Pathogenese 4 4 4 4

hämatogen posttraumatisch postoperativ oder Folge per continuitatem bedingte Infektion des Knochens (des Knochenmarkraumes = Osteomyelitis) 4 häufigster Keim: Staph. aureus 4 spezifische Infektionen durch Mycobacterium tuberculosis oder Treponema pallidum sind selten 4 begünstigende endogene Faktoren:

1

Eigene Notizen

270

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

5 hohes Alter 5 männliches Geschlecht 5 Kachexie 5 Adipositas 5 konsumierende Erkrankung 5 Malignom 5 rheumatische Arthritis 5 HLAB-27-positive Erkrankung 5 Diabetes mellitus Typ 1 und 2 5 Immundefekte 5 pAVK 5 periphere Ödeme 5 Neuropathie 4 begünstigende exogene Faktoren: 5 Polytrauma (ISS >12) 5 Schock 5 SIRS 5 Infektion an anderer Stelle 5 Massentransfusion 5 Hämolyse 5 Ischämie 5 Verbrennungen 5 Medikamente (Glukokortikoide, Immunsuppressiva, NSAR) 5 Nikotin 5 Alkohol 5 soziale Faktoren (Arbeitslosigkeit, Vereinsamung, Verwahrlosung)

Akute Osteitis 4 bis zu 8 Wochen (Literatur: bis 3 Monate) nach Initialereignis einer aufgetretenen Osteitis 4 Inzidenz bei Elektiveingriffen am Knochen 0,1–2% 4 nach Operation von geschlossenen Frakturen 1–5% 4 nach Operation offener Frakturen in Abhängigkeit vom Weichteiltrauma 3–40%

Klinik 4 4 4 4 4 4 4

allgemeines Krankheitsgefühl erhöhte Temperatur (>38,5 °C) länger als 2–3 Tage Schmerzen Schwellung Rötung Sekretion aus der Wunde ausgeprägte Hämatome (Prädilektion)

Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Labor: Leukozyten, CRP, PCT (hohe Sensitivität aber teuer!) 4 Röntgen in 2 Ebenen:

271 1.2 · Unfallchirurgie

4 4 4 4

5 frühestens nach 2–3 Wochen Osteolysen, periostale Reaktion, Kortikalisauftreibung Sonographie CT MRT: 5 früh zeigen sich Metallartefakte, postoperatives Ödem, Periostreaktion Mikrobiologie: beweisend ist der bakterielle Keimnachweis (intraoperativ mit Gewebeproben 3 Abstriche), aber negative Abstriche schließen eine Osteitis nicht mit 100% Sicherheit aus (biofilmbildende Keime)

> Memo Erreger der akuten Osteitis häufig Staph. aureus oder Enter-

okokken.

Therapie 4 operativ: 5 Débridement mit Materialgewinnung für Mikrobiologie 5 Stabilitätsbeurteilung der Osteosynthese 5 lokale Antibiose mit PMMA-Ketten oder resorbierbaren Wirkstoffen 5 Wundverschluss 5 ggf. Vakuumversiegelung 5 Beginn einer Antibiotikatherapie 4 Therapieplan inkl. Revisionszeitintervall (1–5 Tage) festlegen: 5 bei stabiler Osteosynthese: J temporäre Gipsruhigstellung J testgerechtes Umsetzen der Antibiose J Antibiotikum für mind. 6 Wochen bei Osteitis J frühestmögliche Metallentfernung anstreben 5 bei instabiler Osteosynthese: J wie stabile Osteosynthese, aber sofortige Metallentfernung J ggf. Segmentresektion und Ringfixateur (Ilisarov, TSF) 4 Therapieziel: 5 Infektsanierung 5 Frakturheilung 5 Vermeidung einer chronischen Osteitis 5 Wiedererlangen der normalen Funktion

Chronische Osteitis Pathogenese 4 bakteriologisch gesicherte Infektion eines Knochens nach mehr als 8 Wochen nach dem auslösenden Ereignis (Literatur: 3 Monate) 4 3 Formen: 5 chronische Osteitis bei stellungsgerecht ausgeheilter Fraktur 5 chronische Osteitis bei in Fehlstellung ausgeheilter Fraktur 5 infizierte Pseudarthrose 4 > Memo Kein typischer Keim bei der chronischen Osteitis.

1

Eigene Notizen

272

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Diagnostik 4 Anamnese: 5 Leistungsknick 5 verzögerte Wundheilung 5 Beschwerdepersistenz mit Schmerz 5 schleichender Gewichtsverlust 5 subfebrile nächtliche Temperatur 4 Labor: 5 BB 5 CRP häufig normal! 4 Röntgen in 2 Ebenen: 5 Sklerosierung 5 Knochenabbau 5 unregelmäßige Knochenstruktur 5 Implantatlockerung 5 Sequester mit Totenlade 4 CT: 5 Frakturheilung? 4 MRT: 5 exakte Lokalisation 5 Weichteilausdehnung: J in T1 dunkel J in T2 hell 4 Szintigraphie: 5 hohe Sensitivität 5 unzureichende Spezifität 4 PET: 5 höchste Sensitivität, auch für Low-grade-Infekte 4 mikrobiologischer Keimnachweis: ist beweisend

Therapie 4 Infektsanierung: 5 Entfernung des Implantates 5 radikales Débridement, Resektionsränder müssen vital sein 5 ggf. Kontinuitätsresektion und lokalen Platzhaltern (PMMA) 5 Stabilisierung mit Ringfixateur 5 testgerechte Langzeitantibiose (mind. 6 Wochen bis Monate) 4 Deckung der Weichteile: 5 plastische Maßnahmen mit ortsständigem, gestieltem oder freiem Lappen 4 Rekonstruktion des knöchernen Defekts: 5 monokortikale Defekte bis 3 cm: J kortikospongiöse Beckenspäne oder/und größere Spongiosamengen möglich J Entnahme z.B. Femur mit den RIA-Bohrer 5 Segmenttransport bei Strecken >3 cm: J Distraktion 1 mm/Tag J pro erreichter mm ist von einer Fixateurstandzeit von 3 Tagen auszugehen

273 1.2 · Unfallchirurgie

J gute Compliance erforderlich (Fixateurpflege kann durch Patient oder Angehörige erfolgen)

Komplikationen 4 chronisch-rezidivierende Exazerbationen möglich 4 chronische Fisteln

Hämatogene Osteitis Pathogenese 4 primäre Markrauminfektion mit sekundärer Ausdehnung auf Kortikalis und Periost 4 typische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen (1/3 10%) 4 Zerstörung der Epiphysenfugen

Gelenkinfektionen Pathogenese 4 Befall eines Gelenks durch pathogene Erreger mit nachfolgender Entzündung 4 endogene Ursachen: 5 spezifische Infektionen mit TBC, Typhus, Lues, Gonorrhoe 5 unspezifische Infektion meist Staph. aureus

1

Eigene Notizen

274

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 exogene Ursachen: 5 Keimverschleppung ins Gelenk durch: J Punktionen J Injektionen J postoperativ oder perforierende Verletzungen 4 Übersäuerung des Gelenkmileus durch: 5 bakterielle Toxine 5 Auflockerung des Knorpels 5 Durchwanderung 5 Knorpelzerstörung 5 Infektarthrose 4 Frühinfekt: Zeitraum Kontamination bis Auftreten Memo Arbeitsunfall: Nach Definition der Rechtsprechung ein von außen einwirkendes, unfreiwilliges, zeitlich begrenztes Ereignis, das mit einer versicherten Tätigkeit in ursächlichem Zusammenhang steht und eine Gesundheitsschädigung bewirkt hat. 4 Wegeunfall auf dem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte und umgekehrt 4 Berufskrankheit (muss als solche gesetzlich festgestellt sein) 4 anfällig für langwierige Verläufe und Vermischung mit vorbestehenden Befunden:

281 1.2 · Unfallchirurgie

5 Kniegelenkdistorsion 5 Schulterprellung 5 HWS-Distorsion

Leistungen 4 Heilbehandlung 5 ärztliche Behandlung 5 Arzneimittel 5 Verbandmittel 5 physikalische Therapie 5 Ausstattung mit Körperersatzstücken 5 Belastungserprobung 5 Gewährung von Pflege 4 > Memo Grundsatz: Beseitigung oder Besserung der Verletzungsfolgen »mit allen geeigneten Mitteln«.

Gliederung des Berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens 4 Durchgangsarztverfahren: 5 Dokumentation 5 Erstversorgung 5 Entscheidung über weitere Behandlung 5 ggf. Selbstübernahme 4 Augenarzt- und HNO-Arzt-Verfahren: 5 Dokumentation 5 Erstversorgung 5 Entscheidung über Weiterbehandlung 5 ggf. Selbstübernahme. Vorstellungspflicht bei einschlägigen Verletzungen

Allgemeine Heilbehandlung 4 Verletzungen: 5 für die keine stationäre Behandlung erforderlich wird 5 die voraussichtlich nicht langwierige Verläufe nach sich ziehen 5 die keine spezialisierte unfallchirurgische Behandlung erfordern 5 die voraussichtlich keine bleibenden Veränderungen oder Schäden nach sich ziehen, d.h. keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß

Besondere Heilbehandlung 4 Verletzungen: 5 die stationär behandlungsbedürftig sind 5 bei denen das Risiko einer MdE besteht 5 immer bei Verletzungsartenverfahren →

Verletzungsartenverfahren 4 Behandlung durch eine dafür ausdrücklich zugelassene Klinik unter der Leitung eines besonders qualifizierten Unfallchirurgen (FA Orthopädie und Unfallchirurgie, Zusatzbezeichnung Spezielle Unfallchirurgie), zukünftig: »Regionales Traumazentrum«

1

Eigene Notizen

282

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

4 Verletzungsartenverzeichnis (Ziffern 1–10): 1. Ausgedehnte Weichteilverletzungen, Amputationen, ausgedehnte thermische, chemische Schädigungen 2. Verletzungen großer Gefäße 3. Verletzungen von Nervenbahnen, einschließlich Verletzungen der Wirbelsäule mit neurologischer Symptomatik 4. Offene und gedeckte SHT ab II.° 5. Thoraxverletzungen mit Organbeteiligung 6. Bauchverletzungen mit Organbeteiligung einschließlich Nieren 7. Verletzungen großer Gelenke, mit Ausnahme isolierter Bandverletzungen des oberen Sprunggelenks sowie isolierter Rupturen des vorderen Kreuzbandes und unkomplizierter vorderer Schulterinstabilitäten 8. Schwere Verletzungen der Hand0 9. Alle komplexen Knochenbrüche 10. Alle Verletzungen und Verletzungsfolgen mit Komplikationen, fehlendem Heilungsfortschritt und/oder operativer Korrekturbedürftigkeit

Formular-Schriftverkehr 4 Durchgangsarztbericht 5 ggf. »Zusatzbogen« bei Verdacht auf: J Kniebinnenschaden J ernste Kopfverletzungen J Verletzungen durch elektrischen Strom und bei Verbrennungen J ernste Handverletzungen 4 Nachschaubericht (Allgemeine Heilbehandlung) 4 Zwischenbericht (Besondere Heilbehandlung)

1.2.10

Klassifikationen R.M. Sellei, M Knobe

Klassifikation nach

Klassifikation von

Beschreibung und Einteilung

Anderson und D‘Alonso

Densfrakturen

Dens-Spitze (Typ I) bis Korpus von C2 (Typ III), ! Cave Typ II am instabilsten

Arbeitgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO)

Allgemeine Frakturklassifikationen der Röhrenknochen

extraartikuläre Fraktur (Typ A) bis intraartikulär-mehrfragmentäre Fraktur (Typ C)

Ashurst-Bromer

Sprunggelenkfrakturen

Traumamechanismus (Abduktion, Adduktion und Außenrotation)

Bado

Monteggiafrakturen

Typ 1–4

Denis (3-SäulenModell) 6

Wirbelkörperfrakturen

vordere bis hintere Säule

283 1.2 · Unfallchirurgie

Klassifikation nach

Klassifikation von

Beschreibung und Einteilung

Danis-Weber

Sprunggelenkfrakturen

infradesmale (A), syndesmale (B) und supradesmale (C) Fibulafraktur

Effendi

Atlasbogenfrakturen (C2)

ohne Dislokation (Typ I) bis dislozierte Luxationsfraktur (Typ III)

Essex-Lopresti

Kalkaneusfrakturen

»toungue type« und »joint depression type«

Euler und Rüedi

Skapulafrakturen

Korpusfraktur (Typ A) bis Kombinationsfraktur mit Humeruskopfbeteiligung (Typ E)

Frankel Schema

Rückenmarkverletzungen

komplette Lähmung (A) bis normale Funktion (E)

Frykman

distale Radiusfrakturen

Typ 1–8 unter Berücksichtigung des distalen Radioulnargelenks (DRUG)

Garden

Schenkelhalsfrakturen

stabile Abduktionsfraktur (Typ I) bis abgerutschtem und disloziertem Kopf (Typ IV)

Gehweiler

Atlasfrakturen (C1)

Typ I–V (Jefferson-Fraktur = Typ III)

Gustilo und Anderson

Weichteilverletzungen bei offenen Frakturen

Hautdefekt 10 cm mit Gefäßverletzung (III°c)

Hawkins

Talushalsfrakturen

nicht disloziert (I) bis dislozierte Talushalsfraktur mit Luxation im USG (III)

Jäger und Breitner

laterale Klavikulafrakturen

lateral des intakten, stabilen Ligaments (Typ I) bis Luxation aus Periostschlauch (Typ IV)

Jeanneret

Okzipitalkondylenverletzungen (C0)

Typ I–IV

Judet und Letournel

Azetabulumfrakturen

Einteilung bezogen auf Pfannenrand und Pfeilerstruktur

Lauge-Hansen

Sprunggelenkfrakturen

Einteilung bezogen auf biplanare Bewegung beim Trauma (z.B. Supinations-Eversions-Trauma)

Magerl

Verletzungen des Bewegungssegments der Wirbelsäule

Kompressionsfraktur (Typ A) bis Rotationsverletzung (Typ C)

Malone

Distalen Radiusfrakturen

Typ 1–5

Marti

Talushalsfrakturen

nicht disloziert (I) bis dislozierte proximale Halsfraktur mit Luxation im OSG und USG (IV)

6

1

Eigene Notizen

284

1

Kapitel 1 · Orthopädie und Unfallchirurgie

Eigene Notizen

Klassifikation nach

Klassifikation von

Beschreibung und Einteilung

Mason

Radiusköpfchenfraktur

nichtdislozierte Fraktur (Typ I) bis Luxationsfraktur (Typ IV)

Neer

Rotatorenmanschettenruptur

traumatischer Riss 40a (Typ D)

Neer

Humeruskopffraktur

nicht disloziert (Typ I) bis Luxationsfraktur (Typ VI)

Tscherne und Oestern

Weichteilverletzungen bei geschlossenen Frakturen

Hautkontusion (0°) bis manifestes Kompartmentsyndrom (III°)

Patte

Rotatorenmanschette

Subscapularis (Sektor A) bis Teres minor (Sektor C)

Pauwels

Schenkelhalsfrakturen

Flache Frakturebene bis 30° (Typ I) bis steiler und instabiler Frakturebene >70° (Typ III)

Pipkin

Femurkopffrakturen

Femurkopffraktur kaudal der Fovea (Typ I) bis Kombinationsverletzung mit Azetabulumfraktur (Typ IV)

Quenu und Küss

Lisfranc-Gelenkluxation

Luxationsrichtung der Metatarsalia von gleichförmig (Typ 1) bis divergierende (Typ 3)

Rockwood

Akromioklavikulargelenksprengung

ACG-Distorsion (I°) bis kaudale Luxation des Klavikulaendes (VI°)

Salter-Harris und Aitken

Epiphysenverletzung im Kindesalter

Epiphyseolyse ohne Fraktur (I/0) bis axiale Stauchungsverletzung der gesamten Epiphyse (V/IV)

Sanders

Kalkaneusfrakturen

CT-basierte Einteilung (koronare Schnitte) in laterale bis mediale Säule (A, B, C bis Sustentaculum)

Schatzker

Tibiakopffrakturen

laterale Splitfraktur (Typ I) bis Komplexfraktur mit Loslösung vom Tibiaschaft (Typ VI)

Tile

Beckenringfrakturen

stabile Beckenringfraktur mit intaktem hinteren Beckenring (Typ A) bis komplett instabile Fraktur (Typ C)

Tossy

Akromioklavikulargelenksprengung

ACG-Distorsion (I°) bis Luxation > Schaftbreite (III°)

Zwipp

Kalkaneusfrakturen

CT-basierte Fraktureinteilung in Anzahl der Hauptfragmente (2–5), sowie Weichteil und Gelenkbeteiligung

2 Tag 4 – Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie, Handchirurgie und Neurochirurgie

2

Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie N. Pallua, A. Piatkowski de Grzymala

2.1

Wundheilung – 286

2.1.1 2.1.2 2.1.3

Wundarten – 286 Phasen der Wundheilung – 286 Störungen der Wundheilung – 287

2.2

Infektionen der Weichteile – 289

2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6

Abszess – 289 Erysipel – 290 Phlegmone – 290 Empyem – 291 Gasbrand – 291 Nekrotisierende Fasziitis

– 292

2.3

Periphere Nervenläsionen – 293

2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5

Allgemeines – 293 Obere und untere Plexus-brachialis-Schädigungen – 294 N.-medianus-Schädigungen – 294 N.-radialis-Schädigungen – 296 N.-ulnaris-Schädigungen – 297

2.4

Verbrennungschirurgie – 298

2.4.1 2.4.2

Thermische Läsionen – 298 Nichtthermische Läsionen – 300

2.5

Handchirurgie – 302

2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5

Sehnenläsionen – 302 Frakturen – 307 Bandrupturen und Luxationen – 313 Periphere Nervenverletzungen an der Hand Infekte an der Hand – 315

– 314

H. Clusmann et al., Chirurgie IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20475-3_2, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012

286

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2.1

Wundheilung

2.1.1

Wundarten

2 4 eine Kontinuitätsunterbrechung von Geweben wird als Wunde bezeichnet 4 es werden 4 verschiedene Wundarten unterschieden: 5 mechanische Wunden: J Schnitt- oder Risswunden 5 thermische Wunden (7 Abschn. 2.4.1) 5 chemische Wunden (7 Abschn. 2.4.2) 5 aktinische Wunden (7 Abschn. 2.4.2) 4 im Rahmen der Regeneration einer Wunde kommt es zu Wundheilung

2.1.2

Phasen der Wundheilung

4 die Wundheilung wird in 3 Phasen unterteilt: 5 inflammatorische Phase 5 proliferative Phase 5 Maturationsphase

Inflammatorische Phase (Substrat- oder Entzündungsphase) 4 beginnt direkt nach Verwundung und dauert bis etwa zum 3. Tag 4 lässt sich noch unterteilen in die Unterphasen: 5 Exsudation 5 Resorption 4 initiale Aktivierung von Thrombozyten mit Formung eines Thrombus und begleitender kurzfristiger Vasokonstriktion 4 Sekretion von vasoaktiven Substanzen, u.a. Permeabilitätserhöhung der Gefäßwände 4 Inflammation (Rötung) der Wunde durch Freisetzung von z.B. Histamin mit anschließender Hyperperfusion und Migration von neutrophilen Granulozyten und Monozyten in die Wunde 4 Säuberung der Wunde von avitalem Gewebe durch Gewebemakrophagen und Leukozyten

Proliferative Phase (Granulations- oder Kollagenphase) 4 beginnt zwischen dem 2. und 4. Tag und dauert bis etwa 3 Wochen 4 umfasst 5 eine Neovaskularisation 5 die Ausbildung eines Strukturgerüsts aus Kollagen Typ III (Kollagenphase) 5 die Migration von Fibroblasten in das Wundmilieu 4 das neu gebildete Gewebe wird auch als Granulationsgewebe bezeichnet (Granulationsphase)

287 2.1 · Wundheilung

4 die Ablagerung von Kollagen ist für die Festigkeit der Narbe von Bedeutung, d.h. je mehr Kollagen abgelagert wird, desto widerstandsfähiger wird auch die Narbe 4 nach Kontraktion der Wundränder kommt es zum Abschluss der Wundheilung durch die Epithelisation (Proliferation der Keratinozyten von den Wundrändern aus)

Maturationsphase (Differenzierungs- oder Umbauphase) 4 beginnt nach ca. 3 Wochen und dauert bis zu 1 Jahr 4 die Länge dieser Phase variiert stark je nach 5 Alter 5 Geschlecht 5 Vorerkrankungen des Patienten 4 die Kollagenfasern werden umgebaut und zunehmend gleichmäßig ausgerichtet 4 Typ-III-Kollagen wird umgewandelt in Kollagen Typ I bis das regelrechte Verhältnis zwischen Typ-I-und Typ-III-Kollagen erreicht ist (normale Ratio: Typ I : Typ III = 3:1) 4 der Kollagenumbau wird durch Enzyme (Matrixmetalloproteinasen/ MMP) vermittelt, die durch Makrophagen, Keratinozyten und Fibroblasten sezerniert werden 4 nach ca. 60 Tagen erreicht die Narbe ihre maximale Widerstandsfähigkeit (ca. 80% der normalen Haut)

2.1.3

Störungen der Wundheilung

4 neben der regulären Wundheilung (primäre Wundheilung) kann es zu Störungen der Wundheilung kommen (sog. sekundäre Wundheilung)

Allgemeine Faktoren, welche die Wundheilung beeinträchtigen 4 verminderte Sauerstoffkonzentration ist einer der Hauptgründe für eine Wundheilungsstörung 4 systemische Grunderkrankungen führen zur lokalen Hypoperfusion und somit zum Unterangebot an Nährstoffen 4 typische Grunderkrankungen und Risikofaktoren sind: 5 Diabetes mellitus 5 Atherosklerose 5 Hypoproteinämie 5 Vitamin-C-Mangel 5 Unterernährung 5 Infektion 5 hohes Alter 5 vorausgegangene Bestrahlungen 4 Medikamente können die Wundheilung ebenfalls beeinträchtigen, insbesondere Kortison

2

Eigene Notizen

288

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

Spezielle Wundheilungsstörungen Wundinfektion Klinik 4 häufigstes Problem der Wundheilung 4 gekennzeichnet durch die klassische Trias: 5 Calor 5 Rubor 5 Dolor 4 erweitert wird diese Trias durch: 5 Functio laesa 5 Tumor (Schwellung) 5 oftmals mit Fieber vergesellschaftet

Therapie 4 sofortige Eröffnung der Wunde und Spülung 4 evtl. antibiotische Therapie, wenn die Infektion nicht klar lokal begrenzt ist

Serom Klinik 4 durch Trauma oder Operation entstandener Hohlraum, der mit Serum und Lymphe gefüllt ist 4 primär steril und als Flüssigkeitsansammlung zu identifizieren

Therapie 4 sterile Punktion mit anschließender Kompression 4 ggf. Instillation von langwirksamen Steroid 4 bei Therapieresistenz operative Revision

Chronische Wundheilungsstörung Klinik 4 deutlich verlangsamte Wundheilung von Wunden aller Art bei schweren Grunderkrankungen, wie z.B. 5 Diabetes mellitus 5 chronisch venöser Insuffizienz

Therapie 4 intensivierte Wundtherapie mit stadiengerechten Wundauflagen

Fremdkörpergranulom Klinik 4 Schwellung 4 Verhärtung und Rötung im Bereich einer Narbe, oftmals Grund für eine chronische Wundheilungsstörung 4 entzündliche Abkapselung von Fremdkörpern, kann durch Superinfektion zur Abszedierung führen 5 z.B. als Reaktion auf chirurgisches Fadenmaterial

289 2.2 · Infektionen der Weichteile

Therapie 4 Entfernung des auslösenden Agens (z.B. Entfernung des eingebrachten Fadenmaterials, wenn möglich)

Hypertrophe Narbe Klinik 4 rötliche Narbe mit schneller Rekapillarisierung 4 tritt zwischen 1–12 Monaten nach Verschluss einer Wunde auf 4 kann auch als wulstige Narbe auftreten

Therapie 4 4 4 4

lokale Kompressionstherapie (Kompressionskleidung) Auflage von Silikonfolien manuelle Massage der betroffenen Areale (Narbenmassage) evtl. auch intradermale Injektion von Steroiden oder β-Blockern, ! Cave Bei Kindern zurückhaltende Indikation für Steroidtherapie – verfrühter Verschluss der Wachstumsfugen möglich

Keloid Klinik 4 ähnlich wie die hypertrophe Narbe, aber im Gegensatz zur hypertrophen Narbe werden die Grenzen der ursprünglichen Verletzung nicht respektiert 5 d.h. Wucherung ohne Größenbegrenzung 5 insbesondere bei stark pigmentierten Menschen 5 selten bei Nordeuropäern

Therapie Siehe 7 Hypertrophe Narbe 4 zusätzlich noch operative Korrektur möglich mit postoperativer Radiatio 4 intraläsionale Kryotherapie

2.2

Infektionen der Weichteile

4 Infektionen der Weichteile sind äußerst schmerzhaft 4 gehen primär mit einer Leukozytose einher 4 später auch Erhöhung des CRP

2.2.1

Abszess

Definition 4 umkapselte Eiteransammlung in einer nicht präformierten Körperhöhle

2

Eigene Notizen

290

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

Klinik 4 klassische Trias: 5 Calor, Rubor, Dolor 5 meist auch als Tumor tastbar oder als flüssigkeitsgefüllter Hohlraum im Ultraschall darstellbar 4 oftmals auf Basis einer vorausgegangenen Verletzung, z.B. Nadelstich

Therapie 4 Eröffnung des Abszesses zur Entleerung des Eiters 4 Entnahme eines Abstriches 4 Möglichkeit zum Sekretabfluss schaffen (Lascheneinlage oder Tamponade)

2.2.2

Erysipel

Definition 4 flächige, bakterielle Infektion der oberen Hautschichten, zumeist ausgelöst durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (z.B. Streptococcus pyogenes)

Ätiologie 4 oftmals auf Basis einer vorausgegangenen Bagatellverletzung, z.B. Mückenstich

Klinik 4 klassische Trias: 5 Calor, Rubor, Dolor 5 der Schmerz steht im Vordergrund, Haut ist bereits bei geringstem Kontakt schmerzhaft 4 ! Cave Erysipel ist eine Blickdiagnose, nicht zu verwechseln mit Phlegmone (7 Abschn. 2.2.3)

Therapie 4 konservativ: 5 Hochlagern der betroffenen Körperstelle 5 Kühlen 5 Ruhigstellung (bei Beteiligung des Gesichts Sprechverbot) 5 i.v. Antibiose mit Penicillin G 2.2.3

Phlegmone

Definition 4 eitrige, flächige Infektion der Weichteile, insbesondere des interstitiellen Gewebes (z.B. Fettgewebe)

Ätiologie 4 oftmals auf Basis einer vorausgegangenen Bagatellverletzung, z.B. Paronychie

291 2.2 · Infektionen der Weichteile

Klinik 4 4 4 4 4

Eigene Notizen

Rötung und Schmerzen im Bereich des Punktum maximum perifokal auslaufende Rötung evtl. mit Lymphadenitis oder Lymphangitis schnell progredient am Punktum maximum evtl. mit Eiteraustritt

Therapie 4 operative Eröffnung der Weichteile und Resektion der nekrotischen Anteile 4 ausgiebiges Débridement notwendig 4 Wunden werden möglichst offen gelassen und täglich antiseptisch verbunden, ggf. gespült

2.2.4

Empyem

Definition 4 Eiteransammlung in einer präformierten Körperhöhle oder einem Hohlorgan

Ätiologie 4 oftmals nach nicht adäquat durchgeführten Punktionen 4 auch septische Streuung möglich

Klinik 4 Rötung und Schmerzen über der jeweiligen betroffenen Körperstelle 4 relativ einfache Diagnosestellung bei Gelenken: z.B. stark überwärmtes und schmerzhaftes Kniegelenk 4 Diagnosestellung bei Hohlorganen oder Körperhöhlen schwieriger: 5 allgemeines Krankheitsgefühl 5 septisches Krankheitsbild (z.B. Pleuraempyem)

Therapie 4 4 4 4

operative Eröffnung der Körperhöhle ausgiebige Spülung Sanierung des Ursprungsherdes Drainierung der Körperhöhle bis sich klares Sekret entleert

2.2.5

2

Gasbrand

Definition 4 schwerstes, schnell progredientes Krankheitsbild 4 massive Infektion der Weichteile durch gasbildende Bakterien (zumeist Clostridium perfringens)

292

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

Ätiologie 4 schwere Verletzung mit stark kontaminierter Wunde (z.B. Waldarbeiter mit Quetschverletzung)

Klinik 4 schnell verlaufende Entzündung, die bereits Stunden nach der ursprünglichen Verletzung auftreten kann 4 typisch ist die Krepitation der Weichteile durch das Hautemphysem (durch Clostridien abgegebenes CO2) 4 aufgrund von Exotoxinen, die von den Clostridien gebildet werden, kommt es zur schnellen Verschlechterung des Allgemeinzustandes des Patienten

Diagnostik 4 Röntgen: 5 typische Darstellung von gefiederter Muskulatur

Therapie 4 sofortige operative Intervention: 5 radikale Entfernung der Nekrosen 5 Resektion der Weichteile weit im Gesunden (führt meist zu Makroamputationen) 4 bei Verdacht auf grampositive Stäbchen im Abstrich sofortige hochdosierte antibiotische Therapie (Mehrfachantibiose u.a. mit Clindamycin zur Exotoxinreduktion) 4 falls der Patient noch stabil genug ist, danach hyperbare Oxygenierung (immer durchzuführen, wenn möglich) 4 Revision der Wunden 5 Second-Look-Operation mit erneutem aggressivem Débridement spätestens nach 24 Stunden, ggf. früher

2.2.6

Nekrotisierende Fasziitis

Definition 4 fulminant verlaufende Infektionskrankheit, die sich in der Schicht der Faszien ausbreitet

Erreger 4 Haupterreger sind Streptokokken 4 Mischinfektionen sind aber genauso häufig 5 Sonderform: nekrotisierende Fasziitis mit Beteiligung von gasbildenden Bakterien- simuliert einen Gasbrand

Ätiologie 4 meist Bagatellverletzung zugrundeliegend (Zehenparonychie etc.), die als Eintrittspforte für die sich von dort ausbreitende Entzündung dient 4 Risikofaktoren:

293 2.3 · Periphere Nervenläsionen

5 reduzierter Allgemeinzustand 5 Diabetes mellitus 4 Sonderform: 5 Fournier-Gangrän: Gangrän der Weichteile im Bereich der Leiste und des Genitale

Klinik 4 schnelle Verschlechterung des Allgemeinzustandes 4 oftmals nur als flächige Rötung an einer Stelle zu erkennen

Therapie 4 operative Therapie als sofortige primäre Intervention 5 nekrotische Faszien und evtl. beteiligte Muskeln werden reseziert 5 oftmals muss eine subfasziale Nekrektomie (Entfernung aller superfiziellen Weichteile inklusive der Faszie) durchgeführt werden 4 intraoperativer Schnellschnitt und Grampräparat zur Diagnosesicherung 4 hochdosierte Antibiotikagabe und intensivmedizinische Therapie 4 evtl. hyperbare Oxygenierung (nicht zwingend notwendig – unsichere Datenlage)

2.3

Periphere Nervenläsionen

2.3.1

Allgemeines

4 Definition: 5 Läsionen von Leitungsbahnen, die außerhalb des ZNS liegen 5 eine periphere Nervenläsion beginnt ab dem Spinalganglion 4 Regeneration: 5 eine Regeneration der Leitungsbahn ist prinzipiell immer möglich, wenn das Axon die Möglichkeit hat durch einen Nerven wieder ein Zielorgan zu erreichen 5 in der peripheren Nervenchirurgie wird daher versucht, die Nervenstränge möglichst anatomisch korrekt wiederherzustellen 4 Techniken der Nervennaht: 5 epineurale Naht: Naht des Epineuriums (bevorzugte Nahttechnik) 5 interfaszikuläre Naht: Adaptation der einzelnen Faszikel 4 zeitlicher Ablauf der Regeneration: 5 die Regeneration eines Nervs erfolgt im Durchschnitt in etwa mit 1 mm pro Tag 5 daher ist eine Prognose möglich, wann ein Zielorgan nach Rekonstruktion wahrscheinlich erreicht wird 4 Lokalisation der Nervenschädigung: 5 um eine möglichst genaue präoperative Lokalisation der Nervenschädigung zu erhalten ist die klinische Untersuchung dringend erforderlich. > Memo Kein anderes diagnostisches Verfahren ist gleichwertig.

2

Eigene Notizen

294

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

5 zur Lokalisation der Nervenschädigung ist eine genaue Kenntnis der anatomischen Gegebenheiten unabdingbar, nur wenn man weiß welcher Muskel von welchem Nerv/Faszikel/Trunkus versorgt wird, kann über die Lokalisation der Läsion entschieden werden 5 neben der Erfassung der motorischen Ausfälle sind zudem noch die sensiblen Ausfälle wegweisend 4 Plexusläsionen: 5 Ursachen: J geburtstraumatische Läsion J Folgen eines Hochrasanz-/Dezelerationstraumas (Motorradunfall) 5 Inzidenz: J hat seit Einführung der Helmpflicht bei Kraftradfahrern zugenommen, da es durch den Helm zu einer höheren Überlebensrate bei schweren Motorradunfällen gekommen ist

2.3.2

Obere und untere Plexus-brachialis-Schädigungen

4 Unterscheidung von 2 Ebenen der Plexusläsion: 5 obere Plexusläsion: J Läsion liegt supraklavikulär J umfasst Verletzungen zwischen Spinalganglion bis auf Höhe der Trunki 5 untere Plexusläsion: J Läsion liegt infraklavikulär J umfasst Verletzungen der Faszikuli 4 Rekonstruktionsziel von peripheren Nervenläsionen: 5 funktionelle Wiederherstellung, d.h. primär die Funktion größerer Gelenke: J 1. Funktion des Schultergelenks J 2. Funktion des Ellenbogenlenks etc. 4 Zeitraum der Rekonstruktion: 5 in einem Zeitfenster von 3–12 Monaten nach primärer Läsion 4 Therapiemaßnahmen: 5 mikrochirurgische Exploration des Plexus auf der Höhe der Läsion 5 Neurolyse 5 falls notwendig eine Transplantation eines Nervs (z.B. N.-suralisTransfer)

2.3.3

N.-medianus-Schädigungen

4 pathognomonisches Bild für die komplette Medianusschädigung ist die Schwurhand 4 typische Schädigungen des N. medianus (C6–8, Th1) sind: 5 Pronatorsyndrom 5 Interosseus-anterior-Syndrom 5 Karpaltunnelsyndrom

295 2.3 · Periphere Nervenläsionen

Pronatorsyndrom Definition 4 Nervenkompressionssyndrom im Bereich der Ellenbeuge/proximaler Unterarm

Ätiologie 4 Komprimierung des N. medianus durch den Lacertus fibrosus am M. pronator teres 5 kann durch einen Knochenvorsprung ausgelöst werden 5 nach Punktionen in der Ellenbeuge durch ausgedehntes Hämatom

Klinik 4 Schmerzen in der Ellenbeuge 4 Schmerzen im proximalen Unterarm bei Belastung 4 Ausfälle der durch den Medianus innervierten Muskeln sind möglich, aber nicht zwingend 4 Sensibilitätsminderung im medianusinnervierten Autonomieareal (palmare Seiten des Digitus I–III radial)

Diagnostik 4 Röntgen des Ellenbogens: 5 zum Ausschluss einer Kompression durch eine knöcherne Exostose

Therapie 4 bei milder Form (keine Ausfälle) konservativ: 5 Schiene 5 Antiphlogistika 4 sonst operativ: 5 Neurolyse des Nervs

Interosseus-anterior-Syndrom Definition 4 Nervenkompressionssyndrom im Bereich des proximalen Unterarms

Ätiologie 4 der N. medianus wird durch sehnige Ursprünge oder Gefäße komprimiert

Klinik 4 Schmerzen im proximalen Unterarm 4 pathognomonisch ist die meistens isolierte Aufhebung des Spitzgriffes (Ausfall des M. flexor pollicis longus)

Therapie 4 operativ: 5 Auflösung der Engstelle mit Neurolyse des Nervs

2

Eigene Notizen

296

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

Karpaltunnelsyndrom Siehe 7 Kap. 3.4.1

2 2.3.4

N.-radialis-Schädigungen

Pathogenese 4 pathognomonisches Bild für die komplette Radialisschädigung ist die Fallhand 4 typische Schädigung des N. radialis (C5–7, Th1) am Oberarm (Oberarmfraktur) führen zur kompletten Läsion der Extensoren der Hand (Fallhand) 4 ! Cave Der Trizeps-Ast des N. radialis ist bei Läsionen auf Höhe des Oberarms weiterhin intakt, d.h. bei vorliegender Fallhand und gleichzeitigem Trizeps-Ausfall an Plexus-Schaden denken

Supinatorsyndrom Definition 4 Kompression des R. profundus des N. radialis

Klinik 4 4 4 4

belastungsabhängiger Schmerz Patienten klagen über eine Schwäche und Fallneigung der Hand Schmerzpunkt ca. 4 cm distal der Ellenbeuge radial ! Cave Nicht mit Epicondylitis humeri radialis zu verwechseln – bei dem Supinatorsyndrom ist der Druck auf den radialen Epicondylus schmerzlos

Therapie 4 konservativ: 5 Schonung und kurzfristige Ruhigstellung (3 – 4 Tage) 4 operativ: 5 Neurolyse und Dekompression 5 ggf. mit gleichzeitiger Behandlung einer begleitenden Epicondylitis

Wartenberg-Syndrom Definition 4 Kompression des R. superficialis n. radialis durch den Rand des M. brachioradialis

Klinik 4 pronationsabhängiger Schmerz 4 Sensibilitätsminderung im Radialis-Autonomiegebiet (dorsal über Digitus I und radialer Teil des Handrückens) 4 positives Hoffmann-Tinel-Zeichen an der Kompressionsstelle

Therapie 4 operative Neurolyse

297 2.3 · Periphere Nervenläsionen

2.3.5

N.-ulnaris-Schädigungen

Pathogenese 4 pathognomonisches Bild für die komplette Ulnarisschädigung ist die Krallenhand 4 ! Cave Tritt auch bei kompletter Ulnarisschädigung erst sekundär durch fibrösen Umbau der Interosseusmuskulatur auf 4 sensibles Autonomiegebiet des N. ulnaris ist die palmare ulnare Handfläche (Digitus V palmar und dorsal und Digitus IV palmar und dorsal jeweils ulnar) 4 der N. ulnaris (C6–8, Th1) durchläuft 2 typische Engstellen: 5 Kubitaltunnel 5 Guyon-Kanal

Sulcus-ulnaris-Syndrom (Kubitaltunnelsynrom) Definition 4 Kompression des N. ulnaris im Kubitaltunnel, Gesamtlänge des Tunnels ca. 20–30 cm (»Musikantenknochen«) 4 Siehe 7 Kap. 3.4.2

Loge-de-Guyon-Syndrom Definition 4 Kompression des N. ulnaris im Guyon-Kanal, der von einer Bandstruktur zwischen Os hamatum und Os pisiforme gebildet wird 4 Kompression kann auch durch Handgelenkganglien ausgelöst werden

Klinik 4 rasch progrediente Ulnarislähmung mit sensiblem Ausfall an den Fingerkuppen des Klein- und Ringfingers, ! Cave bei sensiblem Ausfall im Bereich des dorsalen Autonomieareals am Handrücken liegt kein Loge-de Guyon-Syndrom vor, sondern eine weiter proximal gelegene Schädigung 4 Schwäche des Spitzgriffes (M. adductor pollicis und M. interosseus dorsalis I) 4 Kraftlosigkeit beim Fingerspreizen (Mm. interossei) 4 Atrophie des Hypothenars

Diagnostik 4 Nervenleitgeschwindigkeit 4 Hoffmann-Tinel-Zeichen in der Loge-de-Guyon 4 Froment-Zeichen (Motorikprüfung von M. interosseus I und M. adductor pollicis)

Therapie 4 frühzeitige OP-Indikation für eine Neurolyse mit Dekompression des Nervs

2

Eigene Notizen

298

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

2.4

Verbrennungschirurgie

4 Verletzungen der Haut können zu schwersten Krankheitsbildern führen 4 zu berücksichtigen sind die unterschiedlichen Mechanismen der Noxen 4 deshalb sollte eine Unterscheidung der Verletzungen erfolgen in: 5 thermische und 5 nichtthermische

2.4.1

Thermische Läsionen

4 häufigste Ursache für großflächige Verletzungen der Haut sind die thermischen Läsionen 4 Unterscheidung zwischen Verbrühungen und Verbrennungen 5 Verbrühungen: häufigste Ursache für thermische Läsionen im Kindesalter 5 Verbrennungen: häufigste Ursache für thermische Läsionen im Erwachsenenalter: J direkte Verbrennung: durch offenes Feuer J indirekte Verbrennung: durch brennende Kleidung J Kontaktverbrennung: heiße Festkörper (z.B. Herdplatte)

Verbrennungsgrade/Verbrennungstiefe 4 die Tiefe der thermischen Schädigung wird in 3 Grade eingeteilt, wobei Grad II noch weiter unterteilt wird: 5 Grad I: J Verletzung der Epidermis J Rötung J Hyperämie J Schmerz J keine Blasenbildung J heilt narbenlos ab 5 Grad IIa: J Verletzung der oberflächlichen Dermis J schmerzhaft, kleinere Brandblasen J Rekapillarisierungsphänomen ist erhalten J Ritztest positiv (bei Ritzen des verbrannten Areals kommt es zu einer spontanen kapillaren Blutung) J heilt ohne Narben ab, evtl. mit Pigmentverschiebung 5 Grad IIb: J Verletzung der tiefen Dermis J nicht schmerzhaft (Nadelstich löst nur minimalen Schmerz aus) J größere Brandblasen J Rekapillarisierungsphänomen ist aufgehoben J Wunde sieht weißlich, evtl. rötlich-weißfleckig aus J Ritztest negativ (Blutung deutlich verzögert) J immer narbige Abheilung J OP-Indikation

299 2.4 · Verbrennungschirurgie

5 Grad III: J komplette Zerstörung der Dermis J schmerzlos J ledriger Aspekt der freiliegenden Dermis J Wunde fühlt sich trocken und ledrig fest an J Ritztest negativ (Wunde blutet nicht bei Ritzen) J OP-Indikation

Verbrennungsausdehnung 4 Verwendung der Neuner-Regel zur Bemessung des Verbrennungsausmaßes, d.h. die Teile des menschlichen Körpers werden in 9% große Flächen unterteilt, z.B. 5 1 Arm = 9% 5 1 Unterschenkel = 9% 5 1 Oberschenkel = 9% 5 Thorax ventral = 9% 5 Abdomen ventral = 9% 5 Rücken = 2×9% 5 Kopf = 9% 5 Genitale = 1% 5 alle Flächen ergeben addiert 100% 5 d.h. die Verbrennung ist mit 18% anzugeben, wenn beide Arme komplett zirkulär verbrannt sind 4 von der Verbrennung ausgesparte Anteile müssen bei der Berechnung der gesamten verbrannten Körperoberfläche (gVKOF) abgezogen werden 4 die verbrannten Flächen werden addiert und ergeben somit das gesamte Ausmaß der Verbrennung 4 bei Kindern verschieben sich die Relationen zu Gunsten des Kopfes: 5 Kopf eines Erwachsenen: 9% 5 Kopf eines 5-jähigen Kindes: 14% 5 Kopf eines 1-jähigen Kindes: 18% 4 bei fleckförmigen Verbrennungen hilft als Anhaltspunkt die Handfläche des Patienten (=1%) 4 ! Cave Nie die eigene Handfläche als Größenmaß verwenden, da deutliche Diskrepanz möglich

Flüssigkeitssubstitution 4 am Wichtigsten in der Therapie der Verbrennungserkrankung ist die Flüssigkeitssubstitution, da es durch das Auftreten eines Capillary Leak zum hypovolämischen Schock kommt 4 die Berechnung der zu substituierenden Flüssigkeitsmenge erfolgt nach der Baxter-Formel: 5 4 ml Ringerlactat × Körpergewicht des Patienten in kg × verbrannte Körperoberfläche in % 4 die errechnete Menge wird auf die ersten 24 Stunden verteilt 4 die Gabe der Hälfte der Menge erfolgt in den ersten 8 Stunden und die zweite Hälfte in den folgenden 16 Stunden

2

Eigene Notizen

300

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

4 als Zielgröße für die Flüssigkeitssubstitution ist der arterielle Mitteldruck und die Urinausscheidung entscheidend: 5 Kind: 1 ml/kg KG/h 5 Erwachsener: 0,5 ml/kg KG/h 4 bei Inhalations- oder Elektrotrauma erhöht sich die zu substituierende Flüssigkeitsmenge um den Faktor 1,5

Operative Therapie 4 die operative Therapie beinhaltet folgende Prinzipien: 5 sofortige Escharotomie (Einschneiden des Verbrennungsschorfes) 5 frühzeitige Nekrektomie (Abtragen der nekrotischen Anteile) 5 temporäre Deckung der Wunden mit alloplastischen Ersatz (z.B. Leichenhaut) oder Wundauflagen 5 Deckung der Wunden mit Eigenhaut nach Stabilisierung der Wundverhältnisse 4 es sind 2 verschiedene Techniken zur Deckung mit Eigenhaut zu unterscheiden: 5 Mesh-Graft: J Spalthauttransplantate werden mit kleinen Einschnitten versehen und ermöglichen so eine Expansion der Fläche des Spalthauttransplantats J die Transplantate sehen nach Expansion wie ein Netz (Mesh) aus 5 Meek-Graft: J Spalthauttransplantate werden auf Korkplatten aufgebracht und in der Art eines Schachbrettmusters zerschnitten J die so erzielten Spalthautquadrate werden auf speziell vorgefaltete Seide aufgeklebt J nach Auseinanderziehen der Seide kommt es dann zur Expansion der Spalthaut J die Seide mit der Spalthaut wird dann auf die Wunde aufgebracht

2.4.2

Nichtthermische Läsionen

4 nichtthermischen Läsionen umfassen Verletzungen: 5 mit Säuren und Laugen 5 durch Strom 5 durch Strahlen 4 alle nichtthermischen Läsionen: 5 sind schwierig zu beurteilen 5 die Heilungsverläufe sind oft kompliziert und langwierig

Säure- und Laugenverletzungen 4 die Läsionen durch chemische Agentien sind schwierig zu behandeln, das Hauptaugenmerk ist auf die Initialbehandlung zu richten: 5 Entfernen kontaminierter Kleidung 5 ausgiebiges Spülen der betroffenen Hautareale (ca. 5 Minuten)

301 2.4 · Verbrennungschirurgie

5 ggf. Augendusche durchführen 5 Sonderfall Flusssäure: J sie lässt sich nicht durch einfaches Abspülen inaktivieren J oft initial schmerzlos, erst später unstillbarer Schmerz J Flusssäure muss mittels Kalziumglukonat inaktiviert werden, z.B. Kalziumglukonat als topisches Gel J bei Verätzung einer ganzen Extremität intraarterielle Gabe von Kalziumglukonat zum Versuch des Extremitätenerhalts 4 oftmals ist die initiale Verätzung schmerzlos, die Patienten stellen sich meist erst vor, wenn es bereits zu einer tieferen Schädigung der Dermis gekommen ist 5 Beispiel: Ein Bauarbeiter hat tagsüber mit einfachen Arbeitsschuhen mit Zement gearbeitet, er stellt sich ca. 8 Stunden später in der Notaufnahme vor, weil ihn seit ca. 2 Stunden die Füße schmerzen, bei Inspektion beider Füße zeigen sich Verätzungen II° an den Füßen, insbesondere über dem Fußrücken

Elektrotrauma 4 nach dem Ohm-Gesetz folgt Strom immer dem geringsten Widerstand, d.h. der Strom fließt entlang der Strukturen im Körper, die den geringsten Widerstand haben 5 Gefäße 5 Grenzstrukturen zwischen Knochen und Muskeln 5 parenchymatöse Organe 5 Muskeln 4 zu unterscheiden sind: 5 Starkstromverletzungen (>1000 Volt) J oftmals mit Verbrennung durch Lichtbogen J mit begleitender Hitzeentwicklung durch Stromdurchfluss J Ein- und Austrittsmarken des Stroms erkennbar J mögliche Herzrhythmusstörungen J Muskelnekrosen und Gefäßthrombosen J begleitendes Nierenversagen durch Myoglobinurie 5 Niederstromverletzungen (350 Volt) zwingend notwendig 4 eine Starkstromverbrennung ist immer größer als sie aussieht: 5 daher wird zunächst das Ergebnis der Baxter-Formel (s.o.) bei Starkstromverletzungen mit dem Faktor 1,5 multipliziert (und die Diurese gesteuert) 5 zur besseren Objektivierung des Verbrennungsausmaßes bei Starkstromverletzungen sind CT oder MRT heranzuziehen 5 Muskelnekrosen können mittels Szintigraphie bewertet werden

2

Eigene Notizen

302

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

Strahlenschäden 4 4 4 4

durch Gamma-, Röntgen- oder UV-Strahlung (ionisierende Strahlen) Einteilung der Läsionen analog zu den Verbrennungen (I°–III°) oftmals ist der Schaden initial nur durch eine Rötung zu erkennen bekannteste Läsion durch Strahlen ist der Sonnenbrand (Dermatitis solaris durch UV-Strahlen): 5 Behandlung wie bei der oberflächlichen Verbrennung (Kühlen, Cremen, bei Bedarf Verwendung von antiseptischen Verbänden) 4 wichtig bei Strahlenschäden durch Röntgen- oder Gammastrahlen ist die ungefähre Dosis herauszufinden (bei hohen Dosen oftmals nur palliative Konzepte möglich)

2.5

Handchirurgie

4 in der Handchirurgie ist die Kenntnis der anatomischen Strukturen: 5 Grundvoraussetzung für das Erkennen von Pathologien 5 oftmals der Schlüssel zur Wahl der optimalen Therapie 5 daher gilt für dieses Teilgebiet auch im Examen: »Anatomy is destiny«

2.5.1

Sehnenläsionen

Verletzungen der Strecksehnen Anatomie 4 Unterscheidung von intrinsischen und extrinsischen Strecker zu unterscheiden 4 extrinsische Strecker sind Muskeln, die ihren Ursprung am Unterarm haben: 5 M. abductor pollicis longus (APL) 5 M. extensor pollicis brevis (EPB) 5 M. extensor carpi radialis (ECR) mit 2 Anteilen J ECRB (brevis) und J ECRL (longus) 5 M. extensor pollicis longus (EPL) 5 M. extensor digitorum (ED) 5 M. extensor indicis (EI) 5 M. extensor digiti minimi (EDM) 5 M. extensor carpi ulnaris (ECU) 4 intrinsischen Strecker: 5 Mm. interossei 5 Mm. lumbricales gebildet 5 beide strahlen mit ihren Sehnen in den Streckapparat der Finger ein 4 zur besseren Orientierung bei Verletzungen der Strecksehnen wird die Hand in verschiedene Zonen der Strecksehnenverletzungen eingeteilt

303 2.5 · Handchirurgie

Handverletzungen der Zone 1 Definition 4 Verletzung auf Höhe des Endgelenks

Ätiologie 4 typisches Verletzungsmuster bei axialem Stauchungstrauma: 5 »Ich habe einen Ball gegen den Finger bekommen.« 5 »Ich habe gerade das Laken unter die Matratze gesteckt, als ich plötzlich einen Schmerz im Finger spürte.«

Klinik 4 typisches Hängen des Endgliedes (Hammerfinger: engl. mallet-finger) in einer Flexionsstellung von mindestens 20° 4 keine aktive Extension im Endglied möglich

Diagnostik 4 Röntgen des Fingers in 2 Ebenen: 5 zum Ausschluss eines knöchernen Strecksehnenausrisses

Therapie 4 konservativ: 5 Ruhigstellung des Endgliedes (Schiene nach Stack) 4 operativ: Indikation: 5 nur bei größeren knöchernen Strecksehnenausrissen (mindestens 1/3 der Gelenkfläche), dann auch als Buschfraktur bezeichnet 4 OP-Verfahren: 5 transossäre Ausziehnaht nach Lengemann oder 5 temporäre Arthrodese des DIP-Gelenks mittels K-Draht 4 falls keine Therapie erfolgt, wandelt sich der Hammerfinger im Verlauf in die Schwanenhalsdeformität um (Hyperextension im proximalen Interphalangealgelenk bei Flexion im distalen Interphalangealgelenk)

Handverletzungen der Zone 2 Definition 4 Läsion auf Höhe des Mittelglieds

Ätiologie 4 seltenes Verletzungsmuster 4 meistens als Schnittverletzung

Klinik 4 oft klinisch keine Symptome 4 nur bei kompletter Durchtrennung: 5 Hängen des Endgliedes: Läsionen im zentralen Anteil (Pars triangularis)

Therapie 4 operative Rekonstruktion der Strecksehne bei offenen Verletzungen

2

Eigene Notizen

304

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

Verletzungen der Zone 3 Definition 4 Läsion auf Höhe des Mittelgelenks (proximales Interphalangealgelenk)

Ätiologie 4 meist Schnittverletzung (häufiger an der nicht dominanten Hand)

Klinik 4 bei kompletter Durchtrennung Hängen des Mittel- und Endgliedes 4 Läsionen im zentralen Anteil (Mittelzügel) müssen bei Schnittverletzungen über dem Mittelgelenk immer ausgeschlossen werden, da klinisch schwierig zu beurteilen

Therapie 4 möglichst anatomisch korrekte operative Rekonstruktion der Seitenund des Mittelzügels der Strecksehne 4 ! Cave Übersehene oder nicht behandelte Läsionen des Mittelzügels führen zur Knopflochdeformität

Handverletzungen der Zonen 4–8 Ätiologie 4 meistens als Schnittverletzung

Klinik 4 nur bei kompletter Durchtrennung leichtes Hängen der Finger, Streckung über Connexus intertendineus gewährleistet 4 bei Teildurchtrennung oftmals nur als Schnappen oder als sägezahnartiges Bewegungsmuster zu erfassen, evtl. leichtes Hängen (ca.10° Streckdefizit) eines Fingers

Therapie 4 Exploration und ggf. operative Rekonstruktion der Strecksehne

Verletzungen der Beugesehnen Durchtrennung der oberflächlichen Beugesehnen (Flexor digitorum superficialis FDS) 4 ! Cave FDS liegt nur in der Hohlhand oberflächlich, am Finger kommt es zur Aufteilung der Sehne (Chiasma), setzt am Mittelglied an

Ätiologie 4 typisches Verletzungsmuster sind Schnittverletzungen, z.B. in der Hohlhand

Klinik 4 Schwäche des betroffenen Fingers 4 beim Blick auf die entspannte Hand fällt eine Streckung (vermehrte Extension) des Fingers auf 4 Beugung im Mittelgelenk bei fixierten anderen Langfingern endgradig aufgehoben

305 2.5 · Handchirurgie

Diagnostik 4 weitere Diagnostik: 5 Röntgen: nur bei Verdacht auf Verbleib eines Fremdkörpers notwendig

Therapie 4 operative Versorgung mittels Sehnenkernnaht, z.B. nach KirchmayrKessler oder Bunnell

Durchtrennung der tiefen Beugesehnen (Flexor digitorum profundus: FDP) 4 ! Cave FDP liegt nur in der Hohlhand tief, am Finger kommt es auf Höhe des Mittelglieds zum Durchstoßen der aufgeteilten FDS-Sehne (Chiasma)

Ätiologie 4 typisches Verletzungsmuster sind Schnittverletzungen, z.B. über dem Mittel- oder Endglied palmar

Klinik 4 Schwäche des betroffenen Fingers 4 beim Blick auf die entspannte Hand fällt eine Streckung (vermehrte Extension) des Fingers im Endglied auf 4 Beugung im Endgelenk bei fixiertem Mittelgelenk aufgehoben

Diagnostik 4 weitere Diagnostik: 5 Röntgen: nur bei Verdacht auf Verbleib eines Fremdkörpers notwendig

Therapie 4 operative Versorgung mittels Sehnenkernnaht, z.B. nach KirchmayrKessler oder Bunnell

Durchtrennung der tiefen und der oberflächlichen Beugesehne (FDS und FDP) Ätiologie 4 typisches Verletzungsmuster sind Schnittverletzungen proximal des Mittelglieds

Klinik 4 aufgehobene Flexion des betroffenen Fingers 4 beim Blick auf die entspannte Hand fällt ein Beugedefizit (vermehrte Extension) des Fingers auf

Diagnostik 4 Klinik 4 weitere Diagnostik: 5 Röntgen: nur bei Verdacht auf Verbleib eines Fremdkörpers notwendig

2

Eigene Notizen

306

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

Therapie 4 operative Versorgung mittels Sehnenkernnaht, z.B. nach KirchmayrKessler oder Bunnell beider Sehnen, wenn möglich

Nachbehandlung von Beugesehnenverletzungen 4 Nachbehandlung möglichst früh mit dem Beübungsschema nach Kleinert: 5 dabei werden an den Nägeln der Langfinger Gummizügel befestigt, die zu einer Flexion der Langfinger führen 5 die Extension der Langfinger ist dadurch aktiv möglich 5 die Flexion erfolgt passiv durch die Gummizügel 5 es kommt zum Gleiten der Sehnen ohne axialen Zug innerhalb der Sehnenscheiden, was ein Verkleben der Sehnen verhindert

Nichttraumatische Sehnenerkrankungen Tendovaginitis stenosans (Schnellender Finger) Definition 4 Stenose des A1-Ringbandes, das zu einem Schnappphänomen des Fingers führt (Schnappfinger)

Klinik 4 meist seit mehreren Monaten bestehend bei langsam zunehmender Symptomatik bis hin zur Fixierung des Fingers in Flexionsstellung 4 durch den Patient auslösbares Schnappphänomen, das schmerzhaft ist 4 oftmals tastbares Sehnenknötchen im Bereich der Beugesehne

Diagnostik 4 bei zusätzlichem Verdacht auf Karpaltunnelsyndrom: NLG

Therapie 4 operative Versorgung mittels Spaltung des A1-Ringbandes

Tendovaginitis De Quervain Definition 4 Synovialitis im Bereich des ersten Strecksehnenfaches (APL- und EPBSehne)

Klinik 4 Anamnese: langsam zunehmende Symptomatik, meistens bei Frauen im mittleren Alter zu beobachten 4 Schmerz im Bereich des radialen Handgelenks, insbesondere bei Ulnarduktion (Öffnen von Konserven schmerzhaft)

Diagnostik 4 Finkelstein-Test: 5 der Patient umschließt den gebeugten Daumen mit den Langfingern 5 der Untersucher abduziert das Handgelenk nach ulnar 5 bei starkem Schmerz ist der Test positiv

307 2.5 · Handchirurgie

Therapie 4 primär konservativ mit Ruhigstellung 4 falls nach 4–6 Wochen keine Besserung der Symptomatik eingetreten ist, wird die operative Eröffnung des ersten Strecksehnenfachs empfohlen 4 ! Cave Bei operativer Eröffnung des Sehnenfachs ist der R. dorsalis des N. radialis immer zu schonen

2.5.2

Frakturen

Brüche der Fingerglieder Brüche des Endgliedes Nagelkranzfraktur Ätiologie 4 meistens Einklemmen des Fingers in Autotür oder andere Quetschung, z.B. durch Schlag auf den Finger

Klinik 4 Schmerz im Bereich des Endgliedes 4 subunguales Hämatom

Diagnostik 4 Röntgenaufnahmen a.-p. und seitlich

Therapie 4 operativ: 5 Entlastung des subungualen Hämatoms 5 Ausschluss einer Zerreißung des Nagelbetts; bei Zerreißung Naht des Nagelbetts notwendig 4 konservativ: 5 mittels Ruhigstellung auf Stack’scher Schiene

Gelenkbeteiligende Endgliedfrakturen Siehe auch 7 Abschn. 2.5.1, Verletzung der Strecksehnen

Ätiologie 4 typisches Verletzungsmuster bei axialem Stauchungstrauma

Klinik 4 häufig Hängen des Endgliedes 4 keine aktive Extension im Endglied möglich 4 passive Extension meistens extrem schmerzhaft

Diagnostik 4 Röntgen des Fingers in 2 Ebenen

2

Eigene Notizen

308

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

Therapie 4 operativ: 5 nur bei Beteiligung von mindestens 1/3 der Gelenkfläche 4 OP der Wahl: 5 transossäre Ausziehnaht nach Lengemann bzw. Schraubenosteosynthesen 5 begleitende Ruhigstellung, evtl. auch über temporäre DIP-Arthrodese

Brüche des Mittelgliedes Definition 4 häufig schwere mehrfragmentäre Frakturen mit Gelenkbeteiligung, selten auch als isolierte Querfraktur

Ätiologie 4 typisches Verletzungsmuster bei direkter Gewalteinwirkung (stumpfe guillotinenartige Verletzung = Querfraktur)

Klinik 4 Verkürzung des Mittelgliedes im Seitenvergleich 4 Finger kann kaum bewegt werden 4 Schwellung im Bereich der Fraktur

Diagnostik 4 Röntgen des Fingers in 2 Ebenen

Therapie 4 operativ: 5 Plattenosteosynthese 5 sonst Minifixateur externe 5 Sonderform: gelenkübergreifender dynamischer »Suzuki«-Fixateur für das PIP-Gelenk zur Bewegungserhaltung

Brüche des Grundgliedes Definition 4 selten, meistens als Spiralfraktur, evtl. als Querfraktur

Ätiologie 4 typisches Verletzungsmuster bei Rotationstrauma (Finger verdreht) oder 4 bei direkter Gewalteinwirkung (stumpfe guillotinenartige Verletzung = Querfraktur)

Klinik 4 Verkürzung des Fingers im Seitenvergleich 4 oft mit Verdrehung des Fingers (nur bei Flexion des Fingers zu erkennen) 4 Schwellung im Bereich der Fraktur

309 2.5 · Handchirurgie

Diagnostik 4 Röntgen des Fingers in 2 Ebenen

Therapie 4 operativ: 5 Plattenosteosynthese oder K-Drähten

Brüche der Mittelhand Kopffrakturen 4 Frakturen durch axiale Gewalteinwirkung

Ätiologie 4 typisches Verletzungsmuster nach Faustkampf, ! Cave Offene Fraktur möglich

Klinik 4 intraartikuläre Fraktur, daher Bewegung extrem schmerzhaft 4 Schwellung über den Knöcheln, evtl. mit begleitendem Hämatom oder Hautabschürfungen 4 Ausschluss einer offenen Fraktur ist unbedingt notwendig, da ein hohes Risiko für Infekte besteht

Diagnostik 4 Röntgen der Hand in 2 Ebenen (! Cave Auf Zahnreste des Gegners achten)

Therapie 4 operativ: bei einem Großteil der Fälle erforderlich, z.B.: 5 Kondylenplatte oder axiale antegrade Kirschner-Draht-Spickung

Subkapitale Fraktur Definition 4 Fraktur des distalen Anteils des Schaftes 4 auch »Boxerfraktur« genannt, in 90% der Fälle auf MHK V beschränkt

Klinik 4 Schwellung über den Knöcheln 4 evtl. mit begleitendem Hämatom oder Hautabschürfungen 4 Überprüfung eines Rotationsfehlers des Fingers bei Flexion

Diagnostik 4 Röntgen der Hand in 2 Ebenen

Therapie 4 konservativ: 5 Schienung 4 operativ: bei Abkippung des Kopfes um 40° oder Rotationsfehler

2

Eigene Notizen

310

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

Schaftfraktur Definition 4 als Querfraktur, Mehrfragmentfraktur oder auch Spiralfraktur möglich 4 kein typisches Verletzungsmuster, meistens bei hoher Gewalteinwirkung (z.B. als Begleitverletzung bei Verkehrsunfall)

Klinik 4 Schwellung im Bereich der Mittelhand mit begleitendem Hämatom 4 evtl. Rotationsfehler des betroffenen Fingers

Diagnostik 4 Röntgen der Hand in 2 Ebenen

Therapie 4 konservativ: bei nicht dislozierter Fraktur des MHK III oder IV 4 operativ: 5 Osteosynthese, z.B. Plattenosteosynthese

Basisfraktur der Mittelhandknochen II–V Definition 4 meist MHK IV und V betroffen 4 kein typisches Verletzungsmuster, Pat. gibt oft an: einfach auf die Hand gefallen zu sein

Klinik 4 Schmerzen und Schwellung im Bereich der proximalen Mittelhand und am Handgelenk 4 Extension im Handgelenk oft schmerzhaft 4 oft genau lokalisierter Druckschmerz über der Fraktur

Diagnostik Röntgen der Hand in 2 Ebenen

Therapie 4 konservativ: bei nichtdislozierter Fraktur möglich (3 Wochen Schiene) 4 operativ: bei Stufenbildung der Gelenkfläche

Basisfraktur des Mittelhandknochen I Wintersteinfraktur Definition 4 extraartikuläre Fraktur der MHK-I-Basis

Ätiologie 4 Hängenbleiben mit dem Daumen oder Sturz auf den Daumen

311 2.5 · Handchirurgie

Klinik 4 Daumen kann kaum bewegt werden und ist schmerzhaft 4 oftmals keine grobe Dislokation primär ersichtlich

Diagnostik 4 Röntgen des Daumens in 2 Ebenen

Therapie 4 operativ: 5 Plattenosteosynthese

Bennett-Fraktur Definition 4 einfache intraartikuläre Fraktur der MHK-I-Basis

Ätiologie 4 Hängenbleiben mit dem Daumen oder Sturz auf den Daumen

Klinik 4 Daumen kann kaum bewegt werden und ist schmerzhaft 4 Dislokation des Daumens nach dorso-radial durch Zug der Sehnen von APL und EPB, ! Cave nicht mit Sattelgelenksluxation verwechseln

Diagnostik 4 Röntgen des Daumens in 2 Ebenen

Therapie 4 operativ: 4 Schrauben- oder K-Draht-Osteosynthese

Rolando-Fraktur Definition 4 mehrfragmentäre intraartikuläre Fraktur der MHK-I-Basis (typische Y-Fraktur)

Ätiologie 4 axiales Stauchungstrauma des Daumens, meistens Sturz auf den Daumen

Klinik 4 Daumen kann kaum bewegt werden und ist schmerzhaft 4 Dislokation des Daumens nach dorso-radial, ! Cave nicht mit Sattelgelenksluxation verwechseln

Diagnostik 4 Röntgen des Daumens in 2 Ebenen

2

Eigene Notizen

312

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

Therapie 4 operativ: 5 Kirschner-Draht-, Platten- oder Schraubenosteosynthese (je nach Schwere der Fraktur)

Brüche des Handgelenks Definition 4 Bruch der Handwurzelknochen, meistens Bruch des Os scaphoideum (. Tabelle) Frakturhäufigkeit an der Handwurzel Fraktur

Häufigkeit in %

Os scaphoideum

78,8%

Os triquetrum

13,8%

Os trapezium

2,3%

Übrige Handwurzelknochen

5,1%

Ätiologie 4 Sturz auf die gestreckte Hand

Klinik 4 starker Schmerz im Bereich des Handgelenks 4 der Patient kann das Handgelenk kaum bewegen

Diagnostik 4 klinische Untersuchung: 5 Druckschmerz in der Tabatiére – pathognomonisch für Skaphoidfraktur 4 Röntgen des Handgelenks: 5 a.-p. und streng seitlich 5 bei V.a. Skaphoidfraktur: Skaphoidquartett 4 bei weiterhin unklarem Befund: 5 CT des Handgelenks 5 evtl. dynamische Durchleuchtung des Handgelenks

Therapie 4 bei unklarem Bild: 5 Ruhigstellung und Reevaluation nach 5–7 Tagen 4 konservativ: 5 Ruhigstellung für 6–12 Wochen bei nicht dislozierter stabiler Fraktur 4 operativ: 5 bei Großteil der Fälle von Skaphoidfrakturen mittels HerbertSchraube (Kompressionsschraube mit 2 unterschiedlichen Gewinden), da das Skaphoid bei konservativer Therapie oft zur Pseudarthrosenbildung neigt

313 2.5 · Handchirurgie

2.5.3

Bandrupturen und Luxationen

Skidaumen Definition 4 Riss des ulnaren Seitenbandes am Metakarpophalangealgelenk (MPGelenk) des Daumens 4 oft mit Interposition des Bandapparates in das Gelenk (Stener-Läsion)

Ätiologie 4 meistens Sturz auf den Daumen oder 4 Hängenbleiben mit dem Daumen (z.B. in der Schlaufe des Skistocks)

Klinik 4 Schmerz im Bereich des ulnaren MP-Gelenks 4 der Patient hat das Gefühl eines instabilen Daumens 4 bei frischen Läsionen deutliche Schmerzhaftigkeit

Diagnostik 4 klinische Untersuchung: 5 bei fixiertem Mittelhandknochen wird der Daumen nach radial geführt: J bei vermehrter Aufklappbarkeit des Gelenks (Seitenvergleich!) Hinweis auf Stener-Läsion 4 gehaltene Röntgenaufnahmen

Therapie 4 konservativ: 5 Ruhigstellung für 3 Wochen bei unklarem Bild, sonst operativ 4 operativ: 5 Bandnaht

Perilunäre Luxation Ätiologie 4 meist Sturz auf das gestreckte Handgelenk, Hochgeschwindigkeitstrauma

Klinik 4 extreme Schmerzhaftigkeit im Bereich des Handgelenks 4 kaum zu bewegendes Handgelenk mit meistens deutlicher Fehlstellung 4 Luxation des Lunatums mit Bandzerreißung, oft mit begleitender Skaphoidfraktur

Diagnostik 4 Röntgen: a.-p. und streng seitlich

Therapie 4 sofortige operative Reposition der Luxation 4 bei Verdacht auf Kompression des N. medianus frühzeitige Karpaltunnelspaltung

2

Eigene Notizen

314

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2.5.4

Periphere Nervenverletzungen an der Hand

Pathogenese

2

4 traumatische Verletzungen von Nerven an der Hand gehen immer mit einem Sensibilitätsverlust einher 4 daher ist die klinische Untersuchung mit genauer Identifikation des Sensibilitätsausfalls von immenser Bedeutung

Ätiologie 4 in den meisten Fällen liegen Schnittverletzungen zu Grunde 4 meist palmarseitige Verletzungen

Klinik 4 Taubheitsgefühl im Bereich der Fingerkuppen 4 Patient berichtet über »eingeschlafene« Finger

Diagnostik 4 Inspektion: 5 Im Verlauf welcher sensiblen Nerven liegt die Läsion? 4 Palpation: 5 Vorsichtiges Betasten der betroffenen Fingerkuppen 5 Fragen an den Patienten: Spüren sie das? 4 Spitz-Stumpf-Diskriminationstest: 5 der Patient wird mit einem spitzen und einem stumpfen Gegenstand im Bereich der Fingerkuppen berührt 5 ist ein Schmerzreiz durch das spitze Instrument (Nadel) auszulösen, ist der Nerv intakt 4 2-Punkt-Diskriminationstest: 5 die Fingerkuppe wird mit einem festen Gegenstand (auseinander gebogene Büroklammer), der an 2 Punkten mit der Haut in Kontakt kommt, berührt 5 der Patient wird gefragt, ob er 2 Punkte oder einen Punkt auf der Haut spürt 5 der kleinste Wert, der für 2 Punkte erreicht werden kann, ist der erreichte Wert des Patienten (Normalwert: 3–6 mm, pathologisch >10 mm)

Therapie 4 Nervenläsionen sollten zeitnah versorgt werden 4 operative Versorgung erfolgt immer unter Blutleere und unter lupenmikroskopischer Vergrößerung 4 Koaptation der Nervenenden meistens mittels epineuraler Naht, danach Ruhigstellung auf einer Schiene für 10 Tage 4 die Nervenregeneration erfolgt mit einer Schnelligkeit von 1 mm pro Tag 4 zur Ermittlung der erfolgten Nervenregeneration wird ein distal der Läsion gelegenes Hoffmann-Tinel-Zeichen aufgesucht, das Ausmessen der Entfernung zur ursprünglichen Läsion bringt Aufschluss, ob es zu einer regelrechten Regeneration gekommen ist

315 2.5 · Handchirurgie

2.5.5

Infekte an der Hand

Paronychie Definition 4 Entzündung des Nagelwalls, auch Panaritium des Nagelrandes 4 manchmal mit Bagatellverletzung in der Anamnese (eingerissener Nagelwall)

Klinik 4 meistens seit mehreren Tagen bis zu Wochen bestehende Schwellung am Nagel 4 Schmerzhaftigkeit im Bereich des Nagelwalls mit deutlicher Rötung und Überwärmung 4 zunächst nur auf den Nagelwall begrenzt, erst später auch auf andere Teile der Fingerkuppe übergehend

Diagnostik 4 Röntgen nur bei Verdacht auf Fremdkörper (z.B. Glas- oder Metallsplitter)

Therapie 4 operativ: 5 Entlastung des Verhalts mittels Hockeyschläger-förmiger Inzision (am Fuß auch Emmert-Plastik möglich)

Panaritium Definition 4 kleinere Abszesse im Bereich der Fingerbeere, die aufgrund Ihrer spezifischen Art der Ausbreitung noch unterteilt werden: 5 Panaritium cutaneum: intrakutane, subepidermale Abszessbildung 5 Panaritium subcutaneum: subkutane Abszessbildung an der palmaren Fingerkuppe 5 Kragenknopfpanaritium: intra- und subkutane Abszessbildung (geformt wie ein Kragenknopf) 5 Panaritium subunguale: Eiteransammlung unterhalb des Nagels, geht oft auf ein subunguales Hämatom zurück 5 Panaritium periostale: Kragenknopfpanaritium, das bis zum Periost reicht 5 Panaritium ossale: ossärer Abszess oder ausgehend von subkutanem Panaritium 5 Panaritium articulare: gelenkbeteiligender Abszess, meist von subkutanem Panaritium ausgehend 5 Panaritium tendinosum: auf die tiefe Beugesehne übergreifender subkutaner Abszess, oftmals Beginn für eine 7 Sehnenscheidenphlegmone

2

Eigene Notizen

316

Kapitel 2 · Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie

Eigene Notizen

2

Klinik 4 meist seit mehreren Tagen bestehender, langsam zunehmender Schmerz und zunehmende Schonung des Fingers mit kleiner Rötung im Bereich des distalen Anteils eines Fingers 4 Ausweitung der Rötung 4 Schwellung 4 Schmerz 4 evtl. gelblich verfärbte Blase an der Fingerkuppe erkennbar

Diagnostik 4 Röntgen des Fingers: 5 zum Ausschluss einer knöchernen Beteiligung (Osteomyelitis, Aufhellung im Bereich der Kortikalis)

Therapie 4 operative Abszessentlastung und Drainage 4 evtl. Einlage von Antibiotikaketten bei ossärer Beteiligung 4 zusätzliche antibiotische Abdeckung sinnvoll (nicht zwingend)

Sehnenscheidenphlegmone Definition 4 eitrige Entzündung im Bereich der Beugesehnenscheide

Ätiologie 4 meistens Bagatellverletzung als Ausgangspunkt 4 manchmal auch Panaritium als Ursache

Klinik 4 zunehmende Rötung und Schwellung des Fingers, evtl. bis in die Hohlhand reichend mit eingeschränkter Funktion 4 Schmerzhaftigkeit im Bereich der Beugesehnenscheide (Druck auf Palmarseite des Fingers löst Schmerz aus) 4 oftmals begleitende Lymphangitis oder Lymphadenitis (Axilla)

Diagnostik 4 Labor: 5 Leukozytose, CRP↑ 4 Röntgen zum Fremdkörperausschluss bei klinischem Verdacht

Therapie 4 operative Eröffnung der Sehnenscheide mit Spülung 4 Einlage einer Lasche, evtl. Einlage eines Medikamententrägers 4 ! Cave Kein kompletter Verschluss der Wunde

V-Phlegmone Definition 4 besonders schwerer Fall einer Sehnenscheidenphlegmone mit Beteiligung von Kleinfinger und Daumen

317 2.5 · Handchirurgie

Ätiologie 4 meist bereits seit mehr als einem Tag bestehende nicht behandelte Sehnenscheidenphlegmone

Klinik 4 Schmerzhaftigkeit im Bereich der Beugesehnenscheiden zweier Finger, z.B. Daumen und Kleinfinger bei Ursprung der Phlegmone am Kleinfinger 4 gesamte Hand ist geschwollen

Diagnostik 4 siehe Phlegmone

Therapie 4 operativ: 5 Eröffnung aller Sehnenscheiden mit Spülung der Sehnenscheiden bis in die Hohlhand und in den Karpalkanal hinein 5 Antibiose und Antibiogramm

2

Eigene Notizen

3 Tag 4 – Plastische Chirurgie, Verbrennungschirurgie, Handchirurgie und Neurochirurgie

3

Neurochirurgie H.Clusmann, F.J. Hans, G. Neuloh, M.F. Oertel

3.1

Allgemeine Grundlagen – 320

3.1.1 3.1.2 3.1.3

Zerebrale Autoregulation und intrakranieller Druck – 320 Bewusstseinsstörung, GCS und Hirntod – 321 Interdisziplinäre Aspekte – Schnittstellen – 322

3.2

Entwicklungsstörungen – Kinderneurochirurgie – 322

3.2.1 3.2.2 3.2.3

Kraniosynostose – 322 Spina bifida, Chiari-Fehlbildung und Hydrozephalus Dandy-Walker-Fehlbildung – 325

3.3

Liquorzirkulation und Hydrozephalus – 327

3.3.1 3.3.2 3.3.3

Hydrocephalus malresorptivus – 328 Hydrocephalus occlusus – 328 Idiopathischer Normaldruckhydrozephalus

3.4

Nervenkompressionssyndrome – 329

3.4.1 3.4.2

Karpaltunnelsyndrom – 329 Ulnarisrinnensyndrom – 331

3.5

Spinale Neurochirurgie – 332

3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5

Bandscheibenvorfall – 332 Spinalkanalstenose – 336 Spinale Infektion – 337 Spinale Tumore – 338 Spinales Trauma mit Querschnittslähmung

3.6

Neurochirurgische Onkologie – 340

3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.6.5 3.6.6 3.6.7

Hirneigene Tumore – 340 Meningeome – 343 Hirnnerventumoren – 345 Selläre/paraselläre Tumoren – 345 Kindliche Hirntumoren – 347 Hirnmetastasen – 348 Primäres ZNS-Lymphom (PCNSL) – 349

– 323

– 329

– 339

H. Clusmann et al., Chirurgie IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20475-3_3, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012

3 3.7

Zerebrovaskuläre Erkrankungen – 350

3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.7.4

Subarachnoidalblutung (SAB) – 350 Intrazerebrale hypertensive Blutung (ICB) – 353 Atypische intrazerebrale Blutungen – 354 Ischämischer Schlaganfall – 355

3.8

Schädel-Hirn-Trauma – 357

3.8.1 3.8.2 3.8.3 3.8.4 3.8.5 3.8.6

Gehirnerschütterung (Commotio) – 358 Schädelfrakturen und Liquorfisteln – 359 Epidurales Hämatom – 361 Subdurales Hämatom – 362 Traumatische SAB und Hirnkontusion – 364 Diffuses axonales Schertrauma – 365

3.9

Funktionelle Neurochirurgie – 365

3.9.1 3.9.2 3.9.3

Tiefe Hirnstimulation – 365 Epilepsiechirurgie – 367 Neurovaskuläre Dekompression

3.10

Infektionen – 370

3.10.1 3.10.2 3.10.3

Meningitis – 370 Hirnabszess – 371 Epidurales oder subdurales Empyem – 372

– 369

320

Kapitel 3 · Neurochirurgie

Eigene Notizen

3

3.1

Allgemeine Grundlagen

Neurochirurgie befasst sich mit 4 Verletzungen und deren Folgen, 4 chirurgisch behandelbaren Fehlbildungen, 4 tumorösen, vaskulären und anderen Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems und seiner Hüllen.

3.1.1

Zerebrale Autoregulation und intrakranieller Druck

4 Autoregulation der Hirndurchblutung: 5 »Sicherheitssystem« zum Schutz vor inadäquater Perfusion 5 Widerstandsgefäße halten den effektiven Blutdruck im Gehirn (CPP: Perfusionsdruck = MAD: mittlerer arterieller Druck) nahezu konstant, während der systemische arterielle Blutdruck zwischen 50 und 170 mmHg schwanken kann (Bayliss-Effekt) 4 Hirndruck (ICP: intracranial pressure = intrakranieller Druck): der im Schädelinnern herrschende (intrakranielle) Druck, . Tabelle 4 wesentliche Volumenbestandteile sind: 5 Gehirn 5 Liquor und Blut 4 Volumenzunahme eines Kompartiments erfordert die Abnahme eines anderen, sonst steigt der intrakranielle Druck (Monro-Kellie-Doktrin) ICP-Werte (mmHg)

Interpretation

Folgen

0–10

normaler ICP

keine Schädigung

11–20

leicht erhöhter ICP

keine Schädigung zu erwarten

21–40

stark erhöhter ICP

mittelfristige Schädigung

Über 40

sehr stark erhöhter ICP

kurzfristige irreversible Schädigung

Klinik 4 bei erhöhtem ICP: 5 Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen 5 Stauungspapillen 5 Bradykardie, Atemstörungen, RR-Anstieg (Cushing-Reflex) 5 Bewusstseinsstörung ( Vigilanzminderung)

Diagnostik 4 klinische Untersuchung (z.B. Spiegelung des Augenhintergrundes) 4 Druckmessung mit Sonden (epidural, subdural, intraparenchymatös, intraventrikulär) 4 CT, MRT

321 3.1 · Allgemeine Grundlagen

Therapie

Eigene Notizen

4 bei erhöhtem Druck: 5 Oberkörperhochlagerung 5 Analgosedierung und Beatmung (CPP >70 mm Hg) 5 Liquordrainage 5 Hyperventilation und medikamentöse Therapie (pCO2 ~30 mmHg, Osmotherapie, Thiopental bis burst supression) 5 operative Dekompressionskraniotomie, evtl. Lobektomie

3.1.2

3

Bewusstseinsstörung, GCS und Hirntod

Glasgow Coma Scale (GCS, Teasdale, Jennett 1974): 5 ist eine einfache Skala zur Bewertung einer Bewusstseinsstörung. Es gibt 3 Leistungen, für die jeweils Punkte vergeben werden (. Tabelle) 5 maximale Punktzahl ist 15 (volles Bewusstsein) 5 bei 8 oder weniger Punkten ist von einer sehr schweren Funktionsstörung des Gehirns auszugehen (Koma) 5 GCS findet zum Beispiel Anwendung bei der Einschätzung der Schwere eines Schädel-Hirn-Traumas Augenöffnung

Verbale Kommunikation

Motorische Reaktion

Reaktion

Punkte

Reaktion

Punkte

Reaktion

Punkte

spontan

4

orientiert

5

folgt Aufforderungen

6

auf Ansprache

3

verwirrt

4

gezielte Abwehr auf Schmerzreiz

5

auf Schmerzreiz

2

einzelne Worte

3

ungezielte Abwehr

4

fehlt

1

unverständliche Laute

2

atypische Beugesynergismen

3

fehlt

1

Strecksynergismen

2

fehlt

1

4 Hirntod wird definiert: 5 als Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms 5 dabei wird durch kontrollierte Beatmung die Herz- und Kreislauffunktion noch künstlich aufrechterhalten 5 die Diagnose, die Voraussetzungen, die klinischen Symptome, der Nachweis der Irreversibilität, die Zeitdauer der Beobachtung und ergänzende Untersuchungen sind in den Richtlinien der Bundesärztekammer einzusehen

322

Kapitel 3 · Neurochirurgie

Eigene Notizen

3

3.1.3

Interdisziplinäre Aspekte – Schnittstellen

Neurologie

Neuroonkologie, Bewegungsstörungen, neurophysiologische Diagnostik

Neuroradiologie

Diagnostik, endovaskuläre Therapie (von Aneurysmen etc.)

ZMK, HNO

Schädelbasis-Erkrankungen, SHT, Kraniosynosthosen

Strahlentherapie

Radiochirurgie, Neuroonkologie, vaskuläre Fehlbildungen

Kinderheilkunde

Hirntumoren, Hydrozephalus, Fehlbildungen

Unfallchirurgie

Behandlung von Polytraumen

Orthopädie

Behandlung degenerativer Wirbelsäulenerkrankungen, Fehlbildungen

Ophthalmologie

Diagnostik, orbitale Prozesse

Palliativmedizin

Neuroonkologie

3.2

Entwicklungsstörungen – Kinderneurochirurgie

3.2.1

Kraniosynostose

Definition 4 Schädeldeformität (kongenital) durch vorzeitigen Verschluss einer oder mehrerer Schädelnähte 4 Differenzialdiagnose: 5 lagebedingter Plagiozephalus: Schädelasymmetrie i.S. einer Parallelverschiebung durch einseitige Kopflagerung v.a. in Rückenlage

Ätiologie 4 tritt isoliert auf (meistens) oder im Rahmen eines sog. kraniofazialen Syndromes (z.B. Crouzon-Syndrom, Apert-S.) oder 4 im Rahmen eines systemischen Geschehens (z.B. hämatologische oder Stoffwechsel-Erkrankung)

Prävalenz 4 ca. 0,5–1:1000 bei Säuglingen 5 Sagittalnahtsynostose: 50–60% 5 Koronarnahtsynostose: 20–30% (meist einseitig) 5 metopische Synostose und Lambdanaht-Synostose: jeweils 5 mm unter Foramen magnum, in der Regel assoziiert mit Syringomyelie; symptomatisch häufig erst im jungen Erwachsenenalter mit Kopfund Nackenschmerzen, zerebellärer Ataxie und sensiblen Störungen durch die Syrinx; primäre Therapie subokzipitale Dekompression mit Duraerweiterungsplastik J Chiari Typ III: Enzephalozele am Foramen magnum 5 sonstiger Hydrozephalus: J anlagebedingt (z.B. Dandy-Walker-Komplex, s.u.) oder J erworben (z.B. posthämorrhagische nach germinaler Matrixblutung)

Klinik 4 MMC bei Geburt unübersehbar mit freiliegender Plakode und zystisch liquorgefüllter Arachnoidalmembran ringsherum 4 neurologische Störungen u.a. abhängig von der Lokalisation (sakral, lumbosakral, thorakolumbal) und der Größe der MMC, dem Vorhandensein und Ausmaß der Chiari-II-Malformation und des Hydrozephalus: 5 Paresen und Sensibilitätsstörungen der unteren Extremitäten bis hin zum kompletten Querschnitt 5 Blasen- und Mastdarmstörungen 5 kaudale Hirnnervenstörungen bis hin zu Stridor und Aspiration 5 Atemantriebsstörungen 5 eingeschränkte intellektuelle Entwicklung 5 im Erwachsenenalter IQ-Verteilung nicht weit vom Bevölkerungsdurchschnitt, 80% selbständig im Alltag, allerdings lediglich 33% selbstversorgend erwerbstätig

325 3.2 · Entwicklungsstörungen – Kinderneurochirurgie

Diagnostik 4 Screening mittels Alpha-Fetoprotein im mütterlichen Serum: 5 eingeschränkte Sensitivität und Spezifität (Gestationsalter, Körpergewicht, ethnische Herkunft u.a. Faktoren) 4 hochauflösendes Ultraschall in der 16.–18. SSW und auf Wunsch Alpha-Fetoprotein und Acetylcholinesterase im Fruchtwasser nach Amniozentese (nicht sensitiv für Spina bifida occulta) 4 keine vollständige Sicherheit der pränatalen Diagnostik 4 Blickdiagnose bei der körperlichen Untersuchung 4 Ultraschalluntersuchung 4 ergänzende MRT bei MMC und V.a. Chiari-Malformation oder Hydrozephalus 4 nach operativer Versorgung klinische und bildgebende (MRT) Verlaufskontrollen bis ins Erwachsenenalter zum Ausschluss eines Tethered cord

Therapie 4 Bei bekannter MMC Sectio üblich zum Schutz des freiliegenden Nervengewebes 4 sterile Abdeckung (Infektionsrisiko, mechanische Schäden) 4 operativer Verschluss der MMC binnen 72 Stunden durch 5 Resektion der pathologischen Übergangshaut, verdickter Pia und ggf. eines Lipoms von der Plakode 5 Einrollen der Plakode mittels pialer Nähte zur Vermeidung eines Tetherings (umstritten) 5 Rekonstruktion der Dura (ggf.) mit Ersatzmaterial, der Rückenmuskulatur und Thorakolumbalfaszie sowie der Haut, ggf. mit aufwendigem plastischem Eingriff 4 in Evaluation: fetalchirurgische (offen oder fetoskopisch) Zelendeckung zur Verhinderung neurologischer Plakodenschädigung durch mekoniumkontaminiertes Fruchtwasser und von Chiari-Malformation/Hydrozephalus durch Liquorverlust 4 Versorgung des Chiari-II-Hydrozephalus-Komplexes durch Shuntimplantation; Dekompression wie bei Chiari-I-Malformation kaum jemals erforderlich 4 häufig lebenslange Nachsorge in spezialisierten Zentren: Bewegungsapparat, Blase/Niere etc.

3.2.3

Dandy-Walker-Fehlbildung

Definition 4 Dandy-Walker-Komplex: 5 Spektrum an Fehlbildungen der hinteren Schädelgrube 4 Dandy-Walker-Malformation im engeren Sinne ist am typischsten: 5 Hypoplasie des Vermis cerebelli 5 erweiterter 4. Ventrikel mit vergrößerter hinterer Schädelgrube 5 supratentorieller Hydrozephalus

3

Eigene Notizen

326

Kapitel 3 · Neurochirurgie

Eigene Notizen

3

4 Dandy-Walker-Variante: 5 Vermis-Dysgenesie gering ausgeprägt, nicht notwendigerweise Hydrozephalus 5 Megacisterna magna: vergrößerte Cisterna magna ohne vermale Dysgenesie mit normalem 4. Ventrikel 4 weitere Varianten existieren

Inzidenz 4 selten: LWK5/S1) 5 1/3 zervikal (HWK5/6 > HWK6/7) 5 selten thorakal

Bandscheibenvorfall lumbal 4 Sequester oft mediolateral und kaudal → untere Wurzel betroffen: BSV LWK4/5 → L5-Syndrom 4 seltener laterale, extraforaminale oder kraniale Sequestrierung → Affektion der oberen Wurzel 4 kritisch: mediale große BSV → Verlegung des Spinalkanals → Conusoder Cauda-Syndrom

333 3.5 · Spinale Neurochirurgie

Klinik

3

Eigene Notizen

4 Lumbago (wie ca. 50% der Bevölkerung) 4 nur etwa 2–3% Radikulopathie, d.h. einer Irritation, reversibler oder irreversibler Funktionsverlust einer Nervenwurzel: 5 Schmerz 5 Gefühlstörung 5 Lähmung 5 Reflexabschwächung Segment

Betroffene Wurzel/ Dermatom/Myotom bei mediolateraler Lage

Kennmuskel/ ggf. Parese

Kenn-Reflex

LWK2/3

L3

Hüftbeugung



LWK3/4

L4

Kniestrecker

Patellarsehnenreflex

LWK4/5

L5

Fußheber

»Tibialis-posteriorReflex«

LWK5/SW1

S1

Fußsenker

Achillessehnenreflex

Konus/ Kauda

S2–5 »Reithose«

Blase/Mastdarm/ Sexualfunktion



Diagnostik 4 Anamnese: 5 Rückenschmerz wenig spezifisch 5 radikuläre Beschwerden richtungsweisend 5 plötzliches Auftreten, »Verhebetrauma« 4 differenzialdiagnostische Red Flags (Warnzeichen): Tumore, insbesondere Nachtschmerz, untypisches Alter, Trauma, Immunschwäche, etc. 4 Befund: 5 radikuläre Ausfälle 5 positive Nervendehnungszeichen (Laségue) 4 Red Flags: progrediente neurologische Ausfälle, insb. Blasen/Mastdarm/ Sexualfunktion mit Reithosenanästhesie, Wurzeltod (hochgradige Parese und nachlassender Schmerz) 4 Bildgebung: 5 MRT: J LWS nativ (mit KM bei V.a. Tumor, Infektion, etc.) J alternativ oder ergänzend ggf. CT der LWS: knöcherne Struktur, BSV, etc. 5 Röntgen-Funktionsaufnahmen der LWS: J pathologische Mobilität? Wirbelgleiten? 5 lumbale Myelographie/Funktionsmyelographie zur dynamischen Darstellung 4 elektrophysiologische Diagnostik: 5 EMG der Myotome zeigen ab der 2. Schädigungswoche ggf. Denervationszeichen 5 Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) z.B. zur Differenzialdiagnose:

334

Kapitel 3 · Neurochirurgie

Eigene Notizen

3

J Polyneuropathie J Peroneusläsion 4 ggf. probatorische periradikuläre Infiltration oder Infiltration Wirbelgelenke oder Ileosakralfuge

Therapie 4 konservativ zunächst, wenn keine eindeutige OP-Indikation besteht: 5 Medikamente: J nichtsteroidale Antiphlogistika (Ibuprofen, Diclofenac), Paracetamol, Metamizol (Stufe I) J + ggf. niedrigpotente Opioide, z.B. Tramadol, Tilidin (Stufe II) J oder + ggf. hochpotente Opioide, z.B. Morphin, Oxycodon, Fentanylpflaster (Stufe III) J Muskelrelaxanzien (Benzodiazepine z.B. Tetrazepam), ! Cave Kein Fahrzeug führen J ggf. Antidepressiva (z.B. Amitriptilin) J ggf. Antikonvulsiva (z.B. Gabapentin, Pregabalin) insb. bei neuropathischen Schmerzen 5 weitere Maßnahmen: J Physiotherapie, Rückenschule, frühe Mobilisation sobald Schmerzkontrolle ausreichend J ggf. psychologische oder psychosomatische Betreuung J ggf. Schmerztherapie inkl. Injektionsbehandlung 4 operativ bei entsprechender Indikation: 5 interlaminäre Fensterung, mikrochirurgische Sequestrektomie (+ evtl. Nukleotomie) zur Wurzeldekompression 5 ggf. endoskopische oder tubuläre Zugänge 5 idealer OP-Zeitpunkt wissenschaftlich nicht gut belegt 5 Notfall: J sofortige OP: Massenvorfall mit Kaudasyndrom J zügige OP: progredientes hochgradiges Defizit, nachlassender Schmerz »Wurzeltod« 5 klare OP-Indikation: klinisch relevante Parese (individuell unterschiedlich) → baldige OP 5 relative OP-Indikation: therapieresistentes Schmerzsyndrom 5 OP-Risiken: Infektion (Spondylodiszitis) ca. 1%, Nervenwurzelverletzung 2%, Querschnitt 80% (stark, zunehmend, oft nächtlich verstärkt) 4 neurologische Symptome: radikuläre Schmerzen, progressive Querschnittsymptomatik 4 B-Symptomatik

339 3.5 · Spinale Neurochirurgie

Diagnostik 4 Anamnese (insbesondere Tumorerkrankung, DD: Infektion) 4 klinischer Befund abhängig von Lokalisation und Ausmaß des Prozesses 4 Bildgebung: 5 MRT ohne und mit KM: singuläre oder multiple Läsionen 5 Röntgen und CT: Osteolysen, Stabilität? 5 ggf. Knochenszintigraphie 4 ggf. Biopsie zur Therapieplanung (insb. bei V.a. Lymphom, multiples Myelom etc.) 4 ggf. Labordiagnostik: CRP, Gammopathie, prostataspezifisches Antigen (PSA) 4 Primärtumorsuche!

Therapie 4 abhängig von (neurologischer) Symptomatik, Entität, Therapieoptionen und Gesamtprognose: 5 Entfernung gutartiger Prozesse (Meningeom, Neurinom etc.) 5 Dekompression und (Teil-)Entfernung extraduraler Tumore z.B. über Laminektomie 5 ggf. plus Stabilisierung z.B. mit Fixateur interne 5 ggf. plus Tumorresektion oder Vertebrektomie, ventrale Rekonstruktion z.B. mit Cage

Nachbehandlung 4 oft Strahlentherapie 4 ggf. Chemotherapie 4 Stabilisierung wichtig für Schmerzkontrolle bei Wirbelkörperprozessen

3.5.5

Spinales Trauma mit Querschnittslähmung

4 Klassifikation der Verletzungen und Frakturen der Wirbelsäule 7 Abschn. 1.2.3

Klinik und Indikation zur OP 4 komplettes sensomotorisches Querschnittsyndrom: unterhalb Übergangszone keine Sensibilität und keine Motorik nachweisbar, primär meist schlaffe Paraplegie (spinaler Schock) → Prognose für Erholung sehr gering, meist allenfalls partielle Erholung des Übergangssegmentes 5 OP mit aufgeschobener Dringlichkeit: Dekompression und Stabilisierung/Fusion der knöchernen/ligamentären Verletzung → zügige Mobilisation, Verhinderung von Sekundärkomplikationen, Schmerzen und Deformität 5 konservative Behandlung evtl. möglich

3

Eigene Notizen

340

Kapitel 3 · Neurochirurgie

Eigene Notizen

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4 inkomplettes sensomotorisches Querschnittsyndrom: erhaltene Restfunktion (ggf. nur »sacral sparing«) → bessere Prognose für zumindest Teilerholung 5 OP mit absoluter Dringlichkeit: sekundäre Verschlechterung verhindern und Erholungspotential sichern: J Dekompression (dorsal/ventral) und Stabilisierung/Fusion 4 SCIWORA: »spinal cord injury without radiographic abnormality«: 5 häufig bei Kindern bis ca. 8. LJ: neurologisches Defizit ohne radiologische Auffälligkeit J Therapie in der Regel konservativ 4 ! Cave Entgleisungen und Kreislaufinstabilität durch vegetative Paralyse möglich. Wichtig: Frühzeitig spezialisierte Rehabilitation, psychologische Betreuung

Diagnostik 4 Anamnese, Fremdanamnese, Unfallhergang, am Unfallort Beine/Arme bewegt? 4 klinischer Befund, Begleitverletzungen? Polytrauma? → vitale Bedrohung hat Priorität! 4 Beschreibung der neurologischen Befunde (z.B. anhand ASIA-Score oder Frankel-Score): 5 Sensibilität (bilaterale Dermatome) 5 motorische Funktion 5 Kraftgrad 1–5/5 5 Reflexstatus 5 Höhenlokalisation des ersten geschädigten Segmentes 4 Röntgenaufnahmen der WS, ggf. Funktionsaufnahmen (alternativ Ganzkörper-CT-Spirale) 4 CT-Diagnostik der betroffenen Segmente 4 ggf. MRT bei V.a. Hämatom, Rückenmarkverletzung, Beurteilung Spinalkanal 4 ggf. Myelographie, wenn spinale Raumforderung unklar oder MRT nicht möglich (z.B. Beatmung)

3.6

Neurochirurgische Onkologie

3.6.1

Hirneigene Tumore

Definition 4 Tumoren des neuroepithelialen Gewebes glialen, ependymalen, neuronalen, choroidalen und pinealen Ursprungs sowie weniger differenzierte embryonale Tumoren (z.B. Medulloblastom). Inzidenz ca. 4–5/100 000/a

Ätiopathogenese 4 überwiegend unklar: 5 spontane genetische Alterationen 5 selten ionisierende Strahlung (Gliome)

341 3.6 · Neurochirurgische Onkologie

5 evtl. karzinogene Stoffe 5 Phakomatosen (z.B. Optikusgliome) 4 Dignität nach histologischen Kriterien: 5 WHO°I »benigne« (z.B. die meisten pilozytischen Astrozytome, Häufigkeitsgipfel Kindesalter) 5 WHO°II »semibenigne« (niedriggradige Gliome, 4. Lebensjahrzehnt) 5 WHO°III »semimaligne« (anaplastische Gliome, 5. Lebensjahrzehnt) 5 WHO°IV »hochmaligne« (Glioblastome, 7. Lebensjahrzehnt; Medulloblastome) 5 bei Gliomen WHO°II–IV immer Infiltration des umliegenden, häufig des gesamten Gehirns (Migration) mit rasch abnehmender Dichte, daher zwangsläufig rezidivierend, häufig gleichzeitig maligne Progression 4 klinische Dignität wesentlich durch Lokalisation mitbestimmt: 5 Operabilität? 5 Auswirkungen des Tumors/der Therapie auf (vitale) Hirnfunktionen?

Klinik 4 wesentlich von Lokalisation und Größe sowie vom Ausmaß des Umgebungsödems abhängig: 5 fokalneurologische Defizite 5 Kopfschmerzen 5 epileptische Anfälle (typisches Erstsymptom bei niedriggradigen Gliomen) 5 hirnorganisches Psychosyndrom 5 »Leistungsknick« bei Glioblastomen 5 Hirndruck 5 Hydrozephalus 5 gelegentlich Zufallsbefund

Diagnostik 4 Anamnese 4 klinischer Befund (fokalneurologische Zeichen?) 4 Bildgebung: 5 häufig Erstdiagnostik per CCT (z.B. bei einem Anfallsgeschehen) 5 MRT ohne/mit Kontrastmittel (Blut-Hirn-Schrankenstörung als relatives Malignitätskriterium bei Gliomen, oder z.B. intensive homogene KM-Aufnahme bei pilozytischen Astrozytomen WHO°I) 5 MR-Spektroskopie 5 zunehmende Bedeutung ergänzender Bildgebung zur Bewertung des Operationsrisikos und zur OP-Planung: J Faserbahndarstellung in der weißen Substanz mittels Traktographie anhand des Diffusionstensors J Validität und Bedeutung der funktionellen Kernspintomographie noch unklar, ebenso der PET 5 selten Gefäßdarstellung (MR-/CT-/Angiographie) zur OP-Planung

3

Eigene Notizen

342

Kapitel 3 · Neurochirurgie

Eigene Notizen

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4 Differenzialdiagnose (bildgebend) u.a. Infarkt, Entzündung, nichthirneigene Tumoren (z.B. Metastase oder Abszess vs. Glioblastom) 4 EEG bei V.a. symptomatische Epilepsie, evtl. stereotaktische Diagnosesicherung 4 Labordiagnostik (Gerinnung), je nach Lage und bildgebender Differentialdiagnose endokrinologische Diagnostik, Liquordiagnostik 4 Gesichtsfelduntersuchung 4 Spezialuntersuchungen wie Magnetenzephalographie und transkranielle Magnetstimulation zur OP-Planung experimentell

Therapie 4 medikamentös: 5 Dexamethason bei Hirnödem 5 antikonvulsive Therapie bei Anfällen 4 Operation (primäre Therapieoption): 5 Ausmaß der Resektion beeinflusst rezidivfreies Intervall und Überleben (Evidenzklasse II) 5 adjunktive intraoperative Techniken je nach (eloquenter, d.h. funktionell bedeutsamer) Lokalisation des Tumors: 5 Operationsmikroskop immer Standard 5 MR-gestützte Neuronavigation, ggf. mit Faserbahndarstellung, funktionelles MRT 5 intraoperative Neurophysiologie (evozierte Potenziale), Wach-Operation (Sprache, kognitive Funktionen) 5 Ultraschall 4 postoperative Weiterbehandlung/adjuvante Therapie: 5 bei hirneigenen Tumoren WHO°I evtl. kurative vollständige Resektion 5 bei niedriggradigen Tumoren Verlaufsbeobachtung, fakultative Chemotherapie (Temozolomid, TMZ) und/oder Radiatio (z.B. bei älteren Patienten oder schlechtem Zustand wegen der geringeren Toxizität), Weiterbehandlung vor allem bei Teilresektion 5 bei anaplastischen hirneigenen Tumoren WHO°III Chemotherapie (TMZ) und/oder Strahlentherapie (kombinierte Radio-Chemotherapie mit anschließenden TMZ-Zyklen »Stupp-Schema«); Chemotherapie besonders bei oligodendroglialer Differenzierung sowie IDH-Mutation und LOH (loss of heterozygosity) 1p19q wirksam 5 bei Glioblastomen »Stupp-Schema«, bei alten Patienten bzw. schlechtem Zustand evtl. lediglich Radiatio; (Methyl-Guanin-Methyl-Transferase-Gen-(MGMT)-Promotor-Methylierung prädiktiv für besseres Ansprechen auf adjuvante Therapie 5 Therapie von (malignisierten) Rezidiven typischerweise Re-Operation, falls möglich, dann Radiatio/Chemotherapie abhängig von der bereits durchgeführten Therapie, evtl. »Radiochirurgie« (fokussierte Einzeitbestrahlung) umschriebener Rezidive 4 Anschlussheilbehandlung/Rehabilitation (Logopädie, Physiotherapie) bei neurologischem Defizit

343 3.6 · Neurochirurgische Onkologie

Nachsorge und Prognose

Eigene Notizen

4 Anbindung an neuroonkologische Ambulanz (Neurochirurgie, Neurologie) 4 regelmäßige bildgebende Kontrollen, Intervalle u.a. abhängig von der Dignität des Tumors 4 bei pilozytischen Astrozytomen (v.a. des Kindesalters) durch vollständige Resektion langjährige Rezidivfreiheit möglich 4 niedriggradige und anaplastische Gliome unterliegen der malignen Progression 5 5-Jahresüberlebensrate ca. 50–60% (initial WHO°II) bzw. 30–40% (initial WHO°III) nach adäquater Therapie, mit günstigerer Prognose bei oligodendroglialer Komponente 5 Überlebenszeit des unbehandelten Glioblastoms Wochen bis wenige Monate, nach adäquater Behandlung median knapp 1 1/2 Jahre 4 neben dem Alter ist u.a. der prä- und postoperative Zustand ausschlaggebend für die Prognose, z.B. gemäß Karnofsky-Performance-Score (KPS), . Tabelle Zustand

KPS (%)

Normale Aktivität, arbeitsfähig: unabhängig

>70

Nicht arbeitsfähig, teilweise Selbstversorgung zu Hause

50–70

Keine Selbstversorgung, institutionalisierte Betreuung

30–40

Schwerstkrank bis moribund (verstorben: KPS 0%)

10–20

3.6.2

Meningeome

Definition 4 Tumoren der arachnoidalen Deckzellen der Dura

Inzidenz 4 4 4 4 4

2 bis >10/100000/Jahr 90–95% WHO°I 5–7% WHO°II (»atypisch«) 1–3% WHO°III (»anaplastisch«) deutlich häufiger bei Frauen

Ätiologie 4 4 4 4

genetische Spontanalterationen ionisierende Strahlen Trauma Phakomatosen

3

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Kapitel 3 · Neurochirurgie

Eigene Notizen

3

Klinik 4 Symptome und Operabilität stark von Lokalisation und Größe abhängig: 5 epileptische Anfälle 5 Kopfschmerzen/Hirndruckzeichen 5 fokalneurologische Defizite 5 organisches Psychosyndrom 5 nicht selten Zufallsbefund 4 typische Lokalisationen: 5 Konvexität der Großhirnhemisphären 5 Falx cerebri 5 am Sinus sagittalis superior 5 an der Schädelbasis (Riechrinne, Keilbeinflügel/Klinoidfortsatz, Felsenbein, Sinus cavernosus) 5 intraventrikulär

Diagnostik 4 Anamnese 4 klinischer Befund 4 Bildgebung: CCT häufig Erstdiagnostik und Beurteilung knöcherne Beteiligung, MRT Standard

Therapie 4 Dexamethason und Antiepileptika abhängig von Hirnödem bzw. epileptischen Anfällen und prophylaktisch zur OP-Vorbereitung v.a. bei großen Konvexitätsmeningeomen 4 Operation i.A. nach Erstdiagnose, bei alten Patienten oder problematischer Lokalisation auch Verlaufsbeobachtung 4 bei Schädelbasisoperationen ggf. neurophysiologisches Monitoring (Hirnnerven, motorische Bahn) und Neuronavigation (Knochen, Gefäße) 4 Behandlungsalternative bei nicht operablen oder kleinen Meningeomen oder Tumorresten: stereotaktische fraktionierte Bestrahlung oder einzeitige Radiochirurgie 4 keine etablierte Chemotherapie 4 evtl. Rehabilitation bei postoperativem neurologischen Defizit

Nachsorge 4 klinische Anbindung 4 bildgebende Verlaufskontrollen, Intervall abhängig von Dignität, Lokalisation und evtl. Restbefund

Differenzialdiagnose 4 z.B. duraständige Metastase

345 3.6 · Neurochirurgische Onkologie

3.6.3

Hirnnerventumoren

Definition 4 typischerweise Schwannome der Hirnnerven VIII und (seltener) V im Kleinhirnbrückenwinkel (Sonderfall HN II als Teil des Gehirns: Opticusgliome, auch Opticusscheidenmeningeome)

Ätiologie 4 spontan 4 Phakomatosen (Neurofibromatosen) 4 6–9% der intrakraniellen Tumoren

Klinik 4 Kardinalsymptom Hörminderung und transiente Gleichgewichtsstörung (Vestibularisschwannome) bzw. faziale Hypästhesie (Trigeminusschwannome) 4 bei großen Tumoren evtl. Zeichen der Hirnstammkompression und Ausfälle kaudaler Hirnnerven

Diagnostik 4 4 4 4

Anamnese (Hörminderung) klinischer Befund Bildgebung: CCT, MRT Standard HNO-ärztliche Zusatzdiagnostik: Hörtestung, Vestibularistestung, Geschmackstestung

Therapie 4 bei Tumoren 9 mm und bei Hormonmangel/Sehstörung Operation 5 Operationstechnik: mikrochirurgisch transnasal-transsphenoidal, häufig auch endoskopisch 5 bei ausgeprägter suprasellärer Ausdehnung evtl. transkranielle Nach-/Operation

Nachsorge und Prognose 4 regelmäßig (1 Jahr) Sella: 5 MRT ± KM 5 endokrinologische und ophthalmologische Kontrolle 4 Rezidivrate 20%, ggf. Nachresektion, Bestrahlung falls nicht operabel

3.6.5

Kindliche Hirntumoren

4 typisch sind: 5 Medulloblastome der hinteren Schädelgrube 5 Kraniopharyngeome 5 pilozytische Astrozytome der prägenikulären Sehbahn und des Dienzephalons (»Opticusgliome«) sowie des Kleinhirns 5 fokale und diffuse Hirnstammgliome 5 supra- und infratentorielle atypische Teratoid-Rhabdoid-Tumoren (ATRT)

Inzidenz 4 häufige solide Tumoren bei Kindern: 2–4/100.000/Jahr im Alter bis 15 Jahre

Klinik 4 bei Kleinkinder häufig unspezifisch (»Gedeihstörung«) 4 ansonsten von der Lokalisation bestimmt: 5 Hirnstamm- und Kleinhirnsymptomatik 5 Sehstörungen 5 Entwicklungsstörungen

Diagnostik 4 4 4 4 4

Anamnese klinischer Befund Bildgebung (MRT) Liquordiagnostik Bildgebung der Neuroachse bei Medulloblastom (liquorogene Aussaat?) 4 evtl. Biopsie, ! Cave Keine Biopsie bei Opticusgliomen und diffusen Hirnstammgliomen

3

Eigene Notizen

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Kapitel 3 · Neurochirurgie

Eigene Notizen

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Therapie 4 ggf. antiepileptische Einstellung, Dexamethason 4 Resektion operabler Tumoren, V.a. pilozytische Astrozytome des Kleinhirns kurative Resektion möglich 4 postoperativ bzw. primär bei nicht operablen Tumoren 5 Radiatio (bei Medulloblastomen der gesamten Neuroachse) und 5 ggf. Chemotherapie (Spezialprotokolle) 4 bei Kindern