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Pages 1058 Page size 482 x 680 pts Year 2010
Organische Chemie Grundlagen, Verbindungsklassen, Reaktionen, Konzepte, Molekülstruktur, Naturstoffe Eberhard Breitmaier und Günther Jung
 
 6., überarbeitete Auflage 286 Abbildungen und zahlreiche Formelschemata 133 Tabellen
 
 Thieme Stuttgart · New York Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Breitmaier, E., G. Jung: Organische Chemie (ISBN 9783135415062) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart
 
 Anschriften: Dr. Eberhard Breitmaier Professor für Organische Chemie und Instrumentelle Analytik, Universität Bonn Privatanschrift: Engelfriedshalde 46 72076 Tübingen Dr. Günther Jung Professor für Organische Chemie und Biochemie, Universität Tübingen Privatanschrift: Ob der Grafenhalde 5 72076 Tübingen
 
 Umschlagfoto: Sensibilisierte Chemolumineszenz bei der Reaktion von Oxalsäurediester mit Wasserstoffperoxid, durchgeführt und aufgenommen von den Autoren: Bei Zusatz verschiedener fluoreszierender Aromaten oder Heteroaromaten emittiert die Reaktionslösung Licht unterschiedlicher Farbe (Kap. 29.7).
 
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 Vorwort Das Studium der Naturwissenschaften gliedert sich meist in das Grund- und Hauptstudium. Dementsprechend widmet sich der erste Teil dieses Buches (Kapitel 1 - 27) dem Stoff des Grundstudiums der Chemie (Vordiplom, Bachelor). Der zweite Teil (Kapitel 28 - 44) behandelt speziellere Themen des Hauptstudiums (Diplom, Master). Diese Grenzen sollten wegen verschieden akzentuierter Studienplan-Inhalte der Hochschulen und individueller Interessengebiete der Prüfer nicht zu scharf gezogen werden. Das vorliegende, aufgrund seiner Inhalte und Konzeption auch für Studierende anderer Naturwissenschaften (Biochemie, Lebensmittelchemie, Pharmazie, Biologie) an Hochschulen und Fachhochschulen geeignete, seit 30 Jahren bewährte Lehrbuch erscheint nun in der sechsten Auflage gedruckt und, den Zeichen der Zeit folgend, als "e book". Einer Einführung in die Grundlagen der chemischen Bindung und in die KohlenwasserstoffGrundskelette (Alkane, Alkene, Diene, Alkine, Cycloalkane, Aromaten) folgt die Besprechung der elementaren Stoffklassen mit den typischen funktionellen Gruppen. Dazu gehören die Halogenalkane, die Organosauerstoff-Verbindungen wie Alkohole, Ether, Carbonsäuren, Aldehyde, Ketone, Phenole, Chinone, Amine und andere Organostickstoff-Verbindungen sowie Organoschwefel-Verbindungen und Kohlensäure-Derivate. An passenden Stellen eingefügte Kapitel über radikalische, nucleophile und elektrophile Substitutionen, Additionen und Eliminierungen sowie Umlagerungen skizzieren die elementaren organisch-chemischen Reaktionen. Themen wie Aromatizität, Chiralität und Orbitalsymmetrie vermitteln einen das Grund- bzw. BachelorStudium abrundenden Einblick in wichtige Grundkonzepte der organischen Chemie. Der zweite, für das Haupt- bzw. Master-Studium vorgesehene Teil beginnt mit den spektroskopischen Methoden zur Strukturaufklärung sowie den durch Elektronenanregung induzierten Photoreaktionen und ihren präparativen Anwendungen. Es folgen nicht benzoide Aromaten, Organosilicium- und Organometall-Verbindungen, Heteroalicyclen, Heteroaromaten, Farbstoffe und synthetische Polymere als spezielle Stoffklassen. Den Abschluß bilden die aus biologischer und pharmakologischer Sicht bedeutenden Naturstoffklassen. Das sind die Aminosäuren, Peptide und Proteine, Alkaloide, Kohlenhydrate, Nucleoside und Nucleinsäuren, Lipide, Terpene und Steroide. Dabei werden auch einige didaktisch reiz- und sinnvolle, teilweise industriell durchgeführte Synthesen beschrieben. In der vorliegenden Auflage wurden wieder zahlreiche Ergänzungen eingefügt, alle Kapitel überarbeitet und durch Aufnahme weiterer, präparativ relevanter Reaktionen aktualisiert. Den als Synthesereagenzien bedeutenden Organosilicium-Verbindungen sowie den Steroiden widmen sich nun separate Kapitel. Farbgraphiken machen einige Proteinstrukturen anschaulich. Neu ist ein Reaktionsverzeichnis mit Kurzfassungen der Reaktionsgleichungen, geordnet nach NAMEN und Begriffen, das den Überblick und die Prüfungsvorbereitung erleichtern soll. Abbildungen, größere Formelschemata und Tabellen dieses Buches, Molekülmodelle sowie Übungsaufgaben zu den einzelnen Kapiteln werden wie bisher im Internet nach Erteilung eines Passworts durch den Verlag kostenlos zugänglich sein. Unser Dank gilt Studenten, Kollegen sowie Rezensenten für konstruktive Verbesserungsvorschläge, die wir weiterhin gerne entgegennehmen, um sie bei der Vorbereitung einer Neuauflage verarbeiten zu können. Tübingen, im Frühjahr 2009
 
 E. Breitmaier und G. Jung
 
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 VI
 
 Inhaltsverzeichnis
 
 Inhaltsverzeichnis 1
 
 1.12.1 1.12.2 1.12.3
 
 Chemische Bindung in organischen Molekülen ........................................ 1 Einführung ................................................................... 1 Energie ........................................................................ 1 Atomorbitale ................................................................ 1 s-Orbitale ..................................................................... 2 p-Orbitale ..................................................................... 3 Elektronenspin und PAULI-Prinzip ............................... 4 Elektronenkonfiguration leichter Atome ...................... 4 Molekülorbitale und kovalente Bindung ...................... 5 Arten der chemischen Bindung ................................... 5 Überlappung von Atomorbitalen.................................. 5 σ- und π-Molekülorbitale.............................................. 7 Bindungsdaten............................................................. 8 Hybridisierung der Atomorbitale des Kohlenstoffs ...... 8 Kovalente Bindung in einfachen organischen Molekülen .................................................................. 11 CH-Bindungen des Methans ..................................... 11 CC-Einfachbindung ................................................... 12 CC-Doppelbindung.................................................... 12 CC-Dreifachbindung.................................................. 14 Reaktive Zwischenstufen .......................................... 15 Methyl-Radikal........................................................... 15 Methyl-Ionen.............................................................. 16 Carbene..................................................................... 17 Bindung in Ammoniak und Wasser ........................... 18 Polarität kovalenter Bindungen ................................. 18 Elektronegativität ....................................................... 18 Dipolmomente von Molekülen................................... 18 Polarität von Verbindungen ....................................... 19 Interionische und intermolekulare Wechselwirkungen .................................................................. 20 Interionische Wechselwirkung................................... 20 Dipol-Dipol-Wechselwirkung und Wasserstoffbrücken................................................... 20 Ionen-Dipol-Wechselwirkung..................................... 21 VAN-DER-WAALS-Wechselwirkung ............................. 21 Physikalische Eigenschaften, Acidität und Basizität ..................................................................... 22 Kristallgitter................................................................ 22 Schmelzpunkt, Siedepunkt, Löslichkeit..................... 22 Säuren und Basen, Elektrophile und Nucleophile .... 23
 
 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.3 2.4 2.5 2.5.1
 
 Alkane ....................................................................... 24 Homologe Reihe, Konstitution, Nomenklatur ............ 24 Homologe Reihe und Molekülmodelle der Alkane.... 24 Konstitutionsisomerie ................................................ 26 Nomenklatur .............................................................. 27 Physikalische Eigenschaften..................................... 29 Molekülbau ................................................................ 30 Konformation ............................................................. 30 Industrielle Gewinnung der Alkane ........................... 32 Alkane aus Erdgas, Erdöl und Kohle ........................ 32
 
 1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.5 1.6 1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3 1.7.4 1.8 1.8.1 1.8.2 1.8.3 1.9 1.10 1.10.1 1.10.2 1.10.3 1.11 1.11.1 1.11.2 1.11.3 1.11.4 1.12
 
 2.5.2 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.4 2.7.5 2.7.6
 
 Treibstoffherstellung...................................................33 Darstellung von Alkanen ............................................34 Katalytische Hydrierung der Alkene...........................34 Reduktion von Halogenalkanen.................................34 Alkylierung metallorganischer Verbindungen ............35 KOLBE-Elektrolyse ......................................................36 Reaktionen .................................................................36 Vollständige Oxidation (Verbrennung).......................37 Partielle Oxidation ......................................................38 Autoxidation................................................................38 Photohalogenierung...................................................39 Photosulfochlorierung ................................................40 Nitrierung von Alkanen...............................................40
 
 3 3.1 3.2
 
 Radikalische Substitution .......................................41 Mechanismus der Chlorierung des Methans .............41 Energetische Betrachtung der Photohalogenierung ............................................................43 Aktivierungsenergie und Reaktionswärme ................43 Startreaktion ...............................................................43 Übergangszustände der Kettenreaktionsschritte.......44 Reaktionsgeschwindigkeit..........................................46 Äußere Einflüsse........................................................46 Geschwindigkeitsbestimmender Schritt der Photohalogenierung...................................................47 Relative Reaktionsgeschwindigkeiten der Photohalogenierung ............................................................48 Regioselektivität der Monohalogenierung..................48 Relative Stabilität von Alkyl-Radikalen ......................49 Relative Stabilität und Energiegehalt.........................49 Modelle zur Erklärung ................................................50 Mechanismen weiterer radikalischer Substitutionen.............................................................51
 
 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.6 4 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.5 4.5.1
 
 Alkene........................................................................53 Nomenklatur und Konstitutionsisomerie der Alkene ........................................................................53 Geometrie und Molekül-Orbital-Modell ......................54 Relative Konfiguration, Konfigurationsisomerie.........55 (Z,E)-Isomere Alkene .................................................55 Physikalische Eigenschaften von (Z,E)-Isomeren .....56 Darstellung .................................................................57 Pyrolytische Dehydrierung und Spaltung von Alkanen (Cracking).....................................................57 Partielle Hydrierung von Alkinen................................57 Alkenbildende β-Eliminierungen ................................58 Dehalogenierung von 1,2-Dihalogenalkanen ............59 Reduktive Kupplung von Carbonyl-Verbindungen: MCMURRY-Reaktion ...................................................60 Carbonyl-Alkenylierungen..........................................60 Reaktionen .................................................................61 Addition von Wasserstoff (Katalytische Hydrierung).................................................................61
 
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 Inhaltsverzeichnis 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.5 4.5.6 4.5.7 4.5.8 4.5.9 4.5.10 4.5.11 4.5.12 4.5.13 4.5.14 4.5.15 5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.5.5 7 7.1 7.2 7.3
 
 Addition von Boran (Hydroborierung)........................ 63 Addition von Halogen (Halogenierung) ..................... 63 Elektrophile Addition von Halogenwasserstoff (Hydrohalogenierung)................................................ 64 Elektrophile Addition von Wasser (Hydratisierung)... 64 Elektrophile Addition von Formaldehyd (PRINSReaktion) ................................................................... 65 cis -Dihydroxylierung mit Osmiumtetroxid und Permanganat ............................................................. 65 trans -Dihydroxylierung über Oxirane ....................... 65 1,3-Dipolare Cycloaddition von Ozon (Ozonolyse) ... 66 Radikalische Addition und Substitution ..................... 66 HECK-Reaktion........................................................... 68 En-Reaktion ............................................................... 68 [2+2]-Cycloaddition.................................................... 68 Metathese .................................................................. 68 Dimerisierung, Polymerisation................................... 69 Eliminierung und Addition...................................... 71 Eliminierende Verbindungen, Abgangsgruppen ....... 71 Mechanismen Alken-bildender Eliminierungen......... 71 Dehydratisierung von Alkoholen als monomolekulare β-Eliminierung ............................... 71 Umlagerungen bei Dehydratisierungen..................... 74 Bimolekulare β-Eliminierung (E2-Mechanismus)...... 76 Stereoselektivität Alken-bildender β-Eliminierungen........................................................ 77 E1-Eliminierungen ..................................................... 77 E2-Eliminierungen ..................................................... 77 Elektrophile Addition.................................................. 78 Mechanismus ............................................................ 78 Reaktivität der Alkene................................................ 79 Regioselektivität der Addition .................................... 79 Umlagerungen bei Additionen ................................... 80 Stereoselektivität von Additionen .............................. 81 Diene ......................................................................... 82 Kumulation und Konjugation von Doppelbindungen ...................................................... 82 Struktur des 1,3-Butadiens........................................ 82 Strukturdaten ............................................................. 82 Molekülorbital-Modell, Mesomerie und thermodynamische Stabilität ..................................... 82 Konformation des 1,3-Butadiens ............................... 84 Darstellung................................................................. 85 Synthese konjugierter Diene ..................................... 85 Synthese kumulierter Diene ...................................... 86 Reaktionen konjugierter Diene .................................. 87 Elektrophile 1,2- und 1,4-Addition ............................. 87 Radikalische Addition ................................................ 87 1,3-Dien-Polymerisation ............................................ 88 [4+2]-Cycloaddition (DIELS-ALDER-Reaktion) ............ 88 [4+1]-Cycloaddition.................................................... 88 Alkine ........................................................................ 89 Nomenklatur und Konstitutionsisomerie der Alkine ......................................................................... 89 Molekülgeometrie ...................................................... 89 Eigenschaften............................................................ 89
 
 VII 7.4 7.4.1 7.4.2
 
 7.6
 
 Darstellung ................................................................ 90 Ethin-Synthesen ........................................................ 90 Doppelte Dehydrohalogenierung von Dihalogenalkanen ..................................................... 90 Doppelte Dehalogenierung von Tetrahalogenalkanen ................................................ 91 Alkinylierung von Halogenalkanen............................ 91 Reaktionen ................................................................ 91 CH-Acidität, Bildung von Alkinyliden......................... 91 Hydrierung................................................................. 92 Elektrophile Additionen ............................................. 92 REPPE-Synthesen...................................................... 94 Dimerisierung von Ethin ............................................ 94 Cyclooligomerisierungen........................................... 95 BERGMAN-Cyclisierung von Endiinen ........................ 95 [2+2+1]-Cycloaddition (PAUSON-KHAND-Reaktion) ... 95 Isomerisierungen....................................................... 96 Alkenylierung und Arylierung terminaler Alkine ........ 96 Oxidationen ............................................................... 97 Oxidative Kupplung terminaler Alkine (GLASER-Kupplung) ................................................... 97 Natürliche Alkine ....................................................... 97
 
 8 8.1 8.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.3.5 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.5 8.6 8.6.1 8.6.2 8.6.3 8.6.4 8.6.5 8.6.6 8.7 8.7.1 8.7.2 8.7.3 8.7.4 8.8
 
 Cycloalkane ............................................................. 98 Klassifizierung und Nomenklatur der Cycloalkane ... 98 Physikalische Eigenschaften .................................... 99 Konformation und Stabilität ....................................... 99 Cyclopropan .............................................................. 99 Cyclobutan .............................................................. 100 Cyclopentan ............................................................ 102 Cyclohexan.............................................................. 102 Mittlere und große Ringe......................................... 105 Konfigurationsisomerie der Cycloalkane ................ 105 Cyclopropan, Cyclobutan, Cyclopentan.................. 105 Cyclohexan.............................................................. 106 cis- und trans-Decalin ............................................ 107 Verbrennungswärmen............................................. 108 Cycloalkan-Synthesen ............................................ 108 Dreiring-Synthesen.................................................. 108 Vierring-Synthesen.................................................. 110 Fünfring-Synthesen................................................. 111 Sechsring-Synthesen .............................................. 111 Siebenring-Synthesen............................................. 113 Synthese mittlerer und großer Ringe ...................... 113 Reaktionen .............................................................. 115 Ringöffnungen ......................................................... 116 Ringerweiterungen .................................................. 116 Transannulare Reaktionen mittlerer Ringe ............. 117 Valenzisomerisierungen, Valenztautomere ............ 117 Reizvolle Ringe ....................................................... 118
 
 9 9.1 9.2
 
 Benzen und Aromatizität ...................................... 119 Struktur des Benzens.............................................. 119 Hydrierwärme und Mesomerieenergie des Benzens .................................................................. 121 Valenzstrich-Formeln des Benzens ........................ 122 Molekülorbital-Modell des Benzens ........................ 123 Benzen-Formel........................................................ 124 HÜCKEL-Regel.......................................................... 124 Aromatische Verbindungen, Überblick.................... 126
 
 7.4.3 7.4.4 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4 7.5.5 7.5.6 7.5.7 7.5.8 7.5.9 7.5.10 7.5.11 7.5.12
 
 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7
 
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 VIII
 
 Inhaltsverzeichnis
 
 Benzoide Aromaten............................................... 128 Nomenklatur benzoider Aromaten .......................... 128 Monosubstituierte Benzene..................................... 128 Mehrfach substituierte Benzene.............................. 128 Gewinnung aromatischer Kohlenwasserstoffe........ 129 Aus Steinkohle......................................................... 129 Aus Erdöl ................................................................. 129 Eigenschaften.......................................................... 130 Benzen-Derivate durch elektrophile Substitution .... 130 Elektrophile aromatische Monosubstitution ............ 131 Dipolmomente, Basizität und Reaktivität substituierter Benzene............................................. 131 10.4.3 Induktive Effekte von Substituenten am Benzen-Kern............................................................ 133 10.4.4 Mesomere Effekte von Substituenten am Benzen-Kern............................................................ 134 10.5 Regioselektivität elektrophiler Zweitsubstitutionen . 136 10.6 Darstellung von Alkylbenzenen............................... 138 10.6.1 Alkylierung nach FRIEDEL-CRAFTS ........................... 138 10.6.2 Transalkylierung und thermodynamische Kontrolle von Alkylierungen..................................... 139 10.6.3 FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung .................................... 141 10.6.4 Reduktion von Alkenylbenzenen............................. 142 10.6.5 Cyclotrimerisierung von Alkinen.............................. 142 10.6.6 Cyclokondensation von Ketonen............................. 142 10.6.7 Alkylbenzen-Synthese nach WURTZ und FITTIG ...... 142 10.6.8 Alkylierung über Arylmagnesiumhalogenide........... 143 10.7 Reaktionen der Alkylbenzene ................................. 143 10.7.1 Halogenierung am Kern und in der Seitenkette ...... 143 10.7.2 Seitenketten-Halogenierung und Benzyl-Radikal ... 143 10.7.3 Triphenylmethyl-Radikal.......................................... 144 10.7.4 Hydrierung und Oxidation........................................ 145 10.8 Darstellung der Alkenylbenzene ............................. 146 10.8.1 Styren-Synthese ...................................................... 146 10.8.2 Alkenylbenzene durch Eliminierung aus Phenylhalogenalkanen und Phenylalkanolen ......... 146 10.8.3 Alkenylbenzene durch Alkylierung mit 1,3-Dienen . 147 10.9 Reaktionen der Alkenylbenzene ............................. 147 10.9.1 Elektrophile Addition an konjugierte Alkenylbenzene................................................................... 147 10.9.2 Radikalische Additionen an Alkenylbenzenen ........ 148 10.9.3 Darstellung ringsubstituierter Alkenylbenzene........ 148 10.10 Darstellung der Alkinylbenzene............................... 148 10.11 Eigenschaften und Darstellung der Arylhalogenide......................................................... 149 10.11.1 Physikalische Eigenschaften................................... 149 10.11.2 Herstellung der Halogenaromaten .......................... 150 10.11.3 Chemische Eigenschaften von Halogenaromaten (Alkylhalogeniden)................................................... 152 10 10.1 10.1.1 10.1.2 10.2 10.2.1 10.2.2 10.3 10.4 10.4.1 10.4.2
 
 11 11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.1.4 11.1.5 11.1.6
 
 Substitutionen an Aromaten ................................ 154 Mechanismus elektrophiler Substitutionen an Aromaten ................................................................. 154 π-Komplex, Benzenium-Ion und Energieprofil ........ 154 Nitrierung des Benzens ........................................... 155 Sulfonierung des Benzens ...................................... 156 Halogenierung des Benzens ................................... 157 Alkylierung nach FRIEDEL-CRAFTS ........................... 158 Acylierung nach FRIEDEL-CRAFTS............................ 159
 
 11.1.7 11.1.8 11.1.9 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.3 11.3.1 11.3.2 12 12.1 12.2 12.3 12.4 12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4 12.4.5 12.5 12.5.1 12.5.2 12.5.3 12.5.4 12.6
 
 Aktivierende und desaktivierende Substituenten.... 160 Orientierende Effekte .............................................. 161 Darstellung mehrfach substituierter Benzene......... 167 Mechanismen nucleophiler Substitutionen am Aromaten................................................................. 167 Nucleophile Substitutionen an Arylhalogeniden ..... 167 Mechanismus der bimolekularen nucleophilen Substitution am Aromaten....................................... 169 Monomolekulare nucleophile Substitution am Aromaten................................................................. 171 Eliminierungs-Additions-Mechanismus................... 172 Mechanismus der Aminierung des Brombenzens .. 172 Weitere nucelophile Substitutionen an nicht aktivierten Aromaten ............................................... 174 Polycyclische Aromaten ...................................... 175 Nomenklatur polycyclischer Aromaten ................... 175 Bindungszustand und Mesomerie .......................... 176 Gewinnung polycyclischer Aromaten...................... 178 Typische Reaktionen............................................... 178 Elektrophile aromatische Substitutionen des Naphthalens ............................................................ 178 Oxidation des Naphthalens..................................... 180 Reduktion des Naphthalens.................................... 180 Reaktionen des Anthracens und Phenanthrens ..... 180 Enzymatische Epoxidation des Benzo[a]pyrens..... 182 Ring-Synthesen (Benzoanellierungen) ................... 182 Anthrachinon-Synthese........................................... 182 HAWORTH-Synthese von Phenanthren-Derivaten... 183 ELBS-Reaktion ......................................................... 183 DÖTZ-Reaktion ........................................................ 183 Graphit und Fullerene ............................................. 184
 
 Halogenalkane (Alkylhalogenide) ....................... 185 Klassifizierung der Halogenalkane ......................... 185 Eigenschaften ......................................................... 185 Darstellung ............................................................. 186 Radikalische Halogenierung von Alkanen .............. 186 Addition von Halogenwasserstoff an Alkene .......... 187 Addition von Halogen an Alkene............................. 187 Additionen an Diene................................................ 188 Addition von HX und X2 an Alkine........................... 188 Halogenalkene durch Dehydrohalogenierung ........ 188 Radikalische Bromierung in Allyl-Stellung durch N-Bromsuccinimid ................................................... 189 13.3.8 Darstellung von Fluoralkanen ................................. 190 13.3.9 Darstellung von Iodalkanen .................................... 191 13.3.10 Halogenalkane aus Alkoholen ................................ 191 13.3.11 Bromalkane durch HUNSDIECKERDecarboxylierung .................................................... 193 13.3.12 Darstellung und Eigenschaften von Oligohalogenmethanen........................................... 193 13.4 Reaktionen .............................................................. 194 13.4.1 Nucleophile Substitution und Eliminierung in Konkurrenz .............................................................. 194 13.4.2 Nucleophile Substitutionen ..................................... 195 13.4.3 GRIGNARD-Reaktion................................................. 195 13.4.4 CC-Verknüpfungen mit OrganohalogenVerbindungen ........................................................ 196 13 13.1 13.2 13.3 13.3.1 13.3.2 13.3.3 13.3.4 13.3.5 13.3.6 13.3.7
 
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 Inhaltsverzeichnis 14 14.1 14.2 14.2.1 14.2.2 14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4 14.3.5 14.4 14.4.1 14.4.2 14.4.3 15 15.1 15.2 15.3 15.4 15.4.1 15.4.2 15.4.3 15.4.4 15.4.5 15.4.6 15.4.7 15.4.8 15.5 15.5.1 15.5.2 15.5.3 15.6 15.6.1 15.6.2 15.6.3 15.6.4 15.6.5 15.6.6 15.7 15.7.1 15.7.2 16 16.1 16.2 16.3 16.3.1 16.3.2 16.3.3
 
 Nucleophile Substitution an Aliphaten ............... 198 Übersicht nucleophiler Substitutionen an Aliphaten............................................................. 198 Mechanismen .......................................................... 199 Bimolekularer Mechanismus SN2 ............................ 199 Monomolekularer Mechanismus SN1 ...................... 201 Struktur und Reaktivität ........................................... 203 Effekte der Alkyl-Gruppen ....................................... 203 Effekte der austretenden Gruppe............................ 204 Nucleophilie ............................................................. 205 Lösemittelabhängigkeit............................................ 206 SN1- und SN2-Reaktionen in Konkurrenz ................ 207 Spezielle Substitutionsmechanismen...................... 208 Substitutionen an Allyl-Verbindungen ..................... 208 SNi-Mechanismus .................................................... 209 Reaktivität von Vinyl- und Alkinyl-Verbindungen .... 209 Alkohole und Glykole............................................ 210 Klassifizierung der Alkohole .................................... 210 Nomenklatur ............................................................ 210 Struktur und thermodynamische Eigenschaften ..... 211 Darstellung von Alkoholen....................................... 214 Technische Synthesen von Methanol und Ethanol. 214 Ethanol durch alkoholische Gärung ........................ 214 Hydratisierung von Alkenen .................................... 214 Hydroborierung und Oxidation ................................ 215 Reduktion von Carbonyl-Verbindungen .................. 216 Alkohole aus Carbonyl-Verbindungen und Alkylmagnesiumhalogeniden (GRIGNARDVerbindungen) ......................................................... 217 Alkohole aus Epoxiden und Alkylmagnesiumhalogeniden ............................................................. 218 Hydrolyse von Halogenalkanen .............................. 218 Darstellung von 1,2-Diolen ...................................... 219 Dihydroxylierung von Alkenen................................. 219 Hydrolyse von Halohydrinen ................................... 219 Bimolekulare Reduktion von Aldehyden und Ketonen ................................................................... 220 Reaktionen der Alkohole ......................................... 220 Alkohole als LEWIS-Basen ....................................... 220 Alkohole als Säuren................................................. 221 Oxidation von Alkoholen.......................................... 221 Veresterung von Alkoholen ..................................... 222 Nucleophile Substitution der Hydroxy-Gruppe durch Halogen ......................................................... 223 Dehydratisierung von Alkoholen.............................. 225 Glykolspezifische Reaktionen ................................. 227 Glykolspaltung ......................................................... 227 Pinakol-Dehydratisierung und Umlagerung ............ 228 Ether........................................................................ 229 Nomenklatur der Ether ............................................ 229 Struktur und physikalische Eigenschaften .............. 230 Darstellung............................................................... 231 Bimolekulare Dehydratisierung von Alkoholen ....... 231 Nucleophile Substitution von Halogenalkanen durch Alkoholate und Phenolate (WILLIAMSON-Synthese) ........................................... 232 Veretherung von Halogenalkanen mit Silbercarbonat.......................................................... 233
 
 IX 16.3.4 16.3.5 16.3.6 16.3.7 16.4 16.4.1 16.4.2 16.4.3 16.5 16.5.1 16.5.2 16.5.3 16.5.4 16.6 16.7 16.7.1 16.7.2 17 17.1 17.2 17.3 17.4 17.5 17.5.1 17.5.2 17.5.3 17.5.4 17.5.5 17.5.6 17.5.7 17.5.8 17.5.9 17.6 17.6.1 17.6.2 17.6.3 17.6.4 17.6.5 17.7 17.7.1 17.7.2 17.7.3 17.7.4 17.7.5 17.7.6 17.8 17.8.1
 
 O-Methylierung von Alkoholen und Phenolen durch Diazomethan ................................................. 233 Synthesen von Ethern mit GRIGNARDVerbindungen .......................................................... 234 Alkenylether durch Addition von Alkoholen an Alkine....................................................................... 234 Enolether durch Eliminierung von Alkohol aus Acetalen................................................................... 234 Darstellung von Epoxiden (Oxiranen)..................... 235 Katalytische Oxidation von Alkenen........................ 235 Eliminierung von Halogenwasserstoff aus Halohydrinen ........................................................... 235 Epxidation von Alkenen mit Peroxycarbonsäuren .. 235 Reaktionen .............................................................. 235 Bildung von Oxonium-Verbindungen ...................... 235 Autoxidation............................................................. 236 Ether-Spaltung ........................................................ 236 Ether-Umlagerungen............................................... 237 Ether als Schutzgruppen......................................... 238 Methylvinylether und Ethylenoxid als Schlüsseledukte der organischen Synthese........... 239 Synthesen mit Methylvinylether .............................. 239 Synthesen mit Oxiran (Ethylenoxid)........................ 239 Carbonsäuren und ihre Derivate ......................... 240 Nomenklatur der Carbonsäuren.............................. 240 Wasserstoffbrücken-Bindung von Carbonsäuren... 243 Struktur der Carboxy-Gruppe.................................. 243 Carbonsäure-Derivate............................................. 244 Synthese von Carbonsäuren .................................. 244 Einführung der Carboxy-Gruppe durch Kohlenmonoxid (Carbonylierung) ........................... 244 Einführung der Carboxy-Gruppe durch Kohlendioxid (Carboxylierung)................................ 246 Acylierung von Aromaten mit Säureanhydriden ..... 246 Carbonsäuren durch Oxidation ............................... 247 Hydrolyse von Carbonsäure-Derivaten................... 248 Homologisierung (Kettenverlängerung) von Carbonsäuren.......................................................... 248 Alkylierung von Malonsäureestern.......................... 249 α,β-Ungesättigte Carbonsäuren durch KNOEVENAGEL-Kondensation von Malonsäureestern .......... 250 α,β-Ungesättigte Carbonsäuren durch PERKIN-Reaktion...................................................... 250 Acidität von Carbonsäuren...................................... 251 Dissoziationsgleichgewicht in wäßrigen Lösungen 251 Salze der Carbonsäuren ......................................... 251 Struktur und Modell des Carboxylat-Anions ........... 252 Einflüsse von Substituenten auf die Acidität........... 252 Acidität von Dicarbonsäuren ................................... 254 Reaktionen der Carboxy-Gruppe ............................ 254 Veresterung, Ester, Lactone ................................... 254 Reduktion zu primären Alkoholen ........................... 255 Carbonsäurehalogenierung .................................... 255 Bildung von Säureanhydriden................................. 256 Bildung von Säureamiden....................................... 257 Decarboxylierung .................................................... 257 Nucleophile Substitution von Carbonsäurehalogeniden............................................................. 258 Hydrolyse und Perhydrolyse ................................... 258
 
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 X 17.8.2 17.8.3 17.8.4 17.8.5 17.8.6 17.8.7 17.8.8 17.9 17.9.1 17.9.2 17.9.3 17.9.4 17.10 17.10.1 17.10.2 17.11 17.11.1 17.11.2 17.11.3 17.11.4 17.11.5 17.12 17.12.1 17.12.2 17.12.3 17.12.4 17.12.5 18 18.1 18.2 18.3 18.3.1 18.3.2 18.3.3 18.3.4 18.4 18.5 18.5.1 18.5.2 18.5.3 18.6 18.6.1 18.6.2 18.6.3 18.7 18.7.1 18.7.2 18.7.3 18.7.4 18.8 18.8.1
 
 Inhaltsverzeichnis Alkoholyse ............................................................... 259 Ammonolyse und Aminolyse................................... 259 Hydrazinolyse .......................................................... 260 Reaktion mit Hydroxylamin...................................... 260 Reaktion mit Alkaliaziden ........................................ 260 Katalytische Hydrierung (ROSENMUND-Reduktion).. 260 Carbonsäurehalogenide als Reagenzien zur C-Acylierung ............................................................ 261 Nucleophile Substitution von Carbonsäureestern... 261 Esterverseifung........................................................ 261 Ammonolyse (Aminolyse) von Estern ..................... 262 Umesterung ............................................................. 262 Reaktion mit GRIGNARD-Verbindungen ................... 263 Reduktion von Carbonsäureestern ......................... 263 Reduktion zu primären Alkoholen ........................... 263 Reduktive Kupplung (Acyloin-Kondensation).......... 264 CH-Acidität von Carbonsäureestern, Folgereaktionen....................................................... 265 C-Alkylierung von Malonestern ............................... 266 KNOEVENAGEL-Alkenylierung ................................... 266 MICHAEL-Addition..................................................... 266 CLAISEN-Esterkondensation .................................... 267 Intramolekulare Kondensation von Diestern (DIECKMANN-Kondensation)..................................... 267 Spezielle Reaktionen von Dicarbonsäuren und Derivaten ................................................................. 268 Thermische Decarboxylierung und Cyclokondensation .................................................. 268 Bildung cyclischer Dicarbonsäureimide .................. 269 Reaktionen cyclischer Dicarbonsäureimide ............ 269 Maleinsäureanhydrid als elektronenarmes Dienophil.................................................................. 270 Maleinsäureanhydrid als elektronenarmes Enophil bei En-Reaktionen...................................... 270 Chiralität ................................................................. 271 Asymmetrische C-Atome und Chiralität .................. 271 Optische Aktivität und spezifische Drehung............ 271 Bezeichnung der absoluten Konfiguration .............. 272 CAHN-INGOLD-PRELOG-Konvention ("CIP", (R)- und (S)-Deskriptoren ............................ 272 FISCHER-Konvention (D- und L-Deskriptoren)......... 273 Übersetzung der D,L- in die R,S-Deskriptoren ....... 274 Racemate ................................................................ 275 Bestimmung der absoluten Konfiguration ............... 275 Verbindungen mit mehreren Asymmetriezentren ... 276 Zwei verschiedene asymmetrische C-Atome.......... 276 Zwei gleiche asymmetrische C-Atome.................... 277 Enantiomere Cycloalkane ....................................... 278 Enantiomere ohne asymmetrische C-Atome .......... 279 Heteroatome als Asymmetriezentren...................... 279 Axiale Chiralität........................................................ 280 Planare Chiralität und Helicität ................................ 281 Racemat-Trennungen ............................................. 282 Die klassische Methode von PASTEUR .................... 282 Trennung nach Bildung von Diastereomeren ........ 282 Enzymatische Racemat-Trennungen...................... 284 Chromatographische Racemat-Trennungen........... 285 Prochiralität, Enantiotopie und Diastereotopie........ 285 Prochiralität am tetraedrischen C-Atom .................. 285
 
 18.8.2 18.9 18.9.1 18.9.2 18.9.3
 
 Prochiralität am trigonalen C-Atom ......................... 286 Stereo- und Enantioselektivität von Reaktionen..... 287 Inversion, Retention und Racemisierung................ 287 Stereoselektivität, Stereospezifität.......................... 289 Asymmetrische (enantioselektive) Synthesen........ 289
 
 19 19.1 19.2 19.3 19.3.1 19.3.2 19.4 19.4.1 19.4.2 19.5 19.5.1 19.5.2 19.5.3
 
 Substituierte Carbonsäuren................................. 293 Nomenklatur substituierter Carbonsäuren .............. 293 Physikalische Eigenschaften und Acidität .............. 293 Halogencarbonsäuren............................................. 295 Synthesen ............................................................... 295 Reaktionen .............................................................. 297 Hydroxycarbonsäuren............................................. 298 Synthesen ............................................................... 298 Reaktionen .............................................................. 299 Oxocarbonsäuren und ihre Ester............................ 302 Synthesen ............................................................... 302 Reaktionen der Oxocarbonsäuren.......................... 303 Oxo-Enol-Tautomerie des Acetessigesters ............ 306
 
 20 20.1 20.2 20.2.1 20.2.2 20.3 20.4 20.5 20.5.1
 
 Aldehyde und Ketone ........................................... 308 Übersicht ................................................................. 308 Nomenklatur............................................................ 308 IUPAC-Bezeichnungen ........................................... 308 Trivialnamen............................................................ 309 Molekülorbital-Modell der Carbonyl-Gruppe ........... 309 Physikalische Eigenschaften .................................. 310 Darstellung von Aldehyden ..................................... 312 Oxidation von Methyl- und HydroxymethylGruppen .................................................................. 312 Überführung der Halomethyl- in die FormylGruppe .................................................................... 313 NEF-Reaktion........................................................... 313 Reduktion von Carbonsäure-Derivaten und Nitrilen ..................................................................... 314 Spaltung von Glykolen und Ozoniden .................... 315 Hydrolyse von Sauerstoff-Heterocyclen ................. 315 Formylierung von Alkenen mit Kohlenmonoxid und Wasserstoff ...................................................... 315 Formylierung mit Orthoameisensäureestern .......... 316 Formylierung von Aromaten durch Formanilide (VILSMEIER-Formylierung)........................................ 316 Formylierung von Aromaten durch Formylhalogenide.................................................... 317 Formylierung von Aromaten durch Cyanid und Chlorwasserstoff ..................................................... 317 Formylierung von Aromaten durch Chloroform....... 317 Industrielle Verfahren zur Herstellung von Acetund Benzaldehyd .................................................... 318 Darstellung von Ketonen......................................... 318 Oxidation sekundärer Alkohole ............................... 318 Oxidation aktivierter Methylen-Gruppen ................. 319 Bimolekulare Decarboxylierung und Dehydratisierung von Carbonsäuren ...................... 319 Addition von GRIGNARD-Verbindungen an Nitrile.... 319 Acylierung von Dialkylcadmium .............................. 320 Spaltung der Ozonide von Tetraalkylethenen ........ 320 Acylierung von Alkenen .......................................... 320 Acylierung von Aromaten mit Carbonsäurehalogeniden........................................ 320
 
 20.5.2 20.5.3 20.5.4 20.5.5 20.5.6 20.5.7 20.5.8 20.5.9 20.5.10 20.5.11 20.5.12 20.5.13 20.6 20.6.1 20.6.2 20.6.3 20.6.4 20.6.5 20.6.6 20.6.7 20.6.8
 
 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Breitmaier, E., G. Jung: Organische Chemie (ISBN 9783135415062) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart
 
 Inhaltsverzeichnis 20.6.9 20.7 20.8 20.8.1 20.8.2 20.8.3 20.8.4 20.8.5 20.8.6 20.9 20.9.1 20.9.2 20.9.3 20.10 20.10.1 20.10.2 20.10.3 20.10.4 20.10.5 20.10.6 20.10.7 20.10.8 20.10.9 20.10.10 20.10.11 20.10.12 20.10.13 20.11 20.11.1 20.11.2 20.11.3 20.11.4 20.11.5 20.11.6 20.11.7 20.12 21 21.1 21.2 21.3 21.4 21.4.1 21.4.2 21.4.3 21.4.4 21.4.5 21.4.6 21.5 21.5.1
 
 Acylierung von Aromaten durch Nitrile.................... 321 Reaktivität der Carbonyl-Gruppe............................. 321 Reaktionen von Aldehyden und Ketonen mit Basen....................................................................... 322 Bildung von Hydraten .............................................. 322 Bildung von Acetalen und Ketalen .......................... 323 Addition von Hydrogensulfit..................................... 324 Bildung von Iminen mit Ammoniak und primären Aminen..................................................................... 325 Bildung von Hydrazonen, Azinen, Oximen und Semicarbazonen...................................................... 326 Bildung von Enaminen mit sekundären Aminen ..... 327 Reaktionen mit Hydrid-Anionen............................... 328 Reduktion mit komplexen Metallhydriden ............... 328 MEERWEIN-PONNDORF-VERLEY-Reduktion von Ketonen ................................................................... 328 CANNIZZARO-Disproportionierung aromatischer Aldehyde.................................................................. 328 Reaktionen mit Carbanionen und CH-Säuren ........ 329 1,2-Addition von GRIGNARD-Verbindungen ............. 329 Carbonyl-Alkenylierungen ....................................... 330 Aldol-Reaktionen ..................................................... 331 Cyanhydrin-Reaktion ............................................... 333 Benzoin- und STETTER-Reaktion der Arenaldehyde .......................................................... 335 Alkinylierung von Carbonyl-Verbindungen.............. 336 PASSERINI- und UGI-Reaktionen mit Isocyaniden.... 336 Homologisierung von Aldehyden und Ketonen mit Diazomethan...................................................... 337 KNOEVENAGEL-Alkenylierung ................................... 338 PERKIN-Reaktion ...................................................... 338 MANNICH-Reaktion ................................................... 338 BAYLIS-HILLMAN-Hydroxyalkylierung........................ 339 Anellierung von Cycloalkanonen............................. 340 Oxidation und Reduktion der Carbonyl-Gruppe...... 340 Oxidation von Aldehyden ........................................ 340 BAEYER-VILLIGER-Oxidation von Ketonen................ 341 WILLGERODT- UND WILLGERODT-KINDLER-Reaktion von Alkylarylketonen................................................ 341 CLEMMENSEN-Reduktion .......................................... 342 MCMURRY-Reaktion................................................. 342 WOLFF-KISHNER-Reduktion...................................... 343 BAMFORD-STEVENS- und SHAPIRO-Reaktion zur Synthese von Alkenen............................................. 343 CH-Acidität und Keto-Enol-Tautomerie der 1,3-Diketone ............................................................ 344 Phenole und Chinone............................................ 346 Klassifizierung der Phenole..................................... 346 Nomenklatur der Phenole........................................ 346 Physikalische Eigenschaften der Phenole .............. 347 Darstellung von Phenolen ....................................... 349 Technische Phenol-Synthese (HOCK-Prozeß) ........ 349 Hydrolyse von Chlorbenzen-Derivaten ................... 350 Katalytische Oxidation methylierter Aromaten ........ 351 Alkali-Schmelze von Arensulfonaten....................... 351 Phenole aus Arenaminen ........................................ 352 Dienon-Phenol-Umlagerung.................................... 352 Mesomerie und Acidität der Phenole ...................... 352 Mesomerie ............................................................... 352
 
 XI 21.5.2 21.5.3 21.6 21.6.1 21.6.2 21.6.3 21.6.4 21.6.5 21.6.6 21.6.7 21.7 21.8 21.8.1 21.8.2 21.8.3 21.9 21.9.1 21.9.2 21.9.3 21.9.4
 
 Acidität..................................................................... 353 Substituenteneinflüsse auf die Acidität ................... 354 Reaktionen der Phenole.......................................... 355 Veretherung............................................................. 355 Veresterung............................................................. 355 Phenole als Enole ................................................... 356 Oxidation zu Chinonen............................................ 356 Oxidation zu Aroxyl-Radikalen und Peroxiden ....... 357 Elektrophile Substitutionen...................................... 358 BUCHERER-Reaktion der Naphthole ........................ 358 Nomenklatur und einige Eigenschaften der Chinone............................................................ 360 Darstellung von Chinonen....................................... 361 Oxidation von Phenolen und primären aromatischen Aminen ............................................. 361 Oxidation von Arenen.............................................. 362 FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung von Arenen durch Phthalsäureanhydrid ............................................... 363 Reaktionen der Chinone ......................................... 363 Redoxgleichgewicht Chinon-Hydrochinon .............. 363 Additionen ............................................................... 364 Carbonyl-Reaktionen .............................................. 364 HOOKER-Oxidation................................................... 365
 
 Amine...................................................................... 366 Amine als Derivate des Ammoniaks ....................... 366 Nomenklatur ............................................................ 366 Struktur und physikalische Eigenschaften .............. 368 Geometrie und Molekülorbital-Modell ..................... 368 Inversion von Aminen.............................................. 369 Enantiomere Ammonium-Salze und Amin-N-oxide........................................................... 369 22.3.4 Physikalische Eigenschaften .................................. 370 22.4 Darstellung .............................................................. 372 22.4.1 Alkylierung von Ammoniak...................................... 372 22.4.2 Alkylierung von Kalium-Phthalimid (GABRIELSynthese) ................................................................ 373 22.4.3 Palladium-katalysierte Aminierung von Arylhalogeniden....................................................... 373 22.4.4 Addition von Ammoniak und Aminen an Doppelbindungen ............................................... 374 22.4.5 Addition von Ammoniak und Aminen an Oxiran ..... 374 22.4.6 Reduktion von Nitro-Verbindungen......................... 375 22.4.7 Reduktion von Oximen, Nitrilen und Carbonsäureamiden................................................ 376 22.4.8 Reduktive Aminierung von CarbonylVerbindungen .......................................................... 377 22.4.9 Reduktive Alkylierung von Aminen (LEUCKARTWALLACH-Reaktion .................................................. 378 22.4.10 Synthese primärer Amine durch Umlagerungen..... 378 22.4.11 Synthese von Benzidin-Derivaten durch Benzidin-Umlagerung.............................................. 381 22.5 Basizität................................................................... 382 22.5.1 Basizitätskonstante ................................................. 382 22.5.2 Basizität aliphatischer Amine .................................. 383 22.5.3 Basizität aromatischer Amine.................................. 383 22.5.4 Substituenteneinflüsse auf die Basizität aromatischer Amine ................................................ 384 22.6 Reaktionen .............................................................. 385 22.6.1 Bildung N-substituierter Ammonium-Salze ............. 385 22 22.1 22.2 22.3 22.3.1 22.3.2 22.3.3
 
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 XII 22.6.2 22.6.3 22.6.4 22.6.5 22.6.6 22.6.7 22.6.8 22.6.9
 
 Inhaltsverzeichnis Reaktion mit salpetriger Säure ................................ 385 N-Oxidation.............................................................. 386 N-Halogenierung ..................................................... 387 N-Acylierung ............................................................ 388 N-Alkylierung ........................................................... 389 HOFMANN-Eliminierung von Tetraalkylammoniumhydroxiden ............................................................... 390 COPE-Eliminierung tertiärer Amin-N-oxide .............. 391 Elektrophile Substitution aromatischer Amine ........ 392
 
 23.9
 
 Organostickstoff-Verbindungen .......................... 393 Diazoalkane............................................................. 393 Konstitution und Eigenschaften............................... 393 Darstellung .............................................................. 393 Reaktionen der Diazoalkane ................................... 394 Diazocarbonsäureester ........................................... 397 Bildung..................................................................... 397 Reaktivität................................................................ 398 Diazoketone............................................................. 399 Bildung..................................................................... 399 Reaktivität................................................................ 399 Azoalkan-Derivate ................................................... 400 Klassifizierung und Bildung ..................................... 400 Reaktionen .............................................................. 400 Aryldiazonium-Salze................................................ 402 Radikalische Spaltung von Aryldiazonium-Ionen.... 402 Darstellung von Halogenaromaten aus Aryldiazonium-Salzen (SANDMEYER-Reaktion) ....... 402 Mercurierung über Aryldiazonium-Salze (NESMEJANOW-Reaktion) ......................................... 403 Arylierung von Aromaten durch AryldiazoniumSalze (GOMBERG-BACHMANN-Reaktion) .................. 403 Ionische Spaltung von Aryldiazonium-Ionen........... 404 Bildung von Phenolen über Aryldiazonium-Salze... 404 Bildung von Fluorarenen aus Aryldiazoniumtetrafluorboraten (BALZ-SCHIEMANN-Reaktion) ........ 405 Bildung von Arylaziden über Aryldiazonium-Salze . 405 Reduktion von Aryldiazonium-Salzen ..................... 405 Azo-Aromaten, Azo-Kupplung................................. 406 Struktur der Azo-Arene............................................ 406 Darstellung von Azo-Arenen durch Azo-Kupplung . 406 Andere Methoden zur Darstellung aromatischer Azo-Verbindungen................................................... 410 Organostickstoff-Verbindungen, Übersicht ............. 410
 
 24 24.1 24.2 24.2.1 24.2.2 24.2.3 24.3 24.3.1 24.3.2 24.4 24.4.1 24.4.2 24.5 24.5.1 24.5.2
 
 Organoschwefel-Verbindungen........................... 412 Übersicht, Nomenklatur und Vorkommen ............... 412 Thiole ....................................................................... 412 Darstellung .............................................................. 412 Thermodynamische Eigenschaften......................... 414 Reaktionen .............................................................. 415 Thiophenole............................................................. 416 Darstellung .............................................................. 416 Reaktionen .............................................................. 416 Thioether (Dialkylsulfide)......................................... 417 Darstellung .............................................................. 417 Reaktionen .............................................................. 418 Disulfide................................................................... 419 Darstellung .............................................................. 419 Reaktionen .............................................................. 420
 
 23 23.1 23.1.1 23.1.2 23.1.3 23.2 23.2.1 23.2.2 23.3 23.3.1 23.3.2 23.4 23.4.1 23.4.2 23.5 23.6 23.6.1 23.6.2 23.6.3 23.7 23.7.1 23.7.2 23.7.3 23.7.4 23.8 23.8.1 23.8.2 23.8.3
 
 24.6 24.7 24.8 24.8.1 24.8.2 24.8.3 24.9 24.9.1 24.9.2 24.10 24.10.1 24.10.2 24.11 24.11.1 24.11.2 24.11.3 24.12 24.12.1 24.12.2 24.12.3
 
 Thioaldehyde, Thioketone, Thioacetale, Thioketale................................................................ 420 Dithiocarbonsäuren, Thiol- und Thionsäuren ......... 421 Sulfoxide (S-Oxide) ................................................. 422 Darstellung .............................................................. 422 Physikalische Eigenschaften .................................. 422 Reaktionen .............................................................. 422 Sulfone (S-Dioxide) ................................................. 425 Darstellung .............................................................. 425 Reaktionen .............................................................. 426 Sulfensäure-Derivate .............................................. 426 Bildung .................................................................... 426 Reaktionen .............................................................. 427 Sulfinsäuren ............................................................ 427 Bildung .................................................................... 427 Stabilität, Acidität, optische Aktivität ....................... 428 Reaktionen .............................................................. 428 Sulfonsäuren ........................................................... 428 Darstellung der Säuren und ihrer Chloride ............. 428 Acidität und Wasserlöslichkeit von Sulfonsäuren ... 430 Reaktionen der Sulfonsäuren und Sulfochloride .... 431
 
 25 25.1 25.2 25.2.1 25.2.2 25.3 25.4 25.5 25.6 25.6.1 25.6.2 25.6.3 25.7 25.7.1 25.7.2 25.7.3 25.8 25.8.1 25.8.2 25.8.3 25.9 25.10 25.11 25.12 25.13
 
 Kohlensäure-Derivate........................................... 433 Kohlensäure ............................................................ 433 Kohlensäurehalogenide .......................................... 433 Phosgen .................................................................. 433 Reaktionen von Phosgen........................................ 434 Kohlensäureesterchloride ....................................... 435 Kohlensäureester .................................................... 436 Carbamidsäure, Urethane....................................... 436 Harnstoffe................................................................ 437 Bildung von Harnstoff.............................................. 437 Reaktionen von Harnstoff ....................................... 438 Alkylharnstoffe......................................................... 439 Guanidin .................................................................. 440 Basizität und Bindungszustand............................... 440 Darstellung .............................................................. 440 Reaktionen .............................................................. 441 Kohlensäurehydrazide ............................................ 441 Semicarbazid........................................................... 442 Carbazide ................................................................ 442 Esterhydrazide der Kohlensäure............................. 442 Azidokohlensäureester ........................................... 442 Thiokohlensäure-Derivate....................................... 443 Dithiokohlensäure-Derivate..................................... 444 Trithiokohlensäure................................................... 444 Carbodiimide ........................................................... 445
 
 26 26.1 26.1.1
 
 Umlagerungen ....................................................... 446 Anionotrope 1,2-Verschiebungen ........................... 446 Allgemeine Mechanismen anionotroper 1,2-Verschiebungen (Sextett-Umlagerungen) ........ 446 1,2-Verschiebungen von C zu C............................. 447 1,2-Verschiebungen von C zu N über Nitrene und Nitrenium-Ionen....................................................... 450 Verschiebungen von C zu O ................................... 451 Kationotrope 1,2-Verschiebungen über Carbanionen............................................................ 452 FAVORSKII-Umlagerung (von C nach C).................. 452 STEVENS-Umlagerung (von N nach C).................... 453
 
 26.1.2 26.1.3 26.1.4 26.2 26.2.1 26.2.2
 
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 Inhaltsverzeichnis 26.2.3 26.3 26.4 26.4.1 26.4.2 26.5 26.5.1 26.5.2 26.5.3 27 27.1 27.2 27.2.1 27.2.2 27.3 27.3.1 27.3.2 27.3.3 27.4 27.4.1 27.4.2 27.4.3 27.4.4 27.4.5 28 28.1 28.2 28.2.1 28.2.2 28.2.3 28.2.4 28.2.5 28.2.6 28.3 28.3.1 28.3.2 28.3.3 28.3.4 28.3.5 28.4 28.4.1 28.4.2 28.4.3 28.5 28.5.1 28.5.2 28.5.3 28.5.4 28.5.5 28.5.6 28.5.7
 
 WITTIG-Umlagerung (von O nach C) ....................... 453 Radikalische 1,2-Verschiebungen........................... 453 Umlagerungen an benzoiden Ringen...................... 454 Umlagerungen vom SE-Typ..................................... 454 Umlagerungen vom SN-Typ..................................... 455 Sigmatrope Umlagerungen ..................................... 456 [1,5]-sigmatrope Verschiebung ............................... 456 COPE-Umlagerung als [3,3]-sigmatrope Verschiebung........................................................... 456 Hetero-COPE-Umlagerungen................................... 457 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen ............................... 458 Phasenbeziehung von p-Orbitalen.......................... 458 Elektrocyclische Reaktionen ................................... 460 Definitionen.............................................................. 460 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für elektrocylische Reaktionen...................................... 462 Cycloadditionen ....................................................... 465 Definitionen.............................................................. 465 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für konzertierte Cycloadditionen ................................... 466 Cycloreversionen..................................................... 469 Sigmatrope Reaktionen........................................... 470 Definitionen.............................................................. 470 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für sigmatrope Reaktionen............................................ 471 Beispiele zu den Auswahlregeln ............................. 474 Inversion und Retention bei sigmatropen Verschiebungen....................................................... 474 En-Reaktion............................................................. 476 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung .. 478 Überblick.................................................................. 478 UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie ................ 479 Spektralbereich........................................................ 479 Meßmethodik........................................................... 480 Elektronenübergänge in organischen Molekülen.... 481 Chromophore, Auxochrome .................................... 482 Lichtabsorption und Farbe....................................... 484 Anwendungsbereiche.............................................. 485 Infrarotspektroskopie ............................................... 487 Spektralbereich........................................................ 487 Meßmethodik........................................................... 487 Gruppenschwingungen in organischen Molekülen . 488 Fingerabdruck-Bereich des Infrarotspektrums........ 490 Anwendungsbereiche.............................................. 492 RAMAN-Spektroskopie.............................................. 497 RAMAN-Streuung...................................................... 497 RAMAN-Spektrum ..................................................... 497 Anwendung von RAMAN-Spektren........................... 497 Kernmagnetische Resonanz ................................... 499 Kernpräzession und Kernspin-Zustände................. 499 NMR-Spektrometer und NMR-Spektrum ................ 500 Chemische Verschiebungen ................................... 501 Messung chemischer Verschiebungen ................... 501 Integration der Signale und quantitative Analyse.... 503 Konstitutionsmerkmale und ProtonenVerschiebung........................................................... 504 Kopplungskonstanten.............................................. 513
 
 XIII 28.5.8 28.5.9
 
 Strukturmerkmale und Kopplungskonstanten......... 517 Beispiel zur Herleitung der Konstitution aus dem 1H-NMR-Spektrum.................................... 524 28.5.10 Chemische Methoden der Signalzuordnung........... 526 28.5.11 Besondere Meßtechniken ....................................... 527 28.6 Kohlenstoff-13-Resonanz........................................ 531 28.6.1 Wichtigste Meßmethoden ....................................... 531 28.6.2 13C-Verschiebungen ................................................ 536 28.6.3 CH-Kopplungskonstanten ....................................... 538 28.6.4 Beispiel zur Konstitutionsermittlung durch Kohlenstoff-13-Resonanz ............................. 539 28.7 Massenspektrometrie.............................................. 541 28.7.1 Meßmethodik........................................................... 541 28.7.2 Isotopenpeaks ......................................................... 543 28.7.3 Molekül-Peak, Molekül-Ion...................................... 544 28.7.4 Fragment- und metastabile Ionen ........................... 544 28.7.5 Fragmentierungen organischer Molekül-Ionen ....... 545 28.7.6 Erkennung funktioneller Gruppen ........................... 551 28.7.7 Herleitung der Konstitution aus dem Massenspektrum..................................................... 551
 
 29.5.8 29.6 29.6.1 29.6.2 29.7
 
 Photoreaktionen.................................................... 555 Anregung von Photoreaktionen .............................. 555 Energiebedarf.......................................................... 555 Verhalten angeregter Moleküle............................... 555 Photosensibilisierung .............................................. 558 Quantenausbeute.................................................... 559 Blitzlicht-Photolyse .................................................. 560 Präparative Photochemie........................................ 560 Photoinduzierte Einführung funktioneller Gruppen. 560 Photofragmentierungen........................................... 562 Photoisomerisierungen ........................................... 563 Photodehydrocyclisierungen................................... 564 Photoadditionen ...................................................... 565 Photocycloadditionen .............................................. 566 Photooxidation mit und Photoaddition von Sauerstoff ................................................................ 569 Photoreduktionen .................................................... 570 Biologische Photoreaktionen .................................. 571 Sehvorgang ............................................................. 571 Photosynthese......................................................... 572 Chemolumineszenz................................................. 573
 
 30 30.1 30.2 30.2.1 30.2.2 30.2.3 30.3 30.4 30.4.1 30.4.2 30.4.3 30.5 30.5.1 30.5.2 30.5.3 30.6 30.6.1
 
 Nichtbenzoide Aromaten...................................... 575 Übersicht nichtbenzoider Aromaten........................ 575 Cyclopropenium-Kationen....................................... 576 Synthese ................................................................. 576 Molekülorbital-Modell und Strukturmerkmale ......... 576 Reaktivität................................................................ 577 Quadratsäure und Oxokohlenstoff-Dianionen ........ 577 Cyclopentadienid..................................................... 578 Herstellung .............................................................. 578 Strukturmerkmale .................................................... 578 Reaktivität................................................................ 578 Cyloheptatrienium-Kationen.................................... 580 Strukturmerkmale und Formulierung ...................... 580 Herstellungsmethoden ............................................ 581 Reaktivität................................................................ 582 Cyclooctatetraendiid................................................ 583 Bildung..................................................................... 583
 
 29 29.1 29.1.1 29.1.2 29.2 29.3 29.4 29.5 29.5.1 29.5.2 29.5.3 29.5.4 29.5.5 29.5.6 29.5.7
 
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 XIV
 
 Inhaltsverzeichnis
 
 30.6.2 30.6.3 30.7 30.7.1 30.7.2 30.7.3 30.8 30.9 30.9.1 30.9.2 30.9.3 30.10 30.10.1 30.10.2 30.10.3 30.10.4 30.10.5
 
 NMR-Daten.............................................................. 583 Reaktionen .............................................................. 583 Cyclononatetraenid ................................................. 584 Bildung..................................................................... 584 NMR-Daten.............................................................. 584 Reaktionen .............................................................. 584 Vergleich der chemischen Verschiebungen............ 585 Azulen...................................................................... 585 Formulierung und physikalische Eigenschaften ..... 585 Azulen-Synthese ..................................................... 586 Reaktionen .............................................................. 587 Aromatische Annulene ............................................ 587 Definition.................................................................. 587 [10]-Annulen ............................................................ 588 [14]-Annulene .......................................................... 589 [18]-Annulen ............................................................ 591 Heteroüberbrückte [18]-Annulene und höhere Annulene ................................................................. 592 30.11 Natürliche nichtbenzoide Aromaten ........................ 593 30.11.1 Tropolone ................................................................ 593 30.11.2 Azulene.................................................................... 593 30.12 Antiaromatizität........................................................ 593 31 31.1 31.2 31.2.1 31.2.2 31.3 31.3.1 31.3.2 31.3.3 31.3.4 31.3.5 31.3.6 31.4 31.4.1 31.4.2 31.4.3 31.4.4 31.4.5 31.4.6 31.5 32 32.1 32.2 32.2.1 32.2.2 32.3 32.3.1 32.3.2 32.3.3 32.4 32.4.1 32.4.2 32.4.3
 
 Organosilicium-Verbindungen............................. 595 Organo-Si- und C-Verbindungen im Vergleich ....... 595 Herstellung der Silane ............................................. 596 Halogensilane.......................................................... 596 Alkyl- und Arylsilane ................................................ 597 Nucleophile Substitution am Silicium ...................... 597 Mechanismen .......................................................... 597 Hydrid als Nucleophil............................................... 598 Reaktionen mit Kohlenstoff-Nucleophilen ............... 598 Reaktionen mit Sauerstoff-Nucleophilen................. 598 Reaktionen mit Stickstoff-Nucleophilen................... 600 Desilylierung von Alkinyl- und Arylsilanen .............. 600 Präparative Bedeutung der TrimethylsilylVerbindungen .......................................................... 601 Reagenzien zur Trimethylsilylierung ....................... 601 Trimethylsilylazid als Ersatzreagenz ...................... 601 Silylenolether als Synthesereagenzien ................... 601 IRELAND-CLAISEN-Umlagerung................................. 603 SAKURAI-Reaktion der Allylsilane ............................ 604 PETERSON-Alkenylierung ......................................... 605 Silicone .................................................................... 605 Organometall-Verbindungen................................ 606 Definition und Nomenklatur ..................................... 606 Bindungszustand..................................................... 606 Übersicht.................................................................. 606 Molekülorbital-Modelle ............................................ 607 Eigenschaften metallorganischer Verbindungen .... 608 Alkylmetalle ............................................................. 608 Metallorganische ElektronenmangelVerbindungen .......................................................... 608 GRIGNARD-Verbindungen......................................... 609 Allgemeine Methoden zur Herstellung .................... 609 Reaktion von Kohlenwasserstoff und Metall ........... 609 Reaktion von Halogenalkan und Metall .................. 610 Reaktion von Organometall-Verbindung und Metallhalogenid ....................................................... 610
 
 32.4.4 32.4.5 32.4.6 32.4.7 32.5
 
 Metall-Metall-Austausch.......................................... 611 Halogen-Metall-Austausch...................................... 611 Wasserstoff-Metall-Austausch ................................ 612 Addition von Metallhydriden an Alkene................... 612 Reaktionen von Alkyl- und ArylmetallVerbindungen.......................................................... 612 32.5.1 Reaktion mit Sauerstoff........................................... 612 32.5.2 Reaktion mit Halogen.............................................. 612 32.5.3 Hydrolyse und Alkoholyse....................................... 613 32.5.4 Reaktion mit CH-Säuren ......................................... 614 32.5.5 Reaktionen zwischen OrganometallVerbindungen.......................................................... 614 32.5.6 Reaktion mit Carbonsäurehalogeniden .................. 615 32.5.7 Addition an CC-Doppelbindungen .......................... 615 32.5.8 Addition an CX-Doppelbindungen .......................... 615 32.5.9 Addition an CX-Dreifachbindungen ........................ 617 32.5.10 Nucleophile Öffnung von Oxiran- und Oxetan-Ringen ........................................................ 618 32.5.11 Nucleophile Substitution.......................................... 618 32.6 Übergangsmetall-Aren- und Alken-Komplexe ........ 619 32.6.1 Bindungszustand und Struktur von Metallπ-Komplexen ........................................................... 619 32.6.2 Herstellung und Eigenschaften einiger Übergangsmetall-π-Komplexe ................................ 620 32.6.3 CC-Verknüpfungen mit ÜbergangsmetallKomplexen als Katalysatoren ................................. 622 32.6.4 CX-Verknüpfungen mit Palladium-Komplexen als Katalysatoren .......................................................... 625 32.7 Übergangsmetall-Carben-Komplexe ...................... 626 32.7.1 Konstitution.............................................................. 626 32.7.2 Herstellung .............................................................. 627 32.7.3 Reaktionen .............................................................. 627 32.8 Metallchelate ........................................................... 629 32.8.1 Bauprinzip ............................................................... 629 32.8.2 Metallchelat-Effekt................................................... 630 32.8.3 Metalltemplat-Effekt ................................................ 631 32.8.4 Metallchelate makrocyclischer N4-Liganden........... 631 32.8.5 Bedeutung von Metallchelaten................................ 632 33 33.1 33.2 33.3 33.3.1 33.3.2 33.3.3 33.3.4 33.3.5 33.4 33.4.1 33.4.2 33.5 33.6 33.7 33.8 33.9
 
 Heteroalicyclen...................................................... 634 Übersicht und Ring-Nomenklatur............................ 634 Molekülgeometrie.................................................... 635 Allgemeine Syntheseprinzipien............................... 636 Intramolekulare Cyclisierungen............................... 636 Cycloadditionen....................................................... 638 Ringerweiterung von Carbocyclen durch Stickstoff........................................................ 640 Katalytische Hydrierung von Heteroaromaten........ 640 Carbonyl-Derivatisierung......................................... 641 Funktionelle Reaktionen ......................................... 641 Heteroatom als Nucleophil...................................... 641 Carbonyl-Umpolung durch 1,3-DithianDerivatisierung ........................................................ 641 Ringöffnungen......................................................... 642 Ringöffnende Ringerweiterungen ........................... 643 Additionen an ungesättigte Heteroalicyclen............ 644 Komplexierung durch Kronenether und Cryptanden.............................................................. 644 Mesomerieeffekte und Aromatizität ........................ 645
 
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 Inhaltsverzeichnis Heteroaromaten ..................................................... 646 Nomenklatur und Übersicht der Heteroaromaten ... 646 Monocyclische Heteroaromaten.............................. 646 Benzokondensierte Heteroaromaten ...................... 646 Heterokondensierte Heteroaromaten...................... 649 Tautomerie der Heteroaromaten ............................. 652 Tautomerie ohne Beteiligung von Substituenten .... 652 Tautomerie unter Beteiligung von Substituenten .... 653 Aromatizität und Struktur von FünfringHeteroaromaten....................................................... 656 34.3.1 π-Elektronendichte-Verteilung ................................. 656 34.3.2 Molekülorbital-Modelle............................................. 657 34.3.3 Bindungsausgleich und Mesomerieenergie ............ 658 34.4 Aromatizität und Struktur von SechsringHeteroaromaten....................................................... 658 34.4.1 π-Elektronendichte-Verteilung, Mesomerie und Bindungsausgleich .................................................. 658 34.4.2 Molekülorbital-Modell des Pyridins.......................... 659 34.4.3 Sechsring-Heterocyclen mit zweibindigen Heteroatomen.......................................................... 659 34.5 Synthese monocyclischer FünfringHeteroaromaten....................................................... 660 34.5.1 Allgemeine Methoden.............................................. 660 34.5.2 Spezielle Methoden ................................................. 664 34.6 Synthese benzo-kondensierter FünfringHeteroaromaten....................................................... 666 34.6.1 Benzo[b]furan (Cumaron)........................................ 666 34.6.2 Benzo[b]thiophen (Thionaphthen)........................... 667 34.6.3 Benzo[b]pyrrol (Indol) .............................................. 667 34.6.4 Benzo-1,2-azole (Indazol, Benzoisoxazol, Benzoisothiazol) ...................................................... 668 34.6.5 Benzo-1,3-azole (Benzimidazol, Benzoxazol, Benzothiazol)........................................................... 669 34.6.6 Benzotriazol............................................................. 669 34.6.7 Carbazol .................................................................. 669 34.7 Reaktionen monocyclischer FünfringHeteroaromaten....................................................... 670 34.7.1 Basizität und Reaktionen am nichtbindenden Elektronenpaar ........................................................ 670 34.7.2 Acidität ..................................................................... 671 34.7.3 Dien-Reaktionen...................................................... 672 34.7.4 Elektrophile Substitution.......................................... 673 34.7.5 Nucleophile Substitutionen...................................... 677 34.7.6 Carben-Cycloadditionen.......................................... 677 34.7.7 Ringöffnungen ......................................................... 678 34.7.8 Besondere Reaktionen von Substituenten.............. 679 34.8 Reaktionen benzologer Fünfring-Heteroaromaten.. 680 34.8.1 Prognose ................................................................. 680 34.8.2 Heteroatom-spezifische Reaktionen ....................... 681 34.8.3 Elektrophile Substitutionen...................................... 681 34.8.4 Cycloadditionen ....................................................... 682 34.8.5 Reaktionen der 2- und 3-Hydroxy-Derivate............. 683 34.9 Mesoionische Fünfring-Heteroaromaten................. 684 34.9.1 Mesoionische 1,2,3-Oxadiazol-Derivate ................. 684 34.9.2 Mesoionische Triazol-Derivate ................................ 685 34.9.3 Mesoionische Oxazol- und Thiazol-Derivate .......... 685 34.10 Synthese monocyclischer SechsringHeteroaromaten....................................................... 686 34.10.1 Pyridin...................................................................... 686 34 34.1 34.1.1 34.1.2 34.1.3 34.2 34.2.1 34.2.2 34.3
 
 XV 34.10.2 Phosphor-, Sauerstoff- und Schwefel-Analoge des Pyridins............................................................. 688 34.10.3 Diazine..................................................................... 690 34.10.4 Oxazine und Thiazine ............................................. 691 34.10.5 Triazine.................................................................... 692 34.10.6 Tetrazine.................................................................. 693 34.11 Synthese benzo-kondensierter Pyridine und Azine........................................................................ 693 34.11.1 Chinoline (Benzo[b]pyridine .................................... 693 34.11.2 Isochinoline (Benzo[c]pyridine) ............................... 694 34.11.3 Benzochinoline........................................................ 695 34.11.4 Benzopyridazine...................................................... 696 34.11.5 Chinazoline.............................................................. 696 34.11.6 Chinoxaline und Phenazine .................................... 697 34.11.7 Benzopyrone und Benzopyrylium-Salze................. 697 34.11.8 Phenoxazine und Phenothiazine ............................ 699 34.12 Reaktionen monocyclischer SechsringHeteroaromaten ...................................................... 699 34.12.1 Reaktionen am Imino-Stickstoff .............................. 699 34.12.2 Cycloadditionen....................................................... 701 34.12.3 Nucleophile Additionen, Ringöffnungen, Umheterocyclisierungen.......................................... 702 34.12.4 Nucleophile Substitutionen...................................... 703 34.12.5 Elektrophile Substitutionen...................................... 704 34.12.6 Besondere Reaktionen von Substituenten ............. 706 34.13 Reaktionen benzologer SechsringHeteroaromaten ...................................................... 708 34.13.1 Reaktionen am Ring-Stickstoff................................ 708 34.13.2 Katalytische Hydrierung und oxidative Ringöffnung ............................................................. 708 34.13.3 Nucleophile Additionen ........................................... 708 34.13.4 Nucleophile Substitutionen...................................... 709 34.13.5 Elektrophile Substitutionen...................................... 710 34.13.6 CH-Acidität und andere Reaktionen von Methyl-Gruppen....................................................... 711 34.14 Heterokondensierte Heteroaromaten...................... 712 34.14.1 Heterobicyclen mit Stickstoff als Brückenkopf ........ 712 34.14.2 Purine ...................................................................... 713 34.14.3 Pteridine .................................................................. 715 34.15 Reaktionen heterokondensierter Heteroaromaten . 716 34.15.1 Basizität und Acidität............................................... 716 34.15.2 Ringspaltungen ....................................................... 716 34.15.3 Nucleophile Additionen ........................................... 717 34.15.4 Nucleophile Substitutionen...................................... 718 34.15.5 Elektrophile Substitutionen...................................... 718 34.15.6 CH-Acidität von Methyl-Gruppen ............................ 718 34.16 Höhergliedrige Heterocyclen und Heteroaromaten 718 34.16.1 Ringvinyloge der Fünfring-Heteroaromaten............ 718 34.16.2 Ringvinyloge des Pyridins ....................................... 721 35 35.1 35.1.1 35.1.2 35.2 35.3 35.3.1 35.3.2 35.3.3 35.4
 
 Organische Farbstoffe.......................................... 723 Farbe, Farbstoffe, Pigmente ................................... 723 Absorbiertes Licht und Farbe.................................. 723 Farbstoffe und Pigmente......................................... 723 Bauprinzip von Farbstoffen ..................................... 723 Azofarbstoffe ........................................................... 725 Tautomerie .............................................................. 725 Herstellung .............................................................. 725 Methoden der Textilfärbung mit Azofarbstoffen...... 726 Polymethin-Farbstoffe ............................................. 731
 
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 XVI 35.4.1 35.4.2 35.4.3 35.4.4 35.5 35.5.1 35.5.2 35.5.3
 
 Inhaltsverzeichnis
 
 35.7.3 35.7.4 35.7.5 35.7.6
 
 Bauprinzip................................................................ 731 Ausgewählte Methoden zur Herstellung ................. 732 Anwendung von Polymethin-Farbstoffen ................ 733 Natürliche Polymethin-Farbstoffe............................ 735 Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe........ 736 Übersicht.................................................................. 736 Allgemeine Methoden zur Herstellung .................... 736 Anwendung phenyloger Methin- und AzamethinFarbstoffe................................................................. 740 Natürliche Phenoxazin-Farbstoffe........................... 741 Carbonyl-Farbstoffe................................................. 742 Übersicht.................................................................. 742 Lichtabsorption der Carbonyl-Farbstoffe................. 742 Synthese von Anthrachinon-Farbstoffen................. 744 Indigo-Synthesen..................................................... 746 Textilfärbung mit Indigo- und AnthrachinonDerivaten ................................................................. 747 Höher anellierte Carbonyl-Farbstoffe ...................... 748 Natürliche Carbonyl-Farb- und Wirkstoffe............... 749 Polyaza[18]annulen-Farbstoffe ............................... 750 Bauprinzip ............................................................... 750 Mesomerie der Porphyrine und ihrer Metallchelate ........................................................... 750 Porphyrin-Synthesen............................................... 751 Phthalocyanin-Synthesen........................................ 752 Färbung mit Phthalocyanin-Derivaten..................... 753 Natürliche Porphyrinoide ......................................... 754
 
 36 36.1 36.2 36.2.1 36.2.2 36.2.3 36.2.4 36.2.5 36.2.6 36.2.7 36.2.8 36.3 36.3.1 36.3.2 36.4 36.4.1 36.4.2 36.4.3 36.4.4 36.4.5 36.5 36.5.1 36.5.2 36.5.3 36.5.4 36.5.5 36.5.6 36.6 36.6.1 36.6.2 36.6.3 36.6.4
 
 Synthetische Polymere......................................... 755 Monomere, Oligomere, Polymere ........................... 755 Polymerisationen..................................................... 755 Übersicht.................................................................. 755 Radikalische Polymerisation ................................... 756 Ionische Polymerisation .......................................... 758 Koordinative Polymerisation.................................... 759 Polymerisation durch Alken-Metathese................... 761 Epoxid-Polymerisation............................................. 761 Hetero- und Homopolymere .................................... 761 Uni- und Multipolymere ........................................... 762 Polyadditionen ......................................................... 763 Polyurethane ........................................................... 763 Polyharnstoffe.......................................................... 764 Polykondensationen ................................................ 764 Polyester.................................................................. 764 Polyamide................................................................ 765 Phenoplaste............................................................. 766 Aminoplaste............................................................. 767 Epoxidharze............................................................. 768 Molekülstruktur von Polymeren............................... 768 Mittlere Molekülmasse............................................. 768 Stellungsisomerie .................................................... 769 Verzweigungsgrad................................................... 769 Relative Konfigurationsisomerie von Polyalkenen.. 770 Taktizität von Polyalkanen....................................... 770 Rotationsisomerie.................................................... 771 Anwendungstechnisch relevante Eigenschaften .... 772 Kristallinität .............................................................. 772 Plastizität ................................................................. 774 Elastizität ................................................................. 774 Löslichkeit und Quellbarkeit .................................... 774
 
 35.5.4 35.6 35.6.1 35.6.2 35.6.3 35.6.4 35.6.5 35.6.6 35.6.7 35.7 35.7.1 35.7.2
 
 36.7 36.7.1 36.7.2 36.8 36.8.1 36.8.2 36.8.3 36.8.4 36.8.5 36.8.6 36.9
 
 Reaktionen von Polymeren..................................... 774 Depolymerisationen ................................................ 774 Reaktionen unter Erhaltung der Polymerkette........ 775 Funktionelle Polymere............................................. 776 Ionenaustauscher.................................................... 776 Elektronenaustauscher ........................................... 777 Elektrolumineszente Polymere ............................... 777 Makromolekulare Chelatbildner .............................. 778 Dendrimere.............................................................. 778 Polymere Träger ..................................................... 780 Anwendungsformen der Polymeren ....................... 781
 
 37 37.1 37.2 37.3 37.4 37.4.1 37.4.2 37.5 37.5.1
 
 Aminosäuren ......................................................... 784 Proteinaminosäuren ................................................ 784 Physiologische Bedeutung...................................... 786 Absolute Konfiguration............................................ 786 Physikalische Eigenschaften .................................. 787 Dissoziationsgleichgewichte ................................... 787 Schmelzpunkt und Löslichkeit................................. 789 Chromatographische Trennung .............................. 789 Ionenaustausch-Chromatographie im Aminosäuren-Analysator.................................... 789 Kapillarzonen-Elektrophorese................................. 791 Gaschromatographie............................................... 792 Synthesen ............................................................... 792 STRECKER-Synthese................................................ 792 BUCHERER-Synthese ............................................... 793 ERLENMEYER-Synthese ........................................... 793 Aminierung von α-Halogencarbonsäuren............... 794 Reduktive Aminierung von α-Oxodicarbonsäuren.. 795 α-Aminosäuren aus NAcylaminomalonsäurediestern................................ 795 Enantioselektive Synthese von Aminosäuren ........ 796 Racemattrennung.................................................... 797 Selektive Kristallisation ........................................... 797 Trennung von Diastereomeren ............................... 797 Enzymatische Methoden......................................... 797 Chromatographische Enantiomeren-Analyse......... 799 Reaktionen .............................................................. 799 Bildung von Salzen und Komplexen ....................... 799 Veresterung............................................................. 800 Bildung von Lactamen............................................. 801 N-Alkylierung und N-Arylierung............................... 801 N-Acylierung............................................................ 802 Abbau-Reaktionen und Umfunktionierungen.......... 803 Aminosäure-Derivate als chirale Auxiliare .............. 804
 
 37.5.2 37.5.3 37.6 37.6.1 37.6.2 37.6.4 37.6.3 37.6.5 37.6.6 37.6.7 37.7 37.7.1 37.7.2 37.7.3 37.7.4 37.8 37.8.1 37.8.2 37.8.3 37.8.4 37.8.5 37.8.6 37.8.7 38 38.1 38.2 38.3 38.3.1 38.3.2 38.3.3 38.3.4 38.3.5 38.4 38.4.1 38.4.2
 
 Peptide und Proteine ............................................ 805 Oligo- und Polypeptide............................................ 805 Struktur der Peptidbindung ..................................... 806 Konformation (Sekundärstruktur) von Polypeptid-Ketten.................................................... 806 RAMACHANDRAN-Diagramme................................... 806 α-Helix..................................................................... 808 α-Keratin-Struktur ................................................... 809 β-Faltblatt ................................................................ 811 Physikalische Methoden zur Strukturbestimmung.. 812 Methoden der Peptidsynthese ................................ 813 Knüpfung der Peptidbindung .................................. 813 Schutzgruppen ........................................................ 815
 
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 Inhaltsverzeichnis 38.4.3 38.4.4 38.5 38.5.1 38.5.2 38.5.3 38.5.4 38.6 38.7 38.7.1 38.7.2 38.7.3 38.8 38.8.1 38.8.2 38.8.3 38.8.4
 
 Strategie und Taktik der Peptidsynthese ................ 820 Kombinatorische Synthese...................................... 822 Methoden der Peptid-Sequenzierung ..................... 823 Reinigung von Peptiden .......................................... 823 Selektive Spaltungen von Peptidketten................... 824 Endgruppenanalyse................................................. 825 Schrittweiser Abbau nach EDMAN............................ 826 Modifizierung von Seitenkettenfunktionen .............. 826 Ausgewählte Peptidwirkstoffe ................................. 828 Peptidhormone ........................................................ 828 Peptidantibiotika ...................................................... 832 Peptidtoxine............................................................. 834 Proteine ................................................................... 835 Klassifizierung und Funktion von Proteinen............ 835 Enzymaktivitätsbestimmungen................................ 836 Struktur der Proteine Myoglobin und Lysozym ....... 837 Enzym-Substrat-Wechselwirkung ........................... 839
 
 39 39.1 39.2 39.2.1 39.2.2 39.2.3
 
 Alkaloide................................................................. 842 Herkunft und Gewinnung der Alkaloide................... 842 Übersicht heterocyclischer Alkaloide ...................... 843 Pyrrolidin-, Piperidin- und Pyridin-Alkaloide ............ 843 Tropan-Alkaloide ..................................................... 843 Pyrrolizidin-, Indolizidin- und ChinolizidinAlkaloide .................................................................. 844 Indol-Alkaloide ......................................................... 845 Isochinolin-Alkaloide................................................ 847 Chinolin-Alkaloide.................................................... 850 Isoxazol- und Oxazol-Alkaloide............................... 851 Übersicht nicht heterocyclischer Alkaloide.............. 851 Phenylethylamine .................................................... 851 Amide und Lactame biogener Amine ...................... 852 Cyclopeptid-Alkaloide .............................................. 852 Zur Biogenese der Alkaloide in Pflanzen ................ 853 Aminosäuren als biogenetische Vorstufen der Alkaloide ............................................................ 853 Biogenese der Isochinolin-Alkaloide im Schlafmohn......................................................... 853 Exemplarische Alkaloid-Synthesen......................... 855 Nicotin und Coniin ................................................... 855 Tropan ..................................................................... 856 Tryptamine............................................................... 856 Benzyltetrahydroisochinoline................................... 857
 
 39.2.4 39.2.5 39.2.6 39.2.7 39.3 39.3.1 39.3.2 39.3.3 39.4 39.4.1 39.4.2 39.5 39.5.1 39.5.2 39.5.3 39.5.4 40 40.1 40.1.1 40.1.2 40.2 40.3 40.3.1 40.3.2 40.3.3 40.3.4. 40.3.5 40.4 40.4.1 40.4.2
 
 Kohlenhydrate ....................................................... 858 Bedeutung, Klassifizierung und Nomenklatur der Zucker................................................................ 858 Bedeutung ............................................................... 858 Klassifizierung und Nomenklatur............................. 858 Konstitution, relative und absolute Konfiguration.... 860 Cyclohalbacetal-Formen und Konformation............ 863 Halbacetal-Bildung .................................................. 863 Gleichgewichte der Pyranosen und Furanosen ...... 866 Mutarotation............................................................. 867 Konformation der Pyranosen und anomerer Effekt ....................................................... 868 NMR-Spektroskopie ................................................ 869 Carbonyl-Reaktionen der Kohlenhydrate ................ 870 Kettenverlängerung ................................................. 871 Reduktion zu Polyolen............................................. 872
 
 XVII 40.4.3 40.4.4 40.4.5 40.5 40.5.1 40.5.2 40.5.3 40.5.4 40.6 40.6.1 40.6.2 40.6.3 40.7 40.8 40.8.1 40.8.2 40.9 40.9.1 40.9.2 40.9.3 40.9.4 40.9.5 40.9.6 40.9.7
 
 Oxidation endständiger Gruppen ............................ 873 Glycosidierungen..................................................... 875 Reaktionen mit Thiolen und StickstoffNucleophilen............................................................ 877 Polyol-Reaktionen ................................................... 879 Schutzgruppen für die Hydroxy-Funktionen ........... 879 Oxidation von Hydroxy-Gruppen............................. 881 Nucleophile Substitutionen...................................... 882 Glykolspaltung und andere Abbaureaktionen......... 883 Deoxy-, Amino-, ungesättigte und verzweigte Zucker ................................................... 884 Deoxyzucker............................................................ 884 Aminozucker............................................................ 884 Verzweigte und ungesättigte Zucker....................... 885 Analytik .................................................................... 886 Oligosaccharide....................................................... 887 Disaccharide............................................................ 887 Trisaccharide, Cyclodextrine................................... 889 Polysaccharide ........................................................ 890 Struktur der Cellulose.............................................. 890 Technische Gewinnung und chemische Modifikation der Cellulose ....................................... 890 Stärke, Amylose und Amylopektin .......................... 891 Glycogen ................................................................. 892 Chitin ....................................................................... 893 Heparin, Hyaluronsäure, Chondroitinsulfate........... 893 Inulin und Pektine.................................................... 894
 
 41.6.6 41.7
 
 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren ............. 895 Bauprinzip der Nucleinsäuren................................. 895 Abbau der Nucleinsäuren........................................ 898 Bedingungen der Hydrolyse von Nucleosiden und Nucleotiden ...................................................... 898 Enzymatische Spaltung von Polynucleotiden......... 899 Eigenschaften von Nucleosiden und Nucleotiden .. 899 Eigenschaften der Phosphat-Gruppe...................... 899 Löslichkeit................................................................ 900 Tautomerie-Gleichgewichte .................................... 900 Dissoziationsverhalten von Nucleotiden ................. 901 Bildung von Basenpaaren und Komplementärprinzip .............................................. 901 Die Doppelhelix der DNA ........................................ 902 Detektion der DNA-Denaturierung durch UV-Spektroskopie ................................................... 904 Seltene Basen und RNA-Konformation .................. 906 Replikation der DNA................................................ 907 DNA, RNA und die Biosynthese der Proteine......... 908 Nucleosid- und Nucleotid-Synthesen...................... 909 Synthese von Nucleosiden ..................................... 909 Phosphorylierungen ................................................ 910 Synthese von Nucleotiden ...................................... 912 Synthese von Oligonucleotiden .............................. 913 Phosphorsäuretriester-Methode zur Synthese von Gen-Fragmenten..................................................... 914 Phosphoramidit-Methode an der Festphase........... 915 Telomere und Carcinogene..................................... 916
 
 42 42.1 42.2
 
 Lipide ...................................................................... 917 Klassifizierung der Lipide ........................................ 917 Vorkommen und Isolierung ..................................... 918
 
 41 41.1 41.2 41.2.1 41.2.2 41.3 41.3.1 41.3.2 41.3.3 41.3.4 41.3.5 41.3.6 41.3.7 41.3.8 41.4 41.5 41.6 41.6.1 41.6.2 41.6.3 41.6.4 41.6.5
 
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 XVIII
 
 Inhaltsverzeichnis
 
 42.2.1 42.2.2 42.3 42.4 42.4.1 42.4.2 42.4.3 42.4.4 42.5 42.6 42.6.1 42.6.2 42.6.3 42.7 42.7.1 42.7.2 42.8 42.8.1 42.8.2
 
 Vorkommen ............................................................. 918 Isolierung und Identifizierung .................................. 918 Wechselwirkungen von Lipiden mit Wasser ........... 919 Fettsäuren ............................................................... 920 Vorkommen und Struktur wichtiger Fettsäuren....... 920 Physikalische Eigenschaften................................... 922 Chemische Eigenschaften....................................... 923 Analytik der Fettsäuren ........................................... 925 Wachse.................................................................... 928 Phosphatide, Glycolipide, Aminolipide .................... 929 Phosphatide............................................................. 929 Sphingolipide und Glycolipide ................................. 929 Lipopolysaccharide und Lipoproteine ..................... 931 Lipid-Membranen..................................................... 932 Lipid-Doppelschichten ............................................. 933 Aufbau biologischer Lipid-Membranen.................... 935 Industrielle Synthese von Detergentien .................. 936 Alkylbenzensulfonate .............................................. 936 Langkettige Alkylsulfate und andere Tenside ......... 938
 
 43 43.1 43.1.1 43.1.2 43.1.3 43.2 43.2.1 43.2.2 43.2.3 43.2.4 43.2.5 43.2.6 43.2.7 43.2.8 43.3 43.3.1 43.3.2 43.3.3 43.3.4
 
 Terpene................................................................... 940 Herkunft, Bauprinzip und Biogenese der Terpene.. 940 Begriff, Bauprinzip, Klassifizierung.......................... 940 Vorkommen, Bedeutung.......................................... 941 Biogenese................................................................ 942 Übersicht der Terpene............................................. 944 Hemi- und Monoterpene.......................................... 944 Sesquiterpene ......................................................... 947 Diterpene ................................................................. 949 Sesterterpene .......................................................... 951 Triterpene ................................................................ 951 Tetraterpene (Carotenoide)..................................... 955 Prenylchinone.......................................................... 955 Polyterpene ............................................................. 957 Exemplarische Terpen-Synthesen .......................... 957 Acylische Mono- und Sesquiterpene....................... 957 Cyclische Monoterpene........................................... 959 Hexahydrocannabinol.............................................. 960 Industrielle Synthese des Diterpens Vitamin A ....... 961
 
 44 44.1 44.2 44.3 44.4 44.4.1 44.4.2 44.4.3 44.5 44.6 44.7 44.8 44.8.1 44.8.2
 
 Steroide .................................................................. 964 Stammgerüste und Nomenklatur der Steroide ....... 964 Sterole ..................................................................... 966 Gallensäuren........................................................... 966 Steroidhormone....................................................... 968 Corticosteroide (Pregnane)..................................... 968 Sexualhormone (Pregnan-, Androstan- und Estran-Derivate) ..................................................... 969 Steroid-Duftstoffe (Androst-16-en-Derivate) .......... 970 Herzglycoside.......................................................... 971 Steroidsaponine ...................................................... 972 Steroidalkaloide....................................................... 972 Exemplarische Steroidsynthese.............................. 974 Retrosynthetische Zerlegung des Estrons.............. 974 Synthese des Estronmethylethers .......................... 974 Bibliographie ......................................................... 976 Sachregister........................................................... 980 Verzeichnis der Reaktionen nach NAMEN und Begriffen.................................... 1025
 
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 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen 1.1 Einführung Die organische Chemie behandelt Struktur, Synthese und Reaktionen organischer Verbindungen. Organische Verbindungen enthalten hauptsächlich Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und Phosphor (C,H,O,N,S,P). Sie entstehen häufig beim Zerfall pflanzlicher und tierischer Organismen und sind somit auch Bestandteile des Erdöls und der Steinkohle. Derzeit sind mehr als dreißig Millionen organische Verbindungen dokumentiert, die man in bestimmte Stoffklassen unterteilt. Eine Stoffklasse wird entweder nach dem Vorliegen bestimmter Atomsorten oder nach funktionellen Gruppen bezeichnet, Atomgruppen also, die charakteristische physikalische Eigenschaften und chemische Reaktionen eines Moleküls hervorrufen können. Verbindungen, die nur Kohlenstoff und Wasserstoff enthalten, werden z. B. Kohlenwasserstoffe genannt, und solche mit Amino-Gruppen (−NH2) nennt man Amine. In Molekülen werden die Atome durch Bindungselektronen miteinander verknüpft. Die Art dieser Verknüpfung ist Gegenstand der Theorie der chemischen Bindung. Diese führt zu Molekülmodellen, welche die physikalischen Eigenschaften und die chemischen Reaktionen der Verbindungen erklären.
 
 1.2 Energie Jede chemische Reaktion erfordert oder erzeugt einen bestimmten Betrag an Energie, meist in Form von Wärme. Dieser Energiebetrag wird als Reaktionswärme bezeichnet, in Joule (J) oder Kilojoule (kJ) gemessen und auf ein Mol einer Verbindung (kJ/mol) bezogen. Es ist daher zweckmäßig, Stabilität und Reaktivität einer Verbindung mit Hilfe ihres Inhalts an potentieller Energie zu beschreiben. Je ärmer an potentieller Energie, desto stabiler ist eine Verbindung. Ein Molekül, das aufgrund seiner Struktur oder Zusammensetzung einen Zustand geringer Stabilität, d. h. hoher potentieller Energie besitzt, wird durch Strukturänderung oder chemische Reaktion einen Zustand größerer Stabilität und damit geringerer potentieller Energie anstreben. Potentielle Energien können nicht als Absolutwerte gemessen werden. Differenzen an potentieller Energie sind jedoch meßbar. Geht z. B. Verbindung 1 mit der höheren potentiellen Energie E1 durch chemische Reaktion in Verbindung 2 mit der geringeren potentiellen Energie E2 über, so ist die Differenz ∆E = E1− E2 unter bestimmten experimentellen Voraussetzungen als Reaktionswärme meßbar.
 
 1.3 Atomorbitale Da die Atome im Molekülverband durch Elektronen verknüpft sind, beginnt die Diskussion der chemischen Bindung mit der Beschreibung der Elektronenzustände im Atom. Elektronenstrahlen wie Kathoden- und α-Strahlen verhalten sich unter bestimmten Versuchsbedingungen wie Wellen.
 
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 2
 
 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
 
 Man kann dies durch Elektronenbeugung und Interferenz nachweisen. Es liegt daher nahe, zu postulieren, daß auch die Elektronen eines Atoms Wellennatur zeigen. Auf diesem Postulat beruht die wellenmechanische Atomtheorie. Ihr fundamentaler mathematischer Ausdruck ist die SCHRÖDINGER-Gleichung. Sie beschreibt die Beziehung der Wellenfunktion ψ eines Elektrons mit seiner Energie. Wendet man diese Gleichung auf die Elektronen eines Atoms an, so ist sie nur für diskrete Energiewerte E1 , E2 , E3 , usw. lösbar. Diese Energieeigenwerte entsprechen den durch die Hauptquantenzahlen n = 1, 2, 3, usw. gekennzeichneten Energiezuständen der Elektronen in einem Atom. Die Anregung eines Elektrons vom energieärmeren Zustand E1 zum energiereicheren Zustand E2 erfordert somit ein durch die Energiedifferenz ∆E = E2 − E1 definiertes Energiequantum, das z. B. durch Strahlungsenergie aufgebracht werden kann. Bei atomaren Vorgängen wie der Elektronenanregung ist die Energie also gequantelt. Löst man die SCHRÖDINGER-Gleichung für ein Elektron und einen bestimmten Energiezustand E1, so erhält man eine Wellenfunktion ψ oder einen aus mehreren Gleichungen für ψ bestehenden Satz von Wellenfunktionen. Die Funktion ψ selbst hat keine anschauliche Bedeutung. Ihr Quadrat ψ2 ist jedoch für einen bestimmten Energiezustand ein Maß für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Elektrons im Atomverband. Für ein Atom und eines seiner Elektronen begrenzt ψ2 einen bestimmten Raum um den Atomkern, in welchem man das Elektron mit größter Wahrscheinlichkeit findet. Diese durch ψ2 beschriebene Ladungsdichteverteilung eines Elektrons um den Atomkern wird als Atomorbital oder Elektronenwolke bezeichnet. Wo die Elektronenwolke am dichtesten ist, hält sich das Elektron am wahrscheinlichsten auf.
 
 1.3.1
 
 s-Orbitale
 
 Umriß und Ausdehnung eines Atomorbitals hängen von der Energie des Elektrons ab und werden durch die ψ2-Funktion beschrieben. Kugelsymmetrische Orbitale mit dem Atomkern als Zentrum werden als s-Orbitale bezeichnet (Abb. 1.1). Man findet das Elektron mit größter Wahrscheinlichkeit in einer Kugel, die den Atomkern eng umhüllt. Die Wahrscheinlichkeit, das Elektron im Kern oder weit entfernt von ihm anzutreffen, ist dagegen sehr gering. Auf dem tiefsten Energiezustand E1 (Hauptquantenzahl n = 1) eines Atoms besetzt ein Elektron das 1s-Orbital. Das 2s-Orbital folgt auf dem zweiten, durch den Energieeigenwert E2 gekennzeichneten Niveau (Abb. 1.2); es umschließt das 1s-Orbital konzentrisch, hat also eine größere räumliche Reichweite.
 
 (a)
 
 (b)
 
 Abb. 1.1. 1s-Orbital, (a) Umriß, (b) Querschnitt
 
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 1.3 Atomorbitale
 
 1.3.2
 
 3
 
 p-Orbitale
 
 Für den Energiezustand E2 (n = 2) gibt es insgesamt vier Atomorbitale. Neben dem kugelsymmetrischen 2s-Orbital erstrecken sich drei Orbitale mit hantelförmigem Umriß entlang den Achsen x,y,z eines rechtwinkligen Koordinatensystems mit dem Atomkern als Ursprung (Abb. 1.2 a-c). Die ψ-Funktionen der p-Orbitale haben demnach je einen positiven und negativen Bereich. Wie der Querschnitt veranschaulicht, findet man das Elektron auf einem px-Orbital mit größter Wahrscheinlichkeit in einem Raum entlang der x-Achse nahe dem Kern. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit am Kern selbst oder weit von ihm entfernt ist sehr klein. Am Kern hat das Orbital einen Knoten.
 
 (a)
 
 (b)
 
 (d)
 
 (c)
 
 (e)
 
 Abb. 1.2. (a-c) Umrisse der p-Orbitale, (a) px-, (b) py-, (c) pz-Orbital; (d) Querschnitt durch das pz-Orbital; (e) relative Ausdehnung von 2s und 2p-Orbitalen
 
 Die 2p-Orbitale reichen um den Faktor 31/2 weiter als die 2s-Orbitale (Abb. 1.2 e). Untereinander sind die drei p-Orbitale energetisch gleichwertig (Abb. 1.3), d. h. "entartet". Elektronen auf 2pOrbitalen sind etwas energiereicher als solche auf 2s-Orbitalen. Jedoch ist der Energieunterschied zwischen 2s- und 2p-Orbitalen sehr klein im Vergleich zur Differenz zwischen den Energiezuständen E1 und E2 (Abb. 1.3).
 
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 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
 
 Neben s- und p-Orbitalen gibt es auf den höheren Niveaus E3, E4, usw. noch fünf d- bzw. sieben fOrbitale. Da die meisten organischen Verbindungen nur Elemente der ersten und zweiten Periode (C,H,N,O) enthalten, werden d- und f-Orbitale hier nicht näher besprochen. 2px
 
 E
 
 2py
 
 2pz
 
 E2
 
 2s
 
 1s
 
 E1
 
 Abb. 1.3. Energiezustände E1 und E2, mit 1s-, 2s- und 2p-Orbitalen
 
 1.3.3
 
 Elektronenspin und PAULI-Prinzip
 
 Elektronen besitzen neben ihrer negativen Ladung und ihrem Bahndrehimpuls einen Eigendrehimpuls (Elektronenspin). Ist die Eigenrotation zweier Elektronen gleichsinnig, so sagt man, die Elektronen haben parallelen Spin und symbolisiert diesen Zustand durch zwei gleichgerichtete Pfeile (↑↑). Ist umgekehrt die Eigenrotation zweier Elektronen gegensinnig, so haben diese Elektronen antiparallelen Spin (↑↓). Höchstens zwei Elektronen mit antiparallelem Spin können dasselbe Orbital besetzen (PAULI-Prinzip). Solche Elektronen nennt man gepaart.
 
 1.3.4
 
 Elektronenkonfiguration leichter Atome
 
 Die Verteilung der Elektronen auf den Orbitalen eines Atoms nennt man Elektronenkonfiguration. Diese bezieht sich auf den stabilsten (energieärmsten) Zustand des Atoms, den Grundzustand. Die häufigsten Elemente in organischen Molekülen, nämlich C,H,O,N gehören zu den ersten beiden Perioden. Elektronen dieser Atome besetzen im Grundzustand nur s- und p-Orbitale. Allgemein gelten für die Reihenfolge der Orbital-Besetzung folgende drei Regeln: ̈ ̈ ̈
 
 Zuerst werden die energieärmsten Orbitale besetzt. Die Reihenfolge ist demnach 1s,2s,2p,3s,3p. Nur bis zu zwei Elektronen können ein Orbital besetzen (PAULI-Prinzip). Im Falle der Doppelbesetzung müssen die Spins antiparallel sein. Ist ein Satz entarteter Orbitale verfügbar (z. B. die drei 2p-Zustände, Abb. 1.3), so werden alle Orbitale einzeln belegt, bevor eines doppelt besetzt wird (HUND-Regel, vgl. die Elektronenkonfiguration der Elemente C,H,O in Tab. 1.1).
 
 Die Elektronenkonfiguration eines Atoms (Tab. 1.1) wird durch Angabe der besetzten Orbitale in der Reihenfolge zunehmender Energie dargestellt. Die Besetzungszahl eines jeden Orbitals, 1 oder 2, wird hochgestellt, dabei die 1 meist weggelassen. Bor besitzt z. B. die Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2p, d. h. 1s- und 2s-Orbital sind je doppelt, ein 2p-Orbital ist einfach besetzt.
 
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 1.4 Molekülorbitale und kovalente Bindung
 
 5
 
 Tab. 1.1. Elektronenkonfiguration leichter Atome im Grundzustand Atom 1s
 
 B e s e t z u n g 2s 2px
 
 Symbol 2py
 
 2pz
 
 H
 
 1s
 
 He
 
 1s2
 
 Li
 
 1s2 2s
 
 Be
 
 1s2 2s2
 
 B
 
 1s2 2s2 2p
 
 C
 
 1s2 2s2 2p2
 
 N
 
 1s2 2s2 2p3
 
 O
 
 1s2 2s2 2p4
 
 F
 
 1s2 2s2 2p5 1s2 2s2 2p6
 
 Ne
 
 (1s2 2s2 2px2 2py2 2pz2 )
 
 1.4 Molekülorbitale und kovalente Bindung 1.4.1
 
 Arten der chemischen Bindung
 
 Ionen- und kovalente Bindung sind die Grundtypen der chemischen Bindung. In anorganischen Salzen liegen keine Moleküle, sondern Ionen vor, welche im Kristallgitter durch elektrostatische Kräfte entgegengesetzt geladener Ionen zusammengehalten werden. Natriumchlorid besteht also nicht aus diskreten NaCl-Molekülen, sondern bildet im festen Zustand ein Kristallgitter aus Na+und Cl−-Ionen. Organische Verbindungen existieren dagegen meist als Moleküle, in denen Elektronenpaare zwischen den Atomkernen die chemische Bindung bewirken wie im Wasserstoff-Molekül, in dem ein Elektronenpaar die Wasserstoff-Atome zusammenhält: Elektronenpaar- oder kovalente Bindung H H zwei H-Atome
 
 1.4.2
 
 H H H:H ein H2-Molekül
 
 Überlappung von Atomorbitalen
 
 Unter Zuhilfenahme der Orbitalmodelle entsteht eine kovalente Bindung durch Überlappung von Atomorbitalen. Kommen z. B. zwei Wasserstoff-Atome zusammen, so überlappen sich ihre einfach besetzten 1s-Atomorbitale zu einem doppelt besetzten σ-Molekülorbital, welches im H2Molekül beide H-Kerne umschließt (Abb. 1.4). Die Überlappung zweier s-Atomorbitale zu einem
 
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 6
 
 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
 
 σ-Molekülorbital führt zu einem Energiegewinn. Das H2-Molekül hat eine kleinere potentielle
 
 Energie als zwei Wasserstoff-Atome, es ist stabiler.
 
 (a)
 
 H
 
 (b)
 
 H 74 pm
 
 Abb. 1.4. Molekülorbital des Wasserstoff-Moleküls H2 , (a) Umriß, (b) Querschnitt
 
 Mathematisch ist die Orbital-Überlappung eine Addition und Subtraktion (Linearkombination) der den überlappenden Atomorbitalen zugehörigen Wellenfunktionen ψ1 und ψ2: ψ = N (ψ1 + ψ2)
 
 ψ* = N (ψ1 − ψ2) .
 
 N ist ein Normierungsfaktor. Als Lösung erhält man zwei Molekülorbitale, das bindende energieärmere σ-Orbital und das antibindende energiereichere σ*-Orbital (Abb 1.5). Epot
 
 Eσ*
 
 H
 
 H
 
 1s
 
 1s Eσ
 
 H
 
 H
 
 σ* : antibindend
 
 H
 
 H
 
 σ : bindend
 
 Abb. 1.5. Überlappung der 1s-Orbitale des Wasserstoff-Atoms
 
 Da ψ2 ein Maß für die Elektronendichte-Verteilung um den Atomkern ist, gilt für das bindende Molekülorbital mit der Wellenfunktion ψ ψ2 = [N (ψ1 + ψ2)] 2 = N2 (ψ12 + ψ22 + 2ψ1ψ2)
 
 und für das antibindende ψ*2 = [N (ψ1 − ψ2)] 2 = N2 (ψ12 + ψ2 2 − 2ψ1ψ2) . Die Elektronendichte im bindenden Molekülorbital ist demnach um 2ψ1ψ2 größer als die Summen der atomaren Dichteverteilungen, ψ12 + ψ22. Dieser Zusatzterm 2ψ1ψ2 ist maximal, wo ψ1 und ψ2 selbst am größten sind, d. h. wo die Atomorbitale überlappen, nämlich zwischen den Kernen im Zentrum der Bindung. Dort ist die Elektronenwolke am dichtesten und überkompensiert die elektrostatische Abstoßung der Kerne. Insgesamt führt die Elektronendichte-Verteilung im σ-Molekülorbital zu dem Energiegewinn, auf der die Stabilität des H2-Moleküls relativ zum H-Atom beruht. Im Grundzustand des H2-Moleküls besetzen die beiden Bindungselektronen das bindende σ-Molekülorbital. Eine Hebung dieser Elektronen auf das antibindende σ*-Molekülorbital ist nur durch
 
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 1.4 Molekülorbitale und kovalente Bindung
 
 7
 
 Zufuhr eines entsprechend großen Energiequantums (Eσ∗ − Eσ), z. B. in Form von RÖNTGENStrahlen möglich. Man spricht dann von einer σσ*-Anregung, die eine Spaltung des H2-Moleküls in Atome (H . ) oder Ionen (H+ , H−) auslösen kann.
 
 1.4.3
 
 σ- und π-Molekülorbitale
 
 Bei den Atomen der ersten beiden Perioden (1H bis 19F) können sich nur 1s-, 2s- und 2pAtomorbitale zu Molekülorbitalen überlappen. Je nach Art der Überlappung und der Ausgangsorbitale unterscheidet man zweierlei Molekülorbitale, nämlich σ- und π-Orbitale. σ-Molekülorbitale entstehen nicht nur durch Überlappung von s-, sondern auch durch Endüberlappung von p-Orbitalen. Überlappen z. B. zwei s-Orbitale, so entsteht eine σ-Bindung, wie sie für das H2-Molekül beschrieben wurde (Abb. 1.4). Beim Fluor stehen 2s- und 2p-Orbitale zur Verfügung. Die s-Orbitale sind aber im Grundzustand doppelt besetzt, und die p-Orbitale haben infolge ihrer größerer Reichweiten (Abb. 1.2 e) bessere Überlappungschancen als die s-Orbitale. Infolgedessen entsteht die σ-Bindung im Fluor durch Endüberlappung der 2p-Orbitale (Abb.1.6 a, ppEndüberlappung), und im Fluorwasserstoff durch Endüberlappung des 2p-Orbitals von F mit dem 1s-Orbital von H (Abb. 1.6 b, ps-Überlappung). π-Molekülorbitale resultieren aus der seitlichen Überlappung koaxialer p-Orbitale (Abb 1.7). Doppel- und Dreifachbindungen werden durch die Bildung von π- zusätzlich zu σ-Orbitalen erklärt; sie enthalten außer einer σ-Bindung noch eine bzw. zwei π-Bindungen. Elektronen, die πOrbitale besetzen, nennt man π-Elektronen.
 
 (a) F
 
 F
 
 F
 
 F (b)
 
 F
 
 H
 
 F
 
 H
 
 Abb. 1.6. Überlappung von Atomorbitalen zu σ-Molekülorbitalen in (a) Fluor F2 (pp-Überlappung) und (b) Fluorwasserstoff HF (ps-Überlappung)
 
 z
 
 y
 
 z
 
 x
 
 y
 
 z
 
 x
 
 y
 
 x
 
 Abb. 1.7. Entstehung eines π-Molekülorbitals durch seitliche Überlappung koaxialer p-Orbitale
 
 Allgemein können nur einfach besetzte Atomorbitale zu Bindungsorbitalen überlappen. Doppelt besetzte Atomorbitale sind nicht bindend (n-Orbitale).
 
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 8
 
 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
 
 1.5 Bindungsdaten Die Theorie der chemischen Bindung, wie sie vorstehend und im folgenden skizziert wird, ist eine Modellvorstellung zur Erklärung experimenteller Tatbestände. Jede kovalente Bindung zwischen Atomen in einem Molekül ist z. B. durch eine Bindungslänge (Atomabstand), eine Bindungsenergie und einen bestimmten Bindungswinkel relativ zu einer anderen Bindung gekennzeichnet. Diese Bindungsdaten sind meßbare Größen, welche der Entwicklung von Bindungsmodellen zugrunde liegen. Die Bindungslänge ist der Abstand zwischen zwei gebundenen Atomkernen. Sie wird durch Elektronen- und Neutronenbeugung sowie andere physikalische Meßmethoden bestimmt und in Nanometer nm (1nm = 10−9 m) oder Picometer pm (1pm = 10−12 m) gemessen. Im H2-Molekül ist der HH-Kernabstand z. B. 0.074 nm oder 74 pm. Da eine Verbindung meist energieärmer, also stabiler ist als ihre atomaren Komponenten, erfordert die Spaltung einer Bindung meist einen bestimmten Betrag an Energie. Dieser Energiebetrag wird als Bindungs- oder Dissoziationsenergie des Moleküls bezeichnet und in kJ/mol gemessen. Bindungsenergien werden mit Hilfe spektroskopischer Verfahren oder aus thermodynamischen Daten (Verbrennungs- oder andere Reaktionswärmen) bestimmt. Sie sind Maßzahlen für die Stärke einer Bindung. So erfordert die Spaltung des H2-Moleküls mehr Energie (436 kJ/mol) als die F2-Dissoziation (155 kJ/mol). Man schließt daraus, daß die HH-Bindung stärker ist. Enthält ein Molekül drei oder mehr Atome, so werden zwei oder mehr Einfach- bzw. Mehrfachbindungen zwischen diesen Atomen notwendig. Zwei Bindungen, die in diesem Fall von einem Atom ausgehen, bilden einen bestimmten Bindungswinkel (0 – 180°). Bindungswinkel können aus Mikrowellenspektren bestimmt werden. Im H2O-Molekül bilden die beiden OH-Bindungen z. B. einen Bindungswinkel von 105°. Daraus folgt u. a., daß die OH-Bindungen nicht durch Überlappung zweier p-Orbitale des Sauerstoff- mit den s-Orbitalen des Wasserstoff-Atoms entstehen, da dies zu einem Bindungswinkel von 90° führen würde (Kap. 1.9).
 
 1.6 Hybridisierung der Atomorbitale des Kohlenstoffs Im Grundzustand ist die Elektronenkonfiguration des C-Atoms 1s2 2s2 2p2 (Tab. 1.1). Demnach könnten nur die beiden einfach besetzten 2p-Orbitale des Kohlenstoffs mit den Atomorbitalen zweier anderer Atome überlappen. Kohlenstoff wäre zweibindig; der einfachste Kohlenwasserstoff hätte die Summenformel CH2. Dabei würden die beiden CH-Bindungen einen Winkel von 90° einschließen, da die Achsen der p-Orbitale senkrecht aufeinander stehen (Abb. 1.2). Kohlenstoff ist jedoch vierbindig, und der einfachste stabile Kohlenwasserstoff, das Methan, hat die Summenformel CH4. Spektroskopische Messungen zeigen, daß die vier CH-Bindungen des Methans äquivalent sind und sich nach den Ecken eines regelmäßigen Tetraeders ausrichten (Abb. 1.8); alle CH-Atomabstände sind gleich (109 pm); alle CH-Bindungen schließen paarweise einen Winkel von 109°28' ein. Die CH-Bindungen des Methans entstehen daher nicht durch Überlappung der Atomorbitale. Vielmehr muß der Kohlenstoff nicht zwei, sondern vier Überlappungs-, d. h. bindungsfähige Orbitale bereitstellen. Man könnte daher zunächst annehmen, daß im Bindungszustand des C-Atoms ein 2s-Elektron in einen 2p-Zustand gehoben ("promoviert") wird (Abb. 1.9 a).
 
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 1.6 Hybridisierung der Atomorbitale des Kohlenstoffs
 
 9
 
 Abb. 1.8. Tetraedrische Geometrie des Methan-Moleküls (Stab-, Kugel-Stab- und Kalottenmodell)
 
 Epot
 
 2s2
 
 2px1 2py1 2pz0
 
 "Promotion"
 
 sp3-Hybridisierung
 
 a
 
 b 2s1 2px1
 
 2py1
 
 2pz1
 
 sp3
 
 sp3
 
 sp3
 
 sp3
 
 3
 
 Abb. 1.9. "Promotion" eines 2s-Elektrons in ein 2p-Orbital (a) und sp -Hybridisierung (b)
 
 Nun könnte das C-Atom zwar vier σ-Bindungen bilden, aber diese Bindungen wären nicht gleichwertig, denn drei davon würden einen Winkel von 90° einschließen, was wiederum den experimentellen Tatsachen (Abb. 1.8) widerspricht: Der HCH-Bindungswinkel ist 109°28'. Um diese Unstimmigkeit zwischen Orbitaltheorie und experimentellen Daten zu beseitigen, wurde die Orbitalhybridisierung (PAULING, SLATER) als weiterführende Modellvorstellung entwickelt. Unter Orbitalhybridisierung versteht man die Linearkombination von Wellenfunktionen verschiedener Form, z. B. von s- und p-Funktionen. Anschaulich ist die Hybridisierung eine Kreuzung der Atomorbitale mit symmetrischer Ladungsverteilung zu Hybridorbitalen. Diese Hybridorbitale haben andere Umrisse als die ursprünglichen Atomorbitale. Bei der Hybridisierung von s- und pOrbitalen können sp-, sp2- und sp3-Hybridorbitale entstehen, je nachdem, ob sich ein p-Orbital, zwei oder alle drei p-Orbitale an der Hybridisierung beteiligen. Zwei sp-Hybridorbitale (Abb. 1.10) entstehen durch Kreuzung eines s- und eines p-Orbitals. Die beiden Hybridorbitale haben aufgrund ihrer Herkunft 50 % s- und 50 % p-Charakter; sie erstrekken sich − wie die ursprünglichen p-Orbitale − entlang einer Achse. Senkrecht auf dieser Achse stehen nach wie vor die beiden nicht an der Hybridisierung beteiligten p-Orbitale.
 
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 10
 
 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
 
 (a)
 
 (b)
 
 (c)
 
 Abb. 1.10. sp-Hybridorbitale, (a) hybridisierende s- und p-Atomorbitale, (b) Umrisse der beiden entstehenden sp-Hybridorbitale entlang der x-Achse, (c) verbleibende unhybridisierte p-Orbitale, py und pz
 
 Die Kombination eines s-Orbitals mit zwei p-Orbitalen führt zu drei sp2-Hybridorbitalen (Abb. 1.11). Ein sp2-Hybridorbital hat aufgrund seiner Herkunft 33.3 % s- und 66.7 % p-Charakter. Die drei sp2-Hybridorbitale liegen auf einer Ebene (Koplanarität); ihre Achsen schließen Winkel von 120° ein und bilden die Höhen eines gleichseitigen Dreiecks (Abb. 1.11). Senkrecht auf dessen Ebene steht das an der Hybridisierung unbeteiligte p-Orbital (Abb 1.11).
 
 (a)
 
 (b)
 
 (c)
 
 2
 
 2
 
 Abb. 1.11. sp -Hybridorbitale, (a) hybridisierende Atomorbitale, s, px, py , (b) Umrisse der entstehenden sp 2 Hybridorbitale auf der xy-Ebene, (c) verbleibendes unhybridisiertes pz-Orbital senkrecht zur Ebene der sp Hybridorbitale
 
 Beteiligen sich alle drei p-Orbitale an der Hybridisierung, so entstehen vier energiegleiche sp3Hybridorbitale (Abb. 1.9 b) mit jeweils 25 % s- und 75 % p-Charakter. Die vier sp3-Hybridorbitale erstrecken sich zu den Ecken eines regelmäßigen Tetraeders, wobei sie paarweise einen Winkel von 109°28' einschließen (Abb. 1.12). Tab. 1.2 vergleicht die Eigenschaften der sp-, sp2- und sp3-Hybridorbitale. Man sieht, daß die Hybridorbitale eine größere räumliche Reichweite haben als die s- und p-Atomorbitale, und daß die Reichweite mit zunehmendem p-Charakter wächst. Insofern bieten spx-Hybridorbitale (x = 1,2,3) bessere Überlappungsmöglichkeiten als s- und p-Atomorbitale.
 
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 1.7 Kovalente Bindung in einfachen organischen Molekülen
 
 11
 
 (a)
 
 (b)
 
 3
 
 3
 
 Abb. 1.12. sp -Hybridorbitale, (a) Darstellung im x,y,z-Koordinatensystem, (b) Umriß eines sp -Hybridorbitals
 
 x
 
 Tab. 1.2. Eigenschaften von sp -Hybridorbitalen hybridisierende Orbitale
 
 Hybridorbitale
 
 Geometrie
 
 Interorbitalwinkel
 
 Charakter %s %p
 
 1s
 
 1p
 
 2 sp
 
 linear
 
 180°
 
 50
 
 2
 
 1.93
 
 1s
 
 2p
 
 3 sp2
 
 eben, trigonal
 
 120°
 
 33.3 66.7
 
 1
 
 1.99
 
 1s
 
 3p
 
 4 sp3
 
 tetraedrisch
 
 109.5°
 
 25
 
 0
 
 2.00
 
 50 75
 
 restliche p-Orbitale
 
 relativer Radius (Bezug: s = 1, p = 1.732)
 
 1.7 Kovalente Bindung in einfachen organischen Molekülen Postuliert man, daß das Kohlenstoff-Atom Hybridorbitale zur Bildung von σ-Bindungen bereitstellt, so wird die experimentell gefundene Geometrie einfacher organischer Moleküle zwanglos erklärt. Dies soll im folgenden an den Kohlenwasserstoffen Methan, Ethan, Ethen und Ethin gezeigt werden.
 
 1.7.1
 
 CH-Bindungen des Methans
 
 Die tetraedrische Geometrie des Methans (CH4, Abb. 1.8) wird erklärt, indem die vier sp3-Hybridorbitale des Kohlenstoff-Atoms mit vier 1s-Orbitalen des Wasserstoff-Atoms überlappen (Abb. 1.13). Diese Überlappung führt zu vier tetraedrisch angeordneten σ-Molekülorbitalen (σ-MOs).
 
 Abb. 1.13. Entstehung der σ-Bindungen (σ-Molekülorbitale) des Methans
 
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 12
 
 1.7.2
 
 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
 
 CC-Einfachbindung
 
 Zu den Besonderheiten des Kohlenstoff-Atoms gehört seine Fähigkeit, auch seinesgleichen zu binden, d. h. CC-Bindungen zu knüpfen. Ethan (H3C−CH3) ist der einfachste Kohlenwasserstoff mit einer CC-Einfachbindung. Auch in diesem Molekül sind alle von den C-Atomen ausgehenden Bindungen tetraedrisch, wie die Molekülmodelle zeigen (Abb. 1.14). Das ergibt sich aus gleichen HCH- und HCC-Bindungswinkeln von 109.5° (Abb. 1.15). Die CH-Bindungen resultieren dann wie beim Methan aus der sp3-s-Überlappung der beteiligten Kohlenstoff- und Wasserstoff-Atome. Die CC-σ-Bindung entsteht dagegen durch Überlappung zweier, den bindenden C-Atomen zugehörigen sp3-Hybridorbitale, d. h. es bildet sich ein sp3-sp3σ-Molekülorbital. Da die sp3-Hybridorbitale des Kohlenstoffs weiter reichen als die 1s-Orbitale des Wasserstoffs, sind CC-σ-Bindungen länger (154 pm) als CH-σ-Bindungen (109 nm, Abb 1.15).
 
 Abb. 1.14. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell des Ethans
 
 H
 
 H 109.5° 109.5° C
 
 154 pm
 
 H
 
 H
 
 C
 
 H
 
 109 pm
 
 H H Bindungslängen, Bindungswinkel
 
 H
 
 H
 
 H
 
 sp3 sp3 C C sp3 σ σ s H H
 
 überlappende Orbitale, σ-Bindungen
 
 Abb. 1.15. Bindungslängen (Atomabstände), Bindungswinkel und σ-Bindungen des Ethans
 
 1.7.3
 
 CC-Doppelbindung
 
 Ethen (Ethylen, H2C=CH2 ) ist der einfachste Kohlenwasserstoff mit einer CC-Doppelbindung, ein ebenes Molekül mit HCH- und HCC-Bindungswinkeln von rund 120°, wie die Molekülmodelle in Abb. 1.16 zeigen.
 
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 1.7 Kovalente Bindung in einfachen organischen Molekülen
 
 13
 
 Abb. 1.16. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell des Ethens
 
 Die Kohlenstoff-Hybridorbitale, welche die Geometrie des Ethens erklären, müssen demnach koplanar sein und einen Interorbitalwinkel von 120° einschließen. Die sp2-Hybridorbitale des Kohlenstoffs erfüllen diese Voraussetzungen. Sie bilden die fünf σ-Bindungen des Ethens (Abb. 1.17): Zwei von den bindenden C-Atomen ausgehende sp2-Hybridorbitale überlappen zur CC-σBindung des Ethens und bilden ein sp2-sp2-σ-Molekülorbital. Die vier an beiden C-Atomen verbleibenden sp2- Hybridorbitale überlappen mit den 1s-Orbitalen von vier Wasserstoff-Atomen zu den vier CH-σ-Bindungen. Liegen alle fünf σ-Bindungen auf einer Ebene (Abb. 1.17 a), so ist zusätzlich eine optimale seitliche Überlappung der nicht hybridisierten 2p-Orbitale beider CAtome möglich (Abb. 1.17 b). Diese Überlappung führt zu einer π-Bindung (Abb. 1.17 c), wobei sich die π-Elektronenwolke über und unter der Molekülebene verteilt. π
 
 H
 
 134 pm
 
 (a) 117.5° C
 
 H
 
 121°
 
 C
 
 H
 
 109 pm H
 
 (b)
 
 H H
 
 C
 
 C
 
 H H
 
 (c)
 
 H H
 
 C
 
 σ
 
 C
 
 H H
 
 π
 
 Abb. 1.17. Ethen-Molekül (a) Geometrie, σ-Bindungsebene (b) überlappende p-Orbitale senkrecht zur Ebene der σ-Bindungen (c) resultierendes π-Molekülorbital
 
 Die CC-Doppelbindung besteht demnach aus einer CC-σ-Bindung (sp2−sp2-Überlappung, sp2−sp2σ-MO) und einer CC-π-Bindung (seitliche p−p-Überlappung, p−p-π-MO). Sie ist kürzer (134 pm) als die CC-Einfachbindung (154 pm). Auch dies leuchtet ein, da sp2-Orbitale nicht ganz so weit wie sp3-Orbitale reichen (Tab. 1.2), und die zur π-Bindung notwendige seitliche Überlappung von p-Orbitalen nur möglich ist, wenn die bindenden C-Atome genügend dicht zusammenrücken.
 
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 14
 
 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
 
 Durch die hohe Elektronendichte zwischen den beiden C-Atomen werden die CH-σ-Molekülorbitale etwas abgestoßen, was den HCH-Bindungswinkel geringfügig komprimiert.
 
 1.7.4
 
 CC-Dreifachbindung
 
 Ethin (Acetylen, H−C≡C−H), der einfachste Kohlenwasserstoff mit einer CC-Dreifachbindung, ist ein stabförmiges (lineares) Molekül mit dem HCC-Bindungswinkel 180° (Abb 1.18).
 
 Abb. 1.18. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell des Ethins
 
 Die lineare Molekülgeometrie wird erklärt, indem die bindenden C-Atome sp-Hybridorbitale bereitstellen, deren Endüberlappung zu einem σ-Molekülorbital (sp-sp-σ-MO) und damit zur CC-sBindung des Ethins führt. An jedem C-Atom bleibt dann noch ein sp-Orbital, welches mit dem Wasserstoff-1s-Orbital zum CH-σ-Orbital (sp-sp-σ-MO) überlappt. Die seitliche Überlappung der beiden an jedem C-Atom noch verfügbaren 2p-Orbitale (Abb. 1.19) erzeugt zwei π-Molekülorbitale (p-p-π-MO), deren π-Elektronenwolken die CC-σ-Bindung oben und unten sowie vorn und hinten umschließen (Abb. 1.19). (a)
 
 (b)
 
 120 pm
 
 H
 
 C
 
 106 pm
 
 C
 
 H
 
 H
 
 C
 
 C
 
 H
 
 H
 
 C
 
 C
 
 H
 
 H
 
 C
 
 C
 
 H
 
 106 pm
 
 erste π-Bindung
 
 zweite π-Bindung
 
 beide π-Bindungen
 
 Abb. 1.19. Ethin-Molekül, (a) lineare Geometrie und Atomabstände, (b) Überlappung der p-Orbitale zu zwei πMolekülorbitalen
 
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 1.8 Reaktive Zwischenstufen
 
 15
 
 Eine CC-Dreifachbindung besteht also aus einer CC-σ-Bindung und zwei CC-π-Bindungen, welche aus der Überlappung von zwei Paaren senkrecht aufeinander stehender 2p-Orbitale resultieren. Da die Ausdehnung von spx-Hybridorbitalen mit wachsendem s-Charakter abnimmt (in der Folge sp3 > sp2 > sp), werden die CC-Atomabstände mit zunehmender Bindungsordnung (Einfach-, Doppel-, Dreifachbindung) kürzer: C−C : 154 pm 3 3 sp -sp
 
 C≡C : 120 pm sp-sp
 
 C=C : 134 pm 2 2 sp -sp
 
 1.8 Reaktive Zwischenstufen Organische Reaktionen werden über reaktive Zwischenstufen wie Radikale, Ionen und Carbene formuliert. Diese Zwischenstufen können meist nicht isoliert, jedoch oft mit physikalischen Methoden nachgewiesen werden.
 
 1.8.1
 
 Methyl-Radikal
 
 Wird eine σ-Bindung so gespalten, daß beiden Bindungspartnern je ein ungepaartes Elektron zukommt (Homolyse), so entstehen zwei Radikale als Molekülfragmente mit ungepaarten Elektronen. Die Homolyse einer CH-Bindung des Methan-Moleküls liefert z. B. ein Methyl-Radikal (.CH3) und ein Wasserstoff-Radikal (.H, H-Atom): Homolyse
 
 H3C H
 
 H3C
 
 +
 
 H
 
 Methyl-Radikal
 
 Der vom ungepaarten Elektron herrührende Paramagnetismus des Methyl-Radikals läßt sich nachweisen, z. B. durch Elektronenspinresonanz. Spektroskopische Messungen zeigen, daß das Methyl-Radikal eben gebaut ist, wobei die HCH-Bindungswinkel 120° betragen (Abb. 1.20 a). Diese Geometrie paßt zu einem sp2-hybridisierten C-Atom.
 
 50%
 
 H H
 
 H
 
 C
 
 120°
 
 H H
 
 C 50%
 
 (a )
 
 H
 
 (b)
 
 Abb. 1.20. Methyl-Radikal, (a) Skelett, (b) Verteilung des ungepaarten Elektrons
 
 Die CH-Bindungen entstehen durch Überlappung der Kohlenstoff-sp2-Hybridorbitale mit je einem 1s-Orbital der drei H-Atome. Das ungepaarte Elektron besetzt dann das nicht hybridisierte 2pOrbital senkrecht zur CH3-Ebene (Abb. 1.20 b). Diese exponierte Elektronenwolke erklärt die Kurzlebigkeit (etwa 10−8 s), mithin die Reaktivität des Methyl-Radikals.
 
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 16
 
 1.8.2
 
 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
 
 Methyl-Ionen
 
 Die Heterolyse des Ethan-Moleküls führt formal zum Methyl-Kation und Methyl-Anion: Heterolyse
 
 H3C CH3 Ethan
 
 +
 
 H3C
 
 Methyl-Kation (ein Carbenium-Ion)
 
 ICH 3 Methyl-Anion (ein Carbanion)
 
 Abb. 1.21 skizziert zusammenfassend die Bildung radikalischer und ionischer Zwischenstufen durch formale homolytische und heterolytische Spaltungen des Methan- und Ethan-Moleküls. Das Methyl-Kation, der einfachste Vertreter der Carbenium-Ionen, ist aufgrund spektroskopischer Messungen eben. Die Molekülorbitale sind also denen des Methyl-Radikals analog (Abb. 1.20 b); jedoch bleiben die p-Orbital-Hälften über und unter der CH3-Ebene unbesetzt. Daher sind Carbenium-Ionen ausgeprägte Elektronen-Akzeptoren (Elektrophile). Nach OLAH unterscheidet man zwei Klassen von Carbokationen: In den ("klassischen") Carbenium-Ionen hat das positiv geladene C-Atom die Koordinationszahl 3 (R3C+); davon unterscheidet man "nichtklassische" Carbokationen mit fünf- oder vierfach koordiniertem positiv geladenem C (R5C+) und bezeichnet diese als Carbonium-Ionen. Methan
 
 CH4 sp3 H −H
 
 H
 
 CH 3
 
 −
 
 Heterolyse − e0
 
 CH 3
 
 sp2
 
 H
 
 sp2
 
 p
 
 H H
 
 C
 
 H
 
 CH 3
 
 Homolyse
 
 +
 
 Heterolyse
 
 −
 
 sp2
 
 H
 
 sp2
 
 p
 
 H H
 
 C
 
 −
 
 :CH 3 Methyl-Anion (Carbanion)
 
 Ionisierung (Reduktion)
 
 Methyl-Radikal
 
 sp2
 
 −H + e0
 
 CH 3
 
 Ionisierung (Oxidation)
 
 Methyl-Kation (Carbenium-Ion)
 
 sp2
 
 −H
 
 CH 3
 
 sp3
 
 sp3
 
 sp3
 
 C
 
 H
 
 sp3
 
 H
 
 H Kation trigonal LEWIS-Säure (Elektrophil)
 
 Radikal trigonal
 
 Heterolyse
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 Anion pyramidal LEWIS-Base (Nucleophil)
 
 Homolyse
 
 H3C
 
 CH3
 
 Heterolyse
 
 H3C
 
 CH3
 
 Ethan
 
 Abb. 1.21. Formale Bildung reaktiver Zwischenstufen aus Methan und Ethan
 
 Im Methyl-Anion, dem einfachsten Vertreter der Carbanionen, nimmt man an, daß das C-Atom zur Bindung mit den drei H-Atomen drei sp3-Hybridorbitale bereitstellt. Ein Elektronenpaar besetzt dann das vierte sp3-Hybridorbital (Abb. 1.22). Dieses nichtbindende Elektronenpaar macht das Carbanion zum Elektronendonor (Nucleophil).
 
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 1.8 Reaktive Zwischenstufen
 
 17
 
 C H
 
 H H
 
 Abb. 1.22. Bindungsmodell des Methyl-Anions {ICH3
 
 1.8.3
 
 Carbene
 
 Erhitzt oder bestrahlt man Diazomethan, so entsteht als reaktive Zwischenstufe Carben, das auch als Methylen bezeichnet wird: _ H2C N NI
 
 H 2C:
 
 Diazomethan
 
 Carben (Methylen)
 
 +
 
 N2
 
 Dabei lassen sich zwei Arten (Abb. 1.23) nachweisen, ein energieärmeres Carben mit HCHWinkel von 136° und ungepaarten Elektronen (Triplett-Carben) sowie ein energiereicheres, reaktiveres Carben mit einem HCH-Bindungswinkel von 130° und gepaarten Elektronen (SingulettCarben). E Singulett-Carben (doppelt angeregter Zustand)
 
 S1
 
 Singulett-Carben (angeregter Zustand)
 
 S0
 
 H
 
 p
 
 C
 
 H
 
 H
 
 130°
 
 σ
 
 p
 
 C
 
 H
 
 σ
 
 ca. 35 kJ / mol
 
 Triplett-Carben (Grundzustand)
 
 T1
 
 H
 
 136°
 
 p
 
 C
 
 H
 
 σ
 
 Abb. 1.23. Elektronenzustände des Carbens
 
 Substituierte Carbene R2C: sind hochreaktive Zwischenstufen vieler organischer Synthesen. Aufgrund ihres Elektronensextetts am C-Atom haben sie, wie die Nitrene RN:, ein Elektronendefizit am Zentralatom. Deshalb sind sie starke Elektrophile.
 
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 18
 
 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
 
 1.9 Bindung in Ammoniak und Wasser Auch für Stickstoff mit der Elektronenkonfiguration 1s22s22p3 und Sauerstoff (1s22s22p4) kann sp3-Hybridisierung der Atomorbitale den Bindungszustand von N und O erklären. So liegen die Bindungswinkel des Ammoniaks (107°) und Wassers (105°) (Abb. 1.24) in der Nähe der tetraedrischen sp3-Interorbitalwinkel (109°28'). NH- und OH-Bindungen in NH3 (pyramidal) und H2O (gewinkelt) resultieren demnach aus sp3-s-Überlappungen. Nichtbindende Elektronenpaare besetzen die restlichen sp3-Hybridorbitale (Abb. 1.24); in Strukturformeln werden sie als Striche oder Doppelpunkte gezeichnet.
 
 O
 
 96 pm
 
 105°
 
 H
 
 101 pm 107°
 
 N
 
 O H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 (a)
 
 H
 
 N H
 
 H
 
 H H
 
 (b)
 
 Abb. 1.24. Molekülgeometrie (Atomabstände, Bindungswinkel) von Wasser (a) und Ammoniak (b)
 
 1.10 Polarität kovalenter Bindungen 1.10.1
 
 Elektronegativität
 
 Sind zwei gleiche Atome durch eine kovalente Bindung verknüpft ( H−H, Cl−Cl, H3C−CH3 ), so konzentriert sich das Bindungselektronenpaar im Zentrum der Bindung beider Atome. Sind die verknüpften Atome verschieden (H−Cl, H3C−Cl), so wird die Elektronenwolke unsymmetrisch, da eines der Atome (Cl) die Bindungselektronen stärker anzieht als das andere. Man nennt das Bestreben eines Atoms, Bindungselektronen anzuziehen, Elektronegativität. Im Periodensystem nimmt die Elektronegativität von "links nach rechts" und von "unten nach oben" zu (Tab. 1.3). Die in der organischen Chemie gebräuchlichen PAULING-Elektronegativitäten (Tab. 1.3) beziehen sich auf das elektronegativste Atom Fluor, dem willkürlich der Wert 4 zugeordnet wird. Tab. 1.3. PAULING-Elektronegativitäten einiger Elemente H
 
 2.2
 
 Li
 
 0.97
 
 Na 1.0
 
 1.10.2
 
 C
 
 2.5
 
 N
 
 3.0
 
 O
 
 3.5
 
 F
 
 4.0
 
 Si
 
 1.8
 
 P
 
 2.5
 
 S
 
 2.5
 
 Cl
 
 3.0
 
 Br I
 
 2.8 2.6
 
 Dipolmomente von Molekülen
 
 Sind zwei Atome unterschiedlicher Elektronegativität gebunden, so wird das elektronegativere die Bindungselektronen an sich ziehen. Das Chlor in Chlorwasserstoff verhält sich z. B. so. Die σ-
 
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 1.10 Polarität kovalenter Bindungen
 
 19
 
 Bindung in H−Cl wird dabei polar. Man formuliert dies durch eine negative Polarisierung (δ− oder δ−) an Chlor und eine entsprechend positive (δ+ oder δ+) an Wasserstoff. δ+ δ− H Cl
 
 Der Schwerpunkt der negativen Ladung liegt also nicht mehr im Zentrum der Bindung wie bei einer HH- oder CC-Verknüpfung, sondern näher beim elektronegativeren Atom. Moleküle, welche diese Eigenschaft mit HCl teilen, sind Dipole. Da sie einen negativeren und einen positiveren "Teil" haben, erfahren sie im elektrischen Feld ein als Dipolmoment bezeichnetes Drehmoment µ: δ+ δ− H Cl
 
 µ = e . d [Cm]
 
 µ
 
 e : Elementarladung (in elektrostatischen Einheiten, 1.6 x 10−19 C ; C: Coulomb) d : Abstand zwischen den Atomen unterschiedlicher Elektronegativität (in m)
 
 Dieses bei kleineren Molekülen mit Hilfe der Mikrowellenspektroskopie meßbare und meist in Debye-Einheiten (1D = 3.33x10−30 Cm) angegebene Dipolmoment µ ist ein vom positiven zum negativen Bindungsende gerichteter Vektor. Dipole von Molekülen richten sich im elektrischen Feld von Kondensatoren aus. Somit können Dipolmomente auch größerer organischer Moleküle über Kapazitätsänderungen eines Kondensators gemessen werden. Enthält ein Molekül drei oder mehr Atome unterschiedlicher Elektronegativität, so ist das resultierende, permanente Dipolmoment die Vektorsumme aller Bindungsmomente, wie Abb. 1.25 am Beispiel des Wassers zeigt. Dagegen ist das resultierende Dipolmoment des Methans aus Symmetriegründen null. µ2 µ µ1 H
 
 δ+
 
 O
 
 µ1 µ2
 
 δ− − H δ+
 
 Abb. 1.25. Dipolmoment-Komponenten und resultierendes Dipolmoment des Wassers (µ = 1.86 Debye)
 
 1.10.3
 
 Polarität von Verbindungen
 
 Mit dem Elektronegativitätsunterschied zwischen zwei gebundenen Atomen wächst die Polarität der Bindung. Im Wasserstoff-Molekül (H2) und den Halogen-Molekülen (X2) verdichten sich die Bindungselektronen im Zentrum der Bindung; solche Verbindungen sind unpolar. Die Halogenwasserstoffe (HX) sind dagegen aufgrund des Elektronegativitätsunterschieds von H und X und des daraus resultierenden Dipolmoments polare Moleküle. Unterscheiden sich die Elektronegativitäten zu stark, so bilden sich keine kovalenten Bindungen mehr, sondern Ionen mit EdelgasElektronenkonfiguration, z. B. im Natriumchlorid (Na+Cl−). Die Elementargasmoleküle Wasserstoff (H2) und Chlor (Cl2), die Halogenwasserstoffe (HX) sowie die Alkalimetallhalogenide (Na+X−) sind also typische Vertreter unpolarer, polarer und ionischer Verbindungen. H H Cl Cl kovalent, unpolar
 
 δ+ δ− H Cl kovalent, polar
 
 +
 
 −
 
 Na Cl ionisch
 
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 20
 
 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
 
 1.11 Interionische und intermolekulare Wechselwirkungen Je nach Temperatur und Druck kann jede Verbindung fest, flüssig oder gasförmig vorkommen. In allen drei Aggregatzuständen hängt die Art der Wechselwirkung zwischen den Molekülen von der Natur der chemischen Bindung ab.
 
 1.11.1
 
 Interionische Wechselwirkung
 
 In ionischen Verbindungen ziehen sich entgegengesetzte geladene Ionen an, und gleich geladene Ionen stoßen sich ab. Diese auf der COULOMB-Kraft K zwischen den Ionenladungen e1 und e2 im Abstand r K =
 
 1 . e1 e2
 
 ε
 
 r2
 
 beruhende elektrostatische Anziehung und Abstoßung nennt man interionische Wechselwirkung. Die Stärke der interionischen Wechselwirkung hängt, wie die Gleichung zeigt, von der Dielektrizitätskonstanten (DK) ε des Mediums ab, in dem sich die Ionen befinden. Eine hohe DK schwächt die interionische Wechselwirkung.
 
 1.11.2
 
 Dipol-Dipol-Wechselwirkung und Wasserstoffbrücken
 
 Bei polaren Molekülen beruht die Wechselwirkung hauptsächlich auf der elektrostatischen Anziehung und Abstoßung entgegengesetzt bzw. gleich geladener Molekülteile. Stäbchenförmige Dipolmoleküle werden sich z. B. bevorzugt so anordnen, daß positive und negative Molekülenden abwechseln (Abb. 1.26). Dies ist ein einfacher Fall der Dipol-Dipol-Wechselwirkung. δ−
 
 δ+
 
 δ+
 
 δ−
 
 δ−
 
 δ+
 
 δ+
 
 δ−
 
 Abb. 1.26. Wechselwirkung stabförmiger Dipol-Moleküle
 
 O
 
 H
 
 O H
 
 H
 
 H _ O _ δ+ H H δ− H O H
 
 Abb. 1.27. Wasserstoffbrücken-Assoziation des Wassers
 
 Viele Dipolmoleküle wie Fluorwasserstoff, Wasser und Ammoniak (HF, H2O, H3N) enthalten ein Wasserstoff-Atom, das an ein elektronegatives Atom (F, O, N) mit nichtbindenden Elektronenpaaren gebunden ist. Das dadurch positiv polarisierte Wasserstoff-Atom kann dann mit den nichtbindenden Elektronenpaaren benachbarter Moleküle wechselwirken, wie Abb. 1.27 am Beispiel des
 
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 1.11 Interionische und intermolekulare Wechselwirkungen
 
 21
 
 Wassers skizziert. Man nennt diese starke Dipol-Dipol-Wechselwirkung WasserstoffbrückenBindung oder Wasserstoffbrücken-Assoziation, da viele Moleküle auf diese Weise zu "Molekülklumpen" assoziieren können. Diese sog. Cluster weisen aufgrund der räumlich gerichteten HBrücken-Bindungen einen hohen Ordnungsgrad in größeren Bezirken auf.
 
 1.11.3
 
 Ionen-Dipol-Wechselwirkung
 
 Löst man eine ionische Verbindung in einem Lösemittel, dessen Moleküle Dipole sind, z. B. in Wasser, so bilden sich durch Wechselwirkung zwischen Ion und Lösemittel-Dipolen hydratisierte Ionen. So umhüllen in wäßriger Lösung von Natrium-Salzen sechs Wasser-Moleküle das NatriumKation oktaedrisch (Koordinationszahl 6) durch Ionen-Dipol-Wechselwirkung (Abb. 1.28). H H
 
 O
 
 H H O δ+ H H δ−
 
 O Na
 
 H H O H H
 
 O
 
 O H H
 
 Abb. 1.28. Solvatation: Hydratation eines Natrium-Ions durch Ionen-Dipol-Wechselwirkung
 
 Diese Hydratation durch Wasser, allgemein die Solvatation durch Lösemittel, beruht auf der Schwächung der interionischen Wechselwirkung durch die hohe Dielektrizitätskonstante polarer Lösemittel. Bei gelösten ionischen Verbindungen ist also neben der interionischen Wechselwirkung auch die Solvatation im Spiel. Die Lösemittelmoleküle werden dabei umso stärker gebunden, je kleiner das Ion und je höher dessen Ladung ist.
 
 1.11.4
 
 VAN-DER-WAALS-Wechselwirkung
 
 Die mit der Molekülgröße zunehmende Anziehung und Abstoßung zwischen unpolaren Molekülen wird als VAN-DER-WAALS-Wechselwirkung bezeichnet. Diese rein zwischenmolekularen Kräfte rühren daher, daß ein unpolares Molekül ein momentaner Dipol ist, da die Elektronen des Moleküls ständig in Bewegung sind, so daß innerhalb eines Augenblicks die Elektronenverteilung unsymmetrisch sein kann. Der resultierende kurzlebige Dipol induziert in einem Nachbarmolekül für einen Augenblick ein Dipolmoment. Beide Dipole können dann wechselwirken wie es Abb. 1.26 skizziert. Die Reichweite der Wechselwirkung liegt bei r = 0.3 - 0.6 nm; ihre Stärke nimmt proportional zu r−6 ab. Die Stärke der Wechselwirkung nimmt mit wachsender Polarität der Verbindungen zu, ist daher für ionische Verbindungen am größten. Unter den zwischenmolekularen Kräften sind Wasserstoffbrücken dabei stärker als Dipol-Dipol-, aber schwächer als Ionen-Dipol-Wechselwirkungen. VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen sind am schwächsten.
 
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 22
 
 1 Chemische Bindung in organischen Molekülen
 
 1.12 Physikalische Eigenschaften, Acidität und Basizität 1.12.1
 
 Kristallgitter
 
 Man unterscheidet amorphe von kristallinen Verbindungen. Amorph nennt man eine Verbindung, wenn ihre Teilchen im festen Zustand ohne erkennbare Regelmäßigkeit angeordnet sind. In einer kristallinen Verbindung ordnen sich die Ionen oder Moleküle dagegen regelmäßig zu einem Ionen- bzw. Molekülgitter an. Während Ionengitter durch starke COULOMB-Kräfte zusammengehalten werden, wirken in Molekülgittern die weitaus schwächeren Dipol-Dipol- und VAN-DERWAALS-Kräfte. Auf diesen Unterschieden beruhen z. B. die sehr viel höheren Schmelzpunkte ionischer im Vergleich zu kovalenten Verbindungen.
 
 1.12.2
 
 Schmelzpunkt, Siedepunkt, Löslichkeit
 
 Die am einfachsten meßbaren physikalischen (thermodynamischen) Eigenschaften einer Verbindung sind Schmelzpunkt, Siedepunkt und Löslichkeit. Der Schmelzpunkt ist die für jede Verbindung charakteristische Temperatur, bei welcher sich feste und flüssige Phase im Gleichgewicht befinden. Bei dieser Temperatur kompensiert die thermische Energie der Teilchen die vom Bindungstyp abhängigen Gitterkräfte. Je größer diese Kräfte sind, desto mehr Energie wird zu ihrer Überwindung notwendig sein. Insofern reflektiert die Höhe des Schmelzpunkts die Stärke der Gitterkräfte. Ionische Verbindungen werden daher sehr hohe Schmelzpunkte aufweisen (Kochsalz, Na+Cl− : 801 °C), polare kovalente erheblich tiefere (Wasser, H2O : 0 °C), und wenn im festen Zustand einer unpolaren Verbindung nur noch VAN-DERWAALS-Kräfte das Gitter zusammenhalten, so wird man einen sehr tiefen Schmelzpunkt messen (Methan, CH4 : −183 °C). Auch der Siedepunkt charakterisiert jede Verbindung. Er ist die Temperatur, bei welcher flüssige und gasförmige Phase im Gleichgewicht sind. Dabei werden die im flüssigen Zustand noch wirkenden Kohäsivkräfte (Wasserstoffbrücken, Dipol-Dipol- und VAN-DER-WAALS-, bei ionischen Verbindungen COULOMB-Kräfte) von der thermischen Energie kompensiert. Deshalb hängt auch der Siedepunkt von der Stärke der Wechselwirkung ab. Ionische Verbindungen haben wieder die mit Abstand höchsten Siedepunkte (Kochsalz: 1465 °C). Polare kovalente Verbindungen zeigen deutlich tiefere Siedpunkte, wobei Wasserstoffbrücken-Bildner wiederum höher sieden (Wasser: 100 °C) als Verbindungen, deren Moleküle nur Dipol-Dipol-Wechselwirkungen eingehen können (Diethylether: 36.5 °C). Am tiefsten sieden unpolare Verbindungen (Methan: −161.5 °C). Da die Siedepunkte exponentiell mit sinkendem Druck fallen, sollten sie nur unter Nennung des herrschenden Drucks angegeben werden. Die erwähnten Siedepunkte wurden z. B. bei Normaldruck (760 Torr = 1.013 bar) gemessen. Während Schmelz- und Siedepunkte Gitter- und Kohäsivkräfte reflektieren, hat die Angabe der Löslichkeit einer Verbindung in einem bestimmten Lösemittel auch praktische Bedeutung, spielen sich doch die meisten Reaktionen der organischen Chemie in Lösung ab. Man muß also vor Ansetzen einer Reaktion wissen, in welchem Lösemittel sich eine Ausgangsverbindung löst und wie gut. Die Löslichkeit einer Verbindung in einem Lösemittel (Wasser, Ethanol) wird in g/100 mL angegeben. Da die Löslichkeit meist stark temperatur-, aber auch leicht druckabhängig ist, muß man die Löslichkeitsangabe auf eine bestimmte Temperatur und einen bestimmten Druck beziehen (meist 20 °C und Normaldruck, 1.013 Bar). Eine Verbindung löst sich in einer anderen umso besser, je ähnlicher die Wechselwirkung in beiden Verbindungen ist. So wird sich ein unpolarer
 
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 1.12 Physikalische Eigenschaften, Acidität und Basizität
 
 23
 
 Kohlenwasserstoff gut in Tetrachlormethan oder Benzin lösen, aber nicht in Wasser. Dagegen ist Wasser ein gutes Lösemittel für organische Verbindungen, die selbst auch Wasserstoffbrücken bilden können wie z. B. Alkohole. Und für ionische Verbindungen ist Wasser das beste Lösemittel, da es interionische Wechselwirkungen schwächt und die Ionen hydratisiert (Kap. 1.11.3).
 
 1.12.3
 
 Säuren und Basen, Elektrophile und Nucleophile
 
 Sowohl in der anorganischen als auch in der organischen Chemie gibt es chemische Vorgänge, die man als Säure-Base-Reaktionen einstufen kann. Bekanntlich erzeugen Säuren H3O+-Ionen und Basen OH−-Ionen, wenn man sie in Wasser löst: Säure : Base :
 
 +
 
 H2O
 
 H 3O
 
 +
 
 Cl
 
 NH3 +
 
 H 2O
 
 H 4N
 
 +
 
 OH
 
 HCl
 
 Säure-Base-Reaktionen verlaufen aber auch in nicht wäßrigen Medien. LOVRY und BRÖNSTEDT definierten daher eine Säure als Protonendonor und eine Base als Protonenakzeptor. Chlorwasserstoff ist als Protonendonor an sich schon eine Säure, und Ammoniak ist als Protonenakzeptor an sich schon eine Base. Beide reagieren bekanntlich auch ohne Wasser zu Ammoniumchlorid: HCl
 
 +
 
 Protonen-Donor Säure
 
 NH3 Protonenakzeptor Base
 
 H 4N
 
 +
 
 Cl
 
 Ammoniumchlorid Salz
 
 Die umfassendste Definition stammt von LEWIS. Demnach ist jede Verbindung, die ein vakantes Orbital hat und daher ein Elektronenpaar akzeptieren kann, eine Säure (LEWIS-Säure). Jede Verbindung, die indessen über doppelt besetzte Orbitale verfügt und insofern ein Elektronenpaardonor ist, wird als Base (LEWIS-Base) definiert. Protonen und Carbenium-Ionen sind also LEWISSäuren; Wasser, Ammoniak und Carbanionen sind dagegen LEWIS-Basen und reagieren dementsprechend mit LEWIS-Säuren. H
 
 +
 
 _ 2 IOH
 
 _ H 3O
 
 H
 
 +
 
 INH 3
 
 H 4N
 
 +
 
 ICH 3 LEWIS-Base Nucleophil
 
 H3C LEWIS-Säure Elektrophil
 
 H3C CH3
 
 Einige Moleküle können sich je nach Reaktionspartner als LEWIS-Säure und als LEWIS-Base verhalten. Wasser ist ein Beispiel: + H2S
 
 H2O
 
 + NH3
 
 H 3O
 
 +
 
 SH
 
 (H2O als LEWIS-Base)
 
 H 4N
 
 +
 
 OH
 
 (H2O als LEWIS-Säure)
 
 Aufgrund ihrer vakanten Orbitale greifen LEWIS-Säuren an den Elektronenpaaren von LEWISBasen an. Man bezeichnet LEWIS-Säuren daher auch als elektrophil (Elektrophile), während LEWIS-Basen Reaktionspartner mit vakanten Orbitalen suchen und daher nucleophil (Nucleophile) sind. Demnach sind Carbenium-Ionen und Protonen elektrophile, Carbanionen, Wasser und Ammoniak dagegen nucleophile Reagenzien bzw. Zwischenstufen.
 
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 2 Alkane
 
 2 Alkane 2.1 Homologe Reihe, Konstitution, Nomenklatur 2.1.1
 
 Homologe Reihe und Molekülmodelle der Alkane
 
 Kohlenwasserstoffe enthalten nur die Elemente Kohlenstoff und Wasserstoff. Alkane sind gesättigte Kohlenwasserstoffe, in denen nur Einfachbindungen von den C-Atomen ausgehen. Aus Methan als einfachstem Vertreter leitet sich formal durch Einschub weiterer CH2-Gruppen die homologe Reihe der Alkane mit der gemeinsamen Summenformel CnH2n+2 ab (Tab. 2.1). Tab. 2.1. Homologe Reihe der Alkane CnH2n+2 , Bezeichnungen, Schmelz- und Siedepunkte (bei Normaldruck) n
 
 CnH2n+2
 
 Kurzschreibweise
 
 Bezeichnung
 
 Schmp. °C
 
 Sdp.°C
 
 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 20 30 40 50 60
 
 CH4 C2H6 C3H8 C4H10 C5H12 C6H14 C7H16 C8H18 C9H20 C10H22 C11H24 C12H26 C13H28 C14H30 C15H32 C20H42 C30H62 C40H82 C50H102 C60H122
 
 H3C−H H3C−CH3 H3C−CH2−CH3 H3C−(CH2)2−CH3 H3C−(CH2)3−CH3 H3C−(CH2)4−CH3 H3C−(CH2)5−CH3 H3C−(CH2)6−CH3 H3C−(CH2)7−CH3 H3C−(CH2)8−CH3 H3C−(CH2)9−CH3 H3C−(CH2)10−CH3 H3C−(CH2)11−CH3 H3C−(CH2)12−CH3 H3C−(CH2)13−CH3 H3C−(CH2)18−CH3 H3C−(CH2)28−CH3 H3C−(CH2)38−CH3 H3C−(CH2)48−CH3 H3C−(CH2)58−CH3
 
 Methan Ethan Propan Butan Pentan Hexan Heptan Octan Nonan Decan Undecan Dodecan Tridecan Tetradecan Pentadecan Eicosan Triacontan Tetracontan Pentacontan Hexacontan
 
 −183 −183 −190 −138 −130 −95 −90 −59 −54 −30 −26 −10 −6 6 10 36 66 81
 
 −164 −89 −42 0 36 69 98 126 151 174 196 216 230 251 268
 
 Elementarer Baustein der Alkane ist der durch sp3-Hybridisierung des Kohlenstoff-Atoms erklärbare Bindungs-Tetraeder (Kap. 1.7). Methan als einfachstes Alkan ist z. B. ein regelmäßiger Tetraeder mit dem C-Atom im Zentrum und den vier H-Atomen an den Ecken (Abb. 1.8). Zur Formulierung eignen sich verschiedene Darstellungen (Tab. 2.2), je nachdem, ob man auf Kürze, Übersichtlichkeit, Molekülorbitale und Elektronenkonfiguration oder auf den räumlichen Bau Wert legt.
 
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 2.1 Homologe Reihe, Konstitution, Nomenklatur
 
 25
 
 Tab. 2.2. Formelschreibweisen einfacher Alkane Summenformel
 
 komprimierte Strukturformel
 
 Valenzstrichformel
 
 H Methan
 
 CH 4
 
 H3C H
 
 Elektronenpaarformel
 
 H
 
 H .. H : .. C:H H
 
 H C H H
 
 KeilstrichProjektion *
 
 H H
 
 C
 
 H
 
 H H H Ethan
 
 C2H 6
 
 H3C CH3
 
 H H .. .. H : .. C:C .. : H H H
 
 H C C H H H
 
 C 3H8
 
 H3C CH2 CH3
 
 C
 
 C
 
 H H
 
 H
 
 H H H Propan
 
 H H
 
 H C C C H H H H
 
 H H .. H .. .. H : .. C:C C:H .. : .. H H H
 
 CH 3 H H
 
 C
 
 C
 
 H H
 
 H *
 
 : in ,
 
 : vor ,
 
 : hinter der Zeichenebene
 
 Abb. 2.1. Stab-Modell (links), Kalotten-Modell (Mitte) und Kugel-Stab-Modell (rechts) des Propans, jeweils im gleichen Maßstab
 
 Zur Formulierung von Reaktionsgleichungen genügt meist die komprimierte Schreibweise (Tab. 2.2). Die Keilstrich-Projektion stellt die zur Formulierung einer Reaktion oft wesentliche tetraedrische Bindungsgeometrie des C-Atoms am besten dar. STUART-BRIEGLEB-Kalottenmodelle (Abb. 2.1 Mitte) machen den Umriß des Moleküls, seine räumliche Ausdehnung besonders anschaulich. Zum Studium von Atomabständen und Bindungswinkeln eignen sich zusammenensteckbare DREIDING-Tetraeder-, Stab- oder Kugel-Stab-Modelle (Abb. 2.1). Diese Modelle lassen sich mit PC-Programmen durch "molecular modelling" konstruieren (Abb. 1.8, 1.14, 2.1 und 2.2).
 
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 26
 
 2.1.2
 
 2 Alkane
 
 Konstitutionsisomerie
 
 Kohlenstoff-Ketten bauen das Gerüst der Alkane auf; diese Ketten können verzweigt oder unverzweigt sein. Bereits am Alkan der Summenformel C4H10 läßt sich dies zeigen: Butan besitzt eine unverzweigte Kohlenstoff-Kette und gehört zur homologen Reihe der n-Alkane (Tab. 2.1, Abb. 2.2). Isobutan (oder Methylpropan) mit derselben Summenformel hat eine verzweigte Kohlenstoff-Kette und gehört zu den verzweigten Alkanen (Abb. 2.2). n-Butan und Methylpropan (Isobutan) sind Konstitutionsisomere (Isomere von griech. ισοζ = ähnlich, gleich und µεροζ = Teil); Konstitutionsisomere besitzen dieselbe Summenformel und somit dieselbe Molekülmasse; sie unterscheiden sich jedoch durch ihre Atomverknüpfung (verzweigt oder unverzweigt), die Konstitution. n-Butan ist ein langgestrecktes, Methylpropan ein kompaktes Molekül (Abb. 2.2). CH3
 
 H H H H n-Butan
 
 H C C C C H
 
 H 3C CH2 CH 2 CH3
 
 H H H H
 
 C4H10
 
 H H
 
 C
 
 C
 
 CH3
 
 H Methylpropan (Isobutan)
 
 H C H H H
 
 CH3
 
 H C C C H
 
 H3C CH CH 3
 
 H H H
 
 H H
 
 CH 3 H3C H
 
 C
 
 CH3
 
 Abb. 2.2. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell (von links nach rechts) des Butans (oben) und seines verzweigten Konstitutionsisomers Methylpropan (unten)
 
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 2.1 Homologe Reihe, Konstitution, Nomenklatur
 
 27
 
 Für die Summenformel C5H12 lassen sich bereits drei Konstitutionsisomere formulieren, n-Pentan, Methylbutan (Isopentan) und Dimethylpropan (Neopentan). CH 3
 
 C5H12
 
 CH 3
 
 H3C CH 2 CH2 CH2 CH 3
 
 H 3C CH CH2 CH 3
 
 n-Pentan
 
 Methylbutan (Isopentan)
 
 H 3C C CH 3 CH3 Dimethylpropan (Neopentan)
 
 Die Anzahl möglicher Konstitutionsisomerer steigt also mit der Zahl der C-Atome. Für C10H22 gibt es 75, für C30H62 schon über vier Millionen Konstitutionsisomere. Konstitutionsisomere zeigen verschiedene physikalische Eigenschaften (Brechungsindizes, Schmelzpunkte, Siedepunkte); man kann sie aufgrund ihrer individuellen Siedepunkte durch Destillation trennen.
 
 2.1.3
 
 Nomenklatur
 
 Die Nomenklatur organischer Verbindungen erfolgt nach den durch IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) festgesetzten Regeln. Tab. 2.1 enthält z. B. die IUPAC-Bezeichnungen der Alkane; ab Pentan gibt der erste Teil des Namens mit lateinischen oder griechischen Silben die Zahl der C-Atome, und die Endung "an" kennzeichnet die Zugehörigkeit zur Familie der Alkane. Zur Benennung isomerer Alkane sind oft die Präfixe n-, iso- und neo- im Gebrauch: n-Alkane besitzen eine unverzweigte (zick-zack-förmige) Anordnung ihrer C-Atome, z. B.: H 3C (CH 2)9 CH 3 n-Undecan
 
 H3C (CH2)4 CH3 n-Hexan
 
 iso-Alkane enthalten eine Methyl-Verzweigung am Kettenende: CH 3
 
 CH3 H3C CH CH3
 
 H 3C CH CH2 CH 2 CH3
 
 Isobutan
 
 Isohexan
 
 neo-Alkane enthalten eine doppelte Methyl-Verzweigung am Kettenende: CH 3
 
 CH 3
 
 H 3C C CH3 CH3 Neopentan
 
 H 3C C CH2 CH2 CH 3 CH3 Neoheptan
 
 Je nach Verzweigungsgrad unterscheidet man primäre (1°), sekundäre (2°) und tertiäre AlkylGruppen (3°) bzw. Kohlenstoff-Atome: CH3 H 3C CH 2
 
 R CH2
 
 H3C CH CH3
 
 primäre (1°)
 
 R CH R
 
 sekundäre (2°) Alkyl-Gruppen
 
 H3C C
 
 R R C
 
 CH 3
 
 R
 
 tertiäre (3°)
 
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 28
 
 2 Alkane
 
 Formale Entfernung eines H-Atoms aus einem Alkan R−H führt zu einer Alkyl-Gruppe R−. Die Bezeichnung ergibt sich aus der des Alkans, in dem die Endung "an" durch "yl" ersetzt wird (Methyl aus Methan, Propyl aus Propan, Neopentyl aus Neopentan, Tab. 2.3). Tab. 2.3. Bezeichnung häufig auftretender Alkyl-Gruppen H3C Methyl-
 
 H 3C CH 2 Ethyl-
 
 H3C CH2 CH 2 Propyl-
 
 H 3C CH 2 CH2 CH2 Butyl-
 
 CH 3
 
 H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 Pentyl-
 
 CH3
 
 H 3C CH Isopropyl-
 
 CH 3
 
 H3C CH CH 2 Isobutyl
 
 H 3C CH CH2 CH 2 Isopentyl
 
 H 3C CH 2 CH CH3
 
 H3C C CH2 CH3 Neopentyl-
 
 CH3
 
 sec-Butyl
 
 CH 3
 
 CH3
 
 H 3C CH 2 C CH 3 t-Pentyl-
 
 H 3C C CH3 t-Butyl-
 
 Zur Benennung substituierter Alkane nach IUPAC empfiehlt sich folgende Vorgehensweise: Man suche die längste Kohlenstoff-Kette mit der höchsten Zahl von Substituenten. CH2 CH3 H3C CH2 CH2 CH2 CH
 
 Die längste C-Kette hat acht C-Atome: Octan ist das Grundskelett
 
 H3C C Br CH2 CH3
 
 Man beziffere die C-Atome so, daß die Substituenten kleinstmögliche Positionsziffern erhalten. 8
 
 7
 
 6
 
 5
 
 CH2 CH3
 
 4
 
 Das Kohlenstoff-Atom mit höchster Substituentenzahl ist C-3 (nicht C-6).
 
 H3C CH2 CH2 CH2 CH H3C 3C Br
 
 CH2 CH3 2
 
 1
 
 Man benenne die Substituenten und gebe ihre Position in der Kette durch die entsprechende Ziffer an. 8
 
 7
 
 6
 
 5
 
 CH2 CH3
 
 4
 
 H3C CH2 CH2 CH2 CH
 
 3-Methyl-
 
 H3C 3C Br
 
 3-Brom-
 
 4-Ethyl-
 
 CH2 CH3 2
 
 1
 
 Man bezeichne die Verbindung so, daß die Substituenten in alphabetischer Folge erscheinen. 3-Brom-4-ethyl-3-methyloctan
 
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 2.2 Physikalische Eigenschaften
 
 29
 
 Zwei, drei, vier, fünf, sechs, ... identische Substituenten an der Kette werden durch die Präfixe di-, tri-, tetra-, penta-, hexa-,... gekennzeichnet. H3C Br H3C CH C CH CH(CH3) 2 Br
 
 2,4-Dibrom-3,3,5-trimethylhexan
 
 CH3
 
 2.2 Physikalische Eigenschaften Alkane sind unpolare Moleküle. Ihr Zusammenhalt in der flüssigen oder festen Phase wird daher nur durch die schwachen VAN-DER-WAALS-Kräfte bewirkt. Da diese mit zunehmender Oberfläche der Moleküle ansteigen, findet man einen stetigen Anstieg der Siedepunkte um 20 - 30 °C bei Verlängerung um eine CH2-Gruppe (Tab. 2.1, Abb. 2.3). Aus demselben Grund zeigt sich ab Butan auch eine stetige Zunahme der Dichte (Abb. 2.3). Dagegen steigen die Schmelzpunkte stufenweise an (Abb. 2.3), wobei n-Alkane mit gerader Anzahl von C-Atomen jeweils höher als erwartet schmelzen. Offensichtlich bilden die "geradzahligen" n-Alkane ein dichter gepacktes Gitter mit stärkeren Gitterkräften.
 
 [°C] 300
 
 0.8 [g/ml]
 
 250
 
 Dichte 0.7
 
 200 150
 
 0.6
 
 100 0.5 Siedepunkt
 
 50
 
 0.4
 
 0 − 50 − 100
 
 Schmelzpunkt
 
 − 150 − 200
 
 1
 
 2
 
 3
 
 4
 
 5
 
 6
 
 7
 
 8
 
 9 10 11 12 13 14 15 Anzahl der C-Atome
 
 Abb. 2.3. Beziehung zwischen Kettenlänge, Siedepunkt, Schmelzpunkt und Dichte der n-Alkane
 
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 30
 
 2 Alkane
 
 Verzweigte Alkane bieten aufgrund ihrer im Vergleich zu n-Alkanen kompakteren Konstitution eine kleinere Oberfläche und somit schwächere VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen. Daher sieden verzweigte Alkane tiefer als ihre unverzweigten Isomere. Die Schmelzpunkte verhalten sich uneinheitlich. Grundsätzlich zeigen kugelförmige organische Moleküle wie Methan, Neopentan und Tetramethylbutan neben ihrer im Verhältnis zur Molmasse großen Flüchtigkeit auch sehr dicht beim Siedepunkt liegende Schmelzpunkte. Im Labor lassen sich langkettige n-Alkane (>C7) von ihren verzweigten Isomeren durch Behandeln mit Harnstoff abtrennen. Harnstoff bildet nur mit n-Alkanen kristalline Einschlußverbindungen. Dabei kristallisieren die Harnstoff-Moleküle spiralförmig um das n-Alkan, so daß die Kohlenwasserstoff-Moleküle im Kristallgitter in Röhren liegen. Aufgrund ihrer geringen Polarität lösen sich die Alkane gut in allen nicht oder schwach polaren Lösemitteln (Ether, chlorierte Kohlenwasserstoffe wie Chloroform, Benzen). In stark polaren Lösemitteln wie Wasser oder Dimethylsulfoxid sind Alkane kaum löslich, weil sich keine Solvathülle bilden kann. Da Pentan und Hexan nicht mit Wasser mischbar sind und eine wesentlich geringere Dichte besitzen, werden diese Alkane oft zur Extraktion wenig polarer Verbindungen aus wäßrigen Lösungen benutzt.
 
 2.3 Molekülbau Im Molekülorbital-Modell entstehen die CH-Bindungen der Alkane durch Überlappung der sp3Hybrid-Orbitale des C-Atoms mit den s-Orbitalen des H-Atoms (s-sp3-σ-Orbital, Kap. 1.7.1); die CC-Einfachbindungen bilden sich durch Endüberlappung zweier von beiden Bindungspartnern ausgehenden sp3-Hybrid-Orbitale (sp3-sp3-σ-Molekül-Orbital). Der sp3-Interorbitalwinkel von 109°28' erklärt die tetraedrische Bindungsgeometrie des C-Atoms in den Alkanen. Da Alkane nur CC- und CH-Bindungen enthalten, sind die Bindungswinkel und Atomabstände aller Alkane nahezu identisch. Der CH-Atomabstand ist im Methan 109 pm, in allen anderen Alkanen meist 110 pm. Die CC-Bindungslänge aller Alkane beträgt 154 pm und gleicht damit dem Abstand der C-Atome im Kristallgitter des Diamants. Die HCH-, CCH- und CCC-Bindungswinkel zeigen nur geringe Abweichungen vom Tetraederwinkel 109°28', wenn VAN-DER-WAALSAbstoßungen zwischen benachbarten Atomen wirken. So ist im Propan der CCC-Bindungswinkel auf 112° gespreizt und der HCH-Bindungswinkel am mittleren C-Atom auf 106° komprimiert.
 
 2.4 Konformation Die "freie Drehbarkeit" von CC-Einfachbindungen läßt zunächst beliebig viele räumliche Anordnungen der Atome oder Alkyl-Gruppen eines Alkans zu. Physikalische Messungen zeigen jedoch, daß es energieärmere und energiereichere Atomanordnungen gibt. Der Begriff Konformation faßt alle durch Drehung (Rotation, Torsion) um Einfachbindungen realisierbaren Atomanordnungen einer Verbindung zusammen. Eine diskrete Atomanordnung wird als Konformer oder Rotamer bezeichnet. Zum Zeichnen von Konformeren eignen sich die Keilstrich-, die Sägebock- (seitlicher Anblick) und am besten die NEWMAN-Projektion (frontaler Anblick).
 
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 2.4 Konformation
 
 31
 
 CH 3 H H
 
 H CH 3
 
 H H
 
 C C
 
 CH3
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H Keilstrich-
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 Sägebock-
 
 NEWMANProjektion
 
 Ethan kann zwei Konformere bilden, in denen die CH-Bindungen der beiden Methyl-Gruppen verdeckt (ekliptisch) bzw. gestaffelt (auf Lücke stehend) vorliegen. Die NEWMAN-Projektionen zeigen deutlich, daß der Interplanarwinkel, den die CH-Bindungen an benachbarten C-Atomen einschließen, bei gestaffelter Anordnung 60°, bei ekliptischer dagegen 0° beträgt. HH
 
 H
 
 H
 
 H
 
 HH
 
 ekliptisch, vedeckt (eclipsed) mit viel Torsionsspannung labil
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H gestaffelt, auf Lücke (staggered) ohne Torsionsspannung stabil
 
 Das ekliptische Konformer „leidet“ wegen der VAN-DER-WAALS-Wechselwirkung der H-Atome unter einer hohen Torsionsspannung, ist energiereicher und damit labiler als das gestaffelte Konformer ohne diese Torsionsspannung. So gesehen sind Konformere die Rotations-Energiezustände der Alkane. Rotieren die Methyl-Gruppen um die mittlere CC-Bindung aus der energieärmeren spannungsfreien, gestaffelten über eine teilweise verdeckte in die energiereichere ekliptische Anordnung, so muß ein bestimmter Energiebetrag − die Rotationsbarriere − aufgewendet werden, z. B. durch Übertragung kinetischer Energie beim Zusammenstoß mit anderen Molekülen. Die innere Beweglichkeit eines Moleküls infolge der Rotation um Einfachbindungen hängt von der Temperatur, also von der äußeren Moleküldynamik ab. Bei sehr tiefer Temperatur werden die meisten Ethan-Moleküle im Zeitmittel gestaffelt vorliegen. Steigt die Temperatur, so wird die Zahl der Zusammenstöße mit Molekülen genügend hoher kinetischer Energie zunehmen, und die Methyl-Gruppen des Ethans werden durch gestaffelte, windschiefe und ekliptische Konformere rotieren. Wegen der relativ kleinen Rotationsbarrieren (12 kJ/mol) herrscht um die CC-Bindung des Ethans bei Raumtemperatur praktisch freie Drehbarkeit. Stehen größere Gruppen anstelle der H-Atome des Ethans, so erhöht sich die Rotationsbarriere. So bevorzugen 60 % der Butan-Moleküle bei Raumtemperatur das gestaffelte Konformer, in dem die beiden Methyl-Gruppen anti zueinander stehen (Abb. 2.4). Die restlichen Moleküle konzentrieren sich auf teilweise verdeckte und gestaffelte Konformationen, die vor allem aufgrund von VANDER-WAALS-Abstoßungen (sterische Wechselwirkung) eine höhere potentielle Energie besitzen. Abb. 2.4 illustriert dies und erläutert die Bezeichnung der Butan-Konformeren nach der KLYNEPRELOG-Konvention. Die Population der Konformeren hängt im übrigen von der Temperatur ab und folgt einer MAXWELL-BOLTZMANN-Verteilung.
 
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 32
 
 2 Alkane
 
 Die Rotationsbarrieren der n-Alkane (Abb. 2.4) liegen weit unter den für eine Konformerentrennung erforderlichen 85-125 kJ/mol. Im Gegensatz zu Konstitutionsisomeren (z. B. n-Butan und Methylpropan) sind die Konformeren der Alkane (anti- und syn-Butan) nicht isolierbar, sondern nur bei tieferen Temperaturen spektroskopisch nachweisbar. R
 
 RR H
 
 RH
 
 R
 
 R
 
 H
 
 Konformer H
 
 HH
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 RH
 
 H
 
 Epot [kJ/mol]
 
 ϕ = 0°
 
 60°
 
 H
 
 H
 
 H
 
 Interplanarwinkel
 
 RH
 
 R
 
 H
 
 R R
 
 HH
 
 H
 
 R
 
 120°
 
 RR H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 HH
 
 H
 
 H
 
 180°
 
 240°
 
 300°
 
 360°
 
 14.3
 
 27.7
 
 3.8 deutsche Bezeichnung
 
 ekliptisch
 
 gestaffelt
 
 teilweise ekliptisch
 
 gestaffelt (anti)
 
 teilweise ekliptisch
 
 gestaffelt
 
 ekliptisch
 
 englische Bezeichnung
 
 fully eclipsed
 
 gauche (skew)
 
 partially eclipsed
 
 fully staggered
 
 partially eclipsed
 
 partially eclipsed
 
 fully eclipsed
 
 + − synperiplanar + − sp
 
 + synclinal + sc
 
 + − antiperiplanar + − ap
 
 − anticlinal − ac
 
 − synclinal − sc
 
 KLYNEPRELOGAbkürzung
 
 + anticlinal + ac
 
 + − synperiplanar + − sp
 
 Abb. 2.4. Potentielle Energie und Bezeichnung der Konformeren des n-Butans (R = CH3), die bei Drehung um die C-2−C-3-Bindung entstehen
 
 Längerkettige n-Alkane und ihre Derivate, z. B. die Fettsäuren, sind wegen der Ausbildung geordneter Strukturen im flüssigen und festen Zustand weniger beweglich. Stärkere VAN-DERWAALS-Kräfte führen hier zur Bildung quasi-kristalliner Bezirke, was nicht nur für die Eigenschaften von Schmierölen und Fetten, sondern auch bei der Bildung von Zellmembranen von Bedeutung ist (Kap. 42).
 
 2.5 Industrielle Gewinnung der Alkane 2.5.1
 
 Alkane aus Erdgas, Erdöl und Kohle
 
 Erdgas, Erdöl und Kohle sind neben ihrer Funktion als fossile Energieträger auch die wichtigsten Rohstoffe der industriellen organischen Chemie. Die riesigen Vorkommen entstanden durch anaerobe Zersetzung von Mikroorganismen (Plankton), Pflanzen und Tieren in Seen und Meeren vor über 100 Millionen Jahren. Auf Kohlebasis können Alkane durch katalytische Hochdruck-Hydrierung von Braunkohle ("Kohleverflüssigung", BERGIUS-Verfahren) sowie durch katalytische Niederdruck-Hydrierung von Kohlenmonoxid (FISCHER-TROPSCH-Verfahren) hergestellt werden. Weiterentwicklungen beider Prozesse sind bei Verteuerung und Verknappung des Rohöls von Bedeutung.
 
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 2.5 Industrielle Gewinnung der Alkane
 
 33
 
 Erdgas und Rohöl besitzen je nach Entstehungsweise der verschiedenen Lagerstätten auch eine verschiedene prozentuale Kohlenwasserstoff-Zusammensetzung. Erdgas enthält vorwiegend die tief siedenden Alkane Methan bis Butan. Petroleum enthält neben den höheren Alkanen auch andere flüssige Kohlenwasserstoffe und wird durch Destillation in mehrere Fraktionen nach Siedebereichen getrennt (Tab. 2.4). Tab. 2.4. Erdöl-Fraktionen (Fraktionen nach Siedebereichen) Fraktion
 
 Siedebereich °C
 
 Kohlenwasserstoffe C n
 
 Verwendung
 
 Gasfraktion
 
 < 40
 
 C1 - C6
 
 Treibstoff, Heizgas
 
 Petrolether
 
 30 - 60
 
 C5 - C6
 
 Lösemittel, Benzin
 
 Ligroin
 
 60 - 100
 
 C6 - C7
 
 Kfz-Benzin
 
 Gasolin
 
 40 - 200
 
 C5 - C10
 
 Kfz-Benzin
 
 Kerosin
 
 180 - 230
 
 C11 - C12
 
 Düsentreibstoff
 
 Gasöl (Heizöl)
 
 230 - 300
 
 C13 - C17
 
 Dieselmotoren, Ölbrenner
 
 Schmieröle
 
 300 - 400
 
 C20 - C30
 
 Schmierstoffe
 
 Paraffinwachs
 
 400 - 500
 
 C20 - C30
 
 Vaseline
 
 Asphalt
 
 Destillations-
 
 Polycyclen
 
 Teer zum Straßenbau
 
 Petrolkoks
 
 rückstände
 
 Kohlenstoff
 
 Brennstoff, Elektroden
 
 Eine weitere Trennung der Erdöl-Fraktionen gelingt durch Feindestillation (engere Siedebereiche) oder andere Trennverfahren (Extraktion, Gas-Chromatographie). Da höhere Alkane zahlreiche Isomere mit sehr ähnlichen Siedepunkten bilden, ist eine isomerenfreie Gewinnung nur bei kurzkettigen Alkanen (C1 - C5) möglich. Langkettige Alkane definierter Konstitution müssen daher mit chemischen Verfahren hergestellt werden.
 
 2.5.2
 
 Treibstoffherstellung
 
 Jede Motorart erfordert zum optimalen Betrieb eine ihren Verbrennungeigenschaften angepaßte Treibstoffsorte. Ein Benzin mit einem hohen Prozentsatz an n-Alkanen kann z. B. nicht in hochverdichtenden Motoren verbrannt werden, da es ein verschleißendes "Klopfen" verursacht. Hochverzweigte niedermolekulare Alkane haben wesentlich günstigere Brenneigenschaften. Die Qualität eines Kraftstoffs wird durch seine Octanzahl charakterisiert. Normsubstanz ist 2,2,4Trimethylpentan ("Isooctan") mit der Octanzahl 100, demgegenüber n-Heptan die Octanzahl 0 aufweist. Die Qualität des Kraftstoffs läßt sich durch Zusatz von Isooctan oder Benzen verbessern (Octanzahlen über 90). "Verbleites Benzin" mit dem giftigen und umweltbelastenden Bleitetraethyl als Antiklopfmittel-Zusatz ist nicht mehr im Handel. Motoren mit Abgas-Entgiftung durch Edelmetall-Katalysatoren (Platin auf Keramik) können nur mit "bleifreiem" Benzin betrieben werden, da Blei-Verbindungen als Katalysatorengifte wirken. Durch fraktionierte Destillation des Rohöls kann nur ein Teil der benötigten Treibstoffe bereitgestellt werden. Daher müssen auch höhersiedende Fraktionen des Erdöls mit langkettigen Kohlenwasserstoffen durch verschiedene Crackverfahren in die als Treibstoffe geeigneteren kürzerkettigen Alkan-Gemische übergeführt werden.
 
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 34
 
 2 Alkane
 
 Beim thermischen Cracken werden die Erdölfraktionen bei 470 - 510 °C und Drücken von 20 - 50 bar erhitzt. Dabei entstehen über freie Radikale als Zwischenstufen aus langkettigen Alkanen kürzerkettige Alkane und Alkene. Bei den katalytischen Crack- und Isomerisierungsverfahren werden die Erdölfraktionen bei Temperaturen zwischen 430 und 500 °C und geringem Druck über Aluminiumsilikate mit Salzen seltener Erdmetalle (Zeolith-Katalysatoren) geleitet. Dabei entstehen Benzine mit einem hohen Anteil an verzweigten Alkanen. Das katalytische Cracken verläuft im Gegensatz zum thermischen über Umlagerungen mit Carbenium-Ionen als reaktiven Zwischenstufen.
 
 2.6 Darstellung von Alkanen 2.6.1
 
 Katalytische Hydrierung der Alkene
 
 Alkene addieren in Gegenwart von Metallkatalysatoren (Ni, Pd, Pt) quantitativ Wasserstoff an ihre CC-Doppelbindung. Dabei addiert das H2-Molekül an eine Seite der CC-Doppelbindung. R
 
 Alken
 
 R
 
 C C H
 
 H
 
 R
 
 R
 
 katalytische Hydrierung
 
 R
 
 R C C R H H
 
 R
 
 Alkan
 
 Katalysator-Oberfläche (Katalysator = Ni , Pd oder Pt)
 
 Die katalytische Hydrierung des 2,3-Dimethyl-2-octens liefert z. B. 2,3-Dimethyloctan: H 3C
 
 CH 3
 
 + H2
 
 C C H 3C
 
 Ni, Pd oder Pt
 
 CH3 H 3C CH CH CH 2 CH2 CH2 CH 2 CH 3
 
 CH 2 CH2 CH2 CH 2 CH 3
 
 CH 3
 
 2,3-Dimethyl-2-octen
 
 2,3-Dimethyloctan
 
 Da es viele Verfahren zur Synthese von Alkenen gibt (Kap. 4.4), ist die katalytische Hydrierung von Alkenen eine präparative Methode zur Darstellung von Alkanen.
 
 2.6.2
 
 Reduktion von Halogenalkanen
 
 Die durch Additions- und Substitutions-Reaktionen gut zugänglichen Halogenalkane können unter Ersatz des Halogens durch Wasserstoff zu Alkanen umgesetzt werden. Hydrolyse von GRIGNARD-Verbindungen Halogenalkane R−X (X = Cl, Br, I) reagieren mit Magnesium zu Alkylmagnesiumhalogeniden. Die Kohlenstoff-Magnesium-Bindung dieser GRIGNARD-Verbindungen wird durch Wasser gespalten, wobei das Proton des Wassers an das negativ polarisierte Kohlenstoff-Atom und das Hydroxid-Anion an das positiv polarisierte Magnesium anlagert. R X
 
 +
 
 δ−
 
 δ−
 
 δ++
 
 R Mg X
 
 wasserfreier Ether
 
 Mg +
 
 H2O
 
 R Mg X R H
 
 +
 
 Mg(OH)X
 
 GRIGNARD-Reagenz Hydrolyse
 
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 2.6 Darstellung von Alkanen
 
 35
 
 So ist 3-Methylpentan aus 1-Brom-3-methylpentan über 3-Methylpentylmagnesiumbromid zugänglich: siedender Ether
 
 CH3 H 5C2 CH CH2 CH 2 Br
 
 +
 
 Mg
 
 CH3
 
 H 5C2 CH CH2 CH 3
 
 − Mg ++ − − OH −
 
 3-Methylpentylmagnesiumbromid
 
 1-Brom-3-methylpentan
 
 CH 3
 
 + H 2O
 
 H5C2 CH CH2 CH2 Mg Br
 
 3-Methylpentan
 
 − Br
 
 Reduktion von Halogenalkanen durch Zink und Säure Metallisches Zink (Zinkstaub) und Mineralsäuren reduzieren Halogenalkane zu Alkanen: 2R X
 
 +
 
 2 Zn
 
 +
 
 2 HY
 
 2R H
 
 +
 
 ZnX 2
 
 +
 
 ZnY 2
 
 3-Brom-2-methylpentan wird auf diese Weise zu 2-Methylpentan reduziert: CH 3 2 H 3C CH CH CH2 CH 3
 
 + 2 Zn +
 
 2 HI
 
 CH3
 
 0 °C
 
 2 H3C CH CH 2 CH2 CH3
 
 Br 3-Brom-2-methylpentan
 
 +
 
 ZnBr2
 
 +
 
 ZnI2
 
 2-Methylpentan
 
 Reduktion von Halogenalkanen durch Metallhydride Komplexe Metallhydride wie Lithiumaluminiumhydrid (LiAlH4) oder Natriumborhydrid (NaBH4) reduzieren Halogenalkane in Ether als Lösemittel zu Alkanen. 4R X
 
 +
 
 LiAlH4
 
 4R X
 
 +
 
 NaBH 4
 
 Ether
 
 4R H
 
 +
 
 LiX
 
 +
 
 AlX 3
 
 4R H
 
 +
 
 NaX
 
 +
 
 BX 3
 
 ( X = Cl, Br, I )
 
 2-Methyldecan kann demnach aus 1-Brom-2-methyldecan hergestellt werden: CH 3 4 H 3C
 
 (CH2)7
 
 CH CH2 Br
 
 + LiAlH4
 
 wasserfreier Ether
 
 CH3 4 H 3C (CH2)7 CH CH 3
 
 1-Brom-2-methyldecan
 
 2.6.3
 
 +
 
 LiBr
 
 +
 
 AlBr3
 
 2-Methyldecan
 
 Alkylierung metallorganischer Verbindungen
 
 Metallorganische Verbindungen mit Kohlenstoff-Metall-Bindungen können durch Halogenalkane zu Alkanen alkyliert werden. WURTZ-Synthese Natrium reagiert mit Halogenalkan R−X zunächst zu Alkylnatrium R−Na als Organometallverbindung, die mit einem weiteren Äquivalent Halogenalkan zum symmetrischen Alkan R−R alkyliert wird. R X R Na
 
 +
 
 2 Na + R X
 
 R Na
 
 +
 
 NaX
 
 R R
 
 +
 
 NaX
 
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 36
 
 2 Alkane
 
 Die WURTZ-Synthese des n-Decans gelingt z. B. mit 1-Brompentan: H3C CH 2 CH2 CH 2 CH 2 Br
 
 +
 
 H 3C (CH 2)8 CH 3
 
 2 Na
 
 1-Brompentan
 
 +
 
 2 NaBr
 
 n-Decan
 
 Alkylierung von GRIGNARD-Verbindungen durch Halogenalkane Halogenalkane R−X alkylieren Alkylmagnesiumhalogenide R´−MgX (GRIGNARD-Verbindungen) mit anderem Alkyl-Rest R´ zu unsymmetrischen Alkanen R−R´. R X
 
 +
 
 R´ Mg X
 
 wasserfreier Ether
 
 R R´
 
 +
 
 MgX2
 
 Aus 1-Brom-2-methyldecan als Halogenalkan und Isopropylmagnesiumbromid als GRIGNARDReagenz läßt sich z B. 2,4-Dimethyldodecan darstellen: CH3 H3C (CH2)7 CH CH 2 Br
 
 + (H3C)2CH Mg Br
 
 CH3 H3C (CH2)7 CH CH2 CH(CH 3)2
 
 Isopropylmagnesiumbromid
 
 1-Brom-2-methyldecan
 
 2.6.4
 
 wasserfreier Ether
 
 +
 
 MgBr2
 
 2,4-Dimethyldodecan
 
 KOLBE-Elektrolyse
 
 Schwieriger zugängliche symmetrische Alkane R−R können durch KOLBE-Elektrolyse der Natrium-, Kalium- oder Calcium-Salze von Carbonsäuren (Kap. 17) mit dem entsprechenden Rest R dargestellt werden. Dabei wird das Carboxylat-Anion zunächst anodisch oxidiert; das entstandene Carboxy-Radikal geht unter Kohlendioxid-Abspaltung (Decarboxylierung) in ein Alkyl-Radikal R. über, das zum Alkan R−R dimerisiert. O 2 R C .. O .. : CarboxylatAnion
 
 Anode (Oxidation) − e0
 
 −
 
 O 2 R C .. O .. CarboxyRadikal
 
 .
 
 Decarboxylierung − 2 CO2
 
 2R
 
 .
 
 AlkylRadikal
 
 Dimerisierung
 
 R R symmetrisches Alkan
 
 2.7 Reaktionen Die "gesättigten" Alkane reagieren selbst bei höheren Temperaturen im Gegensatz zu den "ungesättigten" Alkenen und Alkinen nicht mit konzentrierten Mineralsäuren, Basen, Oxidations- oder Reduktionsmitteln. Die früher wegen ihrer gleichartigen Reaktivität als Paraffine (lat. par affinis = gleich benachbart) bezeichneten Alkane sind wenig reaktive, unpolare, inerte Verbindungen: Typische Alkan-Reaktionen wie die Oxidation und Halogenierung verlaufen bei hohen Temperaturen.
 
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 2.7 Reaktionen
 
 2.7.1
 
 37
 
 Vollständige Oxidation (Verbrennung)
 
 Technisch von Bedeutung ist die Verbrennung der Alkane zur Energiegewinnung. In der Flamme verbrennen Alkane mit Luftsauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser. CH4 2 H 3C CH 3
 
 + 2 O2 +
 
 7 O2
 
 CO2
 
 +
 
 2 H2O
 
 ∆ H = − 883 kJ/mol
 
 4 CO2
 
 +
 
 6 H2O
 
 ∆ H = − 1542 kJ/mol
 
 Die exotherme Reaktion liefert eine hohe Reaktionsenthalpie ∆H (Verbrennungswärme). Da das System Energie an die Umgebung abgibt, hat der Betrag von ∆H negatives Vorzeichen. Bei einer endothermen Reaktion nimmt das reagierende System dagegen Energie von der Umgebung auf, so daß ∆H positiv ist. Verbrennungswärmen lassen sich im Kalorimeter messen. Interessant ist ein Vergleich zwischen den Verbrennungswärmen bezogen auf ein mol, ein Gramm, einen Milliliter und den prozentualen Wasserstoffgehalt der n-Alkane nach Tab. 2.5. Tab. 2.5. Vergleich der Verbrennungswärmen ausgewählter n-Alkane Alkan
 
 Formel
 
 kJ / mol
 
 kJ / g
 
 kJ / mL
 
 %H
 
 Methan Ethan Propan Pentan Heptan n-Alkan
 
 CH4 C2H6 C3H8 C5H12 C7H16 H3C−(CH2)n−CH3
 
 883 1542 2204 3510 4814 ---
 
 55 51 50 49 48 47
 
 23 28 29 30 33 35
 
 25.1 20.1 18.3 16.8 16.1 15.6
 
 Die Verbrennungwärme beträgt für Wasserstoff 142 kJ/mol, für Kohlenstoff 34 kJ/mol und 653 kJ/mol pro CH2-Gruppe. Da die Verbrennungswärme vorwiegend aus dem Unterschied der Summe der Bindungsenergien der Edukte und der Produkte herrührt, kann sie aus den bekannten Bindungsenergien der C−H-, O−O-, C=O- und OH-Bindung berechnet werden, wie das Beispiel des Methans zeigt: Reaktionsgleichung Stöchiometrie Energiebilanzen
 
 CH 4 16 g
 
 + 2 O2 64 g
 
 CO2 44 g
 
 +
 
 2 H 2O 36 g
 
 Energiezufuhr durch Edukte (Dissoziation von Bindungen)
 
 Energiefreisetzung durch Produkte (Bildung von Bindungen)
 
 ∆ H positiv 4 x 413 (C−H) = + 1652 kJ/mol 2 x 498 (O−O) = + 996 kJ/mol
 
 ∆ H negativ 2 x 803 (C=O) = − 1606 kJ/mol 4 x 463 (O−H) = − 1852 kJ/mol
 
 Somit ergibt sich für die aus den Bindungsenergien berechnete Verbrennungswärme zu ∆Hber. = 1652 + 996 − 1606 − 1852 = − 810 kJ / mol Methan im Vergeich zum kalorimetrisch bestimmten Wert ∆Hexp. = − 883 kJ / mol. Der Mechanismus einer Verbrennung, ihr molekularer Ablauf, ist nicht genau geklärt. Bekannt ist, daß die Verbrennung der Alkane gezündet werden muß, z. B. durch eine Flamme oder einen Funken; bei Raumtemperatur und Normaldruck reagiert eine an sich verbrennungsfähige Mischung aus Alkan und Sauerstoff nicht.
 
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 38
 
 2 Alkane
 
 Bei der Zündung einer Verbrennung wird Energie zugeführt, welche kovalente Bindungen der Edukte spaltet und so reaktive Partikel erzeugt, die mit den Alkanen Folgereaktionen eingehen. Die Zündungsenergie kann in Form von Hitze zugeführt werden. Bei der Zündungstemperatur (Flammpunkt) ist die kinetische Energie der Reaktanten so hoch, daß manche Zusammenstöße zur Bindungsspaltung und Erzeugung reaktiver ungesättigter Partikel führen. Im Falle der Verbrennung handelt es sich dabei um Radikale (Alkyl-Radikale R. , Alkoxy-Radikale R−O . u. a.). Diese Radikale können bei Zusammenstößen mit Alkan- und Sauerstoff-Molekülen neue Bindungen knüpfen und gleichzeitig neue Radikale erzeugen. Jede Neuknüpfung von Bindungen führt zur Energieabgabe in Form von kinetischer Energie oder Licht. Bei der insgesamt exotherm verlaufenden Verbrennung wird mehr Energie abgegeben als verbraucht. Die Hitzeentwicklung führt zu Zusammenstößen genügend hoher Energie, so daß weitere Reaktionen ausgelöst werden. Nach der Zündung und einer kurzen Induktionsperiode laufen die Reaktionen also autokatalytisch ab. Man spricht von einer Kettenreaktion. Kettenreaktionen sind typisch für Alkane.
 
 2.7.2
 
 Partielle Oxidation
 
 Durch unvollständige Oxidation des Methans (Erdgas) mit Luft werden unter kontrollierten Reaktionsbedingungen Ethin, Wasserstoff und Kohlenmonoxid hergestellt. Diese drei Gase werden industriell in großen Mengen verarbeitet. Wasserstoff und Kohlenmonoxid, das "Synthesegas" mit hohem H2-Anteil, bilden sich auch durch katalytische Oxidation des Methans durch Wasser. 6 CH 4 CH4
 
 2.7.3
 
 1500 °C
 
 + O2 + H 2O
 
 850 °C, Ni-Katalyse
 
 2H C C H 3 H2
 
 +
 
 +
 
 10 H 2
 
 +
 
 2 CO
 
 CO
 
 Autoxidation
 
 Verzweigte Alkane mit tertiären C-Atomen (R3CH) reagieren in Gegenwart von Schwermetallspuren, Bromwassertoff oder bei leicht erhöhter Temperatur mit Luftsauerstoff, der als Biradikal (Triplett-Sauerstoff) vorliegt und sich zwischen die CH-Bindung schiebt. Bei dieser Autoxidation entstehen hochreaktive, teils explosive Alkylhydroperoxide. CH3 H3C C H CH3
 
 +
 
 O2 (Luf t)
 
 140 °C
 
 CH 3
 
 O H H 3C C O CH 3 t-Butylhydroperoxid
 
 n-Alkane neigen kaum zur Autoxidation. Bei verzweigten Alkanen kann die Autoxidation durch Zusatz von Antioxidantien (Inhibitoren) verhindert werden. Antioxidantien fangen die intermediär bei der Autoxidation entstehenden reaktiven Radikale ab. Bekannte Antioxidantien sind z. B. Iodwassertoff, Phenole, aromatische Amine und Organoschwefel-Verbindungen.
 
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 2.7 Reaktionen
 
 2.7.4
 
 39
 
 Photohalogenierung
 
 Selbst gegenüber den reaktiven Halogenen Cl2 und Br2 sind die Alkane im Dunkeln und bei Raumtemperatur inert. Sobald jedoch eine Alkan-Halogen-Mischung entweder mit Licht bestrahlt (Photohalogenierung) oder über 300 °C erhitzt (Gasphasenhalogenierung) oder mit Peroxiden versetzt wird, setzt eine stark exotherme Reaktion ein, wobei ein H (oder mehrere H) des Alkans durch Halogen substituiert wird (Substitution). Dabei entsteht ein Halogenalkan (Alkylhalogenid)) und Halogenwasserstoff, z. B. Brommethan (Methylbromid) aus Methan und Brom: Licht, Hitze oder Peroxide
 
 H H C H
 
 +
 
 Br
 
 H H C Br
 
 Br
 
 +
 
 H
 
 Br
 
 H Brommethan
 
 H
 
 Bei genügend großem Überschuß an Halogen führt die Reaktion nicht nur zur Monosubstitution; durch Polyhalogenierung können im Prinzip alle H-Atome eines Alkans durch Halogen ersetzt werden. So liefert die Photochlorierung des Methans ein Gemisch aus Monochlormethan (CH3Cl, Methylchlorid), Dichlormethan (CH2Cl2, Methylenchlorid), Trichlormethan (CHCl3, Chloroform) und Tetrachlormethan (CCl4, Tetrachlorkohlenstoff). Diese zu den Chloralkanen oder Chlorkohlenwasserstoffen (CKWs) gehörenden Verbindungen werden als vorzügliche − leider auch biologisch schlecht abbaubare und daher vorschriftsmäßig zu entsorgende − Lösemittel verwendet. ∆H [kJ/mol] CH4
 
 +
 
 Cl2
 
 CH3Cl Chlormethan
 
 +
 
 HCl
 
 − 104
 
 CH3Cl
 
 +
 
 Cl2
 
 CH2Cl2 + Dichlormethan
 
 HCl
 
 − 103
 
 CH 2Cl2
 
 +
 
 Cl2
 
 CHCl3 + Trichlormethan
 
 HCl
 
 − 99
 
 CHCl3
 
 +
 
 Cl2
 
 CCl4 + Tetrachlormethan
 
 HCl
 
 − 94
 
 Probleme bei der industriellen Gasphasenchlorierung sind der enge Bereich zwischen Anspringund Zersetzungstemperatur sowie die hohe molare Reaktionswärme ∆H je Chlorierungsstufe. Ferner erfordert der entstehende Chlorwasserstoff (Salzsäure) korrosionsbeständige Werkstoffe. Die Zusammensetzung des Produktgemisches kann durch das Verhältnis der Edukte (Halogen : Alkan) und die Reaktionsdauer gesteuert werden. Beim Eduktverhältnis CH4 : Cl2 = 1 : 1 führt die Gasphasenchlorierung bei 400 °C zur einer Produktzusammensetzung von CH3Cl 37, CH2Cl2 41, CHCl3 19 und CCl4 3 mol%. l2 Überschüssiges Halogen begünstigt die Bildung von Polyhalogenalkanen; kurze Reaktionszeiten favorisieren dagegen die Monosubstitution, da sich zu Beginn der Reaktion viele Alkan- und wenige Halogenalkan-Moleküle im Reaktionsraum befinden. Die Reaktivität der vier Halogene nimmt vom Fluor zum Iod deutlich ab: F2 >> heftige Reaktion
 
 Cl2
 
 > Br2
 
 steuerbare Reaktion
 
 >>
 
 I2 keine Reaktion
 
 Elementares Fluor reagiert mit Alkanen extrem heftig unter Perfluorierung und unkontrollierbarer Bildung von Molekülfragmenten. Verdünnung des Alkan-Fluor-Gemisches mit Stickstoff, niedere
 
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 40
 
 2 Alkane
 
 Fluorkonzentrationen, niedere Drücke und tiefere Temperaturen bewirken eine bessere Kontrolle der Reaktion. Die Chlorierung eines Alkans verläuft meist unproblematisch und gut steuerbar; Bromierungen erfordern drastischere Bedingungen. Iod reagiert nicht direkt mit Alkanen; Iodalkane sind nur durch Umwandlung der funktionellen Gruppen anderer Alkan-Derivate zugänglich. Der Mechanismus einer Photohalogenierung ist eine typische Kettenreaktion (Kap. 3.1). Die Photodissoziation eines Halogen-Moleküls in zwei Halogen-Atome (Halogen-Radikale) löst eine Folge von Reaktionen aus, bei denen die reaktionsträgen Alkane über Alkyl-Radikale (R. , daher radikalische Substitution) zu den Produkten Chlorwasserstoff und Halogenalkan abreagieren. Die Chlorierung empfindlicherer Alkane gelingt mit Hilfe von Sulfurylchlorid, SO2Cl2. Auch diese bei moderaten Temperaturen ablaufende Reaktion ist eine radikalische Substitution, welche durch Licht oder Peroxide gestartet wird (Kap. 3.6). O
 
 R H
 
 +
 
 R
 
 hν oder R O 40 - 80 °C
 
 SO2Cl2
 
 R Cl
 
 +
 
 SO2
 
 +
 
 HCl
 
 Ein neueres Verfahren der Oxychlorierung von Alkanen vermeidet die Bildung von Chlorwasserstoff und entsorgt ihn stattdessen. Dabei dient eine Salzschmelze aus Kupfer(II)- und Kaliumchlorid als Chlorlieferant der Alkanchlorierung und als Katalysator zur Regeneration der Schmelze (Oxychlorierung von HCl in der Schmelze durch Luftsauerstoff).
 
 2.7.5
 
 Photosulfochlorierung
 
 In Gegenwart von Basen reagieren Alkane mit Sulfurylchlorid oder einer Mischung aus Schwefeldioxid und Chlor zu Alkansulfonsäurechloriden (Alkylsulfonylchloriden). Die Hydrolyse von Alkylsulfonylchloriden führt zu Alkansulfonsäuren. Langkettige Alkansulfonsäuren sind bedeutende Detergentien. R H
 
 +
 
 SO2
 
 +
 
 Cl2
 
 hν / Base
 
 O R S Cl
 
 +
 
 HCl
 
 O Alkansulfonsäurechlorid
 
 2.7.6
 
 Nitrierung von Alkanen
 
 Die Nitrierung von Alkanen bei höheren Temperaturen mit Salpetersäure oder Distickstofftetroxid führt zu Nitroalkanen (z. B. CH3−NO2, Nitromethan), die als Lösemittel, Zwischenprodukte und Sprengstoffe Verwendung finden. > 400 °C
 
 R H
 
 +
 
 HNO3
 
 R NO2
 
 +
 
 H 2O
 
 Nitroalkan
 
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 3.1 Mechanismus der Chlorierung des Methans
 
 41
 
 3 Radikalische Substitution Eine Reaktionsgleichung beschreibt, welche Produkte (rechts vom Pfeil) aus welchen Edukten (Reaktanden, links vom Pfeil) in welchen stöchiometrischen Verhältnissen entstehen. Diese "Bruttogleichung" gibt keinerlei Aufschluß über den Reaktionsmechanismus. Der Reaktionsmechanismus ist der tatsächliche molekulare Ablauf einer Reaktion von den Edukten über reaktive Zwischenstufen zu den Produkten. Die grundlegenden Reaktionen der organischen Chemie verlaufen nach relativ wenigen, für bestimmte Stoffklassen typischen Mechanismen. Für Alkane typisch ist z. B. die radikalische Substitution (Kürzel SR, S für Substitution, R für radikalisch) deren Mechanismus und Merkmale anhand der Halogenierung des Methans und anderer Alkane im folgenden behandelt werden.
 
 3.1 Mechanismus der Chlorierung des Methans Die in der Gasphase durchgeführte Chlorierung des Methans verläuft über kurzlebige Radikale als reaktive Zwischenstufen. Radikale sind Atome oder Gruppen mit ungepaarten Elektronen, die durch ihren Paramagnetismus nachweisbar sind. Die stöchiometrische Bruttogleichung der Chlorierung des Methans beschreibt zunächst nur, daß aus Methan und Chlor (1 : 1) Chlormethan und Chlorwasserstoff (1 : 1) entstehen. CH 4
 
 +
 
 hν
 
 Cl2
 
 CH3Cl + Chlormethan
 
 HCl
 
 Tatsächlich ist die Chlorierung des Methans ein Zusammenwirken dreier Teilreaktionen, der Startreaktion, den Kettenreaktionen und den Abbruchreaktionen. Startreaktion: Ein Chlor-Molekül spaltet photolytisch oder thermisch in zwei Chlor-Radikale (= Chlor-Atome, Homolyse der Chlor-Chlor-Bindung, Photodissoziation). hν oder hohe Temperatur
 
 Cl2
 
 2 Cl
 
 Die hochreaktiven Cl-Atome (Cl-Radikale, Cl.) lösen eine Folge von zwei Kettenreaktionen aus. Kettenreaktionsschritt 1: Ein Chlor-Atom und ein Methan-Molekül reagieren zu einem Chlorwasserstoff-Molekül und einem Methyl-Radikal. Cl
 
 +
 
 CH4
 
 HCl
 
 +
 
 CH3
 
 Kettenreaktionsschritt 2: Das Methyl-Radikal reagiert mit einem Chlor-Molekül; es entstehen Chlormethan und ein neues Chlor-Atom (Radikal). CH 3
 
 +
 
 Cl2
 
 CH3Cl
 
 +
 
 Cl
 
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 42
 
 3 Radikalische Substitution
 
 Das in Schritt 2 erzeugte Chlor-Atom reagiert mit einem neuen Methan-Molekül nach Schritt 1 zu Chlorwasserstoff und einem weiteren Methyl-Radikal, das in Schritt 2 erneut Chlormethan und ein Chlor-Atom erzeugt und so die Reaktionskette fortsetzt. Die Spaltung eines einzigen ChlorMoleküls durch ein Lichtquant löst demnach eine Folge von Reaktionen aus (Kettenreaktion). Jeder Kettenreaktionsschritt erzeugt außer einem Produkt (HCl, CH3Cl) ein neues reaktives Radikal (. Cl, . CH3). Unter günstigen Bedingungen kann ein Lichtquant einige tausend Reaktionsfolgen 1 und 2 auslösen. Die Photochlorierung verläuft dann mit einer hohen Quantenausbeute, da ein Lichtquant die Bildung von sehr vielen Chlormethan-Molekülen einleiten kann. Bei kontinuierlicher Prozeßführung (Durchflußreaktoren) und genügend großen Mengen an Edukten kann die Reaktion beliebig lange in Gang gehalten werden. Start und Kette werden besonders prägnant durch das folgende Schema zusammengefaßt: Edukte
 
 Cl2
 
 CH 4
 
 intermediäre Radikale
 
 Cl2
 
 Cl
 
 CH 4 Cl
 
 CH 3
 
 Produkte
 
 Cl2
 
 HCl
 
 CH3
 
 CH3Cl
 
 Cl
 
 HCl
 
 CH3Cl
 
 Jede Reaktionskette endet jedoch irgendwann infolge einer radikalvernichtenden KettenabbruchReaktion, z. B. durch Rekombination, Adsorption, Disproportionierung von Radikalen oder durch Bildung weniger reaktiver Radikale. Rekombination von Radikalen Cl
 
 +
 
 Cl
 
 Cl2
 
 H 3C
 
 +
 
 CH 3
 
 H3C
 
 H 3C CH 3
 
 +
 
 Cl
 
 H3C Cl
 
 Adsorption von Radikalen an der Gefäßwand R
 
 R adsorbiert
 
 Disproportionierung höherer Alkyl-Radikale C2H 5
 
 +
 
 C 2H5
 
 H 3C CH 3
 
 Ethyl-Radikale
 
 +
 
 H2C=CH2
 
 Ethan
 
 Ethen
 
 Reaktionen mit S-Verbindungen (Radikalfänger) unter Bildung wenig reaktiver Radikale R
 
 +
 
 R*SH
 
 RH
 
 +
 
 R*S
 
 Auch nicht produktive Zusammenstöße, bei denen lediglich kinetische in Schwingungs- und Rotationsenergie umgesetzt wird, bremsen die Reaktionsfolge. Nicht produktiv sind ferner Austauschreaktionen, bei denen sich die Edukte zurückbilden: Cl*
 
 +
 
 Cl2
 
 Cl*Cl
 
 +
 
 Cl
 
 CH3*
 
 +
 
 CH4
 
 CH 4*
 
 +
 
 CH 3
 
 Zwar sind alle Einzelschritte exotherm, so daß Wärme frei wird; jedoch müssen die Ansätze der Photochlorierung und Photobromierung ständig belichtet oder erhitzt werden, um gute Ausbeuten
 
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 3.2 Energetische Betrachtung der Photohalogenierung
 
 43
 
 nach kurzen Reaktionszeiten zu erzielen. Photohalogenierungen können durch Strahlungsintensität und Temperatur sowie durch Inhibitoren geregelt werden. Inhibitoren wie SchwefelVerbindungen, Stickstoffmonoxid, Iod oder der als Biradikal vorliegende Sauerstoff reagieren mit Alkyl-Radikalen zu weniger reaktionsfähigen Radikalen (im Fall von O2 zu AlkylperoxyRadikalen). Auch sie führen zum Kettenabbruch und leiten kurz nach ihrem Zusatz eine Inhibierungsperiode ein, die mit fortschreitendem Abreagieren des Inhibitors abklingt (Abb. 3.1). CH 3
 
 +
 
 O CH3 O Methylperoxy-Radikal
 
 _ _ O _ O _
 
 O2 - Zusatz
 
 % Ausbeute an Chlormethan
 
 Inhibierungsperiode
 
 Zeit
 
 Abb. 3.1. Inhibierung bei Radikal-Reaktionen
 
 3.2 Energetische Betrachtung der Photohalogenierung 3.2.1
 
 Aktivierungsenergie und Reaktionswärme
 
 Bei energetischen Betrachtungen chemischer Reaktionen ist stets von Reaktionswärme und Aktivierungsenergie die Rede. Die Reaktionswärme ∆H ist der Energieunterschied in kJ/mol zwischen den Energieinhalten der Edukte (Reaktanten) und der Produkte; im Energiediagramm entspricht ∆H dem Unterschied zwischen zwei Energieminima. Die Aktivierungsenergie ∆ΕΑ ist der Energieunterschied in kJ/mol zwischen den Energieinhalten der Edukte (Minimum an potentieller Energie) und einem nach Zusammenstoß der Reaktanten gebildeten Übergangszustand (Maximum an potentieller Energie). ∆ΕΑ ist temperaturabhängig. Bei einer exothermen Reaktion gilt: Epot (Edukte)
 
 > Epot (Produkte) , ∆H negativ
 
 Bei einer endothermen Reaktion gilt umgekehrt: Epot (Edukte)
 
 3.2.2
 
 < Epot (Produkte) , ∆H positiv und ∆H < ∆EA
 
 Startreaktion
 
 Die homolytische Spaltung eines Halogen-Moleküls in zwei Halogen-Atome erfordert die Dissoziationsenergie ∆Η der Halogen-Halogen-Bindung. Die Startreaktion ist also endotherm, und die zur Homolyse erforderliche Energie wird durch Bestrahlung (Energie der Photonen) oder Erhitzen (thermische Energie) aufgebracht. ∆Η aller Halogen-Bindungen liegt über 125 kJ/mol (Abb. 3.2).
 
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 44
 
 3 Radikalische Substitution
 
 Daher können bei Temperaturen unter 100 °C infolge unzureichender kinetischer Energie keine Halogen-Radikale erzeugt werden. Eine Kettenstart-Reaktion ist im Dunkeln und bei Raumtemperatur nur über spezielle Ketten-Initiatoren erreichbar. Im Falle einer Homolyse ist die endotherme (positive) Reaktionswärme ∆ΗΑ identisch mit der Bindungsdissoziationsenergie ∆Η und zugleich Aktivierungsenergie ∆ΕΑ. Die Rekombination 2X. zu X2 erfordert keine Aktivierungsenergie und verläuft exotherm (∆Η negativ, ∆ΕΑ = 0, Abb. 3.2). Die individuellen Bindungsdissoziationsenergien ∆Η der Halogene erklären keineswegs die sehr unterschiedlichen Reaktivitäten (F2 >> Cl2 > Br2 >> I2). Trotz relativ ähnlicher ∆Η-Werte ist Fluor extrem reaktiver als Iod. Epot
 
 ∆H F−F ∆H Cl−Cl ∆H Br−Br ∆H I−I
 
 2X
 
 = 155 kJ / mol = 243 kJ / mol = 193 kJ / mol
 
 X2
 
 ∆H = ∆EA
 
 2X
 
 = 151 kJ / mol
 
 X X Reaktionskoordinate
 
 Abb. 3.2. Radikalische Halogenierung des Methans: Energiediagramm der Startreaktion
 
 3.2.3
 
 Übergangszustände der Kettenreaktionsschritte
 
 Im Kettenreaktionsschritt 1 der Photochlorierung des Methans Cl
 
 +
 
 CH4
 
 HCl
 
 +
 
 CH3
 
 müssen die beiden Reaktanten Methan und Chlor-Atom mit genügend großer kinetischer Energie zusammenstoßen, um die VAN-DER-WAALS-Abstoßungskräfte zwischen ihren Elektronenhüllen zu überwinden. Es liegt also eine Energiebarriere zwischen den Edukten und Produkten dieser Teilreaktion. Diese Aktivierungsenergie ∆ΕΑ ist für Schritt 1 mit 17 kJ/mol relativ klein (Abb. 3.3 a). Die Kollision führt zu einem instabilen, nicht isolierbaren Übergangszustand (Übergangskomplex), in dem eine CH-Bindung des Methans gerade gespalten, während eine H−Cl-Bindung gerade geknüpft wird. Der Übergangszustand ist labil, erscheint daher im Energiediagramm (Abb 3.3 a) auf einem Maximum. H H
 
 H C
 
 H
 
 H Methan mit sp3-hybridisiertem C-Atom
 
 +
 
 Cl
 
 H
 
 H
 
 H
 
 C H Cl
 
 C
 
 H
 
 H
 
 sp2-Übergangszustand mit nicht lokalisiertem ungepaartem Elektron
 
 +
 
 HCl
 
 Methyl-Radikal mit sp2-hybridisiertem C-Atom und einfach besetztem p-Orbital
 
 Zerfällt der Übergangszustand in die Produkte Methyl-Radikal und Chlorwasserstoff, so war der Zusammenstoß produktiv; zerfällt er vor Erreichen des Maximums wieder in die Edukte, so war die kinetische Energie der Kollision nicht ausreichend, der Stoß war unproduktiv.
 
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 3.2 Energetische Betrachtung der Photohalogenierung
 
 45
 
 Abb. 3.3 a zeigt, daß Kettenreaktionsschritt 1 mit ∆Η = − 4 kJ/mol exotherm ist, d. h. die Produkte energieärmer (thermodynamisch stabiler) sind als die Edukte. Daraus folgt auch, daß die Rückreaktion eine größere Aktivierungsenergie (21 kJ/mol) erfordert als die Hinreaktion (17 kJ/mol). Ferner ist die Rückreaktion mit ∆Η = + 4 kJ/mol endotherm. Das Reaktionsgleichgewicht des Schrittes 1 liegt also auf der Produkt-Seite. Für Kettenreaktionsschritt 2 ergibt sich das Energiediagramm (Abb. 3.3 b) aus dem Energiebedarf für die Cl2-Dissoziation, der Energiefreisetzung durch die Bildung des Chlormethans und einer Aktivierungsenergie von ∆ΕΑ2 = 4.2 kJ/mol. H
 
 H
 
 H +
 
 C
 
 Cl
 
 Cl
 
 H
 
 H H
 
 C Cl Cl H
 
 H sp2, planar
 
 sp2 / sp3 -Übergangszustand mit nicht lokalisiertem ungepaartem Elektron
 
 H3C
 
 +
 
 Cl2
 
 C
 
 Cl
 
 +
 
 Cl
 
 H sp3, tetraedrisch
 
 CH3Cl
 
 +
 
 Cl
 
 Energieverbrauch: ∆H = 243 kJ/mol Energiefreisetzung: ∆H = − 339 kJ/mol Reaktionswärme: ∆H = − 96 kJ/mol
 
 Epot Epot
 
 [ H 3C H Cl ]
 
 Übergangszustand
 
 [ H 3C Cl
 
 Cl ] Übergangszustand
 
 ∆EA2
 
 H3C + Cl2 Edukte
 
 ∆EA1 = 17 kJ / mol
 
 ~ ~
 
 ∆H2 = − 96 kJ / mol
 
 CH4 + Cl Edukte
 
 ∆H1 = − 4 kJ / mol
 
 CH3 + HCl Produkte
 
 Reaktionskoordinate
 
 (a) Kettenreaktionsschritt 1
 
 H 3C Cl + Cl Produkte
 
 Reaktionskoordinate
 
 (b) Kettenreaktionsschritt 2
 
 Abb. 3.3. Radikalische Chlorierung des Methans: Energiediagramme der Kettenreaktionsschritte 1 und 2 (a) und (b)
 
 Nach Kenntnis aller Teilschritte (Startreaktion und Kettenreaktionen 1 und 2) läßt sich in Abb. 3.4 (S. 46) das Energiediagramm der Gesamtreaktion zusammenfassend darstellen. Man sieht, daß die Startreaktion einen hohen Energiebetrag erfordert, während die Folgeraktionen 1 und 2 in der Kette nur einer geringen Aktivierung bedürfen. Rückreaktionen sind unwahrscheinlich angesichts ungünstig hoher Aktivierungenergien. Die meisten Kettenabbruch-Reaktionen (S. 42) verlaufen indessen sehr leicht, da Kombinationen von Radikalen zu Molekülen nahezu keine Aktivierungsenergie erfordern.
 
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 46
 
 3 Radikalische Substitution
 
 Epot
 
 Cl2
 
 Cl
 
 + CH4 − HCl
 
 CH3
 
 + Cl2 − CH3Cl
 
 Cl
 
 ∆EA1
 
 ∆EA2
 
 ∆H1
 
 ~ ~
 
 ∆H = ∆EA
 
 Startreaktion
 
 Kettenreaktion 1
 
 ∆H2
 
 ~ ~
 
 Kettenreaktion 2 Reaktionskoordinate
 
 Abb. 3.4. Radikalische Chlorierung des Methans: Energiediagramm der Gesamtreaktion
 
 3.3 Reaktionsgeschwindigkeit 3.3.1
 
 Äußere Einflüsse
 
 Makroskopisch und praktisch ist die Reaktionsgeschwindigkeit die pro Zeiteinheit erzeugte Produktmenge (mol/s). In der Stoßtheorie wird die Reaktionsgeschwindigkeit als die Anzahl produktiver Zusammenstöße pro Zeiteinheit definiert. Sie ist das Produkt dreier Faktoren, deren Größe von den Reaktionsbedingungen, dem Reaktionstyp und der Konstitution der Edukte abhängt: Reaktionsgeschwindigkeit = Energiefaktor x Stoßhäufigkeit x Orientierungsfaktor
 
 Der Energiefaktor wird durch die Reaktionstemperatur sowie die Aktivierungsenergie beeinflußt; er gibt den Bruchteil der Stöße mit genügend hoher Energie. Im Reaktionsgefäß bewegen sich Atome und Moleküle mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Bei jeder Temperatur T1 stellt sich eine mittlere Verteilung der Teilchengeschwindigkeiten ein (MAXWELL-Geschwindigkeitsverteilung, Abb. 3.5). Bei höherer Temperatur T2 findet man eine breitere Streuung der Geschwindigkeiten. Da nur solche Teilchen reagieren, die mindestens eine Energie der Größenordnung von ∆ΕΑ besitzen, erhöht sich die Anzahl produktiver Stöße und damit die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Temperatur. Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k ist nach der ARRHENIUS-Gleichung (lg k = A − B/T) eine Funktion des Druckes und der Temperatur. Eine Zunahme der Temperatur um 10 °C steigert
 
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 3.3 Reaktionsgeschwindigkeit
 
 47
 
 die Geschwindigkeitskonstante um Faktor 1.3 bis 5. Wegen des exponentiellen Zusammenhangs zwischen der Temperatur, ∆ΕΑ und der Geschwindigkeitskonstanten k = k0 . e− ∆ΕΑ / kT genügen geringe Temperaturänderungen, um die Zahl produktiver Stöße stark an- oder abschwellen zu lassen. ∆NE
 
 T1
 
 Temperatur T2 > T1
 
 N Anzahl der Moleküle mit einer bestimmten kinetischen Energie
 
 T2
 
 ∆Ekin < ∆EA
 
 ∆ EA
 
 ∆Ekin > ∆EA
 
 ∆Ekin
 
 Abb. 3.5. MAXWELL-Geschwindigkeitsverteilung
 
 Die Stoßhäufigkeit hängt von der Edukt-Konzentration, der Geschwindigkeit und Größe der Moleküle ab. Große Moleküle stoßen häufiger zusammen als kleine. Nicht jeder Stoß mit genügend großer Energie (Ekin > ∆ΕΑ) führt zur Reaktion. Bei der Methan-Chlorierung muß z. B. das ChlorAtom direkt auf ein H-Atom des Methans treffen, um ein Eintauchen der Orbitale ineinander und damit eine Reaktion zu ermöglichen. H H
 
 C
 
 H
 
 Cl
 
 H produktiver Stoß - günstig zur gerichteten Bildung einer Bindung
 
 H C H
 
 H Cl
 
 H unproduktiver (elastischer) Stoß ungünstige Orientierung
 
 Diese Zusatzbedingung wird als Orientierungs- oder sterischer Faktor bezeichnet. Im Falle höherer Alkane tragen auch zusätzliche Freiheitsgrade der Molekülbewegung (z. B. Rotation um oder Schwingungen von CC-Bindungen) zum sterischen Faktor bei.
 
 3.3.2
 
 Geschwindigkeitsbestimmender Schritt der Photohalogenierung
 
 Im Falle der Photochlorierung des kleinen kugelförmigen Moleküls Methan fallen Stoßzahl und Orientierungsfaktor weniger ins Gewicht als der Energiefaktor. Daraus ergibt sich, daß der geschwindigkeitsbestimmende Schritt (der langsamste) in der Kettenreaktion derjenige mit der höchsten Aktivierungsenergie ∆ΕΑ ist. Obwohl die Startreaktion den höchsten ∆ΕΑ-Wert erfordert, ist sie nicht geschwindigkeitsbestimmend, da in einer Kette von mehreren hundert Folgereaktionen dieser erste Schritt an Bedeutung verliert. Vielmehr ist bei der Photohalogenierung des Methans die Bildung der Methyl-Radikale, also Schritt 1 geschwindigkeitsbestimmend. Schritt 2 verläuft wieder rasch, da die reaktiven Methyl-Radikale mit allen Halogen-Molekülen ohne größere Aktivierungsenergie zu Halogenmethan und Halogen-Atom abreagieren.
 
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 48
 
 3.3.3
 
 3 Radikalische Substitution
 
 Relative Reaktionsgeschwindigkeiten der Photohalogenierung
 
 Die unter identischen Reaktionsbedingungen (Temperatur, Druck, molares Verhältnis der Edukte) ermittelten Energiewerte aller Teilreaktionen der Photohalogenierung des Methans sind in Tab. 3.1 zusammengestellt. Die Aktivierungsenergien der Startreaktionen (∆ΕΑ1) und die Reaktionswärmen ∆Η1,2 zeigen, daß die Reaktivität in der Folge F2 >> Cl2 > Br2 >> I2 abnimmt. Ein Anstieg von ∆ΕΑ1 verzögert ja zusätzlich den geschwindigkeitsbestimmenden Kettenreaktionsschritt 1. Tab. 3.1. Energiebilanzen der Halogenierung von Methan (∆Η und ∆ΕΑ in kJ/mol) Startreaktion X2
 
 2X
 
 ∆EA = ∆H Fluorierung Chlorierung Bromierung Iodierung
 
 + 155 + 243 + 193 + 151
 
 Kettenreaktionsschritt 1 X
 
 +
 
 ∆HCH3-H + 427 + 427 + 427 + 427
 
 CH 4
 
 ∆HH−X - 566 - 432 - 365 - 297
 
 CH 3
 
 ∆EA1 + 4.2 + 16.8 + 75.4 + 129.9
 
 Kettenreaktionsschritt 2 +
 
 HX
 
 CH 3
 
 ∆H1
 
 ∆HX−X ∆HCH3-X
 
 - 138.3 - 4.2 + 62.9 + 129.9
 
 + 155 + 243 + 193 + 151
 
 +
 
 X2
 
 - 453 - 339 - 281 - 222
 
 CH 3X
 
 ∆EA2 + + + +
 
 4.2 4.2 4.2 4.2
 
 +
 
 ∆H2 - 297 - 96 - 88 - 71
 
 X
 
 Reaktionswärme von 1+2
 
 Reaktionsverlauf
 
 ∆H1,2 - 436 - 101 - 25 - 59
 
 heftig stark mäßig keine R.
 
 Tatsächlich verläuft die Fluorierung äußerst heftig und stark exotherm. Eine hohe Dissoziationsenergie erschwert zwar den Start der Chlorierung, aber die Kettenlänge ist dafür relativ groß. Bromierungen lassen sich leichter starten, verlaufen aber über kürzere Reaktionsketten. IodAtome lassen sich am leichtesten erzeugen, aber eine Kettenreaktion kommt nicht in Gang.
 
 3.4 Regioselektivität der Monohalogenierung Die Halogenierung höherer unverzweigter oder verzweigter Alkane führt meist zu einem Gemisch isomerer Monohalogenalkane neben Polyhalogenalkanen. Eine quantitative Analyse der Reaktionsprodukte (Tab. 3.2) zeigt, daß die relativen Ausbeuten der isomeren Produkte nicht der statistisch erwarteten Verteilung entspricht, die von einer gleichen Reaktivität aller H-Atome des Alkans gegenüber Halogen ausgehen würde. Bevorzugt sind vielmehr Substitutionen an tertiären und sekundären C-Atomen zu Lasten der Substitution an Methyl-Gruppen. Demnach kann zwar ein Chlor-Atom alle H-Atome eines Alkans mit gleicher Wahrscheinlichkeit treffen; jedoch sind Zusammenstöße mit H am tertiären C produktiver als mit H am sekundären oder primären C. Zusätzlich zum Energiefaktor spielt hier der Orientierungsfaktor eine wesentliche Rolle. Wird bei einer Reaktion wie der Photochlorierung des Butans (Tab. 3.2) von mehreren möglichen konstitutionsisomeren Produkten (1-Chlorbutan und 2-Chlorbutan) ein Isomer begünstigt (2Chlorbutan, Tab. 3.2), so spricht man von Regioselektivität (bevorzugte Orientierung einer Reaktion, lat. regio = Lage, Richtung). Die Regioselektivität kann in Grenzen durch Wahl der Reaktionsbedingungen gesteuert werden. So bewirkt eine durch Erhöhung der Temperatur erzwungene höhere kinetische Energie der Moleküle im Falle der Chlorierung des Butans auch eine größere Zahl produktiver Zusammenstöße mit den Methyl-H-Atomen, so daß mehr 1-Chlorbutan entstehen wird. Grenzen setzt die Reaktivität des Halogens, wie das Beispiel der Halogenierung des Propans klar macht. So verläuft die Fluorierung auch bei tiefen Temperaturen heftig und unselektiv; die Chlorierung ist bei Raumtemperatur schwach selektiv, die Bromierung auch bei höherer Temperatur hochselektiv zugunsten des 2-Halogenpropans. Iod reagiert überhaupt nicht. Daraus ergibt sich
 
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 3.5 Relative Stabilität von Alkyl-Radikalen
 
 49
 
 die Vorhersage, daß große Reaktivität (∆ΕΑ klein) zu geringer, schwache Reaktivität (∆ΕΑ groß) zu großer Selektivität führt. Tab. 3.2. Orientierung der Monosubstitution höherer Alkane und relative Ausbeuten der Isomeren + Cl2
 
 H 3C CH2 CH3
 
 − HCl
 
 H 3C CH2 CH2 CH 3
 
 CH 3
 
 Cl
 
 H3C CH 2 CH 2 CH2 Cl gefunden: erwartet :
 
 +
 
 1° : 2° ~ 6 : 7 1° : 2° ~ 6 : 2
 
 H 3C CH CH2 CH 3 75 % 40 %
 
 25 % 60 %
 
 Cl 36 % 10 %
 
 64 % 90 %
 
 gefunden: erwartet :
 
 1° : 2° ~ 6 : 15 1° : 2° ~ 6 : 4
 
 + H3C C CH3
 
 H 3C CH CH2 Cl
 
 − HCl
 
 oder
 
 CH 3
 
 CH3
 
 + Cl2
 
 H3C CH CH 3
 
 H 3C CH CH3 55 % oder 25 % Cl
 
 + Cl2 − HCl
 
 +
 
 H3C CH 2 CH 2 Cl 45 % gefunden: 75 % erwartet :
 
 oder
 
 1° : 3° ~ 9 : 5 1° : 3° ~ 9 : 1
 
 3.5 Relative Stabilität von Alkyl-Radikalen 3.5.1
 
 Relative Stabilität und Energiegehalt
 
 Ein Vergleich der Bindungs-Dissoziationsenergien ∆Η zeigt, daß der Energiebedarf zur Homolyse einer CH-Bindung mit zunehmender Alkylierung am C abnimmt: CH3−H 427
 
 >
 
 RCH2−H 406
 
 >
 
 R2CH−H 394
 
 >
 
 R3C−H 381
 
 C−H-Bindung ∆H [kJ/mol]
 
 Folglich bilden sich tertiäre Alkyl-Radikale viel leichter (∆ΕΑ kleiner) als Methyl-Radikale (∆ΕΑ größer). Tertiäre Alkyl-Radikale sind energieärmer und damit stabiler als Methyl-Radikale. Die energiereichen und damit labilen Methyl-Radikale zeigen aber die größte Reaktivität. Insgesamt nimmt mit abnehmender Alkylierung der Radikale die Stabilität ab und die Reaktivität zu. . CH3
 
 
12
 
 sehr günstig weniger günstig weniger günstig ungünstig ungünstig ungünstig ungünstig sehr ungünstig
 
 sehr hoch hoch sehr gering sehr gering gering gering hoch gering
 
 mäßig gut gut gut mäßig gering sehr gering gering
 
 klein gewöhnlich
 
 mittel groß
 
 8.6.1
 
 Dreiring-Synthesen
 
 [2+1]-Cycloaddition Die [2+1]-Cycloaddition von in situ erzeugtem Singulett-Carben (Kap. 1.8.3) an eine CCDoppelbindung bewährt sich zur Synthese vieler Cyclopropan-Derivate. Carben-Vorstufen sind Diazomethan (für Carben, :CH2 oder ICH2), Diazoessigester (für :CH−COOR, Alkoxycarbonylcarben) und Chloroform (für :CCl2, Dichlorcarben). Die relative Konfiguration des Alkens (cis-
 
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 8.6
 
 Cycloalkan-Synthesen
 
 109
 
 bzw. trans-) bleibt im Cyclopropan erhalten; aus (Z)- bzw. (E)-Alkenen entstehen cis- bzw. transdisubstituierte Cyclopropane. Die somit stereospezifisch verlaufenden [2+1]-Cycloadditionen mit Carbenen (Kap. 1.8.3) gehören zu den cheletropen Reaktionen, bei denen von einem Atom aus zwei σ-Bindungen zu den Enden einer Doppelbindung oder eines Diens geknüpft (oder gelöst) werden. R
 
 R C C
 
 H
 
 + H
 
 R
 
 [ ICH2 ] Carben
 
 cis-Alken
 
 R
 
 cis-1,2-Dialkylcyclopropan − N2
 
 ICH 2 N NI Diazomethan
 
 Bicyclo[4.1.0]heptan (Norcaran) läßt sich nach diesem Prinzip aus Cyclohexen und Diiodmethan in Gegenwart von Zink-Kupfer-Pulver aufbauen (SIMMONS-SMITH-Reaktion). Hierbei entsteht die Carben-Zwischenstufe über Iodmethylzinkiodid.
 
 +
 
 Zn / Cu
 
 CH 2I 2
 
 Cyclohexen
 
 CH2I 2 + Zn
 
 I CH2 Zn I
 
 [ ICH2 ]
 
 + ZnI 2
 
 Iodmethylzinkiodid
 
 Bicyclo[4.1.0]heptan
 
 Das stark gespannte Cyclopropen läßt sich durch [2+1]-Cycloaddition von Carben an Alkine darstellen. R R C C R
 
 +
 
 R
 
 [ ICH2R'2 ] R' R' subst. Cyclopropen
 
 subst. Alkin
 
 Cyclisierung 1,3-bifunktioneller Verbindungen Die reduktive Cyclisierung von 1,3-Dihalogenalkanen mit Zinkstaub führt zu CyclopropanDerivaten (GUSTAFSON-Synthese). Das enstehende Zinksalz läßt sich als Ethylendiamintetraessigsäure-Zink-Chelat (EDTA-Zn) abfangen. Die Synthese des Spiro[2.2]pentans gelingt durch doppelte GUSTAFSON-Synthese. H 2C CH CH2Cl
 
 + HBr
 
 HOH 2C
 
 C
 
 CH2OH CH2OH
 
 Pentaerythrit
 
 CH2Br
 
 CH2Cl 1-Brom-3-chlorpropan
 
 Allylchlorid
 
 HOH 2C
 
 H2C
 
 PBr 3
 
 BrH 2C BrH 2C
 
 C
 
 + Zn − ZnBrCl
 
 CH 2Br
 
 + 2 Zn (EDTA)
 
 CH 2Br
 
 − 2 ZnBr 2
 
 Tetrabromneopentan
 
 Cyclopropan
 
 Spiro[2.2]pentan
 
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 110
 
 8 Cycloalkane
 
 Dreiringe bilden sich auch durch doppelte C-Alkylierung von Malonsäurediethylestern mit 1,2Dihalogenalkanen. Dieses Prinzip ist im Gegensatz zur GUSTAFSON-Synthese auf die Darstellung von Vier-, Fünf- und Sechsringen (aus 1,3-, 1,4- und 1,5-Dihalogenalkanen) übertragbar. Br CH 2 CH 2 Br
 
 +
 
 Na
 
 COOC 2H5 IC H COOC 2H5
 
 − NaBr
 
 COOC2H 5 H 2C C H Br CH COOC2H 5
 
 + C2H 5ONa
 
 Na _ H 2C C
 
 − C2H 5OH
 
 COOC 2H 5
 
 Br CH2 COOC2H 5
 
 2
 
 − NaBr Decarboxylierung − CO2
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 Verseifung − + 2 H2O (OH )
 
 CO2C 2H5
 
 CO2H
 
 − 2 C2H 5OH
 
 CO2C 2H5 Cyclopropan-1,1-dicarbonsäurediethylester
 
 Cyclopropancarbonsäure
 
 8.6.2
 
 Vierring-Synthesen
 
 [2+2]-Cycloaddition Vierringe bilden sich allgemein durch [2+2]-Photocycloaddition von Alkenen (Kap. 4.5.13). Sind die Alkene durch elektronegative Reste (F, CN) substituiert, so gelingt die [2+2]-Cycloaddition auch ohne UV-Bestrahlung in der Hitze. 1,3-Butadien H C CH2 H 2C C H + F 2C CF 2 Tetrafluorethen
 
 Acrylnitril CH CH 2 H F
 
 F F F
 
 1,1,2,2-Tetrafluor3-vinylcyclobutan
 
 CN H2C C H + CN H2C C H
 
 CN
 
 CN H H
 
 H
 
 sowie
 
 CN
 
 CN trans-
 
 H cis-
 
 1,2-Dicyanocyclobutan
 
 Alkylketene dimerisieren spontan durch [2+2]-Cycloaddition zu Cyclobutan-Derivaten. Unsubstituiertes Keten (R = H) cyclodimerisiert unter Beteiligung einer Carbonyl-Gruppe (=C=O) zu dem als Diketen bekannten Oxacyclobutan, einem Konstitutionsisomer des Cyclobutan-1,3-dions. R C C O
 
 R
 
 +
 
 R O C C R Dialkylketen
 
 R
 
 O
 
 R O
 
 R R
 
 Tetraalkylcyclobutan1,3-dion
 
 H 2C C
 
 H2C +
 
 O
 
 CH 2 C
 
 Keten
 
 O
 
 O
 
 O
 
 Diketen
 
 Weitere allgemeine Methoden der Cyclobutan-Synthese sind die doppelte Alkylierung von Malonsäurediestern mit 1,3-Dihalogenalkanen in Analogie zur Cyclopropan-Synthese sowie die Ringerweiterung geeignet substituierter Cyclopropane (Kap. 8.7.2).
 
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 8.6
 
 Cycloalkan-Synthesen
 
 8.6.3
 
 111
 
 Fünfring-Synthesen
 
 Cyclisierung bifunktioneller Verbindungen Die DIECKMANN-Esterkondensation (Kap. 17.11.5) von Hexan-1,6-disäurediester (Adipinsäurediester) in Gegenwart einer starken Base (z. B. Natriumalkoholat) führt zu 2-Alkoxycarbonylcyclopentanon. Aus dieser Schlüsselverbindung können weitere substituierte Cyclopentane dargestellt werden. CH2
 
 CO2C2H 5
 
 C OC H 2 5 O Adipinsäurediethylester
 
 H NaOC2H5
 
 CO2C 2H5
 
 − C2H5OH
 
 O 2-Ethoxycarbonylcyclopentanon
 
 Unter mehreren alternativen Cyclopentan-Synthesen durch Ringschluß bifunktioneller Verbindungen ist die doppelte Alkylierung von Malonsäurediestern mit 1,4-Dihalogenalkanen in Analogie zur Cyclopropan-Synthese (Kap. 8.6.1) von Bedeutung.
 
 Ringerweiterungen, Ringverengungen Cyclopenten-Ringe bilden sich durch thermische Expansion von Vinylcyclopropanen; die Reaktionsbedingungen hängen von den Substituenten ab: LiO 400 °C
 
 Vinylcyclopropan
 
 25 °C
 
 Cyclopenten
 
 2-Vinylcyclopropanolat
 
 LiO
 
 Cyclopenten4-olat
 
 Treibende Kraft ist die Ringspannung des Cyclopropans, wobei sich σ- und π-Bindungen zum weniger gespannten Fünfring reorganisieren (sigmatrope Reaktion). Ringerweiterungen von Cyclobutan-Derivaten (Kap. 8.7.2), Ringverengungen von Cyclohexan-Derivaten (FAVORSKIIUmlagerung, Kap. 26.2.1) sowie die [2+2+1]-Cycloaddition (Kap. 7.5.8) sind weitere Möglichkeiten zur Synthese von Fünfringen.
 
 8.6.4
 
 Sechsring-Synthesen
 
 [4+2]-Cycloaddition Von allen Sechsring-Synthesen ist die [4+2]-Cycloaddition (DIELS-ALDER-Reaktion, Kap. 6.5.4) am vielseitigsten anwendbar. Dabei cycloaddiert ein Alken als Dienophil an ein 1,3-Dien unter Bildung eines Cyclohexens (Addukt). X + 1,3-Dien
 
 X
 
 X oder
 
 Y Dienophil
 
 Y Y Addukt : X,Y-substituiertes Cyclohexen (relative Konfiguration des Dienophils bleibt erhalten)
 
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 112
 
 8 Cycloalkane
 
 Besonders leicht und ergiebig verläuft die [4+2]-Cycloaddition mit Donor-substituierten (elektronenreichen) 1,3-Dienen wie 1-Methoxy-1,3-butadien und Akzeptor-substituierten (elektronenarmen) Dienophilen wie Tetracyanoethen. Andere hochreaktive Dienophile sind Maleinsäureanhydrid, p-Benzochinon, Acetylendicarbonsäurediester und Tetrachlorcyclopropen. O
 
 O H
 
 NC O
 
 H
 
 NC
 
 O
 
 C C
 
 CO2CH 3
 
 CN
 
 p-Benzochinon
 
 Cl
 
 C
 
 CN
 
 Tetracyanoethen
 
 Cl
 
 Cl
 
 CO2CH 3
 
 O
 
 Maleinsäureanhydrid
 
 Cl
 
 C
 
 Acetylendicarbonsäuredimethylester
 
 Tetrachlorcyclopropen
 
 Alternativ gibt es auch DIELS-ALDER Reaktionen mit inversem Elektronenbedarf, bei denen das 1,3-Dien elektronenarm und das Dienophil elektronenreich ist. [4+2]-Cycloadditionen verlaufen nur mit 1,3-Dienen in der s-cis-Konformation. Als wahrscheinlich gilt ein Vierzentren-Mechanismus, bei dem sich die sechs beteiligten π-Elektronen im cyclischen Übergangszustand gleichmäßig verteilen (Kap. 6.5.4). Dabei arrangieren sich 1,3-Dien und Dienophil so, daß die π-Elektronensysteme beider Partner optimal überlappen. Dies erklärt die Stereoselektivität, d. h. die bevorzugte Bildung des endo-Addukts unter milden Bedingungen (kinetische Kontrolle), z. B. bei der [4+2]-Cycloaddition von Maleinsäureanhydrid an Cyclopentadien zu endo-Bicyclo[2.2.1]hept-5-en-2,3-dicarbonsäureanhydrid. O +
 
 1,3-Cyclopentadien
 
 O O Maleinsäureanhydrid
 
 O
 
 O
 
 oder
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O O O O
 
 endo- (nach innen) O
 
 O exo- (nach außen)
 
 O
 
 Bicyclo[2.2.1]hept-5-en-2,3-dicarbonsäureanhydrid
 
 Reduktion von Benzen-Derivaten Viele substituierte Cyclohexane werden durch katalytische Hydrierung entsprechend substituierter Benzene hergestellt. Präparative Bedeutung hat die Reduktion von Benzen-Derivaten zu 1,4Cyclohexadienen mit Natrium in flüssigem Ammoniak (BIRCH-Reduktion). C(CH3)3
 
 + 3 H2 (Pd)
 
 + 2 Na, + 2 NH3
 
 C(CH3)3
 
 − 2 NaNH2
 
 t-Butylbenzen
 
 t-Butylcyclohexan
 
 Benzen
 
 1,4-Cyclohexadien
 
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 8.6
 
 Cycloalkan-Synthesen
 
 8.6.5
 
 113
 
 Siebenring-Synthesen
 
 COPE-Umlagerung Ein gutes Konzept zur Synthese von Siebenringen ist die COPE-Umlagerung ([3,3]sigmatrope Verschiebung, Kap. 26.5.2) von Divinylcyclopropan (Kap. 8.6.1) zu 1,4-Cycloheptadien; die analoge Reaktionsfolge führt vom Benzen zum 1,3,5-Cycloheptatrien: +
 
 COPE-Umlagerung
 
 [ ICH2 ] Carben aus Diazomethan
 
 1,3,5-Hexadien
 
 +
 
 1,4Cycloheptadien
 
 Divinylcyclopropan
 
 COPE-Umlagerung
 
 [ ICH2 ]
 
 Benzen
 
 Bicyclo[4.1.0]heptadien
 
 1,3,5Cycloheptatrien
 
 [5+2]-Cycloaddition Die Ringspannung des Cyclopropans treibt auch die durch Rhodium(I)-Komplexe katalysierte [5+2]-Cycloaddition von Vinylcyclopropan (C5) und Alkenen (C2) zu Cyclohepten: +
 
 Rh2Cl2(CO)4, ∆
 
 Vinylcyclopropan + Ethen
 
 Cyclohepten
 
 Eine intramolekulare Variante der Reaktion bewährt sich zur Synthese des Bicyclo[5.3.0]decans (Guajan), Grundskelett der Inhaltsstoffe einiger Pflanzenfamilien: Rh2Cl2(CO)4, ∆
 
 1-Cyclopropyl-1,6-heptadien
 
 Bicyclo[5.3.0]2-decen
 
 Ring-Homologisierung Die Homologisierung von Cyclohexanon mit Diazomethan (Methylen-Einschiebung) führt zu Cycloheptanon, aus dem mehrere weitere Cycloheptan-Derivate zugänglich sind. O + Cyclohexanon
 
 8.6.6
 
 CH 2N2
 
 O
 
 − N2
 
 O Cycloheptanon
 
 Cyclooctanon als Nebenprodukt
 
 Synthese mittlerer und großer Ringe
 
 Cyclooligomerisierungen Alkine cyclotrimerisieren zu Benzen-Derivaten und cyclotetramerisieren zu Cyclooctatetraenen (Kap. 7.5.6). 1,5-Cyclooctadien bildet sich durch Cyclodimerisierung des 1,3-Butadiens in Ge-
 
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 114
 
 8 Cycloalkane
 
 genwart von Cobalt-π-Komplexen als Katalysatoren. In Gegenwart von Nickeltetracarbonyl cyclotrimerisiert 1,3-Butadien auch zu trans,trans,trans-Cyclododecatrien (als Nickel-π-Komplex). Co-π-Komplex
 
 Ni(CO4 )
 
 Ni 1,5,9-Cyclododecatrien (als Nickel-π-Komplex)
 
 1,5-Cyclooctadien
 
 Ringschluß-Metathese Die intramolekulare Metathese (Kap. 4.5.14) terminaler Diene eignet sich zur Synthese mittlerer und großer Ringe. Das bei der Ringschluß-Metathese als Nebenprodukt entstehende Ethen entzieht sich dem Gleichgewicht als Gas und hinterläßt das schwerer flüchtige Cycloalken: PR3
 
 Kat.
 
 Kat. =
 
 +
 
 Cl Cl
 
 Ru PR3
 
 R'
 
 Cyclononen
 
 1,10-Undecadien
 
 GROB-Fragmentierung Die GROB-Fragmentierung von 1,3-Diolen und anderen 1,3-disubstuierten Alkanen zu CarbonylVerbindungen (Y = OH) und Alkenen gestattet eine Synthese mittlerer Ringe aus geeignet disubstituierten Bicyclen. 1,5-Dihydroxy-trans-decalin-1-tosylat öffnet sich zum Cyclodec-5-en-1-on. OTs Y
 
 C
 
 C
 
 C
 
 Base
 
 X
 
 Y
 
 −X
 
 C
 
 Y = OH, NR 2 ; X = OTs, Cl, Br, I Ts = p-Toluensulfonyl- (Tosyl) : SO2
 
 +
 
 C
 
 C H
 
 CH3
 
 NaH − TsOH
 
 O
 
 1,5-Dihydroxy-trans-decalin-1-tosylat (Bicyclus)
 
 O trans-Cyclodec-5-en-1-on (Monocyclus)
 
 Cyclisierung bifunktioneller Verbindungen Von den vielen Möglichkeiten zur Synthese mittlerer und großer Ringe durch Cyclisierung bifunktioneller Verbindungen wird eine kleine Auswahl skizziert. intramolekulare GLASER-Kupplung langkettiger Diine Makrocyclische 1,3-Diine bilden sich durch intramolekulare oxidative Kupplung terminaler Diine (Kap. 7.5.12). Cyclotetradeca-1,3-diin entsteht auf diese Weise aus Tetradeca-1,13-diin. Cu2+, Pyridin − 2 H+ , − 2 e0
 
 H
 
 −
 
 H Tetradeca-1,13-diin
 
 Cyclotetradeca-1,3-diin
 
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 8.7
 
 Reaktionen
 
 115
 
 Cyclisierung langkettiger Dinitrile (THORPE-ZIEGLER) α,ω-Dinitrile cyclisieren in Gegenwart starker Basen (Lithiumamide) zu cyclischen Iminonitrilen, die zu Cyclanon-2-carbonsäuren hydrolysiert werden. Letztere decarboxylieren in der Hitze zu den Cyclanonen. CH 2 C N
 
 starke Base in Ether
 
 CH C N
 
 (CH 2) n
 
 + H 2O (H3O+)
 
 (CH 2) n C NH
 
 CH 2 C N
 
 − NH 3
 
 CH 2
 
 (CH 2) n C O
 
 CH CO2H
 
 + 2 H2O (H 3O+)
 
 (CH 2) n C O
 
 − 2 NH3
 
 CH 2
 
 cyclisches Iminonitril
 
 α,ω-Dinitril
 
 CH C N
 
 CH 2 Cyclanon-2-carbonsäure
 
 α-Cyanocyclanon
 
 − CO2 (Hitze)
 
 CH 2 Cyclanon (Cycloalkanon)
 
 (CH 2) n C O CH 2
 
 Acyloin-Kondensation langkettiger Dicarbonsäurediester (PRELOG-STOLL) Natrium in siedendem Xylen (Xylol) reduziert α,ω-Dimethylester zu cyclischen Endiolaten, deren Hydrolyse cyclische Acyloine (α-Hydroxyketone, Kap. 17.10.2) ergibt. CO2CH 3
 
 + 4 Na
 
 (CH 2) n
 
 − 2 NaOCH 3
 
 CO2CH 3
 
 C
 
 O Na −2 NaOH
 
 C
 
 O Na cyclisches Endiolat
 
 α,ω-Dimethylester
 
 OH
 
 CH
 
 +
 
 + 2 H2O (H3O )
 
 (CH 2) n
 
 (CH2) n C
 
 O
 
 cyclisches Acyloin (α-Hydroxyketon)
 
 Bei der Synthese mittlerer und vor allem großer Ringe durch Cyclisierung bifunktioneller Verbindungen wird meist das Verdünnungsprinzip nach RUGGLI und ZIEGLER angewendet: Die Verwendung hochverdünnter Reaktionslösungen unterdrückt dabei die intermolekulare Polymerisation zugunsten der erwünschten intramolekularen Cyclisierung.
 
 8.7 Reaktionen Abgesehen von den Drei- und Vierringen verhalten sich die Cycloalkane und Cycloalkene wie Alkane und Alkene. Radikalische Substitutionen der Cycloalkane und Additionen an Cycloalkene sind möglich. So ergibt die radikalische Bromierung (Photohalogenierung, Kap. 3) des Cyclohexans Bromcyclohexan, +
 
 Br2
 
 hν Br Bromcyclohexan
 
 und die Addition von Brom an Cyclohexen führt über ein bicyclisches Bromonium-Ion stereospezifisch zum trans-1,2-Dibromcyclohexan (trans-Addition, Kap. 4.5.3): Br + Cyclohexen
 
 Br2
 
 + Br Br
 
 2
 
 1 2
 
 Br 1 Br Br trans-1,2-Dibromcyclohexan
 
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 116
 
 8 Cycloalkane
 
 Die Reaktivität kleiner Ringe, vor allem des Cyclopropans, wird von der Ringspannung geprägt; Belege hierzu sind einige typische Reaktionen (Öffnungen, Erweiterungen, Isomerisierungen).
 
 8.7.1
 
 Ringöffnungen
 
 Die präparativ bedeutungslose katalytische Hydrierung kleiner Cycloalkane zu den offenkettigen Alkanen spiegelt klar die Ringspannung wider: Während sich Cyclopropan bei moderaten Temperaturen zu Propan hydrieren läßt (Alken-Analogie), erfordern die Hydrierungen der größeren Ringe deutlich höhere Temperaturen. Im Gegensatz zu Alkenen ist Cyclopropan gegenüber Oxidationsmitteln wie KMnO4 stabil.
 
 H2 / Ni , 80 °C
 
 H2 / Ni , 180 °C
 
 H 3C CH2 CH3
 
 H2 / Ni , 300 °C
 
 H3C CH 2 CH2 CH3
 
 H3C CH2 CH2 CH2 CH3
 
 Ringöffnungen (1,3-Additionen) des Cyclopropans gelingen auch mit typischen Elektrophilen wie Brom, Bromwasserstoff und Schwefelsäure. Br
 
 + Br 2
 
 CH 2 CH 2 CH2 Br 1,3-Dibrompropan
 
 + H 2 SO4
 
 H 3C CH 2 CH 2 OSO3H 1-Propylhydrogensulfat Br
 
 + HBr
 
 H 3C Methylcyclopropan
 
 H 3C CH CH 2 CH 3 2-Brombutan (MARKOWNIKOW-Produkt)
 
 Cyclopropyl-Kationen, die bei Reaktionen substituierter Cyclopropane entstehen können, öffnen sich zu mesomeriestabilisierten Allyl-Kationen (Cyclopropyl-Allyl-Umlagerung). So führt die Diazotierung (Kap. 22.6.2) des Aminocyclopropans mit Natriumnitrit in Säure zum Allylalkohol. NH2 H Cyclopropylamin
 
 8.7.2
 
 + HNO2 − N2 − 2 H2O
 
 + 2 H 2O
 
 H 2C CH CH 2
 
 H Cyclopropyl-Kation
 
 − H 3O+
 
 Allyl-Kation
 
 H 2C CH CH 2 OH Allylalkohol
 
 Ringerweiterungen
 
 Bei der Reaktion von Aminomethylcyclopropan mit salpetriger Säure (Diazotierung mit Natriumnitrit in saurer Lösung, Kap. 22.6.2) entsteht über das Diazonium-Ion das CyclopropylmethylKation, welches sich unter 1,2-Verschiebung einer Ring-Bindung teilweise zum CyclobutylKation aufweitet (DEMJANOW-Umlagerung). Die nucleophile Addition von Wasser führt dann zu Cyclobutanol neben Hydroxymethylcyclopropan. NH2 CH2 NH2
 
 oder
 
 H
 
 + HNO2
 
 CH2
 
 − N2 − 2 H2O
 
 + 2 H2O − H3O+
 
 H CH2 OH
 
 sowie
 
 Hydroxymethylcyclopropan
 
 OH Cyclobutanol
 
 sowie
 
 H2C CH CH 2 CH2 OH 1-Buten-4-ol
 
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 8.7
 
 Reaktionen
 
 117
 
 Ringerweiterungen unter Nutzung der DEMJANOW-Umlagerung von Aminomethyl- und Hydroxymethylcycloalkanen eignen sich zur Synthese von Sieben- und Achtringen. Aus Aminomethylcyclohexan entstehen z. B. Cyclohepten und Cycloheptanol. Cyclohepten − [ H +]
 
 CH2 NH 2
 
 H + HNO2
 
 CH2 CH2
 
 − N2 − 2 H2O
 
 + 2 H2O
 
 H
 
 − H3O+
 
 CH 2 OH H Cycloheptanol
 
 Die analoge Reaktion cyclischer β-Aminoalkohole zu Cycloalkanonen ist als DEMJANOW-TIFFENEAU-Umlagerung bekannt. Aus 1-Aminomethylcycloheptanol wird z. B. Cyclooctanon. CH2 NH 2
 
 + HNO2
 
 CH 2
 
 OH
 
 − N2 − 2 H2O
 
 OH
 
 +
 
 −[H ]
 
 CH 2 OH
 
 O
 
 1-Aminomethylcycloheptanol
 
 8.7.3
 
 Cyclooctanon
 
 Transannulare Reaktionen mittlerer Ringe
 
 Aufgrund ihrer Konstitution und Konformation können mittlere Cycloalkan-Ringe diagonal durch den Ring (transannular) reagieren. Ein Beispiel ist die transannulare Hydrid-Verschiebung im protonierten Cyclooctenoxid. Infolgedessen entsteht nicht nur das erwartete trans-1,2-Cyclooctandiol, sondern auch das cis-1,4-Diol. trans-1,2-Cyclooctandiol
 
 H O H
 
 + H3O+
 
 H 1
 
 6 5
 
 4
 
 3
 
 2
 
 + H2O
 
 O H
 
 H
 
 − [ H+ ]
 
 OH
 
 H OH
 
 H Hydrid-Verschiebung von C-4 oder C-6 nach C-2
 
 H
 
 OH
 
 CH2
 
 − [ H+ ]
 
 HO
 
 H
 
 H
 
 OH
 
 + H2O cis-1,4-Cyclooctandiol
 
 8.7.4
 
 Valenzisomerisierungen, Valenztautomere
 
 Kleine Cycloalkane mit Vinyl- oder Allyl-Gruppen lagern sich thermisch zu stabileren Ringen um. Treibende Kraft ist die Ringspannung, wobei sich die Ring-σ- und die Vinyl-π-Bindungen simultan verschieben. Diese als COPE-Umlagerung bekannte [3,3]-sigmatrope Verschiebung wurde bereits als Methode zur Synthese von Siebenringen (Kap. 8.6.5) aus Divinylcyclopropan erwähnt. Entsprechend läßt sich 1,4-Cyclooctadien durch Erhitzen des 1,2-Divinylcyclobutans darstellen. Daneben gibt es in dynamischen Gleichgewichten balancierende COPE-Systeme wie 1,3,5-Cyclo-
 
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 118
 
 8 Cycloalkane
 
 octatrien mit verschiedenen und Homotropiliden mit identischen Edukten und Produkten, zwischen denen nur kleine Energiebarrieren liegen. COPE-Systeme mit derart fluktuierenden π- und σBindungen bezeichnet man als Valenztautomere. Prominentester Vertreter ist das Bullvalen mit über 106 identischen Valenztautomeren.
 
 1,3,5-Cyclooctatrien
 
 Bicyclo[4.2.0]octa-2,4-dien
 
 schnell
 
 Homotropiliden, ein fluktuierender Kohlenwasserstoff
 
 schnell
 
 Bullvalen, ein fluktuierender Kohlenwasserstoff mit etwa 1.2 x 10 6 identischen Valenzisomeren
 
 8.8 Reizvolle Ringe Reizvolle polycyclische Ringe, von denen abschließend eine Auswahl geboten wird, sind nicht nur für theoretische und physikalisch-chemische Untersuchungen interessant, sondern auch ständige Herausforderungen für organisch-chemische Synthesen. Von vielen Grundskeletten sind Analoga mit Heteroatomen und verknüpften Aromaten bekannt. Andere existieren nur mit stabilisierenden Substituenten. C(CH3) 3
 
 C(CH3) 3
 
 (H 3C) 3C
 
 (H3C) 3C Tetra-t-butyltetrahedran
 
 Prisman
 
 Cuban
 
 Basketan
 
 Asteran
 
 Barellen
 
 Radialen
 
 Hausan
 
 Vogelkäfig
 
 Twistan
 
 Congressan
 
 Dodecahedran
 
 Propellan
 
 Adamantan (Tricyclo[3.3.3.1.13,7]decan) als einfacheres Beispiel ist ein sehr stabiles Molekül mit starrer Konformation, das sich durch Hydrierung und anschließende Isomerisierung des DIELSALDER-Addukts von Cyclopentadien darstellen läßt. AlCl3 (Isomerisierung)
 
 + 2 H2 (Kat.)
 
 1 9
 
 7
 
 3
 
 5
 
 Dicyclopentadien
 
 Tetrahydrodicyclopentadien
 
 Adamantan
 
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 9.1 Struktur des Benzens
 
 119
 
 9 Benzen und Aromatizität Der Kohlenwasserstoff Benzen (traditionelle Bezeichnung "Benzol") mit der Summenformel C6H6 unterscheidet sich von den bisher besprochenen ungesättigten Verbindungen durch außergewöhnliche, im folgenden behandelte physikalische und chemische Eigenschaften. Man bezeichnet die Summe dieser Eigenschaften als Aromatizität und nennt organische Verbindungen mit Benzenanalogem Verhalten aromatisch.
 
 9.1 Struktur des Benzens Röntgenbeugung und spektroskopische Messungen zeigen, daß die sechs Kohlenstoff-Atome des Benzen-Moleküls ein ebenes regelmäßiges Sechseck bilden. Dabei ist der Abstand zwischen benachbarten Kohlenstoff-Kernen 139 pm, während die CH-Bindungen die von den Alkanen und Alkenen bekannte Länge von 109 pm aufweisen. Alle Bindungswinkel sind 120°. Abb. 9.1 zeigt die Molekülmodelle und skizziert diese Molekülgeometrie.
 
 H 120°
 
 H H
 
 H
 
 120° 139 pm
 
 109 pm
 
 H
 
 H
 
 Abb. 9.1. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell sowie Bindungslängen und Bindungswinkel des Benzens
 
 Zur Erklärung dieser Geometrie geht man davon aus, daß Kohlenstoff zur Bildung der σBindungen des Benzens sp2-Hybridorbitale betätigt. Das σ-Bindungs-Gerüst des Moleküls mit C−C−C- und C−C−H-Bindungswinkeln von 120° entsteht dann, indem jedes der sechs C-Atome zwei seiner sp2-Hybridorbitale mit denen zweier benachbarter C-Atome überlappt, so daß sich ein ebenes Sechseck von sechs CC-σ-Bindungen ergibt (Abb. 9.2). Das an jedem Ring-C-Atom
 
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 120
 
 9
 
 Benzen und Aromatizität
 
 verbleibende sp2-Hybridorbital überlappt mit je einem 1s-Orbital eines Wasserstoff-Atoms, so daß sich insgesamt sechs mit den CC-Bindungen koplanare CH-Bindungen bilden. An jedem C-Atom steht zusätzlich ein nicht hybridisiertes, einfach besetztes 2p-Orbital zur Verfügung, das senkrecht auf der Ebene der σ-Bindungen steht. p H
 
 H
 
 H
 
 σ
 
 H
 
 σ
 
 H
 
 H
 
 Abb. 9.2. Benzen-Modell, σ-Bindungen und nicht hybridisierte, koaxiale 2p-Orbitale
 
 Da alle σ-Bindungen des Benzens auf einer Ebene liegen, sind die Achsen aller sechs 2p-Orbitale parallel. Dies schafft die Voraussetzung für eine optimale seitliche Überlappung der 2p-Orbitale zu π-Molekülorbitalen. Nimmt man an, daß die sechs 2p-Orbitale paarweise zu drei π-Bindungen überlappen, so wäre Benzen ein Molekül mit alternierenden CC-Einfach- und Doppelbindungen im Sinne eines 1,3,5-Cyclohexatriens. Längere CC-Einfachbindungen mit dem Abstand 154 pm und kürzere CC-Doppelbindungen mit 134 pm würden sich im Ring abwechseln:
 
 H
 
 C
 
 H C
 
 154 pm
 
 H
 
 C
 
 H
 
 134 pm
 
 C
 
 C C
 
 H
 
 H
 
 Alle CC-Bindungslängen des Benzens sind jedoch gleich (Abb. 9.1), nämlich 139 pm. Benzen ist demnach kein 1,3,5-Cyclohexatrien; alle Versuche, das hypothetische 1,3,5-Cyclohexatrien herzustellen, führen zum Benzen. Man kann in Benzen somit nicht zwischen CC-Einfach- und Doppelbindungen unterscheiden. Das Modell lokalisierter π-Bindungen, wie es für Alkene beschrieben wurde, läßt sich nicht auf Benzen übertragen. Vielmehr muß man sich vorstellen, daß die sechs 2p-Orbitale senkrecht zur Ebene des Kohlenstoffsechsecks gleichmäßig und fortlaufend überlappen. Die drei resultierenden πBindungen sind nicht an bestimmten Kohlenstoffpaaren lokalisiert, sondern die π-Elektronen verteilen sich gleichmäßig über und unter dem Kohlenstoff-Sechseck, wie es Abb. 9.3 skizziert.
 
 π
 
 H
 
 H C H
 
 C C
 
 C C
 
 H C H
 
 H
 
 (a)
 
 (b)
 
 H
 
 H C H
 
 C σ C π
 
 C C
 
 H C H
 
 H
 
 Abb. 9.3. a) Ringförmig überlappende p-Orbitale, b) Bereiche der σ- und π-Bindungen im Benzen
 
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 9.2 Hydrierwärme und Mesomerieenergie des Benzens
 
 121
 
 9.2 Hydrierwärme und Mesomerieenergie des Benzens Benzen ist eine überaus stabile, im Vergleich zu Alkenen und Polyenen sogar reaktionsträge Verbindung. Bekanntlich drückt man die Stabilität einer Verbindung durch ihre Energiedifferenz relativ zu einer sinnvollen Bezugssubstanz aus. Sinnvolle Bezugsverbindungen für Benzen sind Cyclohexen, 1,3-Cyclohexadien und das hypothetische 1,3,5-Cyclohexatrien. Um zu den Energiebeziehungen zwischen Benzen und diesen Verbindungen zu kommen, kann man von den für Cyclohexen, 1,3-Cyclohexadien und Benzen meßbaren Hydrierwärmen ausgehen. Hydriert man Cyclohexen, so wird eine Hydrierwärme von 120 kJ / mol frei. Die Hydrierung ist also exotherm. Für 1,3-Cyclohexadien erwartet man dann die doppelte Hydrierwärme. Experimentell findet man dagegen einen um 8 kJ / mol geringeren Betrag. + H2 (Kat.)
 
 Cyclohexen
 
 + 2 H2 (Kat.)
 
 Cyclohexan
 
 1,3-Cyclohexadien
 
 ∆H = − 120 kJ / mol
 
 Cyclohexan
 
 erwartet ∆H = − 240 kJ / mol gefunden ∆H = − 232 kJ / mol Differenz ∆H = − 8 kJ / mol
 
 Wie bereits gezeigt wurde (Kap. 6.2.2), ist ein konjugiertes Dien (z. B. 1,3-Hexadien) stabiler als das vergleichbare mit isolierten CC-Doppelbindungen (z. B. 1,4- oder 1,5-Hexadien). 1,3Cyclohexadien ist ein weiteres Beispiel eines konjugierten Diens. Seine Hydrierwärme ist kleiner als der erwartete Betrag. Den Unterschied von ∆Hres = − 8 kJ / mol führt man auf die Konjugation der CC-Doppelbindungen zurück. Offenbar ist 1,3-Cyclohexadien um 8 kJ / mol stabiler als ein Dien mit zwei isolierten CC-Doppelbindungen. Der Fehlbetrag von 8 kJ / mol kann daher als ein Maß für die Mesomerie- oder Resonanzenergie des Moleküls genommen werden (Abb. 9.4 a). Wäre Benzen "1,3,5-Cyclohexatrien", so müßte man die dreifache Hydrierwärme des Cyclohexens messen (360 kJ / mol). Der gefundene Betrag (209 kJ / mol) ist dagegen um 151 kJ / mol kleiner (Abb. 9.4 b). "1,3,5-Cyclohexatrien"
 
 Epot
 
 ∆Hres = − 151 kJ / mol
 
 1,3-Cyclohexadien ∆Hres = − 8 kJ / mol erwartet : ∆H = − 360 kJ / mol erwartet : ∆H = − 240 kJ/mol
 
 Benzen gefunden :
 
 gefunden : ∆H = − 232 kJ / mol
 
 (a )
 
 Cyclohexan
 
 ∆H = − 209 kJ / mol
 
 ( b)
 
 Abb. 9.4. Hydrierwärme und Mesomeriestabilisierung (a) des 1,3-Cyclohexadiens (b) des Benzens
 
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 122
 
 9
 
 Benzen und Aromatizität
 
 Demnach ist Benzen um 151 kJ / mol stabiler, d. h. energieärmer als das hypothetische 1,3,5Cyclohexatrien. Diesen Energieunterschied deutet man als die Mesomerieenergie ∆Hres des Benzens (Abb. 9.4 b). Die im Vergleich zu 1,3-Cyclohexadien extrem große Mesomeriestabilisierung des Benzens wird auf die cyclisch delokalisierten π-Bindungen in diesem Molekül zurückgeführt. Dieser die Aromatizität einer Verbindung offenbar kennzeichnende Bindungszustand wird durch mesomere Valenzstrich-Formeln oder mit Hilfe des Molekülorbital-Modells beschrieben.
 
 9.3 Valenzstrich-Formeln des Benzens Der Zustand eines Moleküls mit lokalisierter Doppelbindung läßt sich durch eine einzige Valenzstrichformel wiedergeben; Ethen ist das einfachste Beispiel, 1,5-Hexadien ein weiteres mit zwei isolierten Doppelbindungen. Ethen
 
 H 2C CH 2
 
 H2C CH CH 2 CH2 CH CH 2
 
 1,5-Hexadien
 
 Für Verbindungen mit konjugierten oder cyclisch konjugierten π-Bindungen wie 1,3-Butadien oder Benzen ist diese Wiedergabe unzulänglich. Benzen hat zwar nur eine Struktur (Abb. 9.1) und einen Bindungszustand, aber dieser kann nicht durch eine Valenzstrichformel, wie z. B. die eines 1,3,5-Cyclohexatriens dargestellt werden. Im Valenzstrich-Formalismus (engl.: valence bond, abgek.: VB) beschreibt man Benzen als ein Hybrid mehrerer energetisch gleichwertiger oder wenig verschiedener mesomerer Grenzformeln, den KEKULÉ- und DEWAR-Formeln (Abb. 9.5), und verbindet diese durch das Mesomeriezeichen ↔ (kein Gleichgewichts-Doppelpfeil). Keine dieser hypothetischen Strichformeln beschreibt für sich allein den Zustand des Benzens, sondern jede trägt zu einem bestimmten Prozentsatz zum Grundzustand des Moleküls bei, die beiden KEKULÉFormeln (Abb. 9.5) beispielsweise zu 70 %. Epot
 
 KEKULÉ-Formeln
 
 DEWAR-Formeln
 
 ∆Hres = − 151 kJ / mol
 
 Benzen
 
 Abb. 9.5. Energiebeziehung zwischen Benzen und seinen mesomeren Grenzformeln
 
 Jede mesomere Grenzformel des Benzens ist energiereicher als das Benzen-Molekül. Die Kombination aller mesomerer Grenzformeln ergibt indessen den energieärmeren Zustand des realen Moleküls. Der Energieunterschied zwischen Realmolekül und den mesomeren Grenzformeln, die Mesomerieenergie, ist umso größer, je mehr energetisch gleiche oder ähnliche Grenzformeln beteiligt sind. Im Falle des Benzens beträgt der Energieunterschied zwischen Grenzformeln und Realmolekül 151 kJ / mol (Abb. 9.5). Die DEWAR-Formeln sind etwas energiereicher als die KE-
 
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 9.4
 
 Molekülorbital-Modell des Benzens
 
 123
 
 KULÉ-Formeln; untereinander sind KEKULÉ- und DEWAR-Formeln dagegen energetisch gleich, d. h. entartet (Abb. 9.5). Bemerkenswerterweise lassen sich Valenzisomere des Benzens darstellen. Substituiertes Bicyclo[2.2.0]hexadien (DEWAR-Benzen) und ein Isomer entsteht z. B. durch Cyclotrimerisierung des 3,3-Dimethyl-1-fluor-1-butins bei tiefen Temperaturen. Beim Erhitzen isomerisieren die Primäraddukte jedoch zu den stabileren Benzen-Derivaten. C(CH3)3 3
 
 C
 
 0 °C
 
 (H3C)3C
 
 C F
 
 5
 
 C(CH 3)3 3 C(CH 3)3
 
 C(CH 3)3 (H3C)3C
 
 100 °C
 
 1
 
 C(CH 3)3
 
 F
 
 F F F 1,2,6-Trifluor-3,4,5-tri -t-butylbicyclo[2.2.0]hexa-2,5-dien (ein substituiertes DEWAR-Benzen)
 
 F F
 
 1,2,3-Trifluor-4,5,6-tri- t-butylbenzen
 
 9.4 Molekülorbital-Modell des Benzens Die Anwendung des Molekülorbital-Modells auf das Benzen-Molekül führt zu π-Bindungsorbitalen, welche sich über mehr als zwei C-Atome erstrecken. So ergibt die Linearkombination der ψFunktionen aller sechs koaxialen, in Abb. 9.2 skizzierten 2p-Orbitale des Benzens sechs Molekülorbitale: Drei bindende energieärmere π-Orbitale und drei antibindende energiereichere π*-Orbitale (Abb. 9.6). Die drei bindenden Molekülorbitale sind in Abb. 9.6 b dargestellt. Das energieärmste
 
 (a)
 
 (b)
 
 Abb. 9.6. π- und π*-Molekülorbitale des Benzens: (a) Energiebeziehung und Besetzung im Grundzustand, (b) räumliche Darstellung der besetzten π-Orbitale
 
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 124
 
 9
 
 Benzen und Aromatizität
 
 dieser π-Molekülorbitale erstreckt sich ringartig über und unter der Ebene des Benzen-Skeletts, wobei es das ganze Molekül umfaßt (Abb. 9.6 b). Im Grundzustand des Benzens besetzen die sechs π-Elektronen die drei bindenden π-Orbitale und führen so zu einer π-Elektronenverteilung über das Molekül, wie sie Abb. 9.7 andeutet.
 
 Abb. 9.7. π-Elektronenverteilung im Benzen
 
 9.5 Benzen-Formel Faßt man die Valenzstrich-Formulierung und das Molekülorbital-Modell zusammen, so kann man den Bindungszustand des Benzens sowohl als Hybrid mesomerer Grenzformeln als auch mit Hilfe delokalisierter π-Molekülorbitale beschreiben. Um beide Modellvorstellungen in einer Formel darzustellen, wird als Benzen-Formel ein regelmäßiges Sechseck mit einem einbeschriebenen Kreis gezeichnet; dieser Kreis soll das delokalisierte π-Elektronensextett symbolisieren. Üblich ist gleichwohl die nicht der Molekülgeometrie entsprechende 1,3,5-Cyclohexatrien-Schreibweise als eine der beiden KEKULÉ-Formeln, weil sich diese am besten zur Formulierung von Reaktionsmechanismen eignen. 6π
 
 oder
 
 üblich:
 
 9.6 HÜCKEL-Regel Mit Hilfe quantentheoretischer Rechnungen läßt sich zeigen, daß ein monocyclisches konjugiertes Polyen besonders stabil ist, wenn es (4N + 2) π-Elektronen enthält. Dabei ist N ganzzahlig, also 0, 1, 2, 3, usw. . Diese HÜCKEL-Regel ist als eine Art HUND-Regel (Kap. 1.3.4) zu verstehen: In einem cyclisch konjugierten m-Ring (Benzen: m = 6) stehen m π-Orbitale zur Verfügung, einschließlich der antibindenden. Von diesen sind die mittleren entartet, nicht dagegen das tiefste und − bei geradzahligem m − das höchste, wie Abb. 9.8 für m = 3 bis m = 8 zeigt. Stehen nun π-Orbitale verschiedener Energie zur Verfügung, so wird das energieärmste zuerst doppelt besetzt. Sind zwei weitere, entartete π-Orbitale verfügbar, so werden zunächst beide einfach, dann doppelt besetzt. Besonders stabil sind jedoch nur solche cyclisch konjugierten Polyene, bei denen alle bindenden π-Orbitale
 
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 9.6
 
 Hückel-Regel
 
 125
 
 doppelt belegt sind, auch die entarteten (Abb. 9.6a und Abb. 9.8). Das führt zu den π-Elektronenzahlen: 2; 2 + 4 = 6; 2 + 4x2 = 10; 2 + 4x3 = 14, usw., oder allgemein (2 + 4N) für N = 0, 1, 2, 3, usw. . Die relativen Energiedifferenzen zwischen den π-Orbitalen der cyclisch konjugierten Polyene lassen sich geometrisch konstruieren: Man zeichnet die regelmäßigen m-Ecke mit einer Spitze nach unten in einen Kreis ein, wie Abb. 9.8 für den Drei-, Vier-, Fünf-, Sechs-, Sieben- und Achtring zeigt. Die Positionen der Ecken ergeben dann für jeden Ring die relativen Energieniveaus ("FROST-MUSULIN-Diagramme").
 
 CyclopropeniumKation m-Eck, m = N (HÜCKEL) π-Elektronen
 
 Cyclobutadien
 
 5 1 6
 
 4 − 4
 
 3 0 2
 
 CyclopentadienidAnion
 
 Benzen
 
 CycloheptatrieniumKation
 
 Cyclooctatetraen
 
 6 1 6
 
 7 1 6
 
 8 − 8
 
 m-Eck, m = N (HÜCKEL) π-Elektronen
 
 Abb. 9.8. Relative π-Orbital-Energieniveaus und ihre Besetzung mit π-Elektronen bei cyclisch konjugierten Polyenen und Polyen-Ionen
 
 Verteilt man die π-Elektronen für jeden Ring nach der HÜCKEL-Regel, so ergibt sich, daß das Cyclopropenium-Kation (N = 0), das Cyclopentadienid-Anion (N = 1), Benzen (N = 1), das Cycloheptatrienium-Kation (N = 1) und das Cyclooctatetraen-Dianion (N = 2) besonders stabil sind, Cyclobutadien und Cyclooctatetraen dagegen nicht (Abb. 9.8). Cyclooctatetraen ist, im Gegensatz zu Benzen, kein ebenes Molekül und kann schon deshalb kein Aromat sein.
 
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 9
 
 Benzen und Aromatizität
 
 9.7 Aromatische Verbindungen, Überblick Vier herausragende Merkmale kennzeichnen das Benzen: ̈ Es ist ein ebenes Molekül. ̈ Seine π-Bindungen sind konjugiert und cyclisch delokalisiert. ̈ Seine Mesomerieenergie ist außergewöhnlich groß (151 kJ/mol). ̈ Die Anzahl seiner π-Elektronen folgt der HÜCKEL-Regel [6 = (2+4N) für N = 1]. Verbindungen, welche mindestens die ersten drei dieser Eigenschaften mit Benzen teilen, werden als aromatisch definiert. Man unterscheidet dabei vier Klassen: Benzoide, monocyclische nichtbenzoide und polycyclische Aromaten sowie Heteroaromaten, wobei die HÜCKEL-Regel streng genommen nur für benzoide und monocyclische nicht benzoide Aromaten gilt. Benzoide Aromaten (Kap. 9) enthalten den Benzen-Ring als wesentlichen Baustein. Toluen, Brombenzen oder Benzoesäure gehören zu dieser Stoffklasse. CH 3
 
 Toluen
 
 Br
 
 OH
 
 Brombenzen
 
 NO2
 
 Phenol
 
 NH 2
 
 Nitrobenzen
 
 Anilin
 
 CO2H
 
 Benzoesäure
 
 SO3H
 
 Benzensulfonsäure
 
 Nichtbenzoide monocyclische Aromaten (Kap. 30) sind ebene, konjugierte Cyclopolyene, deren πElektronenzahl der HÜCKEL-Regel folgt. Vertreter dieser Klasse sind das Cyclopropenium-Kation, das Cyclopentadienid-Anion, das Cycloheptatrienium-Kation (Abb. 9.8) und das Cyclooctatetraen-Dianion, sowie die Makrocyclen [14]- und [18]-Annulen. Allerdings behindern im [14]Annulen sterische Wechselwirkungen der vier inneren H-Atome Koplanarität und Aromatizität. H
 
 H H H
 
 HH
 
 [14]-Annulen
 
 HH
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H H H
 
 H H
 
 [18]-Annulen
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 In kondensierten oder polycyclischen Aromaten (Kap. 12) sind mehrere Benzen-Ringe linear oder gewinkelt aneinander kondensiert ("anneliert" von lat. anulus = Ring). Der einfachste polycyclische Aromat ist das Naphthalen, in dem zwei Benzen-Ringe aneinander gebunden sind.
 
 Naphthalen
 
 Die lineare Kondensation von drei Benzen-Ringen führt formal zum Anthracen, die gewinkelte ("angulare" von lat. angulus = Ecke, Winkel) zum Phenanthren. Ähnlich wie Benzen können polycyclische Aromaten als Hybride mesomerer Grenzformeln geschrieben werden. Dabei kann allerdings nicht mehr jedem Benzen-Ring ein vollständiges π-Elektronensextett zugeordnet wer-
 
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 9.7
 
 Aromatische Verbindungen, Überblick
 
 127
 
 den, und das Ringsystem ist umso energieärmer, je mehr autonome π-Elektronensextetts formuliert werden können (CLAR-Regel). Phenanthren ist demnach stabiler als Anthracen, wie die etwas größere Mesomerieenergie bestätigt (Kap. 12.2).
 
 Anthracen (3 mesomere Grenzformeln mit je einem autonomen π-Elektronensextett)
 
 Phenanthren (4 mesomere Grenzformeln mit je zwei autonomen π-Elektronensextetts)
 
 Aromatische Heterocyclen oder Heteroaromaten, z. B. Furan, Pyrrol, Thiophen und Pyridin (Kap. 34), sind ebene Moleküle mit cyclisch konjugierten π-Bindungen und einem Heteroatom mit nichtbindenden (n-) Elektronenpaaren als Ringglied. Sie zeigen physikalische und chemische Eigenschaften, die denen des Benzens sehr ähnlich sind. Sie können ebenso als Hybride mesomerer Grenzformeln geschrieben werden. Dabei muß man berücksichtigen, daß sich die nElektronenpaare des Heteroatoms an der Mesomerie beteiligen können wie z. B. im Pyrrol, daß ein Heteroatom aber auch π-Elektronenpaare formal übernehmen kann wie z. B. der PyridinStickstoff. Je nach Bindigkeit sind die Heteroatome dann positiv oder negativ geladen. H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 N _
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 \
 
 /
 
 \
 
 _ S _
 
 Furan
 
 Thiophen
 
 / mesomere Grenzformeln des Pyrrols
 
 _ N
 
 _ O _
 
 _ N
 
 _ N _
 
 _ N _
 
 _ N _
 
 mit analogen mesomeren Grenzformeln
 
 mesomere Grenzformeln des Pyridins
 
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 10 Benzoide Aromaten
 
 10 Benzoide Aromaten 10.1 Nomenklatur benzoider Aromaten 10.1.1
 
 Monosubstituierte Benzene
 
 Benzoide Aromaten sind substituierte und kondensierte Benzen-Derivate. Zur Nomenklatur monosubstituierter Derivate setzt man die Namen der Substituenten vor die StammgerüstBezeichnung "-benzen". Für "Aminobenzen" und "Hydroxybenzen" werden die Bezeichnungen Anilin bzw. Phenol bevorzugt (Kap. 9.7), weil sich von beiden Verbindungen Stoffklassen mit typischen Eigenschaften ableiten lassen (Aniline und Phenole). Der Phenyl-Rest in monosubstituierten Derivaten wird oft durch −C6H5 , −Ph oder −Φ abgekürzt.
 
 10.1.2
 
 Mehrfach substituierte Benzene
 
 Die relative Stellung zweier gleicher oder verschiedener Substituenten am Benzen-Kern wird durch Positionsziffern oder Präfixe wie ortho (o-) für 1,2-, meta (m-) für 1,3- und para (p-) für 1,4-disubstituierte Benzene angegeben. 1,2-, 1,3- und 1,4-disubstituierte Benzene mit jeweils gleichen Substituenten sind Konstitutionsisomere. Substituenten werden in alphabetischer Folge ihrer Anfangsbuchstaben aufgezählt. Für bekanntere Verbindungen sind Trivialbezeichnungen in Gebrauch, z. B. m-Toluidin anstelle von 3-Aminotoluen. CH3
 
 Br
 
 CH 3
 
 NO2
 
 CH3 1,2-Dimethylbenzen o-Xylen
 
 CH3
 
 NH 2
 
 CH3 1,4-Dimethylbenzen p-Xylen
 
 NH 2 1,4-Diaminobenzen p-Phenylendiamin
 
 Br
 
 CH3
 
 1,2-Dibrombenzen o-Dibrombenzen
 
 1,3-Dimethylbenzen m-Xylen
 
 NO2 1,3-Dinitrobenzen m-Dinitrobenzen
 
 Bei höher substituierten Benzenen ist zur Positionsangabe die kleinstmögliche Zahlenkombination zu wählen. Der Substituent der Stammverbindung belegt die Position 1. F
 
 CO2H
 
 CH 3
 
 NH 2 NO2
 
 CN
 
 O2N
 
 CH 2Br
 
 NO2 F
 
 Stammverbindung
 
 NO2
 
 C 2H 5
 
 2,4-Dinitrofluorbenzen Fluorbenzen
 
 2-Cyano-4-ethylanilin Anilin
 
 NO2 2,4,6-Trinitrotoluen Toluen
 
 F
 
 2-Brommethyl3,5-difluorbenzoesäure Benzoesäure
 
 Aliphatisch aromatische Kohlenwasserstoffe , bei denen Alkyl-, Alkenyl- oder Alkinyl-Substituenten an Benzen-Ringe gebunden sind, nennt man Arene; Cumen, m-Ethyltoluen, Mesitylen und Pseudocumen sind z. B. konstitutionsisomere Arene.
 
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 10.2 Gewinnung aromatischer Kohlenwasserstoffe
 
 CH(CH 3)2
 
 129
 
 CH3
 
 C 2H5
 
 CH3 CH 3
 
 H 3C
 
 CH3 Cumen Isopropyl-
 
 CH 3 CH3
 
 Mesitylen 1,3,5-Trimethylbenzen
 
 m-Ethyltoluen 3-Ethyl-1-methyl-
 
 Pseudocumen 1,2,4-Trimethyl-
 
 H3C
 
 CH3
 
 H3C
 
 CH3
 
 Duren 1,2,4,5-Tetramethyl-
 
 Aliphatisch-aromatische Verbindungen mit längerer Aliphatenkette oder mehr als einem PhenylRest können nach IUPAC als Aliphaten-Derivate bezeichnet werden (Phenylalkane, Phenylalkene, Diphenylalkane, Diphenylalkene, Diphenylethin). Gängiger sind Trivialbezeichnungen wie Styren (früher Styrol) für Phenylethen, Stilben für Diphenylethen und Tolan für Diphenylethin. CH CH CH2
 
 CH CH 2
 
 H
 
 H C
 
 C
 
 C
 
 C
 
 H
 
 3-Phenylpropen Allylbenzen
 
 Phenylethen Styren (Styrol)
 
 Biphenyl
 
 (E)-Diphenylethen trans-Stilben
 
 Terphenyl
 
 C C
 
 C C H
 
 H
 
 (Z)-Diphenylethen cis-Stilben
 
 Phenylethin Ethinylbenzen
 
 Diphenylethin Tolan
 
 CH2
 
 CH2 CH2
 
 Diphenylmethan
 
 1,2-Diphenylethan
 
 10.2 Gewinnung aromatischer Kohlenwasserstoffe 10.2.1
 
 Aus Steinkohle
 
 Die Verkokung der Steinkohle bei Temperaturen von 1 000 – 1 300 °C liefert je nach Lagerstätte und Art der Prozeßführung unterschiedliche Mengen an gasförmigen, flüssigen, teerigen und festen Produkten. Die fraktionierte Destillation und Extraktion des flüssigen Rohteers stellt viele wertvolle aromatische Verbindungen bereit. Große Mengen an Benzen, Toluen, Xylenen und kondensierten Aromaten wie Naphthalen werden auf diese Weise gewonnen. Durch sauere Extraktion können Heterocyclen wie Pyridin, durch basische Extraktion Phenole isoliert werden.
 
 10.2.2
 
 Aus Erdöl
 
 Das für die chemische Industrie wertvolle, leider überwiegend zur Energiegewinnung verbrannte Rohöl enthält je nach Herkunft zahlreiche aromatische Verbindungen. Doch kann der Bedarf an aromatischen Grundstoffen nur durch zusätzliche Cyclisierungen und Dehydrierungen bestimmter Alkan-Fraktionen des Erdöls gedeckt werden. Benzen läßt sich kontinuierlich durch Überleiten
 
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 130
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 von n-Hexan über Chrom-Aluminium-Oxide unter Druck und bei hoher Temperatur gewinnen. Mit Hilfe von Platin-Katalysatoren kann Toluen aus n-Heptan durch Cyclisierung und Dehydrierung (Aromatisierung, Dehydrocyclisierung, Platforming-Prozeß) hergestellt werden. CH3 CH3
 
 Cr 2O3 / Al2O3 , 500 °C
 
 CH3
 
 CH 3 Pt , 500 °C
 
 CH3
 
 n-Hexan
 
 n-Heptan
 
 Benzen
 
 Toluen
 
 10.3 Eigenschaften Benzen ist eine farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit mit einem Schmelzpunkt von + 5.5 °C und einem Siedepunkt von 80.1 °C. Diese Daten des Benzens stimmen fast genau mit denen des Cyclohexans als vergleichbarem Cycloalkan (Schmp. 6.4 °C, Sdp. 80.8 °C) überein. Polare Moleküle können mit der π-Elektronenwolke des Benzens in Wechselwirkung treten. Dies zeigt sich daran, daß Benzen und seine Derivate ein wesentlich breiteres Lösungsvermögen als Alkane haben; so ist Benzen mit allen üblichen organischen Lösemitteln vollständig mischbar. Wasser löst sich in Benzen nur zu 1 %. Benzen oder Toluen können u. a. als Schlepper für Wasser bei Azeotropdestillationen dienen. Technisch "reines" Benzen enthält bis zu 0.5 % Thiophen, das sich nur durch chemische Reaktion entfernen läßt. Benzen ist, über längere Zeiträume eingeatmet, sehr toxisch, da es rote Blutkörperchen schädigt. Im Organismus bilden sich ferner Epoxide des Benzens (Arenoxide), die nicht weiter metabolisiert werden und Krebs erzeugen können.
 
 10.4 Benzen-Derivate durch elektrophile Substitution Im Vergleich zu den Alkenen ist das cyclisch konjugierte Ringsystem des Benzens wesentlich stabiler gegenüber chemischen Reagenzien (Tab. 10.1). Die für Alkene typischen Additionen beobachtet man beim Benzen nur vereinzelt. Sehr wenige Alken-Reaktionen, z. B. die Ozonolyse, weisen die Gegenwart dreier Doppelbindungen entsprechend der KEKULÉ-Formel (Kap. 9.3) nach. Tab. 10.1. Reaktivitäten der Alkene und des Benzens Reagenzien Br2 in CCl4, 20 °C HI heiße KMnO4-Lösung H+ oder freie Radikale O3 (Ozon) / Zn, H+ H2 / Pt oder H2 / Ni
 
 Alken-Reaktion
 
 Benzen-Reaktion
 
 1,2-Addition keine 1,2-Addition keine Oxidation keine Polymerisation keine Bildung von Aldehyden oder Ketonen Bildung von Glyoxal Hydrierung bei tiefer Temp. Hydrierung nur bei hoher Temp. und geringem Druck und hohem Druck
 
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 10.4 Benzen-Derivate durch elektrophile Substitution
 
 131
 
 Der aromatische Charakter prägt die Reaktivität des Benzens. Substitutionsreaktionen dominieren. Dieses Verhalten läßt sich mit der starken Neigung des Benzens erklären, sein stabiles πElektronensextett zu bewahren oder nach Störung zu regenerieren (regenerative Reaktivität).
 
 10.4.1
 
 Elektrophile aromatische Monosubstitution
 
 Kraft seines π-Elektronensextetts ist das Benzen-Molekül nucleophil und reagiert deshalb vorwiegend mit Elektrophilen Y+ (Reagenzien mit Elektronen-Defizit, z. B. Kationen). Dabei wird ein H-Atom am Benzen-Ring durch Y ersetzt. Diese elektrophile aromatische Substitution ist die bedeutendste und typischste Reaktion der Aromaten (Kap. 11). Sie beginnt mit einer lockeren Anlagerung des Elektrophils Y+ an die π-Elektronenwolke des Benzens (∆EA klein); aus dem gebildeten π-Komplex entwickelt sich nach Störung des π-Elektronensextetts ein Phenonium-Ion ("σKomplex", ∆EA groß); das mesomeriestabilisierte Phenonium-Ion rearomatisiert unter Deprotonierung über einen π-Komplex zum monosubstituierten Benzen. Y Y
 
 π-Komplex
 
 Y H
 
 Y H
 
 Y
 
 H
 
 σ-Komplex: mesomeriestabilisiertes Phenonium-Ion
 
 H
 
 π-Komplex
 
 Y + Y
 
 + H
 
 Tab. 10.2 (S. 132) orientiert über Möglichkeiten zur Darstellung substituierter Benzene mit Hilfe der elektrophilen aromatischen Substitution. Die in Tab. 10.2 aufgeführten Katalysatoren sind meist starke LEWIS-Säuren. Manche elektrophile Substitutionen laufen nur mit Aromaten Ar* ab, welche reaktiver (nucleophiler) sind als unsubstituiertes Benzen, weil sie durch elektronenabgebende Gruppen (Elektronenpaar-Donoren wie OH oder NH2) substituiert sind.
 
 10.4.2
 
 Dipolmomente, Basizität und Reaktivität substituierter Benzene
 
 Unsubstituiertes Benzen besitzt aufgrund seiner hexagonalen Symmetrie kein Dipolmoment. Elektronenschub oder -zug der Substituenten induziert jedoch bei monosubstituierten Benzenen unsymmetrische Elektronendichte-Verteilungen und daher Dipolmomente (Tab. 10.3, S. 133). Elektronenabgebende Gruppen [Elektronenpaar-Donoren D, (+)-M-Substituenten] erhöhen die Elektronendichte des Benzen-Rings und damit dessen Nucleophilie gegenüber Elektrophilen. Dies führt zu einer erhöhten Reaktivität bei der Zweitsubstitution (aktivierende Substituenten). Elektronenanziehende Gruppen [Elektronenpaar-Akzeptoren A, (−)-M-Substituenten] vermindern die Elektronendichte des Benzen-Rings und damit dessen Nucleophilie gegenüber Elektrophilen. Bei Zweitsubstitutionen an diesen Aromaten wird die Reaktivität erniedrigt (desaktivierende Substituenten). Betrag und Richtung der Dipolmomente (Tab. 10.3, S. 133) resultieren aus den positiven und negativen induktiven und mesomeren Effekten der Substituenten.
 
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 132
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 Tab. 10.2. Darstellung substituierter Arene durch elektrophile aromatische Substitution (Ar = Phenyl und Aryl, A* = Phenyl und Aryl mit aktivierenden Substituenten Reaktion
 
 Reagenz , Katalysator
 
 Elektrophil Y
 
 Produkt
 
 Wasserstoff-Deuterium Austausch
 
 D2 SO4
 
 D
 
 Ar D Deuterioaren
 
 FRIEDEL-CRAFTSAlkylierung
 
 R X / Al C l3
 
 FRIEDEL-CRAFTSAcylierung
 
 R
 
 HOUBEN-HOESCHAcylierung
 
 GATTERMANNFormylierung
 
 O
 
 O
 
 O / Al C l 3
 
 C
 
 Ar R Alkylaren
 
 R Alkyl-Kation
 
 R
 
 X
 
 Ar
 
 C
 
 R Alkylarylketon (Phenon)
 
 Acyl-Kation
 
 O
 
 NH R
 
 R C N / H C l / Al C l 3
 
 Ar*
 
 C
 
 Ar*
 
 C
 
 H
 
 H
 
 O Ar*
 
 C
 
 C
 
 H Arenaldehyd O
 
 Cl
 
 O R2 N C / P O C l 3 H
 
 C
 
 Arenaldehyd
 
 O C O / Al C l 3 / Cu C l / H C l
 
 Formyl-Kation VILSMEIERFormylierung
 
 NH über Ar*
 
 C H
 
 Immonium-Ion GATTERMANN-KOCHFormylierung
 
 C
 
 O
 
 NH H
 
 NH über Ar*
 
 C
 
 R R Alkylarylketon (Phenon)
 
 Alkylimmonium-Ion
 
 H C N / H C l / Al C l 3
 
 C
 
 Ar*
 
 R2N C
 
 C
 
 H Arenaldehyd
 
 H
 
 O REIMER-TIEMANNFormylierung
 
 C H C l3 / KOH
 
 KOLBE-SCHMITTCarboxylierung
 
 C O2 / KOH
 
 BLANCChlormethylierung Hydroxymethylierung MANNICHAminomethylierung Halogenierung
 
 : C C l2
 
 Ar*
 
 H Arenaldehyd
 
 Dichlorcarben
 
 O
 
 O
 
 CH2
 
 O O C O Kohlendioxid
 
 Sulfonierung
 
 H 2 SO4 / SO3 rauchende Schwefelsäure
 
 OH Arencarbonsäure
 
 Ar* C H 2 OH subst. Benzylalkohol
 
 CH2 NR2 Dialkylaminomethyl-Kation
 
 Ar* C H 2 N R 2 subst. Benzyldialkylamin
 
 X Halogenonium-Ion
 
 Ar X Halogenaren
 
 X = C l, B r C l SO3 H
 
 C
 
 C H 2 OH Hydroxymethyl-Kation
 
 X2 / Al X 3 oder Fe X 3
 
 Chlorsulfonierung
 
 Ar*
 
 Ar* C H 2 C l subst. Benzylchlorid
 
 CH2 O / HX O / HNR2
 
 C
 
 CH2 Cl Chlormethyl-Kation
 
 O / H C l / Zn C l2
 
 CH2
 
 C
 
 Ar SO2 C l Arensulfonsäurechlorid
 
 SO2 C l Chlorsulfonium-Ion O O
 
 S
 
 O O
 
 O
 
 Nitrierung
 
 H N O3 / H 2 SO4 Nitriersäure
 
 O N O Nitronium-Ion
 
 Nitrosierung
 
 Na N O2 / H2 SO4
 
 N O Nitrosyl-Kation
 
 Azo-Kupplung
 
 Ar N 2 X Diazonium-Salz
 
 Mercurierung
 
 Hg X 2
 
 S
 
 O
 
 Ar N O 2 Nitroaren Ar* N O Nitrosoaren N
 
 Ar
 
 N N Ar N Diazonium-Kation Hg X
 
 Ar SO3 H Arensulfonsäure
 
 Ar N N Ar* Azoaren (Azo-Farbstoff) Ar H g X , Ar X Halogenaren über Halogenquecksilberaren
 
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 10.4 Benzen-Derivate durch elektrophile Substitution
 
 133
 
 Tab. 10.3. Dipolmomente monosubstituierter Benzene (gemessen in Benzen bei 20 - 25 °C)
 
 Substituent
 
 (+)-M- , (−)-I(+)-M- , (−)-I(+)-M- , (−)-I(+)-M- , (−)-I(+)-I-
 
 D = OH N(CH3)2 NH2 OCH 3 CH3
 
 1.6 1.6 1.5 1.2 0.4
 
 H
 
 0.0
 
 (−)-M- , (−)-I(+)-M- , (−)-I(+)-M- , (−)-I(+)-M- , (−)-I(−)-M- , (−)-I(−)-M- , (−)-I(−)-M- , (−)-I(−)-M- , (−)-I(−)-M- , (−)-I-
 
 10.4.3
 
 Dipolmoment
 
 SubstituentenTyp
 
 µ
 
 [Debye]
 
 A = CO2H I Br Cl CO2C 2H5 CHO COCH3 CN NO2
 
 Nucleophilie des Benzen-Kerns
 
 Richtung des Dipolmoments
 
 µ
 
 _ D
 
 µ
 
 1.0 1.3 1.5 1.6 1.9 2.8 2.9 3.9 4.0
 
 A
 
 µ
 
 Induktive Effekte von Substituenten am Benzen-Kern
 
 Die auf unterschiedlichen Elektronegativitäten von Atomen oder Gruppen beruhende Polarisierung von σ-Bindungen wird als induktiver Effekt bezeichnet. Dabei vermindert der stärker elektronegative Substituent die σ-Elektronendichte am weniger elektronegativen Bindungspartner. Der induktive Effekt eines Substituenten wirkt hauptsächlich am Bindungspartner; er klingt mit zunehmender Entfernung rasch ab. Je nachdem, ob der Substituent die σ-Elektronen anzieht oder abstößt, spricht man von Substituenten mit (−)-I-bzw. (+)-I-Effekt (Tab. 10.4). Tab. 10.4. Induktive Effekte von Substituenten am Benzen-Ring δ+ δ− C Y (−) - I -Effekt
 
 C H I -Effekt ~ 0
 
 Substituenten, die σ-Bindungselektronen stärker anziehen als Wasserstoff, sind stärker elektronegativ als H
 
 − NR 3 > −OR 2 > −F > −OR > −NR 2 Halogene Alkinyl- , Aryl- , Alkenyl-Gruppen Nitro- und Sulfonyl-Gruppen
 
 CarbonylGruppen
 
 −F > −Cl > −Br > −I
 
 O
 
 O C > OH
 
 O C > OR
 
 Substituenten, die σ-Bindungselektronen an die RingC-Atome schieben, sind weniger elektronegativ als H
 
 _ N _ R >
 
 _ OI _
 
 Alkyl-Gruppen
 
 C C R > −C 6H 5 > −CR CR 2 O > N O
 
 δ− δ+ C Y (+) - I -Effekt
 
 −C(CH 3)3 > −CH(CH 3)2 > −CH 2CH 3 > −CH 3
 
 S O OH O C > H
 
 O C R
 
 Halogenalkyl−CCl3 > −CHCl2 > −CH 2Cl >> −CH 2CH 2Cl Gruppen
 
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 134
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 (+)-I- und (−)-I-Effekte erhöhen bzw. erniedrigen die Basizität (Nucleophilie) des Benzen-Kerns und aktivieren bzw. desaktivieren diesen somit gegenüber Elektrophilen, was zunächst noch keine Vorhersage der Orientierung einer Zweitsubstitution ist.
 
 10.4.4
 
 Mesomere Effekte von Substituenten am Benzen-Kern
 
 Das Dipolmoment einer funktionellen Gruppe hängt davon ab, ob der Substituent an einen Alkyloder Aryl-Rest gebunden ist (Tab. 10.5). Tab. 10.5. Dipolmomente (µ [Debye]) von Substituenten an Ethan und Benzen (Gasphasen-Messungen) Substituent X
 
 C2H 5
 
 X
 
 C 6H5 X
 
 Vergleich
 
 −OH −Cl −Br
 
 1.69 2.05 2.01
 
 1.4 1.7 1.73
 
 µAryl < µAlkyl
 
 −NH2 −OCH 3 −COCH3 −NO2 −CN
 
 1.2 1.22 2.78 3.68 4.0
 
 1.48 1.35 3.0 4.21 4.39
 
 µAryl > µAlkyl
 
 Diese Unterschiede erklärt der mesomere Effekt (konjugativer Effekt, engl. resonance effect) . Darunter versteht man die Polarisierung von π-Bindungen durch Fähigkeit eines Substituenten, Elektronenpaare mit der Doppelbindung eines Alkens bzw. mit dem π-Elektronensextett des Benzens auszutauschen. Eine derartige Wechselwirkung ist möglich, wenn die p-Orbitale der Ring-CAtome mit den Orbitalen der Substituenten überlappen können. Günstige Überlappungsbedingungen sind gegeben, wenn der Substituent ebenfalls p-Orbitale bereitstellt. Mesomere Effekte haben eine größere Reichweite als induktive Effekte.
 
 ̈ Mesomerie der Halogenbenzene Die verschiedenen Reaktivitäten und physikalischen Eigenschaften aromatischer und aliphatischer Halogen-Verbindungen lassen sich nur teilweise durch Beteiligung mesomerer Grenzformeln (c), (d) und (e) am Grundzustand des Brombenzens erklären. Diese Grenzformeln berücksichtigen eine Wechselwirkung eines der drei nichtbindenden 3p-Elektronenpaare des Brom-Atoms mit den π-Elektronen des Benzen-Kerns (2p-Elektronen). Allerdings ist der daraus resultierende Doppelbindungsanteil der Kohlenstoff-Brom-Bindung gering. _ IBrI
 
 _ IBrI
 
 _ IBr
 
 _ IBr
 
 _ IBr
 
 _ I BrI
 
 (a )
 
 (b )
 
 (c )
 
 (d )
 
 (e)
 
 Brombenzen
 
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 10.4 Benzen-Derivate durch elektrophile Substitution
 
 135
 
 Infolge dieser Wechselwirkung werden dem Benzen-Kern Elektronen durch Mesomerie zugeführt (+); daher spricht man vom (+)-M-Effekt. Die CCl-Bindungslänge des Chlorbenzens entspricht mit 169 pm der des Chlorethens (169 pm) und ist deutlich kürzer als in Chlorethan (176 pm). Dies ist hauptsächlich die Folge der unterschiedlichen C-Hybridisierung in Vinyl- und Arylhalogeniden einerseits (kompakte sp2-Hybridorbitale) und in Halogenalkanen andererseits (weiter reichende sp3-Hybridorbitale). Der (+)-M-Effekt der Halogene nimmt von Fluor zum Iod ab entsprechend einer zunehmend schlechter werdenden Überlappung der 2p-, 3p-, 4p- und 5p- Halogenorbitale mit den Ring-CAtomen. In der gleichen Folge sinkt der (−)-I-Effekt der Halogene infolge abnehmender Elektronegativitäten. Wegen großer Elektronegativitäten dominiert der (−)-I-Effekt der Halogene über ihrem (+)-M-Effekt [(+)-M < (−)-I]. Daher wirken Halogene insgesamt elektronenanziehend.
 
 Mesomerie aromatischer Amine Die Dipolmomente aromatischer Amine wie Anilin (µ = 1.6 D) sind größer als die aliphatischer Amine (µ = 1.0 – 1.4 D). Wie beim Brom- oder Chlorbenzen kann im Anilin das nichtbindende ("freie") Elektronenpaar auf dem Stickstoff-2p-Orbital mit dem π-Elektronensextett des PhenylRestes wechselwirken: ̈
 
 INH2
 
 INH 2
 
 NH2
 
 NH2
 
 INH 2
 
 NH 2 Anilin
 
 Der (+)-M-Effekt der Amino-Gruppe dominiert [(+)-M > (−)-I]. Somit wirkt die Amino-Gruppe trotz höherer Elektronegativität des Stickstoffs aktivierend, da durch die Elektronenzufuhr die Basizität (Nucleophilie) des Phenyl-Restes erhöht wird. Entsprechend kehrt sich die Richtung des Dipolmomentes gegenüber Chlorbenzen um.
 
 ̈ Mesomerie des Nitrobenzens Das Dipolmoment des Nitrobenzens ist beträchlich höher als das eines Nitroalkans. Nitro-Gruppen haben einen sehr großen (−)-I-Effekt, da der Stickstoff aufgrund der semipolaren N−O-Bindung partiell positiv geladen ist. Der große (−)-I-Effekt einer Nitro-Gruppe kooperiert mit einem starken (−)-M-Effekt, da das 2pOrbital des Stickstoffs bei Koplanarität günstig mit dem Phenyl-Kohlenstoff überlappen kann. Die Nitro-Gruppe ist daher stark elektronenziehend [(−)-M und (−)-I], was die Basizität (Nucleophilie) des Phenyl-Restes stark erniedrigt. Im Vergleich zu Anilin kehrt sich die Richtung des hohen Dipolmoments daher um (Tab. 10.5). O
 
 N
 
 O
 
 O
 
 N
 
 O
 
 O
 
 N
 
 O
 
 O
 
 N
 
 O
 
 O
 
 N
 
 O
 
 NO2 Nitrobenzen
 
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 136
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 Tab. 10.6 gibt eine Übersicht der positiven und negativen mesomeren Effekte häufiger Substituenten. Mesomere Substituenteneffekte beeinflussen hauptsächlich den Grundzustand des Moleküls. Insgesamt wird das chemische Verhalten substituierter Benzene durch mesomere, induktive und sterische Effekte geprägt.
 
 Tab. 10.6. Substituenten mit (+)-M- und (−)-M- Effekt (+) - M - Substituenten (Elektronenpaar-Donoren)
 
 (−) - M - Substituenten (Elektronenpaar-Akzeptoren)
 
 >
 
 NR' C > R
 
 CR'2 C R
 
 >
 
 O C Cl
 
 O C OR
 
 O
 
 −NR 2 > −OR > −F
 
 C R O
 
 −O
 
 > −OR > −OR2
 
 C H O
 
 −F
 
 > −Cl > −Br > −I
 
 N
 
 > O
 
 >
 
 O
 
 O
 
 S OH > O
 
 S R
 
 >
 
 O C NR2
 
 >
 
 O
 
 C N
 
 >
 
 C O O
 
 >
 
 O
 
 S NR 2 O
 
 10.5 Regioselektivität elektrophiler Zweitsubstitutionen Der Substituent eines monosubstituierten Benzens prägt einerseits dessen Reaktivität gegenüber einem Elektrophil. Je nach Wirkung der Substituenteneffekte auf die Nucleophilie des BenzenRings unterscheidet man zwischen aktivierenden und desaktivierenden Substituenten; aktivierende Substituenten sollten die Reaktionsbedingungen mildern, desaktivierende dagegen verschärfen. Unabhängig davon sind Produktverhältnisse von o : m : p = 2 : 2 : 1 (oder 40 : 40 : 20 %) zu erwarten, weil es zum Erstsubstituenten je zwei o- und m-Positionen aber nur eine p-Stellung gibt. Andererseits steuert der Erstsubstituent auch die Regioselektivität der Zweitsubstitution, indem er das Elektrophil in bestimmte Positionen dirigiert; es gibt ortho (o)- und para (p)- sowie meta (m)dirigierende Erstsubstituenten. Experimentelle Resultate vieler elektrophiler Zweitsubstitutionen am Benzen-Kern ordnen die Erstsubstituenten drei Klassen zu: ̈ ̈ ̈
 
 Substituenten, die aktivieren und ortho und para dirigieren (Beispiel: −OH); Substituenten, die desaktivieren und meta dirigieren (Beispiel: −NO2); Substituenten, die desaktivieren und ortho und para dirigieren (Beispiel: −Cl).
 
 Tab. 10.7 gibt eine Übersicht der Klassenzugehörigkeit häufiger Erstsubstituenten in Bezug auf die elektrophile aromatische Zweitsubstitution.
 
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 10.5 Regioselektivität elektrophiler Zweitsubstitutionen
 
 137
 
 Eine Methyl-Gruppe dirigiert demnach den Zweitsubstituenten in o- und p-Stellung, eine NitroGruppe dagegen in m-Stellung, wie die Produktverhältnisse bei der Nitrierung des Toluens und Nitrobenzens belegen (vgl. auch Abb. 10.1): NO2
 
 konz. HNO3 , H 2SO4 , 60 °C
 
 CH3
 
 CH 3
 
 konz. HNO3 , H2SO4 , 30 °C
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 NO2
 
 O2N
 
 Toluen
 
 NO2 gefunden (statistisch erwartet)
 
 NO2
 
 52 % (40 %)
 
 4 % (40 %)
 
 NO2
 
 konz. HNO3 , H2SO4 , 10 °C
 
 44 % (20 %)
 
 NO2
 
 NO2 O2N
 
 NO2 Nitrobenzen
 
 NO2 gefunden (statistisch erwartet)
 
 6 % (40 %)
 
 93 % (40 %)
 
 1 % (20 %)
 
 Tab. 10.7. Mesomere und induktive Effekte von Erstsubstituenten am Benzen-Ring sehr stark
 
 O
 
 (−) - I , (+) - M
 
 NR 2 ElektronenpaarDonoren
 
 NHR stark
 
 = aktivierende Substituenten:
 
 NH 2 OH OR
 
 = (+) - M - Substituenten mäßig stark
 
 (−) - I < (+) - M
 
 OCOR NHCOR
 
 Kern wird stärker nucleophil schwach
 
 NHCHO C 6H 5 CH 3 CR 3
 
 (+) - I
 
 F (~H) Cl, Br, I CH CH CO2H ElektronenpaarAkzeptoren
 
 schwach
 
 CH CH NO2 COR CHO
 
 = (−) - M - Substituenten
 
 CO2R
 
 = desaktivierende Substituenten: Kern wird weniger nucleophil
 
 (−) - I > (+) - M
 
 CO2H SO3H stark
 
 (−) - I , (−) - M
 
 CN NO2 NH 3
 
 sehr stark
 
 NR 3
 
 (−) - I
 
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 138
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 Abb. 10.1 illustriert den dirigierenden Einfluß einer größeren Anzahl von Erstsubstituenten auf die Nitrierung. Dabei sollen unterschiedliche Pfeillängen die relative Verteilung der regioisomeren Produkte andeuten. OH CH(CH 3)2 CH 2CH 3 NHCOCH 3 CH 3 CH 2CH2NO2 CH2Cl
 
 aktivierend
 
 CH 2NO2
 
 ortho- und para- dirigierend
 
 CHCl2
 
 F Cl Br I
 
 meta- dirigierend COCH 3
 
 desaktivierend CCl3 SO3H CN NO2 N(CH3)3
 
 Abb. 10.1. Dirigierender Einfluß von Erstsubstituenten bei der Nitrierung (Regioselektivität der Nitrierung monosubstituierter Benzene)
 
 10.6 Darstellung von Alkylbenzenen 10.6.1
 
 Alkylierung nach FRIEDEL-CRAFTS
 
 Neben der Isolierung aus Steinkohle und Petroleum oder der katalytischen Aromatisierung von Alkanen ist besonders die Alkylierung von Aromaten mit Halogenalkanen, Alkoholen oder Alkenen zur Gewinnung alkylsubstituierter Benzene von Bedeutung. Über die Möglichkeiten zur Darstellung monoalkylsubstituierter Benzene orientiert Tab. 10.8. LEWIS-Säuren als Katalysatoren führen zur Bildung des Elektrophils. Da ein bereits am BenzenRing vorhandener Alkyl-Rest den Kern gegenüber einer weiteren Substitution aktiviert, isoliert
 
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 10.6 Darstellung von Alkylbenzenen
 
 139
 
 man bei FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen oft Mischungen polysubstituierter Produkte. Um die Reaktion bei der Monosubstitution anzuhalten, setzt man einen Überschuß an Benzen ein. Tab. 10.8. FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen des Benzens
 
 Edukte C6H6 3 C6H6 3 C6H6 C6H6 C6H6 C6H6 C6H6 2 C6H6 C6H6
 
 Katalysator(en)
 
 H5C6−CH2−Cl CHCl3 CCl4 H2C=CH2 H2C=CH2−CH3 H2C=C(CH3)2 C6H12 (Cyclohexen) ClCH2−CH2Cl C6H5−CH=CH2
 
 + + + + + + + + +
 
 AlCl3 AlCl3 AlCl3 AlCl3, HCl H3PO4 oder HF H2SO4 HF oder H2SO4 AlCl3 AlCl3, HCl
 
 Produkte H5C6−CH2−C6H5 (C6H5)3CH (C6H5)3CCl C6H5−CH2−CH3 C6H5−CH(CH3)2 C6H5−C(CH3)3 C6H5−C6H11 C6H5−CH2−CH2−C6H5 (C6H5)2CH−CH3
 
 Diphenylmethan Triphenylmethan Triphenylchlormethan Ethylbenzen Cumen (Cumol) t-Butylbenzen Cyclohexylbenzen Dibenzyl 1,1-Diphenylethan
 
 Wie einige Methylierungen zeigen, lassen sich Polyalkylbenzene einfach durch einen Überschuß an Elektrophil erhalten. Es ist sogar möglich, in das durch den (+)-I-Effekt stark aktivierte Hexamethylbenzen (hohe Elektronendichte) eine siebte Methyl-Gruppe einzuführen. Man isoliert ein relativ stabiles Phenonium-Salz.
 
 +
 
 H3C Cl
 
 AlCl3
 
 Hexamethylbenzen
 
 10.6.2
 
 CH3 CH3
 
 CH 3 CH 3
 
 CH 3 CH 3 AlCl4
 
 Heptamethylphenonium-Salz
 
 Transalkylierung und thermodynamische Kontrolle von Alkylierungen
 
 FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen sind reversibel. Daher lassen sich Alkyl-Reste von Alkylbenzenen durch Erhitzen in Gegenwart von AlCl3 auf andere Benzen-Kerne übertragen. Erhitzen von Toluen mit AlCl3 führt z. B. zu einer Mischung aus Benzen, Toluen, Xylenen und geringen Mengen höher methylierter Benzene. Unter relativ milden Reaktionsbedingungen sind Alkyl-Gruppen ortho- und para-dirigierend. Bei höherer Temperatur oder in Gegenwart starker LEWIS-Säuren entstehen dagegen bevorzugt die thermodynamisch stabileren meta-substituierten Alkylbenzene: AlCl3 , 0 °C , kinetisch kontrolliert − 3 HCl
 
 +
 
 3 H 3C Cl AlCl3 , 100 °C , thermodynamisch kontrolliert − 3 HCl
 
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 140
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 Bei der Ethylierung des Benzens nach FRIEDEL-CRAFTS bildet sich selbst bei tiefer Temperatur das thermodynamisch stabilere meta-Triethylbenzen.
 
 +
 
 AlCl3 , 0 °C, 24 h
 
 3 H 3C CH 2 Br
 
 Thermodynamischer Kontrolle unterliegt auch die Umwandlung der drei Xylene in Gegenwart von Fluorwasserstoff-Bortrifluorid. Diese katalytische Isomerisierung läßt sich durch 1,2-Methid(Methylcarbanion-) Verschiebungen erklären. CH 3 HF / BF3
 
 HF / BF3
 
 H CH 3
 
 BF 4
 
 H intermediäres Phenonium-Salz bei der 2,3-Methyl-Verschiebung des o-Xylens
 
 Da bei FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen intermediär Carbokationen auftreten, sind neben den bereits diskutierten Umlagerungen am Ring auch solche in der Seitenkette möglich (Tab. 10.9). Die stabileren tertiären Carbokationen zeigen eine geringere Reaktivität; die primären reagieren rascher mit dem Ring und neigen daher weniger zu Umlagerungen. Umlagerungen sind jedoch auch nach der Kernsubstitution möglich, da diese Alkylierungen reversibel sind. Allgemein treten Disproportionierungen und Umlagerungen am Kern und im Alkyl-Rest in geringerem Umfang ein, wenn nur schwache LEWIS-Säuren als Katalysatoren eingesetzt werden. Dabei gilt folgende Reihung der LEWIS-Säurestärke: AlCl3 > SbCl3 > FeCl3 > SnCl4 > BF3 > ZnCl2 > HF > H2SO4 (wasserfrei) > P2O5 > H3PO4 Tab. 10.9. Umlagerungen der Seitenkette bei FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen
 
 C 6H6
 
 +
 
 Cl CH 2 CH2 CH3 CH3
 
 C 6H6
 
 +
 
 Cl CH 2 CH CH3
 
 C 6H6
 
 +
 
 HO CH2 C CH3 CH 3
 
 C 6H6
 
 +
 
 Cl C CH 2 CH 3
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 AlCl3
 
 AlCl3
 
 BF3 / 60 °C
 
 FeCl3
 
 H5C 6 CH 2 CH2 CH3
 
 +
 
 H5C 6 CH(CH 3)2
 
 CH3 H5C 6 C CH3 CH3 CH3 H5C 6 C CH2 CH3 CH3 CH3 H5C 6 C CH2 CH3 CH3
 
 CH 3 AlCl3
 
 H5C 6 CH CH(CH3)2 CH3
 
 C6H 6
 
 +
 
 Cl CH2 CH 2 CH 2 CH3
 
 AlCl3 / 0 °C
 
 H 5C6 CH2 CH 2 CH 2 CH3
 
 CH3 +
 
 H 5C6 CH CH 2 CH3
 
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 10.6 Darstellung von Alkylbenzenen
 
 141
 
 Probleme stellen sich oft bei der Darstellung vicinal alkylierter Benzene aufgrund sterischer Hinderung. Eine t-Butyl-Gruppe am Benzen-Ring schirmt beide ortho-Stellungen sterisch vor elektrophilen Substitutionen ab. Die raumerfüllende t-Butyl-Gruppe läßt sich gut einführen und durch Umalkylierung leicht entfernen. Auf diesem "Umweg" können auch die sonst schwer zugänglichen 1,2,3-Trialkylbenzene hergestellt werden. C 2H 5
 
 C 2H5 H 3C
 
 CH 3
 
 H3C
 
 (CH3) 3CCl / AlCl 3
 
 CH3
 
 C2H5Cl / AlCl3
 
 t-Butylierung
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 Alkylierung
 
 CH3
 
 Umalkylierung
 
 H3C C CH 3
 
 m-Xylen
 
 m-Xylen / AlCl3
 
 H3C
 
 1,2,3-Trialkylbenzen
 
 H 3C C CH3
 
 CH 3
 
 CH3
 
 Zur Synthese des ebenfalls vicinal substituierten 1,2,3,4-Tetramethylbenzens ("Prehnitol") aus dem 1,2,4,5-Tetramethylbenzen ("Durol") nützt man die Reversibilität der Sulfonierung aus. Die Isomerisierung ist als JACOBSEN-Umlagerung bekannt. SO3H H 3C
 
 CH 3
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 Sulfonierung
 
 SO3H
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 Isomerisierung
 
 H 3C
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 CH 3 1,2,3,4-Tetramethylbenzen
 
 CH 3
 
 1,2,4,5-Tetramethylbenzen
 
 CH 3
 
 Desulfonierung
 
 Technisch bedeutsam war die Acylierung und Alkylierung zweier Äquivalente des Chlorbenzens mit Trichloracetaldehyd und Schwefelsäure zu 1,1,1-Trichlor-2,2-bis(4-chlorphenyl)ethan, das als hochwirksames aber biologisch schwer abbaubares Insektizid DDT (Abkürzung für "Dichlordiphenyl-β,β,β-trichlorethan") Verwendung fand. O 2
 
 Cl
 
 +
 
 (H 2SO4) , − H2O
 
 Cl3C C
 
 H Cl
 
 H
 
 10.6.3
 
 C
 
 Cl
 
 CCl3 DDT
 
 FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung
 
 Im Gegensatz zur Alkylierung können bei Acylierungen des Benzen-Kerns unter LEWIS-SäureKatalyse (Tab. 10.2, S. 132) keine Umlagerungen eintreten. Deshalb bevorzugt man zur Synthese von Benzenen mit längerem Aliphaten-Rest (Phenylalkane) die Acylierung durch ein Carbonsäurechlorid und anschließende Reduktion des Phenylalkylketons nach WOLFF-KISHNER oder nach CLEMMENSEN (Kap. 20.11). 1. Acylierung
 
 +
 
 Cl
 
 O C CH2 CH 2 CH3
 
 AlCl3 − HCl
 
 Butansäurechlorid (Butyrylchlorid)
 
 O C CH2 CH2 CH 3 Phenylpropylketon (Butyrophenon)
 
 −
 
 + H2 N−NH2 , OH , 200 °C, − H2O, − N2
 
 O
 
 2. Reduktion
 
 C CH 2 CH2 CH3
 
 WOLF-KISHNER-Reduktion −
 
 + 2 H + , + 2 e0 , Zn(Hg) / HCl, − H2O
 
 CLEMMENSEN-Reduktion
 
 CH 2 CH 2 CH2 CH 3 Butylbenzen
 
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 142
 
 10.6.4
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 Reduktion von Alkenylbenzenen
 
 Da der Benzen-Ring gegenüber der katalytischen Hydrierung stabiler ist als ein Alken, lassen sich Alkenylbenzene selektiv in der ungesättigten Seitenkette zu Alkylbenzenen hydrieren. Bei erhöhten Drucken und Temperaturen wird auch der Ring hydriert, und man erhält Alkylcycloalkane. CH2 CH CH2
 
 + H2 (Ni), 20 °C, 3 bar
 
 Allylbenzen
 
 10.6.5
 
 CH2 CH2 CH3
 
 CH 2 CH2 CH3
 
 + 3 H2 (Ni), 130 °C, 120 bar
 
 Propylbenzen
 
 Propylcyclohexan
 
 Cyclotrimerisierung von Alkinen
 
 In Gegenwart spezieller Katalysatoren lassen sich Alkine zu alkylsubstituierten Benzenen cyclotrimerisieren (Kap. 7.5.6). Aus Pentin entsteht auf diese Weise 1,2,4-Tripropylbenzen. Ni(CO) 4
 
 3 HC C CH2 CH2 CH 3 1-Pentin
 
 1,2,4-Tripropylbenzen
 
 10.6.6
 
 Cyclokondensation von Ketonen
 
 Symmetrische Trialkylbenzene wie Mesitylen, entstehen in geringen Ausbeuten durch säurekatalysierte Cyclokondensation von Ketonen. Aus Aceton bildet sich auf diese Weise Mesitylen. CH3 O CH3 H3C
 
 CH 3
 
 CH3 O
 
 O H 3C
 
 konz. H2SO4 , 5 °C
 
 10.6.7
 
 H3C
 
 CH 3
 
 Propanon (Aceton)
 
 CH3
 
 1,3,5-Trimethylbenzen (Mesitylen)
 
 Alkylbenzen-Synthese nach WURTZ und FITTIG
 
 In einer WURTZ-analogen Synthese lassen sich Alkyl- und Arylhalogenide mit Natrium zu alkylierten Aromaten umsetzen. Aus Brombenzen und 1-Brompropan entsteht u. a. Propylbenzen. Br + Br
 
 CH 2 CH 2 CH 3
 
 Na in Ether
 
 CH 2 CH 2 CH3 , Propylbenzen
 
 , H 3C Biphenyl
 
 (CH 2)4 CH3 n-Hexan
 
 Im Gegensatz zur WURTZ-Synthese erhält man bei dieser WURTZ-FITTIG-Synthese vorwiegend das Alkylbenzen; Biphenyl und Alkan sind nur Nebenprodukte. Intermediär tritt ein Phenyl-
 
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 10.7
 
 Reaktionen der Alkylbenzene
 
 143
 
 carbanion auf, welches in einer nucleophilen Substitution mit dem Halogenalkan reagiert. Primäre Alkyl-Gruppen gehen dabei keine Umlagerung ein. Br + 2 Na
 
 + Br
 
 − NaBr
 
 Na
 
 CH2
 
 CH2
 
 CH3
 
 CH2 CH2 CH 3
 
 − NaBr
 
 Phenylnatrium
 
 10.6.8
 
 Alkylierung über Arylmagnesiumhalogenide
 
 Reaktive Halogenalkane wie Benzylbromid alkylieren Arylmagnesiumhalogenide (aromatische GRIGNARD-Reagenzien). Aus Phenylmagnesiumbromid und Benzylbromid entsteht z. B. Diphenylmethan. MgBr
 
 +
 
 Br
 
 Phenylmagnesiumbromid
 
 Ether
 
 CH2 Benzylbromid
 
 +
 
 CH 2
 
 MgBr2
 
 Diphenylmethan
 
 10.7 Reaktionen der Alkylbenzene 10.7.1
 
 Halogenierung am Kern und in der Seitenkette
 
 Alkylbenzene lassen sich − je nach Reaktionsbedingungen − am Kern elektrophil (Katalysator, Kälte, Kern: KKK) und in der Seitenkette radikalisch substituieren (Siedehitze, Sonnenlicht, Seitenkette: SSS), wie die Chlorierung des Toluens zeigt: CH 2 Cl
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 + Cl2 , Hitze , UV-Licht , − HCl
 
 + Cl2 , Kälte , AlCl3 als Kat. , − HCl
 
 radikalische Substitution in der Seitenkette
 
 elektrophile Substitution am Ring
 
 α-Chlortoluen (Benzylchlorid)
 
 10.7.2
 
 CH 3 Cl und
 
 o-
 
 Chlortoluen
 
 Cl p-
 
 Seitenketten-Halogenierung und Benzyl-Radikal
 
 Bei der radikalischen Bromierung des Ethylbenzens bildet sich ausschließlich 1-Brom-1-phenylethan. Die Chlorierung liefert zusätzlich etwas 2-Chlor-1-phenylethan, da Chlor-Radikale im Vergleich zu Brom-Radikalen reaktiver und weniger selektiv sind (Kap. 3.4). + Br 2 , hν − HBr
 
 CH2 CH 3
 
 CH CH 3 Br 100 %
 
 + Cl2 , hν − HCl
 
 CH CH3 Cl 92 %
 
 sowie
 
 CH 2 CH 2 Cl 8%
 
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 144
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 Die Beispiele zeigen, daß die α-H-Atome (in Benzyl-Stellung) besonders leicht substituierbar sind. Ein Grund ist die besondere Stabilität des Benzyl-Radikals, wie die Reihung klar macht: C6H 5 CH CH 3 > C 6H5
 
 CH2 > R CH CH CH 2 >> (H 3C)3C > (H 3C)2CH > H 3C CH 2 > H3C > R CH CH
 
 Die mit dem Allyl-Radikal vergleichbare Stabilität des Benzyl-Radikals ist eine Folge seiner Mesomeriestabilisierung: Alle (sp2-hybridisierten) C-Atome des Benzyl-Radikals liegen auf einer Ebene; senkrecht auf dieser Ebene stehen die Achsen der p-Orbitale, so daß im MO-Modell die insgesamt sieben koaxialen p-Orbitale besonders günstig überlappen können. Entsprechend kann man den Zustand des Benzyl-Radikals durch fünf mesomere Valenzstrichformeln beschreiben.
 
 seitiche Überlappung der p-Orbitale des Benzyl-Radikals
 
 mesomere Grenzformeln des Benzyl-Radikals
 
 Da sich diese Elektronendelokalisation bereits im Übergangszustand der Radikalbildung bemerkbar macht, ist die Bindungsdissoziationsenergie für benzyl- und allyl-ständige CH-Bindungen sehr viel kleiner als für primäre Alkyl−CH-Verknüpfungen: CH4 H2C CH CH 3 CH3
 
 10.7.3
 
 −H −H −H
 
 CH3
 
 ∆H = 427 kJ / mol
 
 H2C CH CH 2
 
 ∆H = 323 kJ / mol
 
 CH2
 
 ∆H = 314 kJ / mol
 
 Triphenylmethyl-Radikal
 
 Die Stabilität des Benzyl-Radikals läßt sich erheblich steigern, wenn sich weitere Möglichkeiten zur Delokalisation des ungepaarten Elektrons bieten. Solche bestehen z. B. im TriphenylmethylRadikal, welches von GOMBERG beim erfolglosen Versuch einer WURTZ-Synthese des Hexaphenylethans entdeckt wurde. Dabei löste er Chlortriphenylmethan in Benzen und schüttelte mit Zinkstaub unter Luftausschluß, worauf sich die Lösung gelb färbte. Die Gelbfärbung geht auf die Bildung freier Triphenylmethyl-Radikale zurück: 2 (H 5C6)3CCl + Zn
 
 2 (H5C 6)3C
 
 + ZnCl2
 
 Das gelbe Triphenylmethyl-Radikal ist nicht nur aufgrund der gegenüber dem Benzyl-Radikal erweiterten Mesomerie besonders stabil, sondern auch wegen der sterischen Abschirmung des zentralen C-Atoms durch die propellerartige Anordnung der Aryl-Reste. Diese PropellerKonformation ist eine Folge der sterischen Wechselwirkung der ortho-H-Atome und verhindert die für eine perfekte Mesomeriestabilisierung erforderliche vollkommene Koplanarität.
 
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 10.7
 
 Reaktionen der Alkylbenzene
 
 145
 
 Unter Luftausschluß und in Benzen-Lösung existiert das Triphenylmethyl-Radikal im Gleichgewicht mit seinem Dimer. Schüttelt man die gelbe Lösung mit Luft, so wird sie farblos, weil sich farblose, stabile Peroxide bilden. Verhindert man weitere Zufuhr von Luft, so färbt sich die Lösung wieder gelb, wenn überschüssiges Dimer erneut zu Triphenylmethyl-Radikalen dissoziiert.
 
 + O2
 
 2
 
 C O O C
 
 Peroxid
 
 C
 
 C
 
 Triphenylmethyl-Radikal
 
 C H
 
 Dimer
 
 Auch andere Arylmethyl-Radikale zeichnen sich durch eine besondere Stabilität und damit Langlebigkeit in Lösung aus, wie eine kleine Auswahl zeigen soll. CH 3 H3C CH
 
 H3C
 
 C
 
 CH 3
 
 C
 
 CH 3 H3C
 
 2,4,6,2',4',6'-Hexamethyldiphenylmethyl-
 
 10.7.4
 
 Tribiphenylmethyl-
 
 PentaphenylcyclopentadienylRadikal
 
 Difluorenylphenylmethyl-
 
 Hydrierung und Oxidation
 
 Die metallkatalysierte Hydrierung von Alkylbenzenen ist eine Methode zur Darstellung vieler alkylsubstituierter Cyclohexane. H 3C
 
 CH 3
 
 +
 
 3 H2
 
 Pt , Pd oder Ni
 
 CH3
 
 H3C
 
 CH 3
 
 sowie
 
 CH3 trans- und cis-1,4-Dimethylcyclohexan
 
 p-Xylen
 
 Die Oxidation der Seitenkette von Alkylbenzenen führt zu aromatischen Carbonsäuren. Die dazu verwendeten heißen Lösungen von Kaliumpermanganat oder Natriumdichromat in Schwefelsäure (CrO3) oxidieren Benzen-Ringe bei Einhaltung bestimmter Reaktionsbedingungen nicht. CH3
 
 + 2 CrO3
 
 CO2H +
 
 Cr2O3
 
 + H2O
 
 Benzoesäure
 
 CH2 CH 2 R +
 
 2 CrO3
 
 CO2H +
 
 HO2C R
 
 + Cr2O3 + H 2O
 
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 146
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 Bei dieser Oxidation werden bevorzugt benzylische C-Atome unter intermediärer Bildung von Alkoholen, Ketonen und Enolen angegriffen. + [O]
 
 H 5C 6 CH 2 CH 2 CH 3
 
 H5C 6 CH CH2 CH 3 OH
 
 + [O]
 
 H 5C 6 C CH CH 3
 
 H 5C6 C CH 2 CH3
 
 − H2 O
 
 OH
 
 O
 
 1-Phenylpropanol
 
 Keto-Form Enol-Form Propiophenon (Ethylphenylketon)
 
 + 3 [O]
 
 H5C 6 CO2H
 
 +
 
 HO2C CH 3
 
 Benzoesäure
 
 +
 
 Essigsäure
 
 H 2O
 
 Die besonders aktivierte benzylische CH-Bindung im Triphenylmethan wird bereits durch Luftsauerstoff in CS2-Lösung zum Alkohol oxidiert. Triphenylmethan
 
 (H5C 6C)3C H
 
 O2 in CS2
 
 (H5C 6)3C OH
 
 Triphenylcarbinol
 
 10.8 Darstellung der Alkenylbenzene 10.8.1
 
 Styren-Synthese
 
 Industriell wird das einfachste und wichtigste Alkenylbenzen Styren (Ethenylbenzen, Vinylbenzen, Phenylethen, "Styrol") durch FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierung von Benzen mit Ethen über Ethylbenzen produziert. Ethylbenzen läßt sich bei 600 °C an der Oberfläche eines MischoxidKatalysators (Chrom(III)oxid-Aluminiumoxid) zu Styren dehydrieren. + H2C CH2
 
 10.8.2
 
 H3PO4
 
 FRIEDEL-CRAFTSAlkylierung
 
 Cr 2O3 / Al2O3 , 600 °C
 
 CH2 CH 3
 
 CH CH2
 
 − H2 Dehydrierung
 
 Ethylbenzen
 
 Styren
 
 Alkenylbenzene durch Eliminierung aus Phenylhalogenalkanen und Phenylalkanolen
 
 Die Dehydrohalogenierung von 1-Phenyl-1-halogenalkanen oder die Dehydratisierung entsprechender Alkohole führt zu 1-Phenyl-1-alkenen. Dabei bilden sich bevorzugt (E)-Alkenylbenzene, deren Doppelbindung in Konjugation zum Ring steht. KOH / C2H5OH / Hitze
 
 H5C 6 CH CH2 CH 3 Br
 
 CH 3
 
 − HBr
 
 ZnCl2 / Hitze
 
 H5C 6 CH CH CH 3 OH
 
 − H2O
 
 H 5C6
 
 H5C 6
 
 H
 
 CH 3 H (E)-1-Phenyl-1-propen (viel) H 5C6
 
 H
 
 sowie
 
 CH 3
 
 (E)-2-Phenyl-2-buten
 
 C C H
 
 (Z)-1-Phenyl-1-propen (wenig)
 
 H C C
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 sowie
 
 C C
 
 H5C 6
 
 CH 3 C C
 
 H 3C H (Z)-2-Phenyl-2-buten
 
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 10.9 Reaktionen der Alkenylbenzene
 
 10.8.3
 
 147
 
 Alkenylbenzene durch Alkylierung mit 1,3-Dienen
 
 Alkenylbenzene mit alkylischen (isolierten) Doppelbindungen können durch FRIEDEL-CRAFTSAlkylierung von Benzen mit 1,3-Butadien und anderen 1,3-Dienen dargestellt werden. CH 3
 
 H +
 
 H2C CH CH CH2
 
 C C
 
 HF
 
 CH2
 
 H
 
 (E)-1-Phenyl-2-buten (Hauptprodukt)
 
 10.9 Reaktionen der Alkenylbenzene Alkenylbenzene zeigen sowohl typische Benzen-Reaktionen, wie die elektrophile aromatische Substitution, als auch Alken-Reaktionen, wie die elektrophile Addition. Wie bei der katalytischen Hydrierung von Alkenylbenzenen (Kap. 10.6.4) reagiert dabei die Alkenyl-Gruppe immer leichter als der Benzen-Ring. Besonders reaktiv sind konjugierte Alkenyl-Gruppen, wobei sich eine Regioselektion (bevorzugte Orientierung) der Addition ausprägt. CH2 CH R Br
 
 mit Peroxiden: radikalische Addition
 
 β-Bromalkylbenzen
 
 10.9.1
 
 CH CH R + HBr
 
 ohne Peroxide:
 
 CH CH2 R
 
 elektrophile Addition
 
 Alkenylbenzen (Z oder E)
 
 Br α-Bromalkylbenzen
 
 Elektrophile Addition an konjugierte Alkenylbenzene
 
 Die elektrophile Addition an die CC-Doppelbindung verläuft in zwei Stufen unter intermediärer Bildung eines Carbenium-Ions. Br H5C 6 CH CH R + HBr Alkenylbenzen
 
 H5C 6 CH CH 2 R + Br Benzyl-Kation
 
 H 5C6 CH CH2 R α-Bromalkylbenzen
 
 Die leichte Bildung von Carbenium-Ionen aus konjugierten Dienen ist eine Folge der Mesomeriestabilisierung des Übergangszustandes und damit einer geringen Aktivierungsenergie. Das aus Alkenylbenzenen entstehende Benzylcarbenium-Ion ist besonders stabil, da seine positive Ladung im Grundzustand auf fünf mesomere Grenzformeln verteilt werden kann:
 
 mesomere Grenzformeln des Benzyl-Kations
 
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 148
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 Bevorzugte Produkte dieser Reaktion sind daher α-Halogenalkylbenzene. Mit diesen α-Halogenalkylbenzenen (z. B. Benzylchlorid) lassen sich andererseits unter sehr milden Bedingungen nucleophile aliphatische Substitutionen vom SN1-Typ (Kap. 14.2.2) durchführen, bei denen die mesomeriestabilisierten Benzylcarbenium-Ionen als Zwischenstufen auftreten.
 
 10.9.2
 
 Radikalische Additionen an Alkenylbenzenen
 
 Bei Additionen an Alkenylbenzenen über freie Radikale tritt bevorzugt das Benzyl-Radikal als mesomeriestabilisierte Zwischenstufe auf (Kap. 10.7.2). Daher findet man als Reaktionsprodukt vorwiegend β-halogensubstituierte Alkylbenzene. Ar
 
 Br
 
 + Br
 
 CH CH R
 
 Ar
 
 Benzyl-Radikal
 
 10.9.3
 
 Br
 
 + HBr
 
 CH CH R
 
 − Br
 
 Ar
 
 CH2 CH R
 
 β-Halogenalkylbenzen
 
 Darstellung ringsubstituierter Alkenylbenzene
 
 Unter den zu Ringsubstitutionen erforderlichen scharfen Reaktionsbedingungen würde auch die Alkenyl-Gruppe angegriffen. Deshalb kann die Doppelbindung im Alkyl-Substituenten erst nach einer Ring-Substitution ("KKK"-Reaktion) eingeführt werden (durch "SSS"-Reaktion und nachfolgende β-Eliminierung). Dies wird am Beispiel der 4-Chlorstyren-Synthese aus Ethylbenzen deutlich. Cl CH2 CH3 FeCl3 / Cl2
 
 CH2 CH3
 
 Kälte
 
 "KKK"
 
 Cl2 / hν Hitze "SSS"
 
 Cl 4-Chlor-ethylbenzen
 
 CH CH3
 
 KOH / C 2H 5OH Hitze Eliminierung
 
 Cl
 
 CH CH2 Cl 4-Chlorstyren
 
 α,4-Dichlor-ethylbenzen
 
 10.10 Darstellung der Alkinylbenzene Alkinyl-substituierte Benzene bilden sich durch aufeinanderfolgende Bromierungen und Dehydrobromierungen, wie die Darstellung von Phenylethin aus Styren zeigt.
 
 CH CH2 Ethenylbenzen (Phenylethen, Styren)
 
 + Br 2
 
 Br CH CH 2 Br
 
 KOH − HBr
 
 Br C CH2
 
 NaNH2 / Hitze − HBr
 
 C C H Ethinylbenzen (Phenylethin)
 
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 10.11 Eigenschaften und Darstellung der Arylhalogenide
 
 149
 
 Die oxidative Dimerisierung terminaler Alkine in Gegenwart von Kupfer(II)-Ionen führt zu Diinen (GLASER-Kupplung). Aus Phenylethin entsteht auf diese Weise Diphenylbutadiin. −
 
 2
 
 C C H
 
 − 2 H+ , − 2 e0 (Cu 2+)
 
 C C C C
 
 − H2O
 
 Diphenylbutadiin
 
 10.11 Eigenschaften und Darstellung der Arylhalogenide 10.11.1 Physikalische Eigenschaften Monohalogenbenzene (Arylhalogenide) sind aromatisch riechende, ölige, farblose Flüssigkeiten. Sie lösen sich gut in allen gängigen organischen Lösemitteln. Aufgrund ihres wenig polaren Charakters sind Arylhalogenide wasserunlöslich, und besitzen eine höhere Dichte als Wasser. Die vom Fluor- über Chlor- und Brom- zum Iodbenzen ansteigenden Siedepunkte liegen in der Nähe der entsprechenden Hexyl- und Cyclohexylhalogenide. Eine destillative Trennung isomerer o-, m- und p-Dihalogenbenzene ist wegen zu ähnlicher Siedepunkte nicht möglich. p-Dihalogenbenzene schmelzen aufgrund besserer Packungsmöglichkeit im Kristallgitter 70 - 100 °C höher als die o- und m-Isomeren; sie können von den besser löslichen oIsomeren durch fraktionierte Kristallisation getrennt werden. Die Monohalogenbenzene haben erheblich kleinere Dipolmomente als die Halogenalkane (Alkylhalogenide); ihre CX-Bindungslängen gleichen denen der Halogenethene (Tab. 10.10). Tab. 10.10. Bindungslängen (C−Cl) und Dipolmomente ausgewählter Chlor-Verbindungen Chlor-Verbindung
 
 C-Hybridisierung
 
 Chlorethan Chlorethen Chlorethin Chlorbenzen
 
 sp3 sp2 sp sp2
 
 Bindungslänge [pm] 176 169 163 169
 
 Dipolmoment µ [Debye] 2.05 1.44 0.44 1.70
 
 Dies läßt sich durch den (+)-M-Effekt der Halogene und vor allem durch den Hybridisierungswechsel des Kohlenstoff-Atoms erklären. Der tatsächliche Doppelbindungsanteil an den CClBindungen des Chlorbenzens bzw. des Vinylchlorids beträgt nur ungefähr 5 - 6 %. Dipolare Grenzformeln mit partiellen C=X-Doppelbindungen tragen wenig zum Grundzustand dieser Halogenide bei. Stets dominiert der (−)-I-Effekt der Halogen-Atome am Benzen über den (+)-M-Effekt. Daraus resultiert ein Dipolmoment-Vektor vom Kohlenstoff zum Halogen.
 
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 150
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 Die elektronischen Effekte der Halogene auf den Benzenring der Monohalogenbenzene lassen sich kurz zusammenfassen: C6H5−F (−)-I- Effekt (+)-M- Effekt C−X- Bindungslänge C=X- Anteil
 
 C6H5−Cl
 
 C6H5−Br
 
 C6H5−I
 
 abnehmend von F zu I, da abnehmende Elektronegativität abnehmend von F zu I, da ungünstigere π-Orbitalüberlappung zunehmend von F zu I, da Volumen des Halogens zunimmt Bindungsenergie nimmt schneller ab als das Ionisationspotential zunimmt immer gilt: (−)-I > (+)-M
 
 10.11.2 Herstellung der Halogenaromaten Substituierte Chlor- und Bromaromaten werden überwiegend durch elektrophile Substitution hergestellt. Folgende Beispiele belegen dies. a) 1,2- und 1,4-Dihalogenbenzene durch elektrophile Halogenierung Br
 
 Br
 
 Cl2 , FeCl3
 
 Br und
 
 Cl
 
 Cl
 
 b) 1,2- und 1,4-Alkylhalogenbenzene durch elektrophile Halogenierung CH3
 
 CH3
 
 Cl2 , FeCl3
 
 CH3 und
 
 Cl
 
 Cl
 
 c) 2,4,6-Tribromphenol durch elektrophile Bromierung OH
 
 OH + 3 Br 2
 
 Br
 
 Br
 
 − 3 HBr
 
 Br
 
 d) Halogennitrobenzene durch elektrophile Nitrierung oder Halogenierung Br
 
 Br
 
 Br
 
 NO2
 
 NO2
 
 NO2
 
 HNO3 , H 2SO4
 
 Br 2 , AlCl3 , Hitze
 
 und
 
 Br 40 %
 
 NO2 60 %
 
 NO2
 
 NO2 Br 2 , Ag 2SO4 , H 2SO4
 
 NO2
 
 Br
 
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 NO2
 
 10.11 Eigenschaften und Darstellung der Arylhalogenide
 
 151
 
 e) o- und p-Alkylhalogenbenzene durch elektrophile Halogenierung; m-Alkylhalogenbenzene über Nitroaren, Anilin, Diazonium-Salz und dessen Reduktion CH3
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 HNO3 , H2SO4
 
 Fe , HCl
 
 CH3
 
 CH 3
 
 (CH3 CO) 2 O
 
 CH3
 
 Br 2
 
 H2O
 
 Br NO2
 
 O
 
 NH 2
 
 C
 
 N
 
 O
 
 H
 
 C
 
 CH 3
 
 Br 2 , FeBr 3
 
 CH 3
 
 N
 
 Br NH2
 
 H
 
 CH 3
 
 CH3
 
 HNO2
 
 CH3
 
 CH 3
 
 Br
 
 H3 PO2 (Cu+)
 
 sowie
 
 Br
 
 Br Br p-Bromtoluen
 
 o-Bromtoluen
 
 N Cl N
 
 m-Bromtoluen
 
 f) 1,3,5-Tribrombenzen aus Anilin über Diazonium-Salz und dessen Reduktion NI NH2
 
 NH2 + 3 Br 2
 
 Br
 
 N Br
 
 + HNO2 , + HCl
 
 Br
 
 Cl Br
 
 + 2 H+ , + 2 e0
 
 − 2 H2O
 
 − 3 HBr
 
 −
 
 Br
 
 Br
 
 − N2 , − HCl
 
 Br
 
 Br
 
 Br
 
 g) 1,3-Dichlorbenzen über 1,3-Dinitrobenzen, m-Phenylendiamin, dessen Bis-Diazotierung und SANDMEYER-Reaktion des Bis-Diazonium-Salzes NO2
 
 NH2
 
 NO2
 
 Cl
 
 1.) NaNO2 , HCl 2.) CuCl
 
 Fe , HCl
 
 HNO3 , H 2SO4
 
 NH 2
 
 Cl
 
 Die Synthesebeispiele e, f und g zeigen Darstellungen von Halogenaromaten durch Desaminierung von Anilinen über Diazonium-Salze und deren Reduktion bzw. Substitution; DiazoniumSalze entstehen durch Diazotierung von Anilinen mit salpetriger Säure (Kap. 22.6.2, 23.5). X NO2 Halogennitroaren
 
 + 6 H+ , + 6 e0 − 2 H2O
 
 Reduktion
 
 −
 
 X NH2 Halogenanilin
 
 + HNO2 , + HCl − 2 H2O
 
 Diazotierung
 
 X N NI Cl Aryldiazonium-chlorid
 
 + 2 H+ , + 2 e0
 
 −
 
 X H
 
 − N2 , − HCl
 
 Reduktion
 
 Halogenaren
 
 Da die Reaktivität der Halogene in der Reihenfolge F2 >> Cl2 > Br2 >> I2 abnimmt, erfordert die Darstellung von Fluor- und Iodaromaten spezielle Methoden. Iodbenzen kann z. B. durch SAND-
 
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 152
 
 10 Benzoide Aromaten
 
 MEYER-Reaktion des Phenyldiazonium-hydrogensulfats mit Kaliumiodid, BALZ-SCHIEMANN-Reaktion von Phenyldiazonium-tetrafluoroborat hergestellt + KI
 
 N NI HSO4
 
 I
 
 − KHSO4 , − N2
 
 Phenyldiazonium-hydrogensulfat
 
 Iodbenzen + HF , + BF3
 
 N NI Cl
 
 Fluorbenzen durch werden.
 
 Hitze
 
 N NI BF 4
 
 − HCl
 
 F
 
 − N2 , − BF3
 
 Phenyldiazonium-tetrafluoroborat
 
 Fluorbenzen
 
 Beide Reaktionen werden als nucleophile Substitutionen der Diazonium-Gruppe am Aromaten formuliert (Kap. 23.7). Die Darstellung der Diazonium-Salze und ihre anschließende "Verkochung" zu Halogenaromaten wird meist als "Eintopfreaktion" durchgeführt.
 
 10.11.3 Chemische Eigenschaften von Halogenaromaten (Arylhalogeniden) elektrophile Zweitsubstitution In Halogenaromaten desaktiviert das Halogen [(−)-I, (+)-M-Substituent] den Benzen-Ring gegenüber dem elektrophilen Angriff und dirigiert in o- und p-Stellung. Halogenaromaten lassen sich durch elektrophile Substitution halogenieren, nitrieren, sulfonieren und alkylieren. Die Nitrierung des Chlorbenzens gibt z. B. o- und p-Nitrochlorbenzen. Cl [ NO2 ]
 
 Cl
 
 Cl
 
 HNO3 / H2SO4
 
 +
 
 und
 
 − [H+]
 
 o-
 
 O2N
 
 NO2
 
 p-
 
 Nitrochlorbenzen
 
 Metallierung Viele Halogenaromaten lassen sich zu Arylmagnesiumhalogeniden (GRIGNARD-Verbindungen) umsetzen. Ihre Reaktionen mit Magnesium erfolgen rasch mit den Iodiden, gut mit den Bromiden und schwer mit den Chloriden; Fluoride reagieren überhaupt nicht [(F) < Cl < Br < I]. Cl
 
 Br
 
 +
 
 Mg
 
 in Tetrahydrofuran
 
 δ++
 
 Cl
 
 δ−
 
 MgBr
 
 δ−
 
 p-Chlorphenylmagnesiumbromid
 
 Die Bildung von Phenyllithium aus Brom- oder Chlorbenzen gelingt in wasserfreiem Ether unter Stickstoff. Br (Cl)
 
 +
 
 2 Li
 
 in Ether − LiBr(Cl)
 
 Li
 
 + H2O − LiOH
 
 H
 
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 10.11 Eigenschaften und Darstellung der Arylhalogenide
 
 153
 
 Arylmagnesiumhalogenide − die GRIGNARD-Verbindungen aus Halogenaromaten − und Aryllithium-Verbindungen sind vielseitige Reagenzien zur Einführung von Aryl-Resten, u. a. bei der Herstellung von Alkoholen aus Aldehyden und Ketonen (Kap. 15.4.6). Die Reaktion von Halogenalkanen (z. B. 1-Bromhexan) mit Phenylmagnesiumbromid oder Phenyllithium gibt alkylierte Aromaten (z. B. 1-Hexylbenzen) in Analogie zur WURTZ-Synthese der Alkane. Entsprechend lassen sich durch WURTZ-FITTIG-Synthese Aryl- und Alkyl-Gruppen verknüpfen, indem man Halogenaromaten mit Halogenalkan (z. B. R−Br) und Natrium (Metall) umsetzt. Br
 
 +
 
 2 Na
 
 +
 
 Br
 
 R
 
 R
 
 +
 
 2 NaBr
 
 Alkylbenzen
 
 Durch ULLMANN-Reaktion können substituierte Biphenyle aus Aryliodiden und metallischem Kupfer dargestellt werden. NO2
 
 NO2 2
 
 I
 
 +
 
 +
 
 2 Cu
 
 2 CuI
 
 O2N 2,2'-Dinitrobiphenyl
 
 Neuere Methoden der CC-Verknüpfung mit Aromaten sind die HECK-Reaktion (Kap. 4.5.11, 32.6.3) sowie die STILLE- und SUZUKI-Kupplung (Kap. 13.4.4, 32.6.3).
 
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 154
 
 11
 
 Substitutionen an Aromaten
 
 11 Substitutionen an Aromaten 11.1 Mechanismus elektrophiler Substitutionen an Aromaten 11.1.1
 
 π-Komplex, Benzenium-Ion und Energieprofil
 
 Aromatische Verbindungen gehen wegen der Mesomerie und besonderen Stabilität des aromatischen Systems eher elektrophile Substitutionen ein als Additionen, obgleich in beiden Fällen elektrophile Reagenzien angreifen. Beim Zusammenstoß eines Elektrophils Y+ mit dem nucleophilen, elektronenreichen πElektronensextett des Benzens bildet sich zunächst reversibel ein relativ labiler π-Komplex. Dieser gehört zum Typ der Charge-Transfer-Komplexe (charge transfer = Ladungsübertragung). Nach neueren Erkenntnissen kann das Elektrophil auch mit zwei benachbarten C-Atomen des BenzenRings eine Dreizentren-Zweielektronen-Bindung knüpfen. Y
 
 Y + Nucleophil
 
 [Y ]
 
 Y H H π-Komplex
 
 Elektrophil
 
 Das im π-Komplex schwach gebundene Elektrophil Y+ bindet sich in einem zweiten Schritt an ein einzelnes Ring-C-Atom, wobei dieses eine Umhybridisierung von sp2 nach sp3 erfährt. Die vom Elektrophil Y+ in den Kern gebrachte positive Ladung verteilt sich über die verbleibenden fünf sp2-hybridisierten C-Atome. Sämtliche C-Atome bleiben wie im Benzen auf einer Ebene; damit sind die fünf p-Orbitale koaxial und können seitlich überlappen. Es bildet sich ein mesomeriestabilisiertes Phenonium-Kation (Benzenonium-Ion), das weniger treffend auch als σ-Komplex bezeichnet wird. Die Elektronenverteilung im Phenonium-Ion läßt sich durch drei mesomere Valenzstrichformeln beschreiben, nach denen sich die positive Ladung hauptsächlich auf die o- und p-C-Atome verteilt, während die Elektronendichte in m-Stellung zum sp3-Kohlenstoff etwas größer ist. Y
 
 Y H
 
 π-Komplex
 
 H
 
 Y H
 
 Y H
 
 H H σ-Komplex : mesomeriestabilisiertes Phenonium-Ion
 
 Die sp3-Hybridisierung des Y-substituierten Ring-C-Atoms im Phenonium-Ion unterbricht die ursprüngliche cyclische Elektronendelokalisation des Benzen-Kerns. Daher erfordert die Ausbildung des Phenonium-Ions eine sehr hohe Aktivierungsenergie ∆EA2 (Abb. 11.1). Dieser Schritt ist der langsamste und damit geschwindigkeitsbestimmend.
 
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 11.1
 
 Mechanismus elektrophiler Substitutionen an Aromaten
 
 155
 
 Im dritten Schritt deprotoniert eine Base das Phenonium-Ion; die Deprotonierung regeneriert das π-Elektronensextett. Diese wahrscheinlich über einen π-Komplex aus substituiertem Benzen und Proton als Abgangsgruppe verlaufende Rearomatisierung erfordert nur eine geringe Aktivierungsenergie ∆EA3 und verläuft schnell. Gegenüber einer ebenfalls denkbaren Addition der Base ist die Rearomatisierung energetisch bevorzugt und exotherm. Abb. 11.1 skizziert das Energieprofil aller Schritte einer elektrophilen Substitution am Benzen-Ring. Y H B
 
 Y
 
 +B
 
 H
 
 X
 
 H
 
 Y
 
 Y H
 
 H
 
 −H B
 
 H H σ-Komplex : mesomeriestabilisertes Phenonium-Ion
 
 H
 
 keine Addition
 
 Y
 
 +B
 
 Substitution
 
 Epot
 
 ∆EA3 ∆EA1
 
 (+)-M]. Dies hat eine höhere Aktivierungsenergie als bei der Nitrierung des Benzens zur Folge.
 
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 11.1
 
 Mechanismus elektrophiler Substitutionen an Aromaten
 
 163
 
 Abb. 11.5 zeigt Valenzstrichformeln und Elektronendichte-Verteilungen dieser Phenonium-Ionen. Zwei dieser Grenzformeln sind ziemlich labil und wären vernachlässigbar, wenn Chlor nur den elektronenziehenden (−)-I-Effekt bewirkte. Chlor kann jedoch auch Elektronen an das π-Elektronensystem des Rings abgeben [(+)-M-Effekt] und seinerseits die positive Ladung aufnehmen. Solche Phenonium-Ionen mit zusätzlicher (+)-M-Stabilisierung können nur im Falle eines o- und p-Angriffs formuliert werden. Diese o- und p-Phenonium-Ionen lassen sich mit vier, die instabileren m-Isomeren nur mit drei Valenzstrich-Formeln beschreiben. Somit wirkt das Halogen in Halogenaromaten insgesamt zwar desaktivierend [(−)-I : Kontrolle der Geschwindigkeit] im Vergleich zu Benzen, aber der (+)-M-Effekt (Kontrolle der Orientierung, Regioselektivität) erniedrigt die Aktivierungsschwelle für einen o- und p-Angriff. Dieses Konzept läßt sich auf alle elektrophilen aromatischen Substitutionen übertragen.
 
 Cl
 
 ortho-Angriff
 
 NO2 H
 
 Cl
 
 Cl
 
 NO2 H
 
 _ I Cl I
 
 NO2 H
 
 _ I Cl I
 
 Cl
 
 _ Cl I
 
 NO2 H
 
 _ Cl I
 
 para-Angriff H NO2
 
 Cl
 
 meta-Angriff
 
 H NO2
 
 Cl
 
 H NO2
 
 H NO2
 
 H NO2
 
 Cl
 
 H NO2
 
 H NO2
 
 Abb. 11.5. Valenzstrichformeln und Elektronendichte-Verteilung der Chlornitrophenonium-Ionen
 
 Nitrierung von Nitrobenzen Die Nitro-Gruppe in Nitrobenzen wirkt als starker (−)-I- und (−)-M-Substituent elektronenziehend. Somit ist bereits die Bildung eines π-Komplexes erschwert, und der ohnehin schwach nucleophile Ring wird durch das Elektrophil nur unter drastischen Reaktionsbedingungen angegriffen. Auch hier werden Reaktionsgeschwindigkeit und Orientierung der Zweitsubstitution von der Bildung des Phenonium-Ions bestimmt. Von den in Abb. 11.6 skizzierten Phenonium-Ionen tragen zwei (o-, p-Isomere) Ladungen mit gleichem Vorzeichen an benachbarten C-Atomen. Wegen dieser energetisch ungünstigen Ladungsverteilung sind diese Formeln praktisch vernachlässigbar. Im m-Isomer verteilt sich die positive Ladung günstiger, was eine gegenüber dem o- und p-Isomer größere Stabilität bedeutet. Da damit auch die Aktivierungsenergie zur Bildung des m-Phenonium-Ions geringer ist, wird dieses bevorzugt gebildet (Abb. 11.7). ̈
 
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 164
 
 11
 
 Substitutionen an Aromaten
 
 Dennoch erfordert die Nitrierung des Nitrobenzens schärfere Bedingungen (rauchende Salpetersäure) als die des unsubstituierten Benzens (Nitriersäure, Kühlung). O
 
 N
 
 O
 
 ortho-Angriff O
 
 N
 
 O
 
 NO2 H
 
 O
 
 O
 
 N
 
 N
 
 O
 
 O
 
 NO2 H
 
 O
 
 O
 
 N
 
 N
 
 O NO2 H
 
 O
 
 para-Angriff H NO2 O
 
 N
 
 O
 
 meta-Angriff
 
 H NO2
 
 H NO2 O
 
 H NO2
 
 N
 
 O
 
 O
 
 H NO2
 
 N
 
 O
 
 H NO2
 
 Abb. 11.6. Valenzstrichformeln (Elektronendichte-Verteilung) der positionsisomeren Phenonium-Ionen bei der Nitrierung des Nitrobenzens
 
 Epot NO2
 
 NO2 H NO2
 
 oder
 
 H NO2 (+ jeweils 2 mesomere Grenzformeln)
 
 ∆EA o,p
 
 NO2 (+ 2 mesomere Grenzformeln)
 
 ∆EA m
 
 NO2
 
 H
 
 NO2
 
 NO2 Reaktionskoordinate
 
 Abb. 11.7. Energieinhalte regioisomerer Phenonium-Ionen bei der Nitrierung von Nitrobenzen
 
 Der letzte Teilschritt der Nitrierung des Nitrobenzens besteht in der Deprotonierung und Rearomatisierung zum Hauptprodukt 1,3-Dinitrobenzen. O NO2 + [ O=N=O ]
 
 schnell
 
 NO2
 
 π-Komplex
 
 NO2
 
 N
 
 O
 
 langsam
 
 NO2 + BI , − H B
 
 H NO2 3 mesomere Grenzformeln
 
 NO2 1,3-Dinitrobenzen
 
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 11.1
 
 Mechanismus elektrophiler Substitutionen an Aromaten
 
 165
 
 Sonstige Effekte bei Zweitsubstitutionen Auch die orientierende Wirkung anderer Substituenten läßt sich erklären, indem man die stabilisierenden bzw. destabilisierenden Effekte auf die intermediären Phenonium-Ionen vergleicht. Tab. 11.1 gibt eine Übersicht der Erstsubstituenten-Effekte auf die Bildung der Phenonium-Ionen bei der Zweitsubstitution. ̈
 
 Tab. 11.1. Erstsubstituenten-Effekte auf die Ausbildung von Phenonium-Ionen bei der elektrophilen Zweitsubstitution
 
 Erstsubstituent (+)-I , (+)-M (−)-I , (−)-M (−)-I , (+)-M
 
 Aktivierungsenergie zur Bildung des Phenonium-Ions ∆EA ortho , para < ∆EA meta ∆EA meta < ∆EA ortho , para immer (+)-M > (−)-I : ∆EA ortho , para < ∆EA meta Halogene im Grundzustand : (+)-M < (−)-I im Phenonium-Ion : (+)-M > (−)-I
 
 Diese Regeln können sich lockern wie im Falle der reversiblen FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierung und bei Sulfonierungen, wenn man von kinetisch zu thermodynamisch kontrollierten Reaktionen überwechselt. Beispielsweise können unter drastischen Reaktionsbedingungen (höhere Temperaturen) Isomerisierungen eintreten. Ferner wird die Zweitsubstitution monosubstituierter Benzene mit o- und p-dirigierenden Gruppen nie zum statistisch erwarteten o : p-Verhältnis 2 : 1 führen. Abweichungen von diesem Verhältnis können insbesondere sterische Einflüsse und elektrostatische Anziehung oder Abstoßung zwischen Erstsubstituenten auslösen. So nimmt bei der Zweitsubstitution des Brombenzens das o : p-Verhältnis mit zunehmendem Volumen der eintretenden Gruppe ab, z. B. in der Folge Chlorierung, Nitrierung, Bromierung, Sulfonierung. % o-
 
 Chlorierung Nitrierung
 
 Br
 
 Bromierung Sulfonierung FRIEDEL-CRAFTSAcylierung und Alkylierung
 
 % p-
 
 % m-
 
 42
 
 51
 
 7
 
 41 13
 
 59 85
 
 0.2 2
 
 fast ausschließlich p-Produkt
 
 Ebenso nimmt das o : p-Verhältnis mit zunehmender Größe des Erstsubstituenten ab, z. B. bei der Nitrierung von Alkylbenzenen: CH3 1.57
 
 Erstsubstituent o : p-Verhältnis bei der Nitrierung
 
 CH 2 CH 3 0.93
 
 C(CH 3)3 0.22
 
 CH(CH3)2 0.48
 
 Induktive und sterische Effekte sind die Ursache für die Abnahme des o : p-Verhältnisses und den gleichzeitigen Ausbeutezuwachs an m-Produkt aufgrund des zunehmenden (−)-I-Effekts der Erstsubstituenten: Erstsubstituent o : p-Verhältnis bei der Nitrierung m-Produktausbeute
 
 CH 3 1.57 4
 
 CH2Cl 0.75 12
 
 CHCl2 0.53 34
 
 CCl3 0.23 64
 
 CF 3 0 100 %
 
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 166
 
 11
 
 Substitutionen an Aromaten
 
 Mit steigender Anzahl von Methylen-Brücken zwischen funktioneller Gruppe und Benzen-Kern schwindet der Einfluß dieser Gruppe, und die Produktverhältnisse nivellieren sich in Richtung Alkyl-Substituent. Dies wird durch das Produktverhältnis [%] bei der Nitrierung monosubstituierter Benzene deutlich (Tab. 11.2). Tab. 11.2. Regioselektivität der Nitrierung monosubstituierter Benzene (Produktausbeuten in %)
 
 opm-
 
 −NO2
 
 −CH2−NO2
 
 −CH2−CH2−NO2
 
 5 2 93
 
 36 14 50
 
 35 52 13
 
 −COOC2H5 −CH2−COOC2H5
 
 24 4 72
 
 42 47 11
 
 Auch ein Wechsel des Katalysators kann das Isomerenverhältnis erheblich beeinflussen, wie die Darstellung der Dibrombenzene mit AlCl3 und FeCl3 als Katalysator zeigt: Br
 
 Br 2 , AlCl3
 
 % o-
 
 % p-
 
 % m-
 
 8
 
 62
 
 30
 
 13
 
 85
 
 2
 
 Br 2 , FeCl3
 
 Dibrombenzen
 
 Ferner kann eine Temperaturänderung das Isomerenverhältnis verschieben, wie es z. B. bei der Nitrierung der Benzoesäure oder bei der Sulfonierung des Toluens beobachtet wird (Tab. 11.3). Tab. 11.3. Einfluß der Reaktionstemperatur auf die Regioselektivität elektrophiler Substitutionen (Nitrierung der Benzoesäure, Sulfonierung des Toluens)
 
 Reaktion
 
 Temperatur [°C]
 
 Nitrierung von C6H5−COOH
 
 30 −30
 
 Sulfonierung von C6H5−CH3
 
 100 0
 
 o-
 
 Produktausbeute [%] p-
 
 m-
 
 22 14 13 53
 
 2 1 79 43
 
 76 85 8 4
 
 Normalerweise findet man nur bei der reversiblen Sulfonierung und der FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierung starke Temperatur- sowie sterische Einflüsse. Das Lösemittel beeinflußt die Reaktionsgeschwindigkeit mehr als das Isomerenverhältnis. Dies zeigt sich u. a. an der konstanten Produktverteilung bei der Nitrierung von Benzoesäure in unterschiedlichen Nitriermedien: CO2H
 
 HNO3 / H2SO4 HNO3
 
 % o-
 
 % p-
 
 % m-
 
 20
 
 5
 
 75
 
 22
 
 1
 
 77
 
 Nitrobenzoesäure
 
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 11.2
 
 Mechanismen nucleophiler Substitutionen am Aromaten
 
 11.1.9
 
 167
 
 Darstellung mehrfach substituierter Benzene
 
 Der Eintritt einer weiteren Gruppe in ein disubstituiertes Benzen unterliegt dem Einfluß beider Erstsubstituenten. Für derart komplexe Fälle gelten keine allgemeinen Gesetzmäßigkeiten. Bei der Syntheseplanung kann man sich jedoch an zwei Faustregeln orientieren: ̈ Substituenten mit stark aktivierenden Effekten dominieren über solche mit desaktivierenden oder nur schwach aktivierenden Einflüssen. ̈ Ein dritter Substituent geht nicht in die 2-Stellung 1,3-disubstituierter Benzene. Abb. 11.8 gibt einige Beispiele zur Regioselektivität der elektrophilen Substitution (Nitrierung) unter Einfluß mehrerer Erstsubstituenten; der längste Pfeil markiert die bevorzugte Eintrittsstelle.
 
 CH 3
 
 NO2
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 Cl
 
 NH2
 
 NH 2
 
 NH 2
 
 NO2
 
 CH 3
 
 OH
 
 Cl
 
 CH 3
 
 CHO
 
 CH 3
 
 NO2
 
 NHCOCH3
 
 CH 3
 
 NO2
 
 Cl
 
 CN Cl
 
 Br
 
 OH CH 3
 
 OCH 3
 
 NO2
 
 OH
 
 SO3H
 
 OH
 
 NO2
 
 NHCOCH 3
 
 Abb. 11.8. Regioselektivität der elektrophilen aromatischen Substitution unter Einfluß mehrerer Erstsubstituenten; der längste Pfeil markiert die bevorzugte Eintrittsstelle
 
 11.2 Mechanismen nucleophiler Substitutionen am Aromaten Wie bei Aliphaten (Kap. 14) findet man bei Benzen-Derivaten nucleophile Substitutionen mit bimolekularen und solche mit monomolekularen Mechanismen. Außerdem kann der Substituentenaustausch auch über eine Folge von Eliminierung und Addition mit Arin-Zwischenstufe ablaufen. Alle drei Mechanismen sind eng mit den chemischen und physikalischen Eigenschaften sowie der Darstellung der vier Halogenbenzene verknüpft.
 
 11.2.1
 
 Nucleophile Substitutionen an Arylhalogeniden
 
 In substituierten Phenyl- und Vinylhalogeniden kann das Halogen durch nucleophile Reagenzien, die unter den Bedingungen einer Alkylhalogenid-Substitution noch gut reagieren, nicht ersetzt werden. Während Chlorbenzen mit Hydroxid als Nucleophil zu Benzylalkohol umgesetzt wird, widersteht Chlorbenzen unter moderaten Bedingungen der analogen Reaktion zum Phenol. CH2 Cl + OH
 
 α-Chlortoluen (Benzylchlorid)
 
 CH 2 OH + Cl
 
 Benzylalkohol
 
 Cl
 
 Chlorbenzen
 
 +
 
 OH
 
 OH
 
 Phenol
 
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 +
 
 Cl
 
 168
 
 11
 
 Substitutionen an Aromaten
 
 Andererseits reagieren Arylhalogenide mit elektronenziehenden und m-dirigierenden Substituenten in o- und p-Stellung zum Halogen unter milden Bedingungen mit Nucleophilen, da solche Gruppen die o- und p-Stellung des aromatischen Ringes positivieren. o- und p-Nitrochlorbenzen werden bereits bei Raumtemperatur (RT) durch Hydroxid als Nucleophil zu den entsprechend substituierten Phenolen umgesetzt: Cl + OH
 
 OH + Cl
 
 RT
 
 NO2
 
 OH + Cl
 
 RT
 
 O2N
 
 NO2
 
 o-Nitrochlorbenzen
 
 Cl + OH
 
 o-Nitrophenol
 
 O2N
 
 p-Nitrochlorbenzen
 
 p-Nitrophenol
 
 Weitere typische nucleophile Substitutionen nitroaktivierter Halogenaromaten machen nicht nur Nitrophenole, sondern auch Thiophenole, Anilin-Derivate und Hydrazine zugänglich: NO2 O2N
 
 OH
 
 NO2
 
 NaOH in H2 O, 80 °C
 
 H2 N
 
 2,4-Dinitrophenol O2N
 
 O2N
 
 SH
 
 NaSH in H2 O
 
 Cl
 
 NO2 2,4-Dinitrochlorbenzen
 
 NH 2
 
 O2N
 
 NH NH 2
 
 2,4-Dinitrophenylhydrazin (H3 C) 2 NH in Ethanol, 25 °C
 
 NO2 2,4-Dinitrothiophenol
 
 NH(CH 3)2 Cl
 
 O2N
 
 NO2 N,N-Dimethyl-2,4-dinitrophenylammoniumchlorid
 
 Gegenüber diesen Reaktionen erfordert die nucleophile aromatische Substitution des Halogens in Chlorbenzen oder m-Nitrochlorbenzen vergleichsweise drastische Reaktionsbedingungen. Cl
 
 +
 
 OH
 
 NaOH, H2O, 350 °C, hoher Druck
 
 Cl
 
 m-Nitrochlorbenzen
 
 +
 
 Cl
 
 OH
 
 +
 
 Cl
 
 Phenol
 
 Chlorbenzen O2N
 
 OH
 
 +
 
 OH
 
 NaOH, H2O, >300 °C, hoher Druck
 
 O2N
 
 m-Nitrophenol
 
 Aufgrund der erforderlichen hohen Temperaturen und Drucke sind solche Reaktionen im Labor nur schwierig realisierbar. Sie werden jedoch bei vielen technischen Synthesen in großen Ansätzen durchgeführt. Die ungewöhnlich schwache Reaktivität nicht aktivierter Halogenaromaten läßt sich erklären: Aryl- und Vinylhalogenide enthalten sp2-hybridisierte C-Atome, was ebenso wie der (+)M-Effekt zu einer stärkeren und kürzeren Bindung des Chlors beiträgt. Vinyl- und Arylhalogenide sind daher wesentlich stabiler als Halogenalkane, bei denen das Halogen weniger stark an ein sp3-C-Atom gebunden ist.
 
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 11.2
 
 Mechanismen nucleophiler Substitutionen am Aromaten
 
 169
 
 Halogenaromaten können nicht wie Halogenalkane die für SN2-Reaktionen (Kap. 14.2.1) erforderlichen Übergangszustände ausbilden, da kein nucleophiler Angriff von einer Rückseite her möglich ist. Auch SN1-Reaktionen (Kap. 14.2.2) sind unwahrscheinlich, da die Mesomerie der Halogenaromaten eine heterolytische Spaltung in Aryl-Kationen und Halogenid-Anionen erschwert. Ein nucleophiler Angriff am halogenierten C-Atom würde zu einer Aufhebung der Aromatizität im Übergangszustand führen und eine entsprechend hohe Aktivierungsenergie zur Umhybridisierung dieses C-Atoms von sp2 nach sp3 erfordern.
 
 11.2.2
 
 Mechanismus der bimolekularen nucleophilen Substitution am Aromaten
 
 Die Beispiele (Kap. 11.2.1) zeigen, daß Halogenaromaten mit Nucleophilen unter milden Bedingungen reagieren, wenn stark elektronenziehende Substituenten wie die Nitro-Gruppe in o- und pStellung zum Halogen stehen. Eine Nitro-Gruppe in m-Stellung zum Halogen aktiviert dagegen nicht. Die Darstellung isomerer Phenole aus o-, p- und m-Nitrochlorbenzenen demonstriert den Mechanismus und den aktivierenden Effekt der Nitro-Gruppe. Diese Reaktion verläuft über zwei Stufen nach einer Kinetik 2. Ordnung. Somit wird sie abgekürzt als SNAr2 klassifiziert. Zunächst bildet sich durch den nucleophilen Angriff des Hydroxid-Ions am chlortragenden CAtom des Nitrochlorbenzens ein mesomeriestabilisiertes Carbanion. O
 
 NO2 Cl
 
 +
 
 OH
 
 N
 
 langsam
 
 O
 
 O Cl OH
 
 N
 
 O
 
 O
 
 Cl OH
 
 N
 
 O Cl OH
 
 O
 
 N
 
 O Cl OH
 
 mesomeriestablisiertes Carbanion
 
 Da dieser Schritt den aromatischen Zustand aufhebt, erfordert er eine hohe Aktivierungsenergie und bestimmt die Geschwindigkeit. In einem schnellen Folgeschritt spaltet das Carbanion ein Chlorid-Ion ab und rearomatisiert auf diese Weise zum Nitrophenol. O
 
 N
 
 O Cl OH
 
 vier mesomere Grenzformeln
 
 NO2 schnell
 
 OH
 
 +
 
 Cl
 
 o-Nitrophenol
 
 Die aus o- und p-Nitrochlorbenzen resultierenden Carbanionen sind stärker stabilisiert, da sie ihre negative Ladung durch Mesomerie über mehr Atome delokalisieren und damit besser verteilen
 
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 170
 
 11
 
 Substitutionen an Aromaten
 
 können (vier Valenzstrichformeln) als das Carbanion des m-Nitrochlorbenzens (drei Grenzformeln) oder des unsubstituierten Chlorbenzens (ebenfalls drei Grenzformeln). Cl
 
 +
 
 OH
 
 Cl OH
 
 langsam
 
 Cl OH
 
 Cl OH drei mesomere Grenzformeln
 
 Cl
 
 +
 
 OH
 
 Cl OH
 
 langsam
 
 NO2
 
 Cl OH
 
 NO2
 
 NO2
 
 Cl OH
 
 NO2
 
 (−)-M-Substituenten in o- und p-Stellung zum Halogen senken die Aktivierungsenergie zur Bildung des Übergangszustands, da sie die Elektronendichte am halogenierten C-Atom erniedrigen. Indem der elektronenanziehende Substituent die negative Ladung des Carbanions teilweise übernimmt, wird diese besser verteilt, was den Übergangszustand stabilisiert. (−)-M-Substituenten erhöhen andererseits die Aktivierungsenergie zur Bildung der Carbanionen und bremsen somit die Reaktion. Sie konzentrieren die negative Ladung im Kern, erschweren einen nucleophilen Angriff am halogenierten C-Atom und destabilisieren den Übergangszustand. Die bei der nucleophilen Substitution (SNAr2) aktivierenden Gruppen desaktivieren bei der elektrophilen aromatischen Substitution. Entsprechend kehren sich bei SNAr2-Reaktionen die in Tab. 10.7 (S. 137) skizzierten Substituenteneffekte auf die Reaktivität um. Von allen SNAr2-aktivierenden Resten hat die Nitro-Gruppe den stärksten Einfluß. Gewichtige mesomere Grenzformeln einiger Carbanionen zeigen, daß der aktivierende Substituent im Übergangszustand stets die negative Ladung des Nucleophils übernimmt (Nu = Nucleophil, X = austretende Gruppe): Nu X
 
 O C
 
 Nu X
 
 O C
 
 O
 
 Nu X
 
 Nu X
 
 CH 3
 
 N
 
 O
 
 C NI _
 
 Zusätzliche Nitro-Gruppen in o- und p-Stellung begünstigen SNAr2-Reaktionen vehement. So kann das 2,4,6-Trinitrochlorbenzen bereits durch Wasser hydrolysiert werden, und das als Reagenz auf Amino-Gruppen benutzte 2,4-Dinitrofluorbenzen (SANGER-Reagenz) reagiert mit primären Aminen rasch unter milden Bedingungen. O O2N
 
 F
 
 NO2 2,4-Dinitrofluorbenzen
 
 +
 
 H2N CH2 C NH 2 Glycinamid
 
 − HF
 
 O O2N
 
 NH CH2 C
 
 NH 2 NO2 N-(2,4-Dinitrophenyl)glycinamid
 
 Im Gegensatz zu SN1-Reaktionen der Halogenalkane hat bei SNAr2-Reaktionen die Art des Halogens kaum einen Einfluß auf die Geschwindigkeit. Nur die Fluoraromaten reagieren etwas rascher
 
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 11.2
 
 Mechanismen nucleophiler Substitutionen am Aromaten
 
 171
 
 aufgrund des starken (−)-I-Effekts von Fluor, der die Elektrophilie des verknüpften C-Atoms erhöht. Eine Gegenüberstellung der drei Typen nucleophiler Substitutionen, SN1 und SN2 (Substrate: Halogenalkane R−X) und SNAr2 (Substrate: Halogenaromaten, Ar−X) faßt die Kennzeichen dieser Reaktionen zusammen (Abb. 11.9). Epot
 
 Epot X
 
 + [R ]
 
 HO
 
 Epot
 
 X
 
 X Ar
 
 + OH
 
 OH
 
 C R
 
 C
 
 X + OH
 
 X + OH
 
 Ar
 
 HO
 
 R OH + X
 
 C
 
 + X
 
 SN2 : Halogenalkan (Alkylhalogenid) bimolekulare, konzertierte Reaktion instabiler Übergangszustand
 
 SN1 : Halogenalkan (Alkylhalogenid) unimolekulare Reaktion Carbenium-Ion als Zwischenstufe
 
 X + OH
 
 Ar
 
 OH + X
 
 SNAr2 : Halogenaren (Arylhalogenid) bimolekulare Reaktion Carbanion als Zwischenstufe
 
 Abb. 11.9. Vergleich der Aktivierungsenergien nucleophiler Substitutionen an Halogenalkanen und Halogenaromaten
 
 Das Lösemittel kann andererseits die Reaktionsgeschwindigkeit entscheidend beeinflussen. So reagieren in Dimethylsulfoxid (DMSO) auch nicht aktivierte Halogenaromaten mit tertiären Alkoxiden. Cl
 
 +
 
 O C(CH 3)3
 
 in (CH3) 2SO − Cl
 
 −
 
 t-Butanolat-Anion
 
 11.2.3
 
 C(CH3)3 O
 
 t-Butylphenylether
 
 Monomolekulare nucleophile Substitutionen am Aromaten
 
 Die aus Aminobenzenen zugänglichen Phenyldiazonium-Salze können mit Nucleophilen unter Stickstoff-Abspaltung reagieren (SANDMEYER-Reaktion), wie einige Beispiele zeigen (Kap. 10.11.2) . NH2 Anilin
 
 HNO2
 
 N2 Phenyldiazonium-Ion
 
 − N2
 
 + Cl
 
 Phenyl-Kation
 
 −
 
 Cl Chlorbenzen
 
 In unpolaren oder basischen Lösungen kann diese Reaktion auch radikalisch (über PhenylRadikale) ablaufen. In sauren, polaren Lösungen dominiert jedoch der beschriebene ionische Me-
 
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 172
 
 11
 
 Substitutionen an Aromaten
 
 chanismus. Dieser gehört zum Typ einer monomolekularen aromatischen Substitution, da die nach erster Ordnung verlaufende Zersetzung des Phenyldiazonium-Salzes geschwindigkeitsbestimmend ist. Das entstehende Aryl-Kation reagiert demnach in einem schnellen Schritt mit Nucleophilen wie Halogenid-, Hydroxid- oder Alkoxid-Ionen. Heterolytische Spaltungen der CN-Bindung im Diazonium-Salz werden durch elektronenabgebende Gruppen im Phenyl-Rest erleichtert und durch elektronenanziehende erschwert. Die Reaktivität m-substituierter Phenyldiazonium-Salze (Y = meta-Substituent) nimmt in der Folge OH > CH3 > H > Cl > NO2 ab. Y
 
 Y
 
 X
 
 N NI X
 
 +
 
 N2
 
 Die Substituenten OH oder OCH3 wirken in p-Stellung jedoch desaktivierend, da ihr (+)-M-Effekt über den Benzen-Kern eine partielle CN-Doppelbindung zur Diazonium-Gruppe mit (−)-M-Effekt bildet. Diese Mesomerie stabilisiert die Bindung der Diazonium-Gruppe am Benzen-Ring. H3C _ O _
 
 H 3C N NI
 
 O _
 
 N NI _
 
 p-Methoxyphenyldiazonium-Ion
 
 11.3 Eliminierungs-Additions-Mechanismus 11.3.1
 
 Mechanismus der Aminierung des Brombenzens
 
 Die Aminierung des Brombenzens durch Natriumamid in flüssigem Ammoniak als Lösemittel folgt einem Eliminierungs-Additions-Mechanismus. Im ersten und geschwindigkeitsbestimmenden Schritt bildet sich durch Eliminierung ein Arin (Dehydrobenzen); dabei entzieht das Amid-Ion als starke Base dem Benzen-Ring ein Proton in o-Stellung zum Halogen. H Br
 
 − NH3
 
 +
 
 Br
 
 INH 2
 
 H Brombenzen
 
 Carbanion
 
 − Br
 
 −
 
 Dehydrobenzen (Arin)
 
 Im zweiten schnellen Reaktionsschritt addiert das Amid-Ion an das Arin unter Bildung von Anilin (Addition). NH 2 +
 
 INH 2
 
 NH2
 
 + NH3 − INH2
 
 Carbanion
 
 Anilin
 
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 11.3
 
 Eliminierungs-Additions-Mechanismus
 
 173
 
 Das kleinste noch stabile Cycloalkin ist Cyclooctin. Das Dehydrobenzen-Intermediat ist somit eine hochreaktive, gespannte Zwischenstufe, deren Dreifachbindung von der in Alkinen üblichen linearen Geometrie abweicht: Die dritte Bindung resultiert aus der seitlichen Überlappung von sp2Hybridorbitalen zweier benachbarter benzoider C-Atome.
 
 :
 
 oder
 
 oder
 
 Im Gegensatz zur rotationssymmetrischen Elektronendichteverteilung in den Molekülorbitalen von Ethin ist beim Dehydrobenzen die seitliche Überlappung der beiden sp2-Orbitale entlang einer der sechs Seiten des Rings und senkrecht zur π-Elektronenwolke gering. Arine lassen sich als starke Dienophile u. a. durch DIELS-ALDER-Reaktion abfangen. Einen weiteren experimentellen Hinweis für den Arin-Mechanismus liefert die Aminierung von 14C-ringmarkiertem Chlorbenzen mit Kaliumamid in Ammoniak. * Cl
 
 * NH2
 
 + 2 KNH2 in NH3, − 33 °C
 
 *
 
 +
 
 − 2 KCl
 
 * : 14C markiertes Ring-C-Atom
 
 48 %
 
 52 %
 
 NH2
 
 *
 
 Würde die Reaktion den Mechanismen der nucleophilen Substitution (Kap. 11.2) folgen, so entstünde nur ein Reaktionsprodukt, nämlich Anilin mit 14C-markiertem C-1. Die gefundene geringfügige Abweichung vom theoretisch zu erwartenden 50 : 50 Verhältnis für die C-1- und C-2Markierung ist eine Folge des kinetischen Isotopie-Effekts. Solche Isotopie-Effekte treten auf, weil wegen der größeren Masse die Reaktionsgeschwindigkeit an 14C-Atomen etwas geringer ist. Im Falle substituierter Halogenaromaten verlaufen die Eliminierungs- und Additions-Teilschritte immer über das stabilere Carbanion. Abb. 11.10 skizziert die Aminierung von o- und m-Chloranisol, die nur zu einem Reaktionsprodukt führt. In diesem Fall sind die CarbanionenZwischenstufen durch den (−)-I-Effekt der Methoxy-Gruppe stabilisiert. Da dieser induktive Effekt nur über wenige Atome hinweg wirkt, sind Carbanionen mit negativer Ladung nahe der Methoxy-Gruppe etwas stabiler als andere. OCH3 Cl
 
 + NH 2
 
 OCH3
 
 OCH 3
 
 −
 
 Cl
 
 − NH 3
 
 − Cl
 
 −
 
 OCH3 − Cl
 
 −
 
 Cl
 
 + NH2 − NH 3
 
 OCH3
 
 −
 
 Cl
 
 o-Chloranisol
 
 m-Chloranisol + NH2
 
 OCH3 H2N
 
 −
 
 OCH 3 + NH 3 − NH 2
 
 −
 
 H 2N
 
 OCH 3
 
 H 2N
 
 m-Methoxyanilin (m-Anisidin) einziges Produkt
 
 OCH3 Cl weniger stabil
 
 Abb. 11.10. Aminierung von o- und m-Chloranisol
 
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 174
 
 11
 
 11.3.2
 
 Substitutionen an Aromaten
 
 Weitere nucelophile Substitutionen an nicht aktivierten Aromaten
 
 Durch Wahl der Reaktionsbedingungen kann man oft denselben Halogenaromaten sowohl nach einem SNAr2 als auch nach dem Arin-Mechanismus zur Reaktion bringen. Viele Phenole und aromatische Amine können auf diese Weise hergestellt werden. Der Arin-Mechanismus erklärt die dabei beobachteten Umlagerungen; deshalb werden diese Reaktionen auch als cine-Substitutionen bezeichnet (griech. κινειν = bewegen). OH 2 H 3C
 
 Cl
 
 + 2 NaOH (H2O, 340 °C, Druck) − 2 NaCl
 
 H 3C
 
 p-Chlortoluen
 
 OH
 
 +
 
 p-Kresol (50 %)
 
 + 2 KNH2 (NH3, − 33 °C)
 
 2 H 3C
 
 − 2 KCl
 
 Cl
 
 m-Kresol (50 %)
 
 +
 
 H 3C
 
 + NaNH2 (NH3, − 33 °C)
 
 H 3CO
 
 − NaI
 
 H3C NH2
 
 H 2N o-Toluidin (50 %)
 
 o-Chlortoluen
 
 H3C
 
 m-Toluidin (50 %)
 
 H 3CO NH2 m-Aminoanisol (m-Anisidin)
 
 I
 
 o-Iodanisol
 
 N(C 2H5)2
 
 Cl −
 
 N(C2H 5)2
 
 + Li+ N(C2H5) 2 in Ether
 
 2
 
 +
 
 − LiCl
 
 1-Chlornaphthalen
 
 1-(N,N-Diethylamino)naphthalen (40 %)
 
 2-(N,N-Diethylamino)naphthalen (60 %)
 
 Phenyllithium kann auch an nicht substituiertem Fluorbenzen Reaktionen vom Arin-Typ auslösen, wie am Beispiel einer Synthese der Biphenyl-o-carbonsäure klar wird. Im allgemeinen reagieren Arylfluoride jedoch bevorzugt nach dem SNAr2-Mechanismus. F
 
 F
 
 + C6H5Li in Ether − C6H6
 
 Li
 
 CO2H
 
 +
 
 + CO2, + [H ]
 
 + C6H5Li
 
 − LiF
 
 − Li
 
 Li
 
 +
 
 Biphenylo-carbonsäure
 
 Polychlorphenole ("PCP", z. B. 2,4,5-Trichlorphenol) können bei hohen Temperaturen nach SNAr2- oder Eliminierungs-Additions-Mechanismen cyclisieren. Dabei bilden sich u. a. die hochtoxischen, teratogenen, mehrfach chlorierten Dibenzodioxine, darunter das Seveso-Dioxin TCDD. Chlorierte Dibenzodioxine müssen wie viele andere biologisch schwer abbaubare Halogenalkane und Halogenaromaten in besonderen Verbrennungsanlagen entsorgt werden. Cl
 
 Cl
 
 HO
 
 Cl
 
 Cl
 
 Cl
 
 + Cl
 
 OH
 
 2,4,5-Trichlorphenol
 
 > 300 °C, − 2 HCl
 
 Cl
 
 O
 
 Cl
 
 Cl
 
 O
 
 Cl
 
 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo[b,e]-[1,4]dioxin (TCDD)
 
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 12.1 Nomenklatur polycyclischer Aromaten
 
 175
 
 12 Polycyclische Aromaten 12.1 Nomenklatur polycyclischer Aromaten In polycyclischen, auch als kondensiert oder mehrkernig bezeichneten aromatischen Kohlenwasserstoffen sind mehrere Benzen-Ringe aneinander geknüpft. Einfachster Vertreter ist Naphthalen (Tab. 12.1). Es besteht aus zwei Benzen-Ringen, die über eine gemeinsame Bindung (zwei gemeinsame C-Atome) miteinander verknüpft sind. Drei Benzen-Ringe lassen sich linear oder gewinkelt ("angular") verknüpfen ("anellieren", "fusionieren", "kondensieren"), wie die Beispiele Anthracen und Phenanthren (Tab. 12.1) zeigen. Alle polycyclische Aromaten erfüllen wegen des gemeinsamen Strukturelements Benzen die Aromatizitätskriterien. Ihre typische Reaktion ist daher die elektrophile aromatische Substitution. Im Vergleich zu Benzen sind sie jedoch reaktiver und neigen mehr zu Additionen. Für die wichtigsten mehrkernigen Aromaten gelten individuelle Bezeichnungen und eine festgelegte Ring-Bezifferung (Tab. 12.1). Größere Ringsysteme werden als Benzenhomologe angesehen. Positionsziffern oder Buchstaben kennzeichnen verknüpfende C-Atome am Grundskelett, wobei [a] eine 1,2-Fusion (Verknüpfung) und [b] eine 2,3-Fusion bedeuten. Tab. 12.1. Nomenklatur und Ringbezifferung ausgewählter kondensierter Aromaten (Für jeden Aromaten steht nur eine Valenzstrichformel, die den tatsächlichen Bindungszustand des Moleküls nicht wiedergibt)
 
 6 5
 
 7a
 
 7
 
 8a 8
 
 1 2
 
 3
 
 4
 
 5
 
 3a
 
 Inden dinuclear
 
 9
 
 9a 1
 
 8
 
 4b 4a 4
 
 5
 
 8a
 
 4a
 
 1
 
 5
 
 4
 
 Naphthalen dinuclear
 
 Fluoren trinuclear
 
 10 7
 
 6a
 
 11
 
 11a
 
 6
 
 5a
 
 12 5
 
 12a
 
 4a
 
 1 4
 
 7 6b 6a 6
 
 Naphthacen (Tetracen) Benzo[b]anthracen
 
 1 12b
 
 11 12 12a
 
 10a 10
 
 1 12b
 
 4a
 
 8a
 
 1 4
 
 8 5
 
 9 10 10a 1 4b 4a 4
 
 Phenanthren trinuclear gewinkelt kondensiert
 
 8a
 
 4b 5
 
 12
 
 4c 4a
 
 5 4a
 
 1,2-Benzophenanthren Benzo[a]phenanthren
 
 10
 
 10a
 
 9a
 
 9 10 10a
 
 8 4
 
 9
 
 Anthracen trinuclear linear kondensiert 8a
 
 10a
 
 8a
 
 8
 
 8
 
 10 10a 1
 
 12a
 
 4
 
 1
 
 Chrysen Benzo[c]phenanthren
 
 5a 5
 
 3a
 
 Pyren Benzo[d,e,f]phenanthren
 
 12
 
 4
 
 10 10a
 
 4a
 
 12a 4b 12 5 8b 8a 8 9
 
 Triphenylen Benzo[ l ]phenanthren
 
 7 6a 6
 
 12 12a 1 12b 11b
 
 1
 
 11a
 
 5a 5
 
 2b
 
 2a
 
 3a
 
 Benzopyren Benzo[a]pyren
 
 Coronen Hexabenzobenzen
 
 Hexahelicen Phenanthro[a]phenanthren
 
 Die positionsisomeren, an C-1 bzw. C-2 monosubstituierten Naphthalene werden auch als α- und β-Isomere bezeichnet. Naphthalene mit identischen Substituenten in den 1,8- oder 2,6-Stellungen können durch die Präfixe peri- bzw. amphi- gekennzeichnet werden.
 
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 176
 
 12 Polycyclische Aromaten
 
 12.2 Bindungszustand und Mesomerie Naphthalen als einfachster kondensierter Aromat ist ein ebenes Molekül, wie die Modelle zeigen (Abb. 12.1). Seine σ-Bindungen kommen durch Überlappung der sp2-Hybridorbitale von zehn trigonalen C-Atomen zustande. Durch seitliche Überlappung der senkrecht zur Molekülebene stehenden zehn p-Orbitale resultiert oberhalb und unterhalb der Ebene der C-Atome eine delokalisierte π-Elektronenwolke, die zehn Elektronen enthält (Abb. 12.2). Im Valenzstrich-Formalismus kann Naphthalen als Hybrid dreier mesomerer Grenzformeln a, b und c betrachtet werden.
 
 Abb. 12.1. Stab-, Kugel-Stab- und Kalottenmodell des Naphthalens π
 
 σ
 
 π
 
 (a)
 
 (b)
 
 (c)
 
 (d)
 
 Abb. 12.2. Mesomere Grenzformeln (a - c) und Entstehung des π-Elektronensystems von Naphthalen durch Überlappung koaxialer p-Orbitale (d)
 
 Eine häufig verwendete, die benzoide Struktur des Naphthalens andeutende Formel mit zwei einbeschriebenen Kreisen ist nicht korrekt: Naphthalen hat nur ein vollständiges π-Elektronensextett. oder
 
 nicht korrekt:
 
 Die durch Messung der Verbrennungswärme bestimmte Mesomerieenergie des Naphthalens beträgt 255.6 kJ/mol. Das bedeutet eine Mesomeriestabilisierung von 127.8 kJ/mol pro Ring verglichen mit 150.8 kJ/mol für Benzen. Naphthalen und besonders die höheren Acene sind daher weniger stabil und weniger aromatisch als Benzen. Die geringere Stabilisierung pro Ringeinheit bedeutet andererseits eine Erhöhung der Reaktivität.
 
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 12.2
 
 Bindungszustand und Mesomerie
 
 177
 
 Relative Stabilitäten kondensierter Aromaten lassen sich mit Hilfe der CLAR-Regel vorhersagen, nach der die Polycyclen umso stabiler (energieärmer) sind, je mehr autonome π-Elektronensextetts sie enthalten, wie die Beispiele des Anthracens und Phenanthrens zeigen (Tab. 12.2).
 
 Anthracen (linear anelliert) ein autonomes π-Elektronensextett
 
 Phenanthren (angular anelliert) zwei autonome π-Elektronensextetts
 
 Tab. 12.2. Mesomerieenergien einiger mehrkerniger Aromaten M e s o m e r i e e n e r g i e insgesamt
 
 kcal / mol 36.0 61.0 85.9 99.2 130.0 134.4
 
 Benzen Naphthalen Anthracen Phenanthren Tetracen Chrysen
 
 kJ / mol 150.8 : 255.6 : 360.0 : 415.6 : 544.7 : 563.1 :
 
 1 2 3 3 4 4
 
 = = = = = =
 
 pro Benzen-Ring kJ / mol 150.8 127.8 120.0 138.5 136.2 140.8
 
 Isomere meso-substituierte Pentacene sind weitere Beispiele: stabiler sind die Tautomeren (Isomeren) mit der größeren Anzahl autonomer π-Elektronensextetts. In den Formeln kennzeichnet "b" einen benzoiden Ring mit π-Elektronensextetts, "q" einen chinoiden mit nur zwei konjugierten Doppelbindungen ("q" von englisch "quinone" für Chinon). CH3 q
 
 q
 
 b
 
 CH2 q
 
 q
 
 q
 
 b
 
 OH q
 
 b H H stabil
 
 labil
 
 q
 
 q
 
 b
 
 O q
 
 unbekannt
 
 q
 
 q
 
 b
 
 b
 
 q
 
 H H stabil
 
 Die gegenüber Benzen verkürzten Bindungslängen des Naphthalens und Anthracens spiegeln den höheren Alken-Charakter der C-1−C-2-Bindung in mehrkernigen Aromaten wider. 136 142
 
 136 139
 
 Naphthalen
 
 137 143 140
 
 142
 
 144
 
 140 139
 
 Anthracen Benzen Bindungslängen in pm
 
 134
 
 H2C CH2 Ethen
 
 Dieser Tatsache trägt die Beschreibung des Naphthalens durch die drei Formeln a, b und c (Abb. 12.2) Rechnung, in denen die 1,2-Doppelbindung zweimal und die 1,2-Einfachbindung nur einmal auftritt. Analoge Betrachtungen lassen sich für andere polynucleare Aromaten anstellen. So findet man einen besonders ausgeprägten olefinischen Charakter für die 9,10-Bindung des Phenanthrens.
 
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 178
 
 12 Polycyclische Aromaten
 
 12.3 Gewinnung polycyclischer Aromaten Einige kondensierte Aromaten kommen im Steinkohlenteer und in den Rückständen der ErdölDestillation vor. Naphthalen, Anthracen, Phenanthren und ihre Alkyl-Derivate werden durch "Teerverwertung" in technischem Maßstab gewonnen. Teere (auch die des Tabakrauches) enthalten u. a. mehrere stark carcinogene polycyclische (mehrkernige) Kohlenwasserstoffe, z. B. Benzo[a]pyren (Tab. 12.1). Aus Cycloalkanen oder hydroaromatischen Kohlenwasserstoffen wie Tetralin (Tetrahydronapthalen) lassen sich vollaromatische Ringsysteme durch katalytische Dehydrierungen in Gegenwart von Pt-, Pd- oder Ni-Katalysatoren herstellen. Alternativ kann man auch in der Hitze oder in Gegenwart von Selen, Schwefel oder Disulfiden dehydrieren. Umgekehrt sind viele Hydroaromaten und Polycycloalkane wie die Decaline (Kap. 8.4.3) durch Hydrierung mehrkerniger Aromaten zugänglich. Hydrierung
 
 Hydrierung
 
 Dehydrierung Hydrierung
 
 Decalin (cis- + trans-)
 
 Tetralin
 
 1,4-Dihydronaphthalen
 
 Naphthalen
 
 12.4 Typische Reaktionen 12.4.1
 
 Elektrophile aromatische Substitutionen des Naphthalens
 
 Naphthalen ist aufgrund seiner geringeren Mesomeriestabilisierung leichter substituierbar als Benzen. Dementsprechend läßt sich Naphthalen unter moderaten Bedingungen nitrieren, bromieren, sulfonieren und acetylieren (Abb. 12.3). Die Produkte sind attraktive Edukte industrieller organischer Synthesen. Die Substitution durch ein Elektrophil Y+ ist in α-Stellung energetisch etwas günstiger als in βStellung, wie die mesomeren Valenzstrich-Formeln der intermediären Naphthonium-Ionen zeigen: Y H
 
 Y H
 
 Y H
 
 H
 
 H
 
 α-Substitution
 
 H Aromatizität eines Ringes unversehrt : stabiler
 
 H β -Substitution
 
 Aromatizität beider Ringe gestört : weniger stabil
 
 Y
 
 H
 
 Y
 
 Y
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 Die positive Ladung der Naphthonium-Ionen verteilt sich demnach bei α-Substitution günstiger (zwei benzoide Grenzformeln) als bei β-Substitution (eine benzoide Grenzformel). Trotz dieses elektronisch günstigeren α-Angriffs wird oft die Bildung des β-Produkts bevorzugt, besonders
 
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 12.4 Typische Reaktionen
 
 179
 
 wenn raumfüllende Substituenten eingeführt werden, oder wenn bei höherer Reaktionstemperatur substituiert wird. Einige Beispiele zur Herstellung industriell wichtiger Naphthalen-Derivate machen dies deutlich. NO2
 
 HNO3 / H2SO4 50 - 60 °C
 
 Fe / HCl (Reduktion)
 
 α-Nitronaphthalen
 
 NH2
 
 Diazoniumsalze Azofarbstoffe α-Naphthole Nitrile Naphthylhalogenide
 
 α-Naphthylamin
 
 Br
 
 Br 2 / CCl4 Rückfluß ohne Kat.
 
 Alkohole CarbonylVerbindungen
 
 über GRIGNARD-Verbindungen
 
 α-Bromnaphthalen
 
 SO3H Naphthalen
 
 SO3H
 
 konz. H2SO4
 
 α-Naphthol β-Naphthylamin
 
 sowie
 
 reversibel
 
 α-Naphthalensulfonsäure 96 % 15 %
 
 O
 
 C
 
 β-Naphthalensulfonsäure bei 80 °C 4% bei 160 °C 85 %
 
 CH 3
 
 O C
 
 CH3COCl / AlCl3
 
 sowie 1-Acetylnaphthalen
 
 CH 3
 
 2-Acetylnaphthalen bei −15 °C in CS2 25 % Hauptprodukt bei 25 °C in C6H5NO2
 
 75 % Nebenprodukt
 
 Abb. 12.3. Ausgewählte elektrophile Monosubstitutionen des Naphthalens
 
 Zur Vorhersage der Orientierung einer Zweitsubstitution gelten im wesentlichen die Regeln der Zweitsubstitution von Benzen-Derivaten (Kap. 11.1.8), wie drei Beispiele zeigen; dabei deuten Pfeile die bevorzugten Positionen für Zweitsubstitutionen an. D
 
 A D
 
 (A)
 
 Ein aktivierender Donor-Erstsubstituent D mit (+)-M- und/oder (+)-I-Effekt wird eine elektrophile Substitution vorwiegend in dem gleichen Ring dirigieren. Ein desaktivierender Akzeptor-Erstsubstituent A mit (−)-M- und/oder (−)-I-Effekt wird eine elektrophile Substitution überwiegend in den anderen Ring lenken.
 
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 180
 
 12.4.2
 
 12 Polycyclische Aromaten
 
 Oxidation des Naphthalens
 
 Durch katalytische Luftoxidation bei hoher Temperatur läßt sich aus Naphthalen das u. a. zur Herstellung von Polymeren und Chinon-Farbstoffen benötigte Phthalsäureanhydrid gewinnen. O +
 
 9/2 O2
 
 V2O5, 470 °C
 
 O
 
 +
 
 2 CO2
 
 +
 
 2 H2O
 
 O Phthalsäureanhydrid
 
 Chromsäure oxidiert β-alkylsubstituierte Naphthalene zu 1,4-Naphthochinonen. Unter ähnlichen Oxidationsbedingungen wird Toluen zu Benzoesäure oxidiert. Eine weitere Oxidation des 1,4Naphthochinons führt auch hier unter Ringspaltung zu Phthalsäure. O CH 3 +
 
 2 CrO3
 
 starke Oxidationsmittel hohe Temperaturen
 
 CO2H
 
 − Cr 2O3
 
 CO2H O 2-Methyl-1,4-naphthochinon
 
 2-Methylnaphthalen
 
 12.4.3
 
 CH 3
 
 CH3CO2H, 25 °C
 
 Phthalsäure
 
 Reduktion des Naphthalens
 
 Aufgrund der geringeren Mesomerieenergie pro Ring kann ein Ring des Naphthalens chemisch reduziert werden. Die BIRCH-Reduktion mit Natrium in flüssigem Ammoniak führt z. B. zum Isotetralin. Eine vollständige Reduktion beider Ringe erfordert jedoch wie beim Benzen eine metallkatalysierte Hydrierung unter drastischen Bedingungen. Na , (H3C)2CHOH , Rückfluß , 132 °C
 
 1,4-Dihydronaphthalen H2, Ni H2 / Pt oder Ni
 
 Na , C2H5OH , Rückfluß, 78 °C
 
 Hitze , Druck
 
 Tetralin
 
 Naphthalen
 
 und
 
 cis- und trans-Decalin
 
 Na , flüss. NH3 , − 78 °C
 
 Isotetralin
 
 12.4.4
 
 Reaktionen des Anthracens und Phenanthrens
 
 Sowohl beim Anthracen als auch beim Phenanthren sind die meso-Positionen C-9 und C-10 bevorzugte Reaktionszentren, weil dabei zwei Benzen-Ringsysteme erhalten bleiben. Die Oxidation liefert daher 9,10-Chinone, und beide tricyclische Aromaten neigen zu Additionen an den 9,10-
 
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 12.4 Typische Reaktionen
 
 181
 
 Stellungen, wie Bromierungen und katalytische Hydrierungen zeigen. Dabei genügen im Vergleich zu analogen Reaktionen des Naphthalens wesentlich mildere Reaktionsbedingungen. O
 
 H H + 2 Na , + 2 C2H 5OH
 
 + 3/2 O2 (Dampfphase)
 
 − 2 C2H 5ONa
 
 − H2O
 
 H H 9,10-Dihydroanthracen H H
 
 O 9,10-Anthrachinon O
 
 H H + H 2 , Cu , Cr 2O3
 
 O
 
 + 2 CrO3 − Cr 2O3
 
 9,10-Dihydrophenanthren
 
 9,10-Phenanthrenchinon
 
 Durch Addition von Brom und nachfolgende Dehydrobromierung lassen sich 9-Bromanthracen und 9-Bromphenanthren herstellen. 9-Bromphenanthren entsteht auch unter den Bedingungen der elektrophilen Halogenierung. Br
 
 Br
 
 H KOH, 100 °C
 
 + Br 2
 
 − HBr
 
 Br H 9,10-Dibrom-9,10-dihydroanthracen Br
 
 H
 
 9-Bromanthracen Br
 
 Br H
 
 + Br 2
 
 KOH, 100 °C − HBr
 
 9,10-Dibrom-9,10-dihydrophenanthren
 
 9-Bromphenanthren
 
 + Br 2 (FeBr 3) , − HBr (Substitution)
 
 Durch [2+4]-Cycloaddition von Dehydrobenzen an die 9,10-Stellung des Anthracens entsteht das pentacyclische Triptycen, wenn man die hochreaktive Dehydrobenzen-Zwischenstufe aus 2Bromfluorbenzen durch Metallierung mit Magnesium in einer Anthracen-Lösung erzeugt. Br F
 
 + Mg
 
 MgBr F − MgBrF
 
 H
 
 Cl
 
 H Triptycen
 
 H Triptycylchlorid
 
 +
 
 Dehydrobenzen
 
 Am Brückenkopf-C halogenierte Triptycen-Derivate − wie das durch Addition von Dehydrobenzen an 9-Chloranthracen zugängliche Triptycylchlorid − sind viel weniger reaktiv als andere Halogenalkane: Sterische Effekte behindern hier die Bildung des planaren Carbenium-Ions einer SN1-Zwischenstufe und des Übergangszustands einer SN2-Reaktion.
 
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 182
 
 12 Polycyclische Aromaten
 
 Auch andere Dienophile wie Maleinsäureanhydrid oder p-Benzochinon cycloaddieren an die 9,10Stellung des Anthracens. Entsprechende DIELS-ALDER-Cycloadditionen werden weder bei Benzen noch bei Naphthalen beobachtet. H H
 
 O 9 10
 
 H +
 
 O
 
 O H O
 
 2,3:5,6-Dibenzobicyclo[2.2.2]octan7,8-dicarbonsäureanhydrid
 
 Maleinsäureanhydrid
 
 12.4.5
 
 O O
 
 Enzymatische Epoxidation des Benzo[a]pyrens
 
 Polycyclische Aromaten wie Benzo[a]pyren aus Abgasen, Ruß, Rauch von Zigaretten und Holzkohle werden in der Zelle durch Monooxygenasen epoxidiert. Die nucleophile Addition von Wasser öffnet das Oxiran zum trans-Diol (Kap. 4.5.8). Erneute enzymatische Epoxidation der benachbarten CC-Doppelbindung führt zum Oxirandiol als Carcinogen, an das die Nucleobase Guanin der DNA addiert (Kap. 41.7). Diese Veränderung der DNA entfacht das Wachstum von Tumoren. H 7
 
 O
 
 H
 
 H HO
 
 9
 
 H OH
 
 H HO
 
 H OH H O H
 
 5
 
 Enzym + 1/2 O2
 
 11
 
 3
 
 Enzym + 1/2 O2
 
 + H2O
 
 1
 
 Benzo[a]pyren
 
 7,8-Epoxybenzo[a]pyren
 
 trans-7,8-Dihydroxybenzo[a]pyren
 
 7,8-Dihydroxy-9,10-epoxybenzo[a]pyren
 
 12.5 Ring-Synthesen (Benzoanellierungen) Polycyclische Aromaten lassen sich überwiegend durch Anbau benzoider Ringe an Arene herstellen. Solche Reaktionsfolgen, die häufig elektrophile Acylierungen einschließen, werden als Benzoanellierungen (von lat. anulus, der Ring) bezeichnet.
 
 12.5.1
 
 Anthrachinon-Synthese
 
 Die in der Farbstoffindustrie benötigten größeren Mengen von Anthrachinon-Abkömmlingen sind durch Oxidation von Anthracen (Kap. 12.4.4) oder durch FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung des Benzens mit Phthalsäureanhydrid über o-Benzoylbenzoesäure zugänglich. O
 
 O O O
 
 +
 
 Acylierung
 
 O H2SO4 oder HF
 
 AlCl3
 
 CO2H
 
 o-Benzoylbenzoesäure
 
 − H2O
 
 O 9,10-Anthrachinon
 
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 12.5
 
 Ring-Synthesen (Benzoanellierungen)
 
 12.5.2
 
 183
 
 HAWORTH-Synthese von Phenanthren-Derivaten
 
 Zur Synthese von Phenanthren nach HAWORTH wird Naphthalen nach FRIEDEL-CRAFTS in α- oder β-Stellung des Naphthalens durch Bernsteinsäureanhydrid acyliert; CLEMMENSEN-Reduktion der Ketosäure mit Zinkamalgam und Salzsäure, anschließende elektrophile Cyclisierung mit Schwefelsäure, erneute CLEMMENSEN-Reduktion und Dehydrierung mit Selen liefert Phenanthren. Über analoge Reaktionsfolgen lassen sich auch substituierte Naphthalene aus Benzen herstellen. O
 
 O +
 
 O
 
 CO2H
 
 AlCl3
 
 CLEMMENSENReduktion
 
 O
 
 12.5.3
 
 CO2H
 
 Zn x Hg , HCl
 
 Acylierung
 
 H 2SO4
 
 Acylierung
 
 Se
 
 Zn x Hg , HCl
 
 Dehydrierung
 
 CLEMMENSENReduktion
 
 O
 
 ELBS-Reaktion
 
 Methylsubstituierte Aromaten wie m-Xylen reagieren nach FRIEDEL-CRAFTS mit Benzoylchlorid in Gegenwart von Aluminiumchlorid zu einer Mischung von Ketonen. Deren Pyrolyse bei 400 °C ergibt durch intramolekulare Redox-Reaktionen und Dehydratisierung mehrkernige Aromaten (ELBS-Reaktion). H 3C C
 
 Cl
 
 +
 
 CH 3
 
 AlCl 3
 
 + Cl
 
 CH 3
 
 − 2 HCl
 
 C
 
 O
 
 H 3C
 
 O
 
 O
 
 O
 
 − 2 H2O
 
 400 °C
 
 Cu, 380 °C − H2
 
 Pentacen
 
 12.5.4
 
 6,13-Dihydropentacen
 
 DÖTZ-Reaktion
 
 Eine neuere Methode der Benzoanellierung von Aromaten ist die DÖTZ-Reaktion. Edukte sind die aus Chromhexacarbonyl und Aryllithium entstehenden Chrom-Carben-Komplexe (Kap. 32.7), die unter Decarbonylierung Alkine cycloaddieren. Die Primär-Cycloaddukte lagern sich zu den durch die Edukte vorbestimmten Aren-π-Komplexen um (Kap. 32.7.3). Deren Demetallierung setzt das polycyclische Aren frei, im formulierten Beispiel 2,3-Dialkyl-4-methoxy-1-naphthol.
 
 Cr(CO)6
 
 O Li
 
 + LiC 6 H5 Ether
 
 H5C6
 
 C
 
 Cr(CO)5
 
 OC +
 
 + (H 3C) 3O BF4
 
 −
 
 OC
 
 CO Cr C
 
 − LiF , − BF3 , − (H 3C) 2O
 
 CO CO OCH3
 
 Chrom-Carben-Komplex
 
 + R1 C C R2 50 °C , − CO
 
 H3CO
 
 Cr(CO)3 R1 R2 OH
 
 2,3-Dialkyl-4-methoxy-1-naphtholtricarbonylchrom-π-Komplex
 
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 184
 
 12 Polycyclische Aromaten
 
 12.6 Graphit und Fullerene Die natürlich vorkommende Kohlenstoff-Modifikation Graphit kann man als die am höchsten kondensierte aromatische Verbindung ansehen. Graphit wird in Bleistiftminen, als Elektrodenmaterial, Moderator in Kernreaktoren, Schmier- und Korrosionsschutzmittel verwendet. Er bildet ein Schichtgitter (Abb. 12.4 a) und zeigt eine mit den Metallen vergleichbare elektrische Leitfähigkeit, die jedoch wegen der nur innerhalb der Schichten beweglichen π-Elektronen anisotrop (richtungsabhängig) ist. Senkrecht zu den Schichten ist diese Leitfähigkeit um den Faktor 104 geringer. Auch in Benzen und allen mehrkernigen Aromaten läßt sich mit physikalischen Methoden ein anisotroper π-Elektronenstrom nachweisen. Dieser auch ohne angelegte Spannung vorhandene paramagnetische Ringstrom des Benzens ist ein Charakteristikum der Aromaten.
 
 (a)
 
 (b)
 
 Abb. 12.4. (a) Kristallstruktur (Schichtgitter) des Graphits; Schichtabstände: 335 pm; CC-Abstände in den Schichten: 142 pm; (b) Kohlenstoff-Skelett des C60-Fullerens (benzoide CC-Doppelbindungen sind nicht eingezeichnet)
 
 Als vierte Kohlenstoff-Allotrope (Modifikationen neben Ruß, Diamant und Graphit) erscheinen die in Benzen-Lösung weinroten bis braunen, im festen Zustand schwarzen Fullerene mit interessanten Eigenschaften (elektrische Leiter und Supraleiter). Fullerene (C60, C70 und C80) bilden sich bei der Verdampfung von Graphit durch Laserbestrahlung. Die Strukturanalyse ergibt Fußballähnliche Moleküle mit Untereinheiten, in denen fünf benzoide Sechsringe um einen Fünfring kondensiert sind, wie Abb. 12.4 b am Beispiel des C60-Fullerens zeigt. Das kleinste, bisher bekannte Fulleren (C20) enthält nur kondensierte Fünfringe; es bildet sich bei der Debromierung von partiell bromiertem Dodecahedran (Kap. 8.8) in einer Gasentladung. Fullerene lassen sich vielfältig abwandeln und mit funktionellen Gruppen versehen; sie reagieren mit Nucleophilen, Elektrophilen, Radikalen, Oxidations- und Reduktionsmitteln; auch Cycloadditionen gehen sie ein. Durch Verdampfung von Graphit im Lichtbogen oder durch Laser in Gegenwart von Metallkatalysatoren (Fe, Co, Ni) gelingt die Herstellung von Graphit-Monoschichten (Graphen) sowie röhrenförmig gewickelter ein- und mehrwandiger Kohlenstoff-Netze mit Querschnitten von 2.5 nm (innen) bzw. 10 nm (außen) und Längen im Millimeter-Bereich (Kohlenstoff-Nanoröhren, carbon nanotubes, CNTs). Wegen ihrer physikalischen Eigenschaften (metallische Leitfähigkeit, Zugfestigkeit und Elastizität, chemische und thermische Stabilität, Speicherung von Gastmolekülen) und chemischer Funktionalisierbarkeit gewinnen die CNTs als Werkstoffe an Bedeutung.
 
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 13.1 Klassifizierung der Halogenalkane
 
 185
 
 13 Halogenalkane (Alkylhalogenide) 13.1 Klassifizierung der Halogenalkane Verbindungen R−X, in denen ein Halogen-Atom (X = F, Cl, Br, I) an einen Alkyl-Rest gebunden ist, nennt man Halogenalkane, Halogencycloalkane, Halogenalkene sowie Halogenalkine (Alkyl-, Cycloalkyl-, Alkenyl- und Alkinylhalogenide). Die Nomenklatur der Halogenalkane folgt den besprochenen IUPAC-Regeln (Kap. 2.1.3). Je nach Alkylierungsgrad des halogenierten C-Atoms unterscheidet man primäre, sekundäre und tertiäre Halogenalkane: RCH2−X primär
 
 R2 CH−X sekundär
 
 R3 C−X tertiär
 
 Alkyl- und Arylhalogenide zeigen sehr unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften. So neigen Halogenalkane zu Eliminierungen und nucleophilen Substitutionen, während Halogenaromaten unter gleichen Reaktionsbedingungen ziemlich stabil sind.
 
 13.2 Eigenschaften Halogenalkane sieden deutlich höher als Alkane mit demselben Kohlenstoff-Gerüst jedoch tiefer als die entsprechenden Alkohole. Die Siedepunkte von Halogenalkanen und Alkanen mit ähnlicher molarer Masse unterscheiden sich dagegen kaum. Ausnahmen sind niedermolekulare Vertreter; niedermolekulare Perfluoralkane sieden trotz ihrer höheren molaren Massen tiefer als Alkane mit gleicher Anzahl von C-Atomen. Die Monohalogenalkane CH3−X (X = F, Cl, Br) sowie C2H5−X (X = F, Cl) sind bei Raumtemperatur gasförmig. Alle anderen Halogenalkane bis C18 sind Flüssigkeiten. Innerhalb homologer Serien steigt die Flüchtigkeit ̈ mit abnehmender molarer Masse des Halogenalkans, ̈ mit abnehmender Größe bzw. molarer Masse des Halogens und ̈ mit zunehmender Verzweigung der Alkyl-Gruppe. Halogenalkane sind polare Moleküle mit Dipolmomenten von µ >> 2 Debye. Von Fluoralkanen zu Iodalkanen nehmen die Dichten zu. Monochlor- und Monofluoralkane sind leichter, Brom- und Iodalkane sowie Polyhalogenalkane dagegen schwerer als Wasser. Halogenalkane lösen sich praktisch nicht in Wasser und sind ausgezeichnete Lösemittel für die meisten organischen Verbindungen. Zur Extraktion und zum Umkristallisieren werden insbesondere Dichlormethan (Methylenchlorid), Trichlormethan (Chloroform) und Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff) benutzt. Tetrachlormethan und Trichlorethen werden zur Textilreinigung verwendet. 2-Brom-2-chlor-1,1,1-trifluorethan (Halothan, CF3CHBrCl) dient als Inhalationsnarcoticum.
 
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 186
 
 13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
 
 In Fluor-, Chlor-, Brom- und Iodalkanen, -alkenen sowie -alkinen nehmen die Kohlenstoff-Halogen-Bindungslängen mit wachsender Ausdehnung der Halogen-Atomradien zu (Tab. 13.1) . Tab. 13.1. C-Halogen-Atomabstände in Halogenalkanen, -alkenen und -alkinen (in pm)
 
 Halogen-
 
 -alkan
 
 -alken
 
 -alkin
 
 C−F C−Cl C−Br C−I
 
 136 179 195 214
 
 133 172 188 209
 
 130 164 180 199
 
 Die Bindungswinkel (Interorbitalwinkel) an halogensubstituierten sp3-hybridisierten C-Atomen weichen bereits bei Fluoralkanen wie Fluormethan oder Difluormethan vom Tetraederwinkel 109°28' ab. 108.5°
 
 Fluormethan
 
 108.3°
 
 H H C F
 
 F H C F Difluormethan
 
 110.5°
 
 111.9°
 
 H
 
 H
 
 Zeichnet man Energiediagramme für die Rotation der 1,2-Dihalogenethane um deren CC-Bindung (vgl. Butan, Abb. 2.4, S. 32), so findet man je nach Größe und Elektronegativität der beiden Halogene sowie ihrer Stellung relativ zueinander Dipol-Dipol-Wechselwirkungen, VAN-DERWAALSAbstoßung oder -Anziehung zwischen den Halogen-Atomen. Daher ist beim 1,2-Dichlorethan die windschiefe, beim 1,2-Dibromethan dagegen die anti-Konformation begünstigt. Beim Tetrabrom- und Tetrachlorethan ist das gauche-Konformer um ca. 4 kJ / mol stabiler als die anti-Form. Auch (Z)-1,2-Dichlorethen ist um 2 kJ / mol stabiler als das (E)-Isomer; nur beim 1,2Diiodethen ist das (E)-Alken stabiler. Diese Abweichungen vom "Normalverhalten" der unsubstituierten Alkane sind eine Folge der erwähnten, zur Anziehung führenden Wechselwirkungen zwischen den Halogen-Atomen.
 
 13.3 Darstellung 13.3.1
 
 Radikalische Halogenierung von Alkanen
 
 Tiefsiedende Chloralkane und einige Bromalkane werden industriell überwiegend durch Halogenierung von Alkanen in der Gasphase hergestellt (Photochlorierung oder thermische Chlorierung; Kap. 3.1). Beispiele sind Synthesen der t-Butyl-, Neopentyl-, Allyl- und Benzylhalogenide: (H 3C)3CH (H 3C)4C H2C=CH−CH 3 H5C 6 CH3
 
 Br 2 , hν , 120 °C Cl2 , 300 °C Cl2 (oder Br 2) , 400 °C Cl2 (oder Br 2) , hν , Rückfluß
 
 (H3C)3C Br (H 3C)3C CH 2 Cl H 2C=CH −CH2−Cl (oder Br) H 5C6 CH 2 Cl (oder Br)
 
 Zur Herstellung von Fluor- und Iodalkanen eignen sich andere Verfahren (Kap. 13.3.7, 13.3.8).
 
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 13.3 Darstellung
 
 13.3.2
 
 187
 
 Addition von Halogenwasserstoff an Alkene
 
 Alkene addieren HX unter Bildung von Halogenalkanen (Hydrohalogenierung) je nach Reaktionsbedingungen durch elektrophile Addition (Kap. 4.5.4, 5.4) oder durch Addition über intermediäre Radikale (Kap. 4.5.10). Elektrophile Addition Die in zwei Schritten ablaufende elektrophile Addition an Alkene findet unter Lichtausschluß, bei tiefer Temperatur und in Lösung statt. Dabei addiert das Halogen so an die Doppelbindung, daß als Zwischenstufe das stabilste Carbenium-Ion auftritt (MARKOWNIKOFF-Regel).
 
 ̈
 
 X
 
 −
 
 + [H+]
 
 R CH CH2
 
 R CH CH 3
 
 + X
 
 R CH CH 3
 
 ( X = Cl , Br , I )
 
 ̈ Addition über freie Radikale In Gegenwart von Licht, von Peroxiden oder bei höherer Temperatur in der Gasphase addiert das Halogen an das mit mehr H-Atomen verknüpfte C-Atom der Doppelbindung ("anti-MARKOWNIKOFF-Produkte"), weil unter diesen Bedingungen das stabilste Radikal als Intermediat auftritt.
 
 R CH CH2
 
 13.3.3
 
 +X
 
 R CH CH 2
 
 X
 
 + HX
 
 R CH 2 CH2
 
 X
 
 +
 
 X
 
 ( X = Cl, Br )
 
 Addition von Halogen an Alkene
 
 Elektrophile Addition Über einen ionischen Mechanismus, der unter Ausschluß von Licht, bei tiefen Temperaturen und in Lösung abläuft, addieren Br2 oder Cl2 an Alkene. Dabei bilden sich 1,2-Dihalogenalkane.
 
 ̈
 
 X C C
 
 +
 
 C C
 
 X2
 
 ( X = Cl, Br )
 
 X
 
 Addition von X2 über freie Radikale Bei hohen Temperaturen in der Gasphase konkurrieren radikalische Substitutionen in AllylStellung mit radikalischen 1,2-Additionen.
 
 ̈
 
 C C C H
 
 +
 
 X2
 
 Substitution
 
 C C
 
 +
 
 HX
 
 und
 
 C C C
 
 C X
 
 +
 
 X2
 
 Addition
 
 X C C C
 
 H
 
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 X
 
 188
 
 13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
 
 13.3.4
 
 Additionen von HX und X2 an Diene
 
 Eine allgemein anwendbare Methode zur Darstellung von Halogenalkanen ist die elektrophile Addition von HX (X = Cl, Br, I) oder X2 (X = Cl, Br) an 1,3-Diene (Kap. 6.5.1). Bei tiefer Temperatur bilden sich dabei vorzugsweise 1,2-, bei höherer dagegen 1,4-Additionsprodukte. + HX
 
 X
 
 X
 
 H3C CH CH CH2
 
 H2C CH CH CH2
 
 +
 
 H3C CH CH CH2
 
 1,2-Addukt + X2
 
 1,4-Addukt
 
 H2C CH CH CH2
 
 +
 
 X X
 
 H2C CH CH CH2 X
 
 X
 
 Dieselben Produkte sind auch durch radikalische Addition von HX oder X2 an konjugierte Diene zugänglich (Kap. 6.5.2).
 
 13.3.5
 
 Additionen von HX und X2 an Alkine
 
 Zur Darstellung von Vinylhalogeniden und 1,1-Dihalogeniden eignen sich elektrophile Additionen von HX an Alkine (Kap. 7.5.3). R C C R
 
 + HX (HgX 2)
 
 R
 
 X
 
 + HX , Hitze
 
 RCH C
 
 R CH2 C R
 
 X
 
 X
 
 Die Addition von Halogenen X2 (X = Cl, Br) an Alkine öffnet den Zugang zu 1,2-Dihalogenalkenen und 1,1,2,2-Tetrahalogenalkanen. R C C R
 
 + X2 (FeX 3)
 
 X
 
 R C C
 
 R
 
 + X2 (FeX 3)
 
 X
 
 X R C X
 
 X C R X
 
 Chlorethen (Vinylchlorid) und Tetrachlorethan werden (noch in einigen Anlagen) durch Hydrohalogenierung bzw. Halogenierung des Ethins produziert: H C C H + HCl
 
 13.3.6
 
 H2C CH Cl Chlorethen (Vinylchlorid)
 
 H C C H + 2 Cl2
 
 Cl2CH CHCl2 1,1,2,2-Tetrachlorethan
 
 Halogenalkene durch Dehydrohalogenierung
 
 Vinylchlorid und -bromid sowie andere Halogenethene sind durch basenkatalysierte partielle Dehydrohalogenierung von 1,1- oder 1,2-Dihalogenalkanen zugänglich. Industriell wird Vinylchlorid, das Monomer von Polyvinylchlorid (PVC), überwiegend durch thermische, radikalische Dehydrohalogenierung von 1,2-Dichlorethan (EDC) in der Gasphase produziert. Das durch basen-
 
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 13.3 Darstellung
 
 189
 
 katalysierte Dehydrochlorierung von Tetrachlorethan hergestellte Trichlorethen (Trichlorethylen) aus Tetrachlorethan wird als Lösemittel zur Textilreinigung benötigt. CH2 CH 2
 
 + Cl2
 
 ClCH2 CH 2Cl
 
 500-600 °C − HCl
 
 H 2C CH Cl
 
 Chlorethen (Vinylchlorid)
 
 H 2C CH Br
 
 Bromethen (Vinylbromid)
 
 ClCH CCl2
 
 Trichlorethen (Trichlorethylen)
 
 KOH in Ethanol
 
 BrCH 2 CH 2Br
 
 Cl2CH CHCl2
 
 13.3.7
 
 − HBr Ca(OH) 2 − HCl
 
 Radikalische Bromierung in Allyl-Stellung durch N-Bromsuccinimid
 
 Allylständige CH2-Gruppen können bei mäßigen Temperaturen mit Hilfe von N-Bromsuccinimid (NBS) unter Bestrahlung mit Licht oder in Gegenwart von Peroxiden bromiert werden. 3-Bromcyclohexen und α-Bromtoluen (Benzylbromid) sind so zugänglich: O +
 
 N Br
 
 O CCl4 , Rückfluß
 
 Br
 
 +
 
 H 3-Bromcyclohexen
 
 O
 
 O O
 
 O CH3
 
 +
 
 N Br
 
 N H
 
 CCl4 , Rückfluß
 
 CH2 Br
 
 +
 
 α-Bromtoluen (Benzylbromid)
 
 O
 
 N H O
 
 Diese als WOHL-ZIEGLER-Reaktion bekannte, schonende Allyl-Bromierung mit NBS ist ein Analogon der radikalischen Substitution von Propen durch Cl2 oder Br2 bei hoher Temperatur (Kap. 4.5.10). Peroxide starten dabei eine Kettenreaktion über intermediäre Radikale. Die homolytische Spaltung der N−Br-Bindung des N-Bromsuccinimids führt zum Brom-Radikal; dieses bildet im ersten Schritt der Kettenreaktion mit dem Alken ein Allyl-Radikal, das im zweiten Schritt mit Brom zu Allylbromid und Brom-Radikal abreagiert. (1) (2)
 
 Br
 
 +
 
 R CH2 CH CH R
 
 R CH CH CH R
 
 + Br2
 
 R CH CH CH R R CH CH CH R
 
 R CH CH CH R +
 
 + HBr
 
 Br
 
 Br
 
 Infolge der Bildung mesomeriestabilisierter Allyl-Radikale können aus unsymmetrisch substituierten Alkenen isomere Allylbromide entstehen. 1-Buten ergibt z. B. 1-Brom-2-buten als Hauptprodukt neben 3-Brom-1-buten: H3C CH2 CH CH 2
 
 NBS , CCl4 , Peroxide
 
 H3C CH CH CH2 Br 3-Brom-1-buten
 
 sowie
 
 H 3C CH CH CH 2 Br 1-Brom-2-buten (Hauptprodukt) (E + Z)
 
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 190
 
 13.3.8
 
 13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
 
 Darstellung von Fluoralkanen
 
 Die direkte Fluorierung von Alkanen verläuft stark exotherm und führt zu perfluorierten Verbindungen sowie CC-Spaltungen. Die heftige Reaktion läßt sich durch Tiefkühlung und durch Verdünnung des Fluors mit Helium steuern. Nur wenige einfache Fluoralkane sind durch Addition von Fluorwasserstoff an Alkene zugänglich. Alle anderen Fluoralkane müssen durch spezielle Methoden dargestellt werden. ̈ Fluorierung durch anorganische Fluoride Als Fluorierungsmittel eignen sich einige anorganische Fluoride wie Kobalt(III)-fluorid. Strömt ein Alkan über CoF3, so wird dieses vom Alkan unter Bildung von Fluoralkanen und Flußsäure zu CoF2 reduziert. Das Kobalt(II)-fluorid kann anschließend mit elementarem Fluor zum CoF3 regeneriert werden. CnH2n+2
 
 +
 
 2 (2n+2) CoF 3 2 CoF 2
 
 +
 
 CnF2n+2 + (2n+2) HF + 2 (2n+2) CoF 2
 
 F2
 
 2 CoF 3
 
 ̈ Fluorierung durch Halogenaustausch in Halogenalkanen Durch Halogen-Austausch können Chlor- oder Bromalkane bei Einwirkung starker LEWIS-Säuren wie HgF2 oder SbF3 in Fluoralkane übergeführt werden. 2 CH 3Br 3 CCl4
 
 + +
 
 0 °C
 
 HgF 2
 
 SbCl5
 
 2 SbF 3
 
 3 CCl4
 
 +
 
 SbF 3
 
 SbCl3
 
 +
 
 3 HF
 
 SbCl5
 
 2 CH3F
 
 +
 
 HgBr2
 
 3 CCl2F 2
 
 +
 
 2 SbCl3
 
 3 CFCl3
 
 +
 
 SbCl3
 
 SbF 3
 
 +
 
 3 HCl
 
 Das als Freon-12 bekannte Dichlordifluormethan wurde wegen seiner hohen Verdampfungswärme als Kühlflüssigkeit für Kühlaggregate eingesetzt. Auch als Treib- und Lösemittel in Spraydosen fand es Verwendung, bevor man erkannte, daß alle in die Atmosphäre entweichenden "Fluorchlorkohlenwasserstoffe" ("FCKWs") in einer Photoreaktion Halogen-Radikale freisetzen, die das UV-absorbierende Ozon spalten und so die Ozon-Konzentration in der Stratosphäre vermindern ("Ozonloch"). CCl2F 2 Cl ClO
 
 hν
 
 CClF 2
 
 +
 
 ClO
 
 +
 
 O2
 
 O2 +
 
 Cl
 
 + O3 +
 
 O
 
 Cl
 
 Höhere Perfluoralkane dienen als chemisch inerte Spezialschmieröle. Der chemikalienresistente und inerte Polymer-Werkstoff Polytetrafluorethen (Teflon, [−CF2−]n, Kap. 4.5.15), wird durch radikalische Polymerisation von Tetrafluorethen großtechnisch erzeugt. Tetrafluorethen entsteht aus Chloroform und Antimontrifluorid über Chlordifluormethan: 3 CHCl3
 
 +
 
 2 SbF 3
 
 2 CHClF 2
 
 SbCl5 700-800 °C
 
 3 CHClF 2
 
 +
 
 2 SbCl3
 
 F 2C CF 2
 
 +
 
 2 HCl
 
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 13.3 Darstellung
 
 191
 
 Die geringe Reaktivität der Polyfluoralkane beruht auf der außerordentlich starken CF-Bindung, was sich in sehr kurzen C−F-Atomabständen (135 pm) äußert. Monofluoralkane zeigen dagegen weitgehend die chemischen Eigenschaften der anderen Halogenalkane und haben C−F-Bindungslängen von 142 pm.
 
 13.3.9
 
 Darstellung von Iodalkanen
 
 Iodalkane sind durch Halogen-Austausch vom Typ der nucleophilen Substitution aus Brom- oder Chloralkanen zugänglich (FINKELSTEIN-Reaktion). R X
 
 +
 
 NaI , Aceton
 
 I
 
 R I
 
 +
 
 X
 
 ( X = Cl, Br )
 
 Iodmethan (Methyliodid) als Methylierungsreagenz wird aus dem Carcinogen-verdächtigen Dimethylsulfat und Kaliumiodid hergestellt. (CH 3O)2SO2
 
 + 2 KI
 
 CaCO3 in H2O
 
 2 CH 3 I
 
 +
 
 K2SO4
 
 13.3.10 Halogenalkane aus Alkoholen Die Darstellung von Halogenalkanen aus Alkoholen ist eine allgemein anwendbare und die bedeutendste Darstellungsmethode. Dabei wird die Hydroxy-Gruppe des Alkohols nucleophil durch ein Halogenid-Anion ersetzt (nucleophile Substitution, SN, Kap. 14). R OH
 
 HX oder PX3
 
 R X
 
 ( X = Cl, Br, I )
 
 Halogenierung mit Phosphortribromid und -iodid Phosphortrihalogenide reagieren mit Alkoholen zu Halogenalkanen. 3 R OH 3 R OH
 
 + +
 
 PBr3 ( P + Br2 ) PI 3 ( P + I 2 )
 
 Pyridin Pyridin
 
 3 R Br
 
 +
 
 H 3PO3
 
 3R I
 
 +
 
 H 3PO3
 
 Zu dieser Reaktion können primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole einschließlich der Cycloalkanole sowie Benzyl- und Allylalkohol eingesetzt werden. Wegen der mäßigen Ausbeuten werden die Chloride nur selten mit PCl3 dargestellt. Halogenierung mit Tetrahalogenmethan und Triphenylphosphan Tetrabrom- und Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff) und Triphenylphosphan reagieren nach APPEL mit Alkoholen zu Halogenalkanen, Trihalogenmethan und Triphenylphosphanoxid. R OH
 
 +
 
 CX4
 
 +
 
 P(C 6H5)3 Triphenylphosphan
 
 R X + X = Br , Cl
 
 CHX3
 
 +
 
 O P(C6H 5)3
 
 Triphenylphosphanoxid
 
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 192
 
 13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
 
 Chlorierung mit Thionylchlorid Thionylchlorid (SOCl2) als Reagenz zur Chlorierung bietet gegenüber PCl3 den Vorteil, daß sich der Reaktionsansatz infolge gasfömiger Nebenprodukte einfacher aufarbeiten läßt. R OH
 
 +
 
 Pyridin (Kat.)
 
 SOCl2
 
 R Cl
 
 +
 
 SO2
 
 +
 
 HCl
 
 Pyridin (C5H5N) beschleunigt die Halogenierung über intermediäre Chlorsulfinsäureester. R OH
 
 R
 
 + SOCl2 + C 5H 5N
 
 O
 
 S
 
 O
 
 + C 5H 5NH Cl Cl Chlorsulfinsäureester
 
 R Cl + SO2 + C 5H 5N
 
 + HCl
 
 Halogenierung mit Halogenwasserstoffen Tertiäre Halogenalkane sind aus den entsprechenden Alkoholen durch Behandlung mit Halogenwasserstoff (HCl, HBr) zugänglich. Die Darstellung primärer Halogenalkane erfordert schärfere Reaktionsbedingungen und wird durch den Zusatz einer LEWIS-Säure wie ZnCl2 erleichtert. Die aus α,ω-Diolen zugänglichen α,ω-Dibromalkane sind wichtige Zwischenprodukte organischer Synthesen. ̈
 
 CH 3 H 3C CH 2 C OH CH 3
 
 +
 
 HCl
 
 OH
 
 +
 
 HBr
 
 0 °C
 
 CH 3 H 3C CH 2 C Cl + CH 3 2-Chlor-2-methylbutan
 
 80 °C
 
 Br
 
 H 2O
 
 +
 
 H2O
 
 Bromcyclohexan HO (CH 2)n OH
 
 + 2 HBr
 
 135 °C
 
 Br (CH2)n Br α,ω-Dibromalkan
 
 + 2 H2O
 
 Umlagerungen und Eliminierungen sind Nebenreaktionen. Die relativen Reaktivitäten der Alkohole sinken in der Folge Allyl, Benzyl > tertiär > sekundär > primär.
 
 Die Reaktivitäten der Halogenwasserstoffe nehmen von HI über HBr zu HCl ab. Chlorierungen von Alkoholen durch HCl werden nach RYDON durch Triphenylphosphit katalysiert, das in situ aus Phenol und Phosphortrichlorid entsteht. 3 H5C6 OH
 
 +
 
 PCl3
 
 +
 
 HCl
 
 Phenol
 
 (H5C6O)3 P
 
 +
 
 R OH
 
 (H5C6O)3 P + Triphenylphosphit R Cl
 
 +
 
 3 HCl
 
 (H5C6O)3POH
 
 +
 
 H5C6 OH
 
 Mit Trichloracetonitril können Alkohole sogar bei 0 °C zu Chloralkanen umgesetzt werden. R OH
 
 +
 
 Cl3C C N Trichloracetonitril
 
 NH Cl3C C OR
 
 NH 2 Cl Cl3C C O R
 
 NH 2 Cl3C C + R Cl O Trichloracetamid Chloralkan
 
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 13.3 Darstellung
 
 193
 
 13.3.11 Bromalkane durch HUNSDIECKER-Decarboxylierung Silbersalze langkettiger Carbonsäuren decarboxylieren in der Hitze oder bei UV-Bestrahlung zu langkettigen Bromalkanen (HUNSDIECKER-Decarboxylierung, Kap. 17.7.6). Als Katalysatoren eignen sich Quecksilberoxid und Blei(IV)-acetat. R CH 2 CO2 Ag
 
 +
 
 CCl4 , Hitze
 
 Br2
 
 R CH 2 Br
 
 +
 
 CO2
 
 +
 
 AgBr
 
 Die Bildung des Silberbromids aus Silbercarboxylat und Brom startet eine Kettenreaktion über intermediäre Radikale: Start
 
 R
 
 CO2 Ag
 
 +
 
 Br2
 
 R COOBr +
 
 R COOBr
 
 R COO
 
 R COO
 
 Kette
 
 R
 
 + R COOBr
 
 AgBr
 
 +
 
 Br
 
 R
 
 +
 
 CO2
 
 R Br
 
 +
 
 R COO
 
 13.3.12 Darstellung und Eigenschaften von Oligohalogenmethanen Oligochlormethane Di-, Tri- und Tetrachlormethan entstehen durch Photochlorierung von Methan. Tetrachlormethan wird industriell auch über Schwefelkohlenstoff erzeugt. Die Chlorierung des Schwefelkohlenstoffs kann durch SbCl5, AlCl3 oder FeCl3 katalysiert werden. ̈
 
 C (Koks) +
 
 2S
 
 CS2
 
 CS2
 
 +
 
 AlCl3
 
 3 Cl2
 
 CCl4
 
 +
 
 S2Cl2
 
 Haloform-Reaktion Eine typische Reaktion von Methylketonen ist die Haloform-Reaktion, bei der durch Einwirkung von Halogenen Cl2, Br2 oder I2 in Natronlauge die farblosen und flüssigen Haloforme, Chloroform (Trichlormethan) und Bromoform (Tribrommethan), sowie das gelbe kristalline Iodoform (Triiodmethan) entstehen. ̈
 
 O R C CH 3
 
 −
 
 + 3 OH , + 3 Cl 2 − 3 H 2O , − 3 Cl
 
 −
 
 O
 
 + NaOH
 
 R C
 
 R CO2 Na Carboxylat
 
 CCl3
 
 +
 
 HCCl3 Chloroform
 
 Der "Iodoform-Test" dient als chemischer Nachweis von Methylketonen. Da die Reaktion unter milden Bedingungen Carbonsäuren gibt, nutzt man sie zur Darstellung spezieller Carbonsäuren. Schlüsselschritt ist ein elektrophiler Angriff des Halogens X2 am Enolat-Anion (R = Alkyl). O R C CH 3
 
 −
 
 + OH , − H2O
 
 O R C CH 2
 
 R C
 
 O
 
 Enolat-Anion
 
 Carbanion
 
 −
 
 + X2 , − X
 
 O R C CH 2 X
 
 CH _ 2
 
 O R C CX3
 
 + NaOH
 
 O R C
 
 + O Na
 
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 HCX3
 
 194
 
 13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
 
 Dihalogenmethane (Methylenhalogenide) Dibrom- und Diiodmethan lassen sich durch Reduktion (z. B. mit Natriumarsenit) des entsprechenden Haloforms darstellen. ̈
 
 CHI 3 (CHBr3)
 
 +
 
 Na3 AsO3
 
 +
 
 NaOH
 
 CH 2I 2 (CH 2Br2)
 
 +
 
 Na3 AsO4
 
 +
 
 NaI (NaBr)
 
 Dihalogencarbene Chloroform oder Bromoform können bei Einwirkung von Alkalihydroxid durch α-Eliminierung (1,1-Eliminierung) in Dichlorcarben bzw. Dibromcarben übergehen. ̈
 
 CHCl3
 
 +
 
 − H 2O
 
 HO
 
 :CCl3
 
 − Cl
 
 −
 
 :CCl2 Dichlorcarben
 
 Carben-typisch addiert Dichlorcarben an CC-Doppelbindungen unter Bildung von CyclopropanDerivaten ([2+1]-Cycloaddition, Cyclopropanierung, Kap. 8.6.1): C C
 
 +
 
 :CCl2 Cl Cl 1,1-Dichlorcyclopropan
 
 13.4 Reaktionen Halogenalkane und andere organische Halogen-Verbindungen zersetzen sich am glühenden Kupferdraht in der Gasflamme unter Bildung flüchtiger Kupfer(II)halogenide, welche die Flamme blaugrün färben (BEILSTEIN-Probe als Nachweis).
 
 13.4.1
 
 Nucleophile Substitution und Eliminierung in Konkurrenz
 
 Der induktive Effekt des Halogens polarisiert die CX-Bindung im Halogenalkan: Das gebundene C-Atom (C-α) wird elektrophil (δ+), das Halogen (δ−) kann als Halogenid-Anion X− austreten und durch ein Nucleophil ersetzt werden. Kennzeichen eines Nucleophils ist mindestens ein nichtbindendes Elektronenpaar. Nucleophile können Anionen oder Neutralmoleküle sein, die als LEWISBasen dazu neigen, mit den elektrophilen C-α-Atomen der Halogenalkane Bindungen zu knüpfen. Andererseits zieht im Halogenalkan die durch den induktiven Effekt des Halogens an C-α induzierte, positive Partialladung Elektronen von C-β an. Dadurch können die CH-Bindungen an C-β so polarisiert werden, daß ein Proton von C-β unter Alken-Bildung abgespalten wird. H B + X
 
 +
 
 + harte Base B :
 
 C C
 
 Eliminierung E
 
 H
 
 β
 
 αC C
 
 X
 
 Halogenalkan
 
 + weiche Base B : Substitution SN
 
 H C C
 
 +
 
 X
 
 B
 
 Nucleophile Substitution und Eliminierung konkurrieren also, wenn Basen (Nucleophile) B− auf ein Halogenalkan (als Elektrophil) einwirken. Welche Reaktion dominiert, folgt aus dem HSABPrinzip (hard soft acid base). Demnach reagieren Nucleophile (LEWIS-Basen) und Elektrophile
 
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 Reaktionen
 
 195
 
 (LEWIS-Säuren) bevorzugt nach der Regel "hart mit hart" und "weich mit weich". Hart sind kompakte Ionen mit hoher Ladungskonzentration wie Acyl-Kationen sowie Protonen als Elektrophile (Säuren) bzw. Hydroxid- und Alkoholat-Ionen als Nucleophile (Basen, Tab. 13.2). Weich sind dagegen polarisierbare, voluminöse Spezies wie das α-C-Atom in Halogenalkanen, Carbene und Carbenium-Ionen als Elektrophile (Säuren) bzw. Alkene, Aromaten, Cyanid- und Carbanionen als typische Nucleophile (Basen). Die aus der Differenz von Ionisationspotential und Elektronenaffinität resultierenden "Härten" nach Tab. 13.2 haben nichts mit der Säure- oder Basenstärke zu tun. Sie ermöglichen nach dem HSAB-Prinzip die Voraussage, daß bei der Reaktion des Nucleophils B mit dem Elektrophil E die B−E-Bindung im Produkt besonders stabil ist, wenn B und E entweder beide hart oder beide weich sind. So kann ein Halogenalkan als weiches Elektrophil durch eine harte Base (B = OH−) als Nucleophil in Konkurrenz zur Substitution auch zum Alken dehydrohalogenieren (Eliminierung); eine weiche Base als Nucleophil (B = CN−) substituiert am weichen, elektrophilen α-C-Atom eines Halogenalkans dagegen ausschließlich zum Nitril (Tab. 13.3). Tab. 13.2. Harte und weiche Nucleophile (LEWIS-Basen) und Elektrophile (LEWIS-Säuren) Nucleophile (LEWIS-Basen) −
 
 Elektrophile (LEWIS-Säuren)
 
 −
 
 −
 
 H2O, HO , ROH, RO , R 2O, CH 3CO2 , −
 
 −
 
 NH 3, RNH2, H2NNH2, NO3 , F , Cl −
 
 −
 
 −
 
 H , R , CN , RNC, CO, C 2H4,C 6H6, −
 
 R2S, RSH, RS , R 3P, (RO)3P, I −
 
 −
 
 ArNH2, C5H 5N(Py ridin), N3 , NO2 , Br
 
 13.4.2
 
 Cu+, Ag+, Pd++, Pt ++, Hg++
 
 weich
 
 −
 
 −
 
 H + (HX), Li+, Na+, K+, Ca++, Mg++, Al+++, Fe+++, BF 3, B(OR)3, AlCl3, SO3, RCO+, CO2
 
 hart
 
 −
 
 R in RX (X = Cl, Br), BH 3, Br2, I 2, ICN, :CR 2, R.
 
 Grenzfälle
 
 Fe++, Zn++, Sn++, Pb++, NO+, R 3C+, C6H 5+, SO2
 
 Nucleophile Substitutionen
 
 Tab. 13.3 (S. 196) orientiert über die vielfältigen Möglichkeiten zur Einführung funktioneller Gruppen durch nucleophile Substitutionen von Halogenalkanen. Fast jedes der resultierenden Produkte ist seinerseits wieder in viele Derivate überführbar, welche die Alkyl-Gruppe des Halogenalkans tragen. Somit sind die aus Alkanen und Alkenen zugänglichen Halogenalkane als Alkylierungsmittel Schlüsseledukte organischer Synthesen.
 
 13.4.3
 
 GRIGNARD-Reaktion
 
 Halogenalkane, Halogenalkene, Halogenalkine und Halogenarene (Arylhalogenide) reagieren mit Magnesium in Ether-Suspension zu Alkylmagnesiumhalogeniden (GRIGNARD-Verbindungen), die mit Dialkylmagnesium im SCHLENK-Gleichgewicht vorliegen: δ+ δ−
 
 2 R X
 
 +
 
 2 Mg
 
 Ether
 
 δ− δ++
 
 δ−
 
 2 R Mg X
 
 Alkylmagnesiumhalogenid ( X = Cl , Br , I )
 
 SCHLENKGleichgewicht
 
 δ− δ++ δ−
 
 R Mg R
 
 +
 
 MgX2
 
 Dialkylmagnesium
 
 Diese auch als GRIGNARD-Reaktion bezeichnete Metallierung polt das α-C-Atom vom Elektrophil (δ+) zum Nucleophil (δ−) um. Auf dieser Umpolung beruhen vielseitige präparative Anwendungen der GRIGNARD-Verbindungen als Kohlenstoff-Nucleophile für CC-Verknüpfungen, u. a. zur Synthese von Alkoholen (Kap. 15.4.6).
 
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 196
 
 13 Halogenalkane (Alkylhalogenide)
 
 Tab. 13.3. Nucleophile Substitution von Halogenalkanen R−X Nucleophil Sauerstoff
 
 Schwefel
 
 OH
 
 Hydroxid
 
 R OH
 
 Kohlenstoff
 
 Alkohol
 
 OH 2
 
 Wasser
 
 R OH
 
 Alkohol
 
 OR'
 
 Alkoxid
 
 R O R'
 
 Ether
 
 OOC R'
 
 Carboxylat
 
 R O CO R'
 
 Ester
 
 SH
 
 Hydrogensulfid
 
 R SH
 
 Thiol
 
 SR'
 
 Thiolat
 
 R S R'
 
 Thioether (Dialkylsulfid)
 
 Dialkylsulfid
 
 R SR'2 X
 
 Sulfoniumsalz
 
 SCN
 
 Thiocyanat (Rhodanid)
 
 R SCN
 
 Alkylthiocyanat
 
 NH2
 
 Amid
 
 R NH2
 
 primäres Amin
 
 NH3
 
 Ammoniak
 
 R NH2
 
 primäres Amin
 
 H 2N R'
 
 primäres Amin
 
 R NH R'
 
 sekundäres Amin
 
 NHR'2
 
 sekundäres Amin
 
 R NR'2
 
 tertiäres Amin
 
 NR'3
 
 tertiäres Amin
 
 R NR'3 X
 
 quartäres Ammoniumsalz
 
 N3
 
 Azid
 
 R N3
 
 Alkylazid
 
 NO2
 
 Nitrit
 
 R NO2
 
 Nitroalkan
 
 C N
 
 Cyanid
 
 R C N
 
 Nitril (Alkylcyanid)
 
 C C H
 
 Ethinylid
 
 R C C H
 
 1-Alkin
 
 C C R'
 
 Alkinylid
 
 R C C R'
 
 Alkin
 
 R'
 
 Carbanion
 
 R R'
 
 Alkan
 
 CH(CO2R')2
 
 Malonsäurediester-Anion
 
 R CH(CO2R')2
 
 R'
 
 Stickstoff
 
 Reaktionsprodukt
 
 S R'
 
 Alkylmalonsäurediester (Malonester-Synthese)
 
 Alkylacetessigester
 
 CH(COCH 3)(CO2R') Acetessigester-Anion
 
 R CH(COCH3)(CO2R')
 
 (Acetessigester-Synthese)
 
 Ar H (AlCl3)
 
 Aren
 
 R Ar
 
 Alkylaren
 
 Halogen
 
 Ι
 
 Iodid
 
 R I
 
 Iodalkan (Alkyliodid)
 
 Phosphor
 
 P(C 6H5)3
 
 Triphenylphosphan
 
 R P(C 6H5)3 X
 
 Alkyltriphenylphosphoniumsalz
 
 13.4.4
 
 CC-Verknüpfungen mit Organohalogen-Verbindungen
 
 Das zum Nucleophil umgepolte C-Atom einer GRIGNARD-Verbindung knüpft mit dem elektrophilen C-Atom einer Organohalogen-Verbindung eine neue CC-Einfachbindung: δ+
 
 R1
 
 δ−
 
 X
 
 Halogenalkan, Halogenalken, Halogenalkin, Halogenaren elektrophiles R1
 
 +
 
 δ−
 
 δ++
 
 δ−
 
 R2 Mg X
 
 in Ether
 
 Alkyl-, Alkenyl-, Alkinyl-, Arylmagnesiumhalogenid ( X = Cl , Br , I )
 
 R1 R2
 
 +
 
 MgX2
 
 nucleophiles R2
 
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 Reaktionen
 
 197
 
 Demselben Prinzip folgt die WURTZ-Reaktion zur Synthese von Alkanen aus Halogenalkanen über Alkylnatrium (Kap. 2.6.3). Phenylcyclopentan könnte z. B. entweder aus Bromcyclopentan und Phenylmagnesiumbromid (aus Brombenzen und Magnesium in Ether) oder aus Brombenzen und Cyclopentylmagnesiumbromid (aus Bromcyclopentan und Magnesium) dargestellt werden: Br
 
 +
 
 Bromcyclopentan
 
 − MgBr2
 
 Br Mg
 
 − MgBr2
 
 Phenylmagnesiumbromid
 
 Phenylcyclopentan
 
 Mg Br
 
 +
 
 Cyclopentylmagnesiumbromid
 
 Br Brombenzen
 
 Vinylmagnesiumbromid reagiert mit (Z)-1-Iod-1-octen in Gegenwart von Palladium-Komplexen unter Retention (Erhaltung) der relativen Konfiguration zu (Z)-1,3-Decadien:
 
 (Z)-1-Iod-1-octen
 
 Pd[P(C6H5) 3]
 
 + Br Mg CH CH 2
 
 I
 
 +
 
 MgBrI
 
 (Z)-1,3-Decadien
 
 Neuere Methoden Palladium(0)-katalysierter CC-Verknüpfungen mit Organohalogen-Verbindungen und Triflaten (Trifluormethansulfonaten) als Elektrophile sind die SUZUKI-Kupplung mit Boronsäuren R1
 
 X
 
 +
 
 Pd(0)-Komplex
 
 R2 B(OH)2
 
 R 1 R2
 
 +
 
 XB(OH)2
 
 Alkenylboronsäure, Arenboronsäure
 
 X = I, Br, OSO2CF3
 
 sowie die STILLE-Kupplung mit Organozinn-Verbindungen (Stannane) über Katalysecyclen, die denen der HECK-Reaktion sehr ähnlich sind (Kap. 32.6.3). R1
 
 X
 
 X = I, Br , OSO2CF3
 
 +
 
 Pd(0)-Komplex
 
 R2 SnR3
 
 R1 R2
 
 +
 
 XSnR3
 
 Stannan R2 = Alkyl-, Alkenyl-, Alkinyl-, Aryl-
 
 3-Methoxybiphenyl kann z. B. aus m-Bromanisol nach STILLE mit Trimethylphenylstannan und nach SUZUKI mit Phenylboronsäure dargestellt werden in Gegenwart des Palladium(0)-Triphenylphosphan-Komplexes, der im Falle der STILLE-Kuppplung in situ durch Reduktion der Palladium(II)-Salze mit überschüssigem Stannan erzeugt wird. H 3CO
 
 H 3CO Br + m-Bromanisol
 
 (H 3C)3Sn Trimethylphenylstannan
 
 H 3CO
 
 Pd(0)
 
 Pd(0)
 
 STILLE
 
 SUZUKI 3-Methoxybiphenyl
 
 Br + (HO)2B Phenylboronsäure
 
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 198
 
 14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
 
 14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
 
 14.1 Übersicht nucleophiler Substitutionen an Aliphaten Bei der nucleophilen Substitution ersetzt das Nucleophil B in einem Substrat (Halogenalkan) einen Substituenten X (z. B. ein Halogen), der als Anion (Nucleofug, z. B. ein Halogenid-Anion) austritt. Je nach Art des Nucleophils (Anion, Neutralmolekül) gibt es drei Möglichkeiten: Substrat
 
 Nucleophil
 
 Produkt
 
 Nucleofug austretende Gruppe z. B. Halogenid-Anion
 
 eintretende Gruppe künftiger Substituent
 
 R X
 
 +
 
 IB
 
 R B
 
 +
 
 X
 
 R X
 
 +
 
 IB
 
 R B
 
 +
 
 X
 
 R X
 
 +
 
 IB H
 
 R BH
 
 +
 
 X
 
 Einfache Substitutionen ohne konkurrierende Eliminierungen, in denen man die drei NucleophilTypen erkennt, sind z. B. die Bildung des Methylcyanids (Acetonitril) aus Iodmethan, des Methylammonium-bromids aus Brommethan, des Chlormethans aus protoniertem Methanol und des Tetramethylammonium-Ions aus dem Trimethylsulfonium-Ion: H 3C
 
 +
 
 IC N
 
 H 3C C N
 
 +
 
 I
 
 H 3C Br
 
 +
 
 INH3
 
 H 3C NH 3
 
 +
 
 Br
 
 H3C OH 2
 
 +
 
 Cl
 
 H 3C Cl
 
 +
 
 H 2O
 
 (H 3C)3S
 
 +
 
 (H3C)4N
 
 +
 
 (H3C)2S
 
 I
 
 IN(CH3)3
 
 Nucleophile Substitutionen sind keineswegs auf Halogenalkane beschränkt; jede AlkylVerbindung mit einer geeigneten Abgangsgruppe X kann mit Nucleophilen reagieren (Tab. 14.1). Besonders gut austretende Gruppen sind Tosylat, Brosylat sowie Onium-Ionen (Tab. 14.1). Solvolysen sind nucleophile Substitutionen, bei denen Lösemittel als Nucleophile wirken. Man unterscheidet dabei je nach Art des Solvens die Hydrolyse (H2O), Methanolyse (Methanol, CH3−OH), Ethanolyse (Ethanol, C2H5−OH), Acetolyse (Essigsäure, CH3−COOH), Formolyse (Ameisensäure, H−COOH), Ammonolyse (NH3) oder Aminolyse (primäre Amine, R−NH2, als Lösemittel und Nucleophile). Wie bei anderen Reaktionstypen hängt die Reaktionsgeschwindigkeit einer nucleophilen Substitution von äußeren Einflüssen wie Temperatur, Konzentration und Lösemittel ab. Struktur und Nucleophilie des angreifenden Agens, Struktur des Substratmoleküls, Basizität der austretenden Gruppe sowie Salzeffekte spielen eine weitere entscheidende Rolle. Zusätzlich komplizieren konkurrierende Eliminierungen eine Analyse der Kinetik und Stereochemie nucleophiler Substitutionen. Dennoch bieten einige Regeln und Beziehungen Orientierungshilfen zur Interpretation von Reaktionsabläufen und bei der Syntheseplanung.
 
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 14.2 Mechanismen
 
 199
 
 Tab. 14.1. Nucleophile Substitutionen verschiedener Alkyl-Verbindungen Alkyl-Verbindung
 
 Nucleophil
 
 Produkt
 
 Nucleof ug
 
 O
 
 O Sulfat
 
 R O S O R
 
 CH 3O
 
 R OCH 3
 
 Methylether
 
 O S O R
 
 O
 
 O O
 
 O R O S
 
 CH 3
 
 Tosylat
 
 H 2O
 
 R OH
 
 Alkohol
 
 HO S
 
 CH 3
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O R O S
 
 Br
 
 Brosylat
 
 H 2O
 
 R OH
 
 Alkohol
 
 HO S
 
 Br
 
 O
 
 O Alkohol
 
 HCl (HBr, HI)
 
 R Cl (Br, I)
 
 Halogenalkan
 
 O R O C R'
 
 Ester
 
 H 2O
 
 R OH
 
 Alkohol
 
 R O R'
 
 Ether
 
 HBr
 
 R Br
 
 Bromalkan
 
 HO R'
 
 Oxoniumsalz
 
 H 2O
 
 R OH
 
 Alkohol
 
 R' O R'
 
 Sulfoniumsalz
 
 Br
 
 R Br
 
 Bromalkan
 
 R OH
 
 R' R O R'
 
 H 2O O HO C R'
 
 R' R S
 
 R'
 
 R'
 
 S R'
 
 R NR'3
 
 Ammoniumsalz
 
 OH
 
 R OH
 
 Alkohol
 
 R N N
 
 Diazoniumsalz
 
 H 2O
 
 R OH
 
 Alkohol
 
 NR'3 N 2 + [H ]
 
 14.2 Mechanismen Für eine nucleophile Substitution (SN) gibt es zwei Grenz-Mechanismen: Verläuft sie einstufig nach einem bimolekularen Mechanismus, so folgt sie dem SN2-Mechanismus; SN2 ist die Abkürzung für Substitution (S), nucleophil (N), bimolekular (2). Verläuft sie in zwei Schritten, und ist dabei der erste, geschwindigkeitsbestimmende Schritt monomolekular; so folgt sie dem SN1Mechanismus (S für Substitution, N für nucleophil, 1 für monomolekular).
 
 14.2.1
 
 Bimolekularer Mechanismus SN2
 
 Beim SN2-Mechanismus greift das in die Verbindung eintretende Nucleophil B− direkt am positivierten C-Atom der polarisierten CX-Bindung an. Im Übergangszustand dieser Reaktion (Abb. 14.1, S. 200) knüpft sich die neue B−C-Bindung unter gleichzeitiger Lösung der C−X-Bindung. Dabei liegen die drei an der Substitution unbeteiligten Substituenten trigonal koplanar auf einer Ebene. Zur Erklärung des im Übergangszustand fünffach koordinierten C-Atoms (Abb. 14.1) bietet sich demnach dessen sp2-Hybridisierung an (Kap. 1.6, Abb. 1.11); das senkrecht auf der sp2Ebene stehende, nicht hybridisierte p-Orbital überlappt mit dem Nucleophil B auf der einen und dem Nucleofug X auf der anderen Seite.
 
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 200
 
 14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
 
 Epot B
 
 C
 
 X
 
 Übergangszustand
 
 ∆EA
 
 C
 
 X +B
 
 ∆H B
 
 B R
 
 R X
 
 + X
 
 C
 
 Reaktionskoordinate
 
 Abb. 14.1. Energiediagramm der SN2-Reaktion
 
 Aufgrund des synchronen Verlaufs der SN2 Reaktion hängt die Reaktionsgeschwindigkeit r von der Konzentration beider Reaktionspartner (Halogenalkan als Substrat und Nucleophil) ab; die bimolekulare Reaktion folgt einem Geschwindigkeitsgesetz zweiter Ordnung: rS 2 = N
 
 − dc(Substrat) = k dt
 
 x c(Substrat) x c(Nucleophil)
 
 k ist die spezifische Reaktionsgeschwindigkeitskonstante und wird wie r selbst in mol / Liter x Sekunde angegeben.
 
 Die Bildung jedes einzelnen Moleküls R−B erfordert den Zusammenstoß eines Nucleophils B− mit einem Substrat-Molekül R−X. Verdopplung der Konzentration beider Edukte vervierfacht die Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenstoß und damit auch die Reaktionsgeschwindigkeit. Befindet sich bei einer Solvolyse das Nucleophil in sehr hohem molarem Überschuß gegenüber dem Substrat, so geht nur die Konzentration des Substrats in die Geschwindigkeitsgleichung ein, d. h. die nach SN2 ablaufenden Reaktionen folgen einer Kinetik pseudo-erster Ordnung. rS 2 = N
 
 − dc(Substrat) = k´ dt
 
 x c (Substrat)
 
 Stereochemischer Verlauf Betrachtet man den stereochemischen Verlauf der SN2-Reaktion (Abb. 14.2), so ist leicht einzusehen, daß aufgrund sterischer und elektrostatischer Einflüsse das Nucleophil B− eher von der Rückseite als frontal zum Nucleofug angreifen wird.
 
 ̈
 
 R
 
 R BI
 
 δ+
 
 +
 
 C R' R"
 
 Nucleophil
 
 Substrat
 
 δ−
 
 X
 
 ∆EA groß
 
 δ−
 
 B
 
 C
 
 R δ−
 
 X
 
 B
 
 C
 
 +
 
 X
 
 R'
 
 R' R"
 
 R" Produkt
 
 Nucleofug
 
 Übergangszustand mit elektronischem Ladungsausgleich
 
 Abb. 14.2. Sterischer Verlauf einer SN2-Reaktion
 
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 14.2 Mechanismen
 
 201
 
 Die kinetische Analyse der alkalischen Hydrolyse von Halogenalkanen zu Alkoholen ergibt z. B., daß die Bildung von Methanol aus Brommethan nach 2. Ordnung verläuft (SN2-Mechanismus, Abb. 14.3). H H H HO
 
 δ+
 
 +
 
 C
 
 δ−
 
 δ−
 
 Br
 
 H
 
 δ−
 
 Br
 
 C
 
 HO
 
 H Hydroxid
 
 H
 
 H
 
 +
 
 Br
 
 H
 
 H
 
 Brommethan
 
 C
 
 HO
 
 Methanol
 
 Bromid
 
 Übergangszustand
 
 Abb. 14.3. Alkalische Hydrolyse von Brommethan
 
 Ein Angriff des Nucleophils von der Seite der austretenden Gruppe X wäre wegen der elektrostatischen Abstoßung energetisch ungünstiger. Da somit im Übergangszustand die Konfiguration invertiert (Abb. 14.2), wird die SN2-Reaktion stereospezifisch unter Inversion der absoluten Konfiguration verlaufen, was sich bei Vorliegen verschiedener Substituenten anstelle von H bemerkbar macht (WALDEN-Inversion, Kap. 18.9.1). Umlagerungen des Kohlenstoff-Skeletts werden bei den synchron verlaufenden SN2-Reaktionen nicht beobachtet.
 
 14.2.2
 
 Monomolekularer Mechanismus SN1
 
 Die monomolekulare nucleophile Substitution (SN1) verläuft nach dem in Abb 14.4 gezeichneten Energiediagramm in zwei Schritten: Im ersten Reaktionsschritt bildet sich durch Austritt der Gruppe X unter Mitwirkung der Lösemittelmoleküle ein Carbenium-Ion; der zweite Schritt ist eine schnelle Ionen-Reaktion des elektronenreichen Nucleophils B− mit dem elektronenarmen, planaren Carbenium-Ion zum Produkt R−B. Epot
 
 R
 
 X
 
 Übergangszustand 1
 
 R
 
 B
 
 Übergangszustand 2
 
 ∆EA R
 
 (solvatisiert)
 
 + X + B R
 
 X
 
 ∆H R
 
 R
 
 X
 
 R Schritt 1
 
 + X
 
 R
 
 + B
 
 B R
 
 B
 
 Reaktionskoordinate
 
 Schritt 2
 
 Abb. 14.4. Energiediagramm der SN1-Reaktion
 
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 202
 
 14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
 
 Kinetik Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt einer SN1-Reaktion ist die Bildung des CarbeniumIons. Somit hängt die Reaktionsgeschwindigkeit allein von der Substratkonzentration ab. ̈
 
 −
 
 = r SN1
 
 dc(Substrat) = k x c(Substrat) dt
 
 Dieser Substitutionstyp folgt demnach einer Kinetik erster Ordnung; die Änderung der Konzentration des Nucleophils hat keinen Einfluß auf die Geschwindigkeit. Die Bildung von t-Butylalkohol aus t-Butylbromid folgt z. B. einer Kinetik 1. Ordnung (SN1-Mechanismus, Abb. 14.5).
 
 H3C H 3C
 
 2. Schritt schnelle Ionenreaktion
 
 1. Schritt langsame Dissoziation δ+
 
 C
 
 − Br
 
 δ−
 
 −
 
 + OH
 
 −
 
 (H 3C)3C OH
 
 Br
 
 H3C 2-Brom-2-methylpropan t-Butylbromid
 
 2-Methyl-2-propanol t-Butylalkohol
 
 C a r b e n i u m -I o n positive Ladung auf vakantem p-Orbital
 
 Abb. 14.5. Alkalische Hydrolyse von t-Butylbromid
 
 Eindeutige Ergebnisse sind bei kinetischen Analysen keineswegs die Regel, da bei einer Reaktion oft mehrere Mechanismen konkurrieren können. In solchen Fällen trägt die systematische Variation der Reaktionsbedingungen (Temperatur, Lösemittel, Konzentration der Edukte) zur Klärung der Reaktionsordnung bei. ̈ Stereochemischer Verlauf Geschwindigkeitsbestimmend bei SN1-Reaktionen ist die mit hoher Aktivierungsenergie ∆EA ablaufende Bildung des Carbenium-Ions (Abb. 14.4, 14.5). Wäre der nachfolgende Angriff des Nucleophils B− an beiden freien Seiten des Carbenium-Ions gleich wahrscheinlich, so hätte die Substitution vollständige Racemisierung zur Folge (sowohl Inversion als auch Retention der Konfiguration, Abb. 14.6, Kap. 18.9.1). Dies trifft im Experiment nicht immer zu.
 
 2. Schritt schnelle Ionen-Reaktion von Nucleophil und Carbenium-Ion nicht geschwindigkeitsbestimmend
 
 1. Schritt: Bildung des Carbenium-Ions geschwindigkeitsbestimmend R"
 
 R"
 
 R" R'
 
 R'
 
 R"
 
 R'
 
 langsam
 
 C R Substrat
 
 schnell
 
 +
 
 X R Carbenium-Ion (solvatisiert)
 
 R'
 
 X
 
 Nucleofug
 
 R"
 
 R' C
 
 R
 
 + IB
 
 R Retention
 
 B und / oder B
 
 C R Inversion
 
 Abb. 14.6. Sterischer Verlauf einer SN1-Reaktion
 
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 14.3 Struktur und Reaktivität
 
 203
 
 Bei Substitutionen an Cycloalkanen ist der sterische Verlauf aufgrund der fixierten Geometrie dieser Verbindungen besonders leicht zu verfolgen, da Inversionen dort auch cis-trans-Konfigurationswechsel auslösen. So führt die nucleophile Substitution des cis-1-Chlor-3-ethylcyclopentans durch Hydroxid unter Inversion der Konfiguration am substituierten C-Atom ausschließlich zum trans-3-Ethylcyclopentanol. Demnach findet eine SN2-Reaktion statt; ein SN1-Mechanismus hätte cis- und trans-3-Ethylcyclopentanol hervorgebracht. HO
 
 +
 
 H
 
 H
 
 SN2 , vollständige Inversion
 
 Cl C2H 5 cis-1-Chlor-3-ethylcyclopentan
 
 HO
 
 H
 
 + H C2H 5 trans-3-Ethylcyclopentanol
 
 Cl
 
 14.3 Struktur und Reaktivität 14.3.1
 
 Effekte der Alkyl-Gruppen
 
 Die Reaktivität von Alkyl-Verbindungen gegenüber einem bestimmten Nucleophil hängt stark von der Art der Alkyl-Gruppe ab. Bei den SN2-Reaktionen verläuft der rückwärtige Angriff des Nucleophils erwartungsgemäß am besten bei primären Halogenalkanen. Zunehmende Häufung von Alkyl-Gruppen an C-α hemmt die Neigung des Substrats zur SN2-Reaktion. Dagegen sinkt die Tendenz zur SN1-Substitution mit abnehmender Stabilität des intermediären Carbenium-Ions. Zunehmende sterische Behinderung und abnehmende Reaktivität bei SN2: Methyl > primär > sekundär > tertiär >> Vinyl, Aryl Abnehmende Stabilität des Carbenium-Ions und abnehmende Reaktivität bei SN1: tertiär > Benzyl, Allyl >> sekundär > primär > Methyl >> Vinyl, Aryl
 
 Für tertiäre Halogenalkane findet man eine weitere Feinabstufung der Reaktivität in Abhängigkeit von der β-Substitution. Dabei zeigt es sich, daß bei starker Häufung der Alkyl-Substituenten die Bildung des Carbenium-Ions sterische Spannungen abbaut. H 3C CH 2 CH3 H 3C C C Cl
 
 CH3
 
 CH 3 >>
 
 H 3C CH 2 CH 3
 
 H3C CH2 C Cl
 
 >
 
 H3C C Cl CH3
 
 CH 3
 
 Halogen-Atome an Brückenkopfatomen, wie z. B. in Triptycylchlorid oder 1-Chloradamantan, widerstehen der nucleophilen Substitution: wegen der Starrheit dieser Polycyclen kann sich kein planarer Übergangszustand bilden. Cl
 
 Cl Triptycylchlorid
 
 1-Chloradamantan (Adamantylchlorid)
 
 H
 
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 204
 
 14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
 
 Bei SN1-Reaktionen sind je nach Substrat alle bereits beschriebenen Umlagerungen durch Hydrid-, Alkyl- oder Allyl-Verschiebungen möglich. Zusätzlich eintretende partielle Inversionen bzw. Racemisierungen komplizieren das Bild.
 
 14.3.2
 
 Effekte der austretenden Gruppe
 
 Beim Vergleich der SN1- und SN2-Reaktivitäten der Substrate R−X mit gleichem Alkyl-Rest und variablem X zeigt sich, daß X umso leichter austritt, je schwächer seine Bindung zum α-C-Atom ist. Das voluminöse Iodid-Ion ist z. B. eine gute Abgangsgruppe; Hydroxid- und Alkoxid-Ionen sind dagegen wegen ihrer starken Cα−O-Bindung schlechte Abgangsgruppen; ihr Austritt aus Alkoholen und Ethern wird durch Protonierung am Sauerstoff wesentlich erleichtert, weil dabei die viel leichter abgehenden Moleküle H2O und ROH vorgebildet werden. Besonders leicht können p-Toluensulfonat (Tosylat), p-Brombenzensulfonat (Brosylat) und Trifluormethylsulfonat (Triflat) ausgetauscht werden. Daher benützt man diese Gruppen häufig als Schutzgruppen sowie zu mechanistischen Untersuchungen. O
 
 O
 
 R S O
 
 H3C
 
 O R F 3C S O
 
 R S O
 
 Br
 
 O Brosylat
 
 O Tosylat
 
 O Triflat
 
 Auch β-Substituenten beeinflussen die Reaktivität erheblich. So nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit primärer Halogenalkane mit zunehmender Anzahl β-ständiger Alkyl-Gruppen ab: CH3 H 3C CH 2 Br
 
 >
 
 CH 3
 
 H2C CH2 Br
 
 >
 
 CH 3
 
 HC CH 2
 
 Br
 
 >>
 
 H 3C C CH2
 
 CH 3
 
 Br
 
 CH 3
 
 Der SN1-Mechanismus ist gegen elektronische Einflüsse viel sensibler als gegen sterische. Ionisierungen nach SN1 werden demnach überwiegend durch induktive und mesomere Effekte beeinflußt. Wenn diese Effekte die Elektronendichte am α-Kohlenstoff erhöhen, und so das intermediäre Carbenium-Ion stabilisieren, erleichtern sie die Abdissoziation der austretenden Gruppe. Mit abnehmender Basizität am Heteroatom der CX-Bildung beobachtet man eine zunehmende Reaktivität gegenüber Nucleophilen: O F 3C S O O
 
 O > Br
 
 O
 
 S O
 
 > H 3C
 
 S O
 
 O O H3C C O
 
 > I
 
 > Br
 
 > Cl
 
 > F
 
 >
 
 O >
 
 R 3N
 
 >
 
 R O
 
 >
 
 H O
 
 >
 
 H 2N
 
 In derselben Reihenfolge nimmt die Stärke der korrespondierenden Säuren ab: Trifluormethansulfonsäure > p-Toluensulfonsäure > HI > HBr > HCl > HF >CH3COOH > R−OH > R−NH2
 
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 14.3 Struktur und Reaktivität
 
 205
 
 SN1-Reaktionen werden durch LEWIS-Säuren beschleunigt. Dabei erzeugt man durch Komplexbildung am austretenden Halogenid mit Ag+ oder Hg2+ bzw. SnCl4 einen zusätzlichen Elektronenzug. R Cl
 
 14.3.3
 
 +
 
 schnell
 
 Ag
 
 [ R Cl
 
 langsam
 
 Ag ]
 
 [R ]
 
 − AgCl
 
 + OH
 
 −
 
 R OH
 
 Nucleophilie
 
 Nucleophilie ist ein Ausdruck für die Fähigkeit eines Nucleophils zur Koordination mit einem elektronenarmen Atom. Dabei stellt das Nucleophil ein Elektronenpaar für die neue Bindung zur Verfügung. In Wasser, Ethanol und wäßrig-organischen Lösemitteln findet man folgende annähernde Reihung der Nucleophilie: SH , CN > I
 
 O > CO32 > N 3 > Br > Cl
 
 NH2 > OH >
 
 > SCN >
 
 >
 
 SO3 Halogenide : Chalcoxide : Ether : Amine :
 
 >
 
 I RSe
 
 Br
 
 > RS
 
 >
 
 Cl
 
 >
 
 Br
 
 > H3C−CO2 >
 
 SO3
 
 > H 2O > ClO4
 
 O2N
 
 NH 2
 
 F
 
 > RO , HSe
 
 > HS
 
 > HO
 
 R2Se > R 2S > R 2O H2N
 
 NH 2 ,
 
 > H3N >
 
 N
 
 >
 
 Jedoch gilt diese Reihenfolge nicht allgemein. So kehrt sie sich für die Halogenide in Dimethylformamid als Lösemittel um: Cl− > Br− > I− (Kap. 14.3.4). Carbanionen mit ihrem nicht-bindenden Elektronenpaar am C-Atom sind ausgesprochen starke Nucleophile: IC NI
 
 ,
 
 IC CH
 
 ,
 
 IC C R
 
 ,
 
 ICH2 CO2CH 3
 
 Sie sind stärker nucleophil als Amid-, Alkoxid- oder Fluorid-Anionen: R3C− > R2N− > RO− > F−. Auch das Hydrid-Anion H−, das z. B. durch LiAlH4 bereitgestellt wird, ist stark nucleophil. Die Geschwindigkeit von SN2-Reaktionen hängt stark von der Art des eintretenden Substituenten ab. Ein Vergleich verschiedener Nucleophile gegenüber einem Halogenalkan zeigt, daß die Reaktivitäten nicht immer mit den Basizitäten gegenüber Protonen einhergehen. Sehr schwache Basen wie I− sind nach dem HSAB-Prinzip (Kap. 13.4.1) gegenüber schwachen Elektrophilen effiziente Nucleophile. Nucleophile gleicher Basenstärke reagieren im SN2-Mechanismus langsamer, wenn sie sterisch behindert sind. Infolge der Inversion am Stickstoff ist Triethylamin ein schwächeres Nucleophil als das starre Amin Chinuclidin. Sperrig substituierte Trialkylamine wie Diisopropylethylamin (DIPEA) reagieren nicht als Nucleophile; sie werden als Protonenakzeptoren (Hilfsbasen), z. B. bei Acylierungen eingesetzt. H5C2
 
 H NI
 
 H5C2
 
 NI
 
 H5C2 Chinuclidin
 
 C2H5 IN
 
 C2H5
 
 C2H5
 
 Triethylamin : Inversion am N-Atom
 
 C2H5 IN
 
 CH(CH3)2
 
 CH(CH3)2 Diisopropylethylamin (DIPEA)
 
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 206
 
 14.3.4
 
 14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
 
 Lösemittelabhängigkeit
 
 SN1- und SN2-Reaktionen hängen von der Lösemittelpolarität ab. SN1-Reaktionsgeschwindigkeiten spiegeln die Bildungstendenz des Carbokations wider. Die Ionisierung von R−X zu R+ + X− hängt nicht nur von R−X selbst, sondern vor allem von der Fähigkeit des Lösemittels zur Solvatation der Ionen ab. Polare Lösemittel besitzen eine hohe Dielektrizitätskonstante ε. Freie Elektronenpaare und protische Gruppen befähigen sie zur Solvatation. Polare Lösemittel erleichtern die SN1-Reaktion, weil sie die Trennung entgegengesetzter Ladungen durch Ausbildung von Solvathüllen um Carbenium- und Abgangs-Ion fördern. Die Geschwindigkeiten von SN1-Reaktionen nehmen demnach mit der Polarität des Lösemittels zu. Ausnahmen sind die SN1-Reaktionen von Onium-Ionen, z. B. Sulfonium-Ionen; sie verlaufen in polaren Lösemitteln langsamer: R3S
 
 [R ]
 
 +
 
 R2S
 
 Bei SN2-Reaktionen in ausgesprochenen polaren Lösemitteln sind Nucleophil und austretende Gruppe besonders stark solvatisiert und so voneinander abgeschirmt, also weniger reaktiv. Dadurch erhöht sich die Aktivierungsenergie. Zudem wird ein SN2-Übergangszustand aufgrund seiner verteilten Ladung in polaren Lösemitteln wenig stabilisiert. Die Geschwindigkeit typischer SN2-Reaktionen nimmt also mit steigender Lösemittelpolarität ab. Allgemein nimmt die Nucleophilie eines Nucleophils wie X− oder OH− mit abnehmender Solvatisierung zu. Kleinere nucleophile Ionen sind stärker solvatisiert als größere; die Zerstörung ihrer Solvathülle erfordert mehr Energie. Daher nimmt in protischen Lösemitteln (Wasser, Ethanol) die Nucleophilie vom Iodid zum Fluorid ab, weil das voluminöse Iodid die schwächste Hydrathülle besitzt. Umgkehrt ist in aprotischen Lösemitteln (Aceton, Dioxan, Dimethylformamid, abgek. DMF) Chlorid stärker nucleophil als Bromid und Iodid. Einige einfache Beispiele zeigen dies: in CH3OH : langsam
 
 Cl
 
 +
 
 H 3C I
 
 +
 
 OH
 
 +
 
 OH
 
 in DMF : sehr schnell
 
 H3C Cl
 
 +
 
 I
 
 (H3C)3C OH +
 
 X
 
 in H2O / C2H5OH : SN1
 
 (H 3C)3C X
 
 in CH3CO2CH3 : SN 2
 
 in H2O / C2H5OH : SN2
 
 H3C X
 
 in HCO2H : SN 1
 
 H 3C OH
 
 +
 
 X
 
 Als Lösemittel für nucleophile Substitutionen bewähren sich a) protische Lösemittel mit hohem ε : Ammoniak, Wasser, Alkohole, Carbonsäuren; b) aprotische Lösemittel mit hohem ε : Schwefeldioxid, Dimethylsulfoxid, Dimethylformamid, Aceton, Acetonitril, Sulfolan, Nitrobenzen; c) Mischungen von Wasser mit Alkoholen, Aceton, Dioxan, Dimethylformamid.
 
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 14.3 Struktur und Reaktivität
 
 207
 
 Aprotische Lösemittel mit niedrigem ε wie Alkane, Benzen oder Tetrachlormethan eignen sich schlecht als Medien für Substitutionen. Jedoch laufen auch in Tetrachlormethan oder Benzen nucleophile Substitutionen erstaunlich rasch ab, wenn man als Nucleophil Fluorid-Ionen in Form von KF oder Hydroxid als KOH einsetzt, und diese normalerweise in organischen Lösemitteln unlöslichen Verbindungen durch Zusatz von Kalium-spezifischen Komplexbildnern wie Kronenethern in Lösung bringt. Die dadurch bedingte Schwächung der interionischen Kräfte erzeugt hoch reaktive, nicht durch Solvathüllen behinderte ("nackte") Anionen. KF (unlöslich in Chlorof orm) + Kronenether
 
 [Kronenether-K]
 
 +
 
 F
 
 KMnO4 (unlöslich in Benzen) + Kronenether
 
 [Kronenether-K]
 
 +
 
 MnO4
 
 O
 
 O O
 
 O
 
 O
 
 O K
 
 O
 
 (klare Lösung) (v iolette Lösung)
 
 O
 
 O
 
 X
 
 O
 
 O [18]-Krone-6
 
 O
 
 [18]-Krone-6-Kalium-Komplex mit "nacktem" Anion X
 
 Zur Durchführung nucleophiler Substitutionen mit wasserlöslichen Nucleophilen in ZweiphasenReaktionen eignen sich Tetraalkylammonium-Salze mit langkettigen Alkyl-Gruppen als Katalysatoren. Durch ihre positive Ladung und den langen, lipophilen Alkyl-Rest transportieren sie Anionen aus der wäßrigen in eine lipophile Phase, wo diese als Nucleophile mit Substraten reagieren können (Phasentransfer-Katalyse). Die Alkyl-Reste (> C4) am Ammonium-Stickstoff verhindern dabei störende Kationen-Anionen-Wechselwirkungen.
 
 14.3.5
 
 SN1- und SN2-Reaktionen in Konkurrenz
 
 Primäre, sekundäre und tertiäre Halogenalkane zeigen gegensinnige SN1- und SN2-Reaktivitäten: primäre (1°)
 
 sekundäre (2°)
 
 tertiäre (3°) Halogenalkane
 
 Zunahme der SN1-Tendenz Abnahme der SN2-Tendenz
 
 Sekundäre Halogenalkane reagieren im allgemeinen nach beiden Mechanismen, tertiäre überwiegend nach SN1 und primäre bevorzugt nach SN2. Durch Auswahl geeigneter Reaktionsbedingungen läßt sich ein SN1- oder SN2-Mechanismus begünstigen. Dies kann bei einer Syntheseplanung nützen, wenn im speziellen Fall Umlagerungen, Inversionen, Retentionen, Racemisierungen oder Eliminierungen zu verhindern oder erwünscht sind. SN2-Reaktionen werden begünstigt durch hohe Konzentration des Nucleophils, starke Nucleophilie und Lösemittel geringer Polarität. SN1-Reaktionen werden dagegen begünstigt durch geringe Konzentration des Nucleophils, schwache Nucleophilie und hohe Lösemittelpolarität.
 
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 208
 
 14 Nucleophile Substitution an Aliphaten
 
 Auch Salze wirken auf die Reaktionsgeschwindigkeit. Ein positiver Salzeffekt wird z. B. bei der Hydrolyse von t-Butylbromid in wäßrigem Aceton nach Zusatz von Natriumperchlorat beobachtet. In diesem Lösemittel hoher Dielektrizitätskonstante nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit mit zunehmender Ionenstärke zu.
 
 14.4 Spezielle Substitutionsmechanismen 14.4.1
 
 Substitutionen an Allyl-Verbindungen
 
 Sowohl bei SN1- als auch bei SN2-Reaktionen sind Allyl- und Propargyl- sowie Benzylhalogenide wesentlich reaktiver als gesättigte Halogenalkane. Ein Grund ist die Mesomerie dieser Verbindungen, welche die Aktivierungsenergie für Substitutionen nach SN1 und SN2 senkt. Wie die Hydrolyse des Allylchlorids als Beispiel zeigt, ist bei SN1 das intermediär entstehende Allyl-Kation mesomeriestabilisiert, und bei SN2 bewirkt der Übergangszustand eine energetisch günstige Ladungsverteilung. mesomeriestabilisiertes Allyl-Kation
 
 H 2C CH CH 2
 
 SN1 − Cl
 
 −
 
 H 2C CH CH 2 H2C CH CH 2 OH
 
 H2C CH CH 2 Cl Allylchlorid (1-Chlor-2-propen)
 
 + OH
 
 Allylalkohol (2-Propen-1-ol)
 
 δ−Cl
 
 −
 
 H 2C CH CH 2
 
 SN2
 
 δ−OH Übergangszustand mit verteilter Ladung
 
 Wird der normale Ablauf einer Substitution durch sterische Hinderung am allylischen C-Atom gestört, so findet stattdessen oder konkurrierend eine "SN2'-Reaktion" am zugänglicheren terminalen C-Atom der Doppelbindung statt: SN2'
 
 (H 5C2)2NI H
 
 +
 
 SN2' : − Cl
 
 CH3
 
 1-(N,N-Diethylammonium)-2-buten
 
 −
 
 (H5C 2)2N CH2 CH CH CH 3 H
 
 H 2C CH C Cl SN2
 
 H SN2 : − Cl
 
 (H5C 2)2N CH CH CH2
 
 −
 
 H CH3 3-(N,N-Diethylamino)-1-buten
 
 Bei der Solvolyse von α,α-Dimethylallylchlorid beobachtet man keinen normalen SN1-Mechanismus, da neben Solvolyseprodukten auch γ,γ-Dimethylallylchlorid gefunden wird. Hier ereignet sich offensichtlich eine intramolekulare Allyl-Isomerisierung unter "innerer Rückkehr": Cl H 2C CH C CH3 γ
 
 β
 
 α
 
 CH3 3-Chlor-3-methyl-1-buten (α,α-Dimethylallylchlorid)
 
 in H2O / C2H5OH oder CH 3CO2H
 
 H 2C HC
 
 Cl C CH3
 
 "innere Rückkehr"
 
 CH3 Übergangszustand mit verteilter Ladung zwischen Allyl-Kation und Chlorid-Anion
 
 Cl
 
 CH 3 CH 2 CH C γ α β CH 3
 
 1-Chlor-3-methyl-2-buten
 
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 14.4
 
 Spezielle Substitutionsmechanismen
 
 14.4.2
 
 209
 
 SNi-Mechanismus
 
 Bei der Darstellung von Chloralkanen durch nucleophile Substitution der Alkohole mit Thionylchlorid (Kap. 15.6.5) wird ein SNi-Mechanismus diskutiert. Diese Substitution führt im wenig polaren aprotischen Lösemittel 1,4-Dioxan unter Retention der Konfiguration zum Chloralkan. In Pyridin beobachtet man dagegen Inversion nach dem üblichen SN2-Mechanismus. R'
 
 R"
 
 O
 
 C
 
 +
 
 O
 
 Cl
 
 Cl
 
 H
 
 R
 
 S
 
 − HCl
 
 R ' R"
 
 SNi , in Dioxan R'
 
 R" C R
 
 Cl S O O
 
 − SO2 , Retention
 
 SN2 , in Pyridin − SO2 , Inversion
 
 14.4.3
 
 C
 
 Cl
 
 R" C
 
 R" C
 
 Cl
 
 R
 
 R
 
 Cl
 
 R'
 
 R'
 
 R
 
 Reaktivität von Vinyl- und Alkinyl-Verbindungen
 
 Reaktionsträge zeigen sich Halogenalkene (R−CH=CH−X) und Halogenalkine (R−C≡C−X) bei SN1- und SN2-Reaktionen. Aufgrund der elektronenanziehenden Wirkung sp2- und sp-hybridisierter C-Atome erhöht sich zwar die CH-Acidität; andererseits ist die Ausbildung von Übergangszuständen mit partieller positiver Ladung am Kohlenstoff sehr erschwert. Aus demselben Grund zeigen sich auch nicht weiter substituierte (aktivierte) Halogenaromaten gegenüber den meisten Nucleophilen wenig reaktiv. Metallorganische Nucleophile reagieren dagegen mit Halogenalkenen, Halogenalkinen und Halogenaromaten unter milden Bedingungen, teilweise in Gegenwart von Pd(0)-Katalysatoren (Kap. 13.4.4, 32.6.3).
 
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 210
 
 15 Alkohole und Glykole
 
 15 Alkohole und Glykole 15.1 Klassifizierung der Alkohole Ersetzt man ein H-Atom eines Alkans durch eine Hydroxy-Gruppe, so entsteht formal ein Alkohol. Alkohole lassen sich also durch die allgemeine Formel R−OH beschreiben. Dabei ist R eine Alkyl- oder Cycloalkyl-Gruppe. Sitzt die Hydroxy-Gruppe am Benzen-Ring, so handelt es sich um ein Phenol; ist sie mit einem Alken-C-Atom verknüpft, so spricht man von einem Enol. Phenole und Enole zeigen andere Eigenschaften als Alkohole und werden daher getrennt besprochen. CH2 OH
 
 H3C CH2 OH OH H
 
 H
 
 H
 
 H C C H OH
 
 H2C CH CH 2 OH
 
 H3C C
 
 O
 
 Enol (-Form des Acetaldehyds)
 
 Alkohole
 
 OH
 
 OH
 
 Phenole
 
 Man unterscheidet primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole, je nachdem, ob eine, zwei oder drei Alkyl-Gruppen mit dem C-Atom verknüpft sind, das die Hydroxy-Gruppe trägt: H 3C CH 2 CH2 CH2 OH
 
 oder
 
 R CH2 OH
 
 H3C CH2 CH OH CH 3
 
 oder
 
 R CH OH
 
 CH3
 
 sekundärer Alkohol (2°)
 
 R'
 
 CH3 H3C C OH
 
 primärer Alkohol (3°)
 
 R" oder
 
 R C OH
 
 tertiärer Alkohol (3°)
 
 R'
 
 Alkohole mit zwei, drei oder mehr Hydroxy-Gruppen bezeichnet man als Di-, Tri- bzw. Polyole: HO CH 2 CH2 OH
 
 H3C CH CH 2 OH
 
 HO CH2 CH2 CH 2 OH
 
 OH Diole
 
 HO CH2 CH CH 2 OH OH T r i o l (Glycerol)
 
 15.2 Nomenklatur Die IUPAC-Bezeichnung eines Alkohols folgt aus der längstmöglichen, die Hydroxy-Gruppe tragenden Kohlenwasserstoff-Kette. Dabei wird die Endung "ol" an die IUPAC-Bezeichnung des entsprechenden Alkans, Alkens oder Alkins gesetzt und die Stellung der OH-Gruppe in der Kette durch die kleinstmögliche arabische Ziffer gekennzeichnet, z. B.: OH H 3C CH 2 CH2 CH2 CH 3 Pentan
 
 H 3C CH 2 CH2 CH 2 CH 2 OH 1-Pentanol
 
 H3C CH2 CH2 CH CH3 2-Pentanol
 
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 15.3 Struktur und thermodynamische Eigenschaften
 
 211
 
 Analog benennt man Cycloalkanole und Bicycloalkanole, z. B.: OH OH Cyclohexan
 
 Cyclohexanol
 
 Bicyclo[2.2.1]heptan
 
 Bicyclo[2.2.1]heptan-2-ol
 
 Bei verzweigten und ungesättigten Alkoholen sowie Cycloalkanolen hat die kleinstmögliche Bezifferung der Stellung einer OH-Gruppe Vorrang gegenüber Alkyl-Gruppen und Mehrfachbindungen, z. B.: 5
 
 4
 
 3
 
 2
 
 1
 
 H3C CH CH 2 CH CH 3 OH CH3 4-Methyl-2-pentanol (nicht 2-Methyl-4-pentanol)
 
 5
 
 4
 
 3
 
 2
 
 1
 
 H2C CH CH 2 CH CH 3 OH 4-Penten-2-ol (nicht 1-Penten-4-ol)
 
 5
 
 4
 
 3
 
 2
 
 1
 
 H3C C C CH CH3 OH 3-Pentin-2-ol (nicht 2-Pentin-4-ol)
 
 H3C
 
 3
 
 OH
 
 1
 
 cis-3-Methylcyclohexanol
 
 (nicht cis-1-Methylcyclohexan-3-ol)
 
 Enthält ein Alkohol zwei oder drei OH-Gruppen, so wird die Nachsilbe -ol durch -diol bzw. -triol ersetzt, z. B.: HO CH 2 CH CH2 OH OH 1,2,3-Propantriol (Glycerol)
 
 H 3C CH CH 2 CH 2 OH OH 1,3-Butandiol
 
 H3C CH CH CH 2 OH OH OH 1,2,3-Butantriol
 
 Anstelle der Alkanol-Bezeichnung nach IUPAC kann man auch von Alkylalkoholen sprechen. Man beginnt dabei mit der Bezeichnung der Alkyl-Gruppe, an welche die OH-Gruppe geknüpft ist, und fügt "...alkohol" hinzu:
 
 CH3 H3C CH CH 3 OH Isopropylalkohol (Isopropanol)
 
 H3C C OH CH3
 
 t-Butylalkohol (t-Butanol)
 
 CH 3 H 3C C CH 2 OH
 
 CH 2 OH
 
 C OH
 
 CH 3
 
 neo-Pentylalkohol
 
 Benzylalkohol (α-Hydroxytoluen)
 
 Triphenylcarbinol
 
 Schließlich können Alkohole formal auch als Methanol- = Carbinol-Derivate betrachtet werden. Hierbei fängt die Bezeichnung mit Anzahl (Di-, Tri-) und Art der Alkyl-Gruppen an, welche die Wasserstoff-Atome des Methanols ersetzen, und endet mit dem Wort "...carbinol". Triphenylcarbinol ist demnach ein Synonym für Triphenylmethanol.
 
 15.3 Struktur und thermodynamische Eigenschaften Der aus spektroskopischen Daten zugänglichen Geometrie des Methanol-Moleküls (Abb. 15.1) entnimmt man einen C−O−H-Bindungswinkel von 107°. Demnach wird der Bindungszustand des
 
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 212
 
 15 Alkohole und Glykole
 
 Methanols am besten durch ein sp3-hybridisiertes Sauerstoff-Atom erklärt, um das sich H, CH3 und die n-Elektronenpaare tetraedrisch gruppieren (Abb. 1.24, Ersatz von einem H durch CH3). 143 pm 92 pm
 
 O
 
 107°
 
 δ− −
 
 CH 3
 
 O
 
 δ+
 
 CH 3
 
 δ+ H
 
 H
 
 Abb. 15.1. Geometrie und Polarität des Methanol-Moleküls
 
 Aufgrund der hohen Elektronegativität des Sauerstoffs und dessen kleinem Atomvolumen sind die CO- und besonders die OH-Bindungen von Alkoholen stark polarisiert [(−)-I-Effekt, Abb. 15.1] . Das Wasserstoff-Atom einer Hydroxy-Gruppe ist demnach positiviert, so daß es durch das negativ polarisierte Sauerstoff-Atom eines benachbarten Alkohol-Moleküls angezogen wird: Es bilden sich Wasserstoffbrücken (Abb. 15.2) mit einer "Bindungsenergie" von etwa 21 kJ / mol. Alkohole liegen also assoziiert vor, zumindest im festen und flüssigen Zustand. R
 
 O
 
 H
 
 O
 
 R H
 
 R
 
 O
 
 H
 
 O
 
 H
 
 R
 
 Abb. 15.2. Wasserstoffbrücken-Bindung der Alkohole
 
 Beim Übergang vom flüssigen in den Dampfzustand muß daher zusätzlich Energie aufgebracht werden, um die Wasserstoffbrücken zu brechen. Alkohole zeigen infolgedessen im Vergleich zu den Alkanen, Halogenalkanen und den Ethern sehr hohe Siedepunkte (Beispiele: Dimethylether, H3C−O−CH3: Sdp. −24 °C bei 1011 mbar; Ethanol, H3C−CH2−OH : Sdp. 78.2 °C bei 1011 mbar). Selbst im Dampfzustand können die Alkohol-Moleküle noch etwas assoziieren, so daß man erhebliche Abweichungen vom idealen Gasverhalten findet. Da geradkettige Moleküle eine größere Oberfläche haben und somit stärker wechselwirken können als kugelförmige, zeigen unverzweigte Alkohole etwas höhere Siedepunkte als ihre verzweigten Isomeren: 1-Butanol 2-Methyl-1-propanol
 
 H3C CH2 CH 2 CH2 OH
 
 Sdp. 118 °C (1011 mbar)
 
 H 3C CH CH 2 OH
 
 Sdp. 108 °C (1011 mbar)
 
 CH3
 
 Die gute Wasserlöslichkeit der kürzerkettigen Alkohole (bis Butanol, Tab. 15.1) beruht im wesentlichen darauf, daß die Wasser- und Alkohol-Moleküle auch untereinander Wasserstoffbrücken bilden können. Wird die Alkyl-Gruppe eines Alkohols zu voluminös, so kann sie die Wasserstoffbrücken-Bindung sterisch behindern. Der Siedepunkt dieses Alkohols liegt dann tiefer. Seine Löslichkeit in Wasser nimmt ab, abgesehen davon, daß höhere Alkohole mehr alkanartige Eigenschaften zeigen, also hydrophob sind.
 
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 15.3 Struktur und thermodynamische Eigenschaften
 
 213
 
 Nomenklatur und Eigenschaften ausgewählter Alkohole sind in Tab. 15.1 zusammengestellt. Tab. 15.1. Nomenklatur und Eigenschaften einiger Alkohole Klasse
 
 aliphatisch gesättigt
 
 primär
 
 Konstitutionsformel
 
 IUPACBezeichnung
 
 Trivialname -alkohol
 
 H3C OH
 
 Methanol
 
 Methyl-
 
 − 97
 
 64.5
 
 unbegrenzt
 
 H3C CH 2 OH H3C CH2 CH2 OH H3C [CH2] 2 CH 2 OH
 
 Ethanol 1-Propanol
 
 Ethyln-Propyl-
 
 − 115 − 126
 
 78.2 97
 
 unbegrenzt unbegrenzt
 
 1-Butanol
 
 n-Butyl-
 
 − 90
 
 118
 
 7.9
 
 H3C
 
 [CH2] 3 CH 2 OH
 
 1-Pentanol
 
 n-Amyl-
 
 − 78.5
 
 138
 
 2.3
 
 H3C
 
 [CH2] 4 CH 2 OH [CH2] 5 CH 2 OH
 
 1-Hexanol
 
 n-Hexyl-
 
 − 52
 
 156
 
 0.6
 
 1-Heptanol
 
 n-Heptyl-
 
 − 34
 
 176
 
 0.2
 
 [CH2] 6 CH 2 OH [CH2] 8 CH 2 OH
 
 1-Octanol
 
 n-Octyl-
 
 195
 
 0.05
 
 1-Decanol
 
 n-Decyl-
 
 − 15 6
 
 288
 
 unlöslich
 
 2-Propanol
 
 i-Propyl
 
 − 86
 
 82.5
 
 2-Butanol
 
 sec-Butyl-
 
 − 114
 
 99.5
 
 Cyclopentanol
 
 Cyclopentyl-
 
 − 19
 
 140
 
 gut
 
 Cyclohexanol
 
 Cyclohexyl-
 
 24
 
 161
 
 5.7
 
 2-Methyl2-propanol
 
 t-Butyl-
 
 25.5
 
 2-Methyl2-butanol
 
 t-Pentyl-
 
 − 12
 
 H2C CH CH 2 OH
 
 2-Propen-1-ol
 
 Allyl-
 
 − 129
 
 H3C CH CH CH 2 OH
 
 2-Buten-1-ol
 
 Crotyl- (trans-)
 
 CH2 OH
 
 Phenylmethanol
 
 Benzyl-
 
 CH
 
 Diphenylmethanol
 
 Triphenylmethanol
 
 H3C H3C H3C sekundär
 
 H3C CH CH 3 OH H3C CH2 CH CH 3 OH H OH OH
 
 Schmelzpunkt Siedepunkt °C °C (1011 mbar)
 
 Löslichkeit g/100g H2O
 
 unbegrenzt 12.5
 
 H CH3 tertiär
 
 H3C C OH CH3 CH3 H3C CH2 C OH
 
 83
 
 102
 
 unbegrenzt
 
 12.5
 
 CH3 aliphatisch ungesättigt primär aliphatischaromatisch primär sekundär
 
 OH
 
 tertiär
 
 C
 
 97
 
 unbegrenzt
 
 118
 
 16.6
 
 − 15
 
 205
 
 4
 
 Benzhydrol (Diphenylcarbinol)
 
 69
 
 298
 
 0.05
 
 Triphenylcarbinol
 
 162.5
 
 unlöslich
 
 OH 1,2-Diole
 
 HO CH2 CH2 OH
 
 1,2-Ethandiol
 
 Ethylenglykol
 
 − 17
 
 197
 
 unbegrenzt
 
 H3C CH CH 2 OH
 
 1,2-Propandiol
 
 Propylenglykol
 
 − 59
 
 188
 
 unbegrenzt
 
 1,2,3-Propantriol
 
 Glycerol
 
 18
 
 290
 
 unbegrenzt
 
 OH 1,2,3-Triole
 
 HO CH2 CH CH 2 OH OH
 
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 214
 
 15 Alkohole und Glykole
 
 15.4 Darstellung von Alkoholen 15.4.1
 
 Technische Synthesen von Methanol und Ethanol
 
 Methanol wird technisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff bei hohen Temperaturen und Drükken in Gegenwart von Übergangsmetalloxiden als Katalysatoren hergestellt: CO
 
 +
 
 2 H2
 
 ZnO / Cr 2O3 , Hitze, Druck
 
 H 3C OH
 
 Methanol (Sdp. 64.5 °C bei 1011 mbar) ist ein wichtiges Lösemittel und Zwischenprodukt für organische Synthesen. Orale Aufnahme sowie längeres Einatmen führt zu Kopfschmerzen, Erbrechen, Krämpfen, Koma, Netzhaut- und Sehnerv-Schäden, die zur Erblindung führen können. Ethanol wird in großem Maßstab durch katalytische Hydratisierung von Ethin zu Acetaldehyd (Kap. 7.5.3) und dessen katalytische Hydrierung hergestellt: H C C H
 
 +
 
 O
 
 HgSO4
 
 H2O
 
 H3C C
 
 + H2 / RANEY-Ni
 
 H 3C CH 2 OH
 
 H Ethanal
 
 Ethanol
 
 Wie Methanol findet Ethanol als Lösemittel (Sdp. 78.2 °C bei 1011 mbar) und Ausgangsprodukt für organische Synthesen verbreitete Anwendung. Darüberhinaus ist Ethanol die berauschende Komponente alkoholischer Getränke.
 
 15.4.2
 
 Ethanol durch alkoholische Gärung
 
 Bei der alkoholischen Gärung vergärbarer Zucker, z. B. der Glucose (Kap. 40.1.1), in Gegenwart von Hefepilzen entsteht Ethanol, wie eine sehr vereinfachte Bruttogleichung zeigt: Hefe
 
 C6H 12O6 Glucose
 
 2 C 2H5OH Ethanol
 
 +
 
 2 CO2
 
 Nicht nur Früchte können zu Weinen und Weinbrand-Rohprodukten vergoren werden. Auch die in Getreide und Kartoffeln gespeicherten Kohlenhydrate, z. B. die Stärke, lassen sich enzymatisch zu vergärbarer Glucose abbauen (Maische). Darauf beruht die Herstellung von Bieren aus Gerste und Hopfen, sowie die Vergärung von Getreide und Kartoffeln und die anschließende Destillation zu Gin, Whisky oder Wodka mit Ethanol-Gehalten zwischen 35 und 55 %. Alkoholische Getränke besitzen erhebliches Suchtpotential; ihr übermäßiger Konsum führt zur lebensgefährlichen Alkoholintoxikation.
 
 15.4.3
 
 Hydratisierung von Alkenen
 
 Bei der Hydratisierung von Alkenen durch wäßrige Säuren addiert Wasser an ein durch Protonierung entstandenes Carbenium-Ion. Deprotonierung des Oxonium-Ions führt zum Alkohol. + [H+]
 
 C C
 
 C C H
 
 Alken
 
 Carbenium-Ion
 
 + H2O
 
 C C H2O H Oxonium-Ion
 
 − [H+]
 
 C C HO H Alkohol
 
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 15.4
 
 Darstellung von Alkoholen
 
 215
 
 Durch säurekatalysierte Hydratisierung des 2-Methylpropens kann sich z. B. 2-Methyl-2-propanol (Weg 1) oder 2-Methyl-1-propanol (Weg 2) bilden:
 
 H 3C
 
 Weg 1
 
 H 3C
 
 + H2O
 
 C CH 3
 
 OH 2
 
 H 3C C CH 2
 
 +
 
 − [H+]
 
 H 3C C CH 3
 
 2-Methyl-2-propanol (t-Butylalkohol) OH H 3C C CH 3 CH 3
 
 CH 3
 
 [H ]
 
 H 3C 2-Methylpropen (Isobutylen)
 
 H 3C
 
 H CH C H 3C H
 
 Weg 2
 
 + H2O
 
 H 3C H 3C
 
 CH CH 2 OH 2
 
 − [H+]
 
 H 3C H 3C
 
 CH CH 2 OH
 
 2-Methyl-1-propanol
 
 Da Weg 1 über das stabilere t-Butyl-Kation verläuft (MARKOWNIKOFF-Regel), führt die Hydratisierung des 2-Methylpropens regioselektiv zu 2-Methyl-2-propanol (t-Butylalkohol). Die Hydratisierung von Alkenen läßt sich auch mit Schwefelsäure durchführen, wobei als Zwischenprodukte Alkylhydrogensulfate auftreten, deren Hydrolyse die Alkohole ergibt. Auf diese Weise kann Ethanol aus Ethen hergestellt werden. Infolge der MARKOWNIKOFF-Regel führt die Hydratisierung des Propens mit Schwefelsäure bevorzugt zum 2-Propanol (Weg 1). Entsprechendes gilt für andere terminale Alkene (2-Butanol aus 1-Penten, 2-Pentanol aus 1-Penten). Weg 1
 
 H3C CH CH2 Propen
 
 OSO3H i-Propylhydrogensulfat
 
 + H 2SO4 Weg 2
 
 15.4.4
 
 + H2O
 
 H3C CH CH 3
 
 H 3C CH 2 CH2 OSO3H n-Propylhydrogensulfat
 
 H3C CH CH 3
 
 − H2SO4
 
 OH 2-Propanol
 
 + H2O
 
 H3C CH2 CH 2 OH 1-Propanol
 
 − H2SO4
 
 Hydroborierung und Oxidation
 
 Alkylborane entstehen allgemein durch Addition von Diboran, B2H6, an Alkene, wobei Diboran als Boran (BH3) reagiert. Diese Hydroborierung verläuft wahrscheinlich über einen VierzentrenMechanismus, wobei elektrophile Addition des Bors und nucleophile Addition von Hydrid gleichzeitig erfolgen: R2C CR2 + H BH 2
 
 + R2C
 
 R2CH CR 2
 
 CR2
 
 BH 2 Alkylboran
 
 (R 2CH CR2
 
 )2 BH
 
 + R2C
 
 CR2
 
 Dialkylboran
 
 (R2CH CR 2
 
 )3 B
 
 Trialkylboran
 
 Das zunächst entstandene Alkylboran reagiert mit weiterem Alken zum Trialkylboran. Wasserstoffperoxid oxidiert ein Mol Trialkylboran zu drei Mol Alkohol und einem Mol Borsäure: (R 2CH CR2
 
 )3 B
 
 +
 
 3 H 2O2
 
 3 R 2CH CR2 OH
 
 +
 
 B(OH)3
 
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 216
 
 15 Alkohole und Glykole
 
 Die nucleophile Addition des Bors an Alkene wird durch Alkyl-Gruppen sterisch behindert. Daher führt die Hydroborierung der Alkene und die anschließende Oxidation mit H2O2 im Gegensatz zu der direkten unter MARKOWNIKOFF-Orientierung verlaufenden Hydratisierung von Alkanen regioselektiv zu primären oder sekundären Alkoholen. Während z. B. die direkte Hydratisierung des 2Methylpropens bevorzugt t-Butylalkohol ergibt, führt die Hydroborierung dieses Alkens und die anschließende Oxidation zu 2-Methyl-1-propanol: H 3C H
 
 H 3C C CH2 H 3C + H BH2
 
 sterisch günstig
 
 H3C C C H
 
 + 2 (CH3) 2C
 
 CH2
 
 [(H3C)2CH CH 2
 
 15.4.5
 
 − B(OH) 3
 
 + 3 H2O
 
 bevorzugt gegenüber sterisch ungünstig
 
 ] 3B
 
 H BH2
 
 H 3C
 
 3 (H3C)2CH CH 2 OH
 
 C CH2 H 3C + H2B H
 
 2-Methyl-1-propanol
 
 Reduktion von Carbonyl-Verbindungen
 
 Carbonyl-Verbindungen mit der CO-Doppelbindung als funktioneller Gruppe, z. B. Carbonsäureester (Kap. 17.10.2), Ketone und Aldehyde (Kap. 20.9.1), werden bei der Reaktion mit komplexen Metallhydriden wie Lithiumaluminiumhydrid (Li+[AlH4]−, meist als LiAlH4 formuliert) durch nucleophile Addition eines Hydrid-Anions an das Carbonyl-C-Atom zu Alkoxiden (Alkoholaten) reduziert. Dabei addiert das Hydrid-Anion nucleophil an die Carbonyl-Doppelbindung: _ C OI _
 
 C O
 
 +
 
 _ C OI _
 
 IH
 
 H Alkoxid-Anion (Alkoholat-Anion)
 
 Carbonyl-Mesomerie
 
 Die Aufnahme eines Protons aus Wasser führt zum Alkohol. _ _ C OI
 
 +
 
 H 2O
 
 H
 
 C OH
 
 +
 
 OH
 
 H Alkohol
 
 Primäre Alkohole bilden sich bei der Reduktion von Aldehyden sowie Carbonsäuren oder Carbonsäureestern mit Lithiumaluminiumhydrid in wasserfreiem Ether: O Aldehyd
 
 +
 
 4R C
 
 Li AlH 4
 
 wasserfreier Ether
 
 H
 
 (R CH2 O)4 Al Li − Al(OH) 3 , − LiOH
 
 + 4 H2O
 
 4 R CH2 OH
 
 − 4 R'OH , − 2 Al(OH) 3 , − 2 LiOH
 
 + 8 H2O , + LiAlH4
 
 O Carbonsäureester
 
 4R C
 
 + OR´
 
 Li AlH 4
 
 wasserfreier Ether
 
 primärer Alkohol
 
 H (R C O)4 Al Li OR´
 
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 15.4
 
 Darstellung von Alkoholen
 
 217
 
 Analog entstehen sekundäre Alkohole durch Reduktion von Ketonen mit Lithiumaluminiumhydrid. O 4R C
 
 +
 
 H
 
 wasserfreier Ether
 
 Li AlH4
 
 R´
 
 H
 
 + 4 H2O
 
 (R C O)4 Al Li
 
 4 R C OH
 
 − Al(OH) 3 , − LiOH
 
 R´
 
 R´ sekundärer Alkohol
 
 Keton
 
 Der Rest R kann nicht nur eine Alkyl- sondern auch eine Aryl-Gruppe sein. So kann man mit Li+[AlH4]− 4-Hydroxybenzaldehyd zu 4-Hydroxybenzylalkohol, 4-Hydroxyacetophenon zu 1-(4Hydroxyphenyl)ethanol reduzieren: O C H
 
 HO
 
 Li AlH4
 
 HO
 
 4-Hydroxybenzaldehyd
 
 15.4.6
 
 CH2 OH
 
 O C CH3
 
 HO
 
 4-Hydroxybenzylalkohol
 
 Li AlH4
 
 4-Hydroxyacetophenon
 
 OH HO
 
 CH CH3
 
 1-(4-Hydroxyphenyl)ethanol
 
 Alkohole aus Carbonyl-Verbindungen und Alkylmagnesiumhalogeniden (GRIGNARD-Verbindungen)
 
 Die nucleophile Addition der carbanionisch polarisierten Alkyl-Gruppe eines Alkylmagnesiumhalogenids (GRIGNARD-Verbindung) führt zum Magnesiumhalogenidalkoholat, dessen Hydrolyse einen Alkohol ergibt: _ C OI _
 
 C O
 
 Carbonyl-Verbindung
 
 +
 
 δ− δ++
 
 δ−
 
 −
 
 − Mg 2+ , − X
 
 _ C OI _
 
 R Mg X
 
 + H2O
 
 R Alkoholat
 
 Alkylmagnesiumhalogenid
 
 − OH
 
 C OH
 
 −
 
 R Alkohol
 
 Dabei gelingt die gezielte Synthese primärer, sekundärer oder tertiärer Alkohole aus Formaldehyd, einem anderen Aldehyd oder einem Keton, jeweils über die entsprechende Magnesiumhalogenidalkoholat-Zwischenstufe. So führt die Reaktion von i-Propylmagnesiumbromid mit Formaldehyd zu 2-Methyl-1-propanol (primärer Alkohol), O H C
 
 + H
 
 H 3C CH MgBr CH 3
 
 CH2 OMgBr CH CH 3 CH3
 
 + H2O − Mg 2+ − − OH − − Br
 
 CH2 OH CH CH 3 CH3
 
 mit Benzaldehyd zu 2-Methyl-1-phenylpropanol (sekundärer Alkohol), O C H
 
 +
 
 H 3C CH MgBr CH 3
 
 CH OMgBr CH CH 3 CH3
 
 + H2O − Mg 2+ − − OH − − Br
 
 CH OH CH CH3 CH 3
 
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 218
 
 ̈
 
 15 Alkohole und Glykole
 
 und mit Acetophenon zu 3-Methyl-2-phenyl-2-butanol (tertiärer Alkohol). CH3
 
 O C + H 3C CH MgBr CH3 CH 3
 
 C OMgBr CH CH 3 CH3
 
 15.4.7
 
 + H2O
 
 CH 3
 
 − Mg 2+ − − OH − − Br
 
 CH 3
 
 C OH CH CH3
 
 Alkohole aus Epoxiden und Alkylmagnesiumhalogeniden
 
 Die nucleophile, ringöffende Substitution des O-Atoms im Oxiran (Epoxid-Ring) durch die AlkylGruppe einer GRIGNARD-Verbindung (Kap. 13.4.3) führt über ein Magnesiumhalogenidalkoholat zum entsprechenden Alkohol: δ− δ++
 
 δ−
 
 R Mg X
 
 R +
 
 C
 
 C O
 
 R
 
 + H2O
 
 C C
 
 C C
 
 − Mg 2+ − − OH − − X
 
 OMgX
 
 OH
 
 Ethylenoxid verknüpft demnach die 2-Hydroxyethyl-Funktion (−CH2−CH2−OH) mit der AlkylGruppe einer GRIGNARD-Verbindung, z. B.: H3C CH MgBr
 
 +
 
 CH 3 i-Propylmagnesiumbromid
 
 15.4.8
 
 H2C CH 2 O
 
 wasserfreier Ether
 
 H3C CH CH 2 CH 2 OMgBr CH 3
 
 + H2O
 
 H3C CH CH 2 CH 2 OH
 
 − Mg 2+ − − OH − − Br
 
 CH 3 3-Methyl-1-butanol
 
 Hydrolyse von Halogenalkanen
 
 Die nucleophile Substitution des Halogenid-Anions eines Halogenalkans durch Hydroxid kann zu einem Alkohol führen, insbesondere wenn keine Eliminierung zu Alkenen möglich ist, wie bei der einem SN1-Mechanismus folgenden Hydrolyse des Benzylbromids: CH2 Br
 
 +
 
 OH
 
 SN1
 
 CH2 OH
 
 Benzylbromid
 
 +
 
 Br
 
 Benzylalkohol
 
 Dagegen führt die analoge Reaktion bei t-Butylhalogeniden unter Eliminierung zu 2-Methylpropen, CH3 H3C C Cl CH3
 
 − Cl
 
 CH 3
 
 −
 
 H 3C C CH 3
 
 − [H+]
 
 CH 3 H 2C C CH 3 2-Methylpropen
 
 und primäre Halogenalkane reagieren oft träge mit wäßrigen Alkalihydroxiden.
 
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 15.5 Darstellung von 1,2-Diolen
 
 219
 
 15.5 Darstellung von 1,2-Diolen 15.5.1
 
 Dihydroxylierung von Alkenen
 
 Alkene können durch Permanganat (MnO4−) oder Osmiumtetroxid (OsO4) zu Glykolen dihydroxyliert werden. Die Addition von MnO4− oder OsO4 verläuft von einer Seite über cyclische Ester-Zwischenstufen, die in wäßrigem Medium das 1,2-Diol ergeben. Infolgedessen führt die Hydroxylierung mit MnO4− oder OsO4 bei Cycloalkenen zu den cis-1,2-Diolen (cis-Dihydroxylierung, Kap. 4.5.7), z. B.:
 
 O +
 
 OsO4
 
 Cyclohexen
 
 O O Os O
 
 OH
 
 + 2 H2O
 
 OH
 
 − H2OsO4
 
 cis-1,2-Cyclohexandiolosmiumsäureester
 
 cis-1,2-Cyclohexandiol
 
 Die Dihydroxylierung von Alkenen gelingt auch über die Oxirane (Epoxide) und deren säurekatalysierte Hydrolyse. Da die nucleophile Addition des Wassers an das protonierte Oxiran von der "Rückseite" erfolgt, führt diese Dihydroxylierung bei Cycloalkenen zum trans-1,2-Diol (transDihydroxylierung, Kap. 4.5.8). So führt die Epoxidation (nach PRILEZHAEV, Kap. 4.5.8, 16.4.3) des Cyclohexens mit einer Peroxycarbonsäure über Cyclohexenoxid (1-Oxabicyclo[4.1.0]heptan) zum trans-1,2-Cyclohexandiol: + H3O+
 
 + OH2 O Cyclohexenoxid + RCO3H
 
 OH 2 OH
 
 O H + H2O
 
 − RCO2H
 
 − H3O+
 
 OH OH trans-1,2-Cyclohexandiol
 
 Cyclohexen
 
 15.5.2
 
 Hydrolyse von Halohydrinen
 
 Halohydrine, welche durch Addition von hypochloriger oder hypobromiger Säure an Alkene entstehen, können mit Hydroxid als Nucleophil in Glykole übergeführt werden:
 
 R CH CH R
 
 + HOX ( X = Cl , Br )
 
 Alken (E- oder Z-)
 
 −
 
 R CH CH R X OH Halohydrin
 
 + HO −
 
 −X
 
 R CH CH R OH OH 1,2-Diol
 
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 220
 
 15 Alkohole und Glykole
 
 Die Synthese des Glycerols (Glycerin) aus Propen über Allylchlorid (radikalische Substitution), Allylalkohol (nucleophile Substitution), und Glycerolchlorhydrin (Addition) nutzt im letzten Schritt die Halohydrin-Hydrolyse im technischen Maßstab: Propen
 
 H3C CH CH 2
 
 Glycerol
 
 CH2 CH CH2 OH
 
 500 - 600 °C , + Cl2
 
 − HCl
 
 + OH (NaOH) −
 
 + OH (NaOH)
 
 CH2 CH CH 2
 
 − Cl
 
 Cl Allylchlorid (1-Chlor-2-propen)
 
 15.5.3
 
 OH OH
 
 −
 
 CH 2 CH CH 2
 
 −
 
 + HOCl
 
 OH Allylalkohol (2-Propen-1-ol)
 
 − Cl
 
 −
 
 CH2 CH CH2 OH OH Cl Glycerolchlorhydrin (3-Chlor-1,2-propandiol)
 
 Bimolekulare Reduktion von Aldehyden und Ketonen
 
 Die Reduktion zweier Moleküle eines Aldehyds oder Ketons mit metallischem Magnesium in Benzen ergibt über ein cyclisches Magnesiumalkoholat symmetrische 1,2-Diole (Pinakole): R
 
 C
 
 R'
 
 R + Mg +
 
 O
 
 C
 
 R'
 
 in Benzen
 
 O
 
 R'
 
 R
 
 R
 
 C C O
 
 Mg
 
 R'
 
 + 2 H2O − Mg(OH) 2
 
 O
 
 R R R' C C R' HO OH α,β-Diol
 
 2,3-Dimethyl-2,3-butandiol (Pinakol) wird durch diese Pinakol-Reaktion aus Aceton dargestellt: 2 H 3C
 
 C
 
 1.) Mg in Benzen 2.) + 2 H2O , − Mg(OH) 2
 
 CH3
 
 H 3C CH 3 H3C
 
 2,3-Dimethyl-2,3-butandiol
 
 C C CH 3 HO OH
 
 O
 
 15.6 Reaktionen der Alkohole 15.6.1
 
 Alkohole als LEWIS-Basen
 
 Infolge der nichtbindenden Elektronenpaare am Sauerstoff-Atom sind Alkohole Protonenakzeptoren (LEWIS-Basen). Sie werden durch Mineralsäuren zu Alkyloxonium-Salzen protoniert: _H _ R O
 
 +
 
 [H ]
 
 _H R O
 
 Alkyloxonium-Ion
 
 H
 
 So entsteht Ethyloxonium-chlorid durch Einleiten von Chorwasserstoff-Gas in wasserfreies Ethanol: H3C CH2 OH
 
 +
 
 HCl
 
 H3C CH2 OH 2 Cl
 
 Ethyloxonium-chlorid
 
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 15.6 Reaktionen der Alkohole
 
 221
 
 Die meisten Alkyloxonium-Salze sind nur in wasserfreier Lösung beständig und lassen sich nicht rein isolieren.
 
 15.6.2
 
 Alkohole als Säuren
 
 Gegenüber Alkali- und Erdalkalimetallen reagieren Alkohole als Säuren, d. h. unter Bildung von Alkoxiden (Alkanolaten oder Alkoholaten), z. B.: H3C CH2 OH
 
 +
 
 Na
 
 (H 3C)3C OH
 
 +
 
 K
 
 _ _ Na H3C CH2 OI Natriumethanolat _ _ Na (H3C)3C OI Kalium- t-butylalkoholat
 
 +
 
 1/2 H 2
 
 +
 
 1/2 H 2
 
 Alkohole sind jedoch weit schwächere Säuren als Wasser. Die Alkoxide werden daher leicht zu den Alkoholen und Hydroxid hydrolysiert. _ R OI _
 
 +
 
 R OH
 
 H2O
 
 +
 
 OH
 
 Die Acidität von Alkoholen gegenüber Alkali- und Erdalkalimetallen nimmt mit zunehmendem Alkylierungsgrad des Kohlenstoffs, der die Hydroxy-Gruppe trägt, ab, also in der Reihenfolge: H 3C OH
 
 > R CH2 OH
 
 > R 2CH OH
 
 > R3C OH
 
 Mit Methanol reagiert Kalium z. B. explosionsartig, mit t-Butylalkohol dagegen sehr träge. Ein Grund ist, daß der induktive Effekt der Alkyl-Gruppen die Elektronendichte am hydroxylierten CAtom erhöht. Hierdurch wird das Alkoxid-Anion destabilisiert. Darüberhinaus werden mit zunehmender Alkylierung des Hydroxy-substituierten C-Atoms die Reaktionen der OH-Gruppe sterisch erschwert.
 
 15.6.3
 
 Oxidation von Alkoholen
 
 Primäre Alkohole werden durch Oxidationsmittel (Permanganat MnO4− in alkalischer, Dichromat Cr2O72− in saurer Lösung) über die Aldehyde zu den Carbonsäuren oxidiert: R CH 2 OH primärer Alkohol
 
 − 2 [H+] , − 2 e0
 
 −
 
 O R C H Aldehyd
 
 + 1/2 O2
 
 O R C OH Carbonsäure
 
 Die Aldehyd-Zwischenstufe läßt sich oft durch kontinuierliches Abdestillieren aus der Reaktionslösung gewinnen. Selektive Oxidationen primärer Alkohole zu Aldehyden gelingen mit verschiedenen Reagenzien, z. B. mit Dimethylsulfoxid als Oxidationsmittel in Gegenwart von Oxalsäuredichlorid (SWERN-Oxidation, Kap. 24.8.3).
 
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 222
 
 15 Alkohole und Glykole
 
 Bei der Dehydrierung primärer Alkohole zu Aldehyden durch metallisches Kupfer bei höheren Temperaturen spielen beide Kupferoxide (Cu2O und CuO) die Rolle des Sauerstoff-Überträgers: 2 Cu
 
 +
 
 1/2 O2
 
 Cu
 
 +
 
 1/2 O2
 
 R CH2 OH
 
 +
 
 Cu2O
 
 R CH2 OH
 
 +
 
 CuO
 
 300 - 500 °C
 
 Cu2O
 
 300 - 500 °C
 
 CuO
 
 300 - 500 °C
 
 O R C H
 
 +
 
 2 Cu
 
 +
 
 H2O
 
 300 - 500 °C
 
 O R C H
 
 +
 
 Cu
 
 +
 
 H2O
 
 Sekundäre Alkohole werden zu Ketonen oxidiert: R CH OH
 
 − 2 [H+] , − 2 e0
 
 −
 
 R C O R Keton
 
 R sekundärer Alkohol
 
 Die Oxidation primärer und sekundärer Alkohole ist eine allgemeine Methode zur Darstellung von Carbonyl-Verbindungen (Kap. 20.5.1, 20.6.1).
 
 15.6.4
 
 Veresterung von Alkoholen
 
 Alkohole und Mineral- oder Carbonsäuren reagieren zu Estern, z. B.: H3C CH2 OH
 
 +
 
 Ethanol
 
 HO SO3H
 
 +
 
 HO C CH 3 Essigsäure
 
 O R OH
 
 +
 
 HO C R'
 
 Alkohol
 
 Verseifung
 
 Schwefelsäure
 
 O H3C CH2 OH
 
 Veresterung
 
 Carbonsäure
 
 Veresterung Verseifung
 
 Veresterung Verseifung
 
 O H3C CH2 O S OH
 
 +
 
 H 2O
 
 O Ethylhydrogensulfat (Schwefelsäuremonoethylester) O H3C CH2 O C CH3 Ethylacetat (Essigsäureethylester)
 
 +
 
 H 2O
 
 O R O C
 
 +
 
 H 2O
 
 R' Alkylcarboxylat (Carbonsäureester)
 
 Veresterungen sind reversibel; es stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den Estern und Wasser einerseits und den Alkoholen und Säuren andererseits ein. Durch wasserbindende Reagenzien (wie H2SO4 und P4O10) oder kontinuierliches Abdestillieren des Reaktionswassers bzw. des Esters, sofern dieser tiefer siedet als Wasser, läßt sich dieses Gleichgewicht zugunsten des Esters verschieben. Die Rückreaktion der Veresterung wird als Verseifung bezeichnet. Veresterung und Verseifung sind säurekatalysierte Reaktionen (Kap. 17.7.1). Einige Carbonsäureester riechen angenehm fruchtartig. Bedeutende Ester anorganischer Säuren sind das cancerogene Methylierungsmittel Dimethylsulfat [(H3CO)2SO2, Schwefelsäuredimethyl-
 
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 15.6 Reaktionen der Alkohole
 
 223
 
 ester], sowie das nicht korrekt als "Nitroglycerin" bezeichnete, hochexplosive, gefäßerweiternd wirkende Glyceroltrinitrat. Die farblose, ölige Flüssigkeit bildet sich bei der Veresterung des Glycerols mit konzentrierter Salpetersäure und Schwefelsäure. Kieselgel saugt Glyceroltrinitrat auf; dabei entsteht der feste, kontrolliert zündbare Sprengstoff Dynamit (NOBEL, 1867). O CH2 HO
 
 OH +
 
 CH CH2
 
 O 3 HO N O
 
 OH
 
 Glycerol
 
 (H2SO4)
 
 O
 
 − 3 H2O
 
 O
 
 CH2 N
 
 O
 
 O N
 
 CH2
 
 CH2 O O
 
 CH
 
 O2NO
 
 O N
 
 ONO2
 
 CH CH2
 
 ONO2
 
 O Glyceroltrinitrat ("Nitroglycerin", ein Ester der Salpetersäure, keine Nitroverbindung)
 
 Salpetersäure
 
 Auch mit Säurehalogeniden bilden Alkohole Ester. Die Charakterisierung von Alkoholen durch Reaktion mit 3,5-Dinitrobenzoylchlorid zu den kristallinen Alkyl-3,5-dinitrobenzoaten (Ester der 3,5-Dinitrobenzoesäure) ist ein Beispiel: NO2
 
 Cl R OH
 
 Base , − HCl
 
 C
 
 + O
 
 C O
 
 NO2 3,5-Dinitrobenzoylchlorid
 
 15.6.5
 
 NO2
 
 R O
 
 NO2 Alkyl-3,5-dinitrobenzoat
 
 Nucleophile Substitution der Hydroxy-Gruppe durch Halogen
 
 Die Reaktion von Alkoholen mit Halogenwasserstoffen kann unter nucleophiler Substitution der Hydroxy-Gruppe durch Halogenid zu Halogenalkanen führen (Kap. 13.3.10), z. B.: H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 OH 1-Pentanol
 
 +
 
 HBr
 
 OH
 
 +
 
 HBr
 
 Cyclohexanol
 
 NaBr , H2SO4 Rückfluß
 
 H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 Br 1-Brompentan
 
 HBr-Gas
 
 Br
 
 +
 
 +
 
 H2O
 
 H2O
 
 Bromcyclohexan
 
 Thionylchlorid (SOCl2) sowie Phosphortrihalogenide (PX3 , X = Cl, Br, I) eignen sich zur Überführung von Alkoholen in Halogenalkane, z. B.: 3 H3C CH2 OH
 
 +
 
 PI 3
 
 3 H3C CH2
 
 I
 
 +
 
 P(OH)3
 
 Iodethan (Ethyliodid)
 
 Die nucleophile Substitution der Hydroxy-Gruppe durch Halogenid X− (X = Cl, Br, I) verläuft über ein Carbenium-Ion, von dessen Stabilität die Reaktivität der Alkohole abhängt. Während Allyl- und Benzyl-Kationen mesomeriestabilisiert sind, kommen für eine Stabilisierung der anderen Alkyl-Kationen nur die weit schwächeren induktiven und sterischen Einflüsse in Betracht, deren Wirksamkeit mit zunehmender Alkylierung wächst. Infolgedessen nimmt die Reaktivität von Alkoholen gegen Halogenwasserstoff nach folgender Reihung ab: Allyl-, Benzyl- > tertiär > sekundär > primär
 
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 224
 
 15 Alkohole und Glykole
 
 Ist die Bildung des Carbenium-Ions infolge zu schwacher Stabilisierung erschwert, so erfolgt vorzugsweise SN2-Substitution von der Rückseite in Bezug auf die abgehende Gruppe (H2O). Nach diesem Mechanismus reagieren die meisten primären Alkohole einschließlich Methanol (nicht jedoch Allyl- und Benzylalkohol). H C O H
 
 schnell
 
 C OH
 
 +
 
 HX
 
 X
 
 +
 
 langsam
 
 Alky loxoniumhalogenid
 
 δ−
 
 X
 
 C
 
 δ+
 
 OH 2
 
 X C
 
 +
 
 H 2O
 
 Übergangszustand
 
 Ist das als Zwischenstufe auftretende Carbenium-Ion stabiler, wie es z. B. für Benzyl- und Allylalkohole sowie für tertiäre Alkohole zutrifft, so wird die Dissoziation zum geschwindigkeitsbestimmenden Schritt. Die Substitution verläuft dann nach einem SN1-Mechanismus. −
 
 − H2O langsam
 
 −X schnell
 
 C OH
 
 +
 
 HX
 
 −
 
 + X
 
 C
 
 C OH2 Oxonium-Ion
 
 C X
 
 Carbenium-Ion
 
 Führt die Abspaltung von Wasser aus einem protonierten Alkohol zu einem weniger stabilen Carbenium-Ion, so kann dieses sich unter Verschiebung einer Alkyl-Gruppe stabilisieren. Entsteht z.B. ein sekundäres Carbenium-Ion in α-Stellung zu einem quartären C-Atom, so wird sich durch 1,2-Alkyl-Verschiebung ein tertiäres, d. h. stabileres Carbenium-Ion bilden: R R C CH R
 
 R
 
 − H2O
 
 R OH 2
 
 R
 
 R C CH R
 
 R C CH R
 
 R weniger stabil
 
 R stabiler
 
 Als Folge dieser WAGNER-MEERWEIN-Umlagerung haben die durch Reaktion von Halogenwasserstoffen mit Alkoholen dargestellten Halogenalkane nicht immer die dem Ausgangs-Alkohol entsprechende Konstitution. Die nucleophile Substitution des 2,2-Dimethyl-3-hexanols durch Chlorwasserstoff führt z. B. überwiegend zu 2-Chlor-2,3-dimethylhexan: −
 
 − Cl schnell
 
 CH3 H3C C CH CH 2 CH2 CH3
 
 +
 
 HCl
 
 H3C OH
 
 CH 3 H 3C C CH CH2 CH2 CH 3 H 3C OH 2 langsam
 
 WAGNER-MEERWEINUmlagerung
 
 CH3 H3C C CH CH 2 CH2 CH3 CH3 + Cl
 
 CH 3 H 3C C CH CH2 CH2 CH 3 H 3C
 
 −
 
 CH3 H3C C CH CH 2 CH2 CH3 Cl CH3 2-Chlor-2,3-dimethylhexan
 
 − H2O
 
 + Cl
 
 −
 
 CH 3 H 3C C CH CH2 CH2 CH 3 H 3C Cl 3-Chlor-2,2-dimethylhexan
 
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 15.6 Reaktionen der Alkohole
 
 15.6.6
 
 225
 
 Dehydratisierung von Alkoholen
 
 Die Ablösung von Wasser aus einem protonierten Alkohol unter Bildung des Carbenium-Ions kann sowohl eine nucleophile Substitution als auch die Abspaltung eines β-Protons unter Bildung eines Alkens zur Folge haben. −
 
 + X , SN1 − H2O langsam
 
 + [H+]
 
 C C
 
 C C
 
 H OH
 
 H OH2
 
 C C H X Halogenalkan
 
 C C H
 
 − [H+] , E1
 
 C C Alken
 
 Dementsprechend ergibt 2-Methyl-2-propanol (t-Butylalkohol) bei der Reaktion mit Bromwasserstoff neben 2-Brom-2-methylpropan (t-Butylbromid) bevorzugt Methylpropen (Isobutylen), insbesondere bei höheren Temperaturen: −
 
 + X , SN1
 
 H 3C H3C C OH H3C
 
 + [H+]
 
 H 3C H3C C OH 2 H3C
 
 − H2O langsam
 
 H 3C CH 3
 
 H3C H 3C C Br H 3C
 
 C − [H+] , E1
 
 CH3
 
 H3C C CH2 H3C
 
 Da die Bildung des Carbenium-Ions durch Ablösung von Wasser aus einem Molekül des protonierten Alkohols die Geschwindigkeit der Dehydratisierung bestimmt, zumindest bei tertiären und manchen sekundären Alkoholen, spricht man von einer monomolekularen β-Eliminierung (E1Reaktion, Kap. 5.2.1). Tab. 15.2. Dehydratisierungstendenz von Alkoholen Alkohol
 
 CH CH 3 OH CH 3 H 3C C OH CH 3 H3C CH2 CH CH 3 OH H3C CH2 CH 2 CH2 OH
 
 Carbenium-Ion CH 3 C H CH 3 H 3C C CH 3 H3C CH2 C
 
 CH 3
 
 relative Stabilität
 
 Bildungstendenz
 
 groß
 
 groß
 
 mittel
 
 mittel
 
 geringer
 
 klein
 
 sehr gering
 
 sehr klein
 
 H H H3C CH2 CH 2 C H
 
 Alken
 
 CH CH 2
 
 CH 3 H 2C C CH 3 H 3C
 
 Dehydratisierungsbedingungen 90 °C 20 % H2SO4
 
 90 °C 20 % H2SO4
 
 H C C CH3 H
 
 100 °C 60 % H2SO4
 
 H 3C CH 2 CH CH 2
 
 170 °C 90 % H2SO4
 
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 226
 
 15 Alkohole und Glykole
 
 Die Dehydratisierungstendenz der Alkohole nimmt mit zunehmender Stabilität der nach Ablösung von H2O entstehenden Carbokationen zu (primär < sekundär < tertiär < Benzyl-, Allyl-), wie Tab. 15.2 zeigt. Kann die Eliminierung eines β-Protons aus einem Carbenium-Ion von zwei C-Atomen ausgehen, so wird die Orientierung bevorzugt, bei welcher das stabilere Alken entsteht. Stabiler sind höher alkylierte Alkene (SAYTZEFF-Regel, Kap. 5.2.2) oder im Falle von Dienen und Phenylalkenen die konjugierten Verbindungen: +
 
 +
 
 − [H ]
 
 + [H ]
 
 H3C CH2 CH CH 3 OH 2-Butanol
 
 − H2O
 
 H3C CH2 CH CH 3
 
 H3C CH CH CH3 2-Buten ( E + Z ) höher alkyliert (Hauptprodukt)
 
 − [H ]
 
 CH2 CH CH3
 
 − H2O
 
 OH
 
 H3C CH2 CH CH 2 1-Buten
 
 +
 
 + [H+]
 
 CH2 CH CH3
 
 +
 
 CH CH CH3
 
 +
 
 CH2 CH CH2
 
 1-Propenylbenzen ( E + Z ) konjugiert (Hauptprodukt)
 
 1-Phenyl-2-propanol
 
 2-Propenylbenzen (Allylbenzen)
 
 Schließlich eliminiert das β-Proton bevorzugt aus dem stabilsten Carbenium-Ion. Führt die Dehydratisierung des protonierten Alkohols zunächst zu einem weniger stabilen Carbenium-Ion, so kann dieses sich unter 1,2-Verschiebung einer Alkyl-Gruppe stabilisieren:
 
 R
 
 + [H+]
 
 R C CH R R OH
 
 − H2O
 
 1,2-Alkyl-Verschiebung (WAGNER-MEERWEINUmlagerung)
 
 R
 
 o
 
 R C CH R
 
 R
 
 − [H+]
 
 R C CH R R stabiler
 
 R weniger stabil
 
 R
 
 R C C R R
 
 Diese als WAGNER-MEERWEIN-Umlagerung bekannte 1,2-Alkyl-Verschiebung bei der Dehydratisierung von Alkoholen spielt besonders bei Cycloalkanolen eine Rolle, z. B.:
 
 OH H
 
 + [H+]
 
 CH3
 
 CH3 2,2-Dimethylcyclohexanol
 
 − H2O
 
 CH3 H CH 3
 
 1,2-Methyl-Verschiebung (WAGNER-MEERWEINUmlagerung)
 
 o
 
 H
 
 − [H+]
 
 CH 3 CH 3
 
 CH3
 
 CH3
 
 1,2-Dimethylcyclohexen
 
 Die säurekatalysierte Dehydratisierung von Alkoholen ist eine bewährte Methode zur Synthese von Alkenen (Kap. 4.4.3).
 
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 15.7 Glykolspezifische Reaktionen
 
 227
 
 15.7 Glykolspezifische Reaktionen 15.7.1
 
 Glykol-Spaltung
 
 Die Bindung zwischen den hydroxylierten C-Atomen eines 1,2-Diols kann oxidativ unter Bildung von zwei Carbonyl-Verbindungen gespalten werden, entweder mit Periodsäure, HIO4, (MALAPRADE-Spaltung) oder mit Bleitetraacetat (CRIEGEE-Spaltung): R' R"
 
 C
 
 R
 
 HO OH 1,2-Diol
 
 R"
 
 R'
 
 HI O4 oder (CH3CO2) 4Pb
 
 R C C R*
 
 +
 
 O
 
 O
 
 C
 
 R*
 
 Carbonyl-Verbindungen
 
 Da cis-Glykole leichter gespalten werden als die trans-Isomeren, verläuft die Glykol-Spaltung wahrscheinlich über cyclische Zwischenstufen (cyclische Periodate und Blei(IV)-diolat-diacetat): O O
 
 O IO3H
 
 Pb 2
 
 O
 
 2 CH 3CO2
 
 Die Spaltung eines Glykols mit Bleitetraacetat könnte demnach in drei Schritten ablaufen: C OH
 
 +
 
 C OH
 
 2
 
 Pb(O2C CH 3)4
 
 C O
 
 − CH3CO2H
 
 − Pb (CH3CO2) 2
 
 C O
 
 − CH3CO2H
 
 C O Pb (O2C CH 3)3
 
 C O
 
 C OH
 
 Pb (O2C CH3)2
 
 Bekanntlich bilden sich Glykole durch Dihydroxylierung von Alkenen (Kap. 4.5.7, 4.5.8), entweder mit Permanganat bzw. Osmiumtetroxid, oder über Oxirane. Daher ermöglichen die bei der Glykol-Spaltung entstehenden Carbonyl-Verbindungen nicht nur Rückschlüsse auf die Konstitution des gespaltenen Glykols, sondern auch des hydroxylierten Alkens, z. B.: H 3C H 2C
 
 CH 3 C C
 
 H
 
 CH 2 CH3
 
 a
 
 H CH3 H3C CH2 C C CH2 CH 3 HO OH
 
 trans-3-Methyl-3-hexen a : Dihydroxylierung
 
 b : Glykol-Spaltung
 
 b
 
 H C O H3C CH2 Propanal (Propionaldehyd)
 
 +
 
 CH 3 O C CH 2 CH3 2-Butanon (Ethylmethylketon)
 
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 228
 
 15 Alkohole und Glykole
 
 15.7.2
 
 Pinakol-Dehydratisierung und Umlagerung
 
 Tertiäre 1,2-Diole, die Pinakole (Kap. 15.5.3), werden in Gegenwart von Säuren unter 1,2-AlkylVerschiebung zu Ketonen dehydratisiert: H3C CH 3
 
 + [H+]
 
 H 3C C C CH 3 HO OH 2,3-Dimethyl-2,3-butandiol (Pinakol) CH3
 
 − H2O
 
 C C CH 3 O CH 3 3,3-Dimethyl-2-butanon (Pinakolon, t-Butylmethylketon) O
 
 + [H+]
 
 CH3 HOOH
 
 CH 3
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 − H2O
 
 CH 3
 
 1,2-Dimethyl1,2-cyclohexandiol
 
 2,2-Dimethylcyclohexanon
 
 Die Pinakol-Umlagerung beginnt mit der Protonierung einer Hydroxy-Gruppe. Das nach Abspaltung von Wasser erzeugte Carbenium-Ion lagert sich unter anionotroper 1,2-Alkyl-Verschiebung zu einem protonierten Keton um. Die 1,2-Alkyl-Verschiebung selbst verläuft nicht unter Bildung eines "freien" Alkyl-Kations, sondern über einen Zwischenzustand, bei dem sich die positive Ladung des Carbenium-Ions auf alle an der Umlagerung beteiligten Atome verteilt.
 
 R OH R C C R HO R
 
 + [H+]
 
 R OH2 R C C R HO R
 
 − H2O
 
 R R C C R
 
 o
 
 HO R R R C C R HO R
 
 R
 
 − [H+]
 
 R
 
 HO R
 
 R C C R
 
 R C C R O
 
 R
 
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 16.1 Nomenklatur der Ether
 
 229
 
 16 Ether 16.1 Nomenklatur der Ether Die allgemeine Formel der Ether ist R−O−R´. Dabei unterscheidet man zwischen aliphatischen Ethern (R = Alkyl) und den Phenolethern (R = Aryl, R´ = Alkyl oder R = R´ = Aryl). Nach IUPAC benennt man Ether als Alkoxy- oder Aryloxy-Derivate der Alkane, z. B.: H3C CH2 CH O CH 3 CH3
 
 2-Methoxybutan
 
 O CH CH2 CH 3 3-Phenoxypentan CH 2 CH3
 
 Die Trivialnamen beginnen mit den Bezeichnungen der am Sauerstoff gebundenen Alkyl- oder Aryl-Gruppen in der Reihenfolge zunehmender Größe und schließen mit der Endung ..."ether". H3C CH O CH 3 CH3
 
 Methyl-i-propylether (Methylisopropylether)
 
 O CH 2 CH3
 
 Ethylphenylether (Phenetol)
 
 In cyclischen Ethern (Sauerstoff-Heteroalicyclen) schließen sich die Reste R zum Ring. Sie leiten sich formal von den Cycloalkanen ab und werden als Oxiran, Oxetan, Tetrahydrofuran (THF), Tetrahydropyran (THP), Oxepan oder Polymethylenoxide bezeichnet. Oxirane werden auch Epoxide genannt. 2H- und 4H- kennzeichnen im Pyran die Position der Ring-Methylen-Gruppe. 3,4Dihydro-2H-pyran ist ein cyclischer Enolether, 5,6-Dihydro-2H-pyran ein cyclischer Allylether.
 
 Oxiran (Ethylenoxid)
 
 Oxetan (Trimethylenoxid)
 
 O
 
 Tetrahydrofuran (Tetramethylenoxid)
 
 Tetrahydropyran (Pentamethylenoxid)
 
 1 4
 
 1
 
 2 3
 
 4
 
 2H-Pyran
 
 Oxepan (Hexamethylenoxid)
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 1
 
 2 3
 
 4
 
 4H-Pyran
 
 O 1
 
 2 3
 
 3,4-Dihydro-2H-pyran
 
 4
 
 2 3
 
 5,6-Dihydro-2H-pyran
 
 Ersetzt man im Cyclohexan zwei Methylen-Gruppen durch Sauerstoff, so ergeben sich formal die drei isomeren Dioxane. Vom cyclischen Bis-enolether 1,4-Dioxin leitet sich Dibenzo[b,e]1,4-dioxin ab, Stammverbindung des Seveso-Gifts (Kap. 11.3.2). O
 
 O
 
 O O
 
 1,2-Dioxan
 
 1,3-Dioxan
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O 1,4-Dioxan
 
 O 1,4-Dioxin
 
 O Dibenzo[b,e]1,4-dioxin
 
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 230
 
 16 Ether
 
 16.2 Struktur und physikalische Eigenschaften Wie Alkohole sind die Ether gewinkelte Moleküle und zeigen Dipolmomente (Kap. 1.10.2) von 1.2 bis 1.3 Debye. Der C−O−C-Bindungswinkel in den Ethern ist 110° und damit gegenüber dem C−O−H-Winkel der Alkohole (107°, Abb. 15.1, Kap. 15.3) etwas aufgespreizt. Abb. 16.1 zeigt Molekülmodelle des Dimethylethers im Vergleich zum konstitutions- und funktionsisomeren Ethanol.
 
 Abb. 16.1. Stab- und Kalottenmodell des Dimethylethers (links) und des konstitutions- und funktionsisomeren Ethanols (Kohlenstoff : schwarz; Sauerstoff : rot; Wasserstoff : weiß)
 
 Die niedermolekularen Ether sind sehr flüchtig (Siedepunkt des Dimethylethers: − 24 °C bei 1011 mbar) und sieden erheblich tiefer als Alkohole vergleichbarer molarer Massen (Siedepunkt des Ethanols: 78.2 °C bei 1011 mbar), da sie keine Wasserstoffbrücken bilden können. Infolge schwacher Dipol-Dipol-Wechselwirkung liegen die Siedepunkte der Ether jedoch geringfügig höher als jene vergleichbarer Alkane. Ether lösen sich kaum in Wasser, jedoch sehr gut in Alkoholen und unpolaren organischen Medien. Sie sind selbst vorzügliche Lösemittel und dienen daher oft zum Extrahieren organischer Verbindungen aus festen Substanzgemischen oder wäßrigen Lösungen (Ausethern). Untereinander können Ether gleicher Summenformel eine spezielle Art der Konstitutionsisomerie aufweisen. Diese sog. Metamerie rührt daher, daß bei gleicher Summenformel verschiedene Alkyl-Gruppen mit dem Ethersauerstoff verknüpft sein können. Für die Summenformel C4H10O können z. B. drei Metamere formuliert werden, nämlich Diethylether, Methyl-n-propylether und Methyl-i-propylether: CH 2 CH3 Diethylether O CH 2 CH3
 
 CH 3 Methyl-n-propylether O CH 2 CH2 CH3
 
 CH 3 Methyl-i-propylether O CH CH3 H 3C
 
 Diese drei Metamere sind ihrerseits Konstitutionsisomere der vier Butanole (1-Butanol, 2-Methylpropanol, 2-Butanol, 2-Methyl-2-propanol).
 
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 16.3 Darstellung
 
 231
 
 16.3 Darstellung 16.3.1
 
 Bimolekulare Dehydratisierung von Alkoholen
 
 Die säurekatalysierte, bimolekulare Dehydratisierung von Alkoholen ist eine auch industriell genutzte Methode zur Darstellung symmetrischer Ether. Als Dehydratisierungsmittel werden u. a. Schwefelsäure und Hydrogensulfate, Bor-, Phosphor- sowie Arsensäure eingesetzt. Bei der Darstellung von Diethylether und Divinylether über β,β'-Dichlordiethylether verwendet man z. B. Schwefelsäure. Diethylether und einige andere Ether werden in technischem Maßstab hergestellt, indem die Alkohol-Dämpfe über heiße Metalloxid-Katalysatoren (Aluminiumoxid, Titandioxid, 200 °C) geleitet werden. 2 H 3C CH 2 OH
 
 2 Cl
 
 CH2 CH2 OH 2-Chlorethanol
 
 H2SO4 , 140 °C
 
 H3C CH2 O CH 2 CH 3 Diethylether
 
 − H2O
 
 H2SO4 , 140 °C − H2O
 
 Cl
 
 (mit Ethen als Nebenprodukt)
 
 CH2 CH2 O CH 2 CH 2 Cl β,β´-Dichlordiethylether
 
 KOH
 
 H2C CH O CH CH2 Divinylether
 
 − 2 HCl
 
 Primärschritt der Dehydratisierung ist ein Protonierungsgleichgewicht: R OH
 
 +
 
 [H ]
 
 R OH2
 
 Bei primären Alkoholen greift dann ein zweites Alkohol-Molekül nucleophil nach einem SN2Mechanismus an: SN2
 
 _ R O _
 
 +
 
 R R O H
 
 R OH _ 2 − H2O
 
 H
 
 R R O
 
 − [H+]
 
 Dagegen neigen protonierte sekundäre und tertiäre Alkohole eher zur Wasserabspaltung unter Bildung von Carbenium-Ionen. Diese deprotonieren dann zu einem Alken, oder ein zweites Alkohol-Molekül addiert nucleophil, aber nun nach einem SN1-Mechanismus: R'
 
 CH 2 CH OH2
 
 R'
 
 − H2O
 
 H
 
 CH2 C H
 
 R
 
 − [H+]
 
 R' C C R
 
 R
 
 Alken
 
 H H
 
 + I OI R*
 
 R'
 
 CH2
 
 H CH O R R*
 
 − [H+]
 
 R'
 
 CH 2 R
 
 Ether CH O R*
 
 Infolgedessen konkurrieren insbesondere bei der Dehydratisierung sekundärer Alkohole Alkenund Ether-Bildung; tertiäre Alkohole dehydratisieren überwiegend zu Alkenen.
 
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 232
 
 16 Ether
 
 16.3.2
 
 Nucleophile Substitution von Halogenalkanen durch Alkoholate und Phenolate (WILLIAMSON-Synthese)
 
 Ein allgemeiner Weg zu aliphatischen, gemischt aliphatisch-aromatischen und aromatischen Ethern ist die als WILLIAMSON-Synthese bekannte nucleophile Substitution des Halogens in Halogenalkanen (oder Alkylhydrogensulfat in Dialkylsulfaten) durch Alkoholate (R = Alkyl) und Phenolate (R = Aryl): _ _ R OI
 
 Na
 
 δ− δ+
 
 +
 
 R O R'
 
 X R'
 
 +
 
 Na X
 
 X = Cl , Br , I , −O−SO2−OR'
 
 Diese nucleophile Substitution geht am besten mit den Alkoholaten aus sekundären sowie tertiären Alkoholen und mit primären Halogenalkanen (−CH2−X, H3C−X), wobei die Iod- und Bromalkane am reaktivsten sind (I > Br >> F). Beispiele sind die Darstellung des Methyl-i-propylethers aus Natrium-i-propanolat und Methyliodid sowie die industrielle Herstellung des 1,4-Dioxans aus Oxiran und 2-Chlorethanol (Ethylenchlorhydrin) durch intramolekulare WILLIAMSON-Synthese. _ Na (H 3C)2CH OI _ Natrium- i-propanolat
 
 +
 
 (CH3)2CH O CH3 Methyl-i-propylether
 
 I CH 3
 
 O + O Oxiran
 
 OH
 
 NaI O
 
 + NaOH
 
 HO CH2 CH 2 Cl 2-Chlorethanol (Ethylenchlorhydrin)
 
 +
 
 Cl
 
 −NaCl , − H2O
 
 O 1,4-Dioxan
 
 Sekundäre und tertiäre Halogenalkane eignen sich weniger zur Alkylierung der Alkoholate, da diese als Basen die Halogenalkane zu Alkenen dehydrohalogenieren: H3C CH CH 3
 
 +
 
 H3C CH CH 2
 
 C 2H5O Na
 
 +
 
 C2H 5OH
 
 +
 
 Na X
 
 Br
 
 Die Synthese von Phenolethern aus Phenolen verläuft in alkalischen Lösungen sowohl mit primären Halogenalkanen als auch mit Dialkylsulfaten (Schwefelsäuredialkylestern): OH
 
 + NaOH , − H2O
 
 O Na
 
 Phenol
 
 + CH3 I , − Na I
 
 oder
 
 O
 
 + (H3CO) 2SO2 , − CH3OSO3 Na
 
 Natriumphenolat
 
 CH3
 
 Methylphenylether (Anisol)
 
 Die Darstellung von Diarylethern nach WILLIAMSON aus Arylhalogeniden und Phenolaten gelingt nur in mäßigen Ausbeuten unter schärferen Bedingungen und bei Gegenwart von Katalysatoren: O K
 
 +
 
 Br
 
 Cu , 220 °C , Druck
 
 O
 
 Diphenylether
 
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 16.3 Darstellung
 
 233
 
 Die Reaktion unsymmetrisch substituierter Hydrochinone mit ω,ω'-Dibromalkanen [X−(CH2)n−X , n > 8] in alkalischer Lösung führt zu atropisomeren (Kap. 18.6.2) Hydrochinonpolymethylenethern, sog. Ansa-Verbindungen (lat. ansa = Griff, Henkel):
 
 CH 3 HO
 
 OH
 
 CH 3 +
 
 Br
 
 + 2 NaOH
 
 (CH 2)12 Br
 
 − NaBr , − 2 H 2O
 
 CH3
 
 Br O Na
 
 O
 
 CH 2 CH3 2-Ethyl-6-methyl1,12-Dibromdodecan hydrochinon
 
 − NaBr
 
 CH 2 CH3
 
 O
 
 O
 
 CH 2 CH 3 2-Ethyl-6-methylhydrochinondodecamethylenether
 
 Der zweite Schritt dieser Reaktion ist eine intramolekulare WILLIAMSON-Synthese. Er muß in verdünnter Lösung durchgeführt werden, um intermolekulare Reaktionen möglichst weitgehend zu unterdrücken (RUGGLI-ZIEGLER-Verdünnungsprinzip). Zur Synthese cyclischer, vor allem makrocyclischer Ether hat sich die intramolekulare MITSUNOBU-Reaktion von Diolen bewährt (Kap. 23.4.2, 32.3.1).
 
 16.3.3
 
 Veretherung von Halogenalkanen mit Silbercarbonat
 
 Die Veretherung von Halogenalkanen mit Silbercarbonat oder Silberoxid bewährt sich besonders zur Darstellung von Ethern mit sekundären und tertiären Alkyl-Gruppen, z. B.: CH3 2 H3C C Cl
 
 CH3 +
 
 CH3
 
 H3C C O C CH3
 
 Ag2CO3
 
 CH3
 
 CH3
 
 +
 
 2 AgCl
 
 +
 
 CO2
 
 CH3
 
 Di-t-butylether
 
 16.3.4
 
 O-Methylierung von Alkoholen und Phenolen durch Diazomethan
 
 Primäre und sekundäre Alkohole können durch Diazomethan in Gegenwart von Tetrafluorborsäure oder Bortrifluoridetherat O-methyliert werden, z. B.: OH
 
 +
 
 CH 2N2
 
 − HBF4 oder F3B +O(C2H5) 2
 
 O CH 3 Methoxycyclohexan
 
 Cyclohexanol
 
 +
 
 N2
 
 BF3-Katalysatoren acidifizieren dabei die OH-Gruppe der Alkohole. Dies erübrigt sich bei den im Vergleich zu Alkoholen stärker saueren Phenolen, die in etherischer Lösung spontan mit Diazomethan zu den Arylmethylethern reagieren: OH + Phenol
 
 CH2N 2
 
 Diethylether
 
 O
 
 CH3
 
 +
 
 N2
 
 Anisol
 
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 234
 
 16 Ether
 
 16.3.5
 
 Synthesen von Ethern mit GRIGNARD-Verbindungen
 
 α-Halogenether lassen sich mit Hilfe von Alkylmagnesiumhalogeniden homologisieren, z. B.: CH 2 Br H 3C CH2 CH 2 O Brommethyl-n-propylether
 
 +
 
 Br Mg CH 2 CH 2 CH 3
 
 − MgBr 2
 
 CH 2 CH 2 CH 2 CH 3 H 3C CH 2 CH 2 O n-Butyl-n-propylether
 
 t-Butylperbenzoat reagiert mit Alkyl- oder Arylmagnesiumhalogeniden zu den entsprechenden t-Butylethern, z. B.:
 
 C
 
 O
 
 O
 
 C(CH3)3
 
 C(CH 3)3
 
 C
 
 O + Br Mg
 
 O
 
 +
 
 O
 
 OMgBr
 
 t-Butylphenylether
 
 + H2O
 
 CO2H
 
 16.3.6
 
 Mg2
 
 +
 
 +
 
 OH
 
 +
 
 Br
 
 Alkenylether durch Addition von Alkoholen an Alkine
 
 Vinylether werden durch Addition von Alkoholen an Alkine unter Druck in Gegenwart von Alkoholaten als Katalysatoren dargestellt, z. B.: H C C H
 
 16.3.7
 
 +
 
 HOCH 3
 
 CH3O Na , Druck
 
 CH 3 H2C CH O Methylvinylether , ein Enolether
 
 Enolether durch Eliminierung von Alkohol aus Acetalen
 
 Acetale gehen beim Erhitzen in Gegenwart von Katalysatoren (Phosphorsäure, Pt-Asbest) unter Abspaltung eines Äquivalents Alkohol in Enolether über, z. B.: O CH 2 CH 3 H 3C CH 2 CH 2 CH
 
 H3PO4 , Rückfluß , − C2H5OH
 
 O CH 2 CH 3 Butanaldiethylacetal
 
 CH2 CH 3 H3C CH2 CH CH O Ethyl-1-butenylether ( E + Z )
 
 β-Halogenacetale eliminieren zunächst ein Äquivalent Alkohol, dann in alkalischem Medium ein
 
 Äquivalent Halogenwasserstoff. Dabei entstehen die reaktiven Ethinylether: Br
 
 CH 2 CH(OC2H 5)2 Bromacetaldehyddiethylacetal
 
 H3PO4 , Rückfluß , − C2H5OH
 
 Br CH CH OC2H 5 2-Bromvinylethylether
 
 KOH , − HBr
 
 H C C OC2H 5 Ethinylethylether (Ethoxyethin)
 
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 16.4 Darstellung von Epoxiden (Oxiranen)
 
 235
 
 16.4 Darstellung von Epoxiden (Oxiranen) 16.4.1
 
 Katalytische Oxidation von Alkenen
 
 Einige Alkene, z. B. Ethen, lassen sich durch Sauerstoff am Silberkontakt in Epoxide überführen: Ag , 260-290 °C
 
 2 H2C CH2
 
 16.4.2
 
 +
 
 O2
 
 2
 
 O Oxiran (Ethylenoxid)
 
 Eliminierung von Halogenwasserstoff aus Halohydrinen
 
 Halohydrine (Kap. 15.5.2) spalten in wäßrig-alkalischer Lösung Halogenwasserstoff ab, so daß Oxirane entstehen: X R CH CH R' OH Halohydrin ( X = Cl , Br )
 
 16.4.3
 
 R
 
 + NaOH
 
 R' O
 
 − Na X , − H2O
 
 substituiertes Oxiran
 
 Epoxidation von Alkenen mit Peroxycarbonsäuren
 
 Die allgemeinste Methode zur Darstellung von Epoxiden ist die Reaktion von Alkenen mit Peroxysäuren, z. B. Peroxybenzoesäure oder m-Chlorperoxybenzoesäure (PRILEZHAEV-Epoxidation). Nach dem "Butterfly-Mechanismus" addiert das elektrophile Peroxy-O-Atom der Persäure über einen spirocycischen Übergangszustand an die π-Bindung, während die Carbonyl-Gruppe das OHProton übernimmt. Die relative Konfiguration des Alkens bleibt im Oxiran erhalten. C C
 
 O +
 
 O H
 
 C
 
 R
 
 C C
 
 O
 
 O O H
 
 R C
 
 C
 
 O
 
 C
 
 O +
 
 O
 
 H
 
 subst. Oxiran (trans- oder cis-)
 
 Alken Peroxycarbonsäure (E oder Z)
 
 C
 
 R
 
 O
 
 Carbonsäure
 
 16.5 Reaktionen 16.5.1
 
 Bildung von Oxonium-Verbindungen
 
 Infolge der Elektronenpaare am Ether-Sauerstoff sind die Ether Elektronenpaar-Donoren, d. h. LEWIS-Basen. Sie reagieren daher mit Protonen und LEWIS-Säuren wie BF3 zu Oxonium-Salzen: R
 
 R O R
 
 +
 
 HCl
 
 R
 
 R O _ H Cl
 
 R Dialkyloxonium-chlorid
 
 O R
 
 +
 
 BF 3
 
 O _ BF 3 R Bortrifluorid-etherat
 
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 236
 
 16 Ether
 
 Die Oxonium-Salze können ein Alkohol-Molekül (als Abgangsgruppe) abspalten und sind insofern Vorstufen von Alkyl-Kationen: R _ H O
 
 R
 
 O H
 
 + R
 
 R
 
 Die Donoreigenschaften des Ether-O-Atoms sind auch der Grund für die Bildung von Komplexen zwischen Ethern und GRIGNARD-Verbindungen, die sich ihrerseits sehr gut in Ethern lösen: R'
 
 R O R
 
 16.5.2
 
 Mg X
 
 R O R
 
 Autoxidation
 
 Unter Lichteinwirkung reagieren die Ether mit Luftsauerstoff, der als Biradikal ("Triplett-Sauerstoff") vorliegt, zu Etherhydroperoxiden: R O C H
 
 _ _ _ O _ O
 
 +
 
 R O C O OH Etherhydroperoxid
 
 Etherhydroperoxide sind entweder selbst explosiv, oder sie lagern sich zu hochexplosiven Produkten um. Die Peroxid-Bildung und damit die Explosionsgefahr läßt sich vermeiden, indem man die Ether über Reduktionsmitteln (Na-Amalgam, Zn, Fe2+) aufbewahrt.
 
 16.5.3
 
 Ether-Spaltung
 
 Die Einwirkung starker Säuren führt zur Spaltung der Ether. Zur gezielten Spaltung von Ethern verwendet man meist HBr oder HI: R O R'
 
 + HX ( X = Br , I )
 
 R'
 
 X
 
 +
 
 R OH
 
 + HX
 
 R'
 
 X
 
 +
 
 R X
 
 +
 
 H 2O
 
 Auf dieser Ether-Spaltung beruhte die quantitative Bestimmung der Methoxy-Gruppen (z. B. in Naturstoffen) nach ZEISEL: Der Methylether wurde durch Iodwasserstoffsäure gespalten und die dabei entstehende Menge Iodmethan gemessen. R O CH3
 
 +
 
 Rückfluß
 
 HI
 
 R OH
 
 +
 
 CH3
 
 I
 
 Erster Schritt der Ether-Spaltung ist die Bildung des Dialkyloxonium-Salzes: R
 
 R O R
 
 +
 
 O _ H X
 
 HX R
 
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 16.5 Reaktionen
 
 237
 
 Dieses spaltet ein Äquivalent Alkohol ab und geht mit dem Halogenid-Anion unter nucleophiler Substitution in das Halogenalkan über, bei Ethern mit tertiären Alkyl-Gruppen vorwiegend nach einem SN1-, bei Ethern mit primären Alkyl-Gruppen vorwiegend nach einem SN2-Mechanismus: H
 
 SN1 , − ROH
 
 O _ R R
 
 R
 
 −
 
 −
 
 +X
 
 H O R
 
 +X
 
 SN2 , − ROH
 
 R X
 
 X R
 
 Der entstehende Alkohol wird meist ebenfalls in das Halogenalkan übergeführt. Eine weitere Folgereaktion der Ether-Spaltung ist die β-Eliminierung zum Alken, insbesondere bei Ethern mit tertiären Alkyl-Gruppen. 1,4-Dichlorbutan als vielseitiges, bifunktionelles Synthese-Edukt wird industriell durch EtherSpaltung des Tetrahydrofurans mit Chlorwasserstoff hergestellt: O
 
 + HCl
 
 HO
 
 Tetrahydrofuran
 
 Cl
 
 + HCl
 
 Cl
 
 4-Chlorbutanol
 
 CH2 CH2 CH 2 CH 2 Cl 1,4-Dichlorbutan
 
 Außer den Halogenwasserstoffsäuren können auch LEWIS-Säuren (BF3, BCl3, BBr3, AlCl3) sowie Triphenyldibromphosphoran [(C6H5)3PBr2] und Pyridinium-chlorid als Reagenzien zur Etherspaltung verwendet werden. N H Cl
 
 16.5.4
 
 Pyridinium-chlorid
 
 Ether-Umlagerungen
 
 Allylalkenylether lagern sich beim Erhitzen in γ,δ-ungesättigte Aldehyde oder Ketone um. Diese zu den [3,3]-sigmatropen Verschiebungen (Kap. 26.5.2, 27.4) gehörende Oxa-COPE-Umlagerung vollzieht sich als CLAISEN-Umlagerung mit Allylphenylethern, wobei das zunächst durch konzertierte (in einem Schritt ablaufende) Verschiebung von σ- und π-Bindungen entstehende Keton als Übergangszustand zum o-Allylphenol rearomatisiert, so daß die Allyl-Gruppe vom Phenoxy-Ozum ortho-C-Atom wandert. R
 
 O
 
 R
 
 Allylalkenylether
 
 CLAISEN Umlagerung
 
 O
 
 o
 
 Oxa-COPE -
 
 O
 
 γ,δ-ungesättigter Aldehyd (R = H) γ,δ-ungesättigtes Keton (R = Alkyl)
 
 O
 
 langsam
 
 o
 
 Allylphenylether
 
 H
 
 Übergangszustand
 
 schnell
 
 OH
 
 o-Allylphenol
 
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 238
 
 16 Ether
 
 Phenolether mit gesättigten O-Alkyl-Gruppen lagern in Analogie zu den O-Acylphenolen (Kap. 21.6.2) bei Gegenwart von LEWIS-Säuren wie AlCl3 zu den p-Alkylphenolen um: R O
 
 AlCl3
 
 R
 
 Alkylphenylether
 
 OH
 
 z. B. R =
 
 CH 2 CH2 CH2 CH 3
 
 p-Alkylphenol
 
 Die WITTIG-Umlagerung von Ethern in Gegenwart sehr starker Basen wie Alkyllithium führt unter 1,2-Verschiebung einer O-Alkyl-Gruppe (vom O- zum C-Atom) zu Alkoholaten: R CH 2 O R'
 
 +
 
 R' _ _ R CH OI
 
 R*Li
 
 Alkylether
 
 Li
 
 +
 
 R* OH
 
 Alkoholat
 
 Mehrere Mechanismen werden diskutiert. So könnte sich das bei der Einwirkung starker Basen entstehende Carbanion durch nucleophilen Angriff an der O-Alkyl-Gruppe unter Bildung eines Alkoxid-Anions stabilisieren. Substituenten, welche wie die Phenyl-Gruppe (R = C6H5) die negative Ladung des intermediären Carbanions durch Mesomerie verteilen, erleichtern die Reaktion. R CH O R' H
 
 − [H+]
 
 R CH _ O R'
 
 _ R CH OI _
 
 o
 
 R'
 
 16.6 Ether als Schutzgruppen Bei der Synthese organischer Verbindungen ist häufig ein Schutz der alkoholischen OH-Gruppe notwendig. Hierzu kann man die Alkohole verethern; jedoch muß nach der Reaktion, für welche ein Schutz der OH-Gruppe erforderlich ist, der Ether auch möglichst leicht und ohne Nebenreaktionen spaltbar sein. Als Schutzgruppen für die OH-Funktion haben sich außer den bereits besprochenen Methylethern die Benzyl-, Trityl- und Trimethylsilylether bewährt, die meist durch Varianten der WILLIAMSON-Synthese dargestellt werden und durch Hydrierung oder Hydrolyse spaltbar sind. Bildung R O Na
 
 +
 
 Cl CH2 C 6H5
 
 − NaCl
 
 Benzylchlorid
 
 R OH
 
 +
 
 Cl C(C6H 5)3 Chlortriphenylmethan
 
 R OH
 
 +
 
 Cl Si(CH3)3 Chlortrimethylsilan
 
 Spaltung R O CH 2 C 6H5
 
 + H2 / Pt
 
 R OH
 
 +
 
 Benzylether Pyridin − HCl
 
 Triethylamin − HCl
 
 R O C(C6H 5)3
 
 Toluen + H2O
 
 R OH
 
 +
 
 Tritylether
 
 R O Si(CH 3)3 Trimethylsilylether
 
 H 3C C6H 5
 
 HO C(C6H 5)3 Triphenylcarbinol
 
 + H2O
 
 R OH
 
 +
 
 HO Si(CH3)3 Trimethylsilanol
 
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 Methylvinylether und Ethylenoxid
 
 239
 
 16.7 Methylvinylether und Ethylenoxid als Schlüsseledukte der organischen Synthese Methoxyethen (Methylvinylether) und Oxiran (Ethylenoxid) sind Ausgangsprodukte zur Herstellung zahlreicher technisch bedeutender organischer Verbindungen. Viele wichtige Lösemittel sowie einige Monomere für Polymere sind aus diesen Schlüsselverbindungen zugänglich, wie die folgenden Beispiele (ohne stöchiometrisch korrekte Formulierung der Gleichungen) zeigen sollen.
 
 16.7.1
 
 Synthesen mit Methylvinylether OR
 
 + ROH
 
 H 3C O CH CH3
 
 + H2O
 
 Acetaldehydalkylmethylacetal
 
 H3C O
 
 + X2
 
 X
 
 O H3C O CH2 CH 2 O C
 
 16.7.2
 
 + HX
 
 CH CH 2
 
 α,β-Dihalogenether
 
 O-Acylglykolmethylether
 
 O H3C C H
 
 +
 
 Acetaldehyd
 
 X H3C O CH CH 2
 
 H3C OH
 
 + R CO2 H
 
 H3C O CH2 CH 2
 
 X
 
 β-Halogenether
 
 Polymerisation
 
 OCH3 (
 
 R
 
 )n
 
 CH CH2
 
 Polymethoxyethen
 
 Synthesen mit Oxiran (Ethylenoxid) RO CH2 CH2 OH
 
 + ROH
 
 + H 2O
 
 HO CH2 CH2 OH
 
 Glykolmonoalkylether
 
 Ethandiol (Glykol) + H2 S
 
 HS CH2 CH2 OH Mercaptoethanol
 
 H2N CH2 CH2 OH
 
 + HCl
 
 HO CH2 CH2 Cl Ethylenchlorhydrin
 
 O + NH 3
 
 + HCN
 
 N C CH2 CH2 OH
 
 Aminoethanol
 
 + HO CH2 CH2 O CH2 CH2 OH Diethylenglykol
 
 O
 
 +
 
 [H ]
 
 Polymerisation +
 
 −
 
 [H oder OH ]
 
 + HCl
 
 − H2 O − H 2O
 
 Cl
 
 CH 2 CH2 Cl 1,2-Dichlorethan
 
 N C CH CH 2 Acrylnitril
 
 HO (CH2 CH2 O )nCH2 CH2 OH Polyethylenglykol (mit terminalen OH-Gruppen)
 
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 240
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate 17.1 Nomenklatur der Carbonsäuren Die Carboxy-Gruppe (−COOH oder −CO2H) kennzeichnet Carbonsäuren mit den allgemeinen Formeln R−CO2H oder Ar−CO2H; dabei symbolisiert R eine gesättigte oder ungesättigte Alkyloder Cycloalkyl-Gruppe, Ar eine Aryl-Gruppe, z. B. Phenyl- oder Naphthyl-. Eine Di-, Tri-, Tetra- oder Polycarbonsäure enthält zwei, drei, vier oder noch mehr Carboxy-Funktionen. Die IUPAC-Bezeichnung einer Carbonsäure ergibt sich aus der längstmöglichen KohlenstoffKette einschließlich der Carboxy-Gruppe. Dabei fügt man die Endung "-säure" an die Bezeichnung des Alkans, Alkens oder Alkins, von welcher sich die Carbonsäure ableitet. Bei Dicarbonsäuren ist diese Endung "-disäure". Vom Hexan, trans-2-Hexen und 2-Hexin leitet man z. B. durch formalen Ersatz einer bzw. zweier CH3-Gruppen durch −CO2H folgende Mono- bzw. Dicarbonsäuren ab: H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 CH3 n-Hexan
 
 H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 CO2H Hexansäure (Capronsäure)
 
 H 3C
 
 HO2C CH2 CH 2 CH 2 CH2 CO2H Hexandisäure (Adipinsäure)
 
 HO2C
 
 H C C H CH 2 CH2 CH3 (E)-2-Hexen
 
 HO2C
 
 H C C H CH 2 CH2 CH3 (E)-2-Hexen-1-säure
 
 H3C C C CH 2 CH2 CH3 2-Hexin
 
 H C C H CH 2 CH2 CO2H (E)-2-Hexendisäure
 
 HO2C C C CH2 CH 2 CO2H 2-Hexindisäure
 
 HO2C C C CH2 CH 2 CH 3 2-Hexin-1-säure
 
 Die Stellung einer Alkyl- oder Aryl-Seitenkette oder einer anderen funktionellen Gruppe wird unter Vorrang der Carboxy-Gruppe mit arabischen Ziffern bezeichnet, z. B. im Falle der Halogencarbonsäuren oder des entzündungshemmend und schmerzlindernd wirkenden Ibuprofens: 6
 
 5
 
 4
 
 3
 
 2
 
 CH CO2H
 
 H3C CH CH 2
 
 H3C CH2 CH 2 CH CH CO2H CH 3 Br 2-Brom-3-methylhexansäure
 
 3CH 3
 
 CH3
 
 1
 
 2
 
 1
 
 2-(4-Isobutylphenyl)propansäure (Ibuprofen)
 
 Benzoide Arencarbonsäuren bezeichnet man als Benzoesäuren, z. B.: CO2H
 
 Benzoesäure
 
 CO2H HO 4-Hydroxybenzoesäure
 
 Br
 
 CO2H
 
 HO 3-Brom-4-hydroxybenzoesäure
 
 Gängige Trivialbezeichnungen vieler Carbonsäuren leiten sich von ihrer natürlichen Herkunft ab, wie Tab. 17.1 für einige Vertreter zeigt.
 
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 17.1 Nomenklatur der Carbonsäuren
 
 241
 
 Tab. 17.1. Trivialbezeichnungen und natürliche Herkunft einiger Carbonsäuren Formel
 
 Trivialname
 
 natürliche Herkunft
 
 Ameisensäure
 
 Drüsensekret der Ameise
 
 H 3C CO2H
 
 Essigsäure
 
 Essig
 
 H3C CH2 CH 2 CO2H
 
 Buttersäure
 
 ranzige Butter
 
 Valeriansäure
 
 Baldrian (Valeriana officinalis)
 
 Capronsäure
 
 Ziegenfett [lat. caper = Ziegenbock]
 
 Salicylsäure
 
 Weidenrinde [lat. salix = Weide]
 
 H CO2H
 
 H3C CH2 CH2 CH 2 CO2H H 3C CH 2 CH2 CH2 CH 2 CO2H CO2H OH
 
 Die Position einer weiteren funktionellen Gruppe oder einer Seitenkette wird im Trivialnamen durch griechische Buchstaben gekennzeichnet, wobei man bei dem der Carboxy-Gruppe benachbarten C-Atom mit α beginnt: ε
 
 δ
 
 γ
 
 β
 
 α
 
 H2N CH2 CH2 CH 2 CH 2 CH CO2H NH2
 
 α,ε-Diaminocapronsäure (2,6-Diaminohexansäure, Lysin)
 
 Bei cycloaliphatischen, aromatischen oder heteroaromatischen Säuren setzt man üblicherweise die Endung "-carbonsäure" an die IUPAC-Bezeichnung des die Carboxy-Gruppe(n) tragenden Kohlenwasserstoff-Restes (Tab. 17.2). Die Anwesenheit mehrerer Carboxy-Gruppen wird durch die Vorsilben "di", "tri", "tetra"- usw. gekennzeichnet, ihre Stellung durch die kleinstmöglichen arabischen Ziffern. Bei Ring-Systemen mit definierter Bezifferung hat diese Vorrang (vgl. Naphthalen- und Pyridincarbonsäuren in Tab. 17.2) . Tab. 17.2. Nomenklatur cyclischer Carbonsäuren Stammverbindung
 
 Monocarbonsäure
 
 Dicarbonsäure
 
 CO2H
 
 Cyclobutan
 
 Cyclobutancarbonsäure
 
 1
 
 8 7
 
 2
 
 6
 
 3 4
 
 5
 
 Naphthalen 1
 
 N
 
 2 3
 
 4
 
 Pyridin
 
 CO2H
 
 Naphthalen-2-carbonsäure (2-Naphthoesäure)
 
 CO2H CO2H cis-1,2-Cyclobutandicarbonsäure HO2C
 
 CO2H
 
 2,6-Naphthalendicarbonsäure N
 
 N CO2H Pyridin-3-carbonsäure (Nicotinsäure)
 
 CO2H CO2H
 
 Pyridin-2,3-dicarbonsäure
 
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 242
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 Tab. 17.3. Nomenklatur und physikalische Eigenschaften ausgewählter Carbonsäuren Klasse aliphatische gesättigte Monocarbonsäuren
 
 aliphatische ungesättigte Monocarbonsäuren
 
 Konstitutionsformel
 
 Methan-
 
 Ameisen-
 
 H 3C CO2H
 
 Ethan-
 
 Essig-
 
 CH 2 CO2H
 
 Propan-
 
 Propion-
 
 H CO2H H 3C
 
 unbegrenzt
 
 17.7
 
 118
 
 unbegrenzt
 
 1.7
 
 − 22
 
 141
 
 unbegrenzt
 
 1.3
 
 unbegrenzt
 
 1.5
 
 Butan-
 
 Butter-
 
 − 6
 
 144
 
 H 3C
 
 [CH 2] 3 CO2H
 
 Pentan-
 
 Valerian-
 
 − 34
 
 187
 
 3.7
 
 1.6
 
 H 3C
 
 [CH 2] 4 CO2H
 
 Hexan-
 
 Capron-
 
 205
 
 1.0
 
 1.4
 
 H 3C
 
 [CH 2] 6 CO2H
 
 Octan-
 
 Capryl-
 
 − 3 16
 
 239
 
 0.07
 
 1.4
 
 Propen-
 
 Acryl-
 
 12
 
 140
 
 unbegrenzt
 
 5.6
 
 (E)-2-Buten-
 
 Croton-
 
 71.5
 
 189
 
 (Z)-9Octadecen-
 
 Öl-
 
 16
 
 --
 
 unlöslich
 
 H 2C CH CO2H H H 3C C C CO2H H
 
 H 5C6
 
 2.0
 
 Phenylmethan-
 
 Benzoe-
 
 122
 
 249
 
 0.34
 
 6.5
 
 CO2H
 
 2-Hydroxyphenylmethan-
 
 Salicyl(o-Hydroxybenzoe-)
 
 158
 
 --
 
 0.22
 
 1.1
 
 CH 2 CO2H
 
 Phenylethan-
 
 Phenylessig-
 
 76
 
 265
 
 1.56
 
 5.2
 
 H C C H CO2H
 
 (E)-3-Phenyl- trans-Zimtpropen-
 
 135
 
 300
 
 löslich
 
 3.65
 
 Ethandi-
 
 Oxal-
 
 189
 
 Zersetzung
 
 9
 
 5400
 
 5.2
 
 Propandi-
 
 Malon-
 
 136
 
 Zersetzung
 
 74
 
 140
 
 0.2
 
 HO2C CO2H HO2C
 
 8.3
 
 CO2H
 
 OH
 
 aliphatische ungesättigte Dicarbonsäuren
 
 100.5
 
 8 16.6
 
 [CH 2] 2 CO2H
 
 Aren-Monocarbonsäuren
 
 aliphatische gesättigte Dicarbonsäuren
 
 Dissoz. konst. Löslichkeit g/100g H2O k1 x10−5 k2 x10−5
 
 H 3C
 
 C17H 33 CO2H
 
 aliphatischaromatische Monocarbonsäuren
 
 IUPAC-Name Trivialname Schmelzpunkt Siedepunkt ... -säure ... -säure °C °C (1011 mbar)
 
 CH 2 CO2H
 
 HO2C
 
 [CH 2] 2 CO2H
 
 Butandi-
 
 Bernstein-
 
 185
 
 Zersetzung
 
 6
 
 6.4
 
 0.23
 
 HO2C
 
 [CH 2] 3 CO2H
 
 Pentandi-
 
 Glutar-
 
 98
 
 Zersetzung
 
 64
 
 4.5
 
 0.38
 
 HO2C
 
 [CH 2] 4 CO2H
 
 Hexandi-
 
 Adipin-
 
 151
 
 --
 
 2
 
 3.7
 
 0.39
 
 HO2C
 
 [CH 2] 5 CO2H
 
 Heptandi-
 
 Pimelin-
 
 105
 
 --
 
 5
 
 3.1
 
 0.37
 
 HO2C HO2C HO2C
 
 [CH 2] 6 CO2H [CH 2] 7 CO2H [CH 2] 8 CO2H
 
 OctandiNonandiDecandi-
 
 SuberinAzelainSebacin-
 
 144 106 134
 
 ----
 
 0.2 0.3 0.1
 
 3.0 2.9 2.6
 
 0.39 0.39 0.4
 
 (E)-2-Butendi- Fumar-
 
 302
 
 Zersetzung
 
 0.7
 
 (Z)-2-Butendi- Malein-
 
 130.5
 
 Zersetzung
 
 CO2H
 
 1,2-Benzendi- Phthal-
 
 231
 
 Zersetzung
 
 CO2H
 
 1,3-Benzendi- Isophthal-
 
 348.5
 
 CO2H
 
 1,4-Benzendi- Terephthal-
 
 300
 
 HO2C
 
 H C C H CO2H H H C C HO2C CO2H
 
 79
 
 96
 
 4.1
 
 1000
 
 0.05
 
 0.7
 
 110
 
 0.4
 
 Sublimation
 
 0.07
 
 24
 
 Sublimation
 
 0.001
 
 29
 
 CO2H
 
 Aren-Dicarbonsäuren
 
 25
 
 HO2C HO2C
 
 3.5
 
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 17.2 Wasserstoffbrücken-Bindung von Carbonsäuren
 
 243
 
 17.2 Wasserstoffbrücken-Bindung von Carbonsäuren Im Vergleich zu Alkoholen ähnlicher Molekülgröße zeigen die Carbonsäuren außergewöhnlich hohe Siedepunkte (Tab. 17.3), weil sie in Form von Wasserstoffbrücken-Dimeren existieren. Bestimmt man die molare Masse der niedermolekularen Carbonsäuren nach der DampfdichteMethode, so ergibt sich das Doppelte der molaren Masse. Daraus folgt, daß diese Carbonsäuren selbst im Dampfzustand als cyclische Dimere vorliegen, welche durch zwei Wasserstoffbrücken zusammengehalten werden. Alternativ werden offenkettige Strukturen für die Dimeren diskutiert. O R
 
 H O
 
 C
 
 O C R
 
 O H
 
 O C
 
 O
 
 Carbonsäure-Dimer
 
 H
 
 H
 
 O H
 
 R
 
 O H O
 
 C
 
 R Wasserstoffbrücken zwischen Carbonsäuren und Wasser
 
 Die Carbonsäuren können auch mit anderen zur Assoziation fähigen Molekülen Wasserstoffbrücken bilden, z. B. mit Alkoholen oder Wasser als Lösemittel. Somit beeinflußt die Wasserstoffbrücken-Assoziation nicht nur die Siedepunkte der Carbonsäuren, sondern auch ihre Wasserlöslichkeit (Tab. 17.3). Mit wachsender Größe der Alkyl-Gruppe überwiegt zunehmend deren hydrophobes Verhalten, so daß die Wasserlöslichkeit abnimmt. Die Siedepunkte (Tab. 17.3) steigen mit der Molmasse. Parallel zur Abnahme der Flüchtigkeit ändert sich der Geruch: Ameisen-, Essigund Propionsäure riechen stechend, Butter-, Valerian- und Capronsäure unangenehm schweißartig, die höheren Carbonsäuren sind dagegen fast geruchlos.
 
 17.3 Struktur der Carboxy-Gruppe Elektronen- und Neutronenbeugung sowie mikrowellenspektrometrische Untersuchungen zeigen, daß alle Atome der Carboxy-Gruppe auf einer Ebene liegen, wie die Molekülmodelle illustrieren (Abb. 17.1).
 
 Abb. 17.1. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell der Essigsäure
 
 Die CO-Doppelbindung ist etwas kürzer (123 pm) als die COH-Bindung (136 pm), und alle Bindungswinkel betragen 120° (Abb. 17.2 a). Das Molekülorbital-Modell der Carboxy-Gruppe entspricht weitgehend dem einer CC-Doppelbindung. Um zu erklären, weshalb die CO-Einfachbindung in der Carboxy-Gruppe kürzer ist (136 pm) als in Alkoholen und Ethern (143 pm), schreibt man der CO-Einfachbindung partiellen π-Charakter zu; das Hydroxy-O-Atom der Carb-
 
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 244
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 oxy-Gruppe nutzt demnach sp2-Hybridorbitale zur Bildung der σ-Bindungen. Die trigonalkoplanaren sp2-Hybridorbitale des Carboxy-C-Atoms überlappen dann mit je einem sp2Hybridorbital der beiden O-Atome und mit einem (sp3-, sp2- oder sp-) Hybridorbital des α-CAtoms. Senkrecht auf dem so entstandenen ebenen σ-Bindungsgerüst stehen die drei p-Orbitale (Abb. 17.2 b); deren seitliche Überlappung führt zur delokalisierten π-Bindung der CarboxyGruppe. Mesomere Grenzformeln beschreiben diese delokalisierte π-Bindung: O
 
 δ−
 
 O
 
 O
 
 C
 
 oder
 
 C O H
 
 C
 
 O H
 
 O H
 
 δ+
 
 π 123 pm
 
 (a)
 
 C
 
 O
 
 O
 
 (b)
 
 C 120°
 
 136 pm
 
 O
 
 C
 
 Cσ O
 
 H
 
 H
 
 π
 
 Abb. 17.2. Carboxy-Gruppe : (a) Geometrie, (b) Überlappung koaxialer p-Orbitale zum delokalisierten π-System
 
 17.4 Carbonsäure-Derivate In Carbonsäure-Derivaten ersetzt ein Halogen oder eine andere Gruppe (außer H, Alkyl oder Aryl) die OH-Funktion. Salze (Carboxylate), Peroxy- oder Persäuren, Carbonsäureanhydride, Diacylperoxide, Ester, Halogenide, Amide, Hydrazide, Azide sowie Hydroxamsäuren sind Beispiele. Tab. 17.4 zeigt allgemeine Formeln dieser Derivate, ihre Beziehung zu den Carbonsäuren sowie die von der Benzoesäure abgeleiteten Vertreter. Carbonsäure-Derivate enthalten die AcylGruppe; einige wirken daher als Acylierungsreagenzien (Kap. 10.6.3, 11.1.6). R
 
 O
 
 O
 
 O Carbonsäure
 
 Carbonsäure-Derivat
 
 C
 
 R
 
 Acyl-Gruppe
 
 C
 
 R
 
 C
 
 X , X = Cl, Br, OR', NH 2
 
 OH
 
 17.5 Synthese von Carbonsäuren 17.5.1
 
 Einführung der Carboxy-Gruppe durch Kohlenmonoxid (Carbonylierung)
 
 Bei höheren Temperaturen und Drücken reagiert Kohlenmonoxid mit Alkalihydroxiden zu Formiaten, mit Alkoholaten dagegen zu den Natriumsalzen der Carbonsäuren (Carboxylaten) mit dem Alkyl-Rest des Alkoholats: HO Na
 
 +
 
 CO
 
 RO Na
 
 +
 
 CO
 
 100 °C , Druck 100 °C , Druck
 
 H CO2 Na
 
 Natriumformiat
 
 R CO2 Na
 
 Natriumcarboxylat
 
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 17.5 Synthese von Carbonsäuren
 
 245 Tab. 17.4. Carbonsäure-Derivate
 
 Ersatz von OH O in R C OH durch
 
 allgemeine Formel ( R = Alkyl oder Aryl)
 
 O H O
 
 Bezeichnung
 
 O R C
 
 C R'
 
 R C
 
 O C R' O O
 
 O O R C C R' O O O
 
 OR'
 
 R C OR' O R C
 
 X ( X = F, Cl, Br, I)
 
 X O R C
 
 NH2
 
 NH 2 O NHR'
 
 R C NHR'
 
 N R'
 
 O O
 
 Peroxybenzoesäure Benzoesäureanhydrid
 
 Diacylperoxid
 
 C
 
 Carbonsäureester
 
 O C O CH2 CH 3
 
 Benzoesäureethylester
 
 Carbonsäurehalogenid
 
 O C Cl
 
 Benzoylchlorid
 
 Carbonsäureamid (Carboxamid)
 
 O C NH2
 
 Benzamid
 
 N-Alkylcarbonsäureamid
 
 O C N CH3 H O C N CH3 H3C
 
 N,N-Dialkylcarbonsäureamid
 
 O R C
 
 NR'2
 
 O O C O C C6H 5
 
 Carbonsäureanhydrid
 
 O O C R'
 
 O
 
 O H C O O
 
 Peroxycarbonsäure
 
 H O O O
 
 O
 
 Benzoesäure-Derivat Formel Bezeichnung
 
 R'
 
 C O O
 
 Dibenzoylperoxid
 
 N-Methylbenzamid
 
 N,N-Dimethylbenzamid
 
 NH NH 2
 
 O R C NH NH 2
 
 Carbonsäurehydrazid
 
 O C NH NH 2
 
 Benzhydrazid
 
 NH OH
 
 O R C NH OH
 
 Hydroxamsäure
 
 O C NH OH
 
 Benzhydroxamsäure
 
 Carbonsäureazid
 
 O C N3
 
 Benzoylazid
 
 O
 
 _ N _ N N _
 
 R C N3
 
 Bei noch höheren Temperaturen und Drücken, sowie in Gegenwart von Nickeltetracarbonyl addieren Kohlenmonoxid und Wasser an Alkene unter Bildung gesättigter Carbonsäuren, z. B.: H2C CH2
 
 +
 
 CO
 
 +
 
 H 2O
 
 250 °C , Ni(CO)4 , 150 bar
 
 H3C CH 2 CO2H Propansäure (Propionsäure)
 
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 246
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 17.5.2
 
 Einführung der Carboxy-Gruppe durch Kohlendioxid (Carboxylierung)
 
 Kohlendioxid ist ein in Form von "Trockeneis" leicht einsetzbares elektrophiles Reagenz zur Carboxylierung von C-Nucleophilen. Mit Natriumalkinyliden reagiert es z. B. unter Bildung von Alkinsäuren: O R C CI
 
 Na
 
 +
 
 O R C C C O Na
 
 O
 
 C
 
 C O
 
 O
 
 Na-Salz einer Alkinsäure
 
 Die Carboxylierung von Alkylmagnesiumhalogeniden (GRIGNARD-Verbindungen) führt bei Raumtemperatur zu Carbonsäuren: (CH3)3C Br + Mg
 
 Ether
 
 CH 3
 
 O
 
 H 3C C MgBr
 
 +
 
 C
 
 O
 
 CH 3
 
 CH 3 O
 
 O
 
 C
 
 CH 3
 
 H 3C C C O
 
 H 3C C CO2H
 
 CH 3 OMgBr
 
 CH 3 2,2-Dimethylpropansäure (Pivalinsäure)
 
 Phenolat (Phenol in alkalischer Lösung) ist wegen des (+)-M-Effekts des Phenolat-O-Atoms in ound p-Stellung nucleophil und läßt sich mit Kohlendioxid als Elektrophil durch elektrophile Substitution zum Natriumsalz der Salicylsäure (2-Hydroxybenzoesäure) carboxylieren (KOLBESCHMITT-Synthese): _ IOl
 
 _ IO
 
 _ IO
 
 _ IO
 
 _ IO O Na
 
 +
 
 H
 
 O
 
 C
 
 C
 
 _ IOI C
 
 O
 
 O
 
 O mesomere Grenzformeln des Phenolat-Anions + NaOH
 
 − H2O
 
 _ IOH
 
 OH CO2 Na Phenol
 
 17.5.3
 
 Natriumsalicylat
 
 Acylierung von Aromaten mit Säureanhydriden
 
 Durch FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung von Benzen und seinen Derivaten mit cyclischen Dicarbonsäureanhydriden in Gegenwart einer LEWIS-Säure erhält man durch elektrophile Substitution Oxocarbonsäuren (Ketocarbonsäuren), z. B.: O
 
 O +
 
 Benzen
 
 O
 
 AlCl 3
 
 O Bernsteinsäureanhydrid
 
 α C β CH 2 CH 2 CO2H
 
 β-Benzoylpropionsäure (3-Benzoylpropansäure)
 
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 17.5 Synthese von Carbonsäuren
 
 17.5.4
 
 247
 
 Carbonsäuren durch Oxidation
 
 Methyl- und Ethyl-Gruppen am Benzen-Ring lassen sich katalytisch zur Carboxy-Gruppe oxidieren; Toluen- und Ethylbenzen-Derivate ergeben entsprechend substituierte Benzoesäuren: Cl
 
 CH 2 CH3
 
 +
 
 3 O2
 
 Co , Pb , Mn-Acetat , 150-180 °C
 
 CO2H
 
 Cl
 
 p-Chlorethylbenzen
 
 +
 
 CO2 +
 
 H 2O
 
 p-Chlorbenzoesäure
 
 Starke Oxidationsmittel oxidieren Cycloalkene unter Ringöffnung zu Dicarbonsäuren, z. B.: −
 
 +
 
 MnO4 , OH
 
 2 O2
 
 −
 
 CO2H CO2H
 
 Cyclohexen
 
 Adipinsäure
 
 Polycyclische Aromaten oder Heteroaromaten können katalytisch oder durch Oxidationsmittel zu aromatischen oder heteroaromatischen 1,2-Dicarbonsäuren gespalten werden, z. B.:
 
 +
 
 CO2H
 
 V2O5
 
 9/2 O2
 
 +
 
 2 CO2
 
 +
 
 H2O
 
 +
 
 2 CO2
 
 +
 
 H2O
 
 CO2H Phthalsäure
 
 Naphthalen −
 
 +
 
 MnO4 , OH
 
 9/2 O2
 
 −
 
 CO2H CO2H N Pyridin-2,3-dicarbonsäure
 
 N Chinolin
 
 Die Oxidation primärer Alkohole führt über die Aldehyde zu den Monocarbonsäuren, z. B.: CH 3
 
 −
 
 H3C CH2 CH CH2 OH
 
 + [O] , MnO4 , OH
 
 CH3
 
 −
 
 O
 
 H 3C CH 2 CH C
 
 2-Methyl-1-butanol
 
 2-Methylbutanal
 
 CH3
 
 + [O]
 
 O
 
 H 3C CH 2 CH C OH 2-Methylbutansäure (α-Methylbuttersäure)
 
 H
 
 Dagegen spalten (sekundäre) Cycloalkanole und Cycloalkanone bei der Oxidation in Dicarbonsäuren. Adipinsäure entsteht auf diese Weise aus Cyclohexanol über Cyclohexanon: + [O]
 
 OH H Cyclohexanol
 
 − H2O
 
 + 3 [O] , V2O5 , 30 °C
 
 O Cyclohexanon
 
 HO2C
 
 (CH 2)4 CO2H
 
 Adipinsäure (Hexandisäure)
 
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 248
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 17.5.5
 
 Hydrolyse von Carbonsäure-Derivaten
 
 Die Hydrolyse von Estern, Halogeniden, Anhydriden und Amiden kann zur Darstellung der entsprechenden Carbonsäuren herangezogen werden: O Carbonsäureester
 
 + H2O
 
 R C
 
 Carbonsäurehalogenid
 
 OR'
 
 − R'OH
 
 O
 
 + H2O
 
 R C
 
 − HX
 
 X
 
 Carbonsäureanhydrid
 
 R
 
 O
 
 O
 
 C
 
 C
 
 O
 
 O R C OH O R C OH
 
 + H2O
 
 R
 
 O 2R C OH
 
 Auch die Hydrolyse der Nitrile (Alkyl- oder Arylcyanide), R−C≡N, die nach KOLBE aus Halogenalkanen und Cyanid (SN) dargestellt werden, führt über die Säureamide zu Carbonsäuren: + CN
 
 R X
 
 −
 
 −
 
 + H2O (H3O+)
 
 O R C
 
 R C N
 
 NH 2 Carbonsäureamid
 
 −X
 
 Halogenalkan ( X = Cl, Br, I )
 
 Nitril
 
 O
 
 + H2O
 
 R C
 
 − NH3
 
 OH
 
 Oxalsäure entsteht z. B. aus Dicyan, Malonsäure aus Cyanessigsäure oder Malonsäuredinitril: N C C N Dicyan
 
 N C CH2 C N Malonsäuredinitril (Malodinitril)
 
 + 2 H2O (H3O+)
 
 + H2O (H3O+)
 
 − NH3
 
 + H2O
 
 NH2
 
 − NH3
 
 O C CH 2 CO2H H 2N Malonsäuremonoamid
 
 C C
 
 −2 NH3
 
 O N C CH 2 C
 
 + H2O
 
 − NH3
 
 O
 
 HO
 
 +2 H2O
 
 C C NH2 O Oxamid
 
 + 3 H2O (H3O+)
 
 17.5.6
 
 O
 
 H 2N
 
 OH O Oxalsäure
 
 N C CH2 CO2H Cyanessigsäure
 
 HO2C CH2 CO2H Malonsäure
 
 Homologisierung (Kettenverlängerung) von Carbonsäuren
 
 Carbonsäurehalogenide reagieren mit Diazomethan in Gegenwart von metallischem Silber oder Kupfer unter nucleophiler Substitution des Halogenid-Anions zu Diazoketonen. −
 
 R C X
 
 +
 
 O Carbonsäurehalogenid
 
 ICH 2 N NI
 
 Ag , Cu , − X
 
 R C CH 2 N NI O
 
 Diazomethan
 
 − [H+]
 
 R
 
 _ C CH N NI
 
 O Diazoketon
 
 X = Br, Cl
 
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 17.5 Synthese von Carbonsäuren
 
 249
 
 Die Diazoketone spalten Stickstoff ab unter Bildung von Acylcarbenen, die sich unter 1,2-AlkylVerschiebung in Ketene umlagern (WOLFF-Umlagerung): R
 
 _ C CH N NI
 
 R
 
 − N2
 
 _ C CH
 
 R
 
 o
 
 O C C
 
 O Acylcarben
 
 O
 
 Keten
 
 H
 
 Die Hydrolyse des Ketens führt zu einer Carbonsäure, O R CH C O
 
 +
 
 H 2O
 
 R CH2 C OH
 
 welche gegenüber dem ursprünglich eingesetzten Säurehalogenid um eine CH2-Gruppe länger ist (Homologisierung). Die gesamte Reaktionsfolge ist als ARNDT-EISTERT-Homologisierung bekannt: R C Cl O
 
 17.5.7
 
 R
 
 + CH2N2
 
 − HCl
 
 _ C CH N NI
 
 − N2
 
 R CH C O
 
 + H2O
 
 R CH 2 CO2H
 
 O
 
 Alkylierung von Malonsäureestern
 
 Die Methylen-Gruppe der Malonsäure und ihrer Derivate ist CH-acide (Kap. 17.11). Malonsäurediester reagieren daher mit starken Basen wie Natriumethanolat zu mesomeriestabilisierten Carbanionen in Form ihrer Natrium-Salze. Deren Reaktion mit Halogenalkanen führt unter elektrophiler Addition der Alkyl-Gruppe an das Malonat-Anion zum Alkylmalonester. Die Hydrolyse des Alkylmalonesters und die anschließende Decarboxylierung (CO2-Abspaltung) ergibt eine alkylierte Essigsäure. CO2R Malonsäurediester H 2C CO2R + NaOR
 
 R'
 
 X
 
 +
 
 Na
 
 − ROH
 
 CO2R IC H CO2R
 
 CO2R
 
 − NaX
 
 Natrium-Dialkylmalonat
 
 R'
 
 C H CO2R
 
 CO2H
 
 + 2 H2 O
 
 R'
 
 − 2 ROH
 
 Alkylmalonsäurediester
 
 C H
 
 Hitze − CO2
 
 R'
 
 CH 2 CO2H
 
 CO2H Alkylmalonsäure
 
 Alkylessigsäure
 
 Diese Reaktionsfolge ermöglicht die Einführung der Gruppe −CH2−COOH. 3-Phenylpropansäure (Benzylessigsäure) wird z. B. aus Benzylchlorid und Malonsäurediethylester dargestellt: CH2
 
 Cl +
 
 Na
 
 CO2C2H5 IC H CO2C2H5
 
 Natrium-Diethylmalonat
 
 − NaX
 
 CO2C2H5 1.) Esterhydrolyse
 
 2.) Decarboxylierung
 
 CH 2 C H
 
 CH 2 CH2 CO2H
 
 CO2C2H5 Benzylmalonsäurediethylester
 
 3-Phenylpropansäure
 
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 250
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 α,β-Ungesättigte Carbonsäuren durch KNOEVENAGEL-Kondensation von Malonsäureestern
 
 17.5.8
 
 In Gegenwart starker Basen greifen Dialkylmalonate auch nucleophil am Carbonyl-C-Atom eines Aldehyds oder eines Ketons an. Auf diese Weise entstehen zunächst β-Hydroxyalkylmalonsäurediester, welche leicht zu Alkylidenmalonsäurediestern dehydratisieren (KNOEVENAGEL-Kondensation, Kap. 17.11.2). Die Hydrolyse des Diesters zur Dicarbonsäure und deren Decarboxylierung ergibt eine α,β-ungesättigte Carbonsäure: _ C OI _
 
 C O
 
 CO2R +
 
 H C H CO2R
 
 Carbonyl-Mesomerie
 
 Aldehyd oder Keton Base
 
 H
 
 CO2R
 
 − H2O
 
 C C CO2R
 
 + 2 H2O
 
 C C
 
 − 2 ROH
 
 CO2R
 
 HO CO2R β-Hydroxyalkylmalonsäurediester
 
 CO2H C C
 
 Hitze − CO2
 
 H C C
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 Alkylidenmalonsäurediester
 
 α,β-ungesättigte Carbonsäure
 
 Zimtsäure läßt sich auf diese Weise aus Benzaldehyd und Malonsäurediethylester darstellen: H C O
 
 +
 
 Benzaldehyd
 
 CO2C 2H5
 
 Piperidin
 
 CO2C 2H5
 
 − H2O
 
 H2C
 
 Malonsäurediethylester
 
 H
 
 1.) Esterhydrolyse 2.) Decarboxylierung
 
 CO2C 2H5 C C CO2C 2H5
 
 H C C
 
 CO2H H
 
 Benzylidenmalonsäurediethylester
 
 trans-Zimtsäure (+ cis-Isomer)
 
 Die α,β-ungesättigten Carbonsäuren können katalytisch zu den entsprechenden gesättigten Carbonsäuren hydriert werden. Zimtsäure ergibt dabei 3-Phenylpropansäure.
 
 17.5.9
 
 -Ungesättigte Carbonsäuren durch PERKIN-Reaktion
 
 Benzaldehyd und andere Arenaldehyde reagieren mit Acetanhydrid in Gegenwart von Basen zu α,β-ungesättigten Carbonsäuren. Diese PERKIN-Reaktion ist der KNOEVENAGEL-Kondensation weitgehend analog: Eine α-Methylen-Gruppe des Acetanhydrids greift nucleophil am Carbonyl-C des Arenaldehyds an. Durch Wasserabspaltung aus dem entstandenen β-Hydroxycarbonsäureanhydrid und nachfolgende Hydrolyse erhält man eine α,β-ungesättigte Carbonsäure und Essigsäure. Zimtsäure (Kap. 17.5.8) läßt sich also auch durch PERKIN-Reaktion von Benzaldehyd mit Acetanhydrid darstellen: H + C O
 
 Benzaldehyd
 
 H
 
 O CH 2 C O H3C C O Acetanhydrid
 
 Base
 
 H
 
 O C CH2 C O OH H 3C C O
 
 O − H2O
 
 H
 
 C O C C C CH 3 H O
 
 + H2O − CH3CO2H
 
 H
 
 CO2H C C H
 
 trans-Zimtsäure (+ cis-Isomer)
 
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 17.6 Acidität von Carbonsäuren
 
 251
 
 PERKIN-Reaktion und KNOEVENAGEL-Kondensation ermöglichen somit die Überführung eines Aldehyds (R−CH=O) in ein Acrylsäure-Derivat (R−CH=CH−COOH). Zur Herstellung γ,δ-ungesättigter Carbonsäuren bewährt sich die IRELAND-CLAISEN-Umlagerung silylierter Carbonsäureallylester (Kap. 31.4.4).
 
 17.6 Acidität von Carbonsäuren 17.6.1
 
 Dissoziationsgleichgewicht in wäßrigen Lösungen
 
 Carbonsäuren sind stärkere Protonendonatoren als Wasser. Löst man sie in Wasser, so stellt sich daher ein dynamisches Dissoziationsgleichgewicht zwischen der Carbonsäure und Wasser einerseits und Carboxylat-Anion und Hydroxonium-Ion andererseits ein: R CO2H + Carbonsäure
 
 H 2O
 
 R CO2 + Carboxylat-Anion
 
 H3O
 
 Wäßrige Carbonsäure-Lösungen reagieren infolgedessen sauer. Die Dissoziationskonstante (Aciditätskonstante) KA ist nach dem Massenwirkungsgesetz der Quotient aus den Konzentrationen der Ionen (R−COO− und H3O+) und undissoziierter Säure (R−COOH); dabei wird die bei verdünnten Lösungen annähernd konstante Wasserkonzentration c(H2O) in die Konstante KA einbezogen. −
 
 KA =
 
 c (RCO2 ) c (H3O+) c (RCO2H)
 
 Im Vergleich zu den Mineralsäuren (Salzsäure, Schwefelsäure) sind Carbonsäuren sehr viel schwächer. Die Dissoziationskonstanten KA unterscheiden sich um mehrere Zehnerpotenzen, z. B.: 8
 
 HCl : KA = 10 ;
 
 17.6.2
 
 .
 
 CH3CO2H : KA = 1.7 10−
 
 5
 
 Salze der Carbonsäuren
 
 Die Neutralisation der Carbonsäuren mit Alkalihydroxiden oder anderen Basen führt zu den entsprechenden Salzen, den Carboxylaten: R CO2H
 
 +
 
 NaOH
 
 R CO2 Na Natriumcarboxylat
 
 +
 
 H2O
 
 Zur Benennung der Salze kann man von den IUPAC-Namen der Säuren ausgehen. Dabei wird die Endung "-säure" durch "-oat" ersetzt. Die Bezeichnung des Salzes einer Carbonsäure kann man auch von der lateinischen Form ihres Trivialnamens (Tab. 17.1 und 17.3) ableiten: H3C CH2 CH 2 CO2H IUPAC : Trivial :
 
 Butansäure Buttersäure ( lat.: acidum butyricum)
 
 H 3C CH 2 CH 2 CO2 Na Natriumbutanoat Natriumbutyrat
 
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 252
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 Salze der Ameisen-, Essig- und Propionsäure werden als Formiate, Acetate und Propionate bezeichnet; Palmitate, Stearate und Oleate sind die Salze der Palmitin-, Stearin- und Ölsäure (Kap. 42.4.1). Für Salze cyclischer Dicarbonsäuren ist die Bezeichnung Dicarboxylate üblich, z. B.: CO2H
 
 CO2 K
 
 CO2H
 
 CO2 K
 
 cis-1,2-Cyclobutandicarbonsäure
 
 17.6.3
 
 CO2H
 
 CO2 K
 
 CO2H
 
 Dikalium- cis-1,2-cyclobutandicarboxylat
 
 CO2 K
 
 1,4-Naphthalendicarbonsäure
 
 Dikalium-1,4-naphthalendicarboxylat
 
 Struktur und Modell des Carboxylat-Anions
 
 Durch Messung der Bindungslängen im Natriumformiat mit Hilfe der RÖNTGEN- und Elektronenbeugung ergab sich, daß beide Kohlenstoff-Sauerstoff-Bindungen des Formiat-Anions dieselbe Länge von 127 pm haben. Die beiden CO-Bindungen sind also nicht unterscheidbar; offensichtlich findet ein völliger Ausgleich zwischen der σ- und der π-Bindung statt (Abb. 17.3). π
 
 (a)
 
 R
 
 O
 
 C O
 
 C
 
 oder
 
 C O
 
 O
 
 O
 
 OI
 
 (b)
 
 OI
 
 C O
 
 π
 
 Abb. 17.3. Überlappung koaxialer p-Orbitale zum π-System des Carboxylat-Anions (a) und Mesomerie des Carboxylat-Anions (b)
 
 Carboxylat-C-Atom und die beiden Carboxylat-O-Atome bilden die σ-Bindungen durch Überlappung von sp2-Hybridorbitalen. An jedem der beteiligten Atome verbleibt je ein 2p-Orbital. Diese insgesamt drei 2p-Orbitale überlappen zu einer delokalisierten π-Bindung über und unter der σBindungsebene (Abb. 17.3).
 
 17.6.4
 
 Einflüsse von Substituenten auf die Acidität
 
 Eine Carbonsäure ist umso stärker sauer, je größer der Energiegewinn bei der Abdissoziation des Protons, je stabiler also das Carboxylat-Anion ist. Ein Carboxylat-Anion wiederum ist besonders stabil, wenn die negative Ladung durch eine benachbarte positive stabilisiert wird, z. B. durch induktive oder mesomere Effekte. Bei aliphatischen Carbonsäuren werden daher solche Substituenten die Acidität erhöhen, welche über induktive Effekte die negative Ladung am Carboxylat-C durch eine benachbarte positive
 
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 17.6 Acidität von Carbonsäuren
 
 253
 
 Partialladung stabilisieren. Halogencarbonsäuren sind also stärker sauer als die vergleichbaren unsubstituierten Carbonsäuren (Tab. 17.5). δ−
 
 δ+
 
 O
 
 Cl CH 2 C O
 
 Chloressigsäure: (−)-I-Effekt stabilisiert das Chloracetat-Anion
 
 Die Säurestärke wächst mit zunehmender Anzahl und Elektronegativität der Halogene (Tab. 17.5) und sinkt mit zunehmender Entfernung des Halogens von der Carboxy-Gruppe: γ- und β-Halogencarbonsäuren sind schwächere Säuren als α-Halogencarbonsäuren (Tab. 17.5). Im Gegensatz zu Halogenen destabilisieren Alkyl-Gruppen über induktive Effekte das Carboxylat-Anion. So ist in der homologen Reihe der Alkansäuren die Ameisensäure am stärksten, Essigsäure deutlich schwächer aber etwas stärker als die höheren Homologen (Tab. 17.3).
 
 Tab. 17.5. Aciditätskonstanten einiger Halogencarbonsäuren und substituierter Benzoesäuren −5
 
 Verbindung Essigsäure
 
 H 3C CO2H
 
 Iodessigsäure
 
 ICH 2 CO2H
 
 1.75 67
 
 Bromessigsäure
 
 BrCH 2 CO2H
 
 125
 
 Chloressigsäure
 
 ClCH 2 CO2H
 
 136
 
 Fluoressigsäure
 
 FCH 2 CO2H
 
 260
 
 Dichloressigsäure
 
 Cl2CH CO2H
 
 5530
 
 Trichloressigsäure
 
 Cl3C CO2H
 
 23200
 
 Buttersäure
 
 H 3C CH 2 CH2 CO2H
 
 1.5 139
 
 α-Chlorbuttersäure
 
 H 3C CH 2 CH CO2H
 
 β -Chlorbuttersäure
 
 Cl H 3C CH CH2 CO2H
 
 8.9
 
 Cl CH 2 CH 2 CH2 CO2H Cl
 
 2.96
 
 γ-Chlorbuttersäure
 
 −5
 
 Verbindung
 
 KA x 10
 
 Benzoesäure
 
 KA x 10 6.8
 
 CO2H
 
 p-Nitrobenzoesäure
 
 O2N
 
 CO2H
 
 p-Hydroxybenzoesäure
 
 HO
 
 CO2H
 
 o-Nitrobenzoesäure
 
 CO2H
 
 40 2.9
 
 620
 
 NO2
 
 o-Hydroxybenzoesäure
 
 CO2H
 
 100
 
 OH
 
 Bei substituierten Benzoesäuren und anderen Arencarbonsäuren können neben induktiven auch mesomere Effekte von Substituenten das Carboxylat-Anion stabilisieren. 4-Nitrobenzoesäure ist stärker sauer, 4-Hydroxybenzoesäure dagegen schwächer sauer als Benzoesäure (Tab. 17.5). Der mesomere Effekt (Elektronenzug) der 4-Nitro-Gruppe stabilisiert; dagegen destabilisiert der Elektronenschub der 4-Hydroxy-Gruppe: O
 
 O N
 
 O
 
 C
 
 O HO
 
 O
 
 p-Nitrobenzoesäure: (−)-M-Effekt stabilisiert das p-Nitrobenzoat-Anion
 
 I
 
 C
 
 O p-Hydroxybenzoesäure: (+)-M-Effekt destabilisiert das p-Hydroxybenzoat-Anion
 
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 254
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 Steht der Substituent (−NO2, −OH) in o-Stellung zur Carboxy-Gruppe, so wirkt wegen des geringeren Abstandes zusätzlich der induktive Effekt. 2-Nitrobenzoesäure ist daher noch stärker sauer als das p-Isomer, und in 2-Hydroxybenzoesäure (Salicylsäure) dominiert die Stabilisierung durch den induktiven Effekt von OH gegenüber dem destabilisierenden mesomeren Effekt (Tab. 17.5).
 
 17.6.5
 
 Acidität von Dicarbonsäuren
 
 Die Dissoziation von Dicarbonsäuren vollzieht sich stufenweise. Daher mißt man zwei Aciditätskonstanten KA1 und KA2 wie das Beispiel der Oxalsäure zeigt: 1. Stufe :
 
 HO2C CO2H
 
 +
 
 H2O
 
 HO2C CO2
 
 +
 
 H3O
 
 KA1 = 5400
 
 2. Stufe :
 
 HO2C CO2
 
 +
 
 H 2O
 
 O2C CO2
 
 +
 
 H3O
 
 KA2 =
 
 −5
 
 x 10
 
 −5
 
 5.2 x 10
 
 Allgemein gilt für Dicarbonsäuren KA1 > KA2 , da die Dissoziation eines Protons vom Monoanion aus elektrostatischen Gründen mehr Energie erfordert (oder weniger freisetzt) als von der Disäure.
 
 17.7 Reaktionen der Carboxy-Gruppe 17.7.1
 
 Veresterung, Ester, Lactone
 
 Carbonsäuren reagieren mit Alkoholen in Gegenwart katalytischer Mengen einer Mineral- (HCl) oder LEWIS-Säure (BF3) zu Carbonsäureestern und Wasser (Kap. 15.6.4). Die Reaktion ist ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Veresterung (Hinreaktion) und Verseifung (Rückreaktion). O R C + OH Carbonsäure
 
 HO R' Alkohol
 
 Veresterung Verseifung
 
 O R C
 
 + OR' Carbonsäureester
 
 H2O
 
 Dieses Gleichgewicht unterliegt dem Massenwirkungsgesetz. Die Esterausbeute erhöht sich daher entweder durch Einsetzen eines großen Überschusses an Alkohol bzw. Carbonsäure oder durch kontinuierliche Entfernung des gebildeten Esters bzw. Wassers aus dem Reaktionsgemisch. Das Reaktionswasser läßt sich z. B. durch wasserentziehende Reagenzien (konz. H2SO4 , P4O10) oder durch Abdestillieren eines azeotropen Gemisches aus Wasser und einem organischen Lösemittel als "Schlepper" entziehen (z. B. Toluen oder Chloroform). Die säurekatalysierte Veresterung (und Verseifung) ist meist eine Folge von Gleichgewichtsreaktionen. Dabei wird die Carbonsäure zunächst protoniert und so der nucleophile Angriff eines
 
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 17.7 Reaktionen der Carboxy-Gruppe
 
 255
 
 Alkohol-Moleküls erleichtert. Dieser Angriff führt zu einem Orthocarbonsäuremonoester, welcher nach Protonierung unter Wasserabspaltung und Deprotonierung in den Ester übergeht. O R C OH
 
 OH OH R C R C OH OH protonierte Carbonsäure
 
 O
 
 + H
 
 OH
 
 R'
 
 R C OH H
 
 O
 
 R' − [H+]
 
 OH Verseifung
 
 Orthocarbonsäuremonoester R C OH
 
 Veresterung
 
 OR' + [H+]
 
 protonierter Ester − [H+]
 
 O R C OR'
 
 OH R C OR'
 
 OH 2
 
 − H2O
 
 OH R C OR'
 
 R C OH OR'
 
 Als Lactone werden "innere Ester" bezeichnet, die durch intramolekulare Dehydratisierung von γund δ-Hydroxycarbonsäuren unter Bildung fünf- und sechsgliedriger Ringe entstehen. γ-Butyround δ-Valerolacton sind typische Beispiele. CO2H OH
 
 − H2O
 
 O
 
 γ-Hydroxybuttersäure (4-Hydroxybutansäure)
 
 17.7.2
 
 − H2O
 
 C O
 
 CO2H OH
 
 γ-Butyrolacton
 
 O
 
 δ-Hydroxyvaleriansäure (5-Hydroxypentansäure)
 
 C
 
 O
 
 δ-Valerolacton
 
 Reduktion zu primären Alkoholen
 
 Carbonsäuren widerstehen der katalytischen Hydrierung, können aber − ebenso wie ihre Ester − mit Lithiumaluminiumhydrid in wasserfreiem Ether oder Tetrahydrofuran über die unter den Reaktionsbedingungen nicht faßbaren Aldehyde zu den primären Alkoholen reduziert werden. O R C
 
 + IH LiAlH4
 
 OH
 
 17.7.3
 
 H _ R C OI _ OH
 
 + H 2O − OH
 
 H R C OH OH Aldehyd-Hydrat
 
 − H2 O
 
 + IH LiAlH 4
 
 H R C O
 
 H _ R C OI _
 
 + H2O
 
 H prim. Alkoholat
 
 Aldehyd
 
 − OH
 
 R CH 2 OH prim. Alkohol
 
 Carbonsäurehalogenierung
 
 Carbonsäurehalogenide bezeichnet man als Acyl-Derivate (z. B. Acetyl-, Benzoyl-, Propionylhalogenide): O H 3C C Acetyl-
 
 O H 3C CH 2 C Propionyl-
 
 O
 
 O C Benzoyl-Gruppe
 
 H3C C Acetyl-
 
 O H3C CH2 C
 
 Cl
 
 Propionyl-
 
 Cl
 
 O C Cl Benzoylchlorid
 
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 256
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 Zur Halogenierung von Carbonsäuren eignen sich Phosphorhalogenide (PCl3, PCl5, POCl3), z. B.: 3
 
 O2N
 
 O C OH
 
 + PCl3
 
 O C OH
 
 + PCl5
 
 O C + P(OH)3 Cl Benzoylchlorid (Benzoesäurechlorid) 3
 
 O C + Cl p-Nitrobenzoylchlorid O2N
 
 POCl3
 
 +
 
 HCl
 
 Säurechloride und Bromide in genügender Reinheit entstehen durch Umsetzung der Carbonsäuren mit Thionylchlorid oder Thionylbromid. Diese Reaktion führt zu gasförmigen Nebenprodukten (SO2 und HCl oder HBr), so daß das Säurechlorid oder Bromid als Rückstand verbleibt: O H2C CH C
 
 + OH
 
 SOCl2
 
 O H 2C CH C + SO2 Cl Acryloylchlorid (Acrylsäurechlorid)
 
 +
 
 HCl
 
 Präparativ sind die überaus hydrolyseempfindlichen Säurehalogenide als Reagenzien zur Darstellung fast aller Carbonsäure-Derivate sowie zur elektrophilen Acylierung von Bedeutung.
 
 17.7.4
 
 Bildung von Säureanhydriden
 
 Die Abspaltung von Wasser aus zwei Molekülen einer Monocarbonsäure in Gegenwart eines wasserbindenden Reagenzes führt zur Bildung eines Carbonsäureanhydrids. Auf diese Weise werden Acetanhydrid und Trifluoracetanhydrid hergestellt: O F 3C C OH
 
 O + HO
 
 C CF 3
 
 P2O5 , − H2O
 
 O O F 3C C O C CF 3
 
 Trifluoracetanhydrid (Trifluoressigsäureanhydrid)
 
 Gemischte Anhydride erhält man durch Reaktion äquimolarer Mengen eines Halogenids der Carbonsäure mit Rest R und eines Alkalisalzes der Carbonsäure mit Rest R´: O
 
 O +
 
 R C X
 
 C R' NaO
 
 − NaX
 
 O O R C O C R'
 
 gemischtes Carbonsäureanhydrid
 
 X = Cl , Br
 
 Dicarbonsäuren wie Bernstein- und Phthalsäure können intramolekular Wasser abspalten und bilden dabei cyclische Säureanhydride: O H2C H2C
 
 C C O
 
 O OH OH
 
 Hitze oder P2O5 − H2O
 
 O C
 
 O
 
 O Bernsteinsäureanhydrid (Succinanhydrid)
 
 C O
 
 O OH
 
 Hitze
 
 OH
 
 − H2O
 
 O O Phthalsäureanhydrid
 
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 17.7 Reaktionen der Carboxy-Gruppe
 
 257
 
 Nur 1,4- oder 1,5-Dicarbonsäuren bilden cyclische Anhydride. Liegen die Carboxy-Gruppen weiter auseinander, so können polymere Anhydride entstehen: O
 
 n
 
 17.7.5
 
 O C (CH 2)x C HO OH x>3
 
 O
 
 O C (CH 2)x C [O O ]n
 
 − n H2O
 
 Bildung von Säureamiden
 
 Carbonsäureamide entstehen über Ammoniumcarboxylate aus Carbonsäuren und Ammoniak: O R C
 
 O +
 
 NH 3
 
 OH
 
 O
 
 Hitze , − H2O
 
 R C O NH 4 Ammoniumcarboxylat
 
 R C NH2 Carbonsäureamid
 
 Die Aminolyse von Carbonsäurehalogeniden oder Anhydriden macht N-Alkylcarbonsäureamide zugänglich (Kap. 17.8.3). Bei Einwirkung stark wasserbindender Reagenzien (Diphosphorpentoxid oder Triphenylphosphan in Tetrachlormethan) dehydratisieren die Säureamide unter Bildung von Nitrilen. 2,4,6-Trimethylbenzonitril wird auf diese Weise dargestellt: CH3 H3C
 
 CH3
 
 O
 
 P2O5 , Hitze
 
 C
 
 − H2 O
 
 NH 2
 
 CH3
 
 C N
 
 H 3C
 
 CH3 2,4,6-Trimethylbenzonitril (Mesitylcyanid)
 
 Als Lactame werden "innere Säureamide" bezeichnet, die durch intramolekulare Dehydratisierung von γ- und δ-Aminocarbonsäuren unter Bildung fünf- und sechsgliedriger Ringe entstehen. γButyro- und δ-Valerolactam sind Beispiele. Aus den heterocyclischen Grundskeletten Pyrrolidin und Piperidin (Kap. 33.1) ergeben sich die Alternativbezeichnungen Pyrrolidin-2-on und Piperidin-2-on. CO2H NH2
 
 − H2O
 
 N
 
 H γ-Butyrolactam (Pyrrolidin-2-on)
 
 γ-Aminobuttersäure (4-Aminobutansäure)
 
 17.7.6
 
 − H2O
 
 C O
 
 CO2H NH 2
 
 δ-Aminovaleriansäure (5-Aminopentansäure)
 
 N
 
 C
 
 O
 
 H δ-Valerolactam (Piperidin-2-on)
 
 Decarboxylierung
 
 Unter Decarboxylierung versteht man die Abspaltung von Kohlendioxid (CO2) aus einer Carbonsäure: R CO2H
 
 R H
 
 +
 
 CO2
 
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 258
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 Diese CO2-Eliminierung erfordert bei unsubstituierten Carbonsäuren hohe Temperaturen. Ist das α-C-Atom der Carbonsäure jedoch mit einem elektronenziehenden Substituenten (Halogen, −NO2, −CN, −COOH) verknüpft, so setzt bereits bei moderaten Temperaturen die Decarboxylierung ein: Cl3C CO2H Trichloressigsäure O2N CH2 CO2H
 
 100 - 150 °C
 
 100 - 150 °C
 
 Nitroessigsäure
 
 N C CH2 CO2H
 
 100 - 150 °C
 
 Cyanessigsäure
 
 CO2H
 
 +
 
 CO2
 
 O2N CH 3 Nitromethan
 
 +
 
 CO2
 
 N C CH 3
 
 +
 
 CO2
 
 +
 
 CO2
 
 Acetonitril
 
 100 - 150 °C
 
 R CH CO2H
 
 Cl3C H Chloroform
 
 R CH 2 CO2H
 
 subst. Malonsäure
 
 subst. Essigsäure
 
 Auch das Silbersalz einer Carbonsäure decarboxyliert bei der Reaktion mit einem Halogen unter Bildung des entsprechenden Halogenalkans (HUNSDIECKER-Decarboxylierung): R CO2 Ag
 
 +
 
 Br2
 
 R Br
 
 +
 
 Ag Br
 
 +
 
 CO2
 
 Diese Reaktion eignet sich zur Darstellung schwer zugänglicher Alkyl- oder Cycloalkylhalogenide.
 
 17.8 Nucleophile Substitution von Carbonsäurehalogeniden Das Halogenid von Carbonsäurehalogeniden läßt sich als Halogenid-Anion leicht nucleophil substituieren, besonders in Gegenwart einer Base: O R C
 
 +
 
 O
 
 (Base)
 
 H Y
 
 +
 
 R C
 
 X
 
 X = Cl , Br
 
 H X
 
 Y
 
 Diesem Prinzip folgt die Darstellung nahezu aller Carbonsäure-Derivate aus Carbonsäurehalogeniden (Tab. 17.4).
 
 17.8.1
 
 Hydrolyse und Perhydrolyse
 
 Die Hydrolyse von Carbonsäurehalogeniden führt zu den entsprechenden Carbonsäuren, z. B.: O
 
 O C C
 
 O +
 
 2 H 2O
 
 O C C
 
 Cl Cl Oxalylchlorid
 
 +
 
 2 HCl
 
 OH HO Oxalsäure
 
 In Gegenwart einer Base reagieren Säurehalogenide mit konzentrierter WasserstoffperoxidLösung ("Perhydrol") über Peroxycarbonsäuren zu Diacylperoxiden, z. B.: −
 
 O 2
 
 C
 
 (OH )
 
 + Cl
 
 H2O2
 
 − 2 HCl
 
 O O C
 
 C O O Dibenzoylperoxid
 
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 17.8 Nucleophile Substitution von Carbonsäurehalogeniden
 
 259
 
 Diacylperoxide zerfallen beim Erhitzen in Radikale. Sie werden daher als Initiatoren bei radikalischen Vinyl-Polymerisationen verwendet.
 
 17.8.2
 
 Alkoholyse
 
 Alkohole reagieren mit Carbonsäurehalogeniden in Gegenwart einer Base zu Estern: O R C
 
 (Base)
 
 +
 
 HO R'
 
 Cl
 
 O R C OR'
 
 +
 
 H Cl
 
 Mit 3,5-Dinitrobenzoylchlorid lassen sich Alkohole als 3,5-Dinitrobenzoate auskristallisieren (nachweisen) und anhand der charakteristischen Schmelzpunkte identifizieren: O2N
 
 (OH )
 
 C O2N
 
 O2N
 
 −
 
 O +
 
 HO CH 2 CH3
 
 Cl
 
 − HCl
 
 O2N
 
 O C O CH2 CH 3
 
 Ethyl-3,5-dinitrobenzoat (3,5-Dinitrobenzoesäureethylester)
 
 17.8.3
 
 Ammonolyse und Aminolyse
 
 Die Umsetzung von Carbonsäurehalogeniden mit Ammoniak (Ammonolyse) oder primären und sekundären Aminen (Aminolyse) ergibt Carbonsäureamide (Carboxamide): −
 
 O R C
 
 − NH4+ X
 
 +
 
 2 NH 3
 
 +
 
 2 H2N R'
 
 +
 
 2H N
 
 X −
 
 O R C
 
 − R'NH3+ X
 
 X R'
 
 O R C
 
 R'
 
 X
 
 −
 
 − R' 2NH2+ X
 
 O R C NH2
 
 Carboxamid (Carbonsäureamid)
 
 O R C NHR'
 
 N-Alkylcarboxamid
 
 O R C NR'2
 
 N,N-Dialkylcarboxamid
 
 Primäre und sekundäre Amine reagieren z. B. mit Benzoylchlorid in Gegenwart einer Base (OH−, Pyridin) zu den kristallinen Benzamiden (SCHOTTEN-BAUMANN-Benzoylierung). O C
 
 + Cl
 
 C2H 5 H N C2H 5
 
 (Pyridin) − HCl
 
 O C N C 2H 5 H 5C2 N,N-Diethylbenzamid
 
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 260
 
 17.8.4
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 Hydrazinolyse
 
 Durch Reaktion von Hydrazin mit Carbonsäurehalogeniden erhält man Carbonsäurehydrazide; überschüssiges Hydrazin bindet den freigesetzten Chlorwasserstoff als Hydrazinhydrochlorid: O H3C C Cl
 
 17.8.5
 
 +
 
 2 H2N NH2
 
 − H2N
 
 NH3+ Cl
 
 −
 
 O H 3C C
 
 NH NH2 Acethydrazid (Essigsäurehydrazid)
 
 Reaktion mit Hydroxylamin
 
 In Gegenwart einer Base (OH−, Pyridin) reagieren Carbonsäurehalogenide mit Hydroxylamin zu Hydroxamsäuren, die in zwei tautomeren Formen existieren (Hydroxamsäure-Oximino-Tautomerie) und mit Eisen(III)salzen rotviolette Chelate bilden: O R C Cl
 
 +
 
 2 H 2N OH
 
 − HO
 
 +
 
 NH3 Cl
 
 −
 
 OH
 
 O R C NH OH HydroxamsäureTautomer
 
 +++
 
 + 1/3 Fe
 
 R C N OH OximinoTautomer
 
 H O C Fe/3 N O HydroxamsäureEisen(III)-Chelat R
 
 Diese Reaktion eignet sich zum Nachweis der Carbonsäuren über die mit Thionylchlorid auch im analytischen Maßstab gut darstellbaren Säurechloride.
 
 17.8.6
 
 Reaktion mit Alkaliaziden
 
 Das Azid-Anion, N3−, substituiert das Halogenid-Anion in Säurehalogeniden nucleophil. Dabei entstehen die explosiven Säureazide, z. B.: O C
 
 +
 
 Na
 
 _ _ N _ N N _
 
 O C_ N _ N N _
 
 O
 
 − Na Cl
 
 C
 
 Cl
 
 _ N _ N N _
 
 mesomere Grenzformeln des Benzoylazids
 
 17.8.7
 
 Katalytische Hydrierung (ROSENMUND-Reduktion)
 
 Eine allgemeine Methode zur Darstellung von Aldehyden (R−CH=O) ist die katalytische Hydrierung von Carbonsäurehalogeniden. Als Katalysator dient mit Bariumsulfat desaktiviertes Palladium. Die Desaktivierung unterdrückt eine Weiterreduktion des Aldehyds (Kap. 20.5.4). O C C
 
 O Cl Cl
 
 O o-Phthaloyldichlorid (Phthalsäuredichlorid)
 
 Pd / BaSO4
 
 +
 
 H2
 
 − 2 HCl
 
 C C
 
 H H
 
 O o-Phthaldialdehyd
 
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 17.9 Nucleophile Substitution von Carbonsäureestern
 
 17.8.8
 
 261
 
 Carbonsäurehalogenide als Reagenzien zur C-Acylierung
 
 In Gegenwart von LEWIS-Säuren als Katalysatoren (AlCl3) reagieren Carbonsäurehalogenide mit aromatischen Kohlenwasserstoffen zu aromatischen Ketonen (Phenonen). Diese Art der elektrophilen Substitution ist als FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung (Kap. 11.1.6) bekannt, z. B.:
 
 C
 
 AlCl3
 
 +
 
 Cl
 
 − HCl
 
 C
 
 O Benzoylchlorid
 
 O Benzophenon
 
 17.9 Nucleophile Substitution von Carbonsäureestern 17.9.1
 
 Esterverseifung
 
 Sowohl Säuren als auch Basen katalysieren die Esterhydrolyse: Die säurekatalysierte Verseifung ist die Rückreaktion der säurekatalysierten Veresterung (Kap. 17.7.1). Die basenkatalysierte Verseifung von Carbonsäuren verläuft als SN2-Substitution des Hydroxid-Anions am Carbonyl-C unter nachfolgender Spaltung der Acyl-Sauerstoff-Bindung. Bei dieser O-Acyl-Spaltung bleibt die absolute Konfiguration am Alkohol-C-Atom erhalten (Retention). Dies läßt sich an identischen spezifischen Drehungen eines enantiomerenreinen Alkohols (Kap. 18.2) vor Acylierung mit dem Carbonsäurechlorid R−COCl und nach basenkatalysierter Verseifung des resultierenden Esters nachweisen: HO
 
 O H C R' O C
 
 R
 
 +
 
 Verseifung
 
 R
 
 H
 
 O H C O
 
 +
 
 O C
 
 R'
 
 R"
 
 R" − HCl (Base)
 
 Acylierung
 
 H
 
 O R
 
 +
 
 C Cl
 
 HO C
 
 R'
 
 H +
 
 R CO2
 
 R" (S)-Alkohol (R" > R')
 
 HO C
 
 R'
 
 R" (S)-Alkohol
 
 Der (hypothetische) Angriff des Hydroxid-Anions am asymmetrischen Alkoxy-C hätte dagegen die Spaltung der O-Alkyl-Bindung und damit WALDEN-Umkehr der absoluten Konfiguration, (Kap. 18.9.1) zur Folge: R
 
 O H C R' O C R" (S)-Ester
 
 +
 
 OH
 
 WALDEN-Umkehr oder Racemisierung
 
 R CO2
 
 +
 
 H R'
 
 C OH
 
 R" (R)-Alkohol
 
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 262
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 Die Verseifung von Fetten, den Glycerolestern (Glyceride) langkettiger Carbonsäuren (Fettsäuren, Kap. 42.4) wie Palmitin-, Stearin- und Ölsäure, mit Natron- bzw. Kalilauge ergibt neben Glycerol die Natrium-Salze dieser Säuren als Kernseife und die Kalium-Salze als Schmierseife, z. B.: O O
 
 H 2C O C
 
 H35C 17
 
 H2C OH
 
 C17H 35 O
 
 C O CH
 
 +
 
 3 NaOH
 
 3 C17H 35 CO2 Na
 
 +
 
 HO CH H2C OH
 
 H 2C O C
 
 C17H 35 Glyceroltristearat
 
 Natriumstearat
 
 Glycerol
 
 Seifen senken die Oberflächenspannung des Wassers und emulgieren Schmutzteilchen durch Bildung von Micellen (Kap. 42.7). Darauf beruht ihre reinigende Wirkung.
 
 17.9.2
 
 Ammonolyse (Aminolyse) von Estern
 
 Nach einem der basenkatalysierten Verseifung analogen Mechanismus (SN2) verläuft die zu Amiden führende Ammonolyse (Aminolyse) der Carbonsäureester mit Ammoniak (Aminen), z. B.: O H3C C OC2H 5 Ethylacetat
 
 17.9.3
 
 +
 
 O H3C C NH2 Acetamid
 
 NH 3
 
 +
 
 C2H 5OH
 
 Umesterung
 
 Unter Umesterung versteht man die Reaktion des Esters R−COOR´ mit einem Alkohol R"−OH unter Bildung des Esters R−COOR" und des Alkohols R´−OH: [H+]
 
 O R C
 
 +
 
 R" OH
 
 O +
 
 R C
 
 OR'
 
 R'
 
 OH
 
 OR"
 
 Die Umesterung ist basen- oder säurekatalysiert und eine Gleichgewichtsreaktion. Säurekatalysiert verläuft sie nach dem für die säurekatalysierte Veresterung und Verseifung beschriebenen Mechanismus (Kap. 17.7.1). Um das Gleichgewicht zugunsten des neuen Esters R−COOR" zu verlagern, muß ein großer Überschuß an Alkohol R"−OH eingesetzt und eines der Reaktionsprodukte (R−COOR" oder R´−OH) durch Destillation oder Fällung der Rückreaktion entzogen werden. Eine Umesterung technischen Maßstabs ist die Herstellung des Polyesters "Dacron" aus Terephthalsäuredimethylester und Glykol. Dabei wird das gebildete Methanol kontinuierlich abdestilliert. O
 
 O n
 
 C H3CO
 
 C
 
 + OCH3
 
 Terephthalsäuredimethylester (Dimethylterephthalat)
 
 n HO CH 2 CH2 OH
 
 [ HCl ] − 2n CH3OH
 
 O
 
 [
 
 O C C CH2 CH2 O O ]n Polyglykolterephthalat
 
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 17.10 Reduktion von Carbonsäureestern
 
 17.9.4
 
 263
 
 Reaktion mit GRIGNARD-Verbindungen
 
 Der nucleophile Angriff der Alkyl- oder Aryl-Gruppe einer GRIGNARD-Verbindung R"MgX am Carbonyl-Kohlenstoff eines Esters R−COOR´ ergibt zunächst ein Keton: O R C
 
 +
 
 O R C R" Keton
 
 R" Mg X
 
 OR' CarbonsäureAlkylester magnesiumhalogenid
 
 +
 
 R'O
 
 Mg 2
 
 +
 
 +
 
 X
 
 Die anschließende nucleophile Addition eines weiteren Äquivalents Alkylmagnesiumhalogenid an das Keton führt zu einem tertiären Alkohol: R"
 
 O R C
 
 +
 
 R" Mg X
 
 + H2O
 
 R C R"
 
 R"
 
 O Mg X
 
 R" R C R"
 
 +
 
 OH
 
 +
 
 Mg 2
 
 +
 
 X
 
 OH tert. Alkohol
 
 Diese Reaktionsfolge ist ein Weg zur Synthese tertiärer Alkohole mit Substituenten R und R", welche durch die Edukte R−COOR´ und R"MgX vorgegeben sind. Zur Synthese von 4-Isopropyl4-heptanol geht man z. B. von Isobuttersäureethylester und Propylmagnesiumbromid aus: O (H 3C)2CH C OC2H 5 2-Methylpropansäureethylester (Isobuttersäureethylester)
 
 + H3C
 
 CH2
 
 O
 
 CH2 MgBr
 
 −
 
 − C2H5O , − Mg
 
 2+
 
 , − Br
 
 (H3C)2CH C
 
 −
 
 CH 2 CH 2 CH3 + H3C
 
 OH (H 3C)2CH C CH 2 CH 2 CH3 CH 2 CH 2 CH3 4-i-Propyl-4-heptanol
 
 CH2 MgBr
 
 O Mg Br
 
 + H2O −
 
 CH2
 
 − OH , − Mg 2+ , − Br
 
 −
 
 (H 3C)2CH C CH2 CH 2 CH 3 CH2 CH 2 CH 3
 
 17.10 Reduktion von Carbonsäureestern 17.10.1 Reduktion zu primären Alkoholen Carbonsäureester lassen sich im Labormaßstab in guten Ausbeuten mit Lithiumaluminiumhydrid oder Natriumborhydrid zu den primären Alkoholen reduzieren. Bei dieser Reduktion addiert ein Hydrid-Anion zweimal nucleophil an das Carbonyl-C-Atom, zuerst im Ester, dann im intermediären Aldehyd. O + IH R C OR' Carbonsäureester
 
 LiAlH 4 oder NaBH4
 
 H R C O OR'
 
 −
 
 − R'O
 
 H R C O Aldehyd
 
 + HI
 
 H R C O H
 
 + H 2O − OH
 
 −
 
 R CH 2 OH prim. Alkohol
 
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 264
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 In technischem Maßstab werden Carbonsäureester bei hohen Temperaturen und Drücken katalytisch zu den primären Alkoholen hydriert, z. B.: O C OC2H 5 2-Methylpropansäureethylester (H 3C)2 CH
 
 +
 
 2 H2
 
 CuO / CuCr 2 O4 , Druck , Hitze
 
 (H 3C)2 CH
 
 CH 2
 
 OH
 
 +
 
 C 2H5OH
 
 2-Methylpropanol
 
 17.10.2 Reduktive Kupplung (Acyloin-Kondensation) Carbonsäureester reagieren mit Natrium in siedendem Toluen oder Xylen zu Acyloinen (αHydroxyketonen). Wahrscheinlich reduziert Natrium die Ester-Funktion zunächst zum NatriumSalz eines Radikal-Anions, das zum Dianion (als Natrium-Salz) dimerisiert. Das nach Abspaltung zweier Äquivalente Alkoholat gebildete Diketon wird mit Natrium zum Dienolat-Dianion reduziert. Dessen Hydrolyse führt zum Bisenol als Tautomer des Acyloins. ONa 2 R C OR' Radikal-Anion
 
 NaO
 
 ONa C C OR' R'O R R
 
 .
 
 O
 
 O C C R R Diketon
 
 − 2 NaOR'
 
 NaO
 
 ONa C C R R
 
 + 2 Na
 
 + 2 Na
 
 + 2 H2O
 
 HO
 
 O 2 R C OR' Carbonsäureester ( R = Alkyl)
 
 H
 
 − 2 NaOH
 
 HO
 
 OH C C R R Bisenol
 
 O C C
 
 R R Acyloin (α-Hydroxyketon)
 
 Mit Trimethylchlorsilan (Kap. 31.2.1) verbessern sich die Ausbeuten erheblich. Als reaktive Zwischenstufe bildet sich dann der isolierbare Bistrimethylsilylenolether (Kap. 31.4.3), der mit wäßriger Säure zum Acyloin hydrolysiert wird. O 2 R C OR'
 
 + 4 Na, + 4 ClSi(CH3)3 − 4 NaCl, − 2 R'OSi(CH3)3
 
 (CH3)3SiO
 
 OSi(CH3)3 C C R R Bistrimethylsilylenolether
 
 +
 
 + 2 H2O (H3O ) − 2 (CH3)3SiOH
 
 HO H
 
 O C C
 
 R
 
 R
 
 Die intramolekulare Acyloin-Kondensation von Decandisäurediestern und anderen α,ω-Diestern eignet sich gut zur Synthese von Cycloalkanen mit zehn und mehr Ring-C-Atomen (Kap. 8.6.6).
 
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 17.11 CH-Acidität von Carbonsäureestern, Folgereaktionen
 
 265
 
 17.11 CH-Acidität von Carbonsäureestern, Folgereaktionen Die α-CH-Fragmente von Carbonsäureestern sind schwach sauer; gegenüber sehr starken Basen wie Alkalialkoholaten oder Alkaliamiden in wasserfreien Lösemitteln sind die Carbonsäureester daher Protonendonoren und bilden dabei Carbanionen. Diese α-CH-Acidität von Estern ist eine Folge der Mesomeriestabilisierung der durch Deprotonierung entstehenden Carbanionen, wobei das Carbonyl-O-Atom die negative Ladung unter Bildung eines Enolat-Anions teilweise übernimmt. RO
 
 RO
 
 RO C O
 
 +
 
 _ C OI CI H
 
 IB
 
 C H H
 
 _ C OI _
 
 +
 
 H B
 
 C H
 
 Carbanion
 
 Enolat-Anion
 
 Die α-CH-Acidität ist besonders ausgeprägt bei 1,3-Dicarbonsäurediestern (Malonestern), da in diesen Fällen zwei Carbonyl-O-Atome die negative Ladung des Carbanions übernehmen können. Mit Natriumalkoholaten erhält man z. B. das mesomeriestabilisierte Carbanion im Natriumsalz des Malonsäurediesters.
 
 C O H2C
 
 RO
 
 RO
 
 RO
 
 C O
 
 C OI _
 
 + NaOR − ROH
 
 RO
 
 H CI C OI _ RO
 
 RO
 
 _ C OI _
 
 RO
 
 C OI _
 
 H C
 
 H C C OI _
 
 RO
 
 _ C OI _
 
 Na
 
 O
 
 oder
 
 H
 
 Na
 
 O
 
 RO
 
 RO
 
 mesomere Grenzformeln des Dialkylmalonat-Anions
 
 Die im Vergleich zu Malonsäurediethylester (pKS = 13.3) erheblich stärkere CH-Acidität des als MELDRUM-Säure bekannten Isopropylidenmalonats (pKS = 4.8) ist wahrscheinlich eine Folge des Sechsring-Sessels dieses cyclischen Esters, der die Bildung des pyramidalen, sp3-hybridisierten carbanionischen C-Atoms (Kap. 1.8.2) erleichtert. MELDRUM-Säure wird aus Malonsäure und Aceton in Eisessig hergestellt und wegen ihrer stärkeren CH-Acidität oft anstelle von Malonsäurediestern als Synthesereagenz eingesetzt. O
 
 O C OH +
 
 H 2C C OH
 
 CH3 O C CH3
 
 − H 2O
 
 Aceton
 
 O C O
 
 H 2C
 
 C C O
 
 O
 
 O Malonsäure
 
 CH3CO2H
 
 CH3 CH3
 
 H
 
 O
 
 CH3 O
 
 O
 
 CH 3
 
 H
 
 Isopropylidenmalonat (MELDRUM-Säure)
 
 Aufgrund ihrer α-CH-Acidität sind Carbonsäureester sowie insbesondere Malonsäurediester und MELDRUM-Säure der elektrophilen Substitution in α-Stellung zu den Carbonyl-Funktionen zugänglich, wie die folgenden als Ester-Kondensationen bzw. Malonester-Synthesen bekannten Reaktionen zeigen. Dabei addiert immer das in situ aus der Deprotonierung des CH-aciden Esters hervorgegangene Carbanion als Nucleophil an ein elektrophiles C-Atom (in Halogenalkan, Carbonyl-Verbindung oder Alken, Kap. 17.11.1 - 17.11.5)
 
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 266
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 17.11.1 C-Alkylierung von Malonestern In Gegenwart äquimolarer Mengen Natriumalkoholat lassen sich Dialkylmalonate durch Halogenalkane in die Alkylmalonsäurediester überführen. Diese C-Alkylierung wurde bereits als Methode zur Darstellung von Carbonsäuren besprochen (Kap. 17.5.7). RO O R'
 
 X
 
 +
 
 Na
 
 CO2R
 
 − Na X
 
 H O
 
 R'
 
 CH
 
 CO2R Alkylmalonsäurediester
 
 RO
 
 17.11.2 KNOEVENAGEL-Alkenylierung Dialkylmalonat-Anionen können nucleophil an das Carbonyl-C eines Aldehyds oder Ketons addieren. Die dabei entstehenden β-Hydroxyalkylmalonsäurediester dehydratisieren unter Bildung der Alkylidenmalonsäurediester. Diese KNOEVENAGEL-Alkenylierung (auch KNOEVENAGEL-Kondensation) ist u. a. eine Methode zur Darstellung α,β-ungesättigter Carbonsäuren (Kap. 17.5.8). CO2R C O
 
 C OI
 
 +
 
 Base
 
 H C H CO2R
 
 Carbonyl-Mesomerie
 
 H C C CO2R
 
 − H2O
 
 C C
 
 CO2R
 
 CO2R Alkylidenmalonsäurediester
 
 HO CO2R
 
 Aldehyd oder Keton
 
 17.11.3 MICHAEL-Addition Als C-Nucleophile können Dialkylmalonate an die elektrophile (aktivierte) Doppelbindung eines Alkens addieren (MICHAEL-Addition). Dabei entstehen C-alkylierte Malonester: CO2R X CH CH 2
 
 X CH CH 2
 
 +
 
 IC H H CO2R C-Nucleophil
 
 aktiviertes (elektrophiles) Alken
 
 CO2R X CH 2
 
 CH 2
 
 C H
 
 CO2R C-alkylierter Malonsäurediester
 
 Acrylsäurenitril (X = CN) ist z. B. ein elektrophiles Alken und addiert Malonsäurediethylester als Nucleophil unter Bildung des β-Cyanoethylmalonsäurediethylesters: IN C CH CH2
 
 _ IN C CH CH2
 
 Acrylnitril (Cyanoethen)
 
 Elektrophil
 
 CO2C2H5 +
 
 H2C
 
 N C CO2C 2H5
 
 β
 
 CH2
 
 α
 
 CH 2
 
 CO2C2H 5 C H
 
 CO2C2H5 β-Cyanoethylmalonsäurediethylester [(2-Cyanoethyl)-malonsäurediethylester]
 
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 17.11 CH-Acidität von Carbonsäureestern, Folgereaktionen
 
 267
 
 17.11.4 CLAISEN-Esterkondensation Genügend starke Basen (OC2H5−, NH2−) abstrahieren auch das α-Proton eines Monoesters unter Bildung eines mesomeriestabilisierten Carbanions: R H H
 
 O
 
 R O IC C H OR' Carbanion
 
 − R'OH
 
 C C
 
 +
 
 R'O
 
 OR'
 
 R
 
 O C C
 
 H OR' Enolat-Anion
 
 Ein solches Carbanion kann nucleophil am Carbonyl-C eines anderen Ester-Moleküls angreifen. Durch Abspaltung eines Alkoxid-Anions bildet sich ein β-Ketoester (CLAISEN-Esterkondensation). OR'
 
 OR'
 
 R O IC C H OR'
 
 +
 
 R CH 2 C O
 
 R CH2 C CH CO2R'
 
 − R'O
 
 R CH2 C CH CO2R' OI _ R
 
 IOI _ R
 
 β-Ketoester
 
 Der einfachste Fall einer Esterkondensation ist die Reaktion zweier Moleküle Essigsäureethylester zu Acetylessigsäureethylester ("Acetessigester"): OC2H5 H3C
 
 C O
 
 OC2H 5 +
 
 CH 2 H
 
 C O
 
 NaOC2H5 , − C 2H5OH
 
 H3C
 
 CH 2 CO2C2H5
 
 C
 
 O 3-Oxobutansäureethylester (Acetessigester)
 
 Die CH-Acidität der von beiden Carbonyl-Funktionen flankierten CH2-Gruppe des Acetessigesters macht eine intramolekulare Protonenwanderung vom α-C zum Carbonyl-O-Atom möglich. Der β-Ketoester existiert daher als Gleichgewichtsgemisch aus Keto- und Enol-Tautomer (KetoEnol- oder Oxo-Enol-Tautomerie, Kap. 19.5.3): H H H3C
 
 C O
 
 C
 
 C
 
 H H 3C
 
 OC2H 5
 
 O
 
 C O
 
 C _ H
 
 H C
 
 H3C
 
 OC2H 5
 
 O
 
 C
 
 C
 
 C
 
 OC 2H5
 
 O H Enol-Tautomer O
 
 Keto-Tautomer (Oxo-Form)
 
 17.11.5 Intramolekulare Kondensation von Diestern (DIECKMANN-Kondensation) Nach einer der CLAISEN-Kondensation analogen Reaktion cyclisieren vor allem 1,4- und 1,5-Dicarbonsäurediester zu cyclischen fünf- bzw. sechsgliedrigen β-Ketoestern: CH2 CO2R (CH2)n OR C O
 
 + RO − ROH
 
 CH CO2R _ (CH2)n OR C O
 
 n=3,4
 
 CH CO2R (CH2)n OR C
 
 − RO
 
 CH CO2R (CH2)n C
 
 IOI _
 
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 O
 
 268
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 Die DIECKMANN-Cyclokondensation des Adipinsäurediethylesters führt z. B. zu 2-Ethoxycarbonylcyclopentanon; nach Verseifung dieses β-Ketoesters und Decarboxylierung der β-Ketosäure erhält man Cyclopentanon: CO2C 2H5 CO2H
 
 − CO2C2H 5 CH2 NaOC2H5 , − C2H5OH + H2O (OH ) OC 2H5 − C2H5OH C O O Adipinsäurediethylester 2-Ethoxycarbonylcyclopentanon
 
 − CO2
 
 O
 
 O Cyclopentanon
 
 DIECKMANN-Esterkondensationen bewähren sich zur Synthese substituierter Cyclopentane und Cyclohexane. Bei kleineren und größeren Ringen sind die Ausbeuten deutlich geringer.
 
 17.12 Spezielle Reaktionen von Dicarbonsäuren und Derivaten 17.12.1 Thermische Decarboxylierung und Cyclokondensation Erhitzt man Dicarbonsäuren HOOC−(CH2)n−COOH, so hängen die Reaktionsprodukte von der Anzahl n der C-Atome zwischen beiden Carboxy-Gruppen ab. Ist n = 0 oder 1, so erfolgt eine thermische Decarboxylierung. Oxalsäure (n = 0) ergibt Ameisensäure, Malonsäure (n = 1) Essigsäure: HO2C CO2H HO2C CH 2 CO2H
 
 190 °C 140 °C
 
 H CO2H
 
 +
 
 CO2
 
 H3C CO2H
 
 +
 
 CO2
 
 Ist n = 2 oder 3, so bilden sich aus den Dicarbonsäuren unter intramolekularer Dehydratisierung fünf- oder sechsgliedrige cyclische Dicarbonsäureanhydride. Bernsteinsäure, Phthalsäure (Kap. 17.7.4) sowie Maleinsäure und Glutarsäure cyclokondensieren beim Erhitzen unter Bildung der cyclischen Anhydride: O H H
 
 C C
 
 C C O
 
 O OH OH
 
 − H2O
 
 CO2H
 
 O C
 
 O Maleinsäureanhydrid
 
 O
 
 OH
 
 O
 
 − H2O
 
 O O Glutarsäureanhydrid
 
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 17.12 Spezielle Reaktionen von Dicarbonsäuren und Derivaten
 
 269
 
 17.12.2 Bildung cyclischer Dicarbonsäureimide In Analogie zu den Säureamiden (Kap. 17.7.5) bilden sich durch Erhitzen der DiammoniumDicarboxylate cyclische Dicarbonsäureimide, sofern sich zwei oder drei C-Atome zwischen den Carboxy-Gruppen befinden, so daß Fünf- oder Sechs-Ringe entstehen, z. B.: O H 2C H 2C
 
 C C
 
 O
 
 O O O
 
 NH 4
 
 C
 
 100-150 °C
 
 NH
 
 − NH 3 , − H2O
 
 NH 4
 
 C
 
 O
 
 O Diammoniumsuccinat
 
 O NH4
 
 O O
 
 NH4
 
 100-150 °C
 
 NH
 
 − NH 3 , − H2O
 
 O
 
 O Diammoniumphthalat
 
 Succinimid (Bernsteinsäureimid)
 
 Phthalimid
 
 17.12.3 Reaktionen cyclischer Dicarbonsäureimide Carbonsäureimide sind NH-Säuren, da die O-Atome der beiden benachbarten Carbonyl-Gruppen die negative Ladung des durch Deprotonierung entstehenden Imid-Anions übernehmen können. Das Imid-Anion ist also mesomeriestabilisiert: O
 
 O + OH
 
 NH
 
 O
 
 O
 
 −
 
 INI
 
 − H2O
 
 NI
 
 O
 
 O
 
 NI
 
 O
 
 O
 
 mesomere Grenzformeln des Succinimid-Anions
 
 Das bei der Neutralisation von Phthalimid mit KOH entstehende Kaliumphthalimid reagiert mit Halogenalkanen als Stickstoff-Nucleophil zur Einführung der primären Amino-Gruppe (−NH2). Diese GABRIEL-Synthese primärer Amine R−NH2 (Kap. 22.4.2) führt zunächst zum N-Alkylphthalimid, das in Gegenwart von Mineralsäuren zu Phthalsäure sowie dem primären Amin in Form seines Salzes hydrolysiert. Die Freisetzung des primären Amins gelingt besonders gut mit Hydrazin unter Bildung des Phthalsäurehydrazids. O INI
 
 O K
 
 +
 
 X
 
 −KX
 
 R
 
 O Kaliumphthalimid
 
 CO2H
 
 + 2 H2O
 
 N R
 
 + CO2H
 
 O N-Alkylphthalimid
 
 H2N R primäres Amin
 
 Die Reaktion von Succinimid mit Brom in wäßriger Natronlauge führt zu N-Bromsuccinimid: O NH O
 
 O +
 
 Br2
 
 +
 
 NaOH
 
 N Br
 
 +
 
 NaBr
 
 +
 
 H2O
 
 O N-Bromsuccinimid
 
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 270
 
 17 Carbonsäuren und ihre Derivate
 
 N-Bromsuccinimid spaltet beim Erhitzen homolytisch Brom ab. Die dabei langsam entstehenden Brom-Radikale substituieren selektiv am Allyl-Kohlenstoff-Atom eines Alkens (NBS-Bromierung nach WOHL-ZIEGLER), z. B.: O H 3C
 
 H C C CO2CH 3 H
 
 +
 
 N Br
 
 O
 
 O
 
 trans-Crotonsäuremethylester
 
 Br H2C
 
 H C C CO2CH3 H
 
 Hitze
 
 +
 
 N H
 
 trans-γ-Bromcrotonsäuremethylester
 
 O
 
 Zudem können mit N-Bromsuccinimid sekundäre Alkohole schonend zu Ketonen oxidiert werden (BARAKAT-Dehydrierung): O
 
 R'
 
 O R'
 
 +
 
 R C OH
 
 N Br
 
 H sek. Alkohol
 
 C O
 
 − HBr
 
 +
 
 R Keton
 
 O
 
 N H O
 
 17.12.4 Maleinsäureanhydrid als elektronenarmes Dienophil Maleinsäureanhydrid und seine Analoga wie Maleinsäureimid sind wegen des (−)-M-Effekts der beiden Ring-Carbonyl-Gruppen elektronenarme Dienophile, d. h. sie cycloaddieren an elektronenreiche 1,3-Diene (DIELS-ALDER-Reaktion oder [4+2]-Cycloaddition). Mit 1,3-Butadien entstehen so Tetrahydrophthalsäureanhydrid (Y = O) bzw. Tetrahydrophthalimid (Y = NH, Kap. 6.5.4, 8.6.4): O
 
 O
 
 H +
 
 1,3-Butadien (s-cis-Konformer)
 
 O
 
 O
 
 Y = O , NH
 
 O Y
 
 Y
 
 Y H
 
 H
 
 H O Tetrahydrophthalsäureanhydrid (Y = O) Tetrahydrophthalimid (Y = NH)
 
 17.12.5 Maleinsäureanhydrid als elektronenarmes Enophil bei En-Reaktionen Prädestiniert als Enophile zur En-Reaktion (Kap. 4.5.12) sind Verbindungen mit elektronenarmen Doppelbindungen wie Maleinsäureanhydrid, dessen En-Reaktion mit Propen zum Allylbernsteinsäureanhydrid führt: O H
 
 +
 
 Propen
 
 O
 
 O
 
 H
 
 O O Maleinsäureanhydrid
 
 O O
 
 O O Allylbernsteinsäureanhydrid
 
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 18.1 Asymmetrische C-Atome und Chiralität
 
 271
 
 18 Chiralität 18.1 Asymmetrische C-Atome und Chiralität Ein tetraedrisches C-Atom mit vier verschiedenen Substituenten wie C-2 in 2-Butanol (Substituenten: H, CH3, C2H5 und OH) wird traditionell als asymmetrisch bezeichnet. Wie KeilstrichProjektionsformeln des 2-Butanols und Molekülmodelle (Abb. 18.1) zeigen, gibt es infolge des asymmetrischen C-Atoms zwei Isomere, die sich wie Bild und Spiegelbild voneinander unterscheiden, und die nicht zur Deckung gebracht werden können. Diese Spiegelbildisomere nennt man Enantiomere (griech. εναντιοζ = gegenüberliegend; µεροζ = Teil). C 2H5
 
 Spiegelebene C2H 5
 
 C
 
 H H 3C OH Bild
 
 2-Butanol
 
 C H CH 3 HO Spiegelbild
 
 Abb. 18.1. Stab- und Kalottenmodelle der Enantiomeren des 2-Butanols (Kohlenstoff : schwarz; Sauerstoff : rot; Wasserstoff : weiß)
 
 Ein asymmetrisches C-Atom (Asymmetrie- oder stereogenes Zentrum) ist eine, nicht die einzige Voraussetzung für Chiralität ("Händigkeit" im Sinne der Spiegelbildlichkeit von griech. χειρ = Hand, weil sich Enantiomere wie rechte und linke Hand unterscheiden). Jedes Molekül, das mit seinem Spiegelbild nicht deckungsgleich ist, wird als chiral bezeichnet. Die meisten physikalischen Eigenschaften (Brechungsindizes, Molekülspektren, Schmelzpunkte, Siedepunkte) von Enantiomeren sind gleich; Enantiomere unterscheiden sich jedoch durch ihre optische Aktivität.
 
 18.2 Optische Aktivität und spezifische Drehung Unter optischer Aktivität versteht man die Fähigkeit einer Verbindung, die Ebene linear polarisierten Lichts um einen bestimmten Winkel α zu drehen, der in einem Polarimeter gemessen wird. Die spezifische Drehung [α] ist der auf eine bestimmte Konzentration und Schichtdicke bezogene
 
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 272
 
 18 Chiralität
 
 Drehwert; [α]D bedeutet, daß als monochromatische Lichtquelle die D-Spektrallinie des Natriums diente, [α]20, daß die spezifische Drehung bei 20 °C gemessen wurde. [α] = α gemessen 100 [ ° ] lc
 
 l : Schichtdicke in dm c : Konzentration in g / 100 mL
 
 [α] 20 : spezifischer Drehwert , gemessen bei 20 °C, D Lichtquelle : D-Linie des Natrium-Spektrums ( λ = 546.1 nm )
 
 Enantiomere drehen die Ebene linear polarisierten Lichts um denselben Betrag, jedoch mit umgekehrten Vorzeichen, wie die enantiomeren 2-Butanole zeigen. C 2H5 2-Butanol
 
 H 3C
 
 C
 
 C2H 5
 
 H OH
 
 H HO
 
 20
 
 [α] D = + 15°
 
 C
 
 CH 3
 
 20
 
 [α] D = − 15°
 
 18.3 Bezeichnung der absoluten Konfiguration Enantiomere (Spiegelbildisomere) unterscheiden sich durch die absolute Konfiguration der Substituenten am Asymmetriezentrum. Zur Bezeichnung der absoluten Konfiguration asymmetrischer C-Atome mit Hilfe von Stereo-Deskriptoren gibt es die allgemein anwendbare CAHN-INGOLDPRELOG Konvention sowie die traditionelle FISCHER-Konvention.
 
 18.3.1
 
 CAHN-INGOLD-PRELOG-Konvention ["CIP", (R)- und (S)-Deskriptoren]
 
 Nach der CAHN-INGOLD-PRELOG-Konvention ("CIP") zur Angabe der absoluten Konfiguration durch die Stereodeskriptoren R und S ordnet man den Substituenten am asymmetrischen C-Atom mit Hilfe dreier Regeln Prioritäten (Ränge) zu. (1)
 
 Die Priorität der mit dem asymmetrischen C-Atom verknüpften Atome (erste Sphäre) sinkt mit abnehmender Ordnungszahl (Atommasse bei Isotopen) im Periodensystem, z. B.: H F C
 
 I
 
 Br I > Br > F > H
 
 (2)
 
 Cl
 
 CH3
 
 D
 
 C H
 
 F C H
 
 I I > Cl > C > H
 
 Br Br > F > D > H
 
 Sind zwei oder mehr mit dem asymmetrischen C direkt verknüpfte Atome identisch, so sinkt die Priorität mit abnehmender An- und Ordnungszahl der benachbarten Atome (zweite Sphäre), z. B.: CH 3 CH3 HO C H CH2 CH3 OH > C 2H 5 > CH 3 > H
 
 CH 2Cl H 3C CH 2 C CH 3 H CH2Cl > C 2H 5 > CH 3 > H
 
 H3C C H H C Br CH 2 CH 3 Br > (CH3)2CH > C 2H 5 > H
 
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 18.3 Bezeichnung der absoluten Konfiguration
 
 (3)
 
 273
 
 Doppelt und dreifach gebundene Zweitatome zählen je doppelt bzw. dreifach; eine Aldehyd-Gruppe (−CH=O) hat demnach eine höhere Priorität als eine Alkohol-Funktion (−CH2−OH): O Glyceraldehyd
 
 C
 
 H
 
 HO C H
 
 OH > CH=O > CH2−OH > H
 
 CH2 OH
 
 Nach Kenntnis der Rangordnung aller vier Substituenten um das asymmetrische C-Atom wird das Molekül so betrachtet bzw. gedreht, daß die Gruppe mit geringster Priorität (meist H) hinter der Zeichenebene steht. Nimmt die Priorität der drei höherrangigen Substituenten im Uhrzeigersinn ab (Rechtsfolge), so liegt die R-Konfiguration vor; geschieht dies im Gegenuhrzeigersinn (Linksfolge), so handelt es sich um die S-Konfiguration (R von lat. rectus = recht, richtig, S von lat. sinister = links). Die Enantiomeren des 2-Butanols konkretisieren dies und zeigen auch, daß die physikalische Eigenschaft der Rechts- bzw. Linksdrehung der Ebene linear polarisierten Lichts nicht mit den Deskriptoren R und S der absoluten Konfigurations-Bezeichnung zusammenhängt, R-Konfiguration also nicht rechtsdrehend (+) und S-Konfiguration nicht linksdrehend (−) bedeuten muß. So dreht (R)-2-Butanol nach links [(R)-(−)-2-Butanol], das (S)-Enantiomer dagegen nach rechts [(S)-(+)-2-Butanol]: Abnahme der Priorität im Gegenuhrzeigersinn
 
 C2H 5 C
 
 H OH (S)-2-Butanol H3C
 
 [α] 20 = + 15° D daher (S)-(+)-2-Butanol
 
 C 2H5 C H CH3 HO (R)-2-Butanol
 
 Abnahme der Priorität im Uhrzeigersinn
 
 ( c = 10 g / 100 mL in Methanol ) [α] 20 D = − 15° daher (R)-(−)-2-Butanol
 
 Im Falle des Glycerinaldehyds (Glyceraldehyds) dreht das (R)-Enantiomer die Ebene linear polarisierten Lichts nach rechts und das (S)-Enantiomer nach links: CH 2OH H
 
 C O
 
 C
 
 H OH
 
 (R)-(+)-Glyceraldehyd
 
 [α] 25 = + 8.7° D
 
 18.3.2
 
 CH2OH H HO
 
 C
 
 C
 
 H
 
 O (S)-(−)-Glyceraldehyd ( c = 2 g / 100 mL in Wasser ) [α] 20 D = − 8.7°
 
 FISCHER-Konvention (D- und L-Deskriptoren)
 
 Grundlage der FISCHER-Konvention ist die Projektion des Kohlenstoff-Tetraeders in die Ebene (FISCHER-Projektion). Dabei wird der Tetraeder so betrachtet, daß die längste Kohlenstoff-Kette vertikal und die schwerere Alkyl-Gruppe oben steht (Abb. 18.2 a, 2-Butanol, Ethyl oben, Methyl unten). Die horizontal geschriebenen Gruppen (H und OH in Abb. 18.2 a) stehen dann vorne, an der dem Beobachter zugewandten Tetraederkante. Die Keilstrich-Projektion bringt diesen Sachverhalt klarer zum Ausdruck (Abb. 18.2 b) und führt zur FISCHER-Projektion (Abb. 18.2 c), indem die Keilstriche durch einfache Valenzstriche ersetzt werden. Steht in der FISCHER-Projektion (Abb. 18.2 c) die funktionelle Gruppe nach rechts, so liegt das D-Enantiomer vor (D von dextra = rechts); steht die funktionelle Gruppe nach links, so spricht man vom L-Enantiomer (laevus = links).
 
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 274
 
 18 Chiralität
 
 Die FISCHER-Projektionen (Abb. 18.2 c) können innerhalb der Papierebene verschoben werden, ohne daß sich die dargestellte absolute Konfiguration ändert; dagegen würde Herausnahme aus oder Drehung in der Papierebene die absolute Konfiguration ändern. Spiegelebene C 2H5
 
 C2H 5 (a)
 
 HO
 
 H
 
 C2H 5 HO C H CH 3
 
 C 2H5 H C OH
 
 Keilstrich-Projektion
 
 CH3
 
 C2H 5 (c)
 
 Tetraeder (Außenansicht, Tetraederkanten)
 
 OH CH3
 
 CH 3
 
 (b )
 
 H
 
 C 2H5
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 CH 3 L-2-Butanol
 
 CH3 D-2-Butanol
 
 FISCHER-Projektion
 
 Abb. 18.2. Bezeichnung der absoluten Konfiguration nach der FISCHER-Konvention (D- und L-2-Butanol); die Verbindungslinien in (a) sind Tetraederkanten und keine Bindungen
 
 18.3.3
 
 Übersetzung der D-,L- in (R)-,(S)-Deskriptoren
 
 Abb. 18.3 illustriert am 2-Butanol, wie die D,L-Konfigurationsangabe nach FISCHER in die R,SBezeichnung nach CAHN-INGOLD-PRELOG übersetzt wird: Man schreibt die ebene FISCHERProjektion (Abb. 18.3 a) in die Keilstrich-Projektion um (Abb. 18.3 b) und dreht dann den Tetraeder so, daß der Substituent geringster Priorität (meist H) hinter der Zeichenebene steht (Abb. 18.3 c). Abb. 18.3 zeigt auf diese Weise für 2-Butanol, daß L- = (S)- und D- = (R)- ist. Dies gilt jedoch nicht allgemein; ersetzt man z. B. im 2-Butanol (Abb. 18.2) Methyl durch Brommethyl (−CH2−Br), so ist das resultierende L-1-Brom-2-butanol wegen Regel (2) der "CIP"-Konvention identisch mit (R)-1-Brom-2-butanol. L-2-Butanol C2H 5 (a)
 
 HO C H CH 3 C2H 5
 
 (b )
 
 (c)
 
 HO C H
 
 D-2-Butanol C 2H5 H C OH CH3
 
 CH3
 
 C 2H5
 
 C 2H5
 
 C
 
 Tetraeder (Außenansicht, Tetraederkanten)
 
 C 2H5 H C OH
 
 CH 3
 
 H OH (S)-2-Butanol H 3C
 
 Spiegelebene
 
 C H CH3 HO (R)-2-Butanol
 
 Keilstrich-Projektion
 
 Keilstrich-Projektion (H hinter der Zeichenebene)
 
 Abb. 18.3. Übersetzung der D,L- in die R,S-Deskriptoren der absoluten Konfiguration
 
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 18.4 Bestimmung der absoluten Konfiguration
 
 18.3.4
 
 275
 
 Racemate
 
 Eine äquimolare Mischung von (R)- und (S)-Enantiomeren wird als racemische Mischung oder Racemat bezeichnet; so bedeutet die Angabe (RS)- oder (DL)- oder (±)-2-Butanol, daß eine racemische Mischung der Verbindung vorliegt. Ein Racemat ist, im Gegensatz zu den beiden Enantiomeren, aus denen es besteht, optisch inaktiv ([α] = 0) und besitzt andere physikalische Eigenschaften (Schmelzpunkt, Dichte, Löslichkeit, Tab. 18.1, S. 277).
 
 18.4 Bestimmung der absoluten Konfiguration Die tatsächliche räumliche Anordnung der Atome eines Enantiomers läßt sich durch RÖNTGENBeugung (Kristallstrukturanalyse mit RÖNTGEN-Diffraktometer, RÖNTGEN-Diffraktometrie) bestimmen. Hierzu ist ein Einkristall erforderlich, der nur aus Molekülen eines Enantiomers besteht. J.M. BIJVOET führte 1951 am Natrium-Rubidium-Tartrat (franz. tartre = Weinstein, daher die Bezeichnung Tartrate für die Salze der Weinsäure) des rechtsdrehenden Enantiomers der Weinsäure eine solche Bestimmung durch. Das Resultat (R,R) wurde 2008 mit modernerem Gerät bestätigt. Die Kenntnis der absoluten Konfiguration dieser einen Verbindung ermöglichte die Zuordnung der absoluten Konfigurationen einer Vielzahl von Verbindungen durch Bestimmung ihrer Konfiguration in Bezug (relativ) zur Weinsäure. COO Na H C OH HO C H COO Rb Natrium-Rubidium-(+)-tartrat
 
 Eine Verbindung A hat dieselbe Konfiguration in Bezug zu einer Verbindung B, wenn sich A ohne Inversion seiner Asymmetrie-Zentren in B umwandeln läßt. So gelingt die Umwandlung der (−)-Weinsäure in (+)-Glyceraldehyd [(+)-Glycerinaldehyd] über eine Folge sterisch einheitlich verlaufender chemischer Reaktionen, bei denen keine der Bindungen am asymmetrischen C-Atom C-2 gebrochen und neu geknüpft wird. Somit besitzt (+)-Glyceraldehyd an C-2 die gleiche (relative) Konfiguration wie (−)-Weinsäure. COOH HO C H H C OH COOH D-(−)-Weinsäure = (S,S)-(−)-Weinsäure
 
 COOH CH=O H C OH CH2OH D-(+)-Glycerinaldehyd = (R)-(+)-Glyceraldehyd
 
 H C OH HO C H COOH L-(+)-Weinsäure = (R,R)-(+)-Weinsäure
 
 CH=O HO C H CH2OH L-(−)-Glycerinaldehyd = (S)-(−)-Glyceraldehyd
 
 Als Spiegelbilder dieser Enantiomeren besitzen rechtsdrehende Weinsäure und linksdrehender Glycerinaldehyd entgegengesetzte absolute Konfigurationen.
 
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 276
 
 18 Chiralität
 
 18.5 Verbindungen mit mehreren Asymmetriezentren 18.5.1
 
 Zwei verschiedene asymmetrische C-Atome
 
 Moleküle mit zwei Asymmetrie-Zentren wie 3-Brom-2-butanol bilden vier (22 = 4) Stereoisomere a-d. Aus den Projektionsformeln ergeben sich nach Abb. 18.3 die absoluten Konfigurationen. In Isomer a nehmen z. B. die Prioritäten der Substituenten an beiden asymmetrischen C-Atomen in einer Linksfolge ab, so daß es sich bei a um (2S,3S)-3-Brom-2-butanol handelt: C-1
 
 CH3
 
 C-2
 
 H C OH
 
 C-3
 
 Br C H
 
 C-4
 
 CH3 a (2S,3S)
 
 CH 3 HO C H
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 H C OH
 
 HO C H
 
 H C Br
 
 H C Br
 
 Br C H
 
 CH 3 b (2R,3R)
 
 CH 3 c (2S,3R)
 
 CH 3 d (2R,3S)
 
 Bei Aminosäuren und Kohlenhydraten wird die traditionelle FISCHER-Konvention bevorzugt. Kohlenhydrate mit mehreren Asymmetriezentren ordnet man je nach Konfiguration des am höchsten bezifferten und der CH2OH-Gruppe am nächsten liegenden asymmetrischen C-Atoms der DReihe (OH nach rechts) oder der L-Reihe (OH nach links) zu. Glyceraldehyd (Kap. 18.4) sowie die Aldotetrosen Threose und Erythrose (Kap. 40.1.2) sind einfache Beispiele hierzu: CH=O HO C H H C OH CH2OH FISCHER (D,L) CIP (R,S)
 
 a D (2S,3R)
 
 Threose
 
 Erythrose
 
 CH=O
 
 C-1
 
 CH=O
 
 CH=O
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 HO C H
 
 C-2
 
 H C OH
 
 HO C H
 
 C-3
 
 HO C H CH2OH b L (2R,3S)
 
 CH2OH c D (2R,3R)
 
 CH 2OH d L (2S,3S)
 
 C-4 Konfiguration an C-3
 
 Die Aldotetrosen a und b sowie c und d sind jeweils ein Enantiomeren-Paar, das man als threoDL-Paar bezeichnet, da jedes Paar für sich eine Bild-Spiegelbild-Beziehung aufweist. In einem Enantiomer mit mehreren Asymmetrie-Zentren sind die Konfigurationen aller asymmetrischer CAtome gegenüber dem Gegen-Enantiomer invertiert. Jede der vier Aldotetrosen ist optisch aktiv. Eine äquimolare Mischung von a und b bzw. c und d ist racemisch und optisch inaktiv. Dabei unterscheiden sich die beiden Racemate durch ihre relative Konfiguration (threo- und erythro-) und zeigen daher verschiedene Schmelzpunkte. Die Konfigurationsbeziehung zwischen den Isomeren a und c (b und d) ist diastereomer, da a und c (b und d) Inversionsisomere ohne Bild-Spiegelbild-Beziehung sind. Auch die Isomeren a und d, b und c sowie b und d sind Diastereomere. Zwei Diastereomere weisen die gleiche Konfiguration an mindestens einem Asymmetriezentrum und zusätzlich die umgekehrte Konfiguration an mindestens einem weiteren Asymmetriezentrum auf. Somit sind Diastereomere verschiedene Verbindungen mit unterschiedlichen physikalischen und ähnlichen chemischen Eigenschaften. Eine äquimolare Mischung zweier Diastereomerer ist kein Racemat. Allgemein werden Stereoisomere als Diastereomere bezeichnet, wenn sie keine Enantiomere sind. Alle Isomere mit zwei und mehr asymmetrischen C-Atomen, die sich durch ihre relative Konfiguration unterscheiden, sind somit auch Diastereomere.
 
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 18.5 Verbindungen mit mehreren Asymmetriezentren
 
 277
 
 Für Moleküle mit n verschiedenen asymmetrischen C-Atomen existieren 2n Stereoisomere und 2n/2 Enantiomerenpaare. Aldotetrosen mit zwei asymmetrischen C-Atomen (n=2) bilden somit wie gezeigt vier Stereoisomere, die zwei Enantiomerenpaare sind.
 
 18.5.2
 
 Zwei gleiche asymmetrische C-Atome
 
 Verbindungen mit zwei identischen Asymmetriezentren existieren in zwei Enantiomeren, (RR) und (SS), sowie einer meso-Form, (RS) und (SR) (meso von griech. µεσοζ = Mitte). Meso-Isomere (RS) und (SR) lassen sich aus Symmetriegründen zur Deckung bringen und sind daher keine Enantiomere. Sie unterscheiden sich also sowohl vom (RR)- und (SS)-Enantiomer als auch vom Racemat (DL). Beispiele sind die verschiedenen Weinsäuren in Tab. 18.1. CO2H H C OH
 
 CO2H HO C H H C OH
 
 HO C H
 
 (2S,3S)D-(−)-Weinsäure
 
 CO2H HO C H
 
 H C OH
 
 HO C H
 
 CO2H
 
 CO2H (2R,3R)L-(+)-Weinsäure
 
 CO2H H C OH CO2H
 
 CO2H
 
 (2R,3S)(2S,3R)meso-Weinsäure
 
 Tab.18.1. Physikalische Eigenschaften der Weinsäuren
 
 D-Enantiomer L-Enantiomer DL-Verbindung (Racemat) meso-Isomer
 
 spez. Drehwert (c = 17.4 in H2O) [α] 20 D
 
 Schmelzpunkt [°C]
 
 Dichte bei 20 °C [ g/mL]
 
 Löslichkeit [ g/100 g H2O ]
 
 − 12.7 + 12.7 0 0
 
 171-174 171-174 206 146
 
 1.7598 1.7598 1.788 1.666
 
 139 139 20.6 125
 
 Keilstrich- und NEWMAN-Projektionen der konfigurationsisomeren Weinsäuren illustrieren in Abb. 18.4, daß die Konformere der meso-Weinsäuren im Gegensatz zu denen der Enantiomeren zur Deckung gebracht werden können. 2,4-Dibrom-3-methylpentan besitzt eine ungerade Zahl asymmetrischer C-Atome. Von den drei Asymmetriezentren sind zwei identisch. Daher gibt es zwei meso-Formen (c und d) sowie zwei Enantiomere (a und b); dabei sind die Paare a/c, a/d, b/c, b/d und c/d jeweils Diastereomere. Diastereomere nennt man epimer (Epimere), wenn sie sich in der absoluten Konfiguration nur eines asymmetrischen C-Atoms unterscheiden. So sind a und c Epimere, nicht jedoch b und c. CH 3 H C Br H C CH 3 Br C H CH 3 a aktiv Enantiomer
 
 CH 3 Br C H H 3C C H H C Br CH 3 b aktiv Enantiomer
 
 CH 3 H C Br H C CH 3 H C Br
 
 CH 3 Br C H H 3C C H Br C H
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 c inaktiv meso-
 
 d inaktiv meso-
 
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 278
 
 18 Chiralität
 
 OH H HO2C L-(+)-Weinsäure (2R,3R)-
 
 HO
 
 C
 
 C
 
 HO2C
 
 CO2H H
 
 H HO
 
 OH
 
 H C
 
 C H
 
 HO
 
 CO2H
 
 H
 
 CO2H CO2H
 
 H HO
 
 C
 
 C
 
 C
 
 C
 
 C
 
 H OH
 
 HO2C
 
 OH
 
 C
 
 H HO
 
 CO2H
 
 H
 
 HO2C
 
 HO2C H H
 
 HO
 
 HO2C
 
 H
 
 HO2C
 
 OH H
 
 C
 
 HO2C
 
 OH
 
 H
 
 CO2H
 
 H
 
 H HO
 
 C
 
 OH CO2H
 
 OH CO2H OH
 
 H
 
 CO2H
 
 CO2H OH
 
 HO2C H
 
 OH
 
 H
 
 H
 
 HO2C
 
 CO2H
 
 OH CO2H
 
 H
 
 H
 
 H OH
 
 OH
 
 H C
 
 C
 
 H
 
 OH CO2H
 
 OH
 
 HO2C
 
 HO2C
 
 CO2H
 
 OH
 
 meso-Weinsäure (2R,3S)-
 
 H
 
 H
 
 OH H
 
 HO2C
 
 HO2C
 
 H C
 
 OH HO
 
 H
 
 OH CO2H
 
 H
 
 HO2C
 
 OH
 
 HO2C D-(−)-Weinsäure (2S,3S)-
 
 HO
 
 H CO2H
 
 HO2C H HO
 
 OH
 
 OH
 
 C
 
 HO2C
 
 CO2H
 
 H HO
 
 OH
 
 C
 
 C
 
 CO2H H OH
 
 Abb. 18.4. Konformere der drei Weinsäuren
 
 18.5.3
 
 Enantiomere Cycloalkane
 
 Enthalten Cycloalkane zwei identische asymmetrische C-Atome, so bilden die cis-Isomeren mesoFormen, die trans-Isomeren dagegen Enantiomere, wie Abb. 18.5 für 1,2-disubstituierte Cycloalkane sowie für 1,3-disubstituierte Cyclohexane klar macht. Unterscheiden sich die beiden asymmetrischen C-Atome, so gibt es stets cis- und trans-Isomere, die ihrerseits je als ein Paar von Enantiomeren existieren. Beispiele sind die Isomeren des 1-Brom2-methylcyclopropans: H 3C H
 
 H H
 
 Br
 
 Br
 
 H
 
 H
 
 cis-Isomere Enantiomere
 
 H H
 
 CH 3 H
 
 Br H
 
 H H
 
 H CH 3
 
 H H3C
 
 H H
 
 Br H
 
 trans-Isomere Enantiomere
 
 1,3-disubstituierte Cyclobutane und 1,4-disubstituierte Cyclohexane enthalten aus Gründen der Molekülsymmetrie keine asymmetrischen C-Atome und bilden daher nur cis-trans-Isomere.
 
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 18.6 Enantiomere ohne asymmetrische C-Atome
 
 279
 
 cis-
 
 (S,R)
 
 (R,S)
 
 trans-
 
 (R,R)
 
 X 1,2-disubstituiertes Cyclopropan X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X 1,2-disubstituiertes Cyclobutan X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 1,2-disubstituiertes Cyclopentan
 
 1,3-disubstituiertes Cyclohexan
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 1,2-disubstituiertes Cyclohexan
 
 X
 
 X
 
 X
 
 (S,S)
 
 X
 
 X X
 
 X X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X X
 
 meso-Formen
 
 X
 
 Enantiomere
 
 X
 
 Abb. 18.5. Meso-Formen und Enantiomere einiger disubstituierter Cycloalkane
 
 18.6 Enantiomere ohne asymmetrische C-Atome 18.6.1
 
 Heteroatome als Asymmetriezentren
 
 Sofern sie vier verschiedene Substituenten binden, verkörpern tetraedrische Heteroatome ebenfalls Asymmetriezentren. Beispiele hierzu sind Silane und Tetraalkylammonium-Salze mit je vier, Amin-N-oxide und Sulfonium-Salze mit je drei verschiedenen Alkyl- oder Aryl-Resten: C6H 5 N
 
 H3C O C 3H7 (S)-Methylphenyl-i-propylamin-N-oxid
 
 H Si H3C C 6H5
 
 S
 
 H3C C 6H5 C 3H7 (S)-Methylphenyl-i-propylsulfonium-Ion
 
 (S)-Methyl-β -naphthylphenylsilan
 
 Auch tertiäre Amine mit drei verschiedenen Substituenten bilden Enantiomere; vierter Substituent ist, wie bei Sulfonium-Ionen, das nichtbindende Elektronenpaar. Die Enantiomeren der TRÖGERBasen mit zwei identischen asymmetrischen N-Atomen lassen sich mit diversen Methoden trennen. N enantiomere TRÖGER-Basen (R = CH3 , OCH3 )
 
 R
 
 N N
 
 N
 
 R
 
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 280
 
 18 Chiralität
 
 Ein Asymmetriezentrum (C- oder Heteroatom) ist eine, aber nicht die einzig mögliche Ursache der Chiralität (Dissymmetrie). Viele Verbindungen, die keine Asymmetriezentren besitzen, können zu optisch aktiven Enantiomeren aufgetrennt werden. Hexachlor- sowie Hexahydroxycyclohexan (Inosit) enthalten zwar keine asymmetrischen C-Atome; jedoch gibt es von beiden Verbindungen Konfigurationsisomere, die als Enantiomerenpaare existieren. Alle Moleküle, die weder Symmetrieebenen, Symmetriezentren noch Drehspiegelachsen besitzen, sind chiral (dissymmetrisch). Fehlen zudem noch Symmetrieachsen Cn, so sind die Moleküle asymmetrisch (ohne Symmetrie). Prinzipiell können bereits vier verschiedene, nicht auf einer Ebene liegende Atome ein chirales Molekül bilden.
 
 18.6.2
 
 Axiale Chiralität
 
 Axiale Chiralität kann in Verbindungen auftreten, die "gestreckte" Tetraeder bilden. Die Strekkung wird in Allenen wie 2,4-Dibrom-2,3-pentadien durch eine gerade Anzahl kumulierter Doppelbindungen realisiert; mit ungerader Anzahl kumulierter Doppelbindungen gibt es dagegen (E,Z)-Isomere wie bei Alkenen. Spirocyclen wie 3,3´-Dibromspiro[3,3]heptan sind bei geeigneter Substitution ebenfalls axial chiral. Br
 
 Chiralitätsachse
 
 CH3
 
 C C C
 
 H 3C
 
 H
 
 Br
 
 H 3C
 
 Br C C C CH 3 Br Br (aR)(aS)2,4-Dibrom-2,3-pentadien
 
 Br
 
 H
 
 Br
 
 Br H
 
 Chiralitätsachse
 
 (aR)(aS)- H 3,3'-Dibromspiro[3,3]heptan
 
 Die absolute Konfiguration axial chiraler Verbindungen läßt sich entweder mit den (aR)/(aS)oder mit den allgemeiner anwendbaren (P)/(M)-Deskriptoren spezifizieren. Dabei steht a vor R und S für axiale Chiralität; P und M stehen für Plus bzw. Minus. Zur Herleitung der (aR)- bzw. (aS)-Deskriptoren wird das Molekül von außen längs der Chiralitätsachse betrachtet; von welcher Seite man das Molekül anblickt, ist ohne Belang. Der nach den CIP-Regeln höherrangige Substituent (Br vor CH3 im Beispiel 2,4-Dibrom-2,3-pentadien), welcher sich dem Betrachter zuwendet, legt den Bezug fest, so daß bei der Bestimmung der Rangfolge die Position des Substituenten höherer Priorität am abgewandten Molekülende entscheidet, ob ein (aR)- oder ein (aS)-Enantiomer vorliegt. Im links skizzierten 2,4-Dibrom-2,3-pentadien als Beispiel beschreibt der Weg vom vorderen Brom (links) über die vordere Methyl-Gruppe zum hinteren Brom (unten) eine Rechtsfolge; demzufolge handelt es sich um das (aR)-Enantiomer. (P)- bzw. (M)-Deskriptoren spezifizieren die absolute Konfiguration aufgrund der räumlichen Anordnung von drei die Atome 1-4 verknüpfenden Bindungen. 3
 
 1 2
 
 (P)-
 
 4
 
 3 2
 
 4 1
 
 4
 
 3
 
 1 2
 
 (M)-
 
 4
 
 3 1
 
 2
 
 Wird die Bindung 1−2 durch eine Rechtsdrehung um die Bindung 2−3 in eine synperiplanare (verdeckte, ekliptische) Anordnung mit der Bindung 3−4 gebracht, so liegt das (P)-Enantiomer vor. Geschieht dasselbe durch eine Linksdrehung, so handelt es sich um ein (M)-Enantiomer.
 
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 18.6 Enantiomere ohne asymmetrische C-Atome
 
 281
 
 Bei Allenen und Spirocyclen verkörpern die höherrangigen Substituenten die Positionen 1 und 4; im 2,4-Dibrom-2,3-pentadien und 3,3'-Dibromspiro[3,3]heptan sind dies die Br-Atome. Eine NEWMAN-Projektion längs der Chiralitätsachse zeigt dann, daß (aR)- identisch mit (M)-2,4-Dibrom-2,3-pentadien ist. Gleiches gilt für 3,3'-Dibromspiro[3,3]heptan. Die (aR)- und (aS)- korrespondieren demnach invers mit den (M)- bzw. (P)-Desriptoren. 4
 
 Br 3
 
 CH3 1
 
 Br
 
 1
 
 Br
 
 2(3)
 
 C CH3
 
 H 3C
 
 Br
 
 3
 
 2
 
 C C C
 
 C C C Br
 
 H
 
 3
 
 1
 
 Br
 
 Br
 
 3
 
 Br
 
 1
 
 Br
 
 CH3
 
 2 1
 
 2
 
 H
 
 4 4 (M)(P)2,4-Dibrom-2,3-pentadien
 
 4
 
 H
 
 1
 
 H3C
 
 CH 3
 
 2
 
 4
 
 Br
 
 H
 
 Br
 
 2(3)
 
 C
 
 Br 4
 
 H
 
 (M)(P)- H 3,3'-Dibromspiro[3,3]heptan
 
 Axial chiral sind ferner Biaryl-Derivate, in denen sperrige o,o'-ständige Substituenten die Rotation der Aryl-Ringe sterisch so behindern, daß sie nicht "durchdrehen", sondern verdrillt bis orthogonal stehen bleiben. Diesen Fall axialer Chiralität bezeichnet man als Atropisomerie. (aR)-/(M)und (aS)-/(P)-Enantiomere (Atropisomere) des 2,2'-Dibrom-6,6'-dimethylbiphenyls und 2,2'-Dihydroxybinaphthyls (BINOL) können mit chromatographischen Methoden getrennt werden.
 
 H3C H3C
 
 3 2
 
 4 1
 
 Br Br 1
 
 Br Br
 
 4
 
 3 2
 
 OH OH
 
 CH 3 CH3
 
 (aR)- = (M)(aS)- = (P)2,2'-Dibrom-6,6'-dimethylbiphenyl
 
 HO HO
 
 (aR)- = (M)-
 
 (aS)- = (P)-
 
 [α] 25 = + 34.3°
 
 [α] 25 = − 33.3° ( c = 1 g / 100 mL in THF)
 
 D
 
 D
 
 2,2'-Dihydroxybinaphthyl (BINOL)
 
 18.6.3
 
 Planare Chiralität und Helicität
 
 Andere Beispiele von Enantiomeren ohne tetraedrische Asymmetriezentren sind 2,2'-Dialkyl-pcyclophane (planare Chiralität) und die Helicene wie Hexahelicen, deren Benzen-Ringe in Rechtsund Linksschrauben-Form (α- oder β-helical) anelliert sind (helicale Chiralität, Helicität). In beiden Fällen gelingt die Spezifikation der absoluten Konfiguration problemlos mit Hilfe (P)- und (M)-Deskriptoren. 1 4
 
 3
 
 R (M)-
 
 2 1
 
 2
 
 R
 
 2,2'-Dialkyl-p-cyclophan
 
 (P)-
 
 β -Helix (M)-
 
 Hexahelicen
 
 3
 
 4
 
 α-Helix (P)-
 
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 282
 
 18 Chiralität
 
 18.7 Racemat-Trennungen Die Trennung einer optisch inaktiven racemischen Mischung in zwei optisch aktive Enantiomere ist schwierig, weil die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Enantiomeren identisch sind mit Ausnahme ihres Verhaltens gegenüber polarisiertem Licht (chiroptische Eigenschaften) und anderen chiralen Molekülen.
 
 18.7.1
 
 Die klassische Methode von PASTEUR
 
 L. PASTEUR fand 1848, daß das Natrium-Ammonium-Salz der racemischen Weinsäure zweierlei asymmetrische Kristalle bildet, die sich wie Bild und Spiegelbild unterscheiden. Nach manuellem Sortieren dieser spiegelbildlichen (enantiomorphen, griech. µορϕη = Gestalt) Kristalle im Mikroskop zeigten die wäßrigen Lösungen der beiden Kristallformen spezifische Drehungen der Ebene linear polarisierten Lichts um den gleichem Betrag, aber mit entgegengesetztem Vorzeichen. Eine Mischung gleicher Anteile beider Lösungen führte zum Verlust der optischen Aktivität. Diese von PASTEUR benutzte mechanische Trennung konnte nur in wenigen anderen Fällen verifiziert werden. Die Lösung eines Racemats kristallisiert höchst selten spontan als Mischung enantiomorpher Kristalle aus. Häufiger, auch technisch, gelingt dagegen die Auskristallisation eines Enantiomers aus übersättigten Lösungen durch Animpfen mit seinen Kristallen.
 
 18.7.2
 
 Trennung nach Bildung von Diastereomeren
 
 Eine allgemein anwendbare Methode der Racematspaltung ist die Überführung der Enantiomeren in Diastereomere sowie deren Trennung und Reinigung durch fraktionierte Kristallisation oder Chromatographie. Anschließende Spaltung der getrennten und gereinigten Diastereomeren liefert die Enantiomere in optisch reiner Form. Die Trennung einer racemischen Säure, einer racemischen Base und eines racemischen Alkohols illustrieren die Methodik. Trennung racemischer Säuren Racemische Säuren wie (±)-Milchsäure (= DL-Milchsäure), lassen sich mit einer enantiomerenreinen (optisch aktiven) Base, z. B. mit den hochtoxischen Alkaloiden (−)-Brucin oder (−)-Strychnin sowie (−)-Chinin oder (−)-Cinchonidin (Kap. 39.2.4, 39.2.6), in zwei diastereomere Salze "(+,−)" und "(−,−)" überführen; aufgrund ihrer unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften (Löslichkeit, Schmelzpunkte) können die diastereomeren Salze getrennt werden. Saure Hydrolyse der getrennten Salze gibt die enantiomeren Milchsäuren (Abb. 18.6). ̈
 
 HO
 
 H
 
 H
 
 H
 
 R N
 
 R
 
 N H
 
 R N
 
 N R = OCH3 : (−) - Chinin R = H : (−) - Cinchonidin
 
 H
 
 H
 
 O H R = H : (−) - Strychnin R = OCH3 : (−) - Brucin O
 
 Liefert die erste Trennung noch keine genügend enantiomerenreine Produkte, wird eine zweite Trennung mit einer anderen Base nachgeschaltet.
 
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 18.7 Racemat-Trennungen
 
 283
 
 Den verwendeten natürlich vorkommenden enantiomerenreinen Alkaloiden gemeinsam ist ein im starren Ringsystem inversionsfreies asymmetrisches Stickstoff-Atom, in dessen unmittelbarer Nähe sich ein Benzen-Ring und asymmetrische C-Atome befinden.
 
 Enantiomere gemischt
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 CH3 CH 3 L-(+)-Milchsäure D-(−)-Milchsäure Racemat in Wasser gelöst Zugabe von (−)-Brucin-Lösung diastereomere Salze Trennung durch fraktionierte Kristallisation
 
 Diastereomere gemischt
 
 Diastereomere getrennt
 
 CO2
 
 CO2
 
 [(−)-Brucin−H]
 
 CH3 +
 
 − [( −)-Brucin−H] Cl
 
 Enantiomere getrennt
 
 −
 
 [(−)-Brucin−H]
 
 H C OH
 
 HO C H
 
 CH 3
 
 + HCl
 
 + HCl
 
 CO2H
 
 − [( −)-Brucin−H]+ Cl
 
 −
 
 CO2H
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 CH3 enantiomerenreine L-(+)-Milchsäure (S)-(+)-2-Hydroxypropansäure
 
 CH 3 enantiomerenreine D-(−)-Milchsäure (R)-(−)-2-Hydroxypropansäure
 
 Abb. 18.6. Trennung racemischer Säuren mit einer enantiomerenreinen Base über diastereomere Salze
 
 Trennung racemischer Basen Umgekehrt gelingt die Trennung racemischer Basen durch Bildung diastereomerer Salze mit enantiomerenreinen Säuren. ̈
 
 D-Base
 
 D-Base−D-Säure
 
 + 2 D-Säure
 
 L-Base Racemat
 
 Trennung
 
 D-Base−D-Säure
 
 L-Base−D-Säure
 
 L-Base−D-Säure
 
 Gemisch diastereomerer Salze
 
 getrennte diastereomere Salze
 
 + HCl + HCl
 
 D-Base−HCl + D-Säure L-Base−HCl
 
 + D-Säure
 
 getrennte enantiomere Basen (Hydrochloride)
 
 Bewährte und in ausreichender optischer Reinheit verfügbare Säuren sind z.B. (−)-Äpfelsäure, (+)Weinsäure, (−)-Mandelsäure und (+)-Campher-10-sulfonsäure (Kap. 43.3.2). CO2H HO C H CH2 CO2H L-(−)-Äpfelsäure
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 HO C H CO2H L-(+)-Weinsäure
 
 C6H 5 D-(−)-Mandelsäure
 
 SO3H O (+)-Campher-10-sulfonsäure
 
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 284
 
 18 Chiralität
 
 Racemische Alkohole können nach Veresterung zu diastereomeren Estern mit einer enantiomerenreinen Säure getrennt werden. Individuelle Verseifung der getrennten diastereomeren Ester ergibt optisch reine Alkohole, aus denen weitere chirale Verbindungen hergestellt werden können. L - R'
 
 L - R'
 
 C O
 
 D - R OH + 2 L- R−CO2H
 
 D -R
 
 O
 
 D -R
 
 Trennung
 
 L - R'
 
 − 2 H2O
 
 L-R
 
 racemischer Alkohol
 
 − L-R−CO2 Na
 
 O
 
 L - R'
 
 C O
 
 L - R OH
 
 + Na OH
 
 C O
 
 + Na OH
 
 C O L-R
 
 O
 
 Gemisch diastereomerer Ester
 
 − L-R−CO2 Na
 
 O
 
 getrennte diastereomere Ester
 
 D - R OH
 
 L - R OH
 
 getrennte enantiomere Alkohole
 
 Alternativ werden racemische Alkohole mit Phthalsäureanhydrid zu racemischen Phthalsäurehalbestern derivatisiert und letztere mit enantiomerenreinen Basen (s. o.) zu den trennbaren diastereomeren Salzen umgesetzt. D-R
 
 O
 
 + H2O − (−)-Brucin − Phthalsäure
 
 C O DL - R
 
 O DL - R OH
 
 C O
 
 O
 
 +
 
 O Phthalsäureanhydrid
 
 AlkoholRacemat
 
 O
 
 1.) + (−)-Brucin 2.) Trennung
 
 CO2H
 
 CO2 [(−)-Brucin−H] L-R
 
 O
 
 + H2O − (−)-Brucin − Phthalsäure
 
 C O
 
 racemischer Phthalsäurehalbester
 
 D - R OH
 
 CO2 [(−)-Brucin−H]
 
 L - R OH
 
 getrennte enantiomere Alkohole
 
 getrennte diastereomere Phthalsäurehalbester-( −)-Brucin-Salze
 
 Ähnliche Verfahren gestatten die Trennung racemischer Aldehyde und Ketone, z. B. mit Hilfe enantiomerenreiner Hydrazine über diastereomere Hydrazone.
 
 18.7.3
 
 Enzymatische Racemat-Trennungen
 
 Bestimmte Mikroorganismen (Bakterien, Hefen, Pilze) und vor allem Enzyme verhalten sich oft unterschiedlich und spezifisch gegenüber Enantiomeren. Acetylierte DL-α-Aminosäuren (Kap. 37.8.5), auch synthetische mit nicht in der Natur vorkommenden Seitenketten, werden z. B. durch das aus Schweinenieren gewonnene Enzym Nierenacylase getrennt. Nierenacylase spaltet NAcetyl-L-aminosäuren bedeutend schneller als die D-Enantiomeren. Aus dem Gemisch wird die noch acetylierte D-Aminosäure durch Extraktion mit einem organischen Lösemittel von der freien, in der Wasserphase verbleibenden L-Aminosäure abgetrennt. CO2 CH NH 3 CH3 DL-Alanin (Racemat)
 
 CO2H H Acylase, + H2O CH N − CH3−CO2H CH 3 C CH3 O N-Acetyl-DL-alanin (Racemat)
 
 CO2 H3N C H CH3 L-Alanin
 
 CO2H +
 
 H C NHCOCH3 CH3 N-Acetyl-D-alanin
 
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 18.8 Prochiralität, Enantiotopie und Diastereotopie
 
 18.7.4
 
 285
 
 Chromatographische Racemat-Trennungen
 
 Chromatographische Trennverfahren basieren auf der selektiven und reversiblen Adsorption der Enantiomeren an chiralen Adsorbentien, die als stationäre Phasen in der Flüssigkeits- oder Gaschromatographie eingesetzt werden. Unter optimierten Bedingungen tritt ein Enantiomer weniger stark in diastereomere Wechselwirkung mit der stationären Phase und wird somit zuerst eluiert. Die flüssigkeitschromatographische Trennung vieler chiraler Wirkstoffe gelingt in präparativem Maßstab auf Säulen, die mit modifizierten Cyclodextrinen (Kap. 40.8.2) als chiralen Phasen belegt sind. Gaschromatographisch läßt sich an chiralen Phasen auch die absolute Konfiguration und das Enantiomerenverhältnis chiraler Alkohole, Amine, Aminoalkohole und Aminosäureester nach Trifluoracetylierung bestimmen (chirale GC). Manche Racemate lassen sich durch Säulenchromatographie trennen, wobei die Säulen mit Polymeren gepackt werden, an die Enzyme kovalent gebunden sind.
 
 18.8 Prochiralität, Enantiotopie und Diastereotopie 18.8.1
 
 Prochiralität am tetraedrischen C-Atom
 
 Ein tetraedrisches C-Atom mit drei verschiedenen Substituenten a, b und c ist nicht asymmetrisch; es wird als prochiral bezeichnet. Wandelt sich einer der beiden identischen Substituenten a in d um, so entsteht aus dem prochiralen ein asymmetrisches C-Atom: b
 
 b
 
 a C a
 
 a C d
 
 c prochiral
 
 c asymmetrisch (chiral)
 
 Die Bezeichnung zweier Substituenten am prochiralen C-Atom, z. B. der H-Atome an der prochiralen Methylen-Gruppe des Ethanols, ist nach den CAHN-INGOLD-PRELOG-Regeln pro-R bzw. pro-S. Dabei werden die beiden H-Atome als H' und H" markiert, wobei H' willkürlich die höhere Priorität erhält. OH H'
 
 C H'' CH 3
 
 H' > H''
 
 H3C H''
 
 C
 
 OH
 
 OH
 
 HS C HR CH 3
 
 H'
 
 OH > CH3 > H' : (S)
 
 H' ist also pro-S oder HS
 
 Die beiden H-Atome am prochiralen C des Ethanols, allgemein zwei Gruppen X in R1−CX2−R2, unterscheiden sich durch ihre topographische Lage im Molekül (Topie, Topizität). Die Umgebung des oberen (vorderen) H-Atoms ist im Vergleich zu der des unteren (hinteren) enantiomer. Daher nennt man die identischen Substitutenten eines prochiralen C-Atoms auch enantiotop. CH3
 
 H enantiotope Methylen-H-Atome des Ethanols
 
 HO H 3C
 
 C H
 
 C
 
 H O H H3C
 
 C
 
 H
 
 diastereotope Methylen-H-Atome des Acetaldehyddiethylacetals
 
 OC2H5
 
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 286
 
 18 Chiralität
 
 Enantiotope Gruppen wie die H-Atome des prochiralen Methylen-Fragments in Ethanol können mit den meisten physikalischen Meßmethoden nicht unterschieden werden. Befindet sich die prochirale Gruppe −CX2− jedoch in der Nähe eines (von X aus gesehenen) asymmetrischen C-Atoms, so liegen die beiden identischen Substituenten X in verschiedender Umgebung; sie sind nicht mehr enantiotop, sondern diastereotop und daher mit physikalischen Methoden (NMR-Spektroskopie) unterscheidbar. Bekannte Beispiele sind die O-Methylen-H-Atome der Diethylacetale. Durch Reaktion einer prochiralen Verbindung mit einem chiralen Reagenz werden enantiotope Gruppen am prochiralen C-Atom stets diastereotop. Ein Beispiel ist Verknüpfung des N-Acetyl-2methylalanins (enantiotope Methyl-Gruppen) mit der enantiomerenreinen Aminosäure L-Alanin [(S)-2-Aminopropansäure] zum Dipeptid (diastereotope Methyl-Gruppen). Die Reaktion gelingt mit kondensierenden Reagenzien. enantiotope Methyl-Gruppen
 
 H3C O H 3C C C OH H3C C N H O
 
 diastereotope Methyl-Gruppen
 
 H
 
 +
 
 H 3C O H H3C C C CH3 N C H 3C C N CO H H 2CH 3 O
 
 − H2O
 
 CH3 H2N C CO2CH3
 
 N-Acetyl-2-methylalanyl-L-alaninmethylester chiral
 
 L-Alaninmethylester chiral
 
 N-Acetyl-2-methylalanin achiral
 
 Als homotop (ununterscheidbar) bezeichnet man zwei Substituenten, wenn sie durch Drehung um eine Cn-Achse zur Deckung gebracht werden können. Homotop sind z. B. die Wasserstoff- und Chlor-Atome in (Z)- und (E)-1,2-Dihalogenalkenen. Cl
 
 Cl C C H H
 
 18.8.2
 
 homotope H- und Cl-Atome des (Z)-1,2-Dichlorethens
 
 Prochiralität am trigonalen C-Atom
 
 Auch die trigonale Carbonyl-Gruppe in Aldehyden oder unsymmetrischen Ketonen (Kap. 21) ist prochiral. Entsprechend sind die beiden Seiten der Carbonyl-Bindungsebene nicht identisch; man nennt sie enantiofacial. Zur Unterscheidung blickt man auf die Ebene der Carbonyl-Gruppe und ordnet die Priorität der Substituenten nach den CAHN-INGOLD-PRELOG-Regeln. Sinkt die Priorität im Uhrzeigersinn, so blickt man auf die Re-Seite; eine Abnahme im Gegenuhrzeigersinn kennzeichnet die Si-Seite: O
 
 OH H
 
 C
 
 + H: M
 
 C
 
 Re
 
 (S)-2-Butanol
 
 Si
 
 M
 
 E
 
 OH
 
 + :H
 
 C
 
 M
 
 H
 
 E (R)-2-Butanol
 
 E E = C 2H 5 ; M = CH 3
 
 Enantiomerenreine Reagenzien unterscheiden Re- und Si-Seite. So gelingt die Reduktion des Butanons mit einem enantiomeren komplexen Metallhydrid zum (R)-2-Butanol, wenn das Hydrid von der Si-Seite an die Carbonyl-Gruppe addiert.
 
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 18.9 Stereo- und Enantioselektivität von Reaktionen
 
 287
 
 18.9 Stereo- und Enantioselektivität von Reaktionen 18.9.1
 
 Inversion, Retention und Racemisierung
 
 ̈ Inversion Hat eine Reaktion an einem Asymmetrie-Zentrum den Konfigurationswechsel dieses Atoms zur Folge (R zu S, S zu R oder R,S zu S,R), so spricht man von Inversion. Eine Inversion muß nicht notwendigerweise das Vorzeichen der spezifischen Drehung umkehren, da (R)-Konfiguration nicht rechtsdrehend und (S)-Konfiguration nicht linksdrehend bedeutet. Eine bekannte Inversion ist die WALDEN-Umkehr bei nucleophilen Substitutionen, die nach dem SN2-Mechanismus ablaufen (Kap. 14.2.1). Die Beobachtung der WALDEN-Umkehr bei nucleophilen Substitutionen an enantiomerenreinen Substraten ist somit ein experimenteller Hinweis auf den SN2-Mechanismus. So läßt sich z. B. linksdrehendes enantiomerenreines (R)-(−)-2-Bromoctan unter vollständiger Inversion (SN2) am asymmetrischen Kohlenstoff-Atom mit konzentrierter Natronlauge in rechtsdrehendes, enantiomerenreines (S)-(+)-2-Octanol überführen: C6H 13 (R)-(−)-2-Bromoctan [a]D = − 36°
 
 C
 
 H Br
 
 −
 
 + OH , − Br
 
 −
 
 C 6H13
 
 SN2
 
 H3C
 
 CH3
 
 (S)-(+)-2-Octanol [a]D = + 10.3°
 
 C
 
 H OH
 
 Retention Vollzieht sich eine Reaktion ohne Konfigurationsumkehr der Asymmetriezentren (R bleibt R, S bleibt S und RS bleibt RS), also unter Erhaltung der absoluten Konfiguration (stereokonservative Reaktion), so spricht man von Retention. Die Derivatisierung des 1-Phenyl-2-propanols zum Tosylat verläuft z. B. unter Retention; dagegen führt die anschließende Substitution des Tosylat-Anions durch Acetat nach SN2 zur vollständigen Inversion, die Hydrolyse des Acetats (Essigsäureesters) erneut zur Retention (Abb. 18.7). ̈
 
 CH 3 CH 2 C O H H
 
 CH 3
 
 SO2Cl , − HCl
 
 + H3C
 
 keine Inversion, C−O-Bindung bleibt intakt
 
 [α]D = + 33.2° optische Reinheit : 98 %
 
 O
 
 CH 2 C O S
 
 CH 3
 
 O
 
 H
 
 [α]D = + 31.1° enantiomerenrein SN2 , vollständige Inversion C-O-Bindung wird gespalten
 
 + CH3−CO2
 
 −
 
 − H3 C
 
 SO3
 
 −
 
 O OH CH 2 C CH 3 H [α]D = − 32.2° enantiomerenrein
 
 −
 
 + OH , − CH3−CO2
 
 −
 
 keine Inversion, C−O-Bindung bleibt intakt
 
 O
 
 C
 
 CH3
 
 CH 2 C CH 3 H [α]D = − 7.1° enantiomerenrein
 
 Abb. 18.7. Nucleophile Substitutionen des 1-Phenyl-2-propanols mit bzw. ohne Konfigurationsumkehr
 
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 288
 
 18 Chiralität
 
 Racemisierung Bei einer Racemisierung führt die chemische Reaktion einer enantiomerenreinen Verbindung zu einem racemischen Gemisch (R wird R,S ; S wird R,S). Mit Racemisierungen ist zu rechnen, wenn enantiomerenreine Verbindungen in Reaktionen verwickelt werden, die unter intermediärer Bildung von Carbenium-Ionen, Carbanionen oder Radikalen an asymmetrischen C-Atomen ablaufen. Je langlebiger das intermediär auftretende Carbenium-Ion ist, desto wahrscheinlicher wird eine vollständige Racemisierung enantiomerenreiner Substrate. SN1-Reaktionen sind deshalb im Gegensatz zu SN2-Reaktionen nicht stereospezifisch. So verläuft die Hydrolyse des enantiomerenreinen α-Chlorethylbenzens über das mesomeriestabilisierte (relativ langlebige) α-PhenylethylKation in wäßrigem Ethanol unter vollständiger Racemisierung: ̈
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 60 % C2H5OH / H2O , SN1
 
 C Cl
 
 C OH
 
 H
 
 CH3 sowie HO C
 
 H
 
 enantiomerenreines (R)-α-Chlorethylbenzen
 
 H
 
 Produktverhältnis 1 : 1 vollständige Racemisierung : [α]D = 0°
 
 Weniger stabile (relativ kurzlebige) Carbenium-Ionen werden durch die austretende Gruppe etwas abgeschirmt, so daß ein Angriff des Nucleophils von der Rückseite wahrscheinlicher wird; anstelle vollständiger Racemisierung wird dann teilweise Inversion beobachtet wie bei der Hydrolyse des enantiomerenreinen (R)-3-Chlor-3,7-dimethyloctans: CH 3 (H 3C)2CH
 
 60 % C2H5OH / H2O , SN1
 
 (CH 2)3 C C 2H 5
 
 OH
 
 CH 3 (H 3C)2CH
 
 (CH 2)3 C C2H5 sowie (H 3C)2CH
 
 Cl
 
 (CH 2)3 C C 2H 5
 
 OH
 
 (R)-3-Chlor-3,7-dimethyloctan enantiomerenrein
 
 CH 3
 
 (R)- und (S)-3,7-Dimethyloctan-3-ol Produktmischung geringer Enantiomeren-Reinheit (Inversion und etwa 75 % Racemisierung)
 
 Bei Substitutionen an asymmetrischen Atomen chiraler Moleküle kann man durch Bestimmung der enantiomeren Reinheit (chirale GC oder Drehwertmessungen) und der Reaktionsordnung (kinetische Messungen) Rückschlüsse auf den Mechanismus ziehen. Zum Studium einfacher Austauschraten läßt sich die radioaktive Markierung, beispielsweise mit radioaktivem Iod, heranziehen, wie die unter vollständiger Inversion verlaufende SN2-Reaktion am 2-Iodbutan zeigt: CH3
 
 H3C
 
 I*
 
 +
 
 H H5C 2
 
 C
 
 I
 
 I*
 
 C
 
 H C 2H5
 
 +
 
 I
 
 Die beobachtete Racemisierungsgeschwindigkeit des 2-Iodbutans ist doppelt so groß wie die Einbaurate des radioaktiven Iods, da z. B. 100 Moleküle des (R)-2-Iodbutans vollständig racemisiert sind, wenn davon 50 durch SN2-Reaktion in Moleküle der (S)-Konfiguration übergeführt sind.
 
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 18.9 Stereo- und Enantioselektivität von Reaktionen
 
 18.9.2
 
 289
 
 Stereoselektivität, Stereospezifität
 
 Reaktionen, bei denen nicht asymmetrische Edukte in Stereoisomere übergeführt werden, die in gleichen Mengen entstehen, werden als nicht stereoselektiv bezeichnet. Man beobachtet dies normalerweise bei Reaktionen über freie Radikale. Dagegen ist eine Reaktion stereoselektiv, wenn sie aus einem Edukt, das keine Konfigurationsisomere bilden kann, vorwiegend oder ausschließlich ein Stereoisomer produziert. Beispiele sind cis-Hydrierungen von Alkinen, trans-Hydrierungen der Alkine mit Natrium in flüssigem Ammoniak sowie trans-Eliminierungen (E2) von Halogenalkanen. Stereospezifisch ist eine Reaktion, die ein stereochemisch einheitliches Edukt in ein stereochemisch einheitliches Produkt umwandelt. Beispiele sind die elektrophile Addition von Brom an Cycloalkene (mit cis-Konfiguration an der Doppelbindung) zu trans-1,2-Dibromcycloalkanen, die WALDEN-Inversion der SN2-Reaktion, sowie die Dihydroxylierungen von Cycloalkenen mit Osmiumtetroxid oder Peroxiden. Stereospezifisch in Bezug auf die Konfigurationen von Dien und Dienophil sind auch DIELS-ALDER-Reaktionen.
 
 18.9.3
 
 Asymmetrische (enantioselektive) Synthesen
 
 Chirogene Reaktionen, bei denen ein prochirales Edukt in ein chirales Produkt mit einem asymmetrischen C-Atom übergeht, führen in der Regel zum Racemat. ̈ Enantioselektive Reduktionen und katalytische Hydrierungen Lithiumaluminiumhydrid reduziert 2-Butanon zu racemischem 2-Butanol (Kap. 18.8.2), weil das Hydrid-Anion mit gleicher Wahrscheinlichkeit von der Re- und der Si-Seite der CarbonylFunktion angreifen kann. O
 
 OH H
 
 + H2O
 
 C
 
 + H:
 
 − OH
 
 CH 3 CH2 CH3
 
 HO
 
 C
 
 Re
 
 Si
 
 + :H
 
 + H2O
 
 C H 3C H 3C H 2C
 
 − OH
 
 CH3
 
 H
 
 C 2 H5 (S)-2-Butanol
 
 (R)-2-Butanol
 
 50 %
 
 50 %
 
 Reduziert man jedoch 2-Butanon mit LiAlH4, das durch einen chiralen Liganden wie (aR)-(+)oder (aS)-(−)-BINOL (Kap.18.6.2) komplexiert wird, so entsteht ein Enantiomer im Überschuß; die Reaktion wird enantioselektiv. Geeignet substituierte Alkene enthalten prochirale C-Atome und bieten den Reagenzien enantiofaciale Seiten. Ihre katalytische Hydrierung ist daher chirogen und führt zum Racemat, weil Wasserstoff mit gleicher Wahrscheinlichkeit von der Re- und der Si-Seite der π-Bindung addieren kann. CH3 H
 
 C
 
 Y
 
 + H2 (Kat.)
 
 C
 
 Re
 
 Si
 
 Y
 
 X (S)-N-Acetylalaninmethylester
 
 C
 
 Y
 
 H
 
 X (R)-N-Acetylalaninmethylester
 
 X X = NHCOCH3
 
 CH 3
 
 + H2 (Kat.)
 
 Y = CO2CH3
 
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 290
 
 18 Chiralität
 
 Hydriert man jedoch mit chiralen Katalysatoren (enantioselektive Katalyse), z.B. mit Rhodium(I)Chelaten chiraler Diphosphinoethan-Liganden [Bauprinzip: (R)- oder (S)- R2P−CHR'−CH2−PR2], so bildet sich wiederum ein Enantiomer im Überschuß. Hierauf beruht die Herstellung einiger enantiomerenreiner Aminosäuren durch enantioselektive Hydrierung von Acetylaminoacrylsäureestern (Kap. 37.6.7). Die Qualität einer enantioselektiven Reaktion wird durch den Enantiomeren-Überschuß (enantiomeric excess, e.e.) beurteilt: e.e. = % R − % S =
 
 Enantiomeren-Überschuß
 
 [R] − [S] [R] + [S]
 
 100 [%]
 
 Die mit chiralen Hydrierkatalysatoren erzielten Enantiomerenüberschüsse (e.e.) liegen zwischen 80 und 99 %. Enantioselektive Hydrierungen prochiraler CC-Doppelbindungen in homogener Phase gelingen mit Ruthenium-Chelaten axial chiraler Triarylphosphan-Liganden, besonders effizient mit den (aR)- und (aS)-Enantiomeren der BINAP-Ruthenium(II)chlorid-Komplexe (NOYORI-Katalysatoren, NOYORI-Hydrierung). Die Chiralität dieser Liganden prägt den Koordinationsraum des Zentral-Ions, wie die Formelskizze des Acetessigester-Chelats andeutet. Daher verspürt ein die Chlorid-Ionen substituierender, prochiraler Ligand als Substrat (Alken) eine Seitendifferenzierung. Reaktionen (Hydrierungen) in diesem Komplex werden demzufolge diastereoselektiv, so daß die Abtrennung des Katalysator-Enantiomers ein Produkt mit Enantiomerenüberschuß hinterläßt.
 
 PAr2 PAr2
 
 Ar2P Ar2P
 
 O Ar2 P Ru O P O Ar2 O
 
 Ar =
 
 OCH3
 
 H3CO
 
 (aR)-(+)-BINAP
 
 (aS)-(−)-BINAP
 
 (aR)-(+)-BINAP-Ru-Komplex mit Acetessigsäuremethylester
 
 (1,1'-Binaphthalen)-2,2'-diyl-bis(diphenylphosphan)
 
 NOYORI-Hydrierungen des Acetessigsäuremethylesters zum (R)-(+)-3-Hydroxybutansäuremethylester und der 2-(6-Methoxynaphthalen-2-yl)propensäure zum Entzündungshemmer (S)-(−)-Naproxen mit hohen Enantiomerenüberschüssen sind eindrucksvolle Beispiele. Prochirale Alkene ohne koordinationsfähige Gruppen werden mit geringeren Enantiomerenüberschüssen hydriert. O
 
 O
 
 OH OCH3
 
 + H2
 
 O
 
 OH
 
 (aR)-(+)-BINAP-RuCl2 OCH 3
 
 OCH 3 (R)-3-Hydroxybutansäuremethylester (ee > 98 %)
 
 KetoEnol-Tautomer des Acetessigsäuremethylesters
 
 CH 2 CO2H H3CO
 
 O
 
 CH3 + H2
 
 (aS)-(−)-BINAP-RuX2 X = Carboxylat
 
 H
 
 CO2H
 
 H3CO (S)-(−)-2-(6-Methoxynaphthalen-2-yl)propansäure (Naproxen)
 
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 18.9 Stereo- und Enantioselektivität von Reaktionen
 
 291
 
 Enantioselektive Epoxidation Eine auch industriell durchgeführte enantioselektive Oxidation ist die SHARPLESS-Epoxidation der prochiralen CC-Doppelbindung von Allylalkoholen mit t-Butylhydroperoxid in Gegenwart eines chiralen Hilfsreagenzes [(+)- oder (−)-Weinsäurediethylester, komplexiert durch Titantetra-ipropylat]. Addition von der Si-Seite führt zum (S)-Oxiran; von der Re-Seite aus entsteht das (R)Oxiran. ̈
 
 + [O]
 
 O
 
 H
 
 C
 
 Re
 
 + [O]
 
 Si H
 
 R (R)-Hydroxymethyloxiran
 
 R
 
 O
 
 H
 
 R = CH 2OH
 
 R (S)-Hydroxymethyloxiran
 
 Zunächst bildet Titantetra-i-propylat mit dem Weinsäureester-Enantiomer einen dimeren, chiralen Komplex. Anschließend substituieren t-Butylhydroperoxid und Allylalkohol die verbliebenen iPropylat-Liganden (1), so daß Titan(IV) geometrisch definiert sowohl den Allylalkohol als auch das epoxidierende Peroxid bindet, wobei es als LEWIS-Säure ein Peroxy-O-Atom komplexiert und dadurch das andere zum Elektrophil polarisiert (2). Das elektrophile Peroxy-O-Atom addiert dann an die CC-Doppelbindung (3); im Komplex entsteht dabei das Oxiran-Enantiomer, während das ehemalige, komplexierte Peroxy-O-Atom eine kovalente Bindung zum Titan(IV) knüpft (4). Die Aufarbeitung in Wasser (5) setzt t-Butylalkohol und das Oxiran-Enantiomer (Glycidol) frei. O * Ti
 
 (2) O
 
 O * O Ti O
 
 (3)
 
 O * O Ti O
 
 (4)
 
 O * O Ti O
 
 O
 
 O + (CH3) 3C−O−OH + H
 
 (1)
 
 (5)
 
 − 2 (CH3) 2CH−OH
 
 OC 2H5 CO2C2H 5
 
 O * OCH(CH 3)2 Ti OCH(CH 3)2
 
 (H 3C)2CHO (H 3C)2CHO
 
 Ti
 
 O O
 
 H5C 2O2C
 
 OH
 
 OCH(CH3)2
 
 O Ti O OCH(CH3)2 O
 
 O Glycidol
 
 OC 2H5
 
 ̈ Enantioselektive Synthesen mit chiralen Auxiliaren Bei der Synthese enantiomerenreiner Verbindungen (EPC-Synthese, EPC für enantiomeric pure compounds nach SEEBACH) haben sich chirale Hilfsreagenzien (Auxiliare) bewährt, die man kovalent an ein prochirales Edukt bindet. Die Verknüpfung des Edukts mit dem chiralen Auxiliar senkt die Aktivierungsenergie ∆EA zur Bildung eines der beiden Enantiomeren (Abb. 18.8). Ohne Auxiliar wäre die Aktivierungsenergie zur Bildung beider Enantiomeren gleich (∆EA(R) = ∆EA(S) ), so daß ein Racemat entstünde.
 
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 292
 
 18 Chiralität
 
 Streng genommen sind auxiliar-gesteuerte asymmetrische Synthesen diastereoselektiv. Im Falle eines Auxiliars mit (R)-Konfiguration beträgt der Diasteromerenüberschuß Diastereomeren-Überschuß bei ( R)-Konfiguration des Auxiliars
 
 d.e. = % RR − % SR =
 
 [RR] − [SR] [RR] + [SR]
 
 100 [%] .
 
 Epot ∆∆EA
 
 ∆EA(S)
 
 ∆EA(R)
 
 Abb. 18.8. Energiediagramm einer auxiliar-gesteuerten asymmetrischen Synthese [Favorisierung des ( R)-Enantiomers]
 
 Edukt−R*
 
 (R*: chirales Auxiliar)
 
 (S)-Enantiomer
 
 (R)-Enantiomer Reaktionskoordinate
 
 Exemplarisch und gut durchschaubar ist ein von TROST gefundenes Prinzip zur auxiliar-gesteuerten asymmetrischen DIELS-ALDER-Reaktion. Chirales Hilfreagenz ist (R)- oder (S)-O-Methylmandelsäure; durch Einbau des (R)-Methylmandeloxy-Restes in 1,3-Butadien entsteht ein "chirales" Dien, in dem die Re-Seite sterisch und durch charge-transfer-Wechselwirkung von PhenylRest und Dien vor der Addition eines Dienophils geschützt wird (Seitendifferenzierung). Das Dienophil addiert dann überwiegend von der Si-Seite. Mit Acrolein als Dienophil ensteht (3S,4S)3-Alkoxy-cyclohexen-4-aldehyd. Da das Primärprodukt die chirale Hilfsgruppe mit (R)-Konfiguration noch enthält, ist die Reaktion diastereoselektiv; der erzielte Diastereomerenüberschuß beträgt d.e. = % SSR − % RRR = 64 % .
 
 H
 
 C
 
 O OR* (3S,4S)3-Alkoxycyclohexen-4-aldehyd 64 % d.e.
 
 +
 
 H C
 
 + Si
 
 O Acrolein
 
 C
 
 Re O
 
 C
 
 H
 
 C
 
 O H OCH3
 
 C
 
 H
 
 OR* O (3R,4R)-
 
 O (R)-1-O-Methylmandeloxy-1,3-butadien
 
 Ein gutes Auxiliar erzielt gute chemische Ausbeuten, hohe Diastereomerenüberschüsse, läßt sich unter möglichst milden Bedingungen vom Produkt abspalten und zur weiteren Verwendung zurückgewinnen. Von den enantiomerenreinen Naturstoffen abgeleitete Verbindungen wie Aminosäure-Derivate (Kap. 37.6.7, 37.8.7) bieten sich als gut zugängliche Auxiliare an. Die stereochemische Kontrolle der Ausbildung weiterer asymmetrischer Zentren durch sterische und elektronische Faktoren bereits vorhandener Asymmetrie-Zentren ist von grundlegender Bedeutung bei Biosynthesen. So werden die Proteine ausschließlich aus L-Aminosäuren über stereospezifische biochemische Reaktionen aufgebaut. Pflanzen erzeugen bei der Photosynthese nur DGlucose, und nur diese wird im tierischen Organismus metabolisiert, nicht das L-Enantiomer.
 
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 19.1
 
 Nomenklatur substituierter Carbonsäuren
 
 293
 
 19 Substituierte Carbonsäuren 19.1 Nomenklatur substituierter Carbonsäuren Die wichtigsten substituierten Carbonsäuren tragen in α-, β-, γ-, δ-Stellung zur Carboxy-Gruppe Halogene, Hydroxy- oder Amino-Funktionen sowie Oxo-Gruppen. Entsprechend nennt man sie Halogencarbonsäuren (Halogensäuren), Hydroxycarbonsäuren (Hydroxysäuren), Aminosäuren (Kap. 36) und Oxocarbonsäuren (Oxosäuren, früher: Ketosäuren). Die Bezeichnungen substituierter Carbonsäuren leiten sich von denen unsubstituierter Säuren ab (Kap. 17.1). Die Position der Substituenten wird gemäß IUPAC mit arabischen Ziffern angegeben. Bei den Trivialnamen werden stattdessen oft die griechischen Buchstaben α, β, γ, δ,... benützt. Vermieden werden sollte eine Kombination von IUPAC-Bezeichnungen mit α-, β-, γPositionsangaben; so kann β-Brompropionsäure konsequent durch 3-Brompropansäure (jedoch nicht durch β-Brompropansäure) ersetzt werden. 3
 
 2
 
 1
 
 4
 
 3
 
 2
 
 1
 
 H 3C CH CH 2 CO2H
 
 H3C CH CO2H 2-Chlorpropansäure (α-Chlorpropionsäure)
 
 4
 
 OH
 
 F
 
 Cl
 
 5
 
 3-Fluorbutansäure (β-Fluorbuttersäure)
 
 3
 
 2
 
 1
 
 CH2 CH2 C CH 2 CO2H
 
 O
 
 4(1)
 
 CO2H
 
 O
 
 5-Hydroxy-3-oxopentansäure (δ-Hydroxy-β -ketovaleriansäure)
 
 4-Oxocyclohexancarbonsäure (δ-Oxocyclohexancarbonsäure, Cyclohexanon-4-carbonsäure)
 
 Aufgrund ihrer lange bekannten natürlichen Herkunft sind für einige bedeutende Säuren fast nur Trivialnamen in Gebrauch (Bezeichnung des Säure-Anions in eckigen Klammern): H 3C CH CO2H
 
 HO CH2 CH CO2H
 
 H3C C CO2H
 
 OH 2-Hydroxypropansäure (Milchsäure) [Lactat]
 
 OH 2,3-Dihydroxypropansäure (Glycerinsäure) [Glycerat]
 
 O 2-Oxopropansäure (Brenztraubensäure) [Pyruvat]
 
 HO2C CH 2
 
 CH CO2H
 
 OH 2-Hydroxybutandisäure (Äpfelsäure) [Malat]
 
 HO2C CH
 
 CH CO2H
 
 H 3C C CH 2 CH2 CO2H
 
 OH OH 2,3-Dihydroxybutandisäure (Weinsäure) [Tartrat]
 
 O 4-Oxopentansäure (Lävulinsäure) [Lävulat]
 
 19.2 Physikalische Eigenschaften und Acidität Die Einführung von Heteroatomen in Carbonsäuren erhöht deren Polarität; damit verstärken sich die intermolekularen Wechselwirkungen. Somit liegen die Schmelz- und Siedepunkte substituierter Carbonsäuren deutlich höher als die vergleichbarer unsubstituierter Carbonsäuren.
 
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 294
 
 19
 
 Substituierte Carbonsäuren
 
 Die Acidität der Hydroxy-, Oxo- und besonders der α-Halogensäuren ist stärker als die von unsubstituierten Carbonsäuren (Tab. 19.1). Dies läßt sich auf den Elektronenzug des elektronegativen Sauerstoffs der Hydroxy- und Oxo-Gruppe bzw. der Halogen-Substituenten zurückführen. Dieser Effekt stabilisiert die Carboxylat-Anionen durch eine bessere Verteilung ihrer negativen Ladung (Kap. 17.6.4). Tab. 19.1. Substituenteneffekte auf Schmelz- und Siedepunkte sowie Aciditäten ausgewählter Ethanund Propansäuren Schmp. °C
 
 Sdp. °C (1013 mbar)
 
 Aciditätskonstante Ka ( x 10−5 )
 
 Ethan-
 
 16.6
 
 118.0
 
 1.7
 
 Cl CH2 CO2H
 
 Chlorethan-
 
 61.0
 
 189.0
 
 136.0
 
 HO CH2 CO2H
 
 Hydroxyethan-
 
 80.0
 
 100.0
 
 15.0
 
 Oxoethan-
 
 98.0
 
 Zersetzung
 
 47.0
 
 − 22.0
 
 141.0
 
 1.3
 
 2-Chlorpropan- (R,S)
 
 ---
 
 185.0
 
 13.2
 
 2-Hydroxypropan- (R,S)
 
 18.0
 
 122.0
 
 14.0
 
 2-Oxopropansäure
 
 14.0
 
 165.0
 
 320.0
 
 Formel H 3C
 
 CO2H
 
 O CH CO2H H 3C CH2 CO2H H 3C CH CO2H
 
 IUPAC-Bezeichnung
 
 Propan-
 
 Cl H 3C CH CO2H OH H 3C C CO2H O
 
 Die Säurestärke der Halogensäuren nimmt mit zunehmendem (−)-I-Effekt (I < Cl ≈ Br < F) und der Anzahl elektronenziehender Substituenten zu. Wächst der Abstand zwischen dem (−)-ISubstituenten und der Carboxy-Gruppe, so verringert sich die Acidität (Tab. 19.2). Tab. 19.2. pK-Werte einiger Halogenalkansäuren in Abhängigkeit vom (−)-I-Substituenten Halogenalkansäuren
 
 pK-Wert
 
 Formel CO2H CO2H CO2H CO2H
 
 2.66 2.86 2.69 3.12
 
 CH2 CO2H Cl2CH CO2H Cl3C CO2H
 
 2.86 1.30 0.65
 
 Cl CH2 CO2H Cl CH2 CH2 CO2H CH2 CH2 CH2 CO2H
 
 2.86 4.08 4.52
 
 Monohalogenethansäuren
 
 F Cl Br I
 
 Mono-, Di-, Trichlorethansäure
 
 Cl
 
 ω-Chloralkansäuren
 
 Cl
 
 CH2 CH2 CH2 CH2
 
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 19.3 Halogencarbonsäuren
 
 295
 
 19.3 Halogencarbonsäuren 19.3.1
 
 Synthesen
 
 α-Halogencarbonsäuren durch α-Halogenierung Carbonsäuren lassen sich in α-Stellung zur Carboxy-Gruppe halogenieren. So werden Essigsäure und Phenylessigsäure durch Chlor im UV-Licht radikalisch zu den α-Halogencarbonsäuren substituiert: ̈
 
 H3C CO2H
 
 +
 
 Cl2
 
 C6H 5 CH 2 CO2H
 
 +
 
 Cl2
 
 hν , Rückfluß
 
 Cl
 
 hν
 
 CH 2 CO2H Chloressigsäure
 
 +
 
 HCl
 
 C 6H5 CH CO2H
 
 +
 
 HCl
 
 Cl
 
 DL-α-Chlorphenylessigsäure
 
 Auch in Gegenwart katalytischer Mengen an rotem Phosphor reagieren Carbonsäuren mit Halogenen (Cl, Br) zu α-Halogencarbonsäuren (HELL-VOLHARD-ZELINSKII-Reaktion): R CH 2 CO2H
 
 +
 
 X2
 
 PX3 oder P
 
 R CH CO2H
 
 +
 
 HX
 
 X
 
 X = Cl , Br
 
 Der Phosphor beschleunigt die Reaktion, indem er mit dem Halogen das Trihalogenid bildet, welches die Carbonsäure zum Säurehalogenid derivatisiert: 2 P + 3 X2
 
 O + 3 R CH 2 C OH
 
 2 PX 3
 
 O 3 R CH 2 C X
 
 PX 3
 
 +
 
 P(OH)3
 
 In Gegenwart von Halogenwasserstoff HX als Protonendonor enolisiert das Säurehalogenid, und das Halogen X2 addiert an die Doppelbindung des Enols: O
 
 + [H+]
 
 R CH2 C
 
 O H C X
 
 R CH X
 
 H
 
 − [H +]
 
 O H R CH
 
 C
 
 + X2
 
 X enolisiertes Säurehalogenid
 
 δ−
 
 δ+ O H
 
 Xδ+
 
 X
 
 R CH
 
 C
 
 − HX
 
 O R CH X
 
 C X
 
 X δ−
 
 Das entstandene α-Halogensäurehalogenid reagiert mit einem Molekül Carbonsäure unter Halogen-Austausch zur α-Halogencarbonsäure und dem Säurehalogenid, welches seinerseits wieder in den Reaktionskreislauf eintritt. R CH X
 
 O C X
 
 +
 
 O R CH 2 C OH
 
 R CH X
 
 O + C OH
 
 O R CH2 C X
 
 Bei Ausschluß von Bedingungen, unter denen sich Radikale bilden können, führt die HELLVOLHARD-ZELINSKII-Halogenierung selektiv zur α-Halogencarbonsäure, z. B.: H3C CH2 CH 2 CH 2 CO2H Valeriansäure
 
 + Br 2 , P , − HBr
 
 Br H3C CH2 CH 2 CH CO2H DL-α-Bromvaleriansäure (R,S)-2-Brompentansäure
 
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 296
 
 19
 
 Substituierte Carbonsäuren
 
 Bromierungen CH-acider 1,3-Dicarbonsäuren, z. B. Malonsäure und deren α-Alkyl-Derivate, gelingen ohne Phosphortribromid (PBr3). Die thermische Decarboxylierung der gebildeten αBromdicarbonsäure führt zur α-Bromcarbonsäure: CO2H
 
 CO2H
 
 + Br2 , − HBr
 
 R C CO2H
 
 130-150 °C , − CO2
 
 R C CO2H
 
 H
 
 R CH CO2H Br
 
 Br
 
 α-Alkylmalonsäure
 
 α-Brom-α-alkylmalonsäure
 
 α-Bromcarbonsäure
 
 β- und γ-Halogencarbonsäuren aus α,β-ungesättigten Carbonsäuren β-Halogencarbonsäuren entstehen durch elektrophile Addition von Halogenwasserstoff an α,β-ungesättigte Carbonsäuren (Kap. 17.5.8, 17.5.9), z. B.: H3C CH CH CO2H
 
 +
 
 HBr
 
 H3C CH CH2 CO2H Br
 
 (E- oder Z-)-2-Butensäure
 
 (R,S)-3-Brombutansäure
 
 Die selektive β-Bromierung erfolgt aufgrund einer Cβ-Positivierung bei der intermediären Bildung eines mesomeriestabilisierten Oxonium-Carbenium-Ions: OH R CH CH
 
 C OH OH
 
 +
 
 + [H ]
 
 R CH CH CO2H
 
 R CH CH
 
 + Br
 
 O
 
 OH
 
 −
 
 C
 
 R CH CH OH
 
 Br
 
 R CH CH2 C
 
 C OH
 
 OH
 
 Br
 
 OH R CH CH
 
 C OH
 
 α,β-Ungesättigte Carbonsäureester können in Allyl-Stellung mit N-Bromsuccinimid selektiv bro-
 
 miert werden (WOHL-ZIEGLER-Bromierung, Kap. 13.3.7). O H3C CH CH CO2CH 3
 
 +
 
 (E- oder Z-)-2-Butensäuremethylester
 
 N Br O
 
 O CCl4 , 25 °C
 
 Br CH2 CH CH CO2CH 3
 
 +
 
 (E- oder Z-)-4-Brom-2-butensäuremethylester
 
 N H O
 
 ω-Halogencarbonsäureester aus Lactonen Wasserfreie Halogenwasserstoffe in alkoholischer Lösung öffnen Lacton-Ringe (cyclische Ester von Hydroxysäuren) unter Bildung von ω-halogensubstituierten Carbonsäureestern: O
 
 O
 
 + HBr , + C 2H5 OH
 
 O Br
 
 O
 
 CO2C 2H 5
 
 − H2O γ-Butyrolacton (4-Butanolid)
 
 + HCl , + CH 3OH − H2O
 
 4-Brombutansäureethylester (γ-Brombuttersäureethylester)
 
 δ-Valerolacton (5-Pentanolid)
 
 Cl
 
 CO2CH 3
 
 5-Chlorpentansäuremethylester (δ-Chlorvaleriansäuremethylester)
 
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 19.3 Halogencarbonsäuren
 
 19.3.2
 
 297
 
 Reaktionen
 
 Halogensäuren zeigen sowohl Carbonsäure-spezifische Reaktionen wie Neutralisation, Säurehalogenid-Bildung und Veresterung, als auch die für Halogenalkane typischen Reaktionen wie nucleophile Substitutionen und Eliminierungen. Nucleophile Substitutionen des Halogens in α-Halogencarbonsäuren öffnen den Weg zu α-substituierten Derivaten wie α-Hydroxy-, α-Amino-, αCyanocarbonsäuren und Malonsäuren (Abb. 19.1). Halogenalkan-Reaktionen
 
 Carbonsäure-Derivatisierungen
 
 + NaOH , − NaCl
 
 R CH2 CH CO2H
 
 Hydrolyse
 
 + NaOH , − H2O
 
 OH
 
 R CH2 CH CO2 Na
 
 Neutralisation
 
 2-Hydroxyalkansäure
 
 X
 
 + 2 NH3 , − NH4Cl
 
 R CH2 CH CO2
 
 Natrium-2-halogenalkanoat 2-Halogenalkansäure
 
 Ammonolyse
 
 NH3 2-Aminoalkansäure (Aminosäure)
 
 R CH2 CH CO2H X
 
 + KCN , − KCl
 
 R CH2 CH CO2H
 
 +
 
 + R'OH , − H2O [H ]
 
 R CH2 CH CO2R'
 
 Veresterung
 
 X 2-Halogenalkansäureester
 
 KOLBE-Nitrilsynthese
 
 CN
 
 + SOCl2 , − SO2 , − HCl
 
 2-Cyanoalkansäure − HX
 
 R CH CH CO2H
 
 Säurehalogenierung
 
 Dehydrohalogenierung
 
 2-Alkensäure
 
 R CH2 CH COCl X
 
 2-Halogenalkansäurechlorid
 
 Abb. 19.1. Reaktionen der Halogencarbonsäuren
 
 Präparative Anwendungen sind die Darstellung der Milchsäure, des Alanins und der Methylmalonsäure über 2-Cyanopropansäure aus 2-Brompropansäure, H 3C CH CO2H
 
 + NaOH , − NaBr
 
 OH
 
 H3C CH CO2H
 
 + 2 NH3 , − NH4Br
 
 Br
 
 NH2 (R,S)-2-Aminopropansäure (DL-Alanin)
 
 (R,S)-2-Brompropansäure
 
 (R,S)-2-Hydroxypropansäure (DL-Milchsäure)
 
 H3C CH CO2H
 
 + NaCN , − NaBr
 
 H3C CH CO2H
 
 + 2 H2O , − NH3
 
 H3C CH CO2H CO2H Methylmalonsäure
 
 CN (R,S)-2-Cyanopropansäure (DL-Methylmalonsäuremononitril)
 
 sowie eine Synthese der α-Aminosäure DL-Leucin durch Ammonolyse der 2-Brom-4-methylpentansäure, dem Decarboxylierungsprodukt der durch Bromierung der Isobutylmalonsäure zugänglichen α-Bromisobutylmalonsäure. CO2H (H 3C)2CH CH2 C CO2H H
 
 + Br2 − HBr
 
 CO2H (H 3C)2CH CH2 C CO2H Br
 
 130 - 150 °C − CO2
 
 (H3C)2CH CH 2 CH CO2H Br
 
 Isobutylmalonsäure + 2 NH3
 
 − NH4Br
 
 (H3C)2CH CH 2 CH CO2 NH3 DL-Leucin
 
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 298
 
 19
 
 Substituierte Carbonsäuren
 
 19.4 Hydroxycarbonsäuren 19.4.1
 
 Synthesen
 
 α-Hydroxycarbonsäuren durch Cyanhydrin-Synthese Aldehyde können durch Addition von Blausäure in Cyanhydrine (Kap. 20.10.4) übergeführt werden, deren Hydrolyse α-Hydroxycarbonsäuren liefert: H
 
 H
 
 + HCN
 
 C O
 
 H
 
 + 2 H2O [H+] , − NH3
 
 C C N
 
 C CO2H
 
 OH
 
 Benzldehyd
 
 OH
 
 DL-Benzaldehyd-cyanhydrin
 
 DL-Mandelsäure
 
 Hydroxylierung von Halogencarbonsäuren In alkalisch wäßriger Lösung lassen sich Halogensäuren durch nucleophile Substitution in Hydroxysäuren umwandeln: H CH 3
 
 CH2
 
 −
 
 C CO2 Na
 
 + OH , − Br
 
 H
 
 −
 
 CH3 CH 2 C CO2 Na
 
 Br
 
 OH
 
 DL−α-Brombutyrat
 
 DL-α-Hydroxybutyrat
 
 Reduktion von Oxocarbonsäuren Aus Oxosäuren oder Oxosäureestern entstehen durch katalytische Hydrierung in Gegenwart von RANEY-Nickel Hydroxysäuren: O H 3C C CH 2 C
 
 +
 
 H2
 
 O
 
 RANEY-Ni , 100 °C, Druck
 
 H3C CH CH2 C
 
 OC 2H5
 
 O
 
 OC2H 5
 
 OH
 
 Acetessigester
 
 DL-β-Hydroxybuttersäureethylester
 
 REFORMATSKY-Synthese von β-Hydroxycarbonsäureestern Bei der REFORMATSKY-Synthese von β-Hydroxycarbonsäuren reagieren zunächst α-Halogencarbonsäureester mit Zinkstaub in aprotischen Lösemitteln zu Alkylzinkhalogeniden. Diese addieren als C-Nucleophile an Carbonyl-Verbindungen (Aldehyde oder Ketone); durch Hydrolyse der Addukte entstehen β-Hydroxyester. R1 CH CO2R2 +
 
 Zn
 
 in Ether oder Benzen
 
 R1 CH CO2R2 ZnX
 
 X α-Halogencarbonsäureester ( X = Cl , Br , I )
 
 R4
 
 C O
 
 R3
 
 R4
 
 C O
 
 R3
 
 R1 +
 
 δ− CH δ+ ZnX
 
 CO2R2
 
 1,2-Addition
 
 R3 R 1 R4 C CH CO2R2 OZnX
 
 + H2O − ZnX(OH)
 
 R3 R 1 R 4 C CH CO2R 2 OH β-Hydroxycarbonsäureester
 
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 19.4 Hydroxycarbonsäuren
 
 299
 
 Die 1,2-Addition der Organozink-Verbindung RZnX an die CO-Doppelbindung eines Aldehyds oder Ketons führt in formaler Analogie zur Addition von GRIGNARD-Reagenzien (RMgX) an Carbonyl-Verbindungen zu β-Hydroxycarbonsäureestern. Da die reaktiveren Alkylmagnesiumhalogenide auch an die Ester-Funktion addieren würden, eignen sie sich nicht zur Darstellung von βHydroxyestern. Organocadmium-Verbindungen RCdX sind andererseits gegenüber Aldehyden und Ketonen zu wenig reaktiv. Die REFORMATSKY-Reaktion von Bromessigsäureethylester mit Benzaldehyd führt im "EintopfVerfahren" mit guter Ausbeute zu β-Hydroxy-β-phenylpropionsäureethylester, der unter milden Bedingungen zum α,β-ungesättigten Ester dehydratisiert werden kann: H
 
 H
 
 CH2 CO2C2H 5
 
 C CH2 CO2C 2H5
 
 C CH2 CO2C2H 5
 
 ZnBr
 
 OZnBr
 
 H +
 
 C O
 
 OH
 
 (R,S)-β-Hydroxy-β-phenylpropionsäureethylester [H+]
 
 + Zn
 
 Br
 
 − H2O
 
 CH2 CO2C2H 5
 
 H
 
 Bromessigsäureethylester
 
 Zimtsäureethylester
 
 C C H
 
 19.4.2
 
 CO2C2H 5
 
 Reaktionen
 
 Neben typischen Reaktionen der Carboxy- und der Hydroxy-Gruppe zeigen Hydroxysäuren charakteristische ambidente Reaktionen, die auf gleichzeitige Anwesenheit von Hydroxy- und Carboxy-Gruppen zurückzuführen sind.
 
 Reaktionen der Hydroxy-Gruppe Säurechloride wie Acetyl- oder Benzoylchlorid acylieren Hydroxysäuren in Gegenwart einer Hilfsbase zur Bindung des freigesetzten Chlowasserstoffs: ̈
 
 O H3C CH CO2 Na
 
 +
 
 C 6H5
 
 C Cl
 
 OH Natriumlactat
 
 + NaOH
 
 H 3C CH CO2 Na
 
 − NaCl , − H2O
 
 O
 
 Benzoylchlorid
 
 C
 
 O
 
 C6H 5 O-Benzoyl-Natriumlactat
 
 Zur Überführung der Hydroxysäuren oder Hydroxyester in die entsprechenden Oxosäuren bzw. deren Ester kann die Hydroxy-Funktion mit Oxidationsmitteln oxidiert werden, z.B. mit Kaliumpermanganat: R CH OH
 
 (CH2)n CO2H
 
 Hydroxysäure
 
 − 2 [H+] , − 2 e0
 
 −
 
 R C O
 
 (CH2)n CO2H Oxosäure
 
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 300
 
 19
 
 Substituierte Carbonsäuren
 
 β-Hydroxyester werden wesentlich leichter dehydratisiert als Alkohole, da der entstehende α,β-un-
 
 gesättigte Ester mesomeriestabilisiert ist. R R C
 
 CH 2 CO2R'
 
 R
 
 + [H+]
 
 R C
 
 CH 2 CO2R'
 
 R
 
 − H2 O
 
 R
 
 OH 2
 
 OH
 
 H
 
 R
 
 − [H+]
 
 C C
 
 H C C
 
 CO2R'
 
 R
 
 CO2R'
 
 α,β-ungesättigter Ester
 
 Reaktionen der Carboxy-Gruppe Hydroxysäuren sind aufgrund des (−)-I-Effekts der Hydroxy-Gruppe etwas acider als entsprechende Alkansäuren (Essigsäure: pK = 4.75; Glykolsäure: pK = 3.83; Tab. 19.1). Sie lassen sich auf die übliche Weise mit Alkoholen durch Katalyse mit wasserfreier Mineralsäure verestern. ̈
 
 Ambidente Reaktionen Bei der Reaktion mit Thionylchlorid zur Herstellung von Säurechloriden wird auch die HydroxyGruppe substituiert: O R CH
 
 (CH2)n CO2H
 
 +
 
 2 SOCl2
 
 R CH
 
 OH
 
 2 SO2
 
 +
 
 2 HCl
 
 Cl
 
 Cl
 
 ω-Hydroxycarbonsäure
 
 +
 
 (CH2)n C
 
 ω-Chlorcarbonsäurechlorid
 
 Langkettige α-Hydroxysäuren lassen sich thermisch unter Abspaltung von Kohlenmonoxid und Wasser zu Aldehyden abbauen. R
 
 (CH 2)n
 
 200 °C , CO2-Atmosphäre
 
 * CH CO2H
 
 R
 
 H C O
 
 (CH 2)n
 
 OH
 
 * CO
 
 +
 
 +
 
 H2O
 
 Erhitzt man α-Hydroxycarbonsäuren, so spalten sie Wasser ab. Dabei entstehen durch intermolekulare Cyclodehydratisierung Lactide: OH
 
 O
 
 HO
 
 R
 
 + H
 
 R
 
 OH
 
 HO
 
 H
 
 ∆ , − 2 H2O
 
 H
 
 O
 
 O
 
 O
 
 R
 
 R
 
 H O
 
 O
 
 Lactid (3,6-Dialkyl-2,5-dioxo1,4-dioxan)
 
 β-Hydroxysäuren dehydratisieren intramolekular zu α,β-ungesättigten Carbonsäuren: HO CH 2 CH2
 
 CO2H
 
 β-Hydroxypropionsäure
 
 ∆ , − H2O
 
 H 2C CH
 
 CO2H
 
 Acrylsäure
 
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 19.4 Hydroxycarbonsäuren
 
 301
 
 Andererseits bilden γ, δ, ε...-Hydroxysäuren bereits beim gelinden Erhitzen durch intramolekulare Cyclodehydratisierung Lactone (innere Ester, Kap. 17.7.1). Besonders leicht entstehen fünf- und sechsgliedrige Lacton-Ringe: HO
 
 HO
 
 ∆ , − H2O
 
 C O
 
 γ-Hydroxybuttersäure (4-Hydroxybutansäure)
 
 ∆ , − H2O
 
 C O O
 
 HO
 
 γ-Butyrolacton (4-Butanolid)
 
 HO
 
 C
 
 O
 
 O
 
 δ-Hydroxyvaleriansäure (5-Hydroxypentansäure)
 
 C
 
 O
 
 δ-Valerolacton (5-Pentanolid)
 
 Synthesen und Reaktionen der Lactone α-Lactone können nur mit Hilfe spektroskopischer Methoden in Lösung nachgewiesen werden. βPropiolacton (Karzinogen) sowie γ-Butyrolacton als bedeutende Zwischenprodukte für industrielle Synthesen werden durch [2+2]-Cycloaddition aus Formaldehyd und Keten bzw. durch intramolekulare Cyclodehydrierung aus 1,4-Butandiol hergestellt. H2C O +
 
 ZnCl2 oder BF3
 
 Cu (Kat.) , 200 °C
 
 O
 
 H2C C O
 
 OH
 
 HO
 
 O
 
 − 2 H2
 
 O
 
 O
 
 γ-Butyrolacton (4-Butanolid)
 
 β-Propiolacton (3-Propanolid)
 
 Makrocyclische Lactone (Makrolide) entstehen durch MITSUNOBU-Cyclodehydratisierung der ωHydroxycarbonsäuren mit Azodicarbonsäurediester und Triphenylphosphan (Kap. 23.4.2). Ein Verfahren der Riechstoffindustrie ist die α-Oxidation und Ringerweiterung höhergliedriger Ketone mit Peroxoschwefelsäure (H2SO5): + H2SO5 , − H2SO4
 
 O O
 
 O O
 
 Cyclopentadecanon
 
 O
 
 Exaltolid (15-Pentadecanolid) mit trans-Konfiguration
 
 Der Duftstoff Exaltolid des Angelikawurzelöls ist ein 16-gliedriges Lacton mit stabiler transKonfiguration an der Lacton-Bindung. Kleine Lacton-Ringe besitzen dagegen eine durch die Ringstruktur erzwungene energiereichere cis-Konfiguration. Der Lacton-Ring ist daher besonders bei β-Propiolacton außerordentlich reaktiv; die Lacton-Bindung kann reduktiv sowie mit Mineralsäure, Ammoniak, Cyanid oder Hydrogensulfit gespalten werden. Na / Hg / H2O HCl / CH3OH
 
 O
 
 C O
 
 γ-Butyrolacton (4-Butanolid)
 
 KCN KHSO3 NH3
 
 H3C CH 2 CH 2
 
 CO2H
 
 Butansäure
 
 CH 2
 
 CH 2 CH 2
 
 CO2H
 
 4-Chlorbutansäure
 
 NC CH 2
 
 CH 2 CH 2
 
 CO2 K
 
 4-Cyanobutanoat
 
 HO3S CH 2
 
 CH 2 CH 2
 
 CO2H
 
 4-Sulfobutansäure
 
 HO CH 2
 
 CH 2 CH 2
 
 CONH 2
 
 4-Hydroxybutansäureamid
 
 Cl
 
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 302
 
 19
 
 Substituierte Carbonsäuren
 
 Das durch Ammonolyse des γ-Butyrolactons entstehende γ-Hydroxybuttersäureamid kann zum fünfgliedrigen Lactam (inneres cis-Säureamid) dehydratisiert werden: H HO H2N C O
 
 N
 
 − H2O
 
 C O
 
 γ-Butyrolactam (2-Pyrrolidinon)
 
 Wie die höhergliedrigen Lactone bevorzugen Lactame mit mehr als zehn Ringatomen die stabilere trans-Konfiguration.
 
 19.5 Oxocarbonsäuren und ihre Ester 19.5.1
 
 Synthesen
 
 α-Oxocarbonsäuren Die wichtigste α-Oxosäure ist die aus racemischer Weinsäure (Traubensäure) beim Erhitzen („Brenzen“) in Gegenwart von Kaliumhydrogensulfat (KHSO4) durch Dehydratisierung und Decarboxylierung entstehende Brenztraubensäure (BERZELIUS 1835): CO2H
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 CH OH
 
 KHSO4
 
 C OH
 
 C O
 
 CH OH
 
 − H2O
 
 CH
 
 CH2
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 CO2H Traubensäure
 
 Hydroxymaleinsäure
 
 CO2H − CO2
 
 C O CH3 Brenztraubensäure
 
 Oxalessigsäure
 
 α-Oxosäuren können auch durch Oxidation der α-Hydroxysäuren mit Kaliumpermanganat hergestellt werden: +
 
 H 3C CH CO2H
 
 − 2 [H ] , − 2 e0
 
 −
 
 H 3C C CO2H O
 
 OH Milchsäure
 
 Brenztraubensäure (2-Oxopropansäure)
 
 Ausgehend von Säurehalogeniden werden nach Substitution des Halogenids durch Cyanid und anschließender Hydrolyse ebenfalls α-Oxosäuren (α-Ketosäuren) hergestellt: O R
 
 C Cl
 
 Carbonsäurechlorid
 
 + KCN
 
 − KCl
 
 O R
 
 C CN
 
 Acylcyanid
 
 + 2 H2O
 
 − NH3
 
 O R
 
 C
 
 CO2H α-Oxocarbonsäure
 
 α-Oxosäuren bilden sich auch aus metallierten 1,3-Dithianen und Kohlendioxid (Kap. 33.4.2).
 
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 19.5 Oxocarbonsäuren und ihre Ester
 
 303
 
 β-Oxocarbonsäuren
 
 Freie β-Oxosäuren sind unbeständig. So decarboxyliert Acetessigsäure (3-Oxobutansäure) bereits bei Raumtemperatur zu Aceton: 25 °C , − CO2
 
 H3C C CH2 CO2H
 
 H 3C C CH 3 O
 
 O
 
 Bedeutender als die freie Säure ist Acetessigester (Acetylessigsäureethylester, 3-Oxobutansäureethylester), der aufgrund seiner CH-aciden Methylen-Gruppe bzw. seiner Keto-Enol-Tautomerie (Kap. 19.5.3) als Synthesereagenz für viele organische Synthesen Anwendung findet. Acetessigester entsteht durch CLAISEN-Esterkondensation des Essigsäureethylesters mit starken Basen wie Natrium-ethanolat (Kap. 17.11.4). Technisch wird er durch Addition von Ethanol an Diketen hergestellt. Diketen, Dimer des Ketens, entsteht durch katalytische Pyrolyse des Acetons: H3C
 
 Cr , Ni , 180 °C
 
 H2C C O Keten
 
 C O H3C Propanon (Aceton)
 
 C
 
 +
 
 O
 
 H 2C
 
 CH 4
 
 H
 
 H2C
 
 H 2C
 
 +
 
 + C2H5OH
 
 H 3C
 
 O
 
 C
 
 C
 
 OC 2H5
 
 O O Acetessigester
 
 O Diketen
 
 O
 
 C
 
 H C
 
 γ-Oxocarbonsäuren Die CH-Acidität der β-Oxoester nützt bei der Synthese von γ-Oxosäuren. Dabei wird unter Basenkatalyse die Methylen-Gruppe mit Chloressigsäureethylester alkyliert. Anschließende Verseifung und Decarboxylierung ergibt (aus Acetessigester) γ-Oxopentansäure (Lävulinsäure), die auch aus Rohrzucker (Kap. 40.8.1) durch Erhitzen mit Salzsäure unter Druck entsteht. −
 
 H 3C C CH 2 CO2C 2H5 O
 
 + C2H5O
 
 − C2H5OH
 
 _ H 3C C CH CO2C 2H5 O
 
 + Cl
 
 CH 2 − Cl
 
 CO2 C 2H 5 −
 
 H 3C C CH CO2C 2H5 O CH 2 CO2C 2H 5 + 2NaOH
 
 H 3C C CH 2 CH 2 CO2H O
 
 Lävulinsäure (4-Oxopentansäure = γ-Ketovaleriansäure)
 
 19.5.2
 
 * − CO 2
 
 * H 3C C CH CO2H O CH 2 CO2H
 
 + 2 HCl , − 2 NaCl
 
 − 2 C2H5OH
 
 H 3C C CH CO2 Na O CH 2 CO2 Na
 
 Reaktionen der Oxocarbonsäuren
 
 Thermische Umwandlungen Je nach Position der Oxo-Gruppe entstehen aus Oxosäuren beim Erhitzen Aldehyde, Ketone oder Lactone.
 
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 304
 
 19
 
 Substituierte Carbonsäuren
 
 α-Oxosäuren decarboxylieren beim Erhitzen in wäßriger Säure unter Bildung von Aldehyden: R CH 2
 
 150 °C, verd. H2SO4
 
 C CO2H
 
 − CO2
 
 O
 
 H C O
 
 R CH2
 
 β-Oxosäuren decarboxylieren beim mäßigen Erwärmen unter Bildung von Methylketonen: R CH 2
 
 ∆ , − CO2
 
 C CH2 CO2H O
 
 R CH2
 
 C CH 3 O
 
 γ-Oxosäuren cyclisieren beim Erhitzen durch nucleophile Addition der Carboxy-OH-Funktion an das Carbonyl-C-Atom zu Lactolen, die zu ungesättigten Lactonen dehydratisieren. Ungesättigte γLactone sind Teilstrukturen einiger Terpene und Steroide (Kap. 44.5); man bezeichnet diese Verbindungsklasse auch als Butenolide. R HO O C
 
 R HO
 
 C O
 
 O
 
 ∆ , − H2O
 
 O
 
 Lactol
 
 R
 
 O
 
 O
 
 und
 
 O
 
 R
 
 O
 
 α,β- und β,γ-ungesättigtes Butyrolacton (Butenolid)
 
 Reduktion Durch katalytische Reduktion können Oxosäuren und Oxoester in Hydroxysäuren übergeführt werden: R CH 2
 
 C (CH 2)n CO2H(R') O
 
 + H2 (Kat.) oder
 
 Reduktionsmittel
 
 R CH2
 
 CH (CH 2)n CO2H(R') OH
 
 Derivatisierungen Oxosäuren lassen sich verestern, zu Säurehalogeniden derivatisieren sowie als Hydrazone, Oxime oder Semicarbazone isolieren und identifizieren. β-Oxoester wie Acetessigester reagieren mit Hydrazinen über die Hydrazon-Stufe durch Cyclokondensation leicht weiter zum FünfringHeterocyclus Pyrazolon (Kap. 34.5.1). Diese Reaktion findet bei der Herstellung einiger Farbstoffe (Pyrazolon-Farbstoffe) und Pharmaka (Pyramidon, Antipyrin) Anwendung. OC 2H5 O C
 
 O
 
 + H2N NH R2
 
 OC2H 5 O C
 
 N NH R2
 
 R2 − C2H5OH
 
 O
 
 N
 
 N
 
 − H2O
 
 R1
 
 R1 Hydrazon
 
 R1 5-Pyrazolon (5-Oxo-4,5-dihydropyrazol)
 
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 19.5 Oxocarbonsäuren und ihre Ester
 
 305
 
 CH-Acidität der β-Oxocarbonsäureester und Folgereaktionen Präparativ bedeutend sind C-Alkylierungen und Acylierungen der CH-aciden Methylen-Gruppe der β-Oxoester. Wie mit anderen 1,3-Dioxo-Verbindungen können auch KNOEVENAGEL-Alkenylierungen und MICHAEL-Additionen durchgeführt werden. Diese vier für Malonsäurediester typische Reaktionen (Kap. 17.11) sind auf β-Oxoester übertragbar. •
 
 C-Alkylierung von β-Oxoestern mit Halogenalkanen und C-Acylierung mit Carbonsäurehalogeniden: C-Alkylierung + R Br
 
 − Br
 
 + C2H5O
 
 H3C C CH2 CO2C 2H5
 
 −
 
 − C2H5OH
 
 O
 
 H 3C C CH CO2C 2H5
 
 −
 
 O R α-Alkylacetessigester (2-Alkyl-3-oxobutansäureethylester)
 
 _ H3C C CH CO2C2H 5 O
 
 O
 
 C-Acylierung + C6H5−CO−Cl
 
 − Cl
 
 C
 
 C 6H5
 
 H 3C C CH CO2C 2H5
 
 −
 
 O
 
 α-Benzoylacetessigester (2-Benzoyl-3-oxobutansäureethylester)
 
 •
 
 KNOEVENAGEL-Kondensation mit Aldehyden oder Ketonen: R
 
 CO2C 2H 5
 
 R C OI
 
 C O R
 
 +
 
 R O
 
 Aldehyd oder Keton
 
 •
 
 H C H C
 
 Base
 
 R H R C C CO2C 2H5
 
 R
 
 − H2O
 
 R
 
 HO COCH3
 
 CH3
 
 CO2C2H 5 C C COCH 3
 
 Alkylidenacetessigester
 
 MICHAEL-Addition an aktivierte Doppelbindungen: _ IN C CH CH 2
 
 IN C CH CH 2
 
 Elektrophil
 
 Acrylnitril (Cyanoethen)
 
 CO2C 2H5 +
 
 H 2C
 
 NaOC2H5
 
 β
 
 N C
 
 CH 2
 
 α
 
 CH2
 
 CO2C2H 5 C H
 
 C CH 3
 
 C CH3 O
 
 O
 
 β-Cyanoethylacetessigester
 
 Das in den beiden ersten Reaktionen formulierte Carbanion existiert in Form des Natrium-Salzes, welches sich aus Acetessigester und metallischem Natrium unter Wasserstoff-Entwicklung bildet. Dabei entsteht der ambidente, mesomeriestabilisierte Natriumacetessigester, sowohl Carbanion als auch Enolat-Anion mit konjugierten CC- und CO-π-Bindungen: H 3C C CH 2 C OC 2H5 O
 
 O
 
 + Na , − 1/2 H2
 
 _ H3C C CH C OC2H 5 O
 
 H 3C C CH C OC 2H5
 
 O
 
 IO _I
 
 Na
 
 O
 
 Natriumacetessigester
 
 Natriumacetessigester bildet mit Säure Acetessigester zurück; dieser liegt als Gleichgewichtsgemisch der tautomeren Oxo- und Enolformen vor.
 
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 306
 
 19
 
 Substituierte Carbonsäuren
 
 Spaltung von β-Oxocarbonsäureestern Ein β-Oxoester ist wesentlich stabiler als die freie β-Oxosäure. Oxoester können aber in wäßrig saurer (85 % H3PO4) oder mäßig basischer Lösung in Methylketone, Alkohole und Kohlendioxid gespalten werden (Keton-Spaltung). Unter diesen Bedingungen wird die Ester-Gruppe hydrolysiert, worauf die entstehende freie Oxosäure decarboxyliert. Alkalihydroxide spalten dagegen in Alkylacetat, Acetat und Alkohol. Da zwei Säuren entstehen, ist diese Reaktion als Säure-Spaltung bekannt. Die Säure-Spaltung wird durch nucleophilen Angriff eines Hydroxid-Ions an der Oxo-Gruppe eingeleitet, was eine Spaltung der C-2−C-3-Bindung zur Folge hat. Keton-Spaltung
 
 H3C C CH2 R
 
 + H2O [H3O+]
 
 H3C C CH CO2C 2H5 + 2 NaOH
 
 O R
 
 R CH2 CO2 Na
 
 Säure-Spaltung
 
 19.5.3
 
 +
 
 C2H 5OH
 
 +
 
 CO2
 
 O +
 
 H 3C CO2 Na
 
 +
 
 C2H 5OH
 
 Oxo-Enol-Tautomerie des Acetessigesters
 
 Spektroskopische und chemische Untersuchungen zeigen, daß Acetessigester unter normalen Bedingungen ein Gemisch aus 92.5 % Oxo-Form (Acetessigester) und 7.5 % Enol-Form (βHydroxyalkensäureester) ist. Oxo- und Enol-Form sind Tautomere; das sind Isomere, die sich durch die Stellung eines H-Atoms und der π-Bindungen unterscheiden. Beide Tautomere wandeln sich durch Protonenwanderung (Prototropie) ständig ineinander um (dynamisches, prototropes Gleichgewicht, Protonentautomerie). Intermediär treten mesomeriestabilisierte Carbanionen und Enolat-Anionen auf: Anionen des Acetessigesters
 
 mesomeriestabilisiert , ambidente Reaktivität , sowohl Carbanion als auch Enolat-Anion
 
 H H 3C
 
 C O
 
 C _ H
 
 H C
 
 OC2H 5
 
 O
 
 H 3C
 
 C
 
 H IO _I
 
 C
 
 H C
 
 OC 2H5
 
 H 3C
 
 O
 
 C O
 
 C O
 
 C
 
 C
 
 C
 
 OC 2H5
 
 IO _I H
 
 H
 
 H H H 3C
 
 C
 
 OC2H 5
 
 O
 
 Keto-Tautomer (Oxo-Form)
 
 CH-acide 1,3-Dioxo-Verbindung
 
 H3C
 
 C
 
 C
 
 C
 
 OC 2H5
 
 O H Enol-Tautomer O
 
 mit konjugierten Doppelbindungen, stabilisiert durch intramolekulare Wasserstoffbrücke
 
 Das Keto-Tautomer kristallisiert aus Ether-Lösung bei −78 °C; das Enol-Tautomer scheidet sich bei derselben Temperatur als Öl ab, wenn Chlorwasserstoff in eine Dimethylether-Suspension des Natrium-Salzes eingeleitet wird. Beide Tautomere reäquilibrieren bei Raumtemperatur nach kurzer Zeit zum ursprünglichen Gleichgewichtsgemisch, beschleunigt durch Spuren von Säure oder Base. Das prozentuale Verhältnis von Oxo- zur Enol-Form ist lösemittel-, temperatur- und kon-
 
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 19.5 Oxocarbonsäuren und ihre Ester
 
 307
 
 zentrationsabhängig. So steigt der Enol-Anteil in lipophilen Solventien (Hexan) auf bis zu 46.4 % und sinkt in protischen polaren Lösemitteln (Wasser) auf 0.4 %. Die verstärkte Enolisierung in unpolaren Medien wird u. a. durch die energetisch günstige intramolekulare Wasserstoffbrücke erklärt. Die Oxo-Enol-Äquilibrierung verläuft allerdings nicht so rasch, daß chemische Analysen durch Abfangen einer Form ein völlig falsches prozentuales Verhältnis ergeben würden. Durch schnelle Titration mit Brom (Addition an die CC-Doppelbindung des Enols) gelingt die quantitative Ermittlung der Gleichgewichtslage. Präziser sind allerdings nicht invasive spektroskopische Methoden (1H-NMR-Spektroskopie, Kap. 28.5.5). Nach diesen Messungen enolisieren Mono-Aldehyde und Ketone nur geringfügig (< 1 ppm). Deutlich höher liegen die Enol-Gehalte der 1,3-DioxoVerbindungen wie Malondialdehyd und Acetylaceton (Tab. 19.3, Abb. 28.21, S. 504). Tab. 19.3. Oxo-Enol-Gleichgewichte von Carbonyl-Verbindungen Carbonyl-Verbindung
 
 O x o - Form
 
 E n o l - Form
 
 CH 3 Aceton
 
 H3C
 
 CH2
 
 C
 
 H3C
 
 0.00025
 
 C
 
 O
 
 OH OC 2H5
 
 OC2H 5
 
 CH 2 C Acetessigester
 
 H3C
 
 CH C O
 
 C
 
 H3C
 
 OH CH 3
 
 CH3
 
 CH 2 C H3C
 
 CH C O
 
 C
 
 8.0
 
 O
 
 C
 
 O
 
 Acetylaceton
 
 Enol-Gehalt [%]
 
 H3C
 
 87.0
 
 O
 
 C OH
 
 O
 
 Den unterschiedlichen Enolisierungsgrad kann man aufgrund der Bindungsenergiedaten verstehen: Bei der Enolisierung des Acetons ändert sich die molare Enthalpie um ∆Hm ≈ + 84 kJ / mol; die Änderung der molaren Entropie (∆Sm) ist dagegen gering; die molare freie Enthalpie ∆Gm sollte somit positiv sein. Experimentell ergibt sich K = 10−6 und ∆Gm = + 34 kJ / mol. Beim Acetessigester enthält die Enol-Form dagegen eine konjugierte Doppelbindung (Zugewinn etwa 17 kJ / mol); zusätzlich stabilisiert eine intramolekulare Wasserstoffbrücke (Zugewinn etwa 25 kJ / mol). Somit beträgt der Enthalpiegewinn bei der Enolisierung etwa 84 − 42 = 42 kJ / mol. Qualitativ-chemische Nachweise der Enol-Form sind die Entfärbung einer Lösung von Brom in Tetrachlormethan oder Ethanol sowie die Bildung eines roten Eisen(III)-Chelates mit Eisen(III)chlorid. H Br H 3C Br C C C OC 2H5 O
 
 H
 
 O
 
 Bromaddukt
 
 H
 
 Br 2 / CCl4
 
 H 3C
 
 C O
 
 C H
 
 H
 
 FeCl3 / C2H5OH
 
 C
 
 OC 2H5
 
 O
 
 Acetessigester
 
 H3C
 
 C
 
 C
 
 C
 
 OC 2H5
 
 O
 
 O Fe _
 
 3 Eisen(III)-Chelat
 
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 308
 
 20 Aldehyde und Ketone
 
 20 Aldehyde und Ketone 20.1 Übersicht Verbindungen mit der Formyl-Gruppe (−CH=O) bezeichnet man als Aldehyde. Ersetzt man das HAtom der Aldehyd-Funktion durch einen Alkyl- oder Aryl-Rest, so ergibt sich formal ein Keton: O
 
 O R C
 
 R C H Aldehyd (R = Alkyl oder Aryl)
 
 (CH 2)n C O
 
 R Keton (R = gleiche oder verschiedene Alkyl oder Aryl)
 
 Cycloalkanon (Cyclanon) n>1
 
 Im Falle der Ketone können die Reste R zusammen auch einen cycloaliphatischen Ring bilden. Dann handelt es sich um cyclische Ketone oder Cycloalkanone (Cyclanone). Aldehyde und Ketone gehören mit den Carbonsäuren (R−COOH) aufgrund der gemeinsamen Carbonyl-Gruppe (C=O) zu den Carbonyl-Verbindungen. Von den Carbonsäuren unterscheiden sich die Aldehyde und Ketone sehr deutlich durch ihre Reaktivität. Untereinander zeigen sie jedoch weitgehend analoge Reaktionen. Daher sollen sie gemeinsam besprochen werden.
 
 20.2 Nomenklatur 20.2.1
 
 IUPAC-Bezeichnungen
 
 Die IUPAC-Endsilben für Aldehyde und Ketone sind "-al" bzw. "-on", bei Dialdehyden und Diketonen sinngemäß "-dial" bzw. "-dion". Diese Endungen folgen der IUPAC-Bezeichnung des längstmöglichen Alkans, von dem sich der Aldehyd bzw. das Keton herleiten läßt, z. B.: O H 3C CH 2 CH 2 CH 2 CH 3 Pentan
 
 Pentanal O
 
 O
 
 H 3C CH 2 CH 2 C H
 
 O
 
 O
 
 O C CH 2 C
 
 H 3C CH3 2,4-Pentandion
 
 H
 
 Cyclobutanon
 
 CH3
 
 2-Pentanon
 
 C CH 2 CH 2 CH 2 C H
 
 Cyclobutan
 
 O
 
 H 3C CH 2 CH 2 CH 2 C
 
 Pentandial
 
 Die Position von Seitenketten, Substituenten und Mehrfachbindungen wird durch arabische Ziffern gekennzeichnet. Dabei hat die Carbonyl-Gruppe Priorität; sie bekommt also die kleinstmögliche Bezifferung. Infolge ihrer terminalen Stellung steht die Aldehyd-Gruppe stets in Position 1; diese Angabe erübrigt sich in der Bezeichnung: H Br
 
 H Br H 3C
 
 C
 
 CH 2 CH 3 C C
 
 H
 
 CH 3
 
 (2R)-(Z)-2-Brom-4-methyl-3-hexen
 
 H 3C
 
 O CH 2 C H C C H CH 3 C
 
 (5R)-(Z)-5-Brom-3-methyl-3-hexenal
 
 H 3C 6
 
 Br H O C CH 3 5 2 1 4 C C3 H CH 3 C
 
 (5S)-(Z)-5-Brom-3-methyl-3-hexen-2-on
 
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 20.3 Molekülorbital-Modell der Carbonyl-Gruppe
 
 20.2.2
 
 309
 
 Trivialnamen
 
 Die Trivialbezeichnungen der Aldehyde werden meist von den (lateinischen) Namen der entsprechenden Carbonsäuren hergeleitet. Sie tragen die Endung "-aldehyd", z. B.: acidum acet icum (Essigsäure) acidum propion icum Benz oesäure p-Tolu ylsäure
 
 Acet aldehyd Propion aldehyd Benz aldehyd p-Tolu aldehyd
 
 Die Trivialnamen der Ketone enden mit "-keton". Die Bezeichnungen der beiden mit der Carbonyl-Gruppe verknüpften Alkyl-Gruppen werden vorangestellt, und zwar in der Reihenfolge zunehmender Größe, z. B.: H3C
 
 H3C C CH3
 
 H3C
 
 C CH2 CH 3
 
 H3C C CH CH 2 O Methylvinylketon (Butenon)
 
 O Methyl-i-propylketon (3-Methylbutanon)
 
 O Methylethylketon (Butanon)
 
 O Dimethylketon, Aceton (Propanon)
 
 CH3 C CH CH 3
 
 Arylketone nennt man Phenone, z. B.: O
 
 O C
 
 O HO
 
 C
 
 C
 
 CH 3 Benzophenon
 
 CH 3
 
 Acetophenon
 
 p-Hydroxyacetophenon
 
 Bezeichnungen ausgewählter Aldehyde und Ketone sowie ihre physikalischen Eigenschaften sind in den Tabellen 20.1 und 20.2 zusammengestellt.
 
 20.3 Molekülorbital-Modell der Carbonyl-Gruppe Für das Formaldehyd-Molekül wurde ein H−C−O-Bindungswinkel von 120° und ein CO-Atomabstand von 120 pm bestimmt. Diese der Carboxy-Gruppe (Kap. 17.3) analoge Geometrie wird durch ein entsprechendes Molekülorbital-Modell erklärt: Das Carbonyl-C-Atom nutzt zur Bildung der koplanaren σ-Bindungen mit Sauerstoff, Wasserstoff und den Alkyl-C-Atomen sp2-Hybridorbitale. Über und unter der so gebildeten σ-Bindungsebene führt die seitliche Überlappung der beiden 2p-Orbitale des Carbonyl-C- und des Carbonyl-O-Atoms zur π-Bindung (Abb. 20.1 a). π (a)
 
 C
 
 σ
 
 O
 
 (b)
 
 C OI _
 
 _ C OI _
 
 Carbonyl-Mesomerie
 
 Abb. 20.1. Seitliche Überlappung koaxialer p-Orbitale zur π-Bindung der Carbonyl-Gruppe (a) und mesomere Grenzformeln (b)
 
 Infolge seines (−)-M-Effekts zieht der Carbonyl-Sauerstoff jedoch die π-Elektronen an sich, so daß die Carbonyl-Gruppe polarisiert wird. Im Valenzstrich-Formalismus schreibt man die Carbonyl-
 
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 310
 
 20 Aldehyde und Ketone
 
 Gruppe daher am besten als Hybrid zweier mesomerer Grenzformeln, von denen eine polar ist (Abb. 20.1 b). Die polare Grenzformel erklärt das Dipolmoment aller Carbonyl-Verbindungen sowie die Elektrophilie des Carbonyl-C-Atoms, welcher zahlreiche Reaktionen der Aldehyde und Ketone zugrunde liegen.
 
 Tab. 20.1. Nomenklatur und physikalische Eigenschaften ausgewählter Aldehyde Klasse
 
 Konstitutionsformel
 
 aliphatisch gesättigt
 
 Schmelzpunkt Siedepunkt °C °C (1011 mbar)
 
 Methanal
 
 Form-
 
 − 92
 
 Ethanal
 
 CH 2 CHO
 
 Propanal
 
 AcetPropion-
 
 − 121 − 81
 
 − 21 20 49
 
 Butanal
 
 Butyr-
 
 − 99
 
 76
 
 H3C
 
 [CH2] 3 CHO
 
 Pentanal
 
 Valer-
 
 − 91
 
 103
 
 H3C
 
 [CH2] 4 CHO
 
 Hexanal
 
 Capron-
 
 Propenal
 
 Acrolein
 
 − 88
 
 (E)-2-Butenal
 
 Croton-
 
 − 76.5
 
 Propinal
 
 Propiol-
 
 H3C
 
 aliphatisch ungesättigt
 
 CH 2 CH 2 CHO
 
 H 2C CH CHO CHO C C H3C H
 
 Löslichkeit g/100g H2O 55 unbegrenzt 16 7 0.2
 
 128
 
 unlöslich
 
 52
 
 40
 
 104
 
 18
 
 55
 
 löslich
 
 − 56
 
 170
 
 0.3
 
 − 7
 
 197
 
 1.7
 
 (4-Hydroxy-3methoxybenz-, aus Vanille)
 
 80
 
 170
 
 1.0
 
 15
 
 H
 
 H C C CHO CHO
 
 aromatisch
 
 Benz-
 
 CHO
 
 Salicyl-
 
 (2-Hydroxybenz-)
 
 OH CHO
 
 Vanillin
 
 HO OCH3 Dialdehyde aliphatisch
 
 Trivialname -aldehyd
 
 H3C CHO
 
 H CHO H 3C
 
 IUPACBezeichnung
 
 OHC
 
 OHC CHO
 
 Ethandial
 
 Glyoxal
 
 CH 2 CH2 CHO
 
 Butandial
 
 Succindi-
 
 Dialdehyde aromatisch
 
 CHO
 
 1,2-Benzendicarbaldehyd
 
 Phthaldi-
 
 50
 
 löslich
 
 170
 
 löslich
 
 56
 
 50
 
 unlöslich
 
 116
 
 245
 
 unlöslich
 
 CHO CHO
 
 1,4-Benzendicarbaldehyd
 
 Terephthaldi-
 
 OHC
 
 20.4 Physikalische Eigenschaften Infolge der Polarität der Carbonyl-Gruppe wirken zwischen Aldehyd- und Keton-Molekülen starke Dipol-Dipol-Kräfte. Aldehyde und Ketone sieden daher höher als unpolare Verbindungen vergleichbarer Größe (Tab. 20.3).
 
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 20.4 Physikalische Eigenschaften
 
 311
 
 Tab. 20.2. Nomenklatur und physikalische Eigenschaften ausgewählter Ketone Klasse
 
 Konstitutionsformel
 
 aliphatisch gesättigt
 
 H 3C
 
 CO CH 3
 
 Propanon
 
 Aceton (Dimethylketon)
 
 − 94
 
 Löslichkeit g/100g H2O
 
 56
 
 unbegrenzt löslich
 
 CH2 CO CH3
 
 Butanon
 
 Ethylmethylketon
 
 − 86
 
 80
 
 CH2 CO CH3
 
 2-Pentanon
 
 Methylpropylketon
 
 − 78
 
 102
 
 O
 
 Cyclopentanon
 
 − 51
 
 131
 
 wenig löslich
 
 O
 
 Cyclohexanon
 
 − 32
 
 156
 
 9
 
 O
 
 Cycloheptanon
 
 Suberon
 
 − 21
 
 179
 
 wenig löslich
 
 H2C CH CO CH3
 
 3-Buten-2-on
 
 Methylvinylketon
 
 H2C CH CO CH CH2
 
 1,4-Pentadien3-on
 
 Divinylketon
 
 3-Pentin-2-on
 
 Methylethinylketon
 
 O
 
 aliphatischaromatisch
 
 81
 
 löslich
 
 49 (100 mbar)
 
 löslich
 
 75 (95 mbar)
 
 löslich
 
 1-Phenylethanon
 
 Acetophenon (Methylphenylketon)
 
 21
 
 202
 
 unlöslich
 
 1-Phenyl1-propanon
 
 Propiophenon (Ethylphenylketon)
 
 21
 
 218
 
 unlöslich
 
 C
 
 Diphenylmethanon
 
 Benzophenon (Diphenylketon)
 
 48
 
 306
 
 unlöslich
 
 CO CO CH 3
 
 2,3-Butandion
 
 Biacetyl (Diacetyl)
 
 C
 
 CH 3
 
 O C
 
 CH 2 CH3
 
 O
 
 aromatisch
 
 H 3C H 3C CO H 3C CO
 
 Diketone aromatisch
 
 Schmelzpunkt Siedepunkt °C °C (1011 mbar)
 
 H 3C
 
 H C C CO CH3
 
 Diketone aliphatisch
 
 Trivialname
 
 H3C CH 2 cycloaliphatisch gesättigt
 
 aliphatisch ungesättigt
 
 IUPACBezeichnung
 
 CH 2 CO CH 3
 
 [CH 2] 2 CO CH 3 O C
 
 C
 
 2,4-Pentandion Acetylaceton 2,5-Hexandion
 
 Acetonylaceton
 
 Diphenylethandion
 
 Benzil
 
 −
 
 2.4
 
 − 23
 
 95
 
 88
 
 25
 
 139
 
 12.5
 
 194
 
 unlöslich
 
 346
 
 unlöslich
 
 O
 
 Da Wasserstoffbrücken stärker sind als Dipol-Dipol-Kräfte, sieden Aldehyde und Ketone tiefer als die assoziierten Alkohole und Carbonsäuren vergleichbarer molarer Masse (Tab. 20.3). Aldehyde und Ketone können dagegen gemischte intermolekulare Wasserstoffbrücken mit Wasser bilden, manchmal sogar sehr stabile Hydrate (z. B. Trichloracetaldehyd- und Hexafluoraceton-Hydrat). Sie lösen sich dann sehr gut in Wasser. Mit zunehmender Größe der Alkyl-Gruppen nimmt die Wasserlöslichkeit jedoch rasch ab, und aromatische Aldehyde und Ketone sind praktisch wasserunlöslich (Tab. 20.1, 20.2). H Cl3C C OH OH Trichloracetaldehyd-Hydrat (Chloralhydrat)
 
 CF 3 F 3C C OH OH Hexafluoraceton-Hydrat
 
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 312
 
 20 Aldehyde und Ketone Tab. 20.3.Siedepunkte von Verbindungen vergleichbarer Molekülgröße und unterschiedlicher Polarität Konstitutionsformel
 
 IUPAC-Bezeichnung
 
 Molmasse [g/Mol]
 
 Polarität
 
 Siedepunkt °C (1011 mbar)
 
 unpolar
 
 0
 
 H 3C CH 2 CH2 CH 3
 
 Butan
 
 58
 
 H 3C O CH 2 CH 3 O H 3C CH 2 C H O H 3C C CH 3
 
 Methoxyethan
 
 60
 
 Propanal
 
 58
 
 dipolar
 
 49
 
 Propanon
 
 58
 
 dipolar
 
 56
 
 Propanol
 
 60
 
 WasserstoffbrückenBildner
 
 97
 
 Ethansäure
 
 60
 
 WasserstoffbrückenBildner (Dimer)
 
 118
 
 H 3C CH 2 CH2 OH O H 3C C OH
 
 schwach polar
 
 8
 
 Höhere Alkanale und Alkanone der Summenformel CnH2nO bilden ab n = 3 Paare von Konstitutions- und zugleich Funktionsisomeren. Die Molekülmodelle des Propanals (Propionaldehyd) und Propanons (Aceton) in Abb. 20.2 zeigen dies.
 
 (a)
 
 (b)
 
 Abb. 20.2. Stab- und Kalotten-Modelle der Carbonyl-Verbindungen Propanal (a) und Propanon (b)
 
 20.5 Darstellung von Aldehyden 20.5.1
 
 Oxidation von Methyl- und Hydroxymethyl-Gruppen
 
 Methyl-Gruppen an aromatischen und heteroaromatischen Ringen lassen sich leicht zur FormylGruppe oxidieren. 4-Chlortoluen wird durch Chromtrioxid (CrO3) oder Chromylchlorid (CrO2Cl2) in Eisessig zu 4-Chlorbenzaldehyd oxidiert (ETARD-Oxidation). Pyridin-2-carbaldehyd entsteht durch katalytische Oxidation von 2-Methylpyridin (α-Picolin) mit Luftsauerstoff (SAUERMILCHOxidation): V2O5 , MoO3
 
 N
 
 CH 3
 
 +
 
 2-Methylpyridin (α-Picolin)
 
 O2
 
 N
 
 C
 
 O
 
 +
 
 H2O
 
 H Pyridin-2-carbaldehyd
 
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 20.5 Darstellung von Aldehyden
 
 313
 
 Methylketone werden durch Selendioxid zu α-Oxoaldehyden oxidiert (RILEY-Oxidation). Phenylglyoxal kann auf diese Weise aus Acetophenon dargestellt werden: O
 
 O C
 
 C
 
 CH 3
 
 +
 
 SeO2
 
 C
 
 H +
 
 O
 
 Acetophenon
 
 Se
 
 +
 
 H2O
 
 Phenylglyoxal
 
 Die Hydroxymethyl-Gruppe primärer Alkohole wird katalytisch (Cu) durch Luftsauerstoff oder durch Oxidationsmittel (Cr2O7 2− in saurer Lösung) zur Formyl-Gruppe oxidiert: O R C H
 
 Cu oder Cr 2O7 , [H+] 2−
 
 R CH 2 OH
 
 20.5.2
 
 +
 
 [O]
 
 +
 
 H2O
 
 Überführung der Halomethyl- in die Formyl-Gruppe
 
 Die durch BLANC-Reaktion (Tab. 10.2, Kap. 10.4.1) zugänglichen Chlormethyl- oder Brommethylarene werden durch Oxidationsmittel (Dimethylsulfoxid, Mangandioxid, Selendioxid) in die Arenaldehyde übergeführt, z. B.: N C
 
 CH2 Cl
 
 +
 
 O C H 4-Cyanobenzaldehyd
 
 MnO2
 
 [O]
 
 N C
 
 4-Chlormethylbenzonitril
 
 +
 
 HCl
 
 Die KRÖHNKE-Reaktion (Oxidation) von N-Benzylpyridinium-halogeniden (nucleophiles BenzylC-Atom) mit p-Nitroso-N,N-dimethylanilin (elektrophiles Nitroso-N-Atom und Oxidationsmittel) führt zu Nitronen. Durch deren Hydrolyse entstehen substituierte Benzaldehyde: N(CH3) 2
 
 N(CH 3)2 + CH 2Br
 
 CH 2
 
 N
 
 O
 
 NO2
 
 NO2 o-Nitrobenzylbromid
 
 O
 
 N Br
 
 +
 
 N
 
 N C
 
 O H
 
 N(CH3) 2
 
 NO2
 
 − N
 
 N-(o-Nitrobenzyl)pyridiniumbromid
 
 H Br
 
 C
 
 + H2O (H2SO4 )
 
 −
 
 H
 
 NO2 o-Nitrobenzaldehyd
 
 Nitron NHOH
 
 20.5.3
 
 NEF-Reaktion
 
 Aldehyde können durch die NEF-Reaktion aus primären Nitroalkanen dargestellt werden. Ketone bilden sich entsprechend aus sekundären Nitroalkanen. H R CH2 NO2 primäres Nitroalkan
 
 R
 
 C
 
 O Aldehyd
 
 R R CH NO2 sekundäres Nitroalkan
 
 R R
 
 C
 
 O Keton
 
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 314
 
 20 Aldehyde und Ketone
 
 Dabei wird das α-CH-acide Nitroalkan zunächst durch eine Base zum Nitronat deprotoniert. Doppelte Protonierung der beiden Nitro-O-Atome und anschließende Dehydratisierung führt zur αHydroxynitroso-Verbindung, die unter Säurekatalyse zu Distickstoffmonoxid, Wasser und Carbonyl-Verbindung zerfällt. OH
 
 OH
 
 +
 
 + [H ]
 
 + H2O,
 
 OH
 
 +
 
 − [H ]
 
 +
 
 O _ C N O
 
 +
 
 − [H ]
 
 Nitronat
 
 O
 
 OH
 
 +
 
 + [H ]
 
 C N
 
 OH
 
 C N
 
 α-Hydroxynitroso-Verbindung
 
 ( 2 HNO
 
 + [H ]
 
 20.5.4
 
 OH
 
 − H2O
 
 OH
 
 OH
 
 O
 
 OH
 
 C N
 
 C N
 
 C N
 
 − HNO
 
 N2O + H2O )
 
 H
 
 O
 
 C NO2
 
 C
 
 OH
 
 +
 
 − [H ]
 
 C
 
 CarbonylVerbindung
 
 α-CH-Nitroalkan
 
 Reduktion von Carbonsäure-Derivaten und Nitrilen
 
 Carbonsäurehalogenide lassen sich katalytisch zu Aldehyden hydrieren (Kap. 17.8.7). Um eine weitere Reduktion der Aldehyde zu vermeiden, wird der Katalysator (Pd) mit Bariumsulfat oder Chinolin und Schwefel gebremst (ROSENMUND-Reduktion). Intermediär treten wahrscheinlich Acylpalladiumchloride auf. O R C
 
 + Pd (BaSO4)
 
 O R C PdCl
 
 Cl
 
 O R C H
 
 + H2 − Pd , − HCl
 
 Carbonsäure-imidazolide und -anilide werden durch das Hydrid-Anion als Nucleophil in Form komplexer Metallhydride ebenfalls zu Aldehyden reduziert: O R
 
 C
 
 N
 
 N
 
 +
 
 Li H
 
 +
 
 Li H
 
 O
 
 LiAlH 4 , Tetrahydrofuran
 
 R
 
 C
 
 H
 
 +
 
 Li
 
 N
 
 Li
 
 N
 
 N
 
 Carbonsäure-imidazolid O R
 
 C
 
 N
 
 CH 3
 
 O
 
 LiAlH 4 , Tetrahydrofuran
 
 R
 
 C
 
 H
 
 +
 
 CH 3
 
 Carbonsäure-N-methylanilid
 
 Nitrile, die im weitesten Sinne ebenfalls Carbonsäure-Derivate sind, weil ihre Hydrolyse über Carbonsäureamide zu Carbonsäuren führt, können mit Zinn(II)-chlorid in Salzsäure über die Aldimine zu Aldehyden reduziert werden: R C N
 
 + HCl
 
 Cl R C NH
 
 −
 
 + 2 H+ , + 2 e0 (SnCl2) − HCl
 
 Imidoylchlorid (Carboximidoylchlorid)
 
 H R C NH
 
 + H2O (H3O+) − NH3
 
 H R C O
 
 Aldimin
 
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 20.5 Darstellung von Aldehyden
 
 315
 
 Die Reduktion von Nitrilen zu Aldehyden gelingt auch mit komplexen Metallhydriden wie z. B. LiAlH4 und NaBH4.
 
 20.5.5
 
 Spaltung von Glykolen und Ozoniden
 
 Die Spaltung sekundärer Glykole mit Bleitetraacetat in wasserfreiem Benzen führt zu Aldehyden: +
 
 R CH CH R'
 
 − (CH3CO2) 2Pb , − 2 CH3CO2H
 
 (CH 3CO2)4Pb
 
 OH OH
 
 H R C O
 
 H +
 
 C R' O
 
 Alkene können über die Ozonide (Kap. 4.5.9) in Aldehyde übergeführt werden, sofern die olefinischen C-Atome nicht vollständig alkyliert sind (sonst entstehen Ketone); die Weiteroxidation zu Carbonsäuren wird durch Zugabe eines Reduktionsmittels unterbunden. O O
 
 + O3
 
 R CH CH R'
 
 R
 
 Alken (Z oder E)
 
 20.5.6
 
 O Ozonid
 
 + H2O , − H2O2
 
 R'
 
 H R C O
 
 H +
 
 C R' O
 
 Hydrolyse von Sauerstoff-Heterocyclen
 
 Die α,α'-Dialkoxy-Derivate von Sauerstoff-Heteroalicyclen reagieren als cyclische Acetale. Ihre säurekatalysierte Hydrolyse führt daher zu Dialdehyden. Succindialdehyd (Butandial) läßt sich auf diese Weise durch Hydrolyse von 2,5-Dimethoxytetrahydrofuran mit verdünnter wäßriger Salzsäure darstellen: H3CO
 
 O
 
 OCH3
 
 +
 
 (HCl)
 
 H2O
 
 2,5-Dimethoxytetrahydrofuran
 
 20.5.7
 
 + C H O O Butandial (Succindialdehyd) H C
 
 2 CH 3OH
 
 Formylierung von Alkenen mit Kohlenmonoxid und Wasserstoff
 
 Unter Formylierung versteht man die Einführung der Aldehyd- oder Formyl-Gruppe. Terminale Alkene (Vinyl-Verbindungen) lassen sich z. B. durch Kohlenmonoxid und Wasserstoff in der Hitze katalytisch formylieren: R CH CH2
 
 +
 
 CO
 
 +
 
 H2
 
 [Cr(CO) 4]2
 
 O R CH2 CH 2 C
 
 H
 
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 316
 
 20.5.8
 
 20 Aldehyde und Ketone
 
 Formylierung mit Orthoameisensäureestern
 
 Orthoameisensäureester reagieren mit Alkylmagnesiumhalogeniden zu Acetalen, die zu den Aldehyden hydrolysiert werden können: R
 
 Mg X
 
 R'O
 
 +
 
 − R'OMgX
 
 CH(OR')2
 
 R
 
 Orthoameisensäuretriester
 
 H R C O Aldehyd
 
 + H2O (H3O+)
 
 CH(OR')2
 
 − 2 R'OH
 
 Acetal
 
 α-Naphthaldehyd kann z. B. in guter Ausbeute aus α-Naphthylmagnesiumbromid und Ortho-
 
 ameisensäuretriethylester dargestellt werden: MgBr +
 
 H5C 2O
 
 CH(OC 2H5)2
 
 O
 
 C
 
 +
 
 + H2O (H3 O )
 
 − C2H 5OMgX
 
 − 2 C 2H5OH
 
 α-Naphthylmagnesiumbromid
 
 20.5.9
 
 H
 
 CH(OC2H5)2
 
 α-Naphthaldehyd-diethylacetal
 
 α-Naphthaldehyd
 
 Formylierung von Aromaten durch Formanilide (VILSMEIER-Formylierung)
 
 Donor-substituierte Aromaten und Heteroaromaten lassen sich unter elektrophiler Substitution durch N,N-Dimethylformamid oder N-Alkylformanilide in Gegenwart von Phosphoroxidchlorid formylieren. 4-Methoxybenzaldehyd wird nach dieser VILSMEIER-Formylierung aus Anisol und NMethylformanilid dargestellt: O H C +
 
 H 3CO
 
 (POCl3)
 
 N
 
 O C H
 
 H3CO
 
 H 3C N-Methylformanilid
 
 Anisol
 
 H +
 
 N H3C
 
 p-Methoxybenzaldehyd ( + o-Isomer )
 
 N-Methylanilin
 
 Dabei bilden N-Methylformanilid und POCl3 zunächst ein mesomeriestabilisiertes Carbenium-Ion: Cl
 
 O
 
 R C N H R'
 
 +
 
 POCl3
 
 _R C N
 
 Cl
 
 R'
 
 H
 
 H
 
 R C N
 
 Cl +
 
 O P O Cl
 
 R'
 
 Dieses greift elektrophil an einer aktivierten (nucleophilen) Position des Aromaten an und führt zu einem Primärprodukt, dessen Hydrolyse den Aldehyd und N-Methylanilin-Hydrochlorid ergibt: _ X
 
 Cl + H
 
 _ R C N
 
 H
 
 Cl X
 
 R'
 
 C N H
 
 R
 
 R'
 
 +
 
 − [H ]
 
 Cl X
 
 R
 
 C N H
 
 R'
 
 + H2O
 
 R
 
 O X
 
 C
 
 + H
 
 H2N
 
 Cl R
 
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 20.5 Darstellung von Aldehyden
 
 317
 
 20.5.10 Formylierung von Aromaten durch Formylhalogenide Die als GATTERMANN-KOCH-Reaktion bekannte Formylierung von Aromaten durch Kohlenmonoxid und Chlorwasserstoff in Gegenwart einer LEWIS-Säure bewährt sich zur Einführung der Aldehyd-Gruppe in p-Stellung von Alkylbenzenen. Kohlenmonoxid und Chlorwasserstoff reagieren dabei wahrscheinlich als Formylchlorid in einer Art FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung: HCl + CO O +
 
 R
 
 Cl
 
 O
 
 AlCl3 , CuCl
 
 C
 
 R
 
 C
 
 +
 
 HCl
 
 H
 
 H Formylchlorid
 
 Im Gegensatz zum instabilen Formylchlorid ist Formylfluorid relativ stabil und reagiert insbesondere mit Alkylbenzenen in Gegenwart von Bortrifluorid bevorzugt zu p-Alkylbenzaldehyden: O +
 
 R
 
 O
 
 BF3
 
 F C
 
 R
 
 C
 
 +
 
 HF
 
 H
 
 H Formylfluorid
 
 20.5.11 Formylierung von Aromaten durch Cyanid und Chlorwasserstoff Bei der GATTERMANN-Synthese aromatischer Aldehyde werden Blausäure [aus Zn(CN)2 und HCl] und Chlorwasserstoff als Formylierungsreagenzien eingesetzt. Diese bislang wenig untersuchte elektrophile Substitution verläuft wahrscheinlich über ein protoniertes Benzaldimin, das zum Benzaldehyd hydrolysiert wird. RO
 
 +
 
 HCN
 
 +
 
 ZnCl2
 
 HCl
 
 RO
 
 C
 
 NH2 Cl
 
 + H2O , − NH4Cl
 
 H protoniertes Benzaldimin
 
 O RO
 
 C
 
 H p-Alkoxybenzaldehyd (Hauptprodukt)
 
 Die GATTERMANN-Formylierung eignet sich besonders zur Darstellung von Phenol- sowie Phenoletheraldehyden.
 
 20.5.12 Formylierung von Aromaten durch Chloroform Phenole und einige Heteroaromaten können in alkalischer Lösung durch Chloroform formyliert werden, z. B.: OH
 
 OH CHCl3 , OH
 
 CH 3 4-Methylphenol (p-Kresol)
 
 −
 
 O C
 
 H
 
 CH 3 2-Hydroxy-5-methylbenzaldehyd
 
 _ N _ K Kaliumpyrrolid
 
 CHCl3 , OH
 
 −
 
 N H
 
 C
 
 O
 
 H
 
 Pyrrol-2-carbaldehyd
 
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 318
 
 20 Aldehyde und Ketone
 
 Diese REIMER-TIEMANN-Formylierung führt auch zu Nebenprodukten. Sie ist ebenfalls eine elektrophile Substitution, wobei das aus Chloroform durch α-Eliminierung in alkalischem Medium entstehende Dichlorcarben :CCl2 elektrophil am Ring angreift: CHCl3 + OH − H2O ,
 
 O
 
 +
 
 − Cl
 
 −
 
 O
 
 ICCl2
 
 O
 
 CCl2 H
 
 O C
 
 +
 
 + H3O , − 2 HCl
 
 H
 
 R
 
 R
 
 R
 
 R
 
 OH CHCl2
 
 20.5.13 Industrielle Verfahren zur Herstellung von Acet- und Benzaldehyd Die für organische Synthesen wichtigen Schlüsselverbindungen Acetaldehyd und Benzaldehyd werden in technischem Maßstab dargestellt, Acetaldehyd durch katalytische Hydratisierung von Ethin (Kap. 15.4.1), Benzaldehyd durch Chlorierung von Toluen über Benzalchlorid: O CH3 +
 
 2 Cl2
 
 CHCl2
 
 hν , Hitze
 
 − H2O
 
 C
 
 H
 
 − 2 HCl
 
 - 2 HCl
 
 Toluen
 
 CH(OH)2
 
 + 2 H2O
 
 Benzaldehydhydrat
 
 α,α-Dichlortoluen (Benzalchlorid)
 
 Benzaldehyd
 
 20.6 Darstellung von Ketonen 20.6.1
 
 Oxidation sekundärer Alkohole
 
 Chromtrioxid in Eisessig und mehrere andere Oxidationsmittel oxidieren sekundäre Alkohole zu Ketonen: R 3 R C OH
 
 +
 
 2 CrO3
 
 CH3CO2H
 
 R 3
 
 C O
 
 +
 
 Cr2O3
 
 +
 
 3 H 2O
 
 R
 
 H
 
 Ein milderes Verfahren beruht auf der Redoxreaktion, welche sekundäre Alkohole mit Aceton in Gegenwart von Aluminium-t-butanolat eingehen (OPPENAUER-Oxidation): R R C OH H
 
 +
 
 CH3 O C CH3
 
 Al [OC(CH3) 3]3
 
 CH 3
 
 R C O R
 
 +
 
 HO C CH 3 H
 
 Schließlich können sekundäre Alkohole auch mit N-Bromsuccinimid zu Ketonen dehydriert werden (BARAKAT-Dehydrierung, Kap. 17.12.3).
 
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 20.6 Darstellung von Ketonen
 
 20.6.2
 
 319
 
 Oxidation aktivierter Methylen-Gruppen
 
 Methylen-Gruppen in α-Stellung zu Carbonyl-Gruppen werden durch Selendioxid zu CarbonylGruppen oxidiert. Diese RILEY-Reaktion (Kap. 20.5.1) eignet sich auch zur Darstellung von 1,2Diketonen, z. B.: O +
 
 SeO2
 
 O
 
 1,4-Dioxan
 
 +
 
 Se
 
 +
 
 H2O
 
 O Cyclohexan-1,2-dion
 
 20.6.3
 
 Bimolekulare Decarboxylierung und Dehydratisierung von Carbonsäuren
 
 Flüchtige Carbonsäuren ergeben unter intermolekularer Decarboxylierung und Dehydratisierung Ketone, wenn man sie in Gegenwart von Mangan(II)-oxid auf 300 °C erhitzt: O R C OH + OH
 
 R
 
 MnO , 300 °C
 
 C O
 
 +
 
 CO2
 
 +
 
 H 2O
 
 R
 
 R C O
 
 Ebenso werden die durch Acylierung von Malonsäurediestern (Kap. 17.11, 19.5.2) entstehenden Acylmalonester nach der Esterverseifung schrittweise zu Methylketonen decarboxyliert: O R C C CO2R' R'O2C H Acylmalonsäurediester
 
 + H2O − R'OH
 
 O R C C CO2R' HO2C H Acylmalonsäuremonoester
 
 O R C CH 3 Methylketon
 
 − CO2
 
 − CO2
 
 O
 
 + H2O
 
 CH2 CO2R'
 
 − R'OH
 
 R C
 
 O R C CH 2 CO2H
 
 β-Ketoester
 
 20.6.4
 
 β-Ketosäure
 
 Addition von GRIGNARD-Verbindungen an Nitrile
 
 Alkylmagnesiumhalogenide addieren an Nitrile unter Bildung von Iminylmagnesiumhalogeniden, die in saurer Lösung zu Ketonen hydrolysieren: NMgX R C N
 
 +
 
 R' Mg X
 
 R C R' Iminylmagnesiumhalogenid
 
 + 2 H2O 2+
 
 − Mg − − OH − −X − NH3
 
 O R C R'
 
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 320
 
 20 Aldehyde und Ketone
 
 20.6.5
 
 Acylierung von Dialkylcadmium
 
 Die Reaktion von Carbonsäurehalogeniden mit Dialkyl- oder Diarylcadmium führt unter nucleophiler Substitution von Halogen durch Alkyl oder Aryl zu Ketonen: O 2R C R'
 
 O +
 
 2R C
 
 R' Cd R'
 
 X
 
 +
 
 CdX2
 
 1-Phenyl-2-butanon kann auf diese Weise aus Dibenzylcadmium und Propionylchlorid dargestellt werden: O 2 H3C CH2 C Cl
 
 +
 
 O
 
 − CdCl2
 
 CH 2 Cd CH2
 
 2 H 3C CH 2 C
 
 CH2
 
 1-Phenyl-2-butanon
 
 Die toxischen Organocadmium-Verbindungen sind durch Reaktion von Alkylmagnesiumhalogeniden mit wasserfreiem Cadmiumhalogenid zugänglich: 2 R Mg X
 
 20.6.6
 
 +
 
 Cd X 2
 
 R 2 Cd
 
 +
 
 2 Mg X 2
 
 Spaltung der Ozonide von Tetraalkylethenen
 
 Die Ozonide (Kap. 4.5.9) von Tetraalkylethenen werden zu Ketonen gespalten, entweder durch katalytische Hydrierung oder durch Zinkstaub in Essigsäure: R
 
 R C C R R
 
 20.6.7
 
 +
 
 O3
 
 R R
 
 O O O
 
 R R
 
 R
 
 + H2
 
 2
 
 − H2O
 
 C O R
 
 Acylierung von Alkenen
 
 Carbonsäurechloride addieren in Gegenwart von LEWIS-Säuren (AlCl3) elektrophil an Alkene unter Bildung von β-Chlorketonen: O +
 
 R C Cl
 
 20.6.8
 
 C C
 
 AlCl3
 
 O C C C Cl
 
 β-Chlorketon
 
 R
 
 Acylierung von Aromaten mit Carbonsäurehalogeniden
 
 Die elektrophile FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung von Aromaten mit Carbonsäurehalogeniden in Gegenwart einer LEWIS-Säure (Kap. 10.6.3, 11.1.6) ist eine allgemeine Methode zur Darstellung
 
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 20.7 Reaktivität der Carbonyl-Gruppe
 
 321
 
 von Arylketonen, den Phenonen. 2,4-Dihydroxyacetophenon entsteht z. B. aus Resorcin und Acetylchlorid in Gegenwart von wasserfreiem Aluminiumchlorid: CH 3 + HO
 
 O
 
 AlCl3
 
 CH 3
 
 − HCl
 
 Cl C
 
 OH Resorcin
 
 20.6.9
 
 C
 
 O
 
 HO OH 2,4-Dihydroxyacetophenon
 
 Acylierung von Aromaten durch Nitrile
 
 Analog zur GATTERMANN-Formylierung (Kap. 20.5.11) können Phenole und ihre Derivate durch Nitrile in Gegenwart von Chlorwasserstoff und einer LEWIS-Säure, meist ZnCl2, zu Phenonen acyliert werden. Diese HOUBEN-HOESCH-Reaktion verläuft wahrscheinlich ähnlich wie eine FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung unter Bildung des protonierten Ketonimins als Zwischenstufe: NH Cl
 
 +
 
 HO
 
 ZnCl2
 
 R C NH Cl
 
 C
 
 HO
 
 C
 
 NH2 Cl R
 
 R + H2O
 
 RCN
 
 +
 
 − NH4Cl
 
 O
 
 HCl HO
 
 C R
 
 20.7 Reaktivität der Carbonyl-Gruppe Die Carbonyl-Gruppe ist Aldehyden und Ketonen gemeinsam. Ihre Reaktivität beruht auf dem (−)M-Effekt des Carbonyl-O-Atoms, welcher das Carbonyl-C zum elektrophilen Reaktionszentrum polarisiert: C OI _
 
 _ C OI _
 
 Carbonyl-Mesomerie
 
 Infolgedessen verlaufen die meisten Reaktionen der Aldehyde und Ketone unter nucleophiler Addition am Carbonyl-Kohlenstoff: _ Nu
 
 +
 
 C OI _
 
 _ C OI _
 
 _ Nu C OI _
 
 Das Nucleophil B kann neutral oder negativ geladen sein, muß jedoch mindestens ein nicht bindendes Elektronenpaar besitzen. Dies trifft z. B. für Basen im weitesten Sinne (Hydroxid-Anion, Ammoniak, Wasser), Carbanionen und Hydrid-Anionen (in komplexen Metallhydriden) zu.
 
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 322
 
 20 Aldehyde und Ketone
 
 Die nucleophile Addition am Carbonyl-C ist säurekatalysiert; bei der Protonierung wird die Elektrophilie des Carbonyl-C-Atoms durch Kompensation der Basizität des Carbonyl-O-Atoms erhöht: C OI _
 
 +
 
 _ C OI H
 
 C OI H
 
 [H ]
 
 Dagegen wirkt sich eine Kompensation der positiven Ladung am Carbonyl-C (wie etwa der vollständige π-Bindungsausgleich im Carboxylat-Anion) desaktivierend auf die Elektrophilie der Carbonyl-Gruppe aus. Infolgedessen zeigen Aldehyde im Vergleich zu Ketonen mit ihrer zweiten, elektronenschiebenden Alkyl-Gruppe eine erhöhte Reaktivität: O
 
 O R C
 
 
 m- > p ab (Tab. 21.1). Auch Nitrophenole sind stärker sauer als Phenol (Tab. 21.1), besonders die o- und p-Isomeren. Hier wird die negative Ladung des Phenolat-Anions vorwiegend durch den mesomeren Effekt der Nitro-Gruppe delokalisiert, wie man an den Grenzformeln des 4-Nitrophenolat-Anions erkennt. Di- und Trinitrophenole, z. B. das als Pikrinsäure bekannte 2,4,6-Trinitrophenol, erreichen die Acidität von Mineralsäuren (Tab. 21.1). _ IOI
 
 OH
 
 _
 
 _
 
 OI
 
 OI
 
 − [H+]
 
 NO2
 
 IO _
 
 N _ O _I
 
 IO _
 
 N _ O _I
 
 _ N _ O IO _ _I
 
 mesomere Grenzformeln des 4-Nitrophenolat-Anions
 
 Umgekehrt schwächen Substituenten die Acidität von Phenolen, wenn sie kraft ihres elektronenschiebenden induktiven oder mesomeren Effekts einer Verteilung der negativen Ladung im Phenolat-Anion entgegenwirken. So sind die Kresole schwächere Säuren als Phenol (Tab. 21.1). Entsprechendes gilt für das Hydrochinon, in welchem der mesomere Elektronendruck der p-ständigen OH-Gruppe deren induktiven Elektronenzug übertrifft.
 
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 21.6 Reaktionen der Phenole
 
 355
 
 21.6 Reaktionen der Phenole 21.6.1
 
 Veretherung
 
 Die Veretherung der Phenole gelingt leichter als die der Alkohole. Das gilt auch für die OAlkylierung der Phenolate mit Halogenalkanen nach WILLIAMSON (Kap. 16.3.2): Ar
 
 + OH
 
 OH
 
 −
 
 − H2O
 
 Ar
 
 + R−X
 
 _
 
 OI _
 
 R Ar O Alkylarylether
 
 −
 
 −X
 
 Gute Reagenzien zur O-Methylierung sind auch Dimethylsulfat oder Diazomethan, z. B.: O
 
 OH + HO Hydrochinon
 
 O
 
 OCH3
 
 2 H3CO S OCH 3
 
 +
 
 H 3CO Hydrochinondimethylether
 
 O Dimethylsulfat
 
 OH +
 
 ICH2
 
 N NI
 
 +
 
 2 H2O
 
 O
 
 OCH3
 
 Ether
 
 +
 
 Diazomethan
 
 β-Naphthol
 
 + 2 H3CO S ONa
 
 2 NaOH
 
 N2
 
 Methyl-β-naphthylether
 
 Dagegen gelingt eine Veretherung der Alkohole mit Diazomethan nur in Gegenwart von Bortrifluorid (Kap. 16.3.4). Phenolether können sich in Gegenwart von LEWIS-Säuren zu p-Alkylphenolen umlagern (Kap. 16.5.4).
 
 21.6.2
 
 Veresterung
 
 Mit Säuren, besser mit Säurehalogeniden oder Säureanhydriden, reagieren Phenole zu Arylestern: Ar
 
 OH
 
 +
 
 X
 
 C
 
 R
 
 − HX ( )
 
 O
 
 Ar
 
 O
 
 C
 
 R
 
 X = −OH , −Halogen , −O−CO−R
 
 O
 
 Durch Veresterung der Salicylsäure als Phenol mit Acetanhydrid erhält man z. B. die analgetisch, antipyretisch und antirheumatisch wirkende sowie die Thrombozytenaggregation hemmende Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin), ein Arylester der Essigsäure: CO2H OH
 
 O +
 
 O
 
 C CH3 C CH3
 
 O
 
 CO2H O
 
 C
 
 CH 3
 
 O Acetylsalicylsäure
 
 +
 
 H 3C CO2H
 
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 356
 
 21 Phenole und Chinone
 
 Das auf dieselbe Weise zugängliche Phenylacetat lagert sich beim Erhitzen mit einer LEWIS-Säure in (o- und) p-Hydroxyacetophenon um: O
 
 C
 
 CH3
 
 OH
 
 AlCl3 in CS2
 
 o
 
 H3C
 
 O Phenylacetat (Essigsäurephenylester)
 
 ( + o-Isomer )
 
 C
 
 O p-Hydroxyacetophenon
 
 Diese auch auf andere Phenolester übertragbare FRIES-Verschiebung (Kap. 26.4.1) verläuft unter Spaltung des Esters und Bildung eines Acylium-Ions, das als Elektrophil in einer FRIEDELCRAFTS-Acylierung weiter reagiert.
 
 21.6.3
 
 Phenole als Enole
 
 Wahrscheinlich aufgrund der Aromatizität des Phenols liegt das Keto-Enol-Tautomerie-Gleichgewicht der meisten Phenole ausschließlich auf der Seite des Enols (Phenols): O
 
 OH
 
 O
 
 H2C
 
 CH 2
 
 Keto-Form
 
 Enol-Form (Phenol)
 
 Keto-Form
 
 Wie alle Enole reagieren Phenole, besonders 1,2-Di- und Polyphenole mit Eisen(III)-Ionen unter Bildung farbiger Komplexe. In 1,3-Diphenolen wie Resorcin und Phloroglucin kann das KetoTautomer dem Gleichgewicht durch Reaktion mit Hydroxylamin als Oxim entzogen werden: O
 
 OH
 
 N
 
 OH
 
 + 3 H2N−OH
 
 HO
 
 O
 
 OH
 
 O
 
 − 3 H2O
 
 Phloroglucin Trienol-Form
 
 21.6.4
 
 HO
 
 N
 
 N
 
 OH 1,3,5-Cyclohexantriontrioxim
 
 Triketo-Form
 
 Oxidation zu Chinonen
 
 Die Oxidation von Phenolen, z. B. mit Dichromat und Schwefelsäure, führt zu Chinonen. Besonders leicht gelingt die Reaktion mit Hydrochinon: OH HO Hydrochinon
 
 K2Cr 2O7 , H2SO4
 
 O +
 
 2 [H ]
 
 +
 
 2 e0
 
 O p-Benzochinon
 
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 21.6 Reaktionen der Phenole
 
 357
 
 Die Oxidation ist auch möglich, wenn eine oder beide OH-Gruppen durch −NH2 ersetzt sind. Darauf beruht z. B. die Anwendung von p-Aminophenol als photographischer Entwickler: OH
 
 O +
 
 2 Ag
 
 +
 
 2 OH
 
 +
 
 H2N p-Aminophenol
 
 21.6.5
 
 2 Ag
 
 +
 
 H 2O
 
 +
 
 NH 3
 
 O p-Benzochinon
 
 Oxidation zu Aroxyl-Radikalen und Peroxiden
 
 Ist ein Phenol in o- und p-Stellung alkyliert, so führt die Oxidation nicht zum Chinon, sondern über Aroxyl-Radikale zu Peroxiden. So ergibt die Oxidation des 2,4,6-Tri-t-butylphenols mit Silberoxid oder Kaliumhexacyanoferrat(III) in Benzen unter Stickstoff als Schutzgas eine blaue, kristalline, unter Inertgas haltbare Verbindung, der man aufgrund ihres Paramagnetismus die Konstitution eines 2,4,6-Tri-t-butylphenoxyl-Radikals zuschreibt. IOI
 
 OH (H3C)3C
 
 C(CH 3)3
 
 + Ag 2 O (Benzen , N2)
 
 2
 
 − H2O , − 2 Ag
 
 (H3C)3C
 
 C(CH3)3
 
 2 C(CH 3)3 2,4,6-Tri-t-butylphenoxyl-Radikal
 
 C(CH 3)3 2,4,6-Tri-t-butylphenol
 
 Diese zur Klasse der Aroxyl-Radikale gehörende Verbindung verdankt ihre Stabilität einerseits der sterischen Behinderung eines Angriffs am radikalischen Sauerstoff-Atom, andererseits der Delokalisierung des ungepaarten Elektrons, was sich durch folgende mesomere Grenzformeln zum Ausdruck bringen läßt. IO I
 
 IO I
 
 IO I
 
 IO I
 
 = −C(CH3)3
 
 Mit Luftsauerstoff reagieren die Aroxyl-Radikale unter Bildung gelber Chinolperoxide, z. B.: R
 
 R 2
 
 _ O _
 
 R
 
 R Aroxyl-Radikal (blau)
 
 +
 
 O2
 
 R R R
 
 Luft
 
 O
 
 O
 
 O O R
 
 Chinolperoxid (gelb)
 
 R = −C(CH3)3
 
 R
 
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 358
 
 21 Phenole und Chinone
 
 21.6.6
 
 Elektrophile Substitutionen
 
 Die mesomeren Grenzformeln des Phenols und Phenolats (Kap. 21.5.1) machen klar, daß der (−)M-Effekt des Phenol- bzw. Phenolat-O-Atoms die Elektronendichte in o- und p-Stellung erhöht. Infolgedessen lassen sich Phenole und Phenolate meist unter milderen Bedingungen als Benzen elektrophil substituieren. Als Intermediate treten dabei nicht nur Phenonium-, sondern auch Oxonium-Ionen auf. Beim Phenolat-Anion entstehen entsprechend cyclische, ungesättigte Ketone als rearomatisierungsfähige Zwischenstufen: _ IOI
 
 _
 
 _
 
 OI
 
 _
 
 OI
 
 OI + Y
 
 _
 
 H
 
 OI Y
 
 OH
 
 OH Y
 
 und
 
 und Y H
 
 Y
 
 Tab. 21.2 gibt eine Auswahl der am Phenol möglichen elektrophilen Substitutionen. Die dort zuletzt skizzierte Hydroxymethylierung des Phenols in saurer Lösung beruht auf der Elektrophilie des Carbonyl-C-Atoms im protonierten Formaldehyd: H C O
 
 +
 
 _
 
 C O _
 
 [H ]
 
 H
 
 C O _ H
 
 H
 
 Durch intermolekulare Kondensation der Bis- und Tris(hydroxymethyl)phenole entstehen vernetzte Polymere, die als Phenol-Formaldehyd-Harze oder Bakelite (Kap. 36.4.3) bekannt sind: CH 2 OH
 
 OH HO H 2C
 
 CH2 OH
 
 +
 
 OH
 
 H
 
 − n H2O
 
 CH2
 
 OH H 2C
 
 CH2
 
 CH 2 OH
 
 CH2 CH 2
 
 CH2 OH
 
 21.6.7
 
 OH
 
 Bis- und Tris(hydroxymethyl)phenole
 
 Bakelit-Teilstruktur
 
 BUCHERER-Reaktion der Naphthole
 
 Die als Methode der Phenol-Synthese besprochene Umwandlung der Naphthylamine in Naphthole (BUCHERER-Reaktion) ist reversibel, so daß Naphthole auch in Naphthylamine übergeführt werden können: OH
 
 NHR NaHSO3
 
 +
 
 α-Naphthol
 
 +
 
 R NH2 R = H oder Alkyl
 
 H2O
 
 α-Naphthylamin
 
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 21.6 Reaktionen der Phenole
 
 359
 
 Tab. 21.2. Ausgewählte elektrophile Substitutionen des Phenols Substitution
 
 Elektrophil
 
 Reaktionsbedingungen
 
 Bromierung
 
 Br
 
 Br2 in CS2 , 0 °C
 
 Reaktionsprodukt(e) OH
 
 OH
 
 Br
 
 Br Br OH
 
 Br2 in H 2O , Raumtemperatur Br
 
 Br OH
 
 Sulfonierung
 
 SO3
 
 H2SO4 , 15 °C SO3H OH H 2SO4 , 100 °C
 
 Nitrierung
 
 HO3S OH
 
 NaNO3 , H2SO4 oder HNO3 , H2SO4 , 10 °C
 
 NO2
 
 O2N
 
 OH NO2
 
 NO2 OH
 
 rauchende HNO3 , Raumtemperatur NO2
 
 O2N
 
 OH
 
 OH Nitrosierung
 
 NaNO2 , H 2SO4 , 5-10 °C
 
 NO
 
 H5C2 O
 
 O
 
 O , C 2H5OH , NaOH
 
 NO
 
 ON OH
 
 Carboxylierung (KOLBE-SCHMIDTSynthese)
 
 Formylierung (REIMER-TIEMANNSynthese)
 
 N O
 
 NO
 
 ON
 
 CO2
 
 NaOH , 125 °C , 10 atm.
 
 ICCl2
 
 NaOH , CHCl3 , 65-70 °C
 
 CO2 O
 
 OH
 
 CHCl2
 
 C
 
 O
 
 H Acylierung (FRIES-Verschiebung)
 
 OH
 
 O H3C C
 
 (CH3CO)2O , AlCl3 , CS2
 
 O
 
 OH C
 
 CH3
 
 CH3 OH
 
 Hydroxymethylierung
 
 H C OH
 
 HO H2C
 
 H2C O , Säure
 
 H
 
 CH 2 OH
 
 CH 2 OH Vorstufe der Bakelite
 
 Azo-Kupplung
 
 Ar N N
 
 Ar
 
 N2 , NaOH ,
 
 OH
 
 O
 
 C
 
 Ar
 
 N N
 
 OH
 
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 360
 
 21 Phenole und Chinone
 
 Bei der BUCHERER-Reaktion wird zunächst Hydrogensulfit an die nicht enolische Doppelbindung im Benzen-Ring des Phenols addiert (1). Es entsteht ein Enol im Gleichgewicht mit dem Keton (2). Die nucleophile Addition des Amins an das Carbonyl-C des Ketons führt zum Imin (3,4) im Gleichgewicht mit dem tautomeren Enamin (5). Dieses rearomatisiert unter Eliminierung von Bisulfit zum Naphthylamin (6). OH
 
 OH
 
 (1) + NaHSO3
 
 O (2)
 
 H H
 
 α-Naphthol
 
 H OSO2 Na
 
 H OSO2 Na + R−NH2
 
 (3)
 
 HO NHR
 
 H OSO2 Na
 
 NHR
 
 − H2O
 
 (4)
 
 α-Naphthylamin NHR
 
 (6) − NaHSO3
 
 N
 
 R
 
 (5)
 
 H H
 
 H OSO2 Na
 
 H OSO2 Na
 
 21.7 Nomenklatur und einige Eigenschaften der Chinone Chinone sind Oxidationsprodukte der Phenole und Diphenole. Die Oxidation von Brenzcatechin führt z. B. zum o-Benzochinon, jene des Hydrochinons zum p-Benzochinon (Kap. 21.6.4): O
 
 O o-Benzochinon
 
 p-Benzochinon
 
 O
 
 O
 
 Die o- und p-Chinone sind formal und aufgrund ihrer Reaktivität als gekreuzt cyclisch konjugierte 1,2- und 1,4-Diketone aufzufassen. m- oder 1,3-Chinone existieren nicht. Im 4-Cyclohexen-1,3dion ist z. B. die cyclische Konjugation der Doppelbindungen durch Methylen-Gruppen unterbrochen. Es ist daher kein Chinon, sondern die instabile Diketo-Form des Resorcins: OH
 
 O
 
 O
 
 OH
 
 Diketo-Form (instabil)
 
 Resorcin (Bis-Enol-Form , stabil)
 
 OH
 
 O Monoenol-Form (instabil)
 
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 21.8 Darstellung von Chinonen
 
 361
 
 Zur Nomenklatur der Chinone geht man vom aromatischen Stammskelett aus (Benzo-, Naphtho-, Anthra-), stellt die Positionen der beiden chinoiden Carbonyl-Gruppen im Molekül voran (1,2-, 1,4- bzw. o- oder m-) und schließt mit der Endung "chinon" (Tab. 21.3). Chinoide Sechsringe sind an sich nicht aromatisch, jedoch oft mit benzoiden Ringen verknüpft (kondensiert, anelliert). Chinone kristallisieren meist gelb bis tiefrot (Tab. 21.3) und kommen als farbgebende Teilstrukturen in synthetischen und natürlichen Farbstoffen vor (Kap. 35.6). Tab 21.3. Nomenklatur, Farbe und Schmelzpunkte einiger Chinone Formel
 
 Bezeichnung
 
 Farbe
 
 Schmelzpunkt [°C]
 
 O o-Benzochinon
 
 rot
 
 60 - 70 (Zersetzung)
 
 p-Benzochinon
 
 gelb
 
 116
 
 1,2-Naphthochinon
 
 rot
 
 115
 
 1,4-Naphthochinon
 
 gelb
 
 126
 
 2,6-Naphthochinon
 
 orange
 
 135
 
 9,10-Anthrachinon
 
 gelb
 
 286
 
 9,10-Phenanthrenchinon
 
 orange
 
 209
 
 O O O O O
 
 O
 
 O O O O
 
 O O
 
 O
 
 21.8 Darstellung von Chinonen 21.8.1
 
 Oxidation von Phenolen und primären aromatischen Aminen
 
 Chinone entstehen durch Oxidation entsprechend substituierter Dihydroxyaromaten mit Wasserstoffperoxoid oder Metalloxiden. Hydrochinon wird zu p-Benzochinon (Kap. 21.6.4) oxidiert,
 
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 362
 
 21 Phenole und Chinone
 
 Brenzcatechin zu o-Benzochinon und 2,6-Dihydroxynaphthalen zu 2,6-Naphthochinon: OH +
 
 O
 
 H2O-freier Ether , MgSO4
 
 Ag2O
 
 +
 
 H2O
 
 +
 
 2 Ag
 
 +
 
 H2O
 
 +
 
 PbO
 
 O o-Benzochinon
 
 OH Brenzcatechin OH
 
 O
 
 Benzen
 
 +
 
 PbO2
 
 HO
 
 O 2,6-Naphthochinon
 
 2,6-Dihydroxynaphthalen
 
 1,4-Diamine wie das toxische p-Phenylendiamin lassen sich mit üblichen Oxidationsmitteln glatt zu 1,4-Chinonen oxidieren, wobei p-Chinondiimine als Zwischenstufen auftreten: NH2
 
 − 2 [H+] , − 2 e0
 
 NH
 
 −
 
 HN
 
 H2N p-Phenylendiamin
 
 O
 
 + 2 H2O , − 2 NH3
 
 O
 
 p-Chinondiimin
 
 p-Benzochinon
 
 p-Benzochinon wird in technischem Maßstab durch Oxidation von Anilin mit Mangan(IV)-oxid und Schwefelsäure dargestellt. Selbst manche Monophenole können mit genügend starken Oxidationsmitteln (Dichromat) zu Chinonen oxidiert werden.
 
 21.8.2
 
 Oxidation von Arenen
 
 Die Oxidation von Arenen, entweder elektrolytisch oder durch Oxidationsmittel wie Chromsäure ist eine allgemeine Methode zur Darstellung von Chinonen der Naphthalen-, Anthracen- und Phenanthren-Reihe, z. B.: O +
 
 2 CrO3
 
 H2SO4
 
 +
 
 Cr2O3
 
 +
 
 H2O
 
 +
 
 Cr2O3
 
 +
 
 H2O
 
 O 1,4-Naphthochinon O O +
 
 2 CrO3
 
 H2SO4
 
 9,10-Phenanthrenchinon
 
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 21.9 Reaktionen der Chinone
 
 21.8.3
 
 363
 
 FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung von Arenen durch Phthalsäureanhydrid
 
 Linear kondensierte Chinone wie 9,10-Anthrachinon können durch elektrophile Acylierung von Arenen mit Phthalsäureanhydrid hergestellt werden: O
 
 O +
 
 AlCl3 oder H2SO4
 
 O
 
 O
 
 C
 
 H2SO4
 
 HO2C
 
 O
 
 O 9,10-Anthrachinon
 
 Benzophenon-o-carbonsäure
 
 21.9 Reaktionen der Chinone 21.9.1
 
 Redoxgleichgewicht Chinon-Hydrochinon
 
 Die Reduktion von Chinonen führt zu den entsprechenden Diphenolen. p-Benzochinon und Hydrochinon stehen z. B. in einem Redoxgleichgewicht: O
 
 OH
 
 Reduktion
 
 +
 
 2 [H ]
 
 +
 
 2 e0
 
 O
 
 Oxidation
 
 HO Hydrochinon
 
 p-Benzochinon
 
 Die Reaktionsgleichung zeigt, daß die Gleichgewichtskonstante K von der Wasserstoffionen-Konzentration, in wäßrigem Medium also vom pH-Wert abhängt. K =
 
 c (Hydrochinon) +
 
 c (p-Benzochinon) c 2 (H )
 
 oder logarithmiert:
 
 lg K = lg c(Hydrochinon) − lg c(p-Benzochinon) − 2 lg c(H+) = lg c(Hydrochinon) − lg c(p-Benzochinon) + 2 pH
 
 In einer elektrolytischen Zelle führt das Redoxgleichgewicht zu einem reproduzierbaren Redoxpotential. Daher wurde das Chinon-Hydrochinon-Redoxsystem vor Entwicklung der Glaselektrode zur elektrometrischen pH-Messung verwendet (Chinhydron-Elektrode). Die Reduktion des p-Benzochinons (gelb) zu Hydrochinon (farblos) verläuft über eine tiefbraunrote kristalline Zwischenstufe, das Chinhydron. Chinhydron erhält man auch durch Mischung äquimolarer Mengen von p-Benzochinon und Hydrochinon in Alkohol als Lösemittel; es ist ein 1:1-Addukt dieser Komponenten. Die tiefe Farbe (geringe Elektronen-Anregungsenergie und daher langwellige Lichtabsorption) ist die Folge eines Elektronenüberganges vom HydrochinonDianion als Donor zum p-Benzochinon als Akzeptor. Man nennt Addukte mit diesem Merkmal Elektronen-Donor-Akzeptor (EDA)- oder Charge-Transfer (CT)-Komplexe. Elektronen-Akzeptor Elektronen-Donor
 
 O
 
 O O
 
 2 e0
 
 O
 
 2H
 
 Chinhydron Charge-Transfer-Komplex
 
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 364
 
 21 Phenole und Chinone
 
 Das Chinhydron ist die reaktive Zwischenstufe, in der sich der Elektronenaustausch zwischen pBenzochinon und Hydrochinon abspielt. Der Elektronenaustausch vollzieht sich in zwei Schritten über das nachweisbare mesomeriestabilisierte Semichinon-Radikal-Anion: O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 −
 
 −
 
 + e0
 
 + e0
 
 O
 
 O
 
 p-Benzochinon
 
 21.9.2
 
 O
 
 O
 
 Semichinon-Radikal-Anion
 
 Hydrochinon-Dianion
 
 Additionen
 
 Chinone zeigen die Reaktivität α,β-ungesättigter Ketone und keine Aromatizität. So finden am chinoiden Ring Additionen und Cycloadditionen, jedoch keine elektrophilen Substitutionen statt. Brom addiert z. B. an p-Benzochinon unter Bildung der Stereoisomeren des 2,3,5,6-Tetrabrom1,4-cyclohexandions. O
 
 O
 
 H
 
 + Br 2
 
 O
 
 O
 
 Br
 
 Br
 
 H
 
 Br
 
 + Br 2
 
 O
 
 H
 
 Br
 
 H
 
 Br
 
 O
 
 H
 
 Br
 
 und H
 
 H
 
 H H Br Br Br H O O 2,3,5,6-Tetrabrom-1,4-cyclohexandion (Stereoisomere) Br
 
 Gegenüber (elektronenreichen) 1,3-Dienen wie 1,3-Butadien verhält sich p-Benzochinon als (elektronenarmes) Dienophil. Eine [4+2]-Cycloaddition (DIELS-ALDER-Reaktion) ergibt 4a,5,8,8aTetrahydro-1,4-naphthochinon, wobei die cis-Konfiguration der H-Atome an der CC-Doppelbindung des p-Benzochinons erhalten bleibt (Stereospezifität bezüglich des Dienophils). O
 
 O HC HC
 
 8
 
 CH 2 CH 2
 
 5
 
 O
 
 O
 
 21.9.3
 
 8a
 
 6π
 
 +
 
 H
 
 O 1
 
 4a 4
 
 H
 
 O 4a,5,8,8a-Tetrahydro-1,4-naphthochinon
 
 Carbonyl-Reaktionen
 
 Die meisten Reaktionen der Carbonyl-Verbindungen (Kap. 20.7, 20.8) lassen sich auch mit Chinonen durchführen. So ergibt die nucleophile Addition des Hydroxylamins an p-Benzochinon das p-Benzochinondioxim: N
 
 O + O
 
 2 H 2N OH
 
 HO
 
 OH
 
 +
 
 2 H2O
 
 N p-Benzochinondioxim
 
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 21.9 Reaktionen der Chinone
 
 21.9.4
 
 365
 
 HOOKER-Oxidation
 
 Die HOOKER-Oxidation entfernt (formal) ein C-Atom der Seitenkette in 3-Alkyl-2-hydroxy-1,4naphthochinonen: O
 
 O OH
 
 R
 
 H2SO4 , CuSO4 oder KMnO4 , + O2 − CO2 , − H2O
 
 CH 2 R
 
 OH O
 
 O
 
 Bei dieser Reaktion wird der Chinon-Ring zunächst oxidativ gespalten (1). Die Oxidation des entstandenen isolierbaren α-Hydroxyketons führt zum ebenfalls isolierbaren 1,2-Diketon (2). Eine nachfolgende intramolekulare Aldol-Reaktion (3) und Decarboxylierung (4) ergibt nach Aromatisierung bzw. Enolisierung (5) das 1,3,4-Triphenol, welches abschließend zum 1,4-Naphthochinon oxidiert wird (6). O >
 
 O
 
 (1)
 
 OH
 
 s
 
 CH 2 R
 
 CH R
 
 (4)
 
 s
 
 CH R
 
 O O R
 
 s
 
 O
 
 O O
 
 (5)
 
 O
 
 (3)
 
 C C C H
 
 OH
 
 HO H
 
 >
 
 − CO2
 
 >
 
 C CO2H H s
 
 O OH
 
 O
 
 s
 
 + 1/2 O2 , − H 2O
 
 CH CH 2 R
 
 s
 
 HO CO2H
 
 O
 
 (2)
 
 >
 
 CO2H
 
 + 1/2 O2 , + H2 O
 
 R
 
 (6) + 1/2 O2 , − H2 O
 
 O s
 
 OH
 
 OH OH
 
 R
 
 O
 
 Oxidativ abgespalten wird also nicht die Methylen-Gruppe (markiert durch s), sondern das EnolC-Atom in 2-Stellung des chinoiden Rings (markiert durch ̈).
 
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 366
 
 22 Amine
 
 22 Amine 22.1 Amine als Derivate des Ammoniaks Ersetzt man die H-Atome des Ammoniaks formal durch eine, zwei oder drei Alkyl- bzw. ArylGruppen, so ergeben sich primäre, sekundäre oder tertiäre Amine: NH3 Ammoniak
 
 R NH2 primäres
 
 R NH R sekundäres
 
 NR 3 tertiäres Amin
 
 NH2 primäre
 
 NHR sekundäre
 
 NR 2 tertiäre Amino-Gruppe
 
 Die Alkyl-Gruppen sekundärer oder tertiärer Amine können sich auch zum Ring schließen. Man spricht dann von cyclischen sekundären oder tertiären Aminen, die den Stickstoff-Heteroalicyclen (Kap. 33.1) zugeordnet werden. R
 
 R
 
 R
 
 N
 
 N
 
 N
 
 Aziran
 
 Azetan
 
 Pyrrolidin
 
 N R Piperidin
 
 R = H : sekundäre cyclische Amine ; R = Alkyl : tertiäre cyclische Amine
 
 Di-, Tri-, Tetra- und Polyamine enthalten zwei, drei, vier oder noch mehr Amino-Gruppen im Molekül.
 
 22.2 Nomenklatur Nach IUPAC werden die Amine als Amino-Derivate der Kohlenwasserstoffe (Aminoalkane, Alkylamine, Alkanamine) bezeichnet. Die Position der Amino-Gruppe wird durch arabische Ziffern, ihre Art durch die Präfixe "Amino", "Alkylamino"- und "Dialkylamino"- für primäre, sekundäre und tertiäre Amine gekennzeichnet, z. B.: 1
 
 2
 
 3
 
 4
 
 1
 
 5
 
 H 2N
 
 2
 
 3
 
 4
 
 5
 
 H 3C CH CH CH2 CH3
 
 H3C CH CH CH2 CH 3 CH 3
 
 H 3C
 
 2-Amino-3-methylpentan
 
 N
 
 H
 
 CH 3
 
 2-(N-Methylamino)-3-methylpentan
 
 1
 
 2
 
 3
 
 4
 
 5
 
 H 3C CH CH CH 2 CH 3 N CH3 CH 3 H 3C 2-(N,N-Dimethylamino)-3-methylpentan
 
 Mehrfunktionelle Amine nennt man nach IUPAC Polyamino-Verbindungen, z. B.: 1
 
 2
 
 3
 
 4
 
 5
 
 H3C CH CH CH2 CH 3 H 2N
 
 NH 2
 
 2,3-Diaminopentan
 
 NH2
 
 NH 2 NH 2 cis-1,2-Diaminocyclohexan
 
 H 2N
 
 NH2
 
 1,2,4-Triaminobenzen
 
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 22.2 Nomenklatur
 
 367
 
 Aufgrund ihrer formalen Herkunft von Ammoniak werden einfachere Amine jedoch meist nicht nach IUPAC, sondern als Alkyl-, Dialkyl- und Trialkylamine bezeichnet, z. B.: H 3C NH CH 3 Dimethyl-
 
 H3C NH2 Methyl-
 
 (H3C)3N Trimethylamin
 
 Sind die mit Stickstoff verknüpften Alkyl-Gruppen verschieden, so werden diese nach zunehmender Größe der Endung "-amin" vorangestellt, z. B.: H3C
 
 N CH(CH 3)2 C 2H5
 
 Methylethyl-i-propylamin (mit Asymmetriezentrum am N-Atom)
 
 Phenylamine (Aminoarene) werden meist als Aniline bezeichnet, z. B.: H
 
 CH3 N CH3
 
 N
 
 NH2
 
 CH3 Anilin
 
 N-Methylanilin
 
 N,N-Dimethylanilin
 
 O2N
 
 CH3 N CH3
 
 NH
 
 p-Nitro-N,N-dimethylanilin
 
 Diphenylamin
 
 Aminotoluene sind als Toluidine bekannt: NH2
 
 NH2
 
 NH2
 
 CH3
 
 H 3C CH3 m(3-)
 
 o(2-)
 
 p-Toluidin (4-Methylanilin)
 
 (Poly-) Alkylenpolyamine ist die gängige Bezeichnung für Polyamine, z. B.: H 2N CH 2 CH2 NH2
 
 HN
 
 CH 2 CH2 NH2 CH 2 CH2 NH2
 
 Ethylendiamin (1,2-Diaminoethan)
 
 Diethylentriamin [Bis-(2-aminoethyl)amin]
 
 Entsprechend sind aromatische Diamine auch als Arylendiamine bekannt, z. B.: NH2
 
 NH2
 
 NH2
 
 NH2
 
 H 2N
 
 NH2
 
 NH 2
 
 NH2
 
 H 2N NH2
 
 o(1,2-)
 
 m(1,3-)
 
 p-Phenylendiamin (1,4-Diaminobenzen)
 
 1,2-
 
 1,8-Naphthylendiamin (1,8-Diaminonaphthalen)
 
 Die Tabellen 22.1 (S. 370) und 22.2 (S. 371) enthalten gängige Bezeichnungen weiterer offenkettiger, cyclischer und aromatischer Mono- und Polyamine.
 
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 368
 
 22 Amine
 
 22.3 Struktur und physikalische Eigenschaften 22.3.1
 
 Geometrie und Molekülorbital-Modell
 
 Als Alkyl-Derivate des Ammoniaks sind Amine pyramidale Moleküle, wie die Molekülmodelle des Trimethylamins in Abb.22.1 zeigen.
 
 Abb. 22.1. Stab-, Kugel-Stab- und Kalotten-Modell des Trimethylamins
 
 Im Vergleich zum H−N−H-Bindungswinkel des Ammoniaks (107°) spreizt sich der C−N−CBindungswinkel des Trimethylamins nur geringfügig auf 108° (Abb. 22.2 a). Diese Bindungswinkel kommen dem Tetraederwinkel von 109.5° sehr nahe. Daher wird angenommen, daß die fünf Valenzelektronen des dreibindigen Stickstoffs in Ammoniak und den Aminen vier sp3-Hybridorbitale besetzen. Drei von diesen sind einfach, eines ist doppelt besetzt (Abb. 22.2 b). Die einfach besetzten sp3-Hybridorbitale können mit s-Orbitalen des Wasserstoffs oder Kohlenstoff-sp3Hybridorbitalen zu σ-Bindungen überlappen (Abb. 22.2 c).
 
 N H 3C 108°
 
 CH3
 
 N
 
 H3C
 
 CH 3 (a)
 
 σ N σ CH3 σ CH 3 (c)
 
 (b)
 
 Abb. 22.2. Trimethylamin (a) Molekülgeometrie, (b) Bindungs-Hybridorbitale des dreibindigen Stickstoff-Atoms, (c) σ-Bindungen und n-Elektronenpaar
 
 Auch das nichtbindende Elektronenpaar besetzt nach Abb. 22.2 ein sp3-Orbital, das mit vakanten Orbitalen überlappen und so eine vierte σ-Bindung bilden kann, z. B. in den TrialkylammoniumIonen (Salze), die bei der Protonierung der Trialkylamine entstehen: H H 3C
 
 σ N σ CH3 σ CH 3
 
 +
 
 H
 
 Br
 
 H 3C
 
 N
 
 CH3
 
 Br
 
 CH3 Trimethylammoniumbromid
 
 Insofern sind die Amine ebenso wie Ammoniak LEWIS-Basen oder Nucleophile.
 
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 22.3 Struktur und physikalische Eigenschaften
 
 22.3.2
 
 369
 
 Inversion von Aminen
 
 In Analogie zu Verbindungen mit asymmetrischem C-Atom bilden Amine mit drei verschiedenen Alkyl-Gruppen am Amino-N (chirale Amine) Enantiomere: R
 
 N
 
 N
 
 R"
 
 R"
 
 R
 
 R'
 
 R'
 
 Enantiomere eines chiralen Trialkylamins
 
 Meist können die Enantiomeren eines chiralen Amins jedoch nicht isoliert werden, da sie bei Raumtemperatur sehr schnell ineinander übergehen. Diese Inversion der Amine läßt sich spektroskopisch nachweisen. Sie verläuft über einen eingeebneten Zwischenzustand, dessen Bildung eine Aktivierungsenergie von etwa 21 kJ / mol erfordert, wie spektroskopische Messungen zeigen. Die thermische Energie der Amin-Moleküle bei Raumtemperatur löst meist schon die Inversion aus, deren Energieprofil in Abb. 22.3 dargestellt ist.
 
 R'
 
 R
 
 R
 
 R N R"
 
 Epot
 
 N
 
 N
 
 ∆EA =
 
 R'
 
 R"
 
 R' R"
 
 21 kJ / mol
 
 Abb. 22.3. Energiebarriere der Amin-Inversion
 
 Ist die Inversion dagegen behindert, z. B. durch Einbau des Stickstoffs und seiner Substituenten in ein starres Ring-System, so lassen sich die optisch aktiven Enantiomeren isolieren, wie am Beispiel der TRÖGER-Base gezeigt wurde (Kap. 18.6.1).
 
 22.3.3
 
 Enantiomere Ammonium-Salze und Amin-N-oxide
 
 Während chirale Amine bei Raumtemperatur meist ineinander invertieren, können die Enantiomeren chiraler Ammonium-Salze nicht ohne Spaltung von Bindungen ineinander übergeführt werden: R°
 
 R°
 
 R
 
 N
 
 R"
 
 R"
 
 N
 
 R
 
 R' R' X X Enantiomere eines chiralen Ammonium-Salzes
 
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 370
 
 22 Amine
 
 In der Tat läßt sich Allylbenzylmethylphenylammonium-Iodid in die Enantiomeren auftrennen. Entsprechendes gilt für chirale Amin-N-oxide: O
 
 O R
 
 N
 
 R"
 
 R"
 
 N
 
 R
 
 R'
 
 R'
 
 Enantiomere eines chiralen Amin- N-oxids
 
 22.3.4
 
 Physikalische Eigenschaften
 
 Aufgrund des elektronegativen Amino-N-Atoms sind Amine Dipol-Moleküle. Zwischen den Molekülen tertiärer Amine wirken daher Dipol-Dipol-Kräfte; sekundäre und primäre Amine sind zusätzlich über Wasserstoffbrücken assoziiert: H
 
 R N H
 
 Wasserstoffbrücken primärer Amine
 
 R
 
 H
 
 H N
 
 H
 
 N
 
 R
 
 H
 
 Tab. 22.1. Übliche Bezeichnungen und physikalische Eigenschaften ausgewählter aliphatischer Amine Klasse
 
 Konstitutionsformel
 
 aliphatische Monoamine
 
 Schmelzpunkt Siedepunkt °C °C (1011 mbar)
 
 Löslichkeit g/100g H2O
 
 Basizitätskonstante Kb x 10−4
 
 H 3C NH2
 
 Methylamin
 
 − 94
 
 4.4
 
 Dimethylamin
 
 − 96
 
 − 7.5 7.5
 
 unbegrenzt
 
 (H3C)2NH
 
 unbegrenzt
 
 5.1
 
 (H 3C)3N
 
 Trimethylamin
 
 − 117
 
 3
 
 91
 
 0.6
 
 H3C
 
 CH2 NH2
 
 Ethylamin
 
 − 80
 
 17
 
 unbegrenzt
 
 4.7
 
 (H 3C
 
 CH 2)2NH
 
 Diethylamin
 
 − 50
 
 56
 
 löslich
 
 9.5
 
 (H 3C
 
 CH 2)3N
 
 Triethylamin
 
 − 115
 
 90
 
 14
 
 5.5
 
 H3C
 
 CH2 CH2 NH2
 
 n-Propylamin
 
 − 83
 
 49
 
 unbegrenzt
 
 3.8
 
 (H 3C
 
 CH 2 CH 2)2NH CH 2 CH 2)3N
 
 Di-n-propylamin
 
 − 63
 
 110
 
 löslich
 
 8.1
 
 Tri-n-propylamin
 
 − 93
 
 157
 
 löslich
 
 4.5
 
 NH
 
 Aziran (Ethylenimin)
 
 − 74
 
 56
 
 unbegrenzt
 
 NH
 
 Pyrrolidin
 
 − 63
 
 89
 
 unbegrenzt
 
 NH
 
 Piperidin
 
 − 15
 
 106
 
 unbegrenzt
 
 9
 
 117
 
 löslich
 
 120
 
 löslich
 
 196
 
 löslich
 
 (H 3C StickstoffHeteroalicylen
 
 aliphatische Diamine
 
 Bezeichnung
 
 H2N
 
 (CH 2)2 NH2
 
 1,2-Diaminoethan (Ethylendiamin)
 
 H2N
 
 (CH 2)3 NH2
 
 1,3-Diaminopropan (Propylendiamin)
 
 H2N
 
 (CH 2)6 NH2
 
 1,6-Diaminohexan (Hexamethylendiamin)
 
 39
 
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 22.3 Struktur und physikalische Eigenschaften
 
 371
 
 Tab. 22.2. Übliche Bezeichnungen und einige physikalische Eigenschaften ausgewählter Arenamine (Aniline) Klasse
 
 Konstitutionsformel
 
 Monoamine
 
 Bezeichnung
 
 Schmelzpunkt °C
 
 Siedepunkt °C (1011 mbar)
 
 Löslichkeit g/100g H2O
 
 Basizitätskonstante Kb x 10−10
 
 NH 2
 
 Anilin
 
 − 6
 
 184
 
 3.7
 
 4.2
 
 NHCH 3
 
 N-Methylanilin
 
 − 57
 
 196
 
 etwas löslich
 
 7.1
 
 N(CH 3)2
 
 N,N-Dimethylanilin
 
 3
 
 194
 
 1.4
 
 o-Toluidin (2-Methylanilin 2-Aminotoluen)
 
 − 16
 
 200
 
 1.7
 
 2.5
 
 NH2
 
 m-Toluidin
 
 − 31
 
 203
 
 etwas löslich
 
 4.9
 
 NH2
 
 p-Toluidin
 
 44
 
 200
 
 0.7
 
 NH2
 
 o-Chloranilin
 
 − 14
 
 209
 
 0
 
 0.03
 
 NH2
 
 m-Chloranilin
 
 − 10
 
 231
 
 0
 
 0.3
 
 NH2
 
 p-Chloranilin
 
 73
 
 232
 
 0
 
 1.5
 
 NH2
 
 o-Nitroanilin
 
 71
 
 284
 
 0.1
 
 0.00035
 
 NH2
 
 m-Nitroanilin
 
 114
 
 306 (Zersetzung)
 
 0.1
 
 0.032
 
 NH2
 
 p-Nitroanilin
 
 147
 
 332
 
 0.05
 
 0.001
 
 NH2
 
 o-Phenylendiamin
 
 104
 
 257
 
 3
 
 3.2
 
 NH2
 
 m-Phenylendiamin
 
 63
 
 287
 
 25
 
 7.6
 
 NH2
 
 p-Phenylendiamin
 
 146
 
 267
 
 substituierte Monoamine
 
 NH2 CH 3
 
 11
 
 H 3C H 3C
 
 12
 
 Cl
 
 Cl Cl
 
 NO2
 
 O2N O2N
 
 Diamine
 
 NH 2
 
 H 2N H 2N
 
 3.8
 
 110
 
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 372
 
 22 Amine
 
 Infolge ihrer Polarität und Wasserstoffbrücken-Assoziation sieden die Amine höher (Tab. 22.1, 22.2) als weniger polare Verbindungen vergleichbarer molarer Masse, jedoch tiefer als die Alkohole und Carbonsäuren, deren Wasserstoffbrücken stärker sind. Alle niedermolekularen Amine einschließlich der tertiären sind gut wasserlöslich, da sie auch mit Wasser über Wasserstoffbrücken assoziieren können. In weniger polaren Lösemitteln (Alkohole, Ether, Benzen) sind auch die höheren Amine gut löslich, während die Wasserlöslichkeit mit zunehmender Größe der Alkyl-Gruppen abnimmt. Der Geruch niedermolekularer Amine (Methyl- und Ethylamin) ist stechend, Amine mit mittelgroßen Alkyl-Gruppen riechen mehr fischartig bis animalisch.
 
 22.4 Darstellung 22.4.1
 
 Alkylierung von Ammoniak
 
 Die nucleophile Substitution des Halogens in primären und sekundären Alkylhalogeniden durch Ammoniak (nach SN2-Mechanismen) ergibt ein Alkylammonium-Salz, aus dem mit Hilfe einer Base das Amin freigesetzt werden kann: R C
 
 H H Halogenalkan X
 
 +
 
 δ+
 
 X
 
 INH 3
 
 R
 
 δ−
 
 C
 
 + OH
 
 NH3
 
 R CH2 NH 3 X
 
 − −
 
 − H2O , − X
 
 H H Alkylammonium-Salz
 
 R CH 2 NH2 primäres Amin
 
 Das primäre Amin wird durch überschüssiges Halogenalkan weiter alkyliert, so daß kein einheitliches Amin, sondern ein Gemisch aus primärem, sekundärem, tertiärem Amin und dem Tetraalkylammonium-Salz entsteht: R NH 2
 
 +
 
 R X
 
 R2NH2 X
 
 + OH
 
 − −
 
 R 2NH sekundäres Amin
 
 −
 
 R3N tertiäres Amin
 
 − H2O , − X
 
 + OH
 
 R 2NH
 
 +
 
 R X
 
 R 3NH X
 
 R3N
 
 +
 
 R X
 
 R4N X quartäres Ammonium-Salz (Tetraalkylammonium-Salz)
 
 −
 
 − H2O , − X
 
 Bei Ammoniak-Überschuß entstehen vorwiegend primäre Amine. Andererseits substituiert Ammoniak nur primäre und sekundäre Halogenalkane zu Mischungen der Amine; tertiäre Halogenalkane dehydrohalogenieren (nach E1-Mechanismen) in Gegenwart von Ammoniak zu Alkenen. Allyl- und Benzylhalogenide sowie andere primäre Halogenalkane alkylieren Hexamethylentetramin (Urotropin) zu den quartären Urotropinium-Salzen; deren Hydrolyse in ethanolischer Salzsäure gibt die Alkylammonium-Salze der entsprechenden primären Amine (DELÉPINE-Reaktion).
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N N
 
 Urotropin
 
 +
 
 X CH2 R
 
 N
 
 N
 
 N X
 
 + 3 H2O
 
 CH2
 
 R
 
 N
 
 CH2 OH
 
 CH2 OH CH2 OH + Folgeprodukte
 
 N
 
 +
 
 X H3N CH2
 
 R
 
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 22.4 Darstellung
 
 373
 
 Tertiäre Halogenalkane eliminieren in Gegenwart von Ammoniak und anderer Basen Chlorwasserstoff; t-Butylamin ist daher nicht durch Ammonolyse von t-Butylchlorid zugänglich: CH3 H2C C
 
 CH 3 H 3C C Cl
 
 +
 
 +
 
 H4N Cl
 
 CH3
 
 NH3
 
 CH3
 
 CH 3
 
 H 3C C NH3 Cl CH3
 
 Halogenaromaten reagieren mit Ammoniak nur, sofern elektronenziehende Substituenten wie Nitro-Gruppen die Ablösung des Halogenid-Anions vom Benzen-Ring begünstigen, z. B.:
 
 O2N
 
 Cl
 
 +
 
 NH3
 
 Cl
 
 +
 
 NH3
 
 NH3 Cl O2N
 
 NO2 2,4-Dinitrochlorbenzen
 
 22.4.2
 
 NH3 Cl
 
 NO2 2,4-Dinitroanilinium-chlorid
 
 Alkylierung von Kalium-Phthalimid (GABRIEL-Synthese)
 
 Die nucleophile Substitution des Halogenids in Halogenalkanen durch Kalium-Phthalimid führt selektiv zu primären Aminen. Dabei entsteht zunächst das Phthaloylamin (N-Alkylphthalimid), aus dem das primäre Amin entweder als Hydrochlorid durch wäßrige Salzsäure oder als Amin durch Hydrazin freigesetzt wird: Druck, Hitze , + 2 H2O , + HX
 
 O N K O Kalium-phthalimid
 
 CO2H + CO2H Phthalsäure
 
 O +
 
 R
 
 X
 
 − KX
 
 N
 
 X H 3N R
 
 R Phthaloylamin O
 
 O + H2N
 
 NH2
 
 NH NH
 
 +
 
 H 2N R
 
 O Phthalsäurehydrazid
 
 22.4.3
 
 Palladium-katalysierte Aminierung von Arylhalogeniden
 
 Nach einem der HECK-Reaktion (Kap. 4.5.11) ähnlichen Katalysecyclus verläuft die BUCHWALDHARTWIG-Reaktion, bei der nahezu beliebig substituierte Arylhalogenide und Triflate in Gegen-
 
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 374
 
 22 Amine
 
 wart von Palladium(II)-Komplexen sowie einer Base (Alkoholate, Lithium-N,N-dialkylamide) durch primäre und sekundäre Amine zu Anilinen aminiert werden: [L2PdCl2] Base
 
 R1
 
 R
 
 X
 
 +
 
 HN
 
 R1
 
 R
 
 N
 
 R = o-, m-, p-Alkyl, Alkoxy-, Amino- ;
 
 22.4.4
 
 +
 
 HX
 
 R2
 
 R2 X = Br, I, OSO2CF3 ;
 
 L = P(C6H5)3 und andere Triarylphosphane
 
 Addition von Ammoniak und Aminen an Doppelbindungen
 
 Durch Addition von Ammoniak, primären oder sekundären Aminen an Alkene unter Druck und in Gegenwart von Kobalt-Salzen als Katalysatoren entstehen primäre, sekundäre und tertiäre Amine: C C
 
 R H N R'
 
 +
 
 Co-Salz , Druck
 
 H C C R
 
 N
 
 R'
 
 Ist die Doppelbindung aktiviert, z. B. durch (−)-M-Effekte von Nitril- oder Carbonyl-Gruppen, so erfordert die Addition von Ammoniak und Aminen weder Druck noch Katalysatoren (MICHAELAddition). So addiert Dimethylamin nucleophil an Acrylnitril unter Bildung des tertiären Amins β(N,N-Dimethylamino)propionitril: H 3C
 
 N_ H
 
 _
 
 H 2C CH C NI
 
 +
 
 H3C
 
 H 2C CH C NI
 
 H 3C Dimethylamin
 
 22.4.5
 
 N CH2 CH2 C N
 
 H3C Acrylnitril
 
 β-(N,N-Dimethylamino)propionitril
 
 Addition von Ammoniak und Aminen an Oxiran
 
 Die nucleophile Addition von Ammoniak, primären oder sekundären Aminen an Oxiran (Ethylenoxid) ergibt β-Aminoethanole (Ethanolamine): R R'
 
 NI
 
 R +
 
 H
 
 H2C CH2 O
 
 NH
 
 R
 
 _
 
 N
 
 _ CH2 CH2 OI
 
 R'
 
 R'
 
 CH2 CH2 OH
 
 R = R' = H : β-AminoR = H , R' = Alkyl : β-(N-Alkylamino)R = R' = Alkyl : β-(N,N-Dialkylamino)ethanol
 
 Reagiert z. B. Ammoniak mit überschüssigem Oxiran, so entsteht Triethanolamin über die Vorstufen 2-Aminoethanol (Ethanolamin) und Bis(2-hydroxyethyl)amin (Diethanolamin): H3N
 
 +
 
 H 2C CH 2 O +
 
 H2N CH2 CH 2 OH
 
 O
 
 CH 2 CH 2 OH HN CH 2 CH 2 OH
 
 2-Aminoethanol (Ethanolamin)
 
 Bis(2-hydroxyethyl)amin (Diethanolamin)
 
 +
 
 O
 
 CH 2 CH2 OH N CH2 CH2 OH CH 2 CH2 OH Tris(2-hydroxyethyl)amin (Triethanolamin)
 
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 22.4 Darstellung
 
 375
 
 Ammoniak und Amine addieren auch an andere Dreiring-Heteroalicyclen, z. B. an Aziran (Aziridin, Ethylenimin): + H 3N
 
 +
 
 +
 
 CH 2 CH2 NH 2 Bis(2-aminoethyl)amin (Diethylentriamin)
 
 (H 3C)2N CH 2 CH2 NH 2
 
 N
 
 2-Amino-1-(N,N-dimethylamino)ethan (N,N-Dimethylethylendiamin)
 
 H
 
 22.4.6
 
 HN
 
 1,2-Diaminoethan (Ethylendiamin)
 
 H
 
 (H3C)2NH
 
 CH 2 CH2 NH 2
 
 H
 
 H2N CH 2 CH2 NH 2
 
 N
 
 N
 
 Reduktion von Nitro-Verbindungen
 
 Die Reduktion der Nitroalkane und Nitroaromaten eignet sich zur Darstellung vieler primärer Amine (Tab. 22.3): Ar NO2
 
 +
 
 3 H2
 
 H2 , Katalysator oder Reduktionsmittel
 
 Ar NH 2
 
 +
 
 2 H2O
 
 Tab. 22.3. Reduktion einiger Nitroverbindungen N i t r o - Verbindung CO2H NO2 o-Nitrobenzoesäure
 
 Reduktionsmittel , Bedingungen
 
 H 2 (Ni) , 100 °C , 50 atm. , verdünnte Essigsäure
 
 NO2
 
 primäres A m i n CO2H NH 2 Anthranilsäure NH 2
 
 Fe , HCl , 100 °C , H2O α-Nitronaphthalen
 
 α-Naphthylamin
 
 NO2
 
 NH 2 SnCl2 , HCl , 60 °C , H2O
 
 F m-Nitrofluorbenzen
 
 F m-Fluoranilin
 
 OH NO2
 
 OH Na2S - Schmelze
 
 o-Nitrophenol H3C CH2 CH CH 3 NO2 2-Nitrobutan
 
 NH 2 o-Aminophenol
 
 LiAlH4 , 33 °C , absoluter Ether
 
 H3C CH2 CH CH 3 NH2 2-Aminobutan
 
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 376
 
 22 Amine
 
 Anilin wird z. B. in technischem Maßstab durch Reduktion von Nitrobenzen mit Eisenspänen (Schrott) in wäßriger Schwefelsäure hergestellt. Das als Nebenprodukt anfallende Eisen(II,III)oxid wird als Pigment verwendet. 4
 
 NO2
 
 +
 
 9 Fe
 
 +
 
 4 H2O
 
 H2SO4
 
 NH2
 
 4
 
 +
 
 3 Fe3O4
 
 Die Reduktion des Nitrobenzens führt nur in sauerer Lösung zum Anilin. Im neutralen Bereich entsteht Phenylhydroxylamin, im alkalischen dagegen das als Hydrazobenzen bezeichnete Diphenylhydrazin. Weitere Zwischenstufen der Reduktion des Nitrobenzens sind Nitroso-, Azoxy- und Azobenzen (Kap. 23.8), wie es das HABERsche Reduktionsschema zusammenfaßt: Ar NO2 Nitrobenzen
 
 Ar
 
 a l k a l i s c h
 
 N
 
 N
 
 O Ar Azoxybenzen
 
 Ar NO Nitrosobenzen
 
 s a u e r
 
 Ar N
 
 N
 
 Ar Azobenzen
 
 Ar NHOH Phenylhydroxylamin
 
 Ar NH NH Ar Hydrazobenzen
 
 22.4.7
 
 n e u t r a l
 
 Ar NH2 Anilin
 
 Reduktion von Oximen, Nitrilen und Carbonsäureamiden
 
 Natrium in Ethanol reduziert die aus Aldehyden und Ketonen zugänglichen Oxime (Kap. 20.8.5) zu primären Aminen, z. B.: H 3C
 
 CH 3 (CH 2)5 C + N OH
 
 4 C 2H5OH
 
 +
 
 4 Na
 
 H3C
 
 (CH2)5 CH CH 3
 
 +
 
 4 C 2H5ONa
 
 +
 
 H2O
 
 NH2 2-Aminooctan
 
 2-Octanonoxim
 
 Die Reduktion von Nitrilen zu primären Aminen gelingt mit Natrium in Ethanol, Lithiumaluminiumhydrid in Ether oder durch katalytische Hydrierung, z. B.: C N CH 3 2-Methylbenzonitril
 
 +
 
 4 [H]
 
 LiAlH4 , abs. Ether
 
 CH2 NH2 CH 3 2-Methylbenzylamin
 
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 22.4 Darstellung
 
 377
 
 Mit Ausnahme der Carbonsäureanilide und Imidazolide (vgl. Aldehyd-Synthesen, Kap. 20.5.4) werden Carbonsäureamide durch Diboran oder komplexe Metallhydride zu primären, sekundären oder tertiären Aminen reduziert: O + 4 [H] R C N R' R' R' = H oder Alkyl
 
 22.4.8
 
 LiAlH4 , abs. Ether
 
 R CH 2
 
 R' N R'
 
 +
 
 H2O
 
 primäres, sekundäres oder tertiäres Amin
 
 Reduktive Aminierung von Carbonyl-Verbindungen
 
 Aldehyde und Ketone kondensieren mit Ammoniak und primären Aminen zu SCHIFF-Basen (Kap. 20.8.4), mit sekundären Aminen zu Enaminen (Kap. 20.8.6). Führt man diese Reaktion in Gegenwart von Wasserstoff und einem Hydrierkatalysator unter Druck durch, so entstehen nach Hydrierung der als Zwischenprodukte auftretenden Imine (SCHIFF-Basen) und Enamine die gesättigten Amine, primäre aus Ammoniak, sekundäre aus primären und tertiäre aus sekundären Ausgangsaminen. Zur Reduktion der Imin-Vorstufen eignen sich auch komplexe Metallhydride. C O
 
 +
 
 H3N
 
 − H2O
 
 Imin
 
 C O
 
 +
 
 H2N R
 
 R C H
 
 +
 
 HN R
 
 H
 
 C NHR sekundäres Amin
 
 R C N R H C
 
 − H2O
 
 H
 
 + H2 , Ni (Druck)
 
 N-Alkylimin
 
 C O
 
 C NH2 primäres Amin
 
 C NR
 
 − H2O
 
 H
 
 + H2 , Ni (Druck)
 
 C NH
 
 + H2 , Ni (Druck)
 
 Enamin
 
 H
 
 C NR 2
 
 C
 
 H H tertiäres Amin
 
 So führt die reduktive Aminierung des Cyclohexanons mit Ammoniak, Ethylamin bzw. Diethylamin selektiv zum primären, sekundären und tertiären Aminocyclohexan (Cyclohexylamin): +
 
 NH3
 
 +
 
 H2
 
 O
 
 +
 
 H 2N C2H5
 
 +
 
 H2
 
 +
 
 HN(C2H5)2
 
 +
 
 H2
 
 O
 
 O
 
 Ni , 8 atm. , 70 °C , Ethanol − H2O
 
 Ni , 8 atm. , 70 °C , Ethanol − H2O
 
 Ni , 100 atm. , 120 °C − H2O
 
 NH 2 Cyclohexylamin
 
 N H C 2H5 N-Ethylcyclohexylamin N C2H 5 C 2H5 N,N-Diethylcyclohexylamin
 
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 378
 
 22 Amine
 
 22.4.9
 
 Reduktive Alkylierung von Aminen (LEUCKART-WALLACH-Reaktion)
 
 Die LEUCKART-WALLACH-Reaktion alkyliert Ammoniak, primäre und sekundäre Amine durch Carbonyl-Verbindungen reduktiv mit Ameisensäure als Reduktionsmittel. Ammoniak in Form von Ammonium-formiat wird z. B. durch Acetophenon zu (racemischem) 1-Phenylethylamin alkyliert. NH2
 
 O CH3
 
 +
 
 CH3
 
 HCO2 NH 4
 
 Acetophenon
 
 +
 
 CO2 + H 2O
 
 DL-1-Phenylethylamin
 
 Formaldehyd und Ameisensäure im Überschuß alkylieren Benzylamin zu N,N-Dimethylbenzylamin. CH3 CH 2 NH2 + 2 HCO2H + 2 HCHO
 
 CH2 N
 
 + 2 CO2
 
 + 2 H2O
 
 CH3 Benzylamin
 
 N,N-Dimethylbenzylamin
 
 Wahrscheinlich addiert das Amin (Ammoniak) nucleophil an die Carbonyl-Verbindung; der resultierende α-Aminoalkohol dehydratisiert im sauren Medium zum Immonium-Ion, das durch Ameisensäure über einen sechsgliedrigen Übergangszustand zum Amin reduziert wird: OH
 
 O C
 
 +
 
 H N H
 
 + [ H +]
 
 C N H α-Aminoalkohol
 
 C
 
 + HCO2H
 
 C N
 
 − H2O
 
 N
 
 H
 
 H O
 
 − CO2
 
 C H
 
 N H
 
 O
 
 Immonium-Ion
 
 22.4.10 Synthese primärer Amine durch Umlagerungen Carbonsäuren sowie Ketone und einige ihrer Derivate lassen sich durch mehrere Umlagerungen zu primären Aminen abbauen. Die Mechanismen dieser Umlagerungen verlaufen über gleiche oder ähnliche reaktive Zwischenstufen. Der HOFMANN-Abbau baut Carbonsäureamide (Carboxamide) durch Behandlung mit Brom oder Chlor in alkalischer Lösung zu den primären Aminen ab: O R C NH 2 Carbonsäureamid
 
 −
 
 + 2 OH , + OBr − H2O , − CO3
 
 2−
 
 −
 
 , − Br
 
 R
 
 −
 
 NH2
 
 primäres Amin
 
 Beim LOSSEN-Abbau werden O-Acylhydroxamsäuren durch Erhitzen in alkalischem Medium in primäre Amine übergeführt: O R C N O H C R' O O-Acylhydroxamsäure
 
 + 3 OH −
 
 −
 
 − R'−CO2 , − H2O , − CO3
 
 2−
 
 R
 
 NH2
 
 primäres Amin
 
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 22.4 Darstellung
 
 379
 
 Die als Ausgangsprodukte benötigten O-Acylhydroxamsäuren werden durch Acylierung der Hydroxamsäuren mit Carbonsäurehalogeniden oder Carbonsäureanhydriden dargestellt: +
 
 entweder
 
 O R C NH OH
 
 O
 
 X
 
 C
 
 O R C N O H C R' O O-Acylhydroxamsäure
 
 (Base) , − HX
 
 R' oder +
 
 O
 
 C R'
 
 Hydroxamsäure
 
 O
 
 C
 
 O
 
 , − R'−CO2H
 
 R'
 
 Unter dem CURTIUS-Abbau versteht man die Thermolyse der Carbonsäureazide in saurer oder alkalischer Lösung zu primären Aminen, Stickstoff und Kohlendioxid. Carbonsäureazide sind durch Reaktion der Carbonsäurechloride mit Natriumazid oder Trimethylsilylazid zugänglich. O + NaN3 oder (H3C) 3SiN3 R C − NaCl oder (H3C) 3SiCl Cl Carbonsäurechlorid
 
 O R C_ N _ N NI Carbonsäureazid
 
 + H2O
 
 R
 
 − N2 , − CO2
 
 NH 2
 
 primäres Amin
 
 HOFMANN-, LOSSEN- und CURTIUS-Abbau verkörpern Umlagerungen über intermediäre Acylnitrene mit Elektronensextett am Stickstoff-Atom. Die nicht abfangbaren Acylnitrene lagern unter 1,2-Alkyl-Verschiebung zu Isocyanaten um. Ablösung der Abgangsgruppen (Br−, R−CO2− und N2) und 1,2-Alkyl-Verschiebung verlaufen synchron. Alle drei Reaktionen führen zu isolierbaren Isocyanaten. Deren Hydrolyse führt über instabile N-Alkylcarbamidsäuren unter Decarboxylierung zu den primären Aminen. O R C NH 2
 
 O R C N Br H
 
 + Br 2 − HBr
 
 Carboxamid
 
 + OH
 
 −
 
 O R C_ N _ Br
 
 − H2O
 
 − Br
 
 O
 
 + OH
 
 R C
 
 −
 
 − H2O
 
 N O
 
 O R C_ N _ O
 
 C R'
 
 H O
 
 LOSSEN − R'−CO2
 
 C R' O
 
 −
 
 −
 
 HOFMANN
 
 O R C_ N _
 
 CURTIUS − N2
 
 O R C_ N _ N NI Carbonsäureazid
 
 Acylnitren
 
 O-Acylhydroxamsäure
 
 R O C N Isocyanat
 
 R N H
 
 + H2O
 
 O C
 
 − CO2
 
 OH N-Alkylcarbamidsäure
 
 R
 
 NH2
 
 primäres Amin
 
 Die SCHMIDT-Reaktion der Carbonsäuren mit Stickstoffwasserstoffsäure führt unter Abspaltung von Stickstoff und Kohlendioxid zu primären Aminen: O R C OH
 
 + HN3 (NaN3 , H2SO4) − N2 , − CO2
 
 R
 
 NH 2
 
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 380
 
 22 Amine
 
 Reaktive Zwischenstufe dieser Reaktion ist ein protoniertes Acylnitren, aus dem durch 1,2-AlkylVerschiebung ein protoniertes Isocyanat hervorgeht, dessen Hydrolyse unter Decarboxylierung zum Alkylammonium-Ion führt. _
 
 + IN N NI
 
 R
 
 H
 
 O C
 
 R O C_ N N NI H
 
 − N2
 
 R O C N _ H
 
 protoniertes Acylnitren
 
 − H2 O
 
 R O C OH
 
 R
 
 R O C
 
 + H 2O
 
 O C N H protoniertes Isocyanat
 
 OH 2
 
 H3N
 
 − CO2
 
 R
 
 Alkylammonium-Ion
 
 Dagegen entsteht bei der SCHMIDT-Reaktion von Ketonen mit Stickstoffwasserstoffsäure unter Abspaltung von Stickstoff zunächst ein N-Alkylcarbonsäureamid, dessen Hydrolyse die Carbonsäure und das primäre Amin ergibt: O
 
 + HN3
 
 R C
 
 − N2
 
 R
 
 O + H2O R C − (H3O+ oder OH ) N R H N-Alkylcarbonsäureamid
 
 R CO2H
 
 +
 
 R NH2
 
 Auch die säurekatalysierte BECKMANN-Umlagerung von Ketoximen führt über N-Alkylcarbonsäureamide zu primären Aminen: [H+]
 
 R C N R OH Ketoxim
 
 O + H2O R C − (H3O+ oder OH ) N R H N-Alkylcarbonsäureamid
 
 R CO2H
 
 +
 
 R NH2
 
 Die Herstellung von ε-Aminocapronsäure als Vorstufe der Synthesefaser Perlon (Nylon-6) über εCaprolactam aus Cyclohexanonoxim ist eine bedeutende industrielle Anwendung der BECKMANNUmlagerung: N
 
 OH
 
 BECKMANNUmlagerung
 
 Cyclohexanonoxim
 
 O
 
 H2SO4
 
 N
 
 H
 
 ε-Caprolactam
 
 + H2O (H2SO4)
 
 H2N
 
 [CH 2] 5 CO2H
 
 ε-Aminocapronsäure Polykondensation
 
 H N [CH 2] 5 C Perlon
 
 O n
 
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 22.4 Darstellung
 
 381
 
 Als reaktive Zwischenstufen der SCHMIDT-Reaktion von Ketonen (A) sowie der BECKMANN-Umlagerung von Ketoximen (B) agieren Dialkylnitrenium-Ionen. Deren anionotrope 1,2-Akyl-Verschiebung führt zum Carbenium-Ion. Die anschließende Addition von Wasser gibt das N-Alkylcarboxamid, das zur Carbonsäure und zum primären Amin hydrolysiert werden kann. R R C R
 
 A
 
 OH
 
 + [H+]
 
 _
 
 + IN N NI
 
 R OH
 
 H
 
 R C O
 
 R C
 
 N _ N NI
 
 R
 
 Keton
 
 R
 
 − H2O
 
 R C
 
 N _ N NI
 
 H
 
 R C
 
 − N2
 
 OH O
 
 OH
 
 R C
 
 + H2O , − [H+]
 
 R C
 
 N R N R H N-Alkylcarboxamid (Tautomere)
 
 R
 
 SCHMIDT
 
 R C
 
 R C
 
 BECKMANN
 
 N R Carbenium-Ion
 
 N _
 
 Dialkylnitrenium-Ion
 
 + H2O [H+]
 
 − H2O
 
 R R CO2H Carbonsäure
 
 +
 
 R NH 2
 
 B
 
 R
 
 + [H+]
 
 R C
 
 R C
 
 N OH Ketoxim
 
 primäres Amin
 
 N OH2
 
 Wie Carbene und Carbenium-Ionen können sich Nitrene und Nitrenium-Ionen durch Verschiebung einer Alkyl-Gruppe vom Kohlenstoff zum benachbarten "Sextett"-Stickstoff stabilisieren: Anionotrope 1,2-Alkyl-Verschiebungen von Acylnitrenen führen zu einem Isocyanat (HOFMANN-, LOSSEN-, CURTIUS-Abbau) und beim protonierten Acylnitren entsprechend zum protonierten Isocyanat (SCHMIDT-Reaktion der Carbonsäuren). Anionotrope 1,2-Alkyl-Verschiebungen der Dialkylnitrenium-Ionen ergeben in Gegenwart von Wasser N-Alkylcarboxamide und schließlich Carbonsäuren sowie primäre Amine (SCHMIDTReaktion der Ketone und BECKMANN-Umlagerung der Ketoxime).
 
 22.4.11 Synthese von Benzidin-Derivaten durch Benzidin-Umlagerung 1,2-Diarylhydrazine (Hydrazobenzene) lagern sich in Gegenwart starker Säuren in die krebserregenden 4,4'-Diaminobiaryle (Benzidine) um, z. B.: [H+]
 
 H2N
 
 NH NH Hydrazobenzen CH 3 NH NH H 3C Hydrazotoluen
 
 NH 2
 
 4,4'-Diaminobiphenyl (Benzidin) CH3
 
 [H+]
 
 H2N
 
 NH 2
 
 H 3C 4,4'-Diamino-2,2'-dimethylbiphenyl ( o-Tolidin )
 
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 382
 
 22 Amine
 
 Primärschritt (1) der Benzidin-Umlagerung ist eine Protonierung des Diarylhydrazins. Die benachbarten positiven Ladungen im diprotonierten Hydrazobenzen begünstigen die Spaltung der N−NBindung (2). In einem π-komplexartigen Donor-Akzeptor-Übergangszustand können die beiden Benzen-Ringe para zu den Amino-Gruppen eine σ-Bindung knüpfen (2). Das dabei entstehende Dikation kann in Fluorsulfonsäure-Schwefeldioxid bei tiefen Temperaturen nachgewiesen werden. Doppelte Deprotonierung und Rearomatisierung ergeben schließlich das Benzidin-Derivat (3). HN
 
 NH
 
 H2N
 
 (1)
 
 NH2
 
 (2)
 
 H
 
 + 2 [H+]
 
 H 2N
 
 NH 2 H (3)
 
 H 2N
 
 − 2 [H+]
 
 NH 2
 
 22.5 Basizität 22.5.1
 
 Basizitätskonstante
 
 Wie Ammoniak enthalten Amine am Stickstoff ein nichtbindendes Elektronenpaar; sie sind daher nucleophil, also auch Protonenakzeptoren und bilden Ammonium-Ionen: _ NH 3
 
 +
 
 [H ]
 
 NH4
 
 Ammonium-Ion
 
 _ R NH 2
 
 +
 
 [H ]
 
 R NH3
 
 Alkylammonium-Ion
 
 Im Vergleich zu Wasser sind Ammoniak und Amine stärkere Basen und bilden in wäßrigen Mineralsäuren (H3O+X−) deshalb Ammonium-Salze: _ R NH 2
 
 +
 
 H 3O Cl
 
 R NH3 Cl
 
 +
 
 H 2O
 
 Dagegen sind Ammoniak und Amine schwächer basisch als Alkalihydroxide und werden durch diese aus Ammonium-Salzen in Freiheit gesetzt: R NH 3
 
 +
 
 OH
 
 _ R NH 2
 
 +
 
 H 2O
 
 Die Basizität der Amine bezieht sich auf das Ausmaß, mit dem sie in wäßriger Lösung dem Wasser Protonen entziehen und OH−-Ionen erzeugen: _ R NH 2
 
 +
 
 H 2O
 
 R NH3
 
 +
 
 OH
 
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 22.5 Basizität
 
 383
 
 Gleichgewichtskonstante dieser Reaktion ist die Basizitätskonstante Kb : −
 
 Kb =
 
 c(R NH3+) c(OH ) c(R NH2)
 
 Tab. 22.1 und 22.2 enthalten die Basizitätskonstanten einiger Amine. Man sieht, daß aromatische Amine schwächere Basen sind (Kb ≈ 10−9) als aliphatische Amine (Kb ≈ 10−4), die ihrerseits noch stärker basisch sind als Ammoniak (Kb = 1.8 x 10−4).
 
 22.5.2
 
 Basizität aliphatischer Amine
 
 Die im Vergleich zu Ammoniak größere Basizität der aliphatischen Amine beruht auf dem "Elektronendruck" der Alkyl-Gruppen, welcher einerseits das n-Elektronenpaar am Stickstoff zum nucleophilen Angriff am Proton drängt, andererseits die positive Ladung des entstandenen Ammonium-Ions etwas neutralisiert und dieses somit stabilisiert: NI
 
 +
 
 [H ]
 
 N H
 
 R
 
 R
 
 Dementsprechend erhöhen zwei schiebende Alkyl-Gruppen die Basizität sekundärer aliphatischer Amine, die daher stärkere Basen sind als primäre (Tab. 22.1). Tertiäre aliphatische Amine sind indessen schwächer basisch als sekundäre (Tab. 22.1), da die drei Alkyl-Gruppen nicht nur die Solvation behindern, sondern auch das zur Protonierung erforderliche n-Elektronenpaar am Stickstoff-Atom abschirmen.
 
 22.5.3
 
 Basizität aromatischer Amine
 
 Die gegenüber aliphatischen Aminen schwächere Basizität der Aniline (Tab. 22.2) beruht darauf, daß das Elektronenpaar der Anilin-Amino-Gruppe nicht mehr am Stickstoff verfügbar ist, sondern an der Mesomerie des Benzen-Rings teilnimmt. Dies führt zu einer durch zwitterionische Grenzformeln beschriebenen Mesomeriestabilisierung des Anilin-Moleküls: I NH 2
 
 I NH 2
 
 NH2
 
 Anilin
 
 NH2
 
 NH2
 
 NH 3
 
 NH3
 
 Anilinium-Ion
 
 Demgegenüber ist das durch Protonierung entstehende Anilinium-Ion nur ein Hybrid zweier KEKULÉ-Formeln, ohne Möglichkeit einer stabilisierenden Verteilung der positiven Ladung. Da somit die Mesomeriestabilisierung des Anilins größer ist als die des Anilinium-Ions, erfordert die
 
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 384
 
 22 Amine
 
 Protonierung des Anilins mehr Energie als jene des Ammoniaks oder eines primären aliphatischen Amins, wie Abb. 22.4 verdeutlicht. Epot
 
 Ar
 
 NH4
 
 NH 3
 
 ∆Hmes (Ar−NH3) < ∆Hmes (Ar−NH2) ∆H1 ∆H2 > ∆H1 NH3 + [H ]
 
 ∆Hmes (Ar−NH2)
 
 Ar
 
 NH 2 + [H ]
 
 Abb. 22.4. Mesomeriestabilisierung von Anilin und Anilinium-Ion; Vergleich der Protonierungsenergie von Anilin und Ammoniak
 
 22.5.4
 
 Substituenteneinflüsse auf die Basizität aromatischer Amine
 
 Ein aromatisches Amin ist umso basischer, je mehr sich das n-Elektronenpaar am Amino-N-Atom lokalisiert. Donor-Substituenten D in o- und p-Stellung, deren (+)-M-Effekt Elektronenpaare in den Benzen-Ring schiebt, erhöhen demnach die Basizität. Typische Donor-Substituenten sind z. B. −OH, −OCH3, −NR2 (R = H oder Alkyl), weniger ausgeprägt −CH3. Aus diesem Grund ist pPhenylendiamin basischer als Anilin (Tab. 22.1). I NH 2
 
 NH3 D
 
 D +
 
 D = −OH , −OCH 3 , −NR2 , −CH3 : stärker basisch als Anilin
 
 [H ]
 
 D
 
 D
 
 Andererseits schwächen Akzeptor-Substituenten A die Basizität, da sie über ihren (−)-M-Effekt die Elektronendichte im Benzen-Ring und am Stickstoff senken, das Anilin zusätzlich stabilisieren, das Anilinium-Ion dagegen destabilisieren. Typische Akzeptor-Substituenten sind −NO2, −COOH, −COOR, −COR, −CHO, −CN. 4-Nitroanilin ist deshalb schwächer basisch als Anilin (Tab. 22.1). NH3
 
 I NH 2
 
 A
 
 A +
 
 A
 
 [H ]
 
 A = −NO2 , −CO2H , −CO2R , −COR , −CHO , −CN , −Halogen : schwächer basisch als Anilin
 
 A
 
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 22.6 Reaktionen
 
 385
 
 22.6 Reaktionen 22.6.1
 
 Bildung N-substituierter Ammonium-Salze
 
 Infolge ihrer Basizität bilden die Amine mit Säuren Alkyl- oder Arylammonium-Salze, z. B.: NH2
 
 +
 
 NH3 HSO4
 
 H2SO4
 
 Anilinium-hydrogensulfat (Phenylammonium-hydrogensulfat)
 
 Auch mit stark sauren Phenolen reagieren die Amine zu Salzen. Pikrinsäure (2,4,6-Trinitrophenol) fällt z. B. die Amine aus Lösungen in Ethanol oder Ether als gelbe, kristallisierte Pikrate, die man aufgrund ihrer charakteristischen Schmelzpunkte zur Identifizierung der Amine heranzieht: O2N (H 5C2)3NI
 
 +
 
 HO
 
 NO2
 
 (H 5C2)3NH
 
 O2N Pikrinsäure
 
 Triethylamin
 
 22.6.2
 
 Ethanol
 
 O2N _ IO _
 
 NO2
 
 O2N Triethylammonium-pikrat
 
 Reaktion mit salpetriger Säure
 
 Primäre aliphatische und aromatische Amine reagieren mit Natriumnitrit in saurer Lösung zu Diazonium-Salzen (Diazotierung); als Elektrophil agiert das durch Protonierung der salpetrigen Säure oder aus Distickstofftrioxid gebildete Nitrosonium-Kation (Nitrosyl-Kation +NO): primäres Amin (Nucleophil)
 
 R
 
 NH 2
 
 Nitrosonium-Kation (Elektrophil)
 
 +
 
 H R
 
 N O
 
 N
 
 H
 
 O
 
 O O
 
 N
 
 +
 
 + [H ]
 
 H
 
 O
 
 salpetrige Säure
 
 N
 
 N
 
 R
 
 −
 
 − H 2O
 
 O
 
 O
 
 H H
 
 − NO2
 
 OH2
 
 + [H +]
 
 N
 
 R
 
 H − H 2O
 
 OH N
 
 N
 
 O
 
 N O
 
 N
 
 N
 
 N
 
 R = Alkyl oder Aryl
 
 N
 
 R N N
 
 R
 
 mesomere Grenzformeln eines Alkyl- oder Aryldiazonium-Ions
 
 Distickstofftrioxid
 
 Aryldiazonium-Salze Ar−N2+ X− sind isolierbare, vielseitig anwendbare Reagenzien der organischen Synthese (Kap. 23.5- 23.8). Dagegen zersetzen sich die Alkyldiazonium-Salze R−N2+ X− spontan nach ihrer Bildung unter Entwicklung von Stickstoff über intermediäre Carbenium-Ionen in ein Gemisch aus Alkoholen und Alkenen: R NH2
 
 R N N
 
 X
 
 +
 
 H 2O
 
 N2
 
 +
 
 HX
 
 +
 
 R OH
 
 ( + Alkene )
 
 Alkyldiazonium-Salz (instabil)
 
 Diese VAN SLYKE-Reaktion wird zur quantitativen Bestimmung primärer aliphatisch verknüpfter Amino-Gruppen durch gasvolumetrische Messung des entwickelten Stickstoffs genutzt.
 
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 386
 
 22 Amine
 
 Die N-Nitrosierung sekundärer aliphatischer und aromatischer Amine mit salpetriger Säure gibt gelbe, ölige, krebserregende N-Nitrosamine, z. B.: H3C N H
 
 +
 
 H3C
 
 NaNO2 , HCl
 
 HNO2
 
 O N N
 
 +
 
 H2O
 
 N N + O N-Nitroso-N-methylanilin
 
 H2O
 
 H3C
 
 H3C
 
 N-Nitrosodimethylamin
 
 N H
 
 +
 
 NaNO2 , HCl
 
 HNO2
 
 H 3C
 
 H3C
 
 Tertiäre aliphatische Amine reagieren mit salpetriger Säure unter Oxidation zu einem Gemisch aus N-Nitrosodialkylaminen, Aldehyden und Ketonen. Tertiäre aromatische Amine werden dagegen am Benzen-Ring elektrophil nitrosiert. Die Nitrosierung des N,N-Dimethylanilins ergibt z. B. pNitroso-N,N-dimethylanilin, eine grüne, kristalline Verbindung. Als Elektrophil fungiert wieder das aus salpetriger Säure entstehende Nitrosonium-Kation. H 3C +
 
 N
 
 N O
 
 − [H+]
 
 H 3C
 
 22.6.3
 
 H3C
 
 NaNO2 , H2SO4
 
 O N
 
 N
 
 H3C p-Nitroso-N,N-dimethylanilin
 
 N -Oxidation
 
 Wasserstoffperoxid und Peroxycarbonsäuren können in situ bei Gegenwart geeigneter Reaktionspartner elektrophilen (atomaren) Sauerstoff mit Elektronensextett abspalten: H O O
 
 O
 
 _ [ OI _ ]
 
 R C
 
 H
 
 H O O
 
 An die Elektronenlücke dieses Sauerstoff-Atoms kann ein Amino-N-Atom nucleophil addieren; dabei entsteht ein Amin-N-oxid: NI
 
 +
 
 _ [ OI _ ]
 
 _
 
 N OI _ Amin-N-oxid
 
 So reagieren einige tertiäre Amine wie Pyridin mit Peroxiden oder Peroxycarbonsäuren zu stabilen Amin-N-oxiden. NI
 
 +
 
 H 2O2
 
 N
 
 _
 
 OI _
 
 +
 
 H2O
 
 Pyridin-N-oxid
 
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 22.6 Reaktionen
 
 387
 
 Oft zersetzen sich die N-Oxide tertiärer Amine beim Erhitzen. Die N-Oxidation sekundärer Amine ergibt unter Tautomerisierung der zunächst entstehenden N-Oxide N,N-Dialkylhydroxylamine: R R
 
 NI
 
 +
 
 H
 
 O R C H O O
 
 R R
 
 − R−CO2H
 
 R R
 
 _
 
 N OI _
 
 N OH
 
 H
 
 sekundäres Amin
 
 Amin- N-oxid
 
 N,N-Dialkylhydroxylamin
 
 Entsprechend bilden sich auch bei der Reaktion von primären Aminen mit Persäuren zunächst NAlkylhydroxylamine, die jedoch meist zu den Nitroalkanen weiteroxidiert werden. R H
 
 NI
 
 +
 
 H
 
 O H R C O O
 
 R
 
 − R−CO2H
 
 + 2 R−CO3H
 
 N OH
 
 − 2 R−CO2H , − H2O
 
 H
 
 primäres Amin
 
 N-Alkylhydroxylamin
 
 R NO2 Nitroalkan
 
 Die N-Oxidation primärer Amine ist keine allgemeine Methode zur Darstellung von NitroVerbindungen. Nitroalkane werden besser durch radikalische, Nitroaromaten besser durch elektrophile Nitrierung dargestellt.
 
 22.6.4
 
 N-Halogenierung
 
 Primäre und sekundäre aliphatische Amine werden bei der Reaktion mit Natriumhypochlorit oder t-Butylhypobromit in alkalischer Lösung N-halogeniert: R NH 2
 
 +
 
 2 Cl2
 
 NaOH , Cl2 − 2 HCl
 
 Cl R N Cl
 
 N,N-Dichloralkylamin R N H
 
 +
 
 Cl2
 
 R
 
 NaOH , Cl2 − HCl
 
 R N Cl R N-Chlordialkylamin
 
 N-Fluoramine werden als Raketentreibstoffe verwendet. N-Halogenamine explodieren beim Erhitzen; ihre Hydrolyse in wäßriger Säure führt zu Alkylammonium-Salz und Halogen: Cl +
 
 R N
 
 3 HCl
 
 H2O
 
 R NH3 Cl
 
 +
 
 2 Cl2
 
 Cl
 
 N,N-Dichloralkylamin
 
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 388
 
 22.6.5
 
 22 Amine
 
 N-Acylierung
 
 Primäre und sekundäre Amine reagieren in Gegenwart einer Base (z. B. einem tertiären Amin) mit Carbonsäurehalogeniden zu N-Alkyl- bzw. N,N-Dialkylcarbonsäureamiden. N,N-Dimethylformamid (DMF, R´= H, R = CH3) und N,N-Dimethylacetamid (DMA, R = R´= CH3) als Beispiele sind vielseitig anwendbare Lösemittel. O R NH 2
 
 Base
 
 C R'
 
 + X
 
 R
 
 O N H
 
 +
 
 C R'
 
 R
 
 X
 
 − HX
 
 Base
 
 − HX
 
 R
 
 O N C
 
 H R' N-Alkylcarboxamid R
 
 O N C
 
 R R' N,N-Dialkylcarboxamid
 
 Analog verläuft die Reaktion mit Sulfonsäurehalogeniden, z. B. Benzensulfochlorid unter Bildung von N-Alkyl- bzw. N,N-Dialkylsulfonamiden: O R NH 2
 
 +
 
 Cl
 
 Base
 
 S
 
 − HCl
 
 O O
 
 R N H R
 
 +
 
 Cl
 
 Base
 
 S
 
 − HCl
 
 O
 
 R
 
 O N S
 
 H O N-Alkylbenzensulfonamid R
 
 O N S
 
 R O N,N-Dialkylbenzensulfonamid
 
 Tertiäre Amine wie Triethylamin und Diisopropylethylamin (DIPEA) werden nicht acyliert, aber sie beschleunigen Acylierungen, indem sie Chlorwasserstoff im Trialkylammonium-Salz binden. Aufgrund der benachbarten elektronenziehenden Carbonyl- oder Sulfonyl-Gruppe sind die NHGruppen der N-Alkylamide nicht basisch, sondern sauer. Die nach Deprotonierung hinterbleibenden Amid-Anionen sind mesomeriestabilisiert: R
 
 O N C H R' R
 
 O N S
 
 H
 
 O
 
 + OH
 
 −
 
 − H2O
 
 + OH
 
 −
 
 − H2O
 
 R_ O _ C N R' R_ O N _ S O
 
 _
 
 R
 
 O _I _ C N R'
 
 R
 
 O N _ S IOI _
 
 N-Alkylcarbonsäure und -sulfonamide lösen sich daher in wäßrigem Alkalihydroxid unter Salzbildung im Gegensatz zu den N,N-Dialkylamiden, welche kein acides NH bieten. Auf diesem Unterschied beruht die HINSBERG-Trennung primärer, sekundärer und tertiärer Amine: Primäre und sekundäre Amine reagieren mit Benzensulfonylchlorid zu N-Alkylbenzensulfonamiden bzw. N,N-
 
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 22.6 Reaktionen
 
 389
 
 Dialkylbenzensulfonamiden, von denen sich nur die N-Alkylamide in wäßrigem Alkalihydroxid lösen; tertiäre Amine geben keine Benzensulfonamide. Einige Sulfonamide aus 4-(Acetylamino)-benzensulfochlorid wirken als Chemotherapeutika gegen bakterielle Infektionen: O H3C C N H
 
 22.6.6
 
 O
 
 NH2 R
 
 R=
 
 S N O
 
 S
 
 C
 
 R= N
 
 NH Guanidyl-Rest : Sulfaguanidin
 
 H
 
 Thiazolyl-Rest : Sulfathiazol
 
 N -Alkylierung
 
 Halogenalkane alkylieren Amine sukzessive bis zum Tetraalkylammonium-Salz: R NH2
 
 + R −X
 
 + R −X
 
 R2NH
 
 − HX
 
 primäres
 
 + R −X
 
 R3N
 
 − HX
 
 sekundäres
 
 R 4N
 
 X
 
 Tetraalkylammonium-Salz
 
 tertiäres Amin
 
 Die N-Alkylierung verläuft unter nucleophiler Substitution des Halogenids durch das Amin. Ist das Halogenalkan primär, so folgt der Mechanismus dem SN2-Typ: H NI
 
 +
 
 H
 
 H C
 
 X
 
 H
 
 SN2
 
 H H δ+
 
 N
 
 R
 
 H
 
 H X
 
 δ−
 
 C
 
 X
 
 N
 
 C
 
 − HX
 
 H
 
 _
 
 N
 
 H
 
 R
 
 R
 
 R
 
 H C
 
 Die letzte Stufe der N-Alkylierung von Aminen führt zum Tetraalkylammonium-Salz. Man bezeichnet diesen Schritt als Quaternisierung oder erschöpfende Alkylierung. Die erschöpfende Methylierung wird durch Reaktion mit überschüssigem Methyliodid erzielt, z. B.: H3C H 3C CH 2 NI
 
 +
 
 CH3
 
 H 3C H 3C CH 2 N
 
 I
 
 H 3C CH 2
 
 CH 3
 
 I
 
 H 3C CH 2
 
 Diethylmethylamin
 
 Diethyldimethylammonium-iodid
 
 Base
 
 N
 
 +
 
 2 CH 3
 
 I
 
 H
 
 N
 
 − HI
 
 Pyrrolidin
 
 +
 
 CH 3
 
 N
 
 I
 
 H3C
 
 CH3
 
 N-Methylpyrrolidin
 
 I
 
 CH3
 
 N,N-Dimethylpyrrolidinium-iodid
 
 Die N-Methylierung von Aminen gelingt auch mit Diazomethan in Gegenwart von Bortrifluorid: ICH2
 
 N NI
 
 +
 
 R 2N H
 
 BF3
 
 R2N CH3
 
 +
 
 N2
 
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 390
 
 22 Amine
 
 Im Gegensatz zu den unvollständig alkylierten Ammonium-Salzen, aus welchen sich die Amine durch Alkalihydroxid in Freiheit setzen lassen, R3NH X
 
 +
 
 OH
 
 NaOH
 
 R3N
 
 +
 
 H 2O
 
 +
 
 X
 
 werden die Tetraalkylammonium-Ionen von Alkalihydroxiden in der Kälte nicht angegriffen. Mit einer Suspension von Silberoxid in Wasser entsteht jedoch das Tetraalkylammonium-hydroxid, das in wäßriger Lösung verbleibt, während Silberhalogenid (AgX) ausfällt: R4N X
 
 +
 
 AgOH in H2O
 
 OH
 
 R 4N OH
 
 oder Anionen-Austauscher
 
 +
 
 X
 
 Tetraalkylammoniumhydroxid
 
 Der Ionenaustausch von Halogenid gegen Hydroxid läßt sich auch mit Hilfe eines AnionenAustauschers durchführen. Tetraalkylammonium-hydroxide sind bei Raumtemperatur stabil und aufgrund ihres OH−-Ions den Alkalihydroxiden an Basizität ebenbürtig.
 
 22.6.7
 
 HOFMANN-Eliminierung von Tetraalkylammonium-hydroxiden
 
 Die durch erschöpfende Methylierung von Aminen zugänglichen Tetraalkylammonium-hydroxide spalten beim Erhitzen in Wasser in ein tertiäres Amin und ein Alken, z. B.: CH3 CH 2 CH2 N CH3 OH
 
 Hitze
 
 C CH 2
 
 +
 
 N(CH3)3
 
 +
 
 H 2O
 
 H
 
 CH3 (2-Cyclobutylethyl)trimethylammoniumhydroxid
 
 Ethenylcyclobutan (Vinylcyclobutan)
 
 Diese als HOFMANN-Eliminierung bekannte Reaktion verläuft meist als (in Bezug auf OH− und R4N+) bimolekulare β-Eliminierung (E2-Reaktion) eines zum Stickstoff β-ständigen Protons durch das Hydroxid-Anion: _ H OI _
 
 +
 
 β
 
 C
 
 NR3 C
 
 α
 
 Hitze
 
 β
 
 C
 
 α
 
 C
 
 +
 
 H2O
 
 +
 
 INR 3
 
 H
 
 Das Hydroxid-Ion greift umso leichter am β-Proton an, je geringer die sterische Behinderung am β-C-Atom ist. Die Eliminierungstendenz nimmt also mit abnehmender Alkylierung am β-C-Atom zu (−CHR2 60 °C − N2
 
 H 3C
 
 H 3C
 
 C C NI
 
 C C NI H 3C
 
 H 3C
 
 Azobisisobutyronitril ist daher bereits bei tiefen Temperaturen ein Radikalgenerator und eignet sich u. a. zum Starten der radikalischen Polymerisation von Vinyl-Verbindungen R−CH=CH2.
 
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 23.4 Azoalkan-Derivate
 
 401
 
 Azodicarbonsäurediester, z. B. Diethylazodicarboxylat (DEAD) und Triphenylphosphan sind die Reagenzien der MITSUNOBU-Reaktion zur Veresterung und Veretherung (Kap. 19.4.2). Dabei addiert Triphenylphosphan nucleophil an die Azo-Gruppe. Das zwitterionische Phosphoniumhydrazid wird durch die Carbonsäure R1−CO2H protoniert. Nach nucleophiler Substitution des Diethoxycarbonylhydrazins am P-Atom durch den Alkohol R2−OH bildet sich das Alkoxyphosphonium-Carboxylat, das seinerseits durch SN2-Reaktion des Carboxylat-Anions am AlkoxyC-Atom in Triphenylphosphanoxid und Carbonsäureester zerfällt. H5C 2O2C N N CO2C 2H5
 
 Diethylazodicarboxylat (DEAD)
 
 + P(C6H5) 3
 
 _ _ CO2C 2H5 Phosphonium-Hydrazid H5C 2O2C N N (H5C 6)3P + R1 CO2H + R2 OH
 
 H5C 2O2C N NH CO2C2H 5 (H5C 6)3P
 
 R1 CO2
 
 −
 
 HN CO2C2H5 HN CO2C2H5
 
 (H 5C6)3P OR 2 +
 
 − (H5C6) 3P O
 
 R 1 CO2
 
 Alkoxyphosphonium-Carboxylat
 
 R 1 CO2R 2 Carbonsäureester
 
 Der SN2-Mechanismus im letzten Schritt hat bei enantiomeren Alkoholen eine WALDEN-Inversion der absoluten Konfiguration zur Folge, so daß sich die MITSUNOBU-Reaktion auch zur Umwandlung enantiomerer sekundärer Alkohole ineinander eignet, denn die Esterverseifung ändert nichts an der absoluten Konfiguration. (H 5C6)3P O H + CH 3 CO2 C H5C 6 CH3
 
 − (H5C6) 3P
 
 CH 3 H O C O C H5C 6 CH3
 
 O
 
 (S)-1-Phenylethoxyphosphonium-Acetat
 
 + H2O (NaOH) − CH3−CO2H
 
 (R)-1-Phenylethylacetat
 
 H OH C H 5C6 CH3
 
 (R)-1-Phenylethanol
 
 Intramolekulare Varianten der MITSUNOBU-Reaktion sind die Synthese makrocyclischer Lactone aus den entsprechenden Hydroxycarbonsäuren sowie makrocylischer Ether aus den entsprechenden Diolen:
 
 O O Undecalacton
 
 DEAD, P(C6H5) 3
 
 CO2H OH
 
 11-Hydroxyundecansäure
 
 OH
 
 DEAD, P(C6H5) 3
 
 O
 
 OH Hexan-1,6-diol
 
 Oxepan
 
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 402
 
 23 Organostickstoff-Verbindungen
 
 23.5 Aryldiazonium-Salze Aren- oder Aryldiazonium-Salze entstehen durch Reaktion primärer aromatischer Amine mit salpetriger Säure (Nitrit in mineralsaurer Lösung); diese Reaktion ist als Diazotierung bekannt. Ar
 
 NH 2
 
 +
 
 HX
 
 Ar
 
 + HNO2 (NaNO2 , HX)
 
 NH3 X
 
 − 2 H2O
 
 Ar N2 X Aryldiazonium-Salz
 
 Während die Alkyldiazonium-Salze auch bei tiefen Temperaturen quantitativ Stickstoff abspalten (VAN-SLYKE-Reaktion, Kap. 22.6.2), sind Aryldiazonium-Salze verhältnismäßig stabil. Sie lassen sich in manchen Fällen kristallisieren, z. B. als Tetrafluorborate: N 2 BF 4
 
 Phenyldiazonium-tetrafluorborat
 
 Ihre Stabilität verdanken die Aryldiazonium-Salze der Mesomerie des Aryldiazonium-Ions: NI N _
 
 N NI _
 
 N NI
 
 N NI _
 
 N NI _
 
 mesomere Grenzformeln des Phenyldiazonium-Ions
 
 Viele Aryldiazonium-Salze, insbesondere Nitrate und Perchlorate, zerfallen in trockenem Zustand unter Explosion. Bei Synthesen werden daher meist die nach der Diazotierung entstandenen frischen Lösungen der Diazonium-Salze verwendet. Aryldiazonium-Salze können unter Abspaltung von Stickstoff je nach den Reaktionsbedingungen sowohl Aryl-Radikale als auch Aryl-Kationen bilden. Die Folgereaktionen dieser Zwischenstufen ermöglichen zahlreiche Synthesen. Das Diazonium-Ion selbst ist ein Elektrophil und eignet sich insofern zur Einführung der Arylazo-Gruppe Ar−N=N− (Azo-Kupplung, Kap. 23.8).
 
 23.6 Radikalische Spaltung von Aryldiazonium-Ionen 23.6.1
 
 Darstellung von Halogenaromaten aus Aryldiazonium-Salzen (SANDMEYER-Reaktion)
 
 Aryldiazonium-halogenide reagieren in Gegenwart von Kupfer(I)-halogenid unter Abspaltung von Stickstoff zu Arylhalogeniden. Diese SANDMEYER-Reaktion bewährt sich zur Darstellung von Chlor- und Bromaromaten (Kap. 10.11.2): Ar
 
 N2 X
 
 Cu X
 
 Ar
 
 X
 
 +
 
 N2
 
 X = Cl , Br
 
 Anstelle von Kupfer(I)-halogenid kann auch Kupferpulver verwendet werden (GATTERMANNVariante). Im ersten Schritt der SANDMEYER-Reaktion reduziert Kupfer(I) das Aryldiazonium-Ion zu Stickstoff und Aryl-Radikalen. Bei seiner anschließenden Reaktion mit dem Halogenid-Anion
 
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 23.6 Radikalische Spaltung von Aryldiazonium-Ionen
 
 403
 
 überträgt das Aryl-Radikal ein Elektron auf das im ersten Schritt entstandene Kupfer(II). Dabei entsteht ein Halogenaromat unter Regeneration von Kupfer(I). Ar
 
 N2 X
 
 +
 
 +
 
 X
 
 +
 
 Cu2
 
 X
 
 +
 
 e0
 
 +
 
 Cu 2
 
 Ar
 
 X
 
 +
 
 Cu
 
 Ar
 
 Cu
 
 Ar
 
 Die SANDMEYER-Reaktion eignet sich gut zur Bromierung und Chlorierung, nicht jedoch zur Fluorierung und Iodierung von Aromaten. Pseudohalogenide wie Cyanide (CN−), Thiocyanate (SCN−) und Nitrite reagieren mit Aryldiazonium-Salzen in Analogie zur SANDMEYER-Reaktion unter Bildung von Cyano-, Thiocyanato- und Nitroaromaten. Eine präparative Anwendung ist die Darstellung des 2-Thiocyanatobenzaldehyds aus o-Nitrobenzaldehyd in drei Stufen: NO2 C
 
 Reduktion Fe2+ , NH3
 
 NH 2
 
 O
 
 C
 
 N2 Cl
 
 O
 
 C
 
 H
 
 H
 
 23.6.2
 
 1.) HCl 2.) NaNO2
 
 SCN
 
 + Cu SCN
 
 O
 
 − Cu Cl , − N2
 
 H
 
 C
 
 O
 
 H 2-Thiocyanatobenzaldehyd
 
 Mercurierung über Aryldiazonium-Salze (NESMEJANOW-Reaktion)
 
 Phenyldiazonium-Chlorid reagiert mit Quecksilber(II)-chlorid zunächst zum Trichlormercurat(II), welches bei Gegenwart von metallischem Kupfer in Phenylquecksilberchlorid übergeht: N 2 Cl
 
 +
 
 HgCl2
 
 + 2 Cu
 
 N 2 [ HgCl3 ]
 
 Hg Cl
 
 − 2 Cu Cl
 
 Phenyldiazonium-trichlormercurat
 
 +
 
 N2
 
 Phenylquecksilberchlorid
 
 Auch diese NESMEJANOW-Reaktion verläuft wahrscheinlich über Aryl-Radikale, welche durch reduktive Spaltung der Aryldiazonium-Ionen entstehen.
 
 23.6.3
 
 Arylierung von Aromaten durch Aryldiazonium-Salze (GOMBERG-BACHMANN-Reaktion)
 
 Setzt man der durch Diazotierung entstandenen, zunächst sauren Lösung eines AryldiazoniumSalzes ein Aren zu und stellt den Ansatz dann alkalisch, so bildet sich ein Biaryl: −
 
 Ar
 
 N2 X
 
 X = Cl , Br
 
 +
 
 H Ar´
 
 (OH ) − HX
 
 Ar Ar´ Biaryl
 
 +
 
 N2
 
 Biphenyl (Ar = −C6H5 ) erhält man z. B. durch Reaktion von Phenyldiazoniumchlorid mit Benzen in Gegenwart von Alkalihydroxiden. Diese GOMBERG-BACHMANN-Reaktion ist eine allgemeine Methode zur direkten Verknüpfung aromatischer Ringe; sie läßt sich auch intramolekular durch-
 
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 404
 
 23 Organostickstoff-Verbindungen
 
 führen, so daß sich ein Ring schließt (PSCHORR-Variante der GOMBERG-BACHMANN-Reaktion). Aus 2-Aminodiphenylmethan entsteht z. B. über das Diazonium-Salz Fluoren: Cl N2
 
 1.) HCl 2.) NaNO2
 
 NH 2
 
 −
 
 (OH ) − HCl , − N2
 
 Fluoren
 
 2-Aminodiphenylmethan
 
 Die GOMBERG-BACHMANN-Reaktion verläuft über Aryl-Radikale (Ar .) welche unter den Reaktionsbedingungen (alkalische Lösung) wahrscheinlich durch Spaltung der Diazoanhydride entstehen. Letztere bilden sich in alkalischer Lösung über die Diazonium- bzw. die Diazohydroxide: + 2 OH
 
 2 Ar
 
 N2 X
 
 − HX
 
 −
 
 N OH 2 Ar
 
 N2 OH
 
 2 Ar
 
 Diazonium-hydroxid
 
 N
 
 Diazohydroxid N O N
 
 O N N N Ar Diazoanhydrid
 
 Ar
 
 Ar
 
 +
 
 Aryl-Radikal
 
 Ar
 
 N
 
 Azoxy-Radikal
 
 Die Aryl-Radikale reagieren mit einem Aromaten zu einem mesomeriestabilisierten BiarylRadikal, welches mit dem Azoxy-Radikal Ar−N=N−O. unter Regeneration des Diazohydroxids das Biaryl bildet: H Ar
 
 Ar
 
 +
 
 H
 
 H
 
 Ar
 
 Ar
 
 N O
 
 H + Ar
 
 N
 
 − Ar
 
 N
 
 Ar
 
 N OH
 
 Biaryl
 
 23.7 Ionische Spaltung von Aryldiazonium-Ionen Die ionische Spaltung von Aryldiazonium-Salzen führt zu Stickstoff und Aryl-Kationen, welche der nucleophilen Substitution durch einen Elektronendonator (Anion, Base) zugänglich sind: Ar
 
 N2
 
 − N2
 
 −
 
 + IB oder IB
 
 [ Ar ]
 
 Ar
 
 B oder Ar
 
 B
 
 Dieses allgemeine Reaktionsschema liegt den folgenden Reaktionen zugrunde.
 
 23.7.1
 
 Bildung von Phenolen über Aryldiazonium-Salze
 
 Beim Erwärmen ("Verkochen") wäßriger Lösungen von Aryldiazonium-Salzen bilden sich Phenole, Ar−OH. Die Reaktion läßt sich als nucleophile Substitution durch Wasser formulieren: Ar
 
 N2
 
 + H2O , − N2
 
 +
 
 − [H ]
 
 [ Ar ]
 
 +
 
 OH2
 
 Ar
 
 OH 2
 
 Ar OH Phenol
 
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 23.7 Ionische Spaltung von Aryldiazonium-Ionen
 
 405
 
 So wird 3-Chlorphenol aus dem durch Reduktion des 3-Chlornitrophenols zugänglichen 3-Chloranilin über dessen Diazonium-Salz dargestellt: 1.) HCl 2.) NaNO2
 
 NH2
 
 OH
 
 − HCl , − N2
 
 Cl 3-Chlorphenyldiazonium-chlorid
 
 Cl 3-Chloranilin
 
 23.7.2
 
 + H2O , 80 °C
 
 N 2 Cl
 
 Cl 3-Chlorphenol
 
 Bildung von Fluorarenen aus Aryldiazonium-tetrafluorboraten (BALZ-SCHIEMANN-Reaktion)
 
 Erhitzt man Aryldiazonium-tetrafluorborate, so bilden sich Fluoraromaten, wobei ein Fluorid als Nucleophil reagiert: Ar
 
 N2 [BF 4]
 
 Hitze , − N2
 
 [Ar ]
 
 +
 
 F BF 3
 
 Ar
 
 F
 
 +
 
 BF 3
 
 Die Reaktion eignet sich gut zur Darstellung substituierter Fluorbenzene (Kap. 10.11.2), z. B.: Hitze
 
 N 2 [BF 4] Cl 3-Chlorphenyldiazonium-tetrafluorborat
 
 23.7.3
 
 F
 
 +
 
 N2
 
 +
 
 BF 3
 
 Cl 3-Fluorchlorbenzen
 
 Bildung von Arylaziden über Aryldiazonium-Salze
 
 Als Nucleophil kann auch das Azid-Anion die Diazonium-Gruppe von Aryldiazonium-Ionen verdrängen. Dabei entstehen die explosiven Arylazide, welche ihre begrenzte Stabilität einer Mesomerie verdanken: Ar
 
 N2 X
 
 +
 
 − N2 , − Na X
 
 Na N3
 
 Ar _ N _ N NI
 
 Ar N _ N NI _
 
 Ar _ _ N _ N
 
 mesomere Grenzformeln der Arylazide
 
 23.7.4
 
 NI
 
 Reduktion von Aryldiazonium-Salzen
 
 Mit Alkoholen, hypophosphoriger Säure oder komplexen Metallhydriden (Na+[BH4]−) werden Aryldiazonium-Salze Ar−N2+X− zu den entsprechenden Kohlenwasserstoffen Ar−H reduziert. Dabei wirkt das Hydrid-Anion wahrscheinlich als Nucleophil: Ar N 2
 
 +
 
 IH
 
 NaBH4
 
 Ar
 
 H
 
 +
 
 N2
 
 Diese reduktive Spaltung der Aryldiazonium-Salze erlaubt die Entfernung einer Amino-Gruppe aus einem aromatischen Ring. Durch mildere Reduktionsmittel wie Natriumhydrogensulfit oder
 
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 406
 
 23 Organostickstoff-Verbindungen
 
 Zinn(II)-chlorid in saurer Lösung wird die Diazonium-Gruppe −N2+ nicht vom Ring abgespalten, sondern zur Hydrazino-Gruppe −NH−NH2 reduziert. Auf diese Weise gelingt die Darstellung von Arylhydrazinen: NI Ar
 
 N _
 
 Ar
 
 N NI
 
 +
 
 4 [H ]
 
 +
 
 4 e0
 
 Ar
 
 NH NH3 Cl
 
 Arylhydrazin-hydrochlorid
 
 23.8 Azo-Aromaten, Azo-Kupplung 23.8.1
 
 Struktur der Azo-Arene
 
 In Azo-Arenen (Azo-Aromaten, aromatische Azo-Verbindungen) sind zwei Aryl-Gruppen mit der Azo-Gruppe −N=N− verknüpft. Die allgemeine Formel für diese Verbindung ist also Ar−N=N−Ar. Der einfachste Vertreter ist das orange Azobenzen, welches als trans-Isomer isoliert wird und durch Ultraviolett-Bestrahlung in das cis-Isomer mit höherem Schmelzpunkt und Dipolmoment µ, sowie kürzerwelligem Lichtabsorptionsmaximum λmax übergeht (Photoisomerisierung):
 
 trans- Azobenzen µ = 0 Debye ; Schmp. 68 °C λmax = 315 nm
 
 hν
 
 N N
 
 cis - Azobenzen µ = 3.0 Debye ; Schmp. 71.5 °C λmax = 255 nm
 
 N N
 
 Substituierte Derivate des Azobenzens sind als Azo-Farbstoffe bekannt; sie zählen zu den bedeutendsten Farbstoffklassen. Die wichtigste Methode zu ihrer Herstellung ist die Azo-Kupplung.
 
 23.8.2
 
 Darstellung von Azo-Arenen durch Azo-Kupplung
 
 Als Kation ist das Aryldiazonium-Ion elektrophil. Es kann daher mit nucleophilen Aromaten unter Bildung der farbigen Azo-Arene reagieren (kuppeln). Diesen Spezialfall der elektrophilen Substitution nennt man Azo-Kupplung. Ar
 
 Ar Ar N NI
 
 N _ NI
 
 Aryldiazonium-Salz
 
 +
 
 H
 
 _ D
 
 nucleophiler Aromat
 
 Ar
 
 N N D H
 
 +
 
 − [H ]
 
 N N
 
 _ D
 
 Arylazo-Verbindung
 
 Donor-Substituenten D mit (+)-M-Effekt wie −OR und −NR2 (R = H oder Alkyl) drücken ihre nichtbindenden Elektronenpaare in die o-, o´- und p-Stellung und aktivieren dort den Benzen-Ring zum Nucleophil. Daher beobachtet man Azo-Kupplungen meist mit Phenolen, Phenolethern und aromatischen Aminen. Dabei kuppelt das Diazonium-Kation aus sterischen Gründen bevorzugt in p-Stellung zum Substituenten X. Die Azo-Kupplung verläuft in schwach sauren, neutralen oder sehr schwach alkalischen Lösungen. In stark alkalischer wäßriger Lösung reagieren die Aryldiazonium-Salze über Diazonium-
 
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 23.8 Azo-Aromaten, Azo-Kupplung
 
 407
 
 Hydroxide und Diazohydroxide (Kap. 23.6.3) zu den Diazotaten, welche in der Wärme zu den stabileren iso-Diazotaten isomerisieren: Ar
 
 Wärme
 
 Ar
 
 N N
 
 − H2O
 
 OH Diazohydroxid
 
 O Na
 
 Ar
 
 + NaOH
 
 N N
 
 N N O Na iso-Diazotat
 
 Diazotat
 
 Die cis-trans-isomeren Diazotate sind nicht mehr elektrophil. Daher erfolgt in stärker alkalischen Lösungen keine Azo-Kupplung. Auch in stärker sauren Lösungen unterbleibt meist die AzoKupplung, da unter diesen Bedingungen die (+)-M-Effekte der Substituenten −X infolge Protonierung abgeschwächt werden. Amine bilden z. B. Ammonium-Salze, Phenole und Phenolether Oxonium-Ionen mit starken (−)-I-Effekten: +
 
 _ NR 2
 
 + [H ]
 
 Ar
 
 + [H ]
 
 Ar
 
 _ _ OR
 
 Ar
 
 NHR 2
 
 Arylammonium-Ion
 
 Ar
 
 OHR
 
 Aryloxonium-Ion
 
 +
 
 ̈ Kupplung mit primären und sekundären aromatischen Aminen Die Kupplung von Diazonium-Ionen an primäre und sekundäre aromatische Amine führt oft nicht direkt zu den Azo-Verbindungen, sondern zu den Diazoamino-Verbindungen oder Diaryltriazenen: Ar´ N N Ar
 
 Diaryltriazen
 
 R
 
 N
 
 Phenyldiazoniumchlorid reagiert z. B. mit Anilin in der Kälte zunächst unter nucleophiler Addition des Amino-N-Atoms an der Diazonium-Gruppe zum isolierbaren farblosen Diazoaminobenzen: _ N N _
 
 N NI
 
 Cl
 
 _ + H 2N
 
 H − HCl
 
 N N N
 
 H
 
 N
 
 Cl
 
 N N H
 
 Diphenyltriazen (Diazoaminobenzen)
 
 Diaryltriazene (Diazoamino-Arene) bilden zwei Tautomere, die sich nachweisen und isolieren lassen, sofern verschieden substituierte Benzen-Ringe an das Triazen-System gebunden sind, z. B.:
 
 N N H3C
 
 N
 
 N N H
 
 H3C
 
 N H
 
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 408
 
 23 Organostickstoff-Verbindungen
 
 Beim Erwärmen in schwach saurer Lösung isomerisieren die Triazene in die AminoazoVerbindungen. Aus Diazoaminobenzen entsteht dann z. B. das gelbe 4-Aminoazobenzen. Diese Umlagerung schließt die Azo-Kupplung ein: H
 
 _ N
 
 N N N
 
 H
 
 Cl
 
 _ NH2
 
 +
 
 N _
 
 − [H+]
 
 N
 
 N N
 
 N
 
 NH2
 
 H
 
 NH 2
 
 4-Aminoazobenzen
 
 ̈ Kupplung mit tertiären aromatischen Aminen Bei tertiären aromatischen Aminen ist der nucleophile Angriff des Amino-N-Atoms an der Diazonium-Gruppe durch die N-Alkyl-Gruppen sterisch behindert. Infolgedessen führt die Kupplung direkt zu den Azo-Verbindungen. Ein Beispiel ist die Synthese der 4-(N,N-Dimethylamino)azobenzen-4´-sulfonsäure aus diazotierter Sulfanilsäure und N,N-Dimethylanilin.
 
 O3S + HNO2
 
 NH 3
 
 O3S
 
 O3S
 
 − 2 H 2O
 
 N N O3S
 
 +
 
 N2
 
 diazotierte Sulfanilsäure (Zwitterion)
 
 N N
 
 _ N(CH 3)2
 
 N(CH 3)2
 
 H
 
 NH(CH 3)2 4-(N,N-Dimethylamino)azobenzen-4'-sulfonsäure (Zwitterion)
 
 N,N-Dimethylanilin
 
 Das Natrium-Salz dieser Azo-Verbindung ist als Indikatorfarbstoff "Methylorange" bekannt. Die bei pH > 4.4 gelbe Lösung dieses Salzes schlägt bei Säurezusatz nach rot um. Der Farbumschlag beruht auf der reversiblen Bildung eines mesomeriestabilisierten Zwitterions (Betain). O3S
 
 O3S
 
 O3S
 
 + [H+]
 
 N N
 
 N N − [H+]
 
 IN(CH3)2
 
 N N
 
 H
 
 H
 
 gelbes Anion pH > 4.4
 
 N(CH 3)2
 
 IN(CH3)2 benzoide Grenzformel
 
 p-chinoide Grenzformel
 
 rotes Zwitterion pH < 3.1
 
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 23.8 Azo-Aromaten, Azo-Kupplung
 
 409
 
 Kupplung mit Phenolen Die Kupplung von Phenolen (Ar−OH) oder Phenolethern (Ar−OR) führt ebenfalls direkt zu AzoVerbindungen. Sie gelingt mit Phenolen besonders leicht in schwach alkalischer Lösung, da dann Phenolate Ar−O− vorliegen. In diesen ist das −O−-Anion ein im Hinblick auf die elektrophile Substitution wirksamerer Elektronendonor als die OH-Gruppe, wie es die mesomeren Grenzformeln beschreiben; während für Phenol die Grenzformeln zwitterionisch sind, sind jene des Phenolats nucleophile Anionen (Kap. 21.5.1). Ein Beispiel einer Azo-Kupplung mit Phenolen ist die Reaktion von diazotierter Sulfanilsäure mit β-Naphthol zu dem Azofarbstoff "β-Naphthylorange" in alkalischer Lösung. ̈
 
 Na
 
 O3S
 
 +
 
 N _ N _ Na
 
 NaOH
 
 N N
 
 _ IO _
 
 diazotierte Sulfanilsäure
 
 Na
 
 O3S
 
 O3S
 
 H H
 
 IO _
 
 N N O
 
 1-Phenylazo-2-naphthol4'-natriumsulfonat (β-Naphthylorange)
 
 Natrium-βnaphtholat
 
 ̈ Kupplung mit CH-aciden Verbindungen Aryldiazonium-Salze als Elektrophile reagieren mit Carbanionen CH-acider Carbonyl-Verbindungen. Mit Malonsäurediethylester entsteht Phenylazomalonsäurediethylester, der zum Phenylhydrazon des Mesoxalsäurediethylesters tautomerisiert: H
 
 Ph
 
 Ph N _ N _
 
 +
 
 H C
 
 N N
 
 NaOC 2H5 − HCl
 
 CO2C 2H5
 
 H
 
 Cl
 
 CO2C 2H5
 
 Ph = Phenyl
 
 C
 
 Ph N
 
 CO2C 2H5
 
 N C
 
 H CO2C2H 5 Phenylazomalonsäurediethylester
 
 CO2C2H 5
 
 CO2C 2H 5 Mesoxalsäurediethylesterphenylhydrazon
 
 O C
 
 CO2C2H 5
 
 CO2C 2H 5 Mesoxalsäurediethylester (Oxomalonsäurediester)
 
 Enthält die Phenylazo-Verbindung kein tautomerisierbares H-Atom, so spielt sich die JAPPKLINGEMANN-Reaktion ab. Dabei entfernt sich eine Ester-Funktion im alkalischen Milieu als Kohlendioxid und Alkohol. Das verbleibende mesomeriefähige Carbanion reagiert bei der Aufarbeitung in neutralem bis saurem Medium mit einem Proton zum Arylhydrazon. Ar N N C R
 
 CO2C 2H5
 
 + OH
 
 E
 
 −
 
 Ar
 
 O
 
 N N
 
 OC 2H5 OH
 
 C R
 
 E
 
 Ar N N
 
 N N C E
 
 − C 2H5OH
 
 +
 
 C E
 
 R
 
 R +
 
 + H3O
 
 CO2C2H 5
 
 Ar Cl
 
 Ar
 
 − HCl
 
 NaOC 2H5
 
 N _ N _
 
 − CO2
 
 H C R E
 
 E = CO2C2H 5, COCH 3, CN
 
 Arylhydrazon eines α-Ketoesters (E = CO2C2H5) 1,2-Diketons (E = COCH3) α-Ketonitrils (E = CN)
 
 − H2O
 
 Ar N N H
 
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 C E R
 
 410
 
 23 Organostickstoff-Verbindungen
 
 23.8.3
 
 Andere Methoden zur Darstellung aromatischer Azo-Verbindungen
 
 Die Azo-Kupplung als Methode zur Darstellung aromatischer Azo-Verbindungen ist auf Aromaten beschränkt, welche durch elektronenschiebende Gruppen substitutiert sind. Azobenzen selbst läßt sich z. B. nicht durch Kupplung von Phenyldiazonium-Salzen an Benzen darstellen. Es entsteht jedoch bei der Reduktion von Nitrobenzen mit Natriumamalgam oder komplexen Metallhydriden (Li+[AlH4]−), durch Dehydrierung von Hydrazobenzen (1,2-Diphenylhydrazin) oder durch Kondensation von Nitrosobenzen mit Anilin: Hydrazobenzen NH NH − 2 [H+] ,
 
 2
 
 NO2
 
 + 8 [H+] , + 8 e0
 
 − 2 e0
 
 −
 
 −
 
 Nitrobenzen
 
 N N
 
 − H2O
 
 +
 
 N O
 
 Azobenzen
 
 H 2N
 
 Nitrosobenzen
 
 Anilin
 
 Die allgemeinste Methode zur Darstellung aromatischer Azo-Verbindungen ist neben der AzoKupplung die Kondensation von Nitroso-Verbindungen (Ar−N=O) mit primären aromatischen Aminen (Ar−NH2). Nitrosoaromaten erhält man entweder durch elektrophile Nitrosierung nucleophiler Aromaten (Kap. 22.6.2) oder durch Oxidation von Arylhydroxylaminen, die ihrerseits bei der Reduktion von Nitroaromaten entstehen (Reduktionsschema von Nitrobenzen nach HABER, Kap. 22.4.6). −
 
 Zn , NH4Cl − + 4 [H+] , + 4 e0
 
 Ar
 
 NO2
 
 Nitroaren
 
 Ar
 
 NH OH
 
 Cr 2O72 , H2SO4 − − 2 [H+] , − 2 e0
 
 Arylhydroxylamin
 
 O Ar
 
 N
 
 Nitrosoaren
 
 23.9 Organostickstoff-Verbindungen, Übersicht Organostickstoff-Verbindungen umfassen außer den bisher besprochenen Aminen, Diazo- und Azo-Verbindungen zahlreiche weitere Stoffklassen, darunter auch einige Kohlensäure-Derivate (Kap. 25). Tab. 23.1 gibt eine kleine Auswahl der wichtigsten Vertreter sowie allgemeiner Verfahren zu ihrer Darstellung.
 
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 23.9 Organostickstoff-Verbindungen, Übersicht
 
 411
 
 Tab. 23.1. Organostickstoff-Verbindungen , Übersicht Stoffklasse Nitrate Nitrite
 
 funktionelle Gruppe
 
 Beispiel
 
 Bezeichnung
 
 Allgemeine Darstellungsmethoden
 
 O NO2
 
 H 3C CH 2 O NO2
 
 Ethylnitrat
 
 Veresterung von Salpetersäure
 
 O NO
 
 H 3C CH 2 O NO
 
 Ethylnitrit
 
 Veresterung von salpetriger Säure
 
 H 3C CH 2 CH 2 NO2
 
 NitroVerbindungen
 
 (Ar) R NO2
 
 NitrosoVerbindungen
 
 (Ar) R NO
 
 Nitroalkane : radikalische Nitrierung v. Alkanen
 
 Nitrobenzen
 
 Nitroarene : elektrophile Nitrierung v. Arenen
 
 N
 
 Nitrosobenzen
 
 Reduktion von Nitro-Verbindungen Oxidation von Hydroxylaminen elektrophile Nitrosierung von Arenen
 
 N,N-Dimethylhydroxylamin
 
 Alkyl : COPE-Eliminierung
 
 O (CH 3)2N OH
 
 NH OH
 
 Hydroxylamine
 
 1-Nitropropan
 
 NO2
 
 Phenylhydroxylamin
 
 NH OH Nitrile (Cyanide)
 
 C N
 
 Acetonitril
 
 H3C C N
 
 Benzonitril
 
 C N
 
 Aminosäuren (α-Aminocarbonsäuren)
 
 H3C N C
 
 Methylisocyanid
 
 R NH 2 R NHR R NR 2
 
 H 3C NH 2 (H 3C)2NH (H 3C)3N
 
 Methylamin Dimethylamin Trimethylamin
 
 R CH CO2
 
 H3C CH CO2
 
 Alanin (2-Aminopropansäure)
 
 R CH CO2H
 
 Glycyl-alanin
 
 Kap. 38
 
 N,N-Dimethylacetamid
 
 Kap. 18.7.5 , 18.8.3
 
 NH3
 
 NH 3 H
 
 Peptide, Proteine
 
 N
 
 H
 
 O
 
 O H 2N
 
 C
 
 R
 
 R
 
 C
 
 C
 
 n
 
 Kap. 22.4
 
 X Kap. 37.6.4
 
 + NH 3 − HX
 
 R CH CO2 NH 3
 
 CH 3 N
 
 CO2H
 
 H O
 
 O Carboxamide
 
 Dehydratisierung von N-Alkylformamiden H POCl 3 R N C + H2O R N C O H
 
 N C
 
 Isonitrile (Isocyanide)
 
 Amine
 
 Aryl : Reduktion von Nitro-Verbindungen KOLBE-Synthese: R CN + X R X + CN Dehydratisierung von Carboxamiden O P2 O5 Ar CN + H 2O Ar C NH 2
 
 N
 
 H 3C
 
 C
 
 N
 
 CH 3
 
 CH 3 R Cyanate Isocyanate Diazoalkane
 
 R
 
 H 3C O C N
 
 H5C 6
 
 N C O IC N N
 
 O C N
 
 Methylcyanat
 
 N C O
 
 Phenylisocyanat
 
 Kap. 22.4.9 , 25.2.2
 
 Diazomethan
 
 Kap. 23.1.2
 
 Phenyldiazonium-chlorid
 
 Kap. 23.5
 
 Azodicarbonsäurediethylester
 
 Kap. 23.4
 
 Azobenzen
 
 Kap. 23.8
 
 CH2 N N
 
 AryldiazoniumSalze
 
 Ar N N X
 
 N N Cl
 
 AzoVerbindungen
 
 N N
 
 CO2C 2H 5 N N H 5C 2O2C
 
 C 6H5 N N
 
 H 5C 6 Hydrazine
 
 Azide
 
 NH NH 2
 
 H 5C 6 NH NH2
 
 Phenylhydrazin
 
 Kap. 23.7.4
 
 NH NH
 
 H 5C 6 NH NH C 6H 5
 
 Hydrazobenzen
 
 Reduktion von Azoarenen
 
 Phenylazid
 
 Kap. 23.7.3
 
 Trimethylsilylazid
 
 (H 3C)3Si
 
 Carbonsäureazid
 
 Kap. 22.4.9
 
 (Ar)R
 
 N3
 
 N N N (H 3C)3Si O R C
 
 N3
 
 Cl
 
 + NaN3 − NaCl
 
 (H 3C)3Si
 
 N3
 
 N3
 
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 412
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen 24.1 Übersicht, Nomenklatur und Vorkommen Schwefel folgt in der sechsten Hauptgruppe des Periodensystems dem Sauerstoff. Deshalb lassen sich für die meisten Verbindungen mit bivalentem Sauerstoff (Alkohole, Phenole, Ether, Ketone, Carbonsäuren) entsprechende Schwefel-Analoga formulieren (Tab. 24.1). Anders als Sauerstoff kann Schwefel mit Hilfe seiner 3d-Orbitale auch mehr als bivalent, d. h. in höheren Oxidationsstufen vorliegen. Tetra- bzw. hexavalent ist Schwefel z. B. in den Sulfinsäuren und Sulfoxiden bzw. Sulfonsäuren und Sulfonen. Tab. 24.1 gibt eine Übersicht der wichtigsten Verbindungsklassen mit di-, tetra- und hexavalentem Schwefel, jeweils mit einem Vertreter und dessen Trivialund IUPAC-Bezeichnung. Die flüchtigen Thiole, Thiophenole, Thioether und Thiocarbonsäuren erkennt man an ihrem penetranten Geruch. Alle Organoschwefel-Verbindungen wirken als Katalysatorengifte, was manche organische Synthese erschwert, z. B. in der Petrochemie, da im Erdöl einige schwer abtrennbare Schwefel-Verbindungen vorkommen. Auch der pflanzliche und tierische Organismus produziert Thiole. So entweicht 1-Propanthiol aus frisch geschnittenen Zwiebeln; 2-Furylmethanthiol prägt das Kaffeearoma; 1-Butanthiol schockiert im Skunk-Sekret. Die Mercaptoaminosäure L-Cystein, eine der essentiellen Aminosäuren, ist ein Baustein natürlicher Polypeptide und Proteine. NH3
 
 O H3C CH2 CH 2 CH 2 SH
 
 CH 2 SH
 
 1-Butanthiol
 
 HS CH2 C CO2
 
 2-Furylmethanthiol
 
 Zwitterionen-Form des L-Cysteins
 
 H
 
 24.2 Thiole 24.2.1
 
 Darstellung
 
 Nucleophile Substitution von Halogenalkanen Als Methoden zur Darstellung von Thiolen aus Halogenalkanen eignen sich die nucleophile Substitution des Halogens X durch SH in Form des HydrogensulfidAnions: R X
 
 +
 
 NaSH
 
 SH
 
 R SH
 
 +
 
 X
 
 die Hydrolyse von Alkylthiosulfaten (BUNTE-Salzen): −
 
 R X
 
 +
 
 S2O32
 
 −X
 
 Thiosulfat
 
 R S SO3 BUNTE-Salz
 
 + H2O
 
 − HSO4
 
 −
 
 R SH
 
 sowie die Reaktion von Schwefel mit Alkylmagnesiumhalogeniden: R X
 
 +
 
 Mg
 
 Ether
 
 R MgX
 
 + S
 
 R S Mg X
 
 + [H+]
 
 R SH
 
 +
 
 Mg
 
 2
 
 +
 
 X
 
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 24.2 Thiole
 
 413
 
 Tab. 24.1. Einige Organoschwefel-Verbindungen O-Verbindung allg. Formel Bezeichnung
 
 S-Analogon allg. Formel Bezeichnung
 
 Vertreter Formel
 
 Bezeichnung
 
 H3C SH
 
 Methanthiol (Methylmercaptan)
 
 Alkohol
 
 R SH
 
 Thiol (Mercaptan)
 
 Phenol
 
 Ar
 
 Thiophenol
 
 SH
 
 R O R'
 
 Ether
 
 R S R'
 
 Dialkylsulfid (Thioether)
 
 S CH3
 
 R O OH
 
 Hydroperoxid
 
 R S OH
 
 Sulfensäure (instabil) Sulfensäure-Derivate
 
 R O O R'
 
 Dialkyl- oder Diarylperoxid
 
 R S S R'
 
 R OH
 
 Ar
 
 OH
 
 SH
 
 Phenylthiol (Thiophenol) Methylphenylsulfid (Methylphenylthioether)
 
 NO2 O2N
 
 S Cl
 
 2,4-Dinitrophenylsulfenylchlorid
 
 NO2 Dialkyl- oder Diaryldisulfid
 
 2,2'-Dinitrodiphenyldisulfid
 
 S S O2N
 
 Oxonium-Salz
 
 R 3S
 
 O R C H
 
 Aldehyd
 
 S R C H
 
 O R C R
 
 Keton
 
 R C R
 
 O R C OH
 
 Carbonsäure
 
 R C
 
 R3O X
 
 O HO C OH
 
 X
 
 Sulfonium-Salz
 
 (H5C2)3S S C H
 
 Thioaldehyd
 
 Thioketon
 
 Thiobenzophenon
 
 S Dithiocarbonsäure
 
 SH
 
 H 3C C
 
 Thiolsäure
 
 O H 3C C SC 2H 5
 
 Ethanthiolsäureethylester
 
 S R C OH
 
 Thionsäure
 
 S H 3C C OC 2H 5
 
 Ethanthionsäureethylester
 
 Xanthogensäure (instabil)
 
 S H5C2S C OC2H5
 
 Diethylxanthogenat
 
 Trithiokohlensäure (instabil)
 
 H5C2S C
 
 S HS C OH
 
 SH
 
 S Diethyltrithiocarbonat SC 2H 5 O
 
 O Sulfinsäure
 
 R S OH
 
 H3C CH2 S
 
 −−−
 
 Sulfoxid (S-Oxid)
 
 R S R O
 
 −−−
 
 −−−
 
 R S R
 
 R S OH O
 
 Dimethylsulfoxid CH 3
 
 H3C S CH 3
 
 Dimethylsulfon
 
 O
 
 O −−−
 
 H 3C S
 
 O Sulfon (S-Dioxid)
 
 O −−−
 
 Ethansulfinsäure OH
 
 O
 
 O −−−
 
 Ethanthionthiosäure (Dithioessigsäure)
 
 SH
 
 O R C SH
 
 S
 
 −−−
 
 Thiobenzaldehyd
 
 C
 
 S
 
 HS C
 
 −−−
 
 Triethylsulfoniumiodid
 
 S
 
 S
 
 Kohlensäure
 
 I
 
 O Sulfonsäure
 
 S OH
 
 Benzensulfonsäure
 
 O
 
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 414
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen
 
 TSCHUGAJEFF-Reaktion Die Thermolyse von Alkylxanthogenaten wird zur Darstellung mancher Alkene und Thiole aus Alkoholen genutzt: H C
 
 H
 
 + CS2 , + NaOH
 
 C OH
 
 C
 
 − H2O
 
 C O
 
 C
 
 S
 
 C
 
 − Na I
 
 S Na Natrium-xanthogenat
 
 Alkohol
 
 H
 
 + R−I
 
 100 - 250 °C
 
 C O
 
 C
 
 O
 
 − C C
 
 S
 
 C
 
 SH
 
 SR
 
 SR Alkylxanthogenat O C S
 
 +
 
 R SH
 
 Addition von H2S an Oxirane, Aziridine und Alkene α-Mercaptoalkohole erhält man bequem durch nucleophile Addition von Schwefelwasserstoff oder Hydrogensulfid an Oxirane: ̈
 
 SH O
 
 +
 
 SH
 
 +
 
 C
 
 H2O
 
 C
 
 +
 
 OH
 
 OH α-Mercaptoalkohol (α-Hydroxythiol)
 
 α-Aminoethanthiol (α-Mercaptoethylamin, Cysteamin) ist dementsprechend durch Addition von Schwefelwasserstoff an Aziran (Ethylenimin) zugänglich: +
 
 N
 
 H 2S
 
 HS CH 2 CH 2 NH2
 
 α-Aminoethanthiol (Cysteamin)
 
 H Aziran
 
 Analog zur Hydratisierung von Alkenen (Kap. 15.4.3) lassen sich tertiäre Thiole durch säurekatalysierte Addition von Schwefelwasserstoff an Alkene des Typs R2C=CH2 darstellen, z. B.: H 3C C CH 2
 
 +
 
 H 2S
 
 (H2SO4)
 
 H 3C
 
 CH3 H3C C
 
 SH
 
 CH3 2-Methylpropan-2-thiol
 
 Thiole können auch aus Thioharnstoff und Trithiocarbonat hergestellt werden.
 
 24.2.2
 
 Thermodynamische Eigenschaften
 
 Schwefel ist voluminöser, weniger elektronegativ und daher ein schwächerer WasserstoffbrückenAkzeptor als Sauerstoff. Wegen ihrer schwächeren H-Brücken-Assoziation sieden Thiole tiefer als vergleichbare Alkohole (CH3OH : 64.5 °C, CH3SH : 5.9 °C, jeweils bei 1011 mbar). Allerdings nimmt dieser Unterschied mit wachsender Kettenlänge der Alkanole und Alkanthiole ab. Die SH-Bindung ist schwächer und länger (133 pm) als die OH-Bindung (96 pm). Infolgedessen ist die Dissoziationsenergie der Thiole kleiner als jene der Alkohole. Thiole sind also stärker sauer (Aciditätskonstante Ka ~ 10−11) als Alkohole (Ka ~ 10−17).
 
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 24.2 Thiole
 
 24.2.3
 
 415
 
 Reaktionen
 
 Thiolat-Bildung ̈ Während die Alkoholate in wäßriger Lösung hydrolysieren (Kap. 15.6.2), reagieren die Thiole bereits mit wäßrigen Alkalihydroxiden zu Thiolaten (Mercaptiden): R SH
 
 +
 
 OH
 
 R S
 
 +
 
 H2O
 
 Thiolat-Anion (Mercaptid-Anion)
 
 Viele Schwermetallmercaptide sind wie die Sulfide in Wasser schwer löslich. Eine charakteristische Reaktion auf Thiole ist z. B. ihre Fällung durch Quecksilber(II)-oxid als Quecksilber (II)mercaptide (Thiolate): 2 R SH
 
 +
 
 HgO
 
 (R S)2 Hg + Quecksilber(II)-thiolat [Quecksilber(II)-mercaptid]
 
 H 2O
 
 Diese Reaktion führte zur Bezeichnung Mercaptane für Thiole (lat. "corpus mercurio aptum").
 
 Oxidation Während die Alkohole durch Oxidation meist in Carbonyl-Verbindungen und praktisch nie in Peroxide übergehen, werden die Thiole sehr leicht, bereits durch Luftsauerstoff, zu den Disulfiden oxidiert: ̈
 
 H R C
 
 OH
 
 − 2 [H+] , − 2 e0
 
 −
 
 R' primärer oder sekundärer Alkohol
 
 O R C R'
 
 Aldehyd oder Keton
 
 H 2R C
 
 − 2 [H+] , − 2 e0
 
 SH
 
 H
 
 −
 
 R C
 
 H S S C R
 
 R'
 
 R' primäres oder sekundäres Thiol
 
 R'
 
 Dialkyldisulfid
 
 Die Reaktion beruht darauf, daß Schwefel mehr zur Oxidation neigt als Kohlenstoff, und daß die S−H-Bindung leichter spaltet (Bindungsenergie 348 kJ / mol) als die O−H-Bindung (463 kJ / mol). So ist z. B. durch Reaktion mit Luft-Sauerstoff die Bildung von Thiolyl-Radikalen möglich, deren Kombination zum Disulfid führt: R S H
 
 +
 
 O O
 
 R S
 
 +
 
 H O O
 
 Thiolyl-Radikal
 
 2R S
 
 HydroperoxyRadikal
 
 R S S R
 
 Die Oxidation ist auch als nucleophile Substitution einer intermediären Sulfensäure denkbar: −
 
 + R−S
 
 R S H
 
 +
 
 1/2 O2
 
 [ R S OH ] Sulfensäure
 
 − OH
 
 −
 
 R S S R
 
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 416
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen
 
 Stärkere Oxidationsmittel (Wasserstoffperoxid, Salpetersäure, Permanganat) führen über Sulfinsäuren oder Disulfone immer zu den Sulfonsäuren: R S H
 
 Disulfid
 
 R S S R
 
 Disulfon
 
 R S S R
 
 Thiol
 
 R S OH
 
 Sulfensäure
 
 R S OH
 
 Sulfinsäure
 
 O O O O
 
 O
 
 O R S OH
 
 Sulfonsäure
 
 O
 
 24.3 Thiophenole 24.3.1
 
 Darstellung
 
 Thiophenole werden meist durch Reduktion der Arylsulfonsäurechloride, O Ar
 
 S Cl
 
 +
 
 6 [H ]
 
 +
 
 LiAlH 4
 
 6 e0
 
 O
 
 Ar SH + Thiophenol
 
 HCl
 
 +
 
 2 H2O
 
 oder der Diaryldisulfide dargestellt. So entsteht o-Aminothiophenol aus o-Chlornitrobenzen und Natriumdisulfid (nucleophile Substitution) über 2,2'-Dinitrodiphenyldisulfid durch dessen Reduktion mit Zink in saurer Lösung: O2N S +
 
 S
 
 14 [H ]
 
 +
 
 NO2 2,2'-Dinitrodiphenyldisulfid
 
 14 e0
 
 Zn , HCl
 
 2
 
 SH
 
 +
 
 4 H2O
 
 NH2 o-Aminothiophenol (als Hydrochlorid)
 
 Auch die Reaktion der Aryldiazonium-Salze mit Hydrogensulfid eignet sich zur Darstellung mancher Thiophenole: Ar
 
 24.3.2
 
 N2
 
 +
 
 SH
 
 Ar
 
 SH
 
 +
 
 N2
 
 Reaktionen
 
 Thiophenole reagieren wie die Thiole und bilden aufgrund ihrer Acidität hydrolysestabile Thiophenolate. In Analogie zu den Phenolen lassen sie sich S-acylieren und S-alkylieren (Kap. 24.4.1). Im Gegensatz zu den Phenolen werden sie durch Luftsauerstoff zu den Diaryldisulfiden oxidiert.
 
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 24.4 Thioether (Dialkylsulfide)
 
 417
 
 24.4 Thioether (Dialkylsulfide) 24.4.1
 
 Darstellung
 
 Alkylierung von Thiolaten In Analogie zur Ether-Synthese nach WILLIAMSON (Kap. 16.3.2) können Thioether durch Alkylierung von Alkalimercaptiden oder Thiophenolaten dargestellt werden. Als Alkylierungsmittel eignen sich die Iodalkane oder Dialkylsulfate, z. B.: H 3C S Na
 
 +
 
 S Na
 
 +
 
 Ι
 
 CH2 CH3
 
 H3C O H3C O
 
 S
 
 H 3C S CH2 CH 3 Ethylmethylsulfid (Ethylmethylthioether)
 
 O O
 
 SCH 3
 
 +
 
 +
 
 Methylphenylsulfid (Methylphenylthioether, Thioanisol)
 
 Na
 
 Na I
 
 O
 
 H3C O
 
 S
 
 O O
 
 Alkylierung von Alkalisulfiden Symmetrische Dialkylsulfide entstehen auch durch doppelte Alkylierung von Alkalisulfiden mit Halogenalkanen in der Hitze: 2R X
 
 +
 
 R S R
 
 K2S
 
 +
 
 2 KX
 
 Addition von Thiolen an Alkene In Gegenwart von Radikalbildnern wie Dibenzoylperoxid addieren Thiole unter anti-MARKOWNIKOFF-Orientierung an Alkene, z. B.: H3C SH
 
 +
 
 Methanthiol
 
 H2C CH CH 2 CN Allylcyanid
 
 hν , Dibenzoylperoxid
 
 H3C S CH 2 CH2 CH2 CN Methyl-3-cyanopropylsulfid
 
 Reduktion von Sulfoxiden Triphenylphosphan oder komplexe Metallhydride reduzieren Sulfoxide zu Sulfiden: O R
 
 S
 
 R
 
 (H5C 6)3P
 
 +
 
 Dialkylsulfoxid
 
 R
 
 Triphenylphosphan
 
 S
 
 R
 
 Dialkylsulfid
 
 +
 
 (H5C 6)3P O Triphenylphosphanoxid
 
 Darstellung von Diarylsulfiden Diarylsulfide entstehen durch elektrophile Substitution unter FRIEDEL-CRAFTS-Bedingungen aus Aromaten und Dischwefeldichlorid: Ar
 
 H
 
 +
 
 S2Cl2
 
 AlCl3
 
 Ar
 
 S Ar
 
 +
 
 2 HCl
 
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 418
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen
 
 Auch die (wahrscheinlich nucleophile) Substitution von Aryldiazonium-Salzen durch Sulfide macht einige Diarylsulfide zugänglich: 2 Ar
 
 N2
 
 S2
 
 +
 
 Ar
 
 S Ar
 
 +
 
 2 N2
 
 Darstellung cyclischer Thioether Sulfide können durch Dihalogenalkane zu cyclischen Thioethern alkyliert werden. Aus 1,4Dihalogenalkanen entstehen z. B. Tetrahydrothiophen-Derivate: ̈
 
 R CH CH 2 CH 2 CH R' X X
 
 S2
 
 +
 
 + R' S 2,5-Dialkyltetrahydrothiophen R
 
 X = Cl , Br
 
 2X
 
 Die den Oxiranen (Epoxiden) analogen Thiirane (Episulfide) entstehen durch Reaktion von Schwefel mit Diazoalkanen, R
 
 _ 2 R2C N NI
 
 +
 
 S
 
 R
 
 + S R Thiiran (Episulfid)
 
 2 N2
 
 R
 
 oder durch Reaktion von Oxiranen mit Thiocyanat, z. B.:
 
 O
 
 24.4.2
 
 +
 
 SCN
 
 SI O CN I_
 
 S
 
 +
 
 OCN
 
 Reaktionen
 
 Bildung von Trialkylsulfonium-Salzen Durch (erschöpfende) Alkylierung der Thioether mit Halogenalkanen (meist Iodide) erhält man Trialkylsulfonium-halogenide, die den Oxonium-Salzen analog sind: ̈
 
 R
 
 _ S _
 
 R
 
 +
 
 R'
 
 I
 
 _ S R' I R Trialkylsulfonium-iodid R
 
 Enthalten die Trialkylsulfonium-Salze drei verschiedene Alkyl- bzw. Aryl-Gruppen, so lassen sie sich in Enantiomere trennen, z. B.: H 3C S CH CH 3 2 HO2C H2C
 
 H3C H 2C
 
 S CH 3 CH2 CO2H
 
 Enantiomere des Ethyl-carboxymethyl-methylsulfonium-Ions
 
 Der Bindungszustand des trivalenten Schwefels entspricht dem des dreibindigen Stickstoffs in Aminen (Kap. 22.3.1), d. h. das nichtbindende Elektronenpaar besetzt das vierte sp3-Hybridorbital des Schwefels.
 
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 24.5 Disulfide
 
 419
 
 In Analogie zu den Tetraalkylammonium-Salzen (Kap. 22.6.7) reagieren die TrialkylsulfoniumSalze mit Silberhydroxid zu Trialkylsulfonium-Hydroxiden, die beim Erhitzen unter Dehydratisierung in Alkene und Dialkylsulfide zerfallen: H
 
 H
 
 +R I
 
 C C SR
 
 R
 
 S
 
 HO H
 
 + AgOH
 
 C C
 
 C
 
 − Ag I
 
 R
 
 I
 
 Hitze
 
 C
 
 − H2O , − R2S
 
 S
 
 C C
 
 R R Trialkylsulfonium-hydroxid
 
 Oxidation Die Thioether lassen sich durch Wasserstoffperoxid, Salpetersäure, Permanganat oder Luftsauerstoff über die Sulfoxide (S-Oxide) zu den Sulfonen (S-Dioxiden) oxidieren: ̈
 
 R
 
 + H2O2 (1 : 1)
 
 S
 
 − H2O
 
 R Dialkylsulfid
 
 R S O
 
 + H2O2 (Überschuß)
 
 O S
 
 O R Dialkylsulfon
 
 − H2O
 
 R Dialkylsulfoxid
 
 R
 
 ̈ Reaktionen von Thiiranen Thiiran reagiert wie Oxiran und ist somit wie dieses ein vielseitiges Reagenz in der organischen Synthese, insbesondere zur Einführung der Ethanthiol-Gruppe: + H2O (H3O+) + ROH (RO-Na+)
 
 S
 
 + R2NH
 
 HO CH 2 CH2 SH
 
 Thioglykol
 
 RO CH 2 CH2 SH
 
 β-Alkoxyethanthiol β-(N,N-Dialkylamino)ethanthiol
 
 R 2N CH 2 CH2 SH
 
 24.5 Disulfide Allyl-Disulfide und davon abgeleitete Sulfoxide prägen den typischen, lauchig durchdringenden Geruch und Geschmack des Knoblauchs (Allium sativa) und der Zwiebel (Allium cepa). Von den lateinischen Namen dieser Liliengewächse stammt die Bezeichnung Allyl-Gruppe. O S
 
 S
 
 S Diallyldisulfid (Knoblauch)
 
 24.5.1
 
 S
 
 S Diallyldisulfidoxid (Allicin, Knoblauch)
 
 S Allylpropyldisulfid (Zwiebel)
 
 Darstellung
 
 Disulfide entstehen nicht nur durch Oxidation der Thiole (Kap. 24.2.3), sondern auch durch Alkylierung des Disulfid-Anions mit Halogenalkanen: R 2R X R = Alkyl
 
 +
 
 S S
 
 S S
 
 +
 
 2X
 
 R Dialkyldisulfid
 
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 420
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen
 
 Die Arylierung von Disulfid wird durch Substituenten begünstigt, welche durch ihren (−)-MEffekt (Kap. 11.2.2) die nucleophile Substitution des Halogens erleichtern. Ein solcher Substituent ist z. B. die Nitro-Gruppe (Kap. 10.4.4): NO2
 
 NO2 O2N
 
 Cl
 
 +
 
 Na2S2
 
 Ethanol , 70 °C
 
 O2N
 
 NO2
 
 S
 
 O2N 2,2',4,4'-Tetranitrodiphenyldisulfid
 
 2,4-Dinitrochlorbenzen
 
 24.5.2
 
 S
 
 − 2 Na Cl
 
 Reaktionen
 
 Disulfide sind erheblich stabiler (Bindungsenergie 306 kJ / mol) als Peroxide (155 kJ / mol). Nur starke Oxidations- oder Reduktionsmittel führen zu einer Spaltung. Die Oxidation von Disulfiden führt über die Disulfone zu Sulfonsäuren (Kap. 24.2.3). Durch Zink in verdünnten Säuren erfolgt Reduktion zu Thiolen: R
 
 S
 
 S
 
 R
 
 +
 
 2 [H ]
 
 +
 
 2 e0
 
 Zn , HCl
 
 2 R SH
 
 Trialkylphosphite, P(OR)3, reduzieren indessen zu Sulfiden: R
 
 S
 
 S
 
 R
 
 +
 
 R
 
 P(OR)3
 
 S
 
 R
 
 +
 
 S P(OR)3
 
 Wasserstoff in Gegenwart von RANEY-Nickel entschwefelt die Disulfide zu Alkanen: R
 
 S
 
 S
 
 R'
 
 +
 
 3 H2
 
 RANEY-Ni
 
 R H
 
 +
 
 R' H
 
 +
 
 2 H2S
 
 Die RANEY-Nickel-Entschwefelung gelingt auch bei Thiolen und Sulfiden: R
 
 S
 
 R'
 
 +
 
 R SH
 
 +
 
 2 H2 H2
 
 RANEY-Ni RANEY-Ni
 
 R H
 
 +
 
 R' H
 
 R H
 
 +
 
 H2S
 
 +
 
 H2S
 
 24.6 Thioaldehyde, Thioketone, Thioacetale, Thioketale Die Reaktion von Aldehyden und Ketonen mit Schwefelwasserstoff führt überwiegend zu 1,3,5Trithiacyclohexan-Derivaten. Thioaldehyde und Thioketone werden am besten durch Thiierung der Carbonyl-Verbindungen mit 2,4-Bis(4-methoxyphenyl)-1,3-2,4-dithiadiphosphetan-2,4-disulfid (LAWESSONS-Reagenz) hergestellt. S
 
 H3CO
 
 O R
 
 C
 
 S
 
 P
 
 P
 
 S
 
 OCH3
 
 S
 
 S
 
 R'
 
 R
 
 C
 
 R'
 
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 24.7 Dithiocarbonsäuren, Thiol- und Thionsäuren
 
 421
 
 Diphosphorpentasulfid in Schwefelkohlenstoff eignet sich gut zur Thiierung der Phenone: S
 
 O C
 
 C
 
 P2 S5 in CS2
 
 Thiobenzophenon
 
 Benzophenon
 
 Thioaldehyde bzw. Thioketone sind wahrscheinlich die Zwischenstufen der Reaktion von Schwefel mit Diazoalkanen zu Thiiranen (Kap. 24.4.1). Mit Thiolen reagieren die Carbonyl-Verbindungen wie mit Alkoholen. Es bilden sich Thioacetale und Thioketale (Kap. 20.8.2), die ebenso wie Acetale und Ketale nur in wäßrig saurer Lösung hydrolysieren. Die Mercaptalisierung zum Schutz und zur Umpolung der Carbonyl-Funktion (Kap. 20.8.2) ist eine nützliche Hilfsreaktion bei vielen Synthesen.
 
 24.7 Dithiocarbonsäuren, Thiol- und Thionsäuren Von den Carbonsäuren leiten sich Thiol-, Thion- und Dithiocarbonsäuren ab, wobei Thiol- und Thionsäuren Tautomere sind: S
 
 O R
 
 R
 
 C
 
 S
 
 C
 
 R
 
 OH Thionsäure
 
 SH Thiolsäure
 
 C
 
 SH Dithiocarbonsäure
 
 Der Carboxylierung von GRIGNARD-Verbindungen durch Kohlendioxid (Kap. 17.5.2) entspricht die Dithiocarboxylierung von Alkylmagnesiumhalogeniden mit Schwefelkohlenstoff (Kohlenstoffdisulfid) zu Dithiocarbonsäuren: S R
 
 MgX
 
 +
 
 C
 
 S
 
 S S
 
 S
 
 S
 
 + [H+] , wasserfrei
 
 R C
 
 C
 
 SMgX
 
 R
 
 −
 
 − Mg 2+ , − X
 
 C
 
 SH Dithiocarbonsäure
 
 Thiolsäuren und ihre Ester erhält man durch Acylierung von Schwefelwasserstoff bzw. Thiolen: O R
 
 C
 
 +
 
 H2S
 
 Cl
 
 Base − HCl
 
 O R
 
 O
 
 C
 
 R
 
 SH Thiolsäure
 
 C
 
 +
 
 Base
 
 HS R'
 
 − HCl
 
 Cl
 
 O R
 
 C
 
 SR' Thiolsäureester
 
 Die Addition von Thiolen an Ketene liefert ebenfalls Thiolsäureester, die gegenüber Nucleophilen reaktiver sind als Carbonsäureester. Das bei der Fettsäure-Biosynthese aktive Acetyl-Coenzym A ist ein natürlich vorkommendes Thiolessigsäure-Derivat. O C C O Keten
 
 +
 
 HS R
 
 C C SR H Thiolsäureester
 
 O H3C C SH Thiolessigsäure
 
 O H3C C S CoA Acetyl-Coenzym A
 
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 422
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen
 
 Thionsäureester und Thioamide erhält man am besten durch Thiierung der Carbonsäureester bzw. der Carboxamide mit LAWESSONS-Reagenz: S
 
 H3CO
 
 O C
 
 R
 
 S
 
 P
 
 P
 
 S
 
 OCH3
 
 S
 
 S
 
 C
 
 OR' (NR'2) Thionsäureester (Thiocarboxamid)
 
 OR' (NR'2)
 
 R
 
 24.8 Sulfoxide (S-Oxide) 24.8.1
 
 Darstellung
 
 Eine allgemeine Methode zur Darstellung der Sulfoxide ist die bereits erwähnte Oxidation von Sulfiden (Kap. 24.4.2), z. B. durch Wasserstoffperoxid. Dabei greift der Sulfid-Schwefel nucleophil an einem der Peroxid-Sauerstoff-Atome an. Durch nachfolgenden Protonenaustausch entsteht das Sulfoxid, ein Schwefel-Analogon der Ketone, wie die mesomeren Grenzformeln zeigen: _ _H _ O _ O
 
 R +
 
 S R Dialkylsulfid
 
 24.8.2
 
 R
 
 _H S _ O _
 
 +
 
 _ _ H IO
 
 S O _
 
 R
 
 H
 
 R
 
 R
 
 − H2O
 
 R
 
 _ S O _
 
 R Dialkylsulfoxid
 
 Physikalische Eigenschaften
 
 Dimethylsulfoxid ("DMSO") und Diethylsulfoxid sind hochsiedende hygroskopische Flüssigkeiten, die als vorzügliche Lösemittel polarer und unpolarer organischer Verbindungen Verwendung finden. Die höheren Sulfoxide sind kristallin. Infolge ihrer pyramidalen Geometrie können Sulfoxide mit verschiedenen Alkyl- oder Aryl-Gruppen in Enantiomere getrennt werden: R'
 
 _ S R
 
 O
 
 O
 
 _ S R' R
 
 enantiomere Sulfoxide
 
 24.8.3
 
 Reaktionen
 
 Spaltung Sulfoxide mit einem H- in β-Stellung zum S-Atom zerfallen beim Erhitzen oder in Gegenwart einer Base unter Bildung eines Alkens: ̈
 
 O C
 
 C
 
 S
 
 R H Sulfoxid
 
 +
 
 OR'
 
 C C Alken
 
 +
 
 [ R SO ]
 
 +
 
 R'
 
 OH
 
 Sulfenat-Anion
 
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 24.8 Sulfoxide (S-Oxide)
 
 423
 
 Kondensation mit Carbonyl-Verbindungen Sulfoxide sind Heteroanaloga der Ketone; dementsprechend verhalten sich α-Methylen- bzw. Methyl-Gruppen der Sulfoxide gegenüber genügend starken Basen (Alkoholate) als CH-Säuren, weil sie mesomeriestabilisierte Carbanionen bilden: ̈
 
 R H H
 
 O C S
 
 +
 
 R O IC S H R'
 
 − R'OH
 
 R'O
 
 R'
 
 R
 
 O C S
 
 H
 
 R'
 
 mesomeriestabilisiertes Carbanion
 
 Diese reagieren als C-Nucleophile mit Carbonyl-Verbindungen. Durch KNOEVENAGEL-Kondensation (Kap. 20.10.9) von Sulfoxiden mit Aldehyden und Ketonen bilden sich Alkenylsulfoxide. R C O
 
 +
 
 R
 
 CH3O Na
 
 H 2C
 
 − H2O
 
 S O
 
 Alkenylsulfoxid
 
 C C S O
 
 R'
 
 R'
 
 Oxidation Wasserstoffperoxid oxidiert Sulfoxide (S-Oxide) zu Sulfonen (S-Dioxiden). In neutralem oder schwach saurem Medium verläuft diese Reaktion wie die Oxidation der Sulfide (s. o.): ̈
 
 R_ _ _H + O S O _ O _ H R Dialkylsulfoxid
 
 R R
 
 S
 
 _ O _ H
 
 R
 
 _ IO _ H
 
 +
 
 O
 
 O
 
 +
 
 S
 
 H2O
 
 R O Dialkylsulfon
 
 In alkalischer Lösung wirkt das Peroxid-Anion als Nucleophil: R S _ O
 
 _ _H IO _ O _
 
 +
 
 R R
 
 R
 
 S _
 
 _ OI _
 
 − OH
 
 −
 
 O OH
 
 R R
 
 O S
 
 O
 
 Stärkere Oxidationsmittel wie siedende Salpetersäure oxidieren die Sulfoxide und Sulfone zu den Sulfonsäuren. Reduktion Die Reduktion der Sulfoxide führt wieder zu den Sulfiden. Als Reduktionsmittel eignen sich komplexe Metallhydride: ̈
 
 R_ _ S R
 
 R +
 
 S _ O
 
 IH
 
 R
 
 _ OH _
 
 − OH
 
 −
 
 R S R
 
 Auch Schwefel reduziert die Sulfoxide und wird dabei zu Schwefeldioxid oxidiert: R 2
 
 R S O
 
 R
 
 +
 
 S
 
 2
 
 S R
 
 +
 
 SO2
 
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 424
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen
 
 SWERN-Oxidation Präparativ relevant ist die SWERN-Oxidation primärer und sekundärer Alkohole zu Aldehyden bzw. Ketonen mit Dimethylsulfoxid als Oxidationsmittel, das durch Oxalylchlorid zu SulfoniumIonen (I und II) aktiviert wird. Diese reagieren mit Alkoholen als Nucleophilen zum SulfoniumIon III. Triethylamin deprotoniert das Sulfonium-Ion III zum Sulfonium-Ylid, das unter β-Eliminierung in die Carbonyl-Verbindung (Aldehyd oder Keton) und Dimethylsulfid spaltet. Die unter Kühlung ablaufende Oxidation liefert gasförmige Nebenprodukte, was die Aufarbeitung vereinfacht; im Falle primärer Alkohole unterbleibt die Weiteroxidation der Aldehyde. ̈
 
 O H 3C
 
 O S
 
 H 3C
 
 O
 
 +
 
 O
 
 H 3C
 
 C C Cl
 
 S Cl
 
 O C C
 
 O
 
 H 3C
 
 Cl
 
 H 3C Cl
 
 O O CH3 C C S O Cl
 
 − CO2, − CO, − Cl
 
 H3C
 
 −
 
 Cl
 
 S H3C
 
 Cl
 
 Sulfonium-Ion I
 
 Sulfonium-Ion II
 
 R2 + R1
 
 −
 
 − Cl
 
 C OH H
 
 R2
 
 R2
 
 CH3 C O
 
 +
 
 S
 
 R1
 
 R1 CH3
 
 CH 3
 
 C O
 
 S CH 2
 
 H
 
 + NR3 − NHR3+
 
 Sulfonium-Ylid
 
 R2 R1
 
 C O H
 
 CH 3 S CH 3
 
 Sulfonium-Ion III
 
 PFITZNER-MOFFAT-Oxidation ̈ Bei der PFITZNER-MOFFATT-Oxidation primärer und sekundärer Alkohole mit Dimethylsulfoxid und Dicyclohexylcarbodiimid (DCC, Kap. 25.13) wirkt ein Acyloxysulfonium-Ion oxidierend. An letzteres addieren Alkohole nucleophil; unter Abspaltung von Dicyclohexylharnstoff entstehen Alkoxysulfonium-Ionen; deren Deprotonierung ergibt einen Aldehyd (R1 = H, R2 = Alkyl oder Aryl), der nicht zur Carbonsäure weiteroxidiert wird, oder ein Keton (R1 = R2 = Alkyl oder Aryl) sowie Dimethylsulfid. Acyloxysulfonium-Ion H+ + N H11C6
 
 H3C
 
 C6H11 C N + O S
 
 CH3
 
 H N H11C6
 
 N
 
 C6H11
 
 O
 
 S(CH3) 2
 
 C H
 
 H
 
 H
 
 , −
 
 + O CHR1 R2
 
 DCC + DMSO
 
 S(CH3) 2 O CR1 R2 H Alkoxysulfonium-Ion
 
 N N
 
 H11C6 − [H+]
 
 C6H11
 
 C O R1 O
 
 C
 
 R2 Aldehyd oder Keton
 
 +
 
 S(CH3) 2 Dimethylsulfid
 
 ̈ PUMMERER-Umlagerung Dialkylsulfoxide mit α-ständigem H-Atom reagieren mit Acetanhydrid zu α-Acetoxythioethern. Bei dieser als PUMMERER-Umlagerung bekannten 1,2-Acetoxy-Verschiebung bildet sich zunächst das im Falle des Dimethylsulfoxids isolierte S-Acetoxysulfonium-Ion, welches zu einem Thia-
 
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 24.9 Sulfone (S-Dioxide)
 
 425
 
 enolacetat deprotoniert; letzteres dissoziiert in ein mesomeriestabilisiertes Carbenium-Kation und ein Acetat-Anion, die zum α-Acetoxydialkylsulfid kombinieren. R
 
 S
 
 CH 2 R'
 
 O Dialkylsulfoxid mit α-H
 
 + (CH 3CO) 2O − CH 3CO2
 
 R
 
 CH 2 R'
 
 S
 
 −
 
 R +
 
 − [H ]
 
 OCOCH 3
 
 S-Acetoxysulfonium-Ion
 
 CH
 
 S
 
 R
 
 R'
 
 S
 
 CH
 
 R
 
 R'
 
 S
 
 CH
 
 R'
 
 CH 3CO2
 
 OCOCH 3 Thiaenolacetat
 
 OCOCH 3 α-Acetoxydialkylsulfid
 
 R
 
 S
 
 CH
 
 R'
 
 24.9 Sulfone (S-Dioxide) 24.9.1
 
 Darstellung
 
 Oxidation von Sulfiden und Sulfoxiden Die Oxidation von Sulfiden und Sulfoxiden nach Kap. 24.8.1 und 24.8.3 eignet sich zur Darstellung von Sulfonen. ̈
 
 Nucleophile Substitution durch Sulfinate Die nucleophile Substitution des Halogenids von Halogenalkanen durch Sulfinat ergibt ein Sulfon: ̈
 
 + R SO2 Sulfinat-Anion
 
 R'
 
 X
 
 R SO2 R' Dialkylsulfon
 
 +
 
 X
 
 Halogenaromaten reagieren analog, sofern sie durch (−)-M-Substituenten (−NO2) zur nucleophilen Substitution aktiviert werden. Einführung von Alkyl- und Arylsulfonyl-Gruppen ̈ Alkyl- und Arylsulfonsäurechloride eignen sich zur Einführung von Alkyl- und ArylsulfonylGruppen in Aromaten, entweder durch elektrophile Substitution im Sinne einer Acylierung, Ar H
 
 +
 
 AlCl3
 
 R SO2 Cl
 
 Ar
 
 SO2 R
 
 +
 
 HCl
 
 Sulfonsäurechlorid, R = Alkyl oder Aryl
 
 oder durch Umsetzung mit Arylmagnesiumhalogeniden: Ar
 
 SO2
 
 X
 
 +
 
 Ar SO2 Ar' Diarylsulfon
 
 Ar' MgX
 
 X = Cl , Br
 
 +
 
 MgX2
 
 Radikalische Addition von Sulfonsäurechloriden an Alkene ̈ Schließlich addieren Sulfonsäurechloride in Gegenwart eines Radikalinitiators [am besten Kupfer(I)-halogenid] an Doppelbindungen; dabei bilden sich β-Halogensulfone: C C
 
 +
 
 R SO2
 
 X
 
 Cu X
 
 X = Cl , Br
 
 X C
 
 C
 
 β-Halogensulfon
 
 SO2 R
 
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 426
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen
 
 24.9.2
 
 Reaktionen
 
 Die Sulfone zeigen eine den Sulfoxiden weitgehend analoge Reaktivität: In Gegenwart von Alkoholaten spalten sie unter Bildung von Alken, Sulfinat und Alkohol, sofern sie ein β-Proton enthalten: H C
 
 C
 
 +
 
 OR'
 
 +
 
 C C
 
 SO2 R
 
 R SO2 Sulfinat-Anion
 
 +
 
 R' OH
 
 Die α-Methylen-Gruppen sowohl der Sulfoxide (Kap. 24.8.3) als auch der Sulfone sind CH-acide und alkenylieren Carbonyl-Verbindungen nach KNOEVENAGEL zu Alkenylsulfonen: R C O
 
 +
 
 R Alkenylsulfon C C SO2 R'
 
 NaOR"
 
 H 2C
 
 − H2O
 
 SO2 R'
 
 Bei der RAMBERG-BÄCKLUND-Reaktion von α-Halogensulfonen deprotoniert eine Base in α´Stellung zu einem Carbanion, das durch intramolekulare nucleophile Substitution des HalogenidAnions zum faßbaren Episulfon cyclisiert. Dessen cheletrope Schwefeldioxid-Extrusion ergibt ein Alken. X R
 
 CH 2
 
 SO2 CH R'
 
 − [H+]
 
 R
 
 α-Halogensulfon
 
 X _ CH CH R' S O O
 
 Hitze − SO2
 
 H H
 
 −
 
 − X
 
 R C C R' S O O Episulfon
 
 R CH CH R' Alken (E) + (Z)
 
 Sulfone werden zu Sulfonsäuren oxidiert. Gegen komplexe Metallhydride sind sie im Gegensatz zu den Sulfoxiden stabil; Erhitzen mit Schwefel reduziert sie jedoch ebenfalls zu Sulfiden. R
 
 O S
 
 R
 
 R +
 
 S
 
 O
 
 S
 
 +
 
 R
 
 SO2
 
 24.10 Sulfensäure-Derivate 24.10.1 Bildung Sulfensäuren, R−S−OH oder Ar−S−OH, sind an sich instabil. Jedoch entstehen die Sulfensäureoder Sulfenylchloride durch radikalische Substitution aus Alkanen und Schwefeldichlorid: R H
 
 +
 
 SCl2
 
 R S Cl + Alkylsulfenylchlorid
 
 HCl
 
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 24.11 Sulfinsäuren
 
 427
 
 Arensulfenylchloride bilden sich durch Reaktion der Diaryldisulfide mit Chlor in Gegenwart von Eisen oder Eisen(III)-chlorid, z. B.: NO2 O2N
 
 NO2
 
 S NO2
 
 S
 
 +
 
 Fe , FeCl3
 
 Cl2
 
 S Cl
 
 2 O2N
 
 O2N 2,2',4,4'-Tetranitrodiphenyldisulfid
 
 2,4-Dinitrophenylsulfenylchlorid
 
 24.10.2 Reaktionen Die Sulfenylchloride können durch Alkoholyse in die Sulfensäureester, durch Ammono- oder Aminolyse in die Sulfensäureamide übergeführt werden: R S Cl
 
 +
 
 R' OH
 
 R S Cl
 
 +
 
 R' 2H N R'
 
 R S OR' Alkylsulfenat R' R S N R' Sulfenamid
 
 R' = H , Alkyl , Aryl
 
 +
 
 HCl
 
 +
 
 H2NR'2 Cl
 
 Durch Addition von Sulfenylchloriden an Alkene bilden sich β-Chlorthioether: C C
 
 +
 
 R S Cl
 
 Cl
 
 C
 
 C
 
 SR
 
 β -Chlorthioether
 
 24.11 Sulfinsäuren 24.11.1 Bildung Sulfoxylierung von GRIGNARD-Verbindungen Sulfinsäuren, R−SO2H, sind Schwefelanaloge der Carbonsäuren, R−CO2H. In Analogie zur Synthese der Carbonsäuren durch Carboxylierung von GRIGNARD-Verbindungen (Kap. 17.5.2) sulfoxyliert Schwefeldioxid Alkyl- oder Arylmagnesiumhalogenide: ̈
 
 O (Ar) R
 
 MgX
 
 +
 
 S O
 
 O
 
 O (Ar) R S
 
 S O
 
 OMgX
 
 O
 
 + [H+] , wasserfrei
 
 (Ar) R
 
 −
 
 − Mg 2+ , − X
 
 S
 
 OH Sulfinsäure
 
 Reduktion von Sulfochloriden ̈ Ein weiteres Verfahren zur Darstellung von Sulfinsäuren ist die Reduktion der Sulfochloride durch Sulfit oder Zinkstaub in Wasser, z. B.: 2
 
 SO2 Cl
 
 +
 
 2 Zn
 
 − ZnCl2
 
 SO2
 
 2 2 Zn
 
 + 2 [H+] , − Zn 2+
 
 2
 
 SO2H
 
 Benzensulfinsäure
 
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 428
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen
 
 Die basenkatalysierte Spaltung von Sulfonen (Kap. 24.9.2) führt über Sulfinate ebenfalls zu Sulfinsäuren.
 
 24.11.2 Stabilität, Acidität, optische Aktivität Im Gegensatz zu Sulfensäuren sind Sulfinsäuren stabil, werden jedoch leicht zu Sulfonsäuren oxidiert. Die Aciditäten (Ka ~ 10−2) entsprechen der schwefligen Säure. Wie in Carbonsäuren (Kap. 17.3) sind beide O-Atome infolge von Mesomerie und Protonenaustausch nicht unterscheidbar: O R
 
 O H
 
 S
 
 R O H
 
 O
 
 oder
 
 S
 
 R
 
 O
 
 H
 
 S O
 
 Daher ist der Schwefel in den Sulfinsäuren nicht asymmetrisch. Dies gilt jedoch nicht für die Sulfinsäureester; Benzensulfinsäureethylester läßt sich z. B. in optisch aktive Enantiomere trennen: S
 
 O O C2H 5
 
 S O H5C 2 O
 
 Enantiomere des Benzensulfinsäureethylesters
 
 24.11.3 Reaktionen Wie Carbonsäuren reagieren Sulfinsäuren mit Alkoholen in einer Gleichgewichtsreaktion zu Sulfinsäureestern (R−SOOR´). Metallhydroxide neutralisieren Sulfinsäuren zu den Sulfinaten. Das Sulfinat-Anion reagiert als Nucleophil. Hierauf beruht die bereits erwähnte Darstellung von Sulfonen aus Alkyl- und Arylhalogeniden (Kap. 24.9.1).
 
 24.12 Sulfonsäuren 24.12.1 Darstellung der Säuren und ihrer Chloride Oxidation von Thiolen und Disulfiden Fast alle bisher besprochenen Organoschwefel-Verbindungen können zu Sulfonsäuren oxidiert werden. Die Oxidation von Thiolen oder Disulfiden wird zur Darstellung mancher Sulfonsäuren angewendet. Als Oxidationsmittel eignen sich Permanganat, Dichromat oder Salpetersäure: ̈
 
 S CH 2 CH(CH3)2 (H 3C)2CH CH2 S Di-i-butyldisulfid [Bis(2-methylpropan-1-yl)-disulfid]
 
 + 10 HNO3 − 10 NO2 , − 4 H2O
 
 2 (H3C)2CH
 
 CH 2 SO3H
 
 2-Methylpropan-1-sulfonsäure
 
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 24.12 Sulfonsäuren
 
 429
 
 Nucleophile Substitution von Halogenid durch Sulfit in Halogenalkanen Die nucleophile Substitution des Halogens in Halogenalkanen durch Sulfit ergibt Alkylsulfonate, aus denen die Sulfonsäuren durch Einleiten von Chlorwasserstoff gefällt werden können, z. B.: ̈
 
 H3C
 
 (CH 2)5 Cl
 
 +
 
 200 °C
 
 Na2SO3
 
 H3C
 
 − NaCl
 
 1-Chlorhexan
 
 + HCl
 
 (CH 2)5 SO3 Na
 
 H 3C
 
 − NaCl
 
 (CH2)5 SO3H
 
 Hexan-1-sulfonsäure
 
 Addition von Hydrogensulfit an Alkene ̈ Das Hydrogensulfit-Anion addiert an Alkene mit Elektronenakzeptor-Substituenten E. Dabei entstehen Sulfonate: E
 
 E C C
 
 +
 
 H C C SO3
 
 HSO3
 
 E = CO2CH 3 , CN
 
 substituiertes Alkansulfonat-Anion
 
 Diese Reaktion wird zur Herstellung des Feuchthaltemittels Natriumdi-n-octylsulfosuccinat aus Maleinsäuredi-n-octylester und Natriumhydrogensulfit (Bisulfit) angewendet: H
 
 O H O
 
 +
 
 2 H 3C
 
 (CH2)7 OH H
 
 H
 
 O Maleinsäureanhydrid
 
 Octanol
 
 C C
 
 H
 
 CO2C 8H17
 
 + NaHSO3
 
 H C CO2C 8H17 H C CO2C 8H17
 
 CO2C 8H17
 
 SO3 Na
 
 Maleinsäuredi-n-octylester
 
 Natriumdi-n-octylsulfosuccinat
 
 Sulfochlorierung und Sulfoxidation von Alkanen Technisch werden die Sulfochloride durch licht- oder peroxid-induzierte radikalische Substitution der Alkane mit Chlor und Schwefeldioxid nach dem in Kap. 3.1 skizzierten Mechanismus hergestellt. Die Sulfochlorierung eines Alkans ist nicht selektiv, d. h. man erhält oft ein Gemisch regioisomerer Sulfochloride. Durch Erhitzen mit Wasser können die Sulfochloride zu den Sulfonsäuren hydrolysiert werden: ̈
 
 R SO2 Cl
 
 +
 
 100 °C
 
 H2O
 
 R SO3H
 
 +
 
 HCl
 
 Die radikalische Sulfoxidation der Alkane mit Schwefeldioxid und Sauerstoff führt direkt zu den Sulfonsäuren: R H
 
 +
 
 SO2
 
 +
 
 R SO3H
 
 1/2 O2
 
 Elektrophile Sulfonierung von Aromaten Die meisten Arensulfonsäuren werden durch elektrophile Sulfonierung von Aromaten hergestellt (Kap. 11.1.3): ̈
 
 Ar H
 
 +
 
 SO3
 
 H2S2O7
 
 Ar
 
 SO3H
 
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 430
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen
 
 Als Sulfonierungsreagenzien eignen sich rauchende Schwefelsäure (H2SO4 x SO3 oder H2S2O7) und Addukte von LEWIS-Basen wie Pyridin oder 1,4-Dioxan mit Schwefeltrioxid: O
 
 Pyridin-SO3
 
 N
 
 1,4-Dioxan-SO3
 
 O
 
 SO3
 
 SO3
 
 Unter sehr milden Bedingungen gelingt die Sulfonierung von Aromaten mit konz. Schwefelsäure und Thionylchlorid: Ar H
 
 +
 
 H2SO4
 
 +
 
 20 °C
 
 SOCl2
 
 Ar
 
 SO3H
 
 +
 
 SO2
 
 +
 
 2 HCl
 
 Benzensulfonate mit langkettigen Alkyl-Gruppen (C10 - C14) in p-Stellung zum Sulfonat-Rest sind biologisch abbaubare Detergentien (Kap. 42.8). Sie werden durch Sulfonierung der entsprechenden Alkylbenzene hergestellt: H3C
 
 (CH 2)n CH CH 3
 
 1.) + SO3 2.) + NaOH
 
 H 3C
 
 (CH 2)n CH CH 3
 
 − H2O
 
 SO3 Na
 
 n = 7 - 10
 
 ̈ Sulfochlorierung von Aromaten Arylsulfonsäurechloride (Sulfo- oder Sulfonylchloride) sind wie die Carbonsäurechloride durch Derivatisierung der Sulfonsäuren mit Thionylchlorid, Phosphorpentachlorid oder Phosphoroxidchlorid zugänglich. Meist werden die Arylsulfonylchloride jedoch direkt durch elektrophile Substitution der Aromaten mit Chlorsulfonsäure dargestellt, z. B.: O H3C
 
 H
 
 +
 
 2 HO S Cl O Chlorsulfonsäure
 
 − HCl
 
 O S Cl
 
 H3C
 
 +
 
 H2SO4
 
 O p-Toluensulfonsäurechlorid ("Tosylchlorid")
 
 24.12.2 Acidität und Wasserlöslichkeit von Sulfonsäuren Die Sulfonsäuren zeigen eine der Schwefelsäure vergleichbare, hohe Acidität und bilden stabile Salze. Trifluormethan- und Pentafluorethansulfonsäuren gehören zu den stärksten organischen Supersäuren. Supersäuren autoprotolysieren; sie sind auch in Abwesenheit von Wasser sehr starke Säuren und zeigen eine mindestens ebenso große Acidität wie die reine Schwefelsäure. Schwefelsäure
 
 2 H2SO4 2 CF 3−SO3H
 
 Trifluormethansulfonsäure Pentafluorethansulfonsäure
 
 2 CF 3−CF 2−SO3H
 
 H3SO4
 
 +
 
 CF 3−SO3H2
 
 HSO4 +
 
 CF 3−CF2−SO3H2
 
 CF3−SO3 +
 
 CF3−CF 2−SO3
 
 Die Salzbildung der Sulfonsäuren mit p-Toluidin zu den scharf schmelzenden p-Toluidiniumsulfonaten ist eine alte Methode zur Charakterisierung von Aminen und Sulfonsäuren: Ar
 
 SO3H
 
 +
 
 H2N
 
 CH3 p-Toluidin
 
 Ar
 
 SO3
 
 H3N
 
 CH3
 
 p-Toluidinium-arylsulfonat
 
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 24.12 Sulfonsäuren
 
 431
 
 Die meisten Sulfonsäuren sind gut wasserlöslich und kristallisieren als stabile Hydrate. Sulfonsäure-Funktionen werden oft zur Erhöhung der Wasserlöslichkeit und als reaktive Gruppen in organische Moleküle eingebaut, z. B. in Farbstoffe.
 
 24.12.3 Reaktionen der Sulfonsäuren und Sulfochloride Derivatisierungen Sulfonsäurechloride erhält man durch Reaktion der Alkalisulfonate mit Phosphorpentachlorid: ̈
 
 3 R SO3 Na
 
 +
 
 PCl5
 
 3 R SO2 Cl + Sulfonsäurechlorid
 
 NaPO3
 
 +
 
 2 NaCl
 
 Aus den Sulfonsäurechloriden lassen sich weitere Sulfonsäure-Derivate darstellen. Die Alkoholyse ergibt Sulfonsäureester, R
 
 SO2 Cl
 
 +
 
 R'
 
 OH
 
 (Base)
 
 R SO2 OR' + Sulfonsäureester
 
 HCl
 
 und die Ammono- bzw. Aminolyse führt zu den bei der HINSBERG-Trennung primärer und sekundärer Amine (Kap. 22.6.5) bereits erwähnten Sulfonamiden: R' (Ar) R
 
 SO2 Cl
 
 +
 
 R'
 
 (Amin-Überschuß oder Base)
 
 H N
 
 (Ar) R SO2 N
 
 − HCl
 
 R'
 
 Sulfonamid
 
 R' = H , Alkyl oder Aryl
 
 R'
 
 Weitere Derivate sind die Sulfhydroxamsäuren und Sulfhydrazide: (Ar) R
 
 SO2 Cl
 
 +
 
 H 2N OH
 
 (Ar) R
 
 SO2 Cl
 
 +
 
 H 2N NH R'
 
 (Base)
 
 − HCl (Base)
 
 − HCl
 
 (Ar) R SO2 NH OH Sulfhydroxamsäure (Ar) R
 
 SO2 NH NH R' Sulfhydrazid
 
 Das cyclische Imid des 2-Carboxybenzensulfonamids ist in Form seines Natriumsalzes als der Süßstoff "Saccharin" bekannt. Es wird aus Toluen durch Sulfochlorierung und Oxidation des als Zwischenstufe gebildeten o-Toluensulfonamids hergestellt: + Cl
 
 CH 3
 
 + 2 NH3
 
 S 2Cl SO
 
 SO3H
 
 ClO2S Nebenprodukt :
 
 − HCl
 
 CH3
 
 CH3
 
 − NH4 Cl
 
 O
 
 S
 
 O NH2
 
 CH 3 o-Toluensulfonamid
 
 + 3/2 O2 (KMnO4 ) 35 °C − H2 O
 
 O
 
 S C
 
 O NH2
 
 O − H2 O
 
 OH
 
 O 2-Carboxybenzensulfonamid
 
 O
 
 S
 
 N H O
 
 O + NaOH − H2 O
 
 O S INI Na
 
 O "Saccharin"
 
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 432
 
 24 Organoschwefel-Verbindungen
 
 Ein weiterer Süßstoff ist das als "Calciumcyclamat" bekannte Cyclohexylamid der Schwefelsäure. Es wird durch N-Sulfonierung des Cyclohexylamins durch Chlorsulfonsäure in Gegenwart von Calciumhydroxid hergestellt: NH3+ Cl
 
 −2
 
 6
 
 NH2
 
 +
 
 2 Cl
 
 H
 
 −
 
 N SO 3
 
 2
 
 SO3H
 
 + Ca(OH) 2
 
 H3N
 
 −2
 
 NH2 , − 2 H2O
 
 H Calciumcyclamat
 
 N SO 3
 
 2 Ca
 
 2
 
 Die aus p-Tosylamid und Hypochlorit zugänglichen N-Chlorsulfonamide wirken antiseptisch: H 3C
 
 + 2 NH3
 
 SO2 Cl
 
 H3C
 
 − NH4Cl
 
 SO2 NH2 + NaOCl
 
 − NaOH
 
 H SO2 N Cl "Chloramin T" (N-Chlortoluensulfonamid)
 
 + NaOCl
 
 H3C
 
 − NaOH
 
 Cl SO2 N Cl "Dichloramin T" (N,N-Dichlortoluensulfonamid) H3C
 
 Mehrere Arensulfonamide kommen als antibakterielle Chemotherapeutika mit breitem Wirkungsspektrum zum Einsatz. Einige Sulfonylharnstoffe werden als orale Antidiabetika verabreicht. Nucleophile Austauschreaktionen Nucleophile können die Sulfonsäure-Gruppe substituieren, auch in Aromaten. Beispiele sind außer der bereits erwähnten Darstellung von Phenolen durch Alkalischmelze der Sulfonate (Kap. 21.4.4) ̈
 
 die Bildung von Arylcyaniden aus Sulfonat und Kaliumcyanid, Ar
 
 SO3 K
 
 +
 
 K CN
 
 Ar CN + Arylcyanid (Nitril)
 
 K2SO3
 
 sowie die Bromdesulfonierung, z. B. zur Darstellung des 4-Bromanilins: NH 2 Br
 
 NH 2
 
 SO3 Na 4-Aminobenzennatriumsulfonat
 
 NH 2 − SO3 , − Na Br
 
 + Br 2
 
 Br
 
 SO3 Na
 
 Br 4-Bromanilin
 
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 25.1 Kohlensäure
 
 433
 
 25 Kohlensäure-Derivate 25.1 Kohlensäure In wäßriger Lösung ist das Gleichgewicht zwischen gelöstem Kohlendioxid und Kohlensäure (H2CO3) zugunsten des Dioxids verschoben: O CO2 (gelöst)
 
 +
 
 H 2O
 
 HO C OH
 
 Das Dissoziationsgleichgewicht der Kohlensäure entspricht dem einer schwachen zweibasigen anorganischen Säure: H2CO3
 
 +
 
 H 2O
 
 HCO3
 
 +
 
 H3O
 
 Ka =
 
 HCO3
 
 +
 
 H2O
 
 CO3 2
 
 +
 
 H3O
 
 Ka =
 
 c
 
 −
 
 (HCO3 ) c (H3O+)
 
 c c
 
 (H2CO3)
 
 −4
 
 ~ 2 x 10
 
 −
 
 (CO32 ) c (H3O+)
 
 c
 
 −
 
 (HCO3 )
 
 ~
 
 −8
 
 10
 
 Die Kohlensäure läßt sich bei tiefen Temperaturen als Dimethyletherat vom Schmelzpunkt − 47 °C kristallisieren, das sich ab 5 °C zersetzt. Dagegen sind die Halogenide, Ester und Amide der Kohlensäure stabile Verbindungen. Tab. 25.1 stellt bedeutende Kohlensäure- und KohlendioxidDerivate zusammen.
 
 25.2 Kohlensäurehalogenide 25.2.1
 
 Phosgen
 
 Von der Kohlensäure leiten sich zwei Halogenide ab, das nicht korrekt als Chlorameisensäure bezeichnete Kohlensäuremonochlorid, und ein Dichlorid, das Phosgen (Tab. 25.1). Kohlensäuremonochlorid ist nur in Form seiner Ester stabil. Das stabile Phosgen wird durch katalytische Chlorierung des Kohlenmonoxids CO
 
 +
 
 Cl2
 
 O
 
 Aktivkohle , 100 - 150 °C
 
 Cl C Cl
 
 oder durch Reaktion von Tetrachlormethan mit Schwefelsäure / Schwefeltrioxid hergestellt. CCl4
 
 +
 
 H 2SO4
 
 +
 
 SO3
 
 80 °C
 
 O Cl C
 
 + Cl
 
 2 Cl SO3H Chlorsulfonsäure
 
 Phosgen riecht strohartig, setzt beim Einatmen in Bronchien und Lunge Salzsäure frei, bildet daher Lungenödeme und wurde militärisch als Giftgas eingesetzt.
 
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 434
 
 25 Kohlensäure-Derivate Tab. 25.1. Einige Kohlensäure-Derivate
 
 Stammverbindung Formel Bezeichnung
 
 Derivat Formel
 
 O
 
 O Kohlensäure
 
 HO C
 
 Formel
 
 OH O X C OR O X C X O OR O
 
 Cl C
 
 Kohlensäuredihalogenide
 
 Cl C
 
 Harnstoffe (Kohlensäurediamide)
 
 R2N C NR2
 
 O CH3 O
 
 O (H3C)3C O C O C6H5 O (H3C)2N C N(CH3)2
 
 O NH NH R O R NH NH C OR' O OR' O H2N C OR O H2N C NH NH R Thiokohlensäure (Thion- und OH Thiol-Tautomer)
 
 S
 
 S
 
 O
 
 Hydrazide (Carbazide)
 
 Ph NH NH C
 
 Esterhydrazide (Carbazate)
 
 R NH NH C
 
 NH NH Ph O O C(CH 3)3 O N3 C O C(CH 3)3
 
 X
 
 H2N C
 
 Carbamidsäurehydrazid (Semicarbazid)
 
 H2N C
 
 O C O
 
 25.2.2
 
 t-Butoxycarbonylazid (BOC-Azid)
 
 75 (93.1 mbar)
 
 Ethylurethan
 
 49
 
 Semicarbazid
 
 96
 
 185
 
 73
 
 Thiophosgen
 
 Thioharnstoff
 
 H2N C
 
 182
 
 NH 2 S Xanthogenate
 
 Na
 
 S C O C 2H5
 
 OR R O C N
 
 Natriumethylxanthogenat
 
 Isocyanate
 
 C 6H5 O C N
 
 Phenylisocyanat
 
 Carbodiimide
 
 C 6H11 N C N
 
 Dicyclohexylcarbodiimid
 
 C 6H5 S C N
 
 Phenylisothiocyanat
 
 − 30
 
 163
 
 34
 
 H 11C6
 
 R Schwefelkohlenstoff
 
 40
 
 S
 
 R N C N
 
 S C S
 
 t-Butylcarbazat
 
 164
 
 Cl
 
 Thioharnstoffe
 
 S C
 
 Kohlendioxid
 
 Diphenylcarbazid (Ph = C6H5)
 
 S Cl C
 
 S M
 
 50
 
 NH NH2
 
 NR2 Dithiokohlensäure (Thion- und SH Thiol-Tautomer)
 
 133
 
 O C2H5 O
 
 S
 
 S
 
 Tetramethylharnstoff
 
 O
 
 Carbamidsäureester (Urethane)
 
 Thiokohlensäurehalogenide
 
 X C
 
 R2N C
 
 HO C
 
 76 (1.06 mbar)
 
 t-Butylphenylcarbonat
 
 Guanidin
 
 H 2N C
 
 Kohlensäureesterazide
 
 N3 C
 
 HO C
 
 8
 
 NH2
 
 R NH NH C
 
 OH
 
 − 118
 
 NH Guanidine
 
 NR2
 
 Carbamidsäure
 
 Phosgen
 
 71
 
 Cl
 
 NR R2N C
 
 O
 
 Schmelz Siedepunkt punkt °C °C (1011 mbar)
 
 Kohlensäuremethylesterchlorid (Chlorameisensäuremethylester)
 
 O
 
 Kohlensäureesterhalogenide
 
 Kohlensäureester (Dialkylcarbonat)
 
 RO C
 
 H 2N C
 
 Bezeichnung
 
 Kohlensäuremonohalogenide
 
 X C
 
 OH
 
 Beispiel Bezeichnung
 
 R S C N
 
 Isothiocyanate
 
 221
 
 Reaktionen von Phosgen
 
 In warmem Wasser hydrolysiert Phosgen zu Kohlendioxid und Chlorwasserstoff: O +
 
 Cl C
 
 H2O
 
 CO2
 
 +
 
 2 HCl
 
 Cl
 
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 25.3 Kohlensäureesterchloride
 
 435
 
 Eine technisch bedeutende Reaktion ist die Umsetzung von Phosgen mit primären Aminen zu Isocyanaten. H Cl 3 R NH2
 
 +
 
 − R NH3+ Cl
 
 C O Cl
 
 −
 
 R N C O
 
 +
 
 R NH2
 
 − R NH3+ Cl
 
 −
 
 R N C O
 
 Cl Chlorkohlensäure-N-alkylamid
 
 Isocyanat
 
 Während Isocyanate Schlüsseledukte für organische Synthesen sind, spielen die aus Thiophosgen und primären Aminen zugänglichen Isothiocyanate als mikrobiozide und fungizide pflanzliche Abwehr- und Scharfstoffe eine Rolle, die aus Senfsamen, verschiedenen Kohlarten und Meerrettich durch enzymatische Spaltung von Thioglycosiden wie Sinigrin (Kap. 40.4.4) in Form der Senföle freigesetzt werden. Die bei der Spaltung zunächst entstehenden ThiohydroxamsäureSulfate gehen durch LOSSEN-Umlagerung in die Isothiocyanate über. Allylisothiocyanat (Allylsenföl)
 
 CH2 CH CH2 S C N
 
 n-Butylisothiocyanat (Butylsenföl)
 
 CH 2 CH2 CH2 CH 3 S C N
 
 Viele der nachfolgend besprochenen Kohlensäure-Derivate werden aus Phosgen oder Isocyanaten hergestellt.
 
 25.3 Kohlensäureesterchloride Kohlensäureesterchloride bilden sich aus Phosgen und Alkoholen, wenn man keine Base zur Bindung des entstehenden Chlorwasserstoffs verwendet. O
 
 O +
 
 Cl C Cl
 
 HO R
 
 Cl C
 
 + HCl O R Kohlensäureesterchlorid (Chlorameisensäureester)
 
 Das als Benzyloxycarbonylchlorid oder Carbobenzoxychlorid bekannte Kohlensäurebenzylesterchlorid (Kap. 25.5) wird durch Einleiten von Phosgen in Benzylalkohol hergestellt. O
 
 O Cl C
 
 + Cl
 
 HO CH 2
 
 Cl C
 
 + O
 
 HCl
 
 CH2
 
 Kohlensäurebenzylesterchlorid (Benzyloxycarbonylchlorid)
 
 Kohlensäureesterchloride werden irreführend als Chlorameisensäureester bezeichnet. Korrekterweise sind sie Derivate der Kohlensäure (C-Atom mit vier C−Heteroatom-Bindungen) und nicht der Ameisensäure (Carboxy-C-Atom mit einer C−H- und drei C−Heteroatom-Bindungen); dieser Unterschied der Oxidationsstufe prägt die Reaktivität.
 
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 436
 
 25 Kohlensäure-Derivate
 
 25.4 Kohlensäureester Kohlensäureester oder Dialkylcarbonate erhält man durch Alkoholyse des Phosgens in Gegenwart einer Base (Triethylamin, Pyridin): Cl
 
 O R +
 
 O C
 
 2 R OH
 
 +
 
 2 NR'3
 
 +
 
 O C
 
 Cl
 
 2 R'3NH Cl
 
 O R R = C2H5 : Diethylcarbonat
 
 Kohlensäureester mit verschiedenen Alkoxy-Gruppen entstehen durch Alkoholyse der Kohlensäureesterhalogenide in Gegenwart einer Base. t-Butylphenylcarbonat wird z. B. aus Kohlensäurephenylesterchlorid und t-Butylalkohol in Gegenwart von Chinolin dargestellt: CH 3
 
 CH 3
 
 O
 
 H 3C C OH
 
 +
 
 +
 
 Cl C
 
 N
 
 O
 
 CH 3
 
 O +
 
 H 3C C O C CH 3
 
 Kohlensäurephenylesterchlorid (Chlorameisensäurephenylester)
 
 N
 
 O
 
 H Cl
 
 t-Butylphenylcarbonat
 
 25.5 Carbamidsäure, Urethane Das Monoamid der Kohlensäure ist die an sich instabile Carbamidsäure (Tab. 25.1). Ihr aus Kohlendioxid und Ammoniak entstehendes Ammoniumsalz kann jedoch isoliert werden: NH 2 O C O
 
 +
 
 O C
 
 NH3
 
 + NH3
 
 OH Carbamidsäure
 
 NH 4
 
 NH 2 O C_ OI _
 
 NH 2 _ _ C IO O
 
 NH2 _ _ C_ IO OI _
 
 + H2O 60°C
 
 mesomere Grenzformeln des Carbamat-Anions im Ammonium-carbamat
 
 CO32
 
 +
 
 2 NH4
 
 CO2
 
 +
 
 2 NH3
 
 +
 
 H2O
 
 Mit wenig Wasser hydrolysiert Ammoniumcarbamat beim Erhitzen über Ammoniumcarbonat in Kohlendioxid und Ammoniak. Die Ester der Carbamidsäure und ihrer N-Alkyl- oder Aryl-Derivate werden als Urethane bezeichnet. Urethane entstehen durch Ammonolyse der Kohlensäuresterchloride, z. B.: Cl +
 
 O C OC2H 5
 
 2 NH 3
 
 − NH4Cl
 
 NH2 O C OC2H 5
 
 Ethylurethan (Ethylcarbamat)
 
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 25.6 Harnstoffe
 
 437
 
 Durch Aminolyse von Kohlensäurebenzylesterchlorid (Benzyloxycarbonylchlorid) wird die Amino-Funktion von α-Aminosäuren bei Peptidsynthesen geschützt (Kap. 38.4.2). Der so eingeführte N-Benzyloxycarbonyl-Rest (die Z-Schutzgruppe) gehört zu den Urethan-Schutzgruppen: H
 
 O C Cl CH 2
 
 +
 
 O
 
 H
 
 O
 
 H2N C CO2
 
 C NH C CO2
 
 − HCl
 
 CH2
 
 R
 
 O
 
 R
 
 N-Benzyloxycarbonylaminosäure (Anion)
 
 α-Aminosäure (Anion)
 
 N-Alkyl- oder N-Arylurethane erhält man durch Addition von Alkoholen an Isocyanate, z. B.: H O C N
 
 +
 
 N
 
 _ _ C2H 5 HO
 
 O C OC 2H5 Ethyl-N-phenylurethan
 
 Phenylisocyanat
 
 Die Bildung der kristallinen, scharf schmelzenden Alkyl-N-arylurethane aus Arylisocyanaten und Alkoholen eignet sich zur Identifizierung von Alkoholen.
 
 25.6 Harnstoffe Diamide der Kohlensäure (Tab. 25.1) werden als Harnstoffe bezeichnet. Sie sind im Gegensatz zur Carbamidsäure sehr stabil.
 
 25.6.1
 
 Bildung von Harnstoff
 
 Harnstoff entsteht durch Ammonolyse von Phosgen, Kohlensäureesterchloriden (Alkyloxycarbonylchloriden) und Dialkylcarbonaten: Cl Phosgen
 
 O C Cl + 4 NH3
 
 Cl O C OR
 
 NH 2
 
 + 3 NH3 − NH4Cl , − R OH
 
 Kohlensäureesterchlorid
 
 − 2 NH4Cl
 
 OR
 
 + 2 NH3
 
 O C
 
 O C
 
 − 2 R−OH
 
 NH 2
 
 OR
 
 Harnstoff
 
 Dialkylcarbonat
 
 Aus Kohlendioxid und Ammoniak entsteht unter Druck ebenfalls Harnstoff über Ammoniumcarbamat (Kap. 25.5) als Zwischenstufe: NH2 O C O
 
 +
 
 2 NH 3
 
 O C
 
 +
 
 H2O
 
 NH2
 
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 438
 
 25 Kohlensäure-Derivate
 
 Eine weitere Harnstoff-Synthese geht aus von Kohlenmonoxid, Schwefel und Ammoniak, wobei Carbonylsulfid, Ammoniumthiocarbamat und Ammoniumisocyanat als Zwischenstufen auftreten: CO
 
 +
 
 S
 
 NH 2
 
 + NH3
 
 O C S
 
 SH
 
 Carbonylsulfid
 
 NH 2 O C_ SI _
 
 NH 2 _ _ C O S
 
 − H2S − NH3
 
 NH4
 
 H O C N
 
 + NH3
 
 O C Thiocarbamidsäure
 
 _ O C N _
 
 + NH3
 
 Ammonium-thiocarbamat
 
 NH4
 
 NH2
 
 Hitze
 
 O C NH2
 
 Ammonium-isocyanat
 
 Harnstoff
 
 Der letzte Schritt, die thermische Umlagerung von Ammonium-isocyanat zu Harnstoff, ist die historische WÖHLER-Synthese der organischen Verbindung Harnstoff aus einem anorganischen Salz. Biologisch entsteht Harnstoff als Hauptabbauprodukt der Stickstoff-Verbindungen im Säugetierorganismus. Er kann aus Urin isoliert werden.
 
 25.6.2
 
 Reaktionen von Harnstoff
 
 Harnstoff-Addukte Harnstoff bildet mit längerkettigen unverzweigten Kohlenwasserstoffen, Halogenalkanen und Fettsäuren Addukte. Diese Reaktion kann zur Trennung der geradkettigen Verbindungen von ihren verzweigten Isomeren herangezogen werden. Wie die RÖNTGEN-Beugung zeigt, betten sich die unverzweigten Kohlenstoff-Ketten in die sechseckigen Kanäle des Harnstoff-Kristallgitters ein. Für verzweigte Verbindungen sind diese Kanäle zu eng. ̈
 
 Hydrolyse In Gegenwart starker Mineralsäuren oder Basen wird Harnstoff beim Erhitzen hydrolysiert: ̈
 
 CO32
 
 +
 
 + 2 OH
 
 2 NH3
 
 NH2
 
 −
 
 O C
 
 +
 
 + 2 H3O
 
 CO2
 
 +
 
 2 NH 4
 
 +
 
 H2O
 
 NH2
 
 Harnstoff ist bei Raumtemperatur auch ein schwacher Protonenakzeptor, d. h. eine Base. Das durch Protonierung entstehende, mesomeriestabilisierte Harnstoff-Kation liegt in Uronium-Salzen vor. NH2
 
 NH 2
 
 − H2O
 
 +
 
 O C
 
 H 3O
 
 HO C NH 2
 
 NH2
 
 NH2
 
 NH 2
 
 HO C
 
 HO C NH2
 
 NH 2 HO C
 
 NH 2
 
 NH 2
 
 Reaktion mit salpetriger Säure Wie primäre aliphatische Amine und Säureamide reagiert Harnstoff mit Nitrit in saurer Lösung zu Kohlendioxid, Stickstoff und Wasser. NH2 O C
 
 + NH2
 
 OH 2O N
 
 CO2
 
 +
 
 2 N2
 
 +
 
 3 H2O
 
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 25.6 Harnstoffe
 
 439
 
 Auf dieser Reaktion beruht eine quantitative Harnstoff-Bestimmung durch gasvolumetrische Messung der freigesetzten Stickstoffmenge (VAN SLYKE-Reaktion, Kap. 22.6.2). Bildung von Ureiden Mit Carbonsäurehalogeniden und Anhydriden sowie mit einigen Estern reagiert Harnstoff zu den als Ureide bezeichneten Acylharnstoffen, z. B.: ̈
 
 O
 
 O +
 
 H 3C C Cl
 
 O
 
 − HCl
 
 C NH 2
 
 O
 
 H3C C N C NH2
 
 H2N
 
 H Acetylharnstoff, ein Ureid
 
 Die Barbitursäure ist ein cyclisches Ureid aus Harnstoff und Malonsäure. Sie leitet sich vom Heteroaromaten Pyrimidin (Kap. 34.10.3) ab und kann, ebenso wie ihre Derivate, TautomerieGleichgewichte eingehen: Oxo-Enol-Tautomere der Barbitursäure O O
 
 O H
 
 N N
 
 H
 
 N
 
 O
 
 N
 
 O
 
 O
 
 H
 
 N N
 
 OH
 
 HO
 
 OH
 
 N
 
 N N
 
 OH
 
 HO
 
 N
 
 OH
 
 H
 
 H Monoenol-Form : 2,4-Dioxo-6-hydroxy-1,2,3,4-tetrahydropyrimidin
 
 Pyrimidin
 
 Barbitursäure ist stärker sauer als Essigsäure. Ihre Acidität beruht auf ihrer Enolisierbarkeit, die bei Ersatz beider Methylen-H-Atome durch Alkyl- oder Aryl-Reste unterbunden wird, so z. B. in den Barbiturat-Schlafmitteln "Luminal" (Phenobarbital, Phenylethylbarbitursäure) und "Barbital" (Diethylbarbitursäure, frühere Bezeichung "Veronal"). Barbitursäure und ihre Derivate werden durch Reaktion von Harnstoff mit den entsprechend substituierten Malonsäurediestern in Gegenwart von Natriumalkoholat hergestellt: O NH 2 O
 
 NH 2
 
 +
 
 H 5C2O H 5C 2O
 
 R
 
 O R'
 
 NaOC 2H 5
 
 O
 
 − 2 C2 H 5OH
 
 H O
 
 N N
 
 R
 
 R' O
 
 R = R' = H : Barbitursäure R = R' = C2H5 : Barbital (Veronal) R = C6H5 , R' = C2H5 : Luminal
 
 H
 
 25.6.3
 
 Alkylharnstoffe
 
 Di- und Tetraalkylharnstoffe entstehen durch Aminolyse des Phosgens. Die Phosgenierung sekundärer Amine führt direkt zu den Tetraalkyl- oder Tetraarylharnstoffen: NR 2
 
 Cl O C
 
 + Cl
 
 4 HNR 2 R = Alkyl oder Aryl
 
 O C
 
 +
 
 2 H2NR2 Cl
 
 NR 2
 
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 440
 
 25 Kohlensäure-Derivate
 
 Dagegen reagieren primäre Amine mit Phosgen zunächst zu Isocyanaten (Kap. 25.2.2), die jedoch überschüssiges Amin unter Bildung der Dialkylharnstoffe addieren: Cl +
 
 O C Cl
 
 − R−NH3+ Cl
 
 3 HNR2
 
 −
 
 R O C N
 
 _ + R−NH2
 
 NH R O C NH R Dialkylharnstoff
 
 R = Alkyl oder Aryl
 
 Die hier zunächst als Teilreaktion beschriebene Addition von Aminen an Isocyanate ist als solche eine weitere Methode zur Darstellung gemischt substituierter N,N'-Dialkylharnstoffe: NH R
 
 R O C N
 
 +
 
 O C
 
 R' NH2
 
 NH R'
 
 Dialkylharnstoffe entstehen auch durch Addition von Wasser an Carbodiimide (Kap. 25.13).
 
 25.7 Guanidin 25.7.1
 
 Basizität und Bindungszustand
 
 Ersetzt man im Harnstoff die Carbonyl- durch eine Imino-Gruppe, so ergibt sich formal Guanidin, eine der stärksten organischen Basen (pKa = 12.5). N-Alkyl-Gruppen verstärken die Basizität, welche als Folge der Mesomeriestabilisierung des bei der Protonierung entstehenden GuanidiniumKations erklärt wird ("Y-Stabilisierung"): NH 2 HN C
 
 NH2
 
 − H2O
 
 +
 
 H3O
 
 H2N C
 
 NH 2 Guanidin
 
 NH 2 H 2N C
 
 NH2
 
 NH2
 
 NH2
 
 H2N C
 
 H2N C
 
 NH 2 NH2 mesomere Grenzformeln des Guanidinium-Kations
 
 NH2
 
 Demnach sind die CN-Bindungen im Guanidinium-Kation nicht unterscheidbar, was die RÖNTbestätigt: Alle CN-Atomabstände sind gleich (118 pm). Die Guanidino-Gruppe ist eine Seitenketten-Funktion der Aminosäure Arginin (Kap. 38.1).
 
 GEN-Diffraktometrie
 
 25.7.2
 
 Darstellung
 
 Eine technische Synthese des Guanidins geht aus von Calciumoxid (gebrannter Kalk) und Koks; sie liefert zunächst Calciumcarbid (Ethindiid) (1), das bei hohen Temperaturen mit Stickstoff zu Calciumcyanamid (Carbodiimid-Salz, Kap. 25.13) reagiert (2). CaO
 
 +
 
 3C
 
 CaC2
 
 +
 
 N2
 
 1000 °C, − CO 1000 °C, − C
 
 Ca2
 
 IC CI
 
 ( CaC2 )
 
 (1)
 
 Ca2
 
 N C N
 
 ( CaCN2 )
 
 (2)
 
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 25.8 Kohlensäurehydrazide
 
 441
 
 Weitere Zwischenstufen sind Cyanamid (3) und Dicyanamid (4), welches bei der Reaktion mit Ammoniumnitrat in Guanidiniumnitrat (5) spaltet: CaCN2
 
 +
 
 − CaSO4
 
 H2SO4
 
 NH 2
 
 Hitze
 
 2 N C NH2
 
 (3)
 
 N C NH 2
 
 (4)
 
 HN C NH C N
 
 NH 2
 
 NH 2
 
 HN C
 
 +
 
 2 NH 4NO3
 
 NH C N
 
 25.7.3
 
 NO3
 
 2 H2N C
 
 (5)
 
 NH 2
 
 Reaktionen
 
 Guanidiniumnitrat reagiert mit kalter Schwefelsäure unter Wasserabspaltung zu der SprengstoffKomponente Nitroguanidin: NH 2
 
 H2SO4 (konz.) , − H2O
 
 NO3
 
 H 2N C
 
 NH NO2 HN C
 
 NH 2
 
 NH2 Nitroguanidin
 
 Nitroguanidin kann zu Aminoguanidin reduziert werden: NH NO2 HN C
 
 +
 
 6 [H ]
 
 +
 
 NH NH 2
 
 Zn , CH3CO2H
 
 6 e0
 
 HN C
 
 − 2 H2O
 
 NH 2
 
 NH2 Aminoguanidin
 
 Aminoguanidin kondensiert mit Aldehyden und Ketonen zu kristallinen Guanylhydrazonen und eignet sich daher als Reagenz auf diese Carbonyl-Verbindungen: NH N C NH 2 C N H
 
 R
 
 H 2N HN C O
 
 R
 
 +
 
 C NH
 
 − H2O
 
 H2N
 
 R
 
 R Guanylhydrazon
 
 25.8 Kohlensäurehydrazide Von der Kohlensäure leiten sich drei Hydrazide ab, die Carbamidsäurehydrazide oder Semicarbazide, die Dihydrazide oder Carbazide sowie die Kohlensäureesterhydrazide: NH NH R
 
 NH2 O C NH NH R Semicarbazid
 
 O C NH NH R Carbazid
 
 OR' O C NH NH R Kohlensäureesterhydrazid
 
 Die Bezeichnungen Semicarbazid und Carbazid sind üblich, aber nicht korrekt, da es sich nicht um Kohlensäureazide, sondern um Hydrazide handelt.
 
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 442
 
 25 Kohlensäure-Derivate
 
 25.8.1
 
 Semicarbazid
 
 Semicarbazid entsteht durch kathodische Reduktion von Nitroharnstoff in verdünnter Schwefelsäure. NH2 O C
 
 +
 
 6 [H ]
 
 +
 
 6 e0
 
 Pb-Kathode , H2SO4
 
 NH 2 O C
 
 +
 
 2 H2O
 
 NH NH 2 Semicarbazid
 
 NH NO2
 
 Es reagiert mit Carbonyl-Verbindungen zu kristallinen Semicarbazonen und eignet sich deshalb wie Aminoguanidin zur Charakterisierung von Aldehyden und Ketonen (Kap. 20.8.5).
 
 25.8.2
 
 Carbazide
 
 Carbazide entstehen durch Hydrazinolyse des Phosgens; das auf diese Weise zugängliche Diphenylcarbazid bildet mit Übergangsmetall-Kationen farbige Chelate. Cl
 
 NH NH
 
 O C
 
 +
 
 4 H 2N NH
 
 +
 
 O C
 
 Cl
 
 2 Cl H3N NH
 
 NH NH Diphenylcarbazid
 
 25.8.3
 
 Esterhydrazide der Kohlensäure
 
 Esterhydrazide (andere Bezeichnungen: Carbazate, Alkylhydrazinocarbonate) der Kohlensäure entstehen durch Hydrazinolyse von Alkylphenylcarbonaten, z. B.: O C(CH 3)3
 
 O C(CH3)3
 
 O C
 
 +
 
 O C
 
 H2N NH2
 
 +
 
 HO
 
 NH NH 2
 
 O t-Butylphenylcarbonat
 
 t-Butylhydrazinocarbonat (t-Butylcarbazat)
 
 25.9 Azidokohlensäureester Während das Diazid der Kohlensäure [O=C(N3)2] instabil ist, sind manche Azidokohlensäureester (nicht korrekte Bezeichnung: Azidoameisensäureester) isolierbar, obschon explosiv. Azidokohlensäureester bilden sich durch Nitrosierung der Esterhydrazide mit salpetriger Säure, z. B.: O C(CH 3)3 O C
 
 + NH NH2
 
 HNO2
 
 − 2 H2O
 
 O C(CH3)3 O C_ N _ NI _ N
 
 O C(CH3)3 O C_ N _ N NI
 
 O C(CH 3)3 O C
 
 _ N _ N NI
 
 t-Butylazidocarbonat (t-Butoxycarbonylazid, "Boc-Azid") mesomere Grenzformeln
 
 Mit t-Butylazidocarbonat (t-Butoxycarbonylazid, "Boc-Azid") wurden Aminosäuren in die N-tButoxycarbonyl-Derivate ("Boc-Aminosäuren") übergeführt, bevor sich Di-t-butylcarbonat und Di-t-butylpyrocarbonat ("Boc-Anhydrid") als bessere, nicht explosive Reagenzien zur Einführung dieser Urethan-Schutzgruppe erwiesen (Kap. 37.8.5, 38.4.2).
 
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 25.10 Thiokohlensäure-Derivate
 
 443
 
 25.10 Thiokohlensäure-Derivate Die nicht beständige Thiokohlensäure existiert in Form einiger Derivate wie Thiophosgen, Thionocarbonate (Thiokohlensäureester), Thioharnstoff, Thiosemicarbazid und Thiocarbohydrazide: OR
 
 Cl
 
 OH
 
 Thiophosgen
 
 NH2
 
 NH 2
 
 Thionocarbonat
 
 NH NH R S C
 
 S C
 
 S C OR
 
 Cl
 
 OH Thiokohlensäure
 
 NH 2
 
 S C
 
 S C
 
 S C
 
 Thioharnstoff
 
 NH NH R
 
 NH NH 2 Thiosemicarbazid
 
 Thiocarbohydrazid
 
 Das flüssige, toxische Thiophosgen bildet sich aus Schwefelkohlenstoff und Chlor. Es reagiert mit 1,2-Diolen in Gegenwart von 4-N,N-Dimethylaminopyridin als Hilfsbase zu cyclischen Thionocarbonaten. Diese fragmentieren nach COREY-WINTER mit Trialkylphosphiten in der Hitze zu Alkenen, Kohlendioxid und Trialkylthiophosphaten. Dabei addiert Trialkylphosphit nucleophil an das S-Atom zum 1,3-Dioxolan-2-S-ylid, das nach Abspaltung von Trialkylthiophosphat über 1,3Dioxolan-2-carben mit Trialkylphosphit ein 1,3-Dioxolan-2-ylid ergibt. Die syn-Eliminierung von Kohlendioxid und Trialkylphosphit führt schließlich zum Alken. O S P(OCH 3)3
 
 O
 
 O
 
 S
 
 O
 
 P(OCH 3)3
 
 O
 
 − S P(OCH3) 3
 
 O
 
 + P(OCH3) 3
 
 O
 
 1,3-Dioxolan-2-S-ylid
 
 O
 
 Carbena-1,3-dioxolan
 
 1,3-Dioxolan-2-ylid
 
 − CO2 , − P(OCH3) 3
 
 + P(OCH3) 3
 
 O
 
 OH
 
 − 2 HCl
 
 S
 
 P(OCH 3)3
 
 Cl +
 
 OH
 
 O
 
 S Cl
 
 Thionocarbonat
 
 Thioharnstoff bildet sich aus Cyanamid und Schwefelwasserstoff unter Druck: N C NH 2
 
 +
 
 NH 2
 
 Druck
 
 H 2S
 
 S C NH 2
 
 Er ist wie Harnstoff mesomeriestabilisiert und steht im Tautomerie-Gleichgewicht mit der Isothioharnstoff-Form: NH 2
 
 NH 2 _ IS _ C NH 2
 
 S C NH 2
 
 NH2 _ IS _ C NH2
 
 NH HS C NH 2 Isothioharnstoff
 
 mesomere Grenzformeln des Thioharnstoffs
 
 Thioharnstoff und Isothioharnstoff sind Schwefel-Nucleophile; sie reagieren daher mit Halogenalkanen zu S-Alkylisothiuronium-Halogeniden:
 
 R
 
 X
 
 +
 
 NH 2 _ HS _ C NH
 
 Isothioharnstoff-Tautomer
 
 NH 2
 
 R X
 
 S C
 
 NH 2
 
 R S C
 
 NH 2
 
 NH2
 
 R S C
 
 NH 2
 
 NH2
 
 mesomere Grenzformeln des S-Alkyliosthiuronium-Ions
 
 NH2
 
 R S C
 
 O2N _ IO _
 
 NH2
 
 NO2
 
 O2N S-Alkylisothiuronium-pikrat
 
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 444
 
 25 Kohlensäure-Derivate
 
 Ist bei dieser Reaktion Pikrinsäure zugegen, so entstehen durch Ionenaustausch die gelben, kristallinen S-Alkylisothiuronium-Pikrate zum Nachweis und zur Charakterisierung der Halogenalkane.
 
 25.11 Dithiokohlensäure-Derivate Auch die Dithiokohlensäure ist nur in Form einiger Derivate beständig, z. B. in Form ihres Anhydrids Schwefelkohlenstoff, oder als Ester, den Xanthogensäuren und deren Salzen, den Xanthogenaten: SH
 
 _ SI _
 
 SH
 
 S C
 
 S C S
 
 OH Dithiokohlensäure
 
 S C OR Xanthogensäure
 
 Schwefelkohlenstoff
 
 M
 
 S C OR Xanthogenat
 
 Schwefelkohlenstoff, das Schwefel-Analogon des Kohlendioxids, ist eine leicht entflammbare, tief siedende, farblose und stark lichtbrechende Flüssigkeit, die sich als Lösemittel für wenig polare organische Verbindungen eignet. Er bildet sich aus den Elementen bei hoher Temperatur (900 °C), oder aus Methan und Schwefeldampf in Gegenwart von Aluminiumoxid: CH 4
 
 +
 
 4S
 
 750 °C , Al2O3
 
 CS2
 
 +
 
 2 H 2S
 
 Salze der Xanthogensäure entstehen durch Addition von Alkoholaten an Schwefelkohlenstoff: S Na S C S
 
 +
 
 Na
 
 S C
 
 O CH 2 CH3
 
 O CH 2 CH 3 Natrium-ethylxanthogenat
 
 Ethylxanthogenat und seine höheren Alkylhomologen zersetzen sich beim Erhitzen unter Bildung von Ethen bzw. Alkenen (TSCHUGAJEFF-Reaktion, Kap. 24.2.1).
 
 25.12 Trithiokohlensäure Im Gegensatz zur Thio- und Dithiokohlensäure ist die Trithiokohlensäure bis etwa 80 °C stabil. Ihr Ammoniumsalz entsteht aus Schwefelkohlenstoff und Ammoniumhydrogensulfid in absolutem Ethanol bei 0 °C. S S C S
 
 +
 
 NH 4 SH
 
 NH 4
 
 S C SH Ammoniumhydrogentrithiocarbonat
 
 Der Monoethylester bildet sich aus Schwefelkohlenstoff und Ethanthiol in wäßriger Natronlauge: SH S C S
 
 +
 
 HS CH 2 CH3
 
 S C S CH 2 CH3 Monoethyltrithiocarbonat
 
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 25.13 Carbodiimide
 
 445
 
 25.13 Carbodiimide Carbodiimide gehören als Stickstoff-Analoga des Kohlendioxids wie Isocyanate und Isothiocyanate zu den Heterocumulenen: N C NH2 Cyanamid
 
 N C N
 
 S C N
 
 R O C N
 
 O C O
 
 Diarylcarbodiimid
 
 Isothiocyanat
 
 Isocyanat
 
 Kohlendioxid
 
 Ar
 
 R N C N
 
 HN C NH
 
 Ar
 
 R
 
 Carbodiimid
 
 R
 
 Dialkylcarbodiimid
 
 Carbodiimid und Cyanamid stehen in einem spektroskopisch nachweisbaren Tautomerie-Gleichgewicht, das sich bei Dialkyl- oder Diarylcarbodiimiden nicht einstellen kann. Diaryl- oder Dialkylcarbodiimide gewinnt man technisch durch bimolekulare Decarboxylierung von Isocyanaten in Gegenwart von Phospholinoxid als Katalysator, Ar +
 
 N C O
 
 (Kat.)
 
 O C N
 
 Ar N C N
 
 +
 
 Kat. = Phospholinoxid
 
 CO2
 
 Ar
 
 Ar
 
 P O
 
 R
 
 durch Oxidation von N,N'-Dialkylthioharnstoffen mit Quecksilber(II)-oxid,
 
 R
 
 H
 
 H
 
 N
 
 N
 
 C
 
 R R
 
 +
 
 HgO
 
 N C N
 
 +
 
 HgS
 
 +
 
 H2O
 
 R
 
 S
 
 sowie durch Dehydratisierung tosylierter Harnstoffe in Gegenwart starker Basen wie Diisopropylethylamin (DIPEA). Umgekehrt addieren Carbodiimide leicht Wasser unter Bildung der N,N'-Dialkylharnstoffe, z. B.: R N C N R
 
 +
 
 H2O
 
 RHN
 
 C O
 
 NHR
 
 R= Dicyclohexylharnstoff
 
 Daher sowie zwecks Carboxy-Aktivierung werden Dicyclohexylcarbodiimid (abgek. "DCC") und insbesondere Diisopropylcarbodiimid ("DIC") als Kupplungsreagenzien bei Veresterungen und Polypeptid-Synthesen verwendet (Kap. 38.4.1).
 
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 446
 
 26 Umlagerungen
 
 26 Umlagerungen Umlagerungen (Symbol: Reaktionspfeil mit Schleife) sind Reaktionen bzw. Teilreaktionen, bei denen Bindungen gelöst und neu geknüpft werden, so daß sich die Konstitution ändert (Isomerisierungen). Zahlreiche Umlagerungen sind als 1,2-Verschiebungen von Alkyl-, Aryl-Resten oder Bindungen zu verstehen. Je nachdem, ob die wandernde Gruppe sich als Anion, Kation oder Radikal verschiebt, spricht man von Anionotropie, Kationotropie oder radikalischen Umlagerungen.
 
 26.1 Anionotrope 1,2-Verschiebungen Die weitaus meisten Umlagerungen lassen sich in die anionotropen 1,2-Verschiebungen einordnen. Anionotrope 1,2-Verschiebungen gehen aus von reaktiven Zwischenstufen, bei denen ein Atom (C, N oder O) ein Elektronendefizit (Elektronensextett) aufweist. Carbenium-Ionen, Carbene, Nitrenium-Ionen, Nitrene sowie Oxenium-Ionen sind solche reaktive Zwischenstufen.
 
 26.1.1
 
 Allgemeine Mechanismen anionotroper 1,2-Verschiebungen (Sextett-Umlagerungen)
 
 Elektronensextett am C (Carbenium-Ionen, Carbene) Viele Umlagerungen werden durch labile Carbenium-Ionen (Elektronensextett am C) ausgelöst, die sich unter 1,2-Alkyl-Anionotropie in stabilere Carbenium-Ionen umlagern: ̈
 
 R
 
 R
 
 C C
 
 1
 
 o
 
 C C
 
 2
 
 1
 
 2
 
 Auch Acylcarbene lagern sich durch 1,2-Anionotropie in Ketene um: O
 
 _ C CH
 
 H o
 
 O C C
 
 R Acylcarben
 
 R
 
 Keten
 
 Die mehr aus didaktischen Gründen formulierten Ionen bzw. Carbene treten nicht frei auf; experimentelle Befunde weisen vielmehr darauf hin, daß bereits die Abgangsgruppe X einen cyclischen Übergangszustand hinterläßt, in dem sich die ursprüngliche Bindung unter gleichzeitiger Knüpfung der neuen löst: R
 
 X
 
 C C
 
 − XI
 
 R
 
 C C
 
 R
 
 C C
 
 Entsprechendes gilt auch für die folgenden 1,2-Verschiebungen von oder zu Heteroatomen.
 
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 26.1 Anionotrope 1,2-Verschiebungen
 
 447
 
 Elektronensextett am N (Nitrenium-Ionen, Nitrene) Nitrenium-Ionen und Acylnitrene sind Intermediate mit Elektronensextett am Stickstoff. Sie lagern sich unter 1,2-Alkyl-Anionotropie in Carbenium-Ionen bzw. Isocyanate um: R
 
 _ C N
 
 _ C NI
 
 C N R Carbenium-Ion
 
 R Dialkylnitrenium-Ion
 
 O
 
 R
 
 o
 
 o
 
 O C N R Isocyanat
 
 R Acylnitren
 
 Elektronensextett am O (Oxenium-Ionen) Oxenium-Ionen als Intermediate mit Elektronensextett und Koordinationszahl 2 am O-Atom lagern sich unter 1,2-Alkyl-Anionotropie zu stabileren Carbenium-Ionen um: R
 
 R
 
 R C OI _
 
 o
 
 R
 
 _I C O R Carbenium-Ion
 
 R Oxenium-Ion
 
 Bei allen 1,2-Verschiebungen ist die relative Stabilität der Ionen und Radikale treibende Kraft der Umlagerung (tertiär > sekundär > primär), z. B.: H 3C
 
 H
 
 H3C C C H 3C
 
 CH 3
 
 sekundäres Carbenium-Ion
 
 o
 
 H3C
 
 CH3 C C H
 
 H3C
 
 CH3
 
 tertiäres Carbenium-Ion
 
 Die Wanderungstendenz der Gruppe R ist umso größer, je besser der cyclische Zwischenzustand stabilisiert wird. Gegenüber Alkyl-Gruppen und Wasserstoff wandern z. B. Aryl-Gruppen bevorzugt, weil der cyclische Übergangszustand mesomeriestabilisiert ist, wie das Beispiel des intermediären Phenonium-Ions bei anionotropen 1,2-Phenyl-Verschiebungen zeigt. Entsprechende Formulierungen gelten auch für Carbanionen und Radikale.
 
 26.1.2
 
 1,2-Verschiebungen von C zu C WAGNER-MEERWEIN-Umlagerung
 
 Das im ersten Schritt elektrophiler Additionen sowie von E1- und SN1-Reaktionen gebildete Carbenium-Ion kann sich durch 1,2-Alkyl-Verschiebung stabilisieren. Bei diesen WAGNER-
 
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 448
 
 26 Umlagerungen
 
 MEERWEIN-Umlagerungen (Kap. 5.2.2, 15.6.5, 15.6.6) entstehen umgelagerte Substitutionsprodukte oder Alkene: R 1 OH
 
 R1
 
 + [H+]
 
 C C C R2
 
 − H2O
 
 R3
 
 R1 o
 
 C C C R2
 
 C C C R2
 
 R3
 
 R3 β-Eliminierungen
 
 Substitutionen + H2O
 
 −
 
 +
 
 − [H ]
 
 +
 
 − [H ]
 
 +X
 
 R2 = H
 
 +
 
 − [H ]
 
 +
 
 − [H ]
 
 R3 = H
 
 R1 OH R1
 
 X R1
 
 C C C R2
 
 C C C R2
 
 C C
 
 R3
 
 R3
 
 R3 umgelagerter Alkohol
 
 R1
 
 C
 
 C C R2 C
 
 umgelagertes Halogenalkan
 
 umgelagerte Alkene
 
 Pinakol-Umlagerung Die Pinakol-Umlagerung alkyl-substituierter 1,2-Diole (Mechanismus: Kap. 15.7.2) führt zu Ketonen: R OH
 
 C C OH
 
 R
 
 + [H+]
 
 R
 
 o
 
 C C
 
 − H2O
 
 OH
 
 H
 
 R
 
 − [H+]
 
 C C
 
 C C O
 
 O
 
 Aldehyd-Keton-Isomerisierung Der Pinakol-Umlagerung nahe steht die säurekatalysierte Isomerisierung von Aldehyden (R4 = H) in Ketone und von Ketonen (R4 = Alkyl) in isomere Ketone, wobei zwei Mechanismen nachgewiesen wurden: R4
 
 R2
 
 C C R1
 
 R2
 
 C R3
 
 R4
 
 C
 
 R1
 
 + [H+]
 
 R2 O
 
 C
 
 o
 
 R4
 
 R3
 
 R1
 
 OH
 
 o
 
 C OH
 
 R3
 
 R4
 
 R2 o
 
 R2 R3 C
 
 R4 C R1
 
 C R3
 
 o
 
 R1
 
 C
 
 R4
 
 − [H+]
 
 R2 OH
 
 C
 
 R1
 
 C
 
 R3
 
 O H
 
 Auch α-Hydroxyaldehyde und Ketone können unter 1,2-Alkyl-Verschiebung isomerisieren: R1
 
 R2
 
 C OH
 
 R3
 
 O
 
 R3
 
 [H+]
 
 o
 
 C
 
 R2
 
 C OH
 
 R1
 
 C O
 
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 O
 
 26.1 Anionotrope 1,2-Verschiebungen
 
 449
 
 DEMJANOW-Umlagerung Die nach Diazotierung primärer Amino-Gruppen in α-Stellung zum oder am Cycloalkan-Ring verbleibenden Carbenium-Ionen neigen zu 1,2-Alkyl-Verschiebungen unter Beteiligung von RingCC-Bindungen. Diese DEMJANOW-Umlagerung kann präparativ zu Ringerweiterungen (Kap. 8.7.2) und Ringverengungen genutzt werden. Ringerweiterung: ̈
 
 OH + H2O , − [H+] + HX + HNO2
 
 CH2 NH 2
 
 1
 
 CH2
 
 2
 
 o
 
 2
 
 1
 
 − 2 H2O − N2 − −X
 
 Cyclopentanol
 
 CH 2 − [H+]
 
 Cyclopenten
 
 Ringverengung: + H2O , − [H+]
 
 NH2
 
 + HX + HNO2
 
 2 2
 
 o
 
 1
 
 CH 2
 
 CH 2 OH Hydroxymethylcyclobutan
 
 1
 
 − 2 H2O − N2 − −X
 
 − [H+]
 
 CH 2 Methylencyclobutan
 
 WOLFF-Umlagerung Die WOLFF-Umlagerung der aus α-Diazoketonen entstehenden Acylcarbene zu Ketenen ist eine präparative Methode zur Homologisierung von Carbonsäuren (Kap. 17.5.6): ̈
 
 O R
 
 C Cl
 
 O
 
 + CH2N2
 
 − N2
 
 R
 
 O
 
 C
 
 R
 
 C
 
 CH N2 _
 
 _ CH
 
 Acylcarben
 
 α-Diazoketon
 
 o
 
 H O C C R Keten
 
 Benzil-Benzilsäure-Umlagerung Aryl-substituierte 1,2-Diketone (Benzil) lagern sich nach nucleophiler Addition des HydroxidAnions an eines der Carbonyl-C-Atome unter 1,2-Aryl-Anionotropie in α,α-Diaryl-α-hydroxycarbonsäuren (Benzilsäuren) um: ̈
 
 Ar
 
 Ar
 
 C C O
 
 O
 
 Ar = −C6H5 : Benzil
 
 + OH
 
 −
 
 Ar
 
 o
 
 HO C C IOI
 
 HO
 
 Ar O
 
 Ar
 
 _ IO _
 
 C C Ar O
 
 IOI
 
 Ar
 
 C C Ar O
 
 OH
 
 Benzilsäure (als Salz)
 
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 450
 
 26 Umlagerungen
 
 Dienon-Phenol-Umlagerung Die säurekatalysierte 1,2-Alkyl-Anionotropie der 4,4-Dialkylcyclohexa-2,5-dienone zu 3,4-Dialkylphenolen eignet sich zur Darstellung spezieller Phenole (Mechanismus: Kap. 21.4.6): O
 
 OH o
 
 R
 
 26.1.3
 
 R
 
 R
 
 R
 
 1,2-Verschiebungen von C zu N über Nitrene und Nitrenium-Ionen
 
 Anionotrope 1,2-Alkyl-Verschiebungen von Nitrenium-Ionen und Acylnitrenen wurden bereits als Methoden zur Darstellung von primären Aminen und Carboxamiden besprochen (Kap. 22.4.10), so daß eine zusammenfassende Formulierung genügt. HOFMANN-Abbau von Carboxamiden LOSSEN-Abbau von Hydroxamsäuren CURTIUS-Abbau von Carbonsäureaziden HOFMANN-, LOSSEN- und CURTIUS-Umlagerung führen über die den Acylcarbenen analogen Acylnitrene zu Isocyanaten, deren Hydrolyse primäre Amine ergibt: O R C 1 2 NH 2
 
 Carboxamid
 
 HOFMANN
 
 + Br 2 , − 2 HBr
 
 O R C 1 2NH OH
 
 LOSSEN
 
 − H2O
 
 Hydroxamsäure
 
 O R C _ 1 2N _
 
 CURTIUS
 
 − N2
 
 Acylnitren
 
 1
 
 2
 
 R
 
 O C N
 
 O R C_ 1 2N _ N NI Carbonsäureazid
 
 R
 
 N H O C OH
 
 + H2O
 
 Isocyanat
 
 − CO2
 
 N-Alkylcarbamidsäure
 
 R
 
 NH2
 
 primäres Amin
 
 K.F. SCHMIDT-Reaktion von Carbonsäuren Bei der SCHMIDT-Reaktion von Carbonsäuren mit Stickstoffwasserstoffsäure lagert ein intermediäres protoniertes Acylnitren durch anionotrope 1,2-Alkyl-Verschiebung in ein protoniertes Isocyanat um: R
 
 O C OH
 
 + HN3 , + [H+]
 
 − H2O , − N2
 
 R 1 O C2 NI H
 
 protoniertes Acylnitren
 
 o
 
 1
 
 2
 
 R
 
 O C N H protoniertes Isocyanat
 
 + H2O
 
 − CO2
 
 H 3N
 
 R
 
 AlkylammoniumIon
 
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 26.1 Anionotrope 1,2-Verschiebungen
 
 451
 
 K.F. SCHMIDT-Reaktion von Ketonen, BECKMANN-Umlagerung von Ketoximen Intermediat der SCHMIDT-Reaktion von Ketonen mit Stickstoffwasserstoffsäure ist ein Dialkylnitrenium-Ion, das durch anionotrope 1,2-Alkyl-Verschiebung in ein Carbenium-Ion übergeht. Dessen Hydrolyse führt zu einem N-Alkylcarboxamid. Bei der BECKMANN-Umlagerung bildet sich das intermediäre Dialkylnitrenium-Ion durch Protonierung der Ketoxime. ̈
 
 K.F. SCHMIDT + HN3 , + [H+]
 
 R
 
 R C
 
 − H2O , − N2
 
 O
 
 1
 
 R
 
 R C
 
 R
 
 + [H+]
 
 R C
 
 R C
 
 2
 
 N
 
 − H2O BECKMANN
 
 N OH
 
 + 2 H2O
 
 1
 
 o
 
 − H3O+
 
 2
 
 N R
 
 Dialkylnitrenium-Ion
 
 O
 
 1
 
 R C
 
 2
 
 N R H
 
 Carbenium-Ion
 
 N-Alkylcarboxamid
 
 NEBER-Umlagerung von Ketoxim-Tosylaten Die NEBER-Umlagerung der Ketoximtosylate zu α-Aminoketonen folgt nicht dem allgemeinen Schema der 1,2-Alkyl-Verschiebungen von C nach N: Das nach Deprotonierung des Ketoximtosylats gebildete Carbanion addiert nucleophil am Imino-N-Atom und drückt ein Tosylat-Anion aus dem Molekül. Das isolierbare Azirin wird zum α-Aminoketon hydrolysiert. ̈
 
 H H R1
 
 C
 
 1
 
 C N2
 
 H
 
 −
 
 + RO
 
 R2
 
 − R−OH
 
 O
 
 R1
 
 C
 
 R2
 
 1
 
 C N2
 
 SO3
 
 O
 
 SO2
 
 SO2
 
 CH3 Ketoxim-tosylat
 
 CH 3
 
 26.1.4
 
 R1
 
 o
 
 −
 
 1
 
 + H2O
 
 R2
 
 R1
 
 CH
 
 N2
 
 −
 
 2
 
 Azirin
 
 1
 
 R2
 
 C
 
 NH2
 
 O
 
 α-Aminoketon
 
 CH3
 
 Verschiebungen von C zu O
 
 Hydroperoxid-Umlagerungen ̈ Prominentes Beispiel einer Hydroperoxid-Umlagerung unter 1,2-Aryl-Verschiebung von C nach O über ein mesomeriestabilisiertes Phenonium-Ion als cyclischem Übergangszustand (Kap. 21.4.1) ist die HOCK-Synthese des Phenols und des Acetons: Ar
 
 R1 C O R2
 
 O H
 
 Ar _ R 1 1C O _
 
 R2
 
 2
 
 R1 o
 
 Ar
 
 C O R2
 
 1
 
 2
 
 OH
 
 + 2 H2O
 
 Ar
 
 R1 C O
 
 − H3O+
 
 1
 
 2
 
 R2 Halbketal
 
 R1 C O R2
 
 Keton
 
 +
 
 HO Ar Phenol
 
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 452
 
 26 Umlagerungen
 
 BAEYER-VILLIGER-Oxidation Wesentlicher Schritt der BAEYER-VILLIGER-Oxidation von Ketonen mit Peroxycarbonsäuren zu Carbonsäureestern (Kap. 20.11.2) ist eine anionotrope 1,2-Alkyl-Verschiebung vom ehemaligen Carbonyl-C zum ehemaligen Peroxy-O:
 
 ̈
 
 O Keton
 
 R'
 
 R
 
 C
 
 O
 
 +
 
 C
 
 O
 
 O
 
 R
 
 _ IOI
 
 − [H+]
 
 R'
 
 H
 
 O R
 
 1
 
 C
 
 O
 
 − R´ −CO2
 
 C R
 
 O
 
 O
 
 −
 
 R
 
 C 1
 
 O R 2
 
 2
 
 Carbonsäureester
 
 Peroxycarbonsäure
 
 26.2 Kationotrope 1,2-Verschiebungen über Carbanionen Bei den weniger häufigen kationotropen 1,2-Verschiebungen bildet sich zunächst ein Carbanion, das sich durch 1,2-Verschiebung eines Alkyl- oder Aryl-Kations stabilisiert: R H
 
 C1 C 2
 
 26.2.1
 
 R
 
 − [H+]
 
 R
 
 _ C1 C 2
 
 o
 
 R _ C1 C 2
 
 o
 
 C 1 C2
 
 Folgereaktionen
 
 FAVORSKII-Umlagerung (von C nach C)
 
 Bei der FAVORSKII-Umlagerung der α-Halogenketone deprotoniert ein Alkoholat-Ion als Base in α'-Stellung zum Carbanion, während das α-Halogen als Halogenid-Anion abdissoziiert und dort eine Elektronenlücke hinterläßt, die das Carbanion schließt. Resultat ist ein Ringschluß zum Cyclopropanon-Intermediat. Nucleophile Addition eines Alkoholat-Anions am Carbonyl-C führt zum umgelagerten Ester. R R _ R C C C R Cl O −
 
 + R'O
 
 − Cl
 
 −
 
 o
 
 R
 
 R
 
 R
 
 R O
 
 −
 
 + R'O
 
 R R R'O
 
 R
 
 R _ OI _
 
 R C _
 
 R
 
 R'O
 
 − R' −OH
 
 H Rα R α' R C C C R Cl O
 
 + R'OH
 
 R α-Halogenketon
 
 umgelagerter Ester
 
 R C H
 
 R C R C
 
 O −
 
 − R'O
 
 R C R CO2R'
 
 Die FAVORSKII-Umlagerung der α-Halogencycloalkanone verengt Ringe, was vor allem zur Darstellung von Fünf- aus Sechsringen präparativ genutzt wird.
 
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 26.3 Radikalische 1,2-Verschiebungen
 
 453
 
 Aus α-Chlorcyclohexanon entsteht z. B. Cyclopentancarbonsäureester: H _
 
 Cl
 
 −
 
 _ IO _
 
 O
 
 O − Cl
 
 −
 
 −
 
 O
 
 OR
 
 C OR
 
 + RO
 
 o
 
 − R−OH
 
 + RO
 
 −
 
 − RO
 
 + R−OH
 
 O
 
 CO2R
 
 Cl Cyclopentancarbonsäureester
 
 α-Chlorcyclohexanon
 
 26.2.2
 
 STEVENS-Umlagerung (von N nach C)
 
 Bei der STEVENS-Umlagerung wird ein quartäres Ammonium-Ion zum Stickstoff-Ylid deprotoniert. Fördernd wirkt dabei ein Elektronenakzeptor E in α-Stellung zum N-Atom. Die kationotrope 1,2Verschiebung einer N-Alkyl-Gruppe im Ylid führt zum umgelagerten tertiären Amin. Formal könnte sich letzteres auch durch anionotrope 1,2-Verschiebung über ein Immonium-Ion bilden. R 2
 
 E
 
 CH 2
 
 1
 
 N R R
 
 R
 
 + NH 2
 
 E
 
 − NH 3
 
 1
 
 CH _
 
 o
 
 N R
 
 E
 
 2
 
 CH
 
 2
 
 R R
 
 R
 
 R
 
 quartäres Ammonium-Ion
 
 1
 
 N _
 
 umgelagertes tertiäres Amin
 
 Stickstoff-Ylid
 
 O E = R
 
 26.2.3
 
 C , RO2C − , N
 
 C−
 
 R = −CH2−CH=CH 2 (Allyl) , −CH2−C6H5 (Benzyl) , −CH(C6H5)2 (Benzhydryl)
 
 WITTIG-Umlagerung (von O nach C)
 
 In Analogie zur STEVENS-Umlagerung werden Allyl- und Benzylether durch starke Basen zu Carbanionen deprotoniert, die unter kationotroper 1,2-Verschiebung der O-Alkyl-Gruppe in Alkoholate übergehen. WITTIG-Umlagerungen (Kap. 16.5.4) eignen sich zur Darstellung sekundärer und tertiärer Alkohole mit Alkenyl- und Aryl-Resten. R
 
 2
 
 Base , − [H+]
 
 1
 
 CH2 O
 
 R
 
 1
 
 2
 
 R'
 
 o
 
 CH O _
 
 R
 
 R'
 
 R'
 
 Carbanion
 
 Ether , R = Alkenyl oder Aryl
 
 _1 2 CH OI _
 
 Alkoholat
 
 26.3 Radikalische 1,2-Verschiebungen Radikalische 1,2-Verschiebungen folgen formal den aniono- und kationotropen Mechanismen: R
 
 X
 
 C1 C 2
 
 − [X ]
 
 R
 
 C1 C 2
 
 R
 
 o
 
 C 1 C2
 
 R
 
 o
 
 C1 C 2
 
 Folgereaktionen
 
 Es gibt Anhaltspunkte für alternative Radikal-Mechanismen anionotroper 1,2-Verschiebungen. So verläuft die STEVENS-Umlagerung einiger Tetraalkylammonium-Ionen aufgrund spektroskopi-
 
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 454
 
 26 Umlagerungen
 
 scher Befunde (NMR) über ein intermediäres, mesomeriestabilisiertes Radikal-Anion und das (wandernde) Alkyl-Radikal. Dieses Radikal-Paar entsteht durch Homolyse des Stickstoff-Ylids: R E
 
 2
 
 CH 2
 
 1
 
 N R R
 
 quartäres Ammonium-Ion
 
 + NH 2
 
 R
 
 R E
 
 2
 
 _ CH
 
 − NH3
 
 1
 
 E
 
 N R
 
 2
 
 CH _
 
 1
 
 N R
 
 E
 
 R
 
 R
 
 2
 
 CH
 
 1
 
 R o
 
 N _ R
 
 R
 
 2
 
 CH R
 
 Radikal-Paar im Lösemittelkäfig
 
 Stickstoff-Ylid
 
 E
 
 1
 
 R
 
 N _ R
 
 umgelagertes tertiäres Amin
 
 26.4 Umlagerungen an benzoiden Ringen Substituierte benzoide Aromaten gehen eine Reihe von Reaktionen ein, bei denen sich Substituenten von einer Ringposition in eine andere oder von der Seitenkette in den Ring verschieben. Die meisten dieser Umlagerungen sind Wanderungen eines von der Seitenkette abgelösten Elektrophils nach dem Muster intermolekularer elektrophiler Substitutionen (SE) mit der üblichen o : pProduktverteilung.
 
 26.4.1
 
 Umlagerungen vom SE -Typ
 
 JACOBSEN-Umlagerung von Polyalkylaromaten Bei der JACOBSEN-Umlagerung hat die Sulfonierung eines Polyalkylaromaten die Verschiebung einer Alkyl-Gruppe als Elektrophil im Ring zur Folge (Kap. 10.6.2): SO3H H 3C
 
 CH 3
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 +
 
 H 3C
 
 H 2SO4
 
 o
 
 SO3
 
 H 3C
 
 CH3 CH 3
 
 FRIES-Umlagerung von Acylphenolen Die durch LEWIS-Säuren katalysierte FRIES-Umlagerung von O-Acylphenolen durch AcylWanderung (Acyl als Elektrophil) in o- und p-Acylphenole eignet sich zur Darstellung zahlreicher Phenone (Kap. 21.6.2):
 
 ̈
 
 O
 
 C
 
 R
 
 o
 
 O
 
 OH
 
 OH
 
 AlCl3
 
 R
 
 sowie C
 
 C
 
 R
 
 O O-Acylphenol
 
 O
 
 p-Hydroxyphenon
 
 o-Hydroxyphenon
 
 In der Kälte bildet sich (kinetisch kontrolliert) überwiegend das p-Produkt, während in der Wärme oft das durch Chelatbildung mit der LEWIS-Säure stabilisierte o-Isomer dominiert. Phenolether-Umlagerung ̈ Die durch LEWIS-Säuren katalysierte Umlagerung von Phenolethern durch Alkyl-Wanderung (Alkyl als Elektrophil) führt überwiegend zum p-Produkt: O
 
 R
 
 OH
 
 AlCl3
 
 o
 
 R Phenolether
 
 OH sowie R
 
 p-Alkylphenol
 
 o-Alkylphenol
 
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 26.4 Umlagerungen an benzoiden Ringen
 
 455
 
 Diaryltriazen-Arylazo-Umlagerung Die Diaryltriazen-Arylazo-Umlagerung ist ein wesentlicher Schritt der Azo-Kupplung primärer und sekundärer aromatischer Amine (Phenyldiazonium-Ion als Elektrophil, Kap. 23.8.2): ̈
 
 R N
 
 R N
 
 N
 
 Ar
 
 [ H +]
 
 N
 
 o
 
 Ar Diaryltriazen
 
 N
 
 H
 
 N
 
 p-Aminoazobenzen
 
 FISCHER-HEPP-Umlagerung von N-Nitrosoanilinen N-Nitrosoaniline lagern sich bei Gegenwart von Säuren unter Wanderung des Nitrosyl-Kations als Elektrophil zu p-Nitroso-N-alkylanilinen um.
 
 ̈
 
 R N
 
 R O
 
 N
 
 [ H +]
 
 o
 
 N O
 
 N-Nitrosoanilin
 
 H
 
 N p-Nitrosoanilin
 
 HOFMANN-MARTIUS-Umlagerung von Anilinium-Salzen Mono- und Dialkylaniliniumchloride lagern sich bei höheren Temperaturen überwiegend in die pAlkylaniline um. Dabei spielt ein zunächst abgespaltenes Chloralkan die Rolle des Elektrophils. ̈
 
 R N
 
 H
 
 [ H +]
 
 NH2
 
 o
 
 R N-Alkylanilin
 
 p-Alkylanilin
 
 ̈ Benzidin-Umlagerung von Diarylhydrazinen Die bereits skizzierte Benzidin-Umlagerung der 1,2-Diarylhydrazine (Benzidine) verläuft intramolekular über einen π-Komplex aus einer nucleophilen und einer elektrophilen Anilin-Hälfte (Mechanismus: Kap. 22.4.11). NH NH
 
 o
 
 Hydrazobenzen (Diphenylhydrazin)
 
 26.4.2
 
 H2N
 
 NH2
 
 ( sowie Isomere )
 
 Benzidin (4,4'-Diaminobiphenyl)
 
 Umlagerungen vom SN -Typ
 
 SOMMELET-HAUSER-Umlagerung Die SOMMELET-HAUSER-Umlagerung quartärer Benzyl- oder Benzhydrylammonium-Ionen konkurriert mit der STEVENS-Umlagerung (Kap. 26.2.2). Sie wird als eine intramolekulare nucleophile
 
 ̈
 
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 456
 
 26 Umlagerungen
 
 aromatische Substitution durch ein terminales Carbanion über einen fünfgliedrigen Übergangszustand beschrieben: H C _
 
 CH 2
 
 NR 2
 
 −
 
 CH2
 
 o
 
 ICH 2
 
 CH 3 + H2 N
 
 NR 2
 
 H _ CH 2 NR 2
 
 − NH 3
 
 CH 2
 
 NR 2 CH 3
 
 Methyldialkylbenzylammonium-Ion
 
 CH3
 
 (2-Methylbenzyl)N,N-dialkylamin
 
 CH2 NR2
 
 ̈ WALLACH-Umlagerung von Azoxybenzen Schlüsselschritt der säurekatalysierten WALLACH-Umlagerung von Azoxybenzenen in 4-Hydroxyazobenzene ist wahrscheinlich der nucleophile Angriff von Hydroxid (oder Wasser) in p-Stellung zur Azo-Gruppe: _ IO _
 
 N
 
 Ar
 
 H
 
 Ar
 
 N
 
 O
 
 N
 
 +
 
 + H3O
 
 H
 
 N
 
 Ar
 
 N N
 
 − H2O
 
 Ar N
 
 +
 
 − [H ]
 
 N
 
 _ + IOH _ HO H
 
 OH
 
 Azoxybenzen
 
 4-Hydroxyazobenzen
 
 26.5 Sigmatrope Umlagerungen Bei den in Kap. 27 näher besprochenen sigmatropen Verschiebungen reorganisieren sich benachbarte Einfach- und Doppelbindungen in einer Einschritt-Reaktion.
 
 26.5.1
 
 [1,5]-sigmatrope Verschiebung
 
 Die thermische Umlagerung des 1-Methylcyclopentadiens in das 2-Methyl-Derivat ist ein typisches Beispiel einer [1,5]-H-Verschiebung: H 5
 
 H
 
 4 1 3
 
 5
 
 Hitze
 
 o
 
 CH 3
 
 2
 
 1-Methylcyclopentadien
 
 26.5.2
 
 H 1
 
 CH 3
 
 2-Methylcyclopentadien
 
 COPE-Umlagerung als [3,3]-sigmatrope Verschiebung
 
 Unter [3,3]-sigmatropen Verschiebungen versteht man die thermisch induzierte Reorganisation eines 1,5-Dien-Systems über zwei intermediäre Allyl-Radikale (daher "3,3"). R
 
 R
 
 R
 
 R
 
 o 1,5-Dien
 
 umgelagertes 1,5-Dien
 
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 26.5 Sigmatrope Umlagerungen
 
 457
 
 Diese COPE-Umlagerung der 1,5-Diene fand viele reizvolle Anwendungen, u. a. bei der Synthese des 1,4-Cycloheptadiens aus Divinylcyclopropan (Kap. 8.6.5). Ist R ≠ H (z. B. Phenyl oder Acyl), so sind Ausgangs- und Umlagerungsprodukt verschieden; die Umlagerung gibt sich an der Konstitution des Produkts zu erkennen. Ist dagegen R = H, so sind Ausgangs- und Endprodukt identisch; die Umlagerung ist chemisch nicht nachweisbar (entartete COPE-Umlagerung), z. B.:
 
 1,5-Hexadien
 
 Homotropiliden
 
 Die Kernresonanzspektroskopie zeigt jedoch, daß bei höheren Temperaturen (100 - 200 °C) die Isomerisierung mit großer Frequenz erfolgt (103 mal pro Sekunde und schneller). Solche Moleküle mit fluktuierenden σ - und π -Bindungen nennt man Valenztautomere. Bekannte Beispiele sind außer Homotropiliden die Polycyclen Bullvalen (Kap. 8.7.4) und Hypostrophen:
 
 Hypostrophen
 
 26.5.3
 
 Hetero-COPE-Umlagerungen
 
 Die Oxa-COPE-Umlagerung der Allylvinylether führt zu γ,δ-ungesättigten Carbonyl-Verbindungen (R = H : Aldehyde) oder Ketonen (R = Alkyl oder Aryl : Ketone): R
 
 R Hitze
 
 O
 
 O
 
 o
 
 γ,δ-ungesättigte CarbonylVerbindung
 
 Allylalkenylether
 
 Bei der CLAISEN-Umlagerung der Allylphenylether (Kap. 16.5.4) entsteht unter Mitwirkung einer benzoiden π-Bindung durch eine Art Oxa-COPE-Umlagerung intermediär ein Cyclohexadienon, das zum o-Allylphenol rearomatisiert:
 
 Hitze
 
 O
 
 O
 
 o
 
 HO
 
 H
 
 Allylphenylether
 
 o-Allylphenol
 
 Auch andere [3,3]-sigmatrope Verschiebungen unter Mitwirkung von C-Heteroatom-Doppelbindungen sind bekannt, z. B. die Indol-Synthese nach FISCHER (Kap. 34.6.3) oder die DiazaCOPE-Umlagerung arylsubstituierter 2,5-Diaza-1,5-hexadiene: Ar1
 
 N
 
 Ar2
 
 Ar1
 
 N
 
 Ar2
 
 Ar1
 
 N
 
 Ar2
 
 Ar1
 
 N
 
 Ar2
 
 1,3,4,6-Tetraaryl-2,5-diaza-1,5-hexadiene (Diimine aus 1,2-Diaryl-1,2-diaminoethan und Arenaldehyd)
 
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 458
 
 27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
 
 27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen 27.1 Phasenbeziehung von p-Orbitalen Bekanntlich lassen sich die Elektronenzustände in Atomen und Molekülen als stehende Wellen deuten (Kap. 1.3). Das Quadrat der Wellenfunktion Ψ beschreibt dabei den als Orbital bezeichneten Aufenthaltsbereich der Elektronen. Die Überlappung von Atomorbitalen führt zu Bindungsorbitalen. Dabei überlappen s-Orbitale wegen ihrer Kugelsymmetrie ohne Vorzugsrichtung zu σOrbitalen. Dagegen können die hantelförmigen p-Orbitale (Kap. 1.3.2) mit ihren Enden oder Seiten überlappen. Im ersten Fall entstehen σ-, im zweiten π-Bindungsorbitale (Kap. 1.4.3). Zusätzlich spielt bei der Überlappung von p-Orbitalen noch deren Phasenbeziehung eine Rolle. Wie stehende Sinuswellen haben die p-Orbitale je eine Knotenebene, die den negativen vom positiven Bereich der Ψ-Funktion trennt. Wie stehende Sinuswellen mit zeitgleichen Bereichen positiver und negativer Amplitude (Abb. 27.1 a) bezeichnet man p-Orbitale mit gleicher Vorzeichensymmetrie als in Phase oder symmetrisch. Überlagert man Sinuswellen entgegengesetzter Phase, so erfolgt Auslöschung (Abb. 27.1 b). Dagegen führt die Interferenz bei gleicher Phase zur Verdoppelung der Amplitude (Abb. 27.1 a). Ähnlich überlappen zwei p-Orbitale gleicher Phase zu einem bindenden, solche entgegengesetzter Phase zu einem antibindenden π-Molekülorbital, z. B. im Ethen (Abb. 27.2 a und b).
 
 (a)
 
 (b)
 
 +
 
 + −
 
 +
 
 −
 
 + −
 
 −
 
 +
 
 +
 
 + −
 
 −
 
 + −
 
 +
 
 +
 
 + −
 
 −
 
 + −
 
 Abb. 27.1. Phasenbeziehung zweier stehender Sinuswellen: (a) Bei symmetrischer Phase führt die Überlagerung zur Verdoppelung der Amplitude; (b) bei antisymmetrischer Phase führt die Interferenz zur Auslöschung
 
 Im Grundzustand des Ethens besetzen beide π-Elektronen das bindende π-Orbital (Abb. 27.2). Ethen hat demnach die π-Elektronenkonfiguration π2. Durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht
 
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 27.1 Phasenbeziehung von p-Orbitalen
 
 459
 
 wird ein π-Elektron auf den antibindenden π*-Zustand angeregt (ππ*-Übergang, Abb. 27.2), so daß die energetisch labilere Elektronenkonfiguration π1π*1 entsteht. E
 
 (b)
 
 π∗ antisymmetrisch
 
 π∗
 
 antibindend
 
 ππ* - Übergang
 
 π
 
 (a)
 
 Grundzustand
 
 symmetrisch
 
 bindend
 
 Überlappungsart
 
 Molekül-Orbitale
 
 π angeregter Zustand
 
 Abb. 27.2. Phasenbeziehung zweier koaxialer p-Orbitale : (a) Die Überlappung zweier koaxialer p-Orbitale mit gleicher Phase führt zum bindenden π-Molekülorbital, z. B. des Ethens. (b) Die Überlappung zweier koaxialer p-Orbitale mit antisymmetrischer Phase führt zum antibindenden π*-Molekülorbital, das nur im angeregten Zustand besetzt ist
 
 In konjugierten Polyenen sind vier oder mehr p-Orbitale an der Bildung von π-Bindungen beteiligt. Durch Überlappung von vier p-Orbitalen entstehen z. B. im 1,3-Butadien zwei bindende und zwei antibindende π-Orbitale. Das energetisch günstigste dieser π-Orbitale resultiert aus vier pOrbitalen gleicher Symmetrie, das energetisch ungünstigste dagegen aus vier paarweise antisymmetrischen p-Orbitalen (Abb. 27.3, Abb. 6.1, 6.2, S. 83). E
 
 π∗
 
 π∗
 
 π∗
 
 π∗
 
 antibindende Molekülorbitale
 
 ππ* - Übergang
 
 π
 
 π
 
 π
 
 π
 
 bindende Molekülorbitale
 
 Überlappungsart
 
 Grundzustand
 
 1. angeregter Zustand
 
 Abb. 27.3. Überlappungsmöglichkeiten der pz-Orbitale in 1,3-Butadien, resultierende π-Molekülorbitale und deren Besetzung im Grund- und ersten angeregten Zustand
 
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 460
 
 27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
 
 Nur die symmetrischsten Überlappungen der Atom- oder Hybridorbitale führen nach diesen Betrachtungen zu energiearmen bindenden Molekülorbitalen. WOODWARD, HOFFMANN, FUKUI und LONGUET-HIGGINS entwickelten diesen Gedankengang weiter zu dem Konzept, daß bei konzertierten Reaktionen, in deren Verlauf mehrere Bindungen gleichzeitig gelöst und gebildet werden, die Orbitalsymmetrie den Ablauf und die Orientierung der Reaktion steuert. Gut untersuchte Beispiele konzertierter Reaktionen sind neben Cycloadditionen die elektrocyclischen und sigmatropen Reaktionen, die man unter dem Begriff der pericyclischen Reaktionen zusammenfaßt.
 
 27.2 Elektrocyclische Reaktionen 27.2.1
 
 Definitionen
 
 1,3,5-Hexatriene isomerisieren unter Einwirkung von Wärme oder Licht zu 1,3-Cyclohexadienen: R
 
 R
 
 R
 
 R 1,3,5-Hexatrien 6 π-Elektronen (k = 6)
 
 1,3-Cyclohexadien 4 π-Elektronen
 
 Entsprechend können 1,3,5,7-Octatetraene in 1,3,5-Cyclooctatriene übergehen: R
 
 R
 
 R
 
 R 1,3,5,7-Octatetraen 8 π-Elektronen (k = 8)
 
 1,3,5-Cyclooctatrien 6 π-Elektronen
 
 Bei diesen Umwandlungen schließt sich zwischen den Enden eines offenkettigen Polyens mit k πElektronen ein Ring mit (k − 2) π-Elektronen. Solche Reaktionen und ihre Umkehrungen nennt man elektrocyclisch. Auch die Öffnungen (Cycloreversionen) mancher Cycloalkene zu Polyenen sind demnach elektrocyclische Reaktionen, z. B. von Cyclobuten zu 1,3-Butadien. R R
 
 R R Cyclobuten 2 π-Elektronen
 
 1,3-Butadien 4 π-Elektronen (k = 4)
 
 Elektrocyclische Reaktionen verlaufen stereospezifisch. So ergibt die thermische Cyclisierung (∆) des (Z,E)-2,4-Hexadiens (Z)-3,4-Dimethylcyclobuten (und umgekehrt). (Z)-3,4-Dimethylcyclo-
 
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 27.2 Elektrocyclische Reaktionen
 
 461
 
 buten entsteht aber auch bei der Bestrahlung von (E,E)-2,4-Hexadien mit ultraviolettem Licht (hν), während dieses Dien beim Erhitzen in (E)-3,4-Dimethylcyclobuten übergeht (Abb. 27.4). CH3 (Z,E) -2,4-Hexadien
 
 ∆
 
 H 3C
 
 CH3 (Z) -3,4-Dimethylcyclobuten
 
 CH3 hν
 
 CH3 ∆
 
 (E,E) -2,4-Hexadien
 
 H 3C
 
 (E) -3,4-Dimethylcyclobuten
 
 CH3 CH3
 
 Abb. 27.4. Orientierung thermischer (∆) und photochemischer (hν) elektrocyclischer Reaktionen isomerer 2,4Hexadiene
 
 (E,Z,E)-2,4,6-Octatrien cyclisiert thermisch zu (Z)-5,6-Dimethyl-1,3-cyclohexadien, photochemisch dagegen zum (E)-Isomer, das thermisch wiederum nur aus (E,Z,Z)-2,4,6-Octatrien entsteht (Abb. 27.5). CH3 ∆
 
 (E,Z,E) -2,4,6-Octatrien
 
 CH3
 
 CH3
 
 (Z) -5,6-Dimethyl1,3-cyclohexadien
 
 CH3 hν
 
 CH3 (E,Z,Z) -2,4,6-Octatrien
 
 CH3
 
 ∆
 
 CH3
 
 (E) -5,6-Dimethyl1,3-cyclohexadien
 
 CH3
 
 Abb. 27.5. Orientierung thermischer und photochemischer elektrocyclischer Reaktionen isomerer 2,4,6Octatriene
 
 Diese Beispiele zeigen, daß der sterische Verlauf elektrocyclischer Reaktionen (1) (2)
 
 von der Anzahl der Doppelbindungen im Polyen und von der Reaktionsführung (thermisch oder photochemisch) abhängt.
 
 Bei der Isomerisierung der offenkettigen zur cyclischen Verbindung (und umgekehrt) können sich die Substituenten A, B, C und D gegen- oder gleichsinnig drehen.
 
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 462
 
 27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
 
 Man spricht daher von disrotatorischen oder konrotatorischen Isomeriebeziehungen (Abb. 27.6).
 
 A
 
 B C
 
 disrotatorisch (gegensinnige Drehung)
 
 A
 
 A
 
 B C
 
 B C
 
 B C
 
 D
 
 B
 
 C
 
 A
 
 D
 
 B
 
 C
 
 D
 
 A
 
 C
 
 B
 
 D
 
 D
 
 konrotatorisch (gleichsinnige Drehung)
 
 A
 
 A D
 
 A
 
 C
 
 B
 
 D
 
 D
 
 Abb. 27.6. Konrotatorische und disrotatorische Isomeriebeziehungen bei elektrocyclischen Reaktionen
 
 27.2.2
 
 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für elektrocyclische Reaktionen
 
 Die neue σ-Bindung des Cycloalkans entsteht aus zwei π-Elektronen des Polyens. Zur Klärung der Frage, welche π-Elektronen die σ-Bindung schließen, wurde aufgrund quantenmechanischer Überlegungen zunächst zweierlei postuliert: (1) (2)
 
 Thermische elektrocyclische Reaktionen gehen aus vom höchsten besetzten MolekülOrbital des Grundzustandes von Polyen bzw. Cycloalken. Photochemische elektrocyclische Reaktionen gehen aus vom tiefsten nicht besetzten Molekül-Orbital der angeregten, d. h. antibindenden Zustände von Polyen bzw. Cycloalken.
 
 Die thermische Cyclisierung von 1,3-Dienen zu Cyclobutenen geht nach Postulat (1) vom höchsten besetzten Molekül-Orbital (Abb. 27.3) aus. Drehen sich die endständigen p-Orbitale (mit den Substituenten) konrotatorisch, so kommen Orbitallappen gleicher Phase zur Überlappung (Abb. 27.7 a), und nach Kap. 27.1 entsteht ein bindendes Molekül-Orbital (abgek. MO). Drehen sich die endständigen p-Orbitale dagegen disrotatorisch, so gelangen Orbitallappen entgegengesetzter Phase zur Überlappung (Abb. 27.7 b), und es entsteht ein antibindendes MO.
 
 konrotatorisch
 
 (a)
 
 disrotatorisch
 
 bindend
 
 (b)
 
 antibindend
 
 Abb. 27.7. Konrotatorische (a) und disrotatorische (b) Drehung der endständigen p-Orbitale bei der thermischen Cyclisierung von 1,3-Butadienen
 
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 27.2 Elektrocyclische Reaktionen
 
 463
 
 Die in Abb. 27.4 skizzierte Orientierung der thermischen Isomerisierung von 2,4-Hexadienen zu Cyclobutenen folgt z. B. aus einer konrotatorischen Drehung der Substituenten. ∆ , konrotatorisch
 
 H 3C
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 H3C (Z) -
 
 (Z,E) -
 
 H 3C
 
 ∆ , konrotatorisch
 
 CH3
 
 H 3C CH 3 (E) 3,4-Dimethylcyclobuten
 
 (E,E) 2,4-Hexadien
 
 Die Photocyclisierung von 1,3-Dienen geht nach Postulat (2) vom tiefsten unbesetzten MO (Abb. 27.3) aus. Eine σ-Bindung kann wiederum nur entstehen, wenn Orbitallappen gleichen Vorzeichens überlappen, die endständigen p-Orbitale sich also disrotatorisch drehen (Abb. 27.8).
 
 konrotatorisch
 
 (a)
 
 disrotatorisch
 
 antibindend
 
 (b)
 
 bindend
 
 Abb. 27.8. Konrotatorische (a) und disrotatorische Drehung (b) der endständigen p-Orbitale bei der Photocyclisierung von 1,3-Butadienen
 
 Orbitalsymmetrie-Betrachtungen erlauben somit die Voraussage, daß die Photocyclisierung des (E,E)-2,4-Hexadiens zu (Z)-3,4-Dimethylcyclobuten führt: H 3C
 
 hν , disrotatorisch
 
 CH3
 
 (E,E) -2,4-Hexadien
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 (Z) -3,4-Dimethylcyclobuten
 
 Entsprechende Überlegungen führen zu den in Abb. 27.9 (S. 464) entwickelten Vorhersagen zur Orientierung der elektrocyclischen Reaktionen von 1,3,5-Trienen zu 1,3-Cyclohexadienen (vgl. auch Abb. 27.5). Abb. 27.9 erklärt, weshalb die Cyclisierung des (E,Z,E)-2,4,6-Octatriens thermisch zum cis-5,6-Dimethyl-1,3-cyclohexadien, photochemisch dagegen zum trans-Isomer führt. ∆
 
 disrotatorisch
 
 H3C
 
 H 3C
 
 hν
 
 CH 3
 
 konrotatorisch
 
 H 3C
 
 CH 3 cis-5,6-Dimethyl1,3-cyclohexadien
 
 CH 3
 
 H3C
 
 CH3 trans-5,6-Dimethyl1,3-cyclohexadien
 
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 464
 
 27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
 
 E
 
 hν
 
 konrotatorisch
 
 antibindend
 
 π-π*-
 
 bindend
 
 Übergang
 
 ∆
 
 disrotatorisch
 
 (a)
 
 (b)
 
 Abb. 27.9. (a) Molekül-Orbitale von 1,3,5-Trienen und ihre Besetzung im Grund- und ersten angeregten Zustand. (b) Bei der thermischen Cyclisierung von 1,3,5-Trienen führt die disrotatorische Drehung der p-Orbitale des Grundzustandes zur σ-Bindung. Die entsprechende Photoreaktion geht vom tiefsten antibindenden MO aus. Dabei führt die konrotatorische Drehung der p-Orbitale zur σ-Bindung
 
 Tab. 27.1 faßt die Ergebnisse in Form der WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für elektrocyclische Reaktionen zusammen. Tab. 27.1. WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für elektrocyclische Reaktionen
 
 Polyen
 
 Cyclopolyen
 
 Anzahl k der π-Elektronen im Polyen
 
 Orientierung der elektrocyclischen Reaktion thermisch aus Grundzustand
 
 photochemisch (aus 1. angeregtem Zustand)
 
 4 (4n , n = 1)
 
 konrotatorisch
 
 disrotatorisch
 
 6 (4n+2 , n = 1)
 
 disrotatorisch
 
 konrotatorisch
 
 8 (4n , n = 2)
 
 konrotatorisch
 
 disrotatorisch
 
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 27.3 Cycloadditionen
 
 465
 
 Diese Regeln erklären z. B. die Stereospezifität der Photocyclisierungen von 2,3-Dihydrooxepin, 1-(1-Cyclohexenyl)cyclohexen und (Z)-Stilben: H
 
 H hν , disrotatorisch
 
 X
 
 4
 
 1
 
 O
 
 ( X = H , Cl )
 
 2
 
 H
 
 H 2,3-Dihydrooxepin
 
 5
 
 3
 
 7
 
 O
 
 X
 
 6
 
 cis-2-Oxabicyclo[3.2.0]hept-6-en
 
 hν , disrotatorisch
 
 H H
 
 H H
 
 cis-Bis-(tetramethylen)cyclobuten
 
 1-(1-Cyclohexenyl)cyclohexen
 
 9
 
 hν , disrotatorisch
 
 1 4b 5
 
 (Z) -Stilben
 
 10
 
 4a
 
 H H
 
 4
 
 (E) -4a,4b-Dihydrophenanthren
 
 27.3 Cycloadditionen 27.3.1
 
 Definitionen
 
 Reaktionen, bei denen zwei π-Bindungen zweier ungesättigter Moleküle unter Bildung zweier neuer σ-Bindungen einen Ring schließen, bezeichnet man als Cycloadditionen. Bekannte Beispiele sind die Entstehung von Cyclobutanen durch Cyclodimerisierung von Alkenen (Kap. 4.5.13) oder die DIELS-ALDER-Reaktion von Dienen mit Alkenen zu Cyclohexenen (Kap. 6.5.4): π2s + π2s-Cycloaddition
 
 + 2π -
 
 π4s + π2s-Cycloaddition hν
 
 2π -
 
 Elektronen
 
 Cycloaddition
 
 +
 
 Cycloreversion
 
 4π -
 
 2π -
 
 Elektronen
 
 Zur genaueren Bezeichnung von Cycloadditionen stellt man die Art des Molekül-Orbitals, nämlich π, vor die Anzahl der beteiligten π-Elektronen. Die Cyclodimerisierung des Ethens ist demnach eine [π2 + π2]-, die DIELS-ALDER-Reaktion eine [π4 + π2]-Cycloaddition. Auch die relative räumliche Lage der Orbitale nimmt Einfluß auf die Knüpfung oder Lösung von Bindungen: Die gebildeten oder die geöffneten σ-Bindungen (letztere bei Cycloreversionen, den Umkehrungen von Cycloadditionen) können auf der gleichen oder der entgegengesetzten Seite des reagierenden π-Systems liegen.
 
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 466
 
 27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
 
 Im ersten Fall wird die Reaktion suprafacial und durch einen nachgestellten Index s gekennzeichnet im Gegensatz zu einem antarafacialen Prozeß mit Index a.
 
 C
 
 C
 
 C
 
 π2s
 
 π4s
 
 σ-Bindungen schließen sich von derselben Seite : supra (facial)
 
 C
 
 π2a
 
 π4a
 
 σ-Bindungen schließen sich von entgegengesetzten Seiten : antara (facial)
 
 Die vollständige Bezeichnung der Cyclodimerisierung des Ethens ist demnach [π2s + π2s], die der DIELS-ALDER-Reaktion [π4s + π2s]. Beide Cycloadditionen sind supra-supra-Prozesse.
 
 27.3.2
 
 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für konzertierte Cycloadditionen
 
 Bei einer konzertierten Cycloaddition entstehen zwei neue σ-Bindungen durch Überlappung der pOrbitale beider Reaktionspartner. Zur Frage, welche π-Orbitale wechselwirken, gibt es wiederum quantenmechanisch begründbare Postulate: (1) (2)
 
 (3) (4)
 
 Bei thermischen Cycloadditionen reagiert ein Cycloadditions-Partner aus dem höchsten besetzten Molekül-Orbital des Grundzustands. Da dieses Orbital bereits besetzt ist, kann sich eine neue σ-Bindung nur durch Wechselwirkung mit einem vakanten Orbital des anderen Reaktionspartners bilden. Dabei wird das energieärmste, also das tiefste unbesetzte Molekül-Orbital bevorzugt. Erlaubt sind konzertierte Cycloadditionen, bei denen die π-Molekül-Orbitale beider Edukte mit gleicher Vorzeichensymmetrie, d. h. in Phase wechselwirken. Photocycloadditionen gehen vom höchsten besetzten Molekül-Orbital im angeregten Zustand eines der Reaktionspartner aus.
 
 Die thermische Cycloaddition zweier Moleküle Ethen ist somit als Überlappung des besetzten bindenden π-Molekül-Orbitals des einen mit dem leeren antibindenden π*-Orbital des anderen Moleküls zu verstehen. Wie Abb. 27.10 zeigt, führt eine konzertierte supra-supra-Verknüpfung zweier Moleküle Ethen zu einer antibindenden Wechselwirkung. Die thermische [π2s + π2s]-Cycloaddition ist daher symmetrie-verboten. Eine supra-antara-Verknüpfung, also die [π2s + π2a]Cycloaddition könnte dagegen konzertiert zu zwei neuen σ-Bindungen führen. Die Reaktion zum Cyclobutan wäre zwar symmetrie-erlaubt, ist jedoch aus geometrischen Gründen schwierig.
 
 π*-Orbital
 
 π-Orbital supra-supra [π2s + π2s] antibindend
 
 antara-supra [π2a + π2s] bindend
 
 Abb. 27.10. Orbitalsymmetrie bei der thermischen Cycloaddition zweier Moleküle Ethen. Symmetrie-erlaubt aber geometrisch schwierig ist nur die [π2a + π2s]-Cycloaddition
 
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 27.3 Cycloadditionen
 
 467
 
 Die konzertierte [π2s + π2s]-Photocycloaddition zweier Moleküle Ethen ist symmetrie-erlaubt. Nach (2) und (4) überlappt dabei das höchste besetzte Orbital eines angeregten Ethen-Moleküls mit dem tiefsten unbesetzten Orbital des zweiten Ethens. Somit überlappen zwei π*-Orbitale (Abb. 27.2). Diese Wechselwirkung ist bindend (Abb. 27.11), weil Orbitalbereiche gleicher Vorzeichensymmetrie überlappen. π* (höchstes besetztes Orbital im angeregten Zustand)
 
 π* (tiefstes unbesetztes Orbital im angeregten Zustand) supra-supra [π2s + π2s] bindend
 
 Abb. 27.11. Orbitalsymmetrie bei der Photocycloaddition zweier Moleküle Ethen. Symmetrie-erlaubt und geometrisch möglich ist die [π2s + π2s]-Cycloaddition
 
 Bei der thermischen [π4 + π2]-Cycloaddition von 1,3-Dienen an Alkene können sich die beiden neuen σ-Bindungen durch zwei supra,supra-Überlappungen bilden (Tab. 27.2): a) b)
 
 Das höchste besetzte π-Orbital des Ethens überlappt mit dem tiefsten unbesetzten π*Orbital des 1,3-Diens (Abb. 27.12 a). Das höchste besetzte π-Orbital des 1,3-Diens überlappt mit dem tiefsten unbesetzten π*Orbital des Ethens (Abb. 27.12 b).
 
 Entsprechende Symmetrie-Betrachtungen lassen sich auf die [4+2]-Photocycloaddition übertragen (Abb. 27.12 c, d). Es ergibt sich, daß in den angeregten Zuständen nur supra-antara-Cycloadditionen symmetrie-erlaubt sind (Tab. 27.2, S. 468).
 
 π* Butadien
 
 π* Ethen
 
 π* Butadien
 
 π* Ethen
 
 π Ethen supra-supra [π4s + π2s]
 
 π Butadien supra-supra [π4s + π2s]
 
 π* Ethen antara-supra [π4a + π2s]
 
 π* Butadien antara-supra [π4a + π2s]
 
 (a)
 
 (b)
 
 (c)
 
 (d)
 
 Abb 27.12. Orbitalsymmetrie bei der thermischen (a,b) und photochemischen (c,d) [4+2]-Cycloaddition. Symmetrie-erlaubt sind die thermische supra-supra- [π4s + π2s]- und die photochemische antara-supra- [π4a + π2s]Cycloaddition
 
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 468
 
 27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen Tab. 27.2. WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für konzertierte Cycloadditionen
 
 [m + n] - Cycloaddition
 
 a)
 
 thermisch aus Grundzustand verboten
 
 photochemisch aus angeregtem Zustand
 
 erlaubt
 
 erlaubt
 
 verboten
 
 + m=2,n=2 m+n=4 (allgemein : m + n = 4q b) für q = 1)
 
 π2a + π2a antara - antara
 
 π2s + π2a supra - antara
 
 π2s + π2s supra - supra
 
 π2a + π2s antara - supra
 
 π4a + π2s antara - supra
 
 π4s + π2s supra - supra
 
 π4s + π2a supra - antara
 
 π4a + π2a antara - antara
 
 + m=4,n=2 m+n=6 (allgemein : m + n = 4q + 2 b) für q = 1) a)
 
 m und n sind die Anzahlen der π-Elektronen beider Edukte ; .
 
 b)
 
 q ist eine ganze Zahl, z. B. q = 1, 2, 3 .
 
 Die Stereospezifität thermischer DIELS-ALDER-Reaktionen folgt aus den WOODWARD-HOFFDa diese Cycloaddition nach Abb. 27.12 und Tab. 27.2 nur bei suprafacialer Anordnung von Dien und Dienophil im Übergangszustand abläuft, bleibt die relative Konfiguration beider Edukte im Cycloaddukt erhalten. MANN-Regeln:
 
 Epot
 
 1,3-Dien
 
 Dienophil
 
 1,3-Dien
 
 Dienophil
 
 1,3-Dien
 
 Dienophil
 
 LUMO
 
 HOMO
 
 oder
 
 normale (a )
 
 neutrale DIELS-ALDER-Reaktion (b)
 
 inverse (c )
 
 Abb. 27.13. Energiebeziehungen der Molekül-Orbitale von Dien und Dienophil bei normalen (a), neutralen (b) und inversen (c) DIELS-ALDER-Reaktionen
 
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 27.3 Cycloadditionen
 
 469
 
 Orbitalsymmetrie-Betrachtungen werden oft im HOMO-LUMO-Jargon beschrieben; dabei bezeichnet man das höchste besetzte Molekülorbital als HOMO von "highest occupied molecular orbital", das tiefste unbesetzte Molekülorbital entsprechend als LUMO von "lowest unoccupied molecular orbital". Verschiedene relative HOMO-LUMO-Energiebeziehungen von Dien und Dienophil kennzeichnen z. B. die drei Typen der DIELS-ALDER-Reaktion: Bei einer neutralen DIELS-ALDER-Reaktion unterscheiden sich die HOMO-LUMO-Abstände von Dien und Dienophil kaum (Abb. 27.13 b). Bei der besonders häufigen normalen DIELS-ALDER-Reaktion wechselwirkt das HOMO eines elektronenreichen 1,3-Diens mit dem LUMO eines elektronenarmen Dienophils (Abb. 27.13 a). Bei einer DIELS-ALDER-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf überlappt dagegen das HOMO eines elektronenreichen Dienophils mit dem LUMO eines elektronenarmen 1,3Diens (Abb. 27.13 c). Donor- oder (+)-M-Substituenten (z. B. Methoxy) machen elektronenreich, Akzeptor- oder (−)-M-Substituenten (z. B. Carbonyl) machen elektronenarm.
 
 27.3.3
 
 Cycloreversionen
 
 Konzertierte Cycloadditionen können reversibel sein. Die Rückreaktionen bezeichnet man als Cycloreversionen. Cyclobutan könnte z. B. eine Cycloreversion unter Bildung zweier Moleküle Ethen eingehen. Nach Tab. 27.2 müßten sich hierbei zwei σ-Bindungen suprafacial lösen. Man spricht daher von einem retro- [π2s + π2s] oder einem [σ2s + σ2s]-Prozeß: R2 R2
 
 R1
 
 R2
 
 [σ2s + σ2s]
 
 R1
 
 R2
 
 R2 +
 
 R1
 
 oder
 
 +
 
 R1
 
 R2
 
 R1
 
 R1
 
 Der analoge Vorgang führt bei Cyclobuten-Derivaten zu Alken und Alkin. Ein experimentelles Beispiel ist die stereospezifische Photocycloreversion von (Z)- und (E)-Tricyclo[6.4.0.02,7]-1dodecen zu den Cycloalkeninen entsprechender Konfiguration: 3
 
 12 1
 
 11
 
 2
 
 8
 
 10 9
 
 4 7
 
 H H (Z) -
 
 1 8
 
 hν [σ2s + σ2s]
 
 1
 
 2
 
 8
 
 7
 
 5 6
 
 (Z) hν [σ2s + σ2s]
 
 2 7
 
 1
 
 8
 
 2
 
 7
 
 H H (E) -
 
 (E) -
 
 Tricyclo[6.4.0.0 2,7]-1-dodecen
 
 7-Cyclododec-en-1-in
 
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 470
 
 27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
 
 Die Umkehrung der [4+2]-Cycloaddition wird Retro-DIELS-ALDER-Reaktion genannt. Man kann diese Cycloreversion durch das Kürzel [π4s + π2s] kennzeichnen. Ein Beispiel ist der thermische Zerfall des cis-9-Methyl-1,2,3,4,5,8,9,10-octahydronaphthalen-1-ons mit cis-ständigen Substituenten an den Brückenkopf-C-Atomen (C-9 und C-10). Das trans-Isomer könnte keine Symmetrieerlaubte [π4s + π2s]-Cycloreversion eingehen. H 3C
 
 − [ π4s + π2s ]
 
 +
 
 CH3 6 7
 
 10
 
 H cis-
 
 CH3
 
 O 3-Methyl-2cyclohexenon
 
 1,3-Butadien
 
 9 1
 
 H
 
 O
 
 9-Methyl-1,2,3,4,5,8,9,10-octahydronaphthalen-1-on
 
 O
 
 trans-
 
 27.4 Sigmatrope Reaktionen 27.4.1
 
 Definitionen
 
 Die intramolekulare Wanderung eines mindestens von einer π-Bindung flankierten Substituenten R innerhalb eines Alkens oder Polyens unter gleichzeitiger Verschiebung der π-Bindung(en) bezeichnet man als sigmatrope Reaktion: R
 
 1
 
 C (C
 
 C )n
 
 1
 
 sigmatrope Reaktion
 
 o
 
 (C
 
 R
 
 C )n C
 
 Alkene und Diene können [1,3]-, [1,5]- und [3,3]-sigmatrope Verschiebungen eingehen: R
 
 R
 
 R
 
 1
 
 3 2
 
 1
 
 3
 
 1
 
 3 2
 
 2
 
 [1,3]-sigmatrope Reaktion eines Alkens
 
 1
 
 R
 
 2
 
 5
 
 R
 
 4 3
 
 1
 
 R
 
 2
 
 [1,5]-sigmatrope Reaktion eines 1,3-Diens
 
 5 4
 
 3
 
 [3,3]-sigmatrope Reaktion eines 1,5-Diens
 
 [3,3]-sigmatrope Verschiebungen sind als COPE-, Diaza-COPE-, Oxa-COPE- sowie CLAISENUmlagerung bekannt (Kap. 8.7.4, 26.5).
 
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 27.4 Sigmatrope Reaktionen
 
 471
 
 Sigmatrope Reaktionen können nach zwei stereochemischen Alternativen ablaufen, nämlich suprafacial und antarafacial, wie die [1,5]-Verschiebung eines Wasserstoff-Atoms zeigt: Bei der suprafacialen Verschiebung liegen Ausgangs- und Endposition des wandernden H-Atoms auf derselben Seite des Molekülgerüstes. Im entgegengesetzten Fall, einer antarafacialen Verschiebung, wandert das H-Atom von der Oberseite im Edukt zur Unterseite im Produkt. H suprafaciale [1,5]-Verschiebung
 
 A
 
 BC
 
 H
 
 D
 
 A
 
 BC
 
 D
 
 A
 
 B C
 
 D
 
 H antarafaciale [1,5]-Verschiebung
 
 A
 
 BC
 
 D
 
 H
 
 27.4.2
 
 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für sigmatrope Reaktionen
 
 Wie bereits formuliert, ist die wandernde Gruppe R im Übergangszustand durch eine Art Dreizentren-Bindung an Ausgangs- und Endpunkt der Wanderung geknüpft. Zur Beschreibung des Übergangszustandes geht man von drei Voraussetzungen aus: (1)
 
 (2) (3)
 
 Die wandernde R-Gruppe und das π-System werden im Übergangszustand als Radikalpaar betrachtet. Gleichwohl verläuft die Verschiebung konzertiert, also nicht unter intermediärer Bildung und Rekombination von freien Radikalen. Im Übergangszustand liegt das π-System als Allyl- oder vinyloges Allyl-Radikal vor. Zur Überlappung gelangen jeweils das höchste besetzte Molekül-Orbital der wandernden (radikalischen) Gruppe R und des Allyl-Radikals. Da diese beiden Orbitale jeweils einfach besetzt sind, liefern sie zusammen das bindende Elektronenpaar.
 
 Daraus ergibt sich die Frage, welches das höchste besetzte Molekül-Orbital eines Allyl-Radikals ist. Die drei Molekül-Orbitale des Allyl-Systems entstehen durch Überlappung dreier benachbarter p-Orbitale (Abb. 27.14). E antibindend
 
 nicht bindend
 
 bindend Kation Radikal Anion im Grundzustand
 
 Abb. 27.14. Linearkombinationen der Atom-Orbitale des C-Atoms zu den Molekül-Orbitalen des Allyl-Systems und Elektronenkonfiguration im Allyl-Kation, Allyl-Radikal und Allyl-Anion
 
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 472
 
 27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
 
 Überlappen die p-Orbitale mit gleicher Vorzeichensymmetrie, so resultiert das bindende MolekülOrbital. Überlappen sie mit benachbart-entgegengesetzter Phase, so entsteht das antibindende Molekül-Orbital. Beteiligt sich das mittlere p-Orbital nicht an der Überlappung, so ergibt sich ein nicht bindendes Molekül-Orbital mit einem Knoten ( ) am mittleren Kohlenstoff-Atom (Abb. 27.14) und dem Energieinhalt eines isolierten p-Orbitals. Dieses nicht bindende Orbital ist im Allyl-Kation vakant, im Anion doppelt und im Radikal einfach besetzt (Abb. 27.14). Für vinyloge Allyl-Radikale entstehen die nicht bindenden Molekül-Orbitale analog (Abb. 27.15): Zur Überlappung kommen nur p-Orbitale entgegengesetzter Phase an ungeradzahligen CPositionen. p-Orbitale geradzahliger C-Atome beteiligen sich nicht; dort bilden sich Knoten ( ).
 
 2
 
 2
 
 1
 
 4
 
 2
 
 1
 
 3
 
 Allyl-
 
 5
 
 4
 
 6
 
 1
 
 1,3-Pentadienyl-
 
 7
 
 1,3,5-Heptatrienyl-Radikal
 
 Abb. 27.15. Symmetrie nicht bindender Molekül-Orbitale des Allyl-Radikals und seiner Vinylogen
 
 Soll die sigmatrope Reaktion thermisch, also vom Grundzustand ausgehend erfolgen, so ist wie bei den anderen konzertierten Reaktionen die Symmetrie des höchsten besetzten Molekül-Orbitals im Allyl-π-System entscheidend. Ist die Anzahl der π-Bindungen des Allyl-Systems gerade, so haben die endständigen p-Orbitale gleiche Vorzeichensymmetrie (Abb. 27.15). Eine Dreizentrenbindung zwischen Allyl-System und wandernder Gruppe R (z. B. einem H-Atom) wäre von derselben Seite aus möglich, da Orbitallappen gleicher Phase überlappen könnten (Abb. 27.16 b). Eine suprafaciale [1,5]-sigmatrope Verschiebung ist also symmetrie-erlaubt (Tab. 27.3).
 
 4 2
 
 2 1
 
 H
 
 4 2
 
 3
 
 1
 
 H
 
 5
 
 6 1
 
 H
 
 antarafacial
 
 suprafacial
 
 antarafacial
 
 (a )
 
 (b)
 
 (c )
 
 7
 
 Abb. 27.16. Erhaltung der Orbitalsymmetrie im Übergangszustand sigmatroper H-Verschiebungen. (a) Die antarafaciale [1,3]-Verschiebung ist symmetrie-erlaubt aber geometrisch schwierig. (b) Die suprafaciale [1,5]-Verschiebung ist symmetrie-erlaubt und geometrisch möglich. (c) Die antarafaciale [1,7]-Verschiebung ist symmetrie-erlaubt und geometrisch weniger erschwert als die antarafaciale [1,3]-Verschiebung
 
 Ist die Anzahl der π-Bindungen des Allyl-Systems dagegen ungerade, so haben die endständigen p-Orbitale im nicht bindenden Zustand entgegengesetzte Vorzeichensymmetrie (Abb. 27.15). Das
 
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 27.4 Sigmatrope Reaktionen
 
 473
 
 s-Orbital eines Wasserstoff-Atoms könnte also nur von der Oberseite des einen zur Unterseite des anderen Radikal-Endes überlappen (Abb. 27.16 a und c). Symmetrie-erlaubt wäre somit eine antarafaciale [1,3]- oder [1,7]-sigmatrope Verschiebung (Tab. 27.3). Diese würde aber eine Verdrillung des Allyl-π-Systems erfordern und ist im Falle des Dreikohlenstoff-Gerüstes geometrisch unwahrscheinlich. Dagegen ist die symmetrie-erlaubte [1,7]-Verschiebung geometrisch möglich. Tab. 27.3. WOODWARD-HOFFMANN-Regeln für sigmatrope Verschiebungen symmetrie-erlaubte Orientierungen thermisch aus Grundzustand
 
 photochemisch aus angeregtem Zustand
 
 sigmatrope Reaktion
 
 i
 
 j
 
 [1,3] -
 
 1
 
 3
 
 4 (q=1)
 
 antara
 
 supra
 
 [1,5] -
 
 1
 
 5
 
 6 (=4+2) (q=1)
 
 supra
 
 antara
 
 [1,7] -
 
 1
 
 7
 
 8 (=4x2) (q=2)
 
 antara
 
 supra
 
 [3,3] -
 
 3
 
 3
 
 6 (=4+2) (q=1)
 
 supra - supra antara - antara
 
 antara - supra supra - antara
 
 4q
 
 antara - supra supra - antara
 
 supra - supra antara - antara
 
 4q+2
 
 supra - supra antara - antara
 
 antara - supra supra - antara
 
 i+j
 
 [i, j] -
 
 Die Regeln in Tab. 27.3 gelten für sigmatrope Verschiebungen aus dem Grundzustand; sie kehren sich wie bei den Cycloadditionen und elektrocyclischen Reaktionen für Photoreaktionen um. Im Übergangszustand einer [3,3]-sigmatropen Reaktion wechselwirken zwei Allyl-Radikale so, daß zwei Dreizentren-Bindungen entstehen. Diese bilden sich entweder durch supra-supra- oder antara-antarafacial-Überlapppung der nicht bindenden Allyl-Orbitale (Abb. 27.17). Die relative Symmetrie der nichtbindenden Molekül-Orbitale beider π-Systeme dirigiert demnach auch alle [i,j]-sigmatrope Verschiebungen (i und j sind größer als 1 wie im Beispiel mit i = j = 3).
 
 oder
 
 supra - supra
 
 antara - antara
 
 Abb. 27.17. Erhaltung der Orbitalsymmetrie im Übergangszustand [3,3]-sigmatroper Verschiebungen : Sowohl die supra-supra-, als auch die antara-antara-Überlappung der nichtbindenden Molekül-Orbitale zweier AllylRadikale ist symmetrie-erlaubt
 
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 474
 
 27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
 
 27.4.3
 
 Beispiele zu den Auswahlregeln
 
 Die Voraussage, daß [1,3]-sigmatrope Verschiebungen unmöglich, [1,5]-Verschiebungen dagegen symmetrie-erlaubt sind, zeigt sich an vielen Beispielen. So ist 5-Methylen-1,3-cyclohexadien eine stabile Verbindung, weil ihre Aromatisierung zu Toluen eine [1,3]-sigmatrope Verschiebung wäre: CH 3
 
 CH 2
 
 Beim Erhitzen von 7,8-Dideutero-1,3,5-cyclooctatrien verteilt sich das Deuterium nur auf die CAtome 3, 4, 7 und 8, wie es [1,5]-Verschiebungen entspricht. Reversible [1,3]-Verschiebungen über das isomere 1,3,6-Cyclooctatrien würden das Deuterium auf alle Positionen verteilen: D
 
 [1,5] - D
 
 D
 
 (D)
 
 (D)
 
 (D)
 
 (D)
 
 [1,3] - D
 
 (D)
 
 (D)
 
 (D)
 
 (D) D
 
 (D)
 
 D
 
 D
 
 (D)
 
 (D)
 
 (D)
 
 (D) (D)
 
 (D)
 
 Thermische [1,5]-Verschiebungen von Pentadienen, wie die des 1,1-Dideutero-1,3-pentadiens, [1,5] - D
 
 D2C
 
 CH 3
 
 D 2HC
 
 CH 2
 
 sind nach Tab. 27.3 suprafaciale Synchronprozesse und verlaufen daher stereospezifisch. Dies zeigt sich am Beispiel der stereospezifischen Thermolyse des 2-Deutero-6-methyl-2,4-octadiens: H 3C H5C 2
 
 H 3C H5C 2
 
 H 3C
 
 D H
 
 Hitze
 
 HD H 3C
 
 H H 5C 2 H3C D
 
 H5C 2 Hitze
 
 H 3C
 
 H 3C
 
 H D H3C
 
 (2E,4Z) -2-Deuterio-6-methyl-2,4-octadien (Konformere)
 
 27.4.4
 
 Inversion und Retention bei sigmatropen Verschiebungen
 
 Wandert bei der sigmatropen Verschiebung nicht Wasserstoff, sondern Kohlenstoff, so gibt es im Übergangszustand zwei Möglichkeiten der Orbital-Überlappung:
 
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 27.4 Sigmatrope Reaktionen
 
 (1)
 
 475
 
 Überlappt im Übergangszustand ein s-Orbital, so wird das wandernde C-Atom vor und nach der Verschiebung über denselben Orbital-Bereich gebunden. Alle Bindungen bleiben dann auf der gleichen Seite des wandernden C-Atoms. Die Verschiebung verläuft also unter Retention der Konfiguration (Abb. 27.18).
 
 2
 
 2 1
 
 3
 
 [1,3]-Alkyl-Verschiebung antarafacial
 
 4 1
 
 5
 
 [1,5]-Alkyl-Verschiebung suprafacial
 
 Abb. 27.18. Erhaltung der Orbitalsymmetrie im Übergangszustand [1,3]- und [1,5]-sigmatroper Allyl-Verschiebungen. Bei Beteiligung eines s-Orbitals ist die antarafaciale [1,3]- und die suprafaciale [1,5]-Verschiebung symmetrie-erlaubt. In beiden Fällen bleibt die Konfiguration am wandernden C erhalten (Retention)
 
 (2) Enthält das wandernde C-Atom ein zugängliches p-Orbital, wie z. B. in Alkyl-Radikalen, so kann sich auch dieses am Übergangszustand beteiligen, sofern sperrige Substituenten sterisch nicht im Wege stehen. Bekanntlich liegen im p-Zustand Orbitallappen entgegengesetzten Vorzeichens auf gegenüberliegenden Seiten eines C-Atoms. Daraus folgt, daß bei Teilnahme eines p-Orbitals am Übergangszustand die Konfiguration des wandernden C-Atoms wie bei SN2-Reaktionen invertiert (Abb. 27.19).
 
 1
 
 [1,3]-Alkyl-Verschiebung suprafacial
 
 3
 
 1
 
 5
 
 [1,5]-Alkyl-Verschiebung antarafacial
 
 Abb. 27.19. Bei Beteiligung eines p-Orbitals des wandernden C-Atoms sind die suprafaciale [1,3]- und die antarafaciale [1,5]-Verschiebung symmetrie-erlaubt. In beiden Fällen erfolgt Inversion der Konfiguration am wandernden Kohlenstoff
 
 [1,3]- und [1,5]-Verschiebungen lassen keine Verdrillung des π-Gerüstes zu, so daß antarafaciale Überlappungen behindert sind. Symmetrie-erlaubt und geometrisch möglich sind also suprafaciale [1,3]- sowie [1,5]-Alkyl-Verschiebungen, [1,3]-Wanderungen unter Beteiligung von p-Orbitalen und Inversion, [1,5]-Wanderungen unter Beteiligung von s-Orbitalen und Retention. Für [1,3-]Alkyl-Verschiebungen kehren sich die Auswahlregeln in Tab. 27.3 demnach um.
 
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 476
 
 27 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen
 
 Unter den wenigen bekannten thermischen [1,3]-Alkyl-Verschiebungen zeigt die Thermolyse von 6-Acetyl-7-deuterobicyclo[3.2.0]hepten Inversion an C-7: Aus dem Edukt mit Acetyl-Gruppe und Deuterium auf entgegengesetzten Seiten von C-6 und C-7 entsteht ein Bicyclo[2.2.1]hepten, bei dem Acetyl-Gruppe und Deuterium auf derselben Seite (exo) von C-6 und C-7 stehen: 7 4
 
 5 1
 
 H D
 
 2 6 7
 
 O
 
 O C
 
 4
 
 5
 
 1
 
 3
 
 1
 
 2
 
 300 °C
 
 3
 
 H
 
 CH 3
 
 H
 
 6 7
 
 H
 
 6-Acetoxy-7-deuteriobicyclo[3.2.0]hept-2-en (Acetoxy und D entgegen)
 
 O
 
 2
 
 6
 
 O C CH 3 D
 
 5
 
 3
 
 4
 
 H
 
 H
 
 O CH3 C D O
 
 2-Acetoxy-3-deuteriobicyclo[2.2.1]hept-5-en (Acetoxy und D zusammen, exo, exo)
 
 Daß [1,5]-Alkyl-Verschiebungen unter vollständiger Retention der Konfiguration am wandernden C ablaufen, zeigt die thermische Umlagerung des (Z)- und (E)-Isomers von 6,9-Dimethylspiro[4,4]nona-1,3-dien zu den Dimethylbicyclo[4.3.0]nonadienen gleicher Konfiguration: H 3C 1
 
 6
 
 2
 
 7 5
 
 (Z) - 6,9-Dimethylspiro[4.4]nona-1,3-dien
 
 8
 
 3
 
 9
 
 4
 
 H 3C [1,5] - C - Verschiebung
 
 1
 
 5
 
 3
 
 6
 
 H3C
 
 [1,5] - H - Verschiebung
 
 3
 
 H
 
 H 9
 
 Primärprodukt
 
 27.4.5
 
 CH3
 
 2
 
 4
 
 H
 
 H
 
 1
 
 CH 3
 
 2
 
 5
 
 6
 
 H [1,5] - H - Verschiebung
 
 4
 
 H 3C (Z) - 6,9-Dimethylbicyclo[4.3.0]nona-1(2),4(5)-dien (Hauptprodukt)
 
 1
 
 CH3
 
 2 3
 
 5 4
 
 H 3C
 
 En-Reaktion
 
 Bei der En-Reaktion (Kap. 4.5.12) handelt es sich um eine intermolekulare [1,5]-sigmatrope HVerschiebung. Dabei addiert ein Alken mit allylständigem H-Atom (En) an eine elektronenarme Doppelbindung (Enophil). Enophil
 
 X
 
 Y
 
 X
 
 H
 
 H
 
 En
 
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 27.4 Sigmatrope Reaktionen
 
 477
 
 En und Enophil bilden dabei einen bootförmigen pericyclischen Übergangszustand, an dem sich zwei σ-Elektronen der CH-Einfachbindung und die vier π-Elektronen der beiden Doppelbindungen beteiligen. Demnach ist die En-Reaktion ein [σ2s + π2s + π2s]-Prozeß. LUMO (En)
 
 H
 
 H
 
 HOMO (Enophil)
 
 Als Folge dieses konzertierten Ablaufs wird die absolute Konfiguration eines Asymmetriezentrums im En auf das Addukt übertragen. Daher führt die En-Reaktion des (R)-3-Phenyl-1-butens mit Maleinsäureanhydrid zu (R)-5-Phenyl-4-hexen-1,2-dicarbonsäureanhydrid: O + H5C 6 H 3C
 
 H
 
 O
 
 O
 
 H
 
 H 5C6
 
 O
 
 (R) -3-Phenyl1-buten
 
 O
 
 Maleinsäureanhydrid
 
 CH 3
 
 O
 
 (R) - 5-Phenyl-4-hexen1,2-dicarbonsäureanhydrid
 
 Als gute Enophile gelten Carbonyl-Verbindungen (R2C=O) und Singulett-Sauerstoff (O=O im Gegensatz zum Biradikal .O−O., dem Triplett-Sauerstoff), von denen auch intramolekulare EnReaktionen bekannt sind. Für Terpen-Synthesen interessant ist z. B. die durch LEWIS-Säuren katalysierte intramolekulare En-Reaktion des Citronellals zu Isopulegol:
 
 ZnBr 2 , 5 - 10 °C
 
 O
 
 OH
 
 H Citronellal
 
 Isopulegol (Hauptprodukt)
 
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 478
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 28 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung 28.1 Überblick Konstitution und funktionelle Gruppen einer unbekannten Verbindung können chemisch durch Abbaureaktionen und Derivatisierungen bestimmt werden. Rascher, bequemer und häufig genauer ergeben sich diese Informationen aus den Molekülspektren der Verbindung. Molekülspektren entstehen durch Wechselwirkung der molekularen Materie − meist in Lösung − mit elektromagnetischer Strahlung (ultraviolettes, sichtbares und infrarotes Licht sowie längerwellige Strahlung, z. B. Radiowellen), aber auch durch Elektronenbeschuß oder andere Arten der Ionisation (Massenspektrometrie). Die Wechselwirkung elektromagnetischer Wellen mit Materie beruht auf der Anregung von Elektronen, Molekülschwingungen, Molekülrotationen sowie der Richtungsänderung von Elektronenspin- und Kernspin-Präzession in magnetischen Feldern. Welcher Vorgang angeregt wird, hängt von der Strahlungsenergie ab, wie Tab. 28.1 zusammenfassend zeigt. Tab. 28.1. Anregende elektromagnetische Strahlung (Wellenlänge λ, Wellenzahl ν, Strahlungsenergie ∆Ε) und zugehörige spektroskopische Methode
 
 λ [cm]
 
 ν [cm−1]
 
 ∆E [kJ / mol]
 
 Bezeichnung
 
 Anregungsart
 
 -Spektroskopie
 
 RÖNTGEN
 
 inneratomare Elektronenübergänge Photoemission
 
 RÖNTGENPhotoelektronen-
 
 UV (ultraviolett) VIS (sichtbar)
 
 ElektronenSchwingungs- und Rotationsübergänge
 
 Lichtabsorptions-
 
 IR (infrarot)
 
 Schwingungs- und Rotationsübergänge
 
 IR- und RAMAN-
 
 10−6
 
 106
 
 12 000
 
 10−5
 
 105
 
 1 200
 
 10−4 10−3
 
 104 103
 
 120 12
 
 10−2 10−1
 
 102 10
 
 1.2 0.12
 
 Mikrowellen
 
 Rotationsübergänge
 
 Mikrowellen-
 
 100
 
 100
 
 0.012
 
 cm-Wellen
 
 Umklappen der Elektronenspin-Präzession im Magnetfeld
 
 ElektronenspinResonanz (ESR)
 
 101
 
 10−1
 
 0.0012
 
 Radiowellen (UKW)
 
 Umklappen der Kernspin-Präzession im Magnetfeld
 
 Kernmagnetische Resonanz (NMR)
 
 RÖNTGEN-Strahlen können einerseits inneratomare Elektronenübergänge anregen. Hierauf beruht die RÖNTGEN-Spektroskopie, welche Aussagen über die Energiedifferenzen inneratomarer Elektronenzustände erlaubt. RÖNTGEN-Strahlen können aber auch die Emission von Elektronen aus Molekülorbitalen einer organischen Verbindung auslösen (Photoemission, PhotoelektronenSpektroskopie). Die meßbare Energie der Photoelektronen reflektiert den Energieinhalt der Molekülorbitale und damit den Bindungszustand des Probenmoleküls.
 
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 28.2
 
 UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie
 
 479
 
 Durch ultraviolettes (UV) und sichtbares Licht (VIS) werden Elektronen auf bindenden und nichtbindenden Molekülorbitalen (σ-, π- und n-Elektronen) angeregt. Diese Meßmethodik bezeichnet man als UV- und Lichtabsorptions- oder Elektronen-Spektroskopie. Zusätzlich zur Elektronenanregung werden durch ultraviolettes und sichtbares Licht auch Molekülschwingungen und Rotationen angeregt. Diese Vorgänge sind der Grund für die Banden-Natur, in einzelnen Fällen auch für die Feinstruktur der UV- und Lichtabsorptionsspektren. Bei optisch aktiven Verbindungen hängt die spezifische Drehung ([α], Kap. 18.2) der Ebene linear polarisierten Lichts von der Wellenlänge λ ab (optische Rotationsdispersion, ORD). Hierauf beruhen der für Konfigurationszuordnungen chiraler Verbindungen wertvolle Circulardichroismus (CD) sowie die ORD-Spektroskopie (chiroptische Methoden). Durch infrarote Strahlung werden ausschließlich Molekülschwingungen und Rotationen angeregt (Infrarot- oder IR-Spektroskopie). Die noch energieärmeren Mikrowellen reichen lediglich zur Anregung von Molekül-Rotationen aus. Auf dieser Anregungsart beruht die u. a. zur Bestimmung von Bindungswinkeln wertvolle Mikrowellen-Spektroskopie. Längerwellige elektromagnetische Strahlungen wie Zentimeter- und Radiowellen regen Umklappvorgänge der Elektronen- und Kernspin-Präzession in Magnetfeldern an. Diese Vorgänge sind als Elektronenspin-Resonanz (ESR) sowie kernmagnetische Resonanz (nuclear magnetic resonance, NMR) bekannt. Die ESR-Spektroskopie eignet sich zum Studium von Verbindungen mit ungepaarten Elektronen (Radikale). Die NMR-Spektroskopie entwickelte sich zur aussagekräftigsten Methode der Strukturaufklärung organischer Verbindungen, da diese durchweg Atomkerne mit mechanischem Drehimpuls (Kernspin) wie Wasserstoff (1H) und Kohlenstoff-13 (13C) als NMRMeßsonden enthalten. Zur Identifizierung und Aufklärung organischer Verbindungen werden die Elektronen-, Infrarotsowie vor allem die NMR- und Massenspektroskopie eingesetzt.
 
 28.2 UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie 28.2.1
 
 Spektralbereich
 
 Die Absorption ultravioletten und sichtbaren Lichts (UV-Vis) durch Moleküle beruht auf der Anregung von σ-, π- und n-Elektronen; n-Elektronen besetzen nichtbindende, sog. n-Molekülorbitale. UV- und Lichtabsorptions-Spektren umschließen einen Wellenlängenbereich von 1.5 bis 8x10−7 m (Abb. 28.1). Die Wellenlänge wird in Nanometer nm angegeben (1 nm = 10−9 m); früher wurde diese Wellenlängeneinheit auch als "millimü" mµ bezeichnet.
 
 Abb. 28.1. Wellenlängenbereich der UV- und Lichtabsorptionsspektren
 
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 480
 
 28
 
 28.2.2
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Meßmethodik
 
 Abb. 28.2 zeigt das vereinfachte Schema eines Lichtabsorptionsspektrometers. Es besteht aus einer Strahlungsquelle (zwischen 320 und 800 nm: Wolframdrahtlampe; zwischen 180 und 400 nm: Wasserstoffbogenlampe), einem Monochromator (sichtbares Licht: Glasprisma oder Gitter; UV-Licht: Quarzprisma), einer Proben- und Vergleichszelle (Probenküvette mit Meßlösung; Vergleichsküvette mit Lösemittel), einem Strahlungsdetektor (Photoelektronenvervielfacher) und einem Rechner mit Drucker zur Aufzeichnung der Absorptionskurven (Abb. 28.3), Abzisse: Wellenlänge (λ); Ordinate: Absorption (A) oder Absorptionskoeffizient (ε ). Strahlungsquelle
 
 Amperemeter
 
 Vergleichsküvette
 
 I0
 
 I0
 
 Monochromator
 
 d
 
 Probenküvette
 
 I Photoelektronenvervielfacher
 
 Rechner/Drucker
 
 I0 Strahlungsintensität aus der Vergleichsküvette I Strahlungsintensität aus der Probenküvette d Küvettenlänge (Schichtdicke)
 
 Abb. 28.2. Vereinfachtes Schema eines UV- und Lichtabsorptionsspektrometers
 
 Abb. 28.3. UV-Spektrum von Aceton (
 
 ___
 
 ; λmax = 280 nm, εmax = 15) und Butandion ( . . . ) in Hexan
 
 Die vom Monochromator erzeugte monochromatische Strahlung (mit einer bestimmten Wellenlänge) wird in zwei Strahlengänge zerlegt (Zweistrahlspektrometer). Ein Strahl durchquert die Probenküvette, der andere die Vergleichsküvette. In beiden Zellen wird absorbiert, jedoch wählt man meist ein Lösemittel, das zwischen 200 und 800 nm möglichst keine Eigenabsorption zeigt
 
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 28.2
 
 UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie
 
 481
 
 (z. B. Wasser, Ethanol). Dann entspricht die meßbare Differenz zwischen den Strahlungsintensitäten aus Vergleichs- und Probenküvette praktisch der Probenabsorption Ι0−Ι. Der Photoelektronenvervielfacher erzeugt aus der Intensitätsdifferenz einen Differenzstrom, der rechnergesteuert als Funktion der Wellenlänge λ aufgezeichnet wird. Ist ε der substanzspezifische Absorptionskoeffizient, c die Konzentration in mol/L und d die Schichtdicke in cm, so gilt bei einer bestimmten Wellenlänge für die Absorption A das LAMBERTBEERsche Gesetz A = lg I0 / I = ε c d
 
 (28.1)
 
 Demnach wird bei einer Wellenlänge λ die Absorption Αλ = 1, wenn für eine 1 molare Lösung (c = 1 mol / L) bei einer Schichtdicke von d = 1 cm Ι0 das zehnfache von I ist. Moderne Spektrometer zeichnen ε als Funktion der Wellenlänge λ auf, wie Abb. 28.3 am Beispiel zweier Ketone zeigt. Als Parameter entnimmt man dem Spektrum die Koordinaten des Absorptionsmaximums (λmax in nm und εmax). Für Aceton ergibt sich z. B. aus Abb. 28.3 λmax = 280 nm und εmax = 15. In Molekülen sind die durch ultraviolettes und sichtbares Licht angeregten Elektronenübergänge mit der Anregung von Molekülschwingungen und Rotationen verbunden. Die Schwingungs- und Rotationsstruktur der Absorptionskurven kann jedoch bei Lösungen infolge der Wechselwirkung zwischen Lösemittel und gelösten Molekülen nur selten (z. B. bei Benzen) aufgelöst werden. Daher mißt man meist breite und geglättete Absorptionsbanden.
 
 28.2.3
 
 Elektronenübergänge in organischen Molekülen
 
 Man unterscheidet vier Grundtypen der Elektronenanregung: 1) Bei einem nπ*-Übergang wird ein n-Elektron eines nichtbindenden (n-) Elektronenpaares auf ein antibindendes π*-Orbital einer Doppelbindung angeregt. Diese Übergänge sind in allen Verbindungen mit Heteroatomen und benachbarten Doppelbindungen möglich, z. B. in Carbonyl-Verbindungen, Iminen und Heteroaromaten oder Azo-Verbindungen. Infolge der geringen nπ*-Übergangswahrscheinlichkeit sind die zugehörigen Absorptionsbanden wenig intensiv. So hat die nπ*-Bande der Carbonyl-Gruppe des Acetons mit λmax = 280 nm nur einen molaren Absorptionskoeffizienten von 15 (Abb. 28.3). _ C O _ Carbonyl-Verbindung
 
 C N _
 
 _ N N _
 
 Imin
 
 Azo-Verbindung
 
 2) Ein ππ*-Übergang regt das π-Elektron einer π-Bindung auf ein π*-Orbital an. ππ*-Übergänge sind in allen ungesättigten Verbindungen möglich, also in Alkenen, Aromaten, Alkinen, aber auch in allen Verbindungen, in welchen nπ*-Übergänge stattfinden können (s. o.). ππ*Anregungen erfolgen mit großer Übergangswahrscheinlichkeit. Dementsprechend groß sind die molaren Absorptionskoeffizienten (ε > 10 000). 3) nσ*-Übergänge regen n-Elektronen auf antibindende Orbitale benachbarter σ-Bindungen (σ*Orbitale) an. nσ*-Übergänge geschehen in gesättigten Verbindungen mit Heteroatomen, z. B. in Alkoholen, Aminen oder Halogenalkanen (X = Halogen). _ C OH _ Alkohol
 
 _ C NR2 Amin
 
 C
 
 _ X _I ,
 
 X = Cl, Br, I
 
 Halogenalkan
 
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 482
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 4) Bei σσ*-Übergängen werden σ-Elektronen auf σ*-Orbitale angeregt. Diese Übergänge sind in allen organischen Verbindungen, also auch in Alkanen, möglich. Vergleicht man diese Elektronenübergänge nach Lage der zugehörigen Absorptionsmaxima in einfachen Verbindungen (Tab. 28.2), so ergibt sich eine Verschiebung nach kleineren Wellenlängen in der Folge nπ*, ππ*, nσ*, σσ*. σσ*-Übergänge erfordern also die größten, nπ*-Übergänge die kleinsten Anregungsenergien. Während nπ*- und ππ*-Übergänge noch im langwelligen UVBereich angeregt werden, erfordern σσ*-Übergänge bereits die Energie von RÖNTGEN-Strahlen (Tab. 28.2). Tab. 28.2. Elektronenübergänge und UV-Absorptionsdaten einfacher organischer Moleküle Verbindung
 
 28.2.4
 
 Übergang
 
 (H3C)2C O (H3C)2C NOH
 
 nπ*
 
 H2C CH2 H2C CH CH CH2 H 2C CH CH CH CH CH2
 
 ππ*
 
 ε max
 
 λ max [nm]
 
 Lösemittel / Zustand
 
 280 279
 
 15 15
 
 Cyclohexan Cyclohexan
 
 162 217
 
 10 000
 
 gasförmig
 
 21 000
 
 n-Hexan
 
 258
 
 35 000
 
 n-Hexan
 
 H3CBr (H 3C)2O (H 3C)3N
 
 nσ*
 
 204 184 227
 
 200 2 250 900
 
 gasförmig gasförmig gasförmig
 
 CH 4 H3C CH3
 
 σσ*
 
 122 135
 
 intensiv intensiv
 
 gasförmig gasförmig
 
 Chromophore, Auxochrome
 
 Strukturelemente und funktionelle Gruppen, die im nahen UV oder im sichtbaren Bereich Absorption verursachen, werden als Chromophore bezeichnet. Man unterscheidet zwei wichtige Arten von Chromophoren aufgrund der möglichen Elektronenübergänge: n,π-Chromophore wie
 
 _ C O _
 
 _ C S _
 
 C N _
 
 _ N N _
 
 _ O _I N O _I
 
 π-Chromophore wie
 
 C C
 
 C C
 
 und andere Aromaten
 
 Substituenten, welche das Konjugationssystem eines Chromophors erweitern und infolgedessen seine Absorptionsmaxima nach längeren Wellen verschieben, nennt man Auxochrome. Die AminoGruppe des Anilins ist z. B. ein Auxochrom, weil sie sich als (+)-M-Substituent an der Mesomerie des Benzen-Ringes beteiligt und dessen Absorptionsmaxima nach längeren Wellen verschiebt (Tab. 28.3).
 
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 28.2
 
 UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie
 
 483
 
 Tab. 28.3. Absorptionsmaxima substituierter Benzene in Methanol
 
 λ max [nm]
 
 ε max
 
 λ max [nm]
 
 ε max
 
 204
 
 7 500
 
 254
 
 205
 
 _ NH2
 
 230
 
 8 600
 
 280
 
 1 430
 
 NH3
 
 203
 
 7 500
 
 254
 
 160
 
 270
 
 7 800
 
 375
 
 16 000
 
 Verbindung
 
 O N O O N
 
 _ NH2
 
 229
 
 500
 
 O2N
 
 NO2
 
 260
 
 13 000
 
 O
 
 Substituenten mit n-Elektronen, jedoch ohne π-Bindungen, so z.B. −OH, −OR, −SH, −SR, −NH2, −NHR, −NR2, sind typische Auxochrome. Auxochrome sind demnach Elektronendonoren [(+)-M-
 
 Substituenten], Chromophore indessen Elektronenakzeptoren [(−)-M-Substituenten]. Die Verschiebung von Absorptionsmaxima nach längeren Wellen, z. B. durch Auxochrome, bezeichnet man auch als Rot- oder Bathochromverschiebung. Im Gegensatz hierzu nennt man Blauverschiebungen auch hypsochrom. Veränderungen in der Meßlösung, z. B. der Wechsel des Lösemittels oder der Salzbildung, können Verschiebungen der Absorptionsmaxima hervorrufen. Infolgedessen muß bei der Angabe von Absorptionsdaten auch das Lösemittel erwähnt werden. Ein typischer Lösemitteleffekt (Solvatochromie) ist z. B. die Blauverschiebung des Absorptionsmaximums von Aceton, wenn man anstelle von Hexan (280 nm) Wasser als Lösemittel (265 nm) verwendet. Der Effekt wird darauf zurückgeführt, daß die Wasserstoffbrücken-Assoziation zwischen Aceton und Wasser den angeregten Zustand des Acetons stärker destabilisiert (seine potentielle Energie stärker erhöht) als den Grundzustand. Auf diese Weise erhöht sich die Anregungsenergie. Bei farbigen Verbindungen kann die Solvatochromie dazu führen, daß bei Wechsel der Lösemittel auch verschiedene Lösungsfarben beobachtet werden. Einen typischer pH-Effekt zeigt sich beim Vergleich der Absorptionsmaxima von Anilin und Anilinium-Ion: Im Anilinium-Ion ist die durch den (+)-M-Effekt des Stickstoffs erklärbare auxochrome Wirkung auf den Benzen-Chromophor blockiert, weil das n-Elektronenpaar am N-Atom eine zusätzliche NH-Bindung knüpft. Infolgedessen mißt man annähernd die Absorptionsdaten des Benzens (Tab. 28.3).
 
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 484
 
 28
 
 28.2.5
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Lichtabsorption und Farbe
 
 Farbige Verbindungen absorbieren sichtbares Licht (400 bis 800 nm). Ihre Eigenfarbe ist komplementär zur Farbe des Lichtes, das sie absorbieren. Der Absorptionsbereich einer gelben Verbindung wird z. B. im Violetten (um 420 nm) liegen. Das Absorptionsmaximum einer farbigen Verbindung muß nicht im Sichtbaren erscheinen. Eine Substanz kann auch farbig sein, wenn ihr Absorptionsmaximum im Ultravioletten liegt, die Absorptionskurve sich jedoch mit hinreichender Intensität in den sichtbaren Bereich erstreckt. Da selbst die längstwelligen nπ*-Übergänge noch im Ultravioletten liegen (λmax < 300 nm), ist eine Verbindung nicht farbig, wenn sie nur einen Chromophor enthält. Auch die isolierte Anordnung mehrerer Chromophorer, z. B. von π-Bindungen führt nur zu einer der Anzahl dieser πBindungen proportionalen Erhöhung der Bandenintensität (εmax) ohne Einfluß auf λmax, wie ein Vergleich von Ethen und 1,5-Hexadien (Tab. 28.4) zeigt. Tab. 28.4. Längstwellige Lichtabsorption von Polyenen in Abhängigkeit von der Anzahl n konjugierter CCDoppelbindungen (Lösemittel: Ethanol) Verbindung
 
 n
 
 λ max [nm]
 
 ε max
 
 Farbe
 
 Ethen
 
 H2C CH2
 
 1
 
 185
 
 10 000
 
 farblos
 
 1,5-Hexadien
 
 H2C CH CH2 CH2 CH CH2
 
 2
 
 185
 
 20 000
 
 farblos
 
 1,3-Butadien
 
 H2C CH CH CH2
 
 2
 
 217
 
 21 000
 
 farblos
 
 1,3,5-Hexatrien
 
 H2C CH CH CH CH CH2
 
 3
 
 258
 
 35 000
 
 farblos
 
 2,4,6,8-Decatetraen
 
 H3C
 
 (CH CH)4 CH3
 
 4
 
 310
 
 76 000
 
 farblos
 
 2,4,6,8,10-Dodecapentaen
 
 H3C
 
 (CH CH)5 CH3
 
 5
 
 342
 
 122 000
 
 farblos
 
 β -Caroten
 
 11
 
 450
 
 140 000
 
 orange
 
 Naphthalen
 
 5
 
 314
 
 316
 
 farblos
 
 11
 
 580
 
 12 600
 
 Pentacen
 
 blauviolett
 
 Dagegen bewirkt die Konjugation mehrerer Doppelbindungen in einem Polyen nicht nur eine überproportionale Vervielfachung der Bandenintensität (εmax , Hyperchromie), sondern auch eine mit der Anzahl der konjugierten Chromophoren zunehmend wachsende Rotverschiebung (Bathochromie) von λmax (vgl. Ethen, 1,3-Butadien, 1,3,5-Hexatrien, β-Caroten, Naphthalen und Pentacen in Tab 28.4). Alle Einflüsse (z. B. sterische), welche dagegen die Koplanarität eines Moleküls und somit die Konjugation seiner Doppelbindungen stören, werden zu einer Blauverschiebung (Hypsochromie) des Absorptionsmaximums führen. Mit zunehmender Anzahl von konjugierten Chromophoren sinkt offenbar die Anregungsenergie. Dies wird so erklärt, daß der angeregte Zustand durch die Konjugation stärker stabilisiert wird als der Grundzustand, und zwar in zunehmendem Ausmaß bei wachsender Anzahl von konjugierten Chromophoren.
 
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 28.2
 
 UV- und Lichtabsorptions-Spektrometrie
 
 28.2.6
 
 485
 
 Anwendungsbereiche
 
 Nachweis von Chromophoren Zeigt eine Verbindung im nahen UV ein Absorptionsmaximum, so enthält sie eine CX-Mehrfachbindung (λmax > 250 nm, εmax klein) oder eine bzw. mehrere olefinische Doppelbindungen (λmax > 180 nm, εmax sehr groß). Noch längerwelligere Absorptionsmaxima sprechen entweder für eine durchkonjugierte Anordnung mehrerer Chromophorer (z. B. in Polyenen oder kondensierten Aromaten) oder für die Anwesenheit auxochromer Gruppen. Zieht eine auxochrome Gruppe und schiebt die andere (pushpull-System), so ist die Rotverschiebung des Absorptionsmaximums besonders deutlich, wie die Gegenüberstellung substituierter Benzene in Tab 28.3 zeigt. Nachweis der Konjugation von Chromophoren Der in Tab. 28.4 erkennbare Konjugationseinfluß auf die Lichtabsorption gestattet eine Unterscheidung zwischen Dienen mit konjugierten und isolierten π-Bindungen. So absorbiert 2,4-Hexadien (227 nm) deutlich längerwellig als 1,5-Hexadien (185 nm). Nachweis sterischer Wechselwirkungen Sterische Wechselwirkungen in konjugierten Systemen werden die Lichtabsorption nach kürzeren Wellenlängen verschieben, wenn sie die Konjugation behindern. Ein Beispiel ist cis-Stilben, in dem die VAN-DER-WAALS-Abstoßung der o,o'-H-Atome einen Phenyl-Ring aus der Koplanarität des restlichen Moleküls hinauszwängt. Infolge der Verdrillung eines Phenyl-Ringes können sich die Kohlenstoff-p-Orbitale im cis-Stilben nicht mehr optimal (koaxial) überlappen. Cis-Stilben absorbiert daher kürzerwellig als trans-Stilben.
 
 H
 
 H
 
 H
 
 trans-Stilben:
 
 cis-Stilben:
 
 H H
 
 λmax = 280 nm
 
 λmax = 295 nm
 
 H
 
 Auch die Tatsache, daß 1,2-Dimethylencyclohexan kürzerwellig absorbiert als 1,2-Dimethylencyclopentan, wird durch eine Störung der Koplanarität beider Doppelbindungen erklärt, die im Sechsring stärker ist. 1,2-Dimethylencyclohexan: λmax = 220 nm , εmax = 5 500
 
 1,2-Dimethylencyclopentan:
 
 λmax = 248 nm , εmax = 15 800
 
 Quantitative Analyse Nach dem LAMBERT-BEERschen Gesetz (Kap. 28.2.2) A = ε c d = const. c
 
 (28.1)
 
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 486
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 ist die bei einer bestimmten Wellenlänge (z. B. λmax) gemessene Absorption (A ) einer Verbindung mit dem substanzspezifischen Absorptionskoeffizienten ε bei konstanter Lösungs-Schichtdicke (d) der Konzentration (c) proportional. Die Beziehung gilt allerdings nur, wenn sich in der Meßlösung keine chemischen Gleichgewichte, Assoziationen oder Reaktionen einstellen. Auf dem LAMBERT-BEERschen Gesetz beruht die quantitative Analyse durch Absorptionsmessung (Kolorimetrie, Photometrie). Hierzu werden bei einer konstanten Wellenlänge (meist λmax mit großem εmax) für bekannte Konzentrationen (c) die Absorptionen Α gemessen. Aus den Wertepaaren Α und c ergibt sich eine Eichkurve wie in Abb 28.4. Diese ist bei Gültigkeit des LAMBERTBEERschen Gesetzes und hinreichend kleinen Konzentrationen (noch keine intermolekularen Wechselwirkungen) eine Gerade. Sie ermöglicht bei einer Lösung unbekannten Gehaltes die Ermittlung der Konzentration c aus der gemessenen Absorption. A
 
 λ = const. c [ mol / L ]
 
 Abb. 28.4. Anwendung des LAMBERT-BEERschen Gesetzes zur quantitativen Analyse
 
 Abb. 28.5. Zeitabhängigkeit des UV-Spektrums von Salicylsäuremethylester bei der alkalischen Hydrolyse. Die Spektren wurden in Intervallen von zwei Minuten wiederholt
 
 Kinetik chemischer Reaktionen Sofern Edukt A und Produkt B einer chemischen Reaktion (A → B) verschiedene Absorptionsmaxima aufweisen, kann die Zeitabhängigkeit der Reaktion durch wiederholte Messung der Ab-
 
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 28.3
 
 Infrarotspektroskopie
 
 487
 
 sorptionsspektren nach bestimmten Zeitintervallen verfolgt werden. Aus der zeitlichen Änderung der Absorptionswerte ergibt sich die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion. Ein Beispiel ist die Verseifung des Salicylsäuremethylesters: CO2
 
 CO2CH 3 +
 
 OH
 
 OH Salicylsäuremethylester
 
 λmax = 330 nm
 
 +
 
 CH 3OH
 
 OH Salicylat
 
 λmax = 305 nm
 
 Mißt man die Absorptionsspektren der alkalischen wäßrig-methanolischen Lösung im Abstand von jeweils zwei Minuten, so ergibt sich eine Schar von Absorptionskurven, die sich in einem isosbestischen Punkt schneiden (Abb. 28.5). Zu Beginn der Verseifung wird das Absorptionsspektrum des längerwellig absorbierenden Esters (330 nm) aufgezeichnet. Dieses verschiebt sich mit fortschreitender Reaktionszeit stetig zum Maximum des Carboxylats bei 305 nm. Untersuchung von Gleichgewichten Sofern die Antagonisten A und B eines Gleichgewichtes verschiedene Absorptionsmaxima aufweisen, kann man aus der Temperaturabhängigkeit der Absorption Gleichgewichtskonstanten und freie Aktivierungsenthalpien bestimmen. Entsprechend ergeben pH-abhängige Absorptionsspektren von Säuren und Basen pK-Werte und Aciditäts- bzw. Basizitätskonstanten. Typisch für alle Gleichgewichte ist, daß die zeit-, temperatur- und pH-abhängigen Absorptionskurven sich in isosbestischen Punkten schneiden.
 
 28.3 Infrarotspektroskopie 28.3.1
 
 Spektralbereich
 
 Die Infrarotabsorption von Molekülen beruht auf der Anregung von Molekülschwingungen (und Molekülrotationen). Die zur Anregung erforderliche IR-Strahlung umschließt den Wellenlängenbereich von 2.5 bis 15 mµ (Mikrometer: 1 mµ = 10−6 m; ältere Bezeichnung für dieselbe Einheit: 1µ). Es ist jedoch üblich, die Lage von IR-Absorptionsbanden nicht in Wellenlängen, sondern in reziproken Wellenlängen, der sog. Wellenzahl (die Anzahl der Wellen pro cm) in cm−1 anzugeben. In dieser Maßeinheit erstreckt sich der IR-Absorptionsbereich von 4 000 bis 200 cm−1.
 
 28.3.2
 
 Meßmethodik
 
 Abb. 28.6 illustriert vereinfacht das Bauprinzip eines Infrarotspektrometers. Strahlungsquelle ist meist ein elektrisch auf Rotglut erhitzter Metallstreifen (Nickel-Chrom), dessen Strahlung durch zwei Hohlspiegel in eine Hälfte für die Probenzelle und eine für die Vergleichszelle geteilt wird. Probenlösungen und Flüssigkeiten werden in Küvetten (Schichtdicke: 0.1-1 mm) mit Natriumchlorid-Fenstern gemessen; Glas hätte eine zu starke IR-Eigenabsorption. Die zu untersuchende Verbindung wird in einem gegenüber Natriumchlorid inerten Lösemittel (z. B. CCl4) gelöst. Zum Vergleich wird eine zweite Küvette gleicher Schichtdicke mit diesem Lösemittel im zweiten
 
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 488
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Strahlengang befestigt. Bei festen Substanzen verwendet man eine etwa 0.5 mm dicke Kaliumbromid-Pille (100 mg KBr / 1.5 mg Probe), deren IR-Absorption relativ zu einem Preßling aus reinem Kaliumbromid gemessen wird. Ein Strahlungsteiler bringt Meß- und Vergleichsstrahl alternierend auf den Monochromator, ein Natriumchlorid-Prisma oder Gitter. Als Detektor dient ein Thermoelement. Den Thermostrom als Funktion der Wellenzahl registriert ein Drucker. Ein Rechner steuert Monochromator und Wellenzahlvorschub. Aufgezeichnet wird die prozentuale Durchlässigkeit als Funktion der Wellenlänge (obere Skala) bzw. der Wellenzahl (untere Skala, z. B. in Abb. 28.10). Modernere FourierIR-Spektrometer sind Einstrahl-Geräte mit Infrarot-Lasern als Lichtquellen. Probe Teiler
 
 Monochromator (NaCl)
 
 Rechner/Drucker
 
 I
 
 Thermoelement
 
 Strahlungsquelle
 
 I0 Vergleich
 
 Abb. 28.6. Vereinfachtes Schema eines Infrarotspektrometers
 
 28.3.3
 
 Gruppenschwingungen in organischen Molekülen
 
 Von den vielen Schwingungen, die in einem größeren Molekül möglich sind, können einige in erster Näherung als lokalisierte Schwingungen von Einzelbindungen aufgefaßt werden. Bei diesen Schwingungen unterscheidet man zwischen Valenz- und Deformationsschwingungen, wie es Abb. 28.7 für eine Methylen-Gruppe illustriert. Deformationsschwingungen in plane out of plane
 
 Valenzschwingungen H C
 
 H H
 
 C
 
 H H
 
 C
 
 H+
 
 H H
 
 C
 
 H
 
 C
 
 H+ C
 
 H−
 
 H+
 
 γ symmetrische antisymmetrische
 
 Spreiz(bending)
 
 Pendel(rocking)
 
 Torsions(twist)
 
 Kipp(wagging)
 
 Abb. 28.7. Schwingungsmöglichkeiten einer Methylen-Gruppe mit den gebräuchlichen Kürzeln ν, δ und γ für Valenz- sowie in plane- und out of plane-Deformationsschwingungen
 
 Molekülschwingungen verursachen hinreichend starke Infrarotabsorptionen jedoch nur, sofern sie Dipolmomente im Molekül zeitlich verändern. Bekanntlich können nur schwingende Dipole mit dem elektrischen Feldvektor elektromagnetischer Strahlung wechselwirken. Daraus folgt, daß in Molekülen mit Symmetriezentrum alle zu diesem Zentrum symmetrischen Schwingungen keine oder nur sehr schwache IR-Absorptionen auslösen. Man bezeichnet solche Schwingungen als IR-
 
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 28.3
 
 Infrarotspektroskopie
 
 489
 
 inaktiv. Von den fünf möglichen Schwingungen des Ethins führen z.B. nur eine Valenz- und eine Deformationsschwingung zu IR-Absorptionsbanden (Abb. 28.8).
 
 H
 
 C
 
 C
 
 H
 
 IR-inaktive C−H-Valenzschwingung (symmetrisch)
 
 H
 
 C
 
 C
 
 H
 
 IR-aktive C−H-Valenzschwingung ( 3287 cm −1 )
 
 H
 
 C
 
 C
 
 H
 
 IR-inaktive C−C-Valenzschwingung (symmetrisch)
 
 H
 
 C
 
 C
 
 H
 
 IR-inaktive Deformationsschwingung
 
 H
 
 C
 
 C
 
 H
 
 IR-aktive Deformationsschwingung ( 729 cm −1 )
 
 Abb. 28.8. IR-aktive und inaktive Molekülschwingungen des Ethins
 
 ν
 
 (Valenzschwingungen)
 
 OH NH CH SH
 
 C C , C X, X X C C C , C C X , X C X (X = O,N) C X (X = O,N) C C X Y (X,Y = O,N,S) C X (X = O,N) C X (X = F,Cl,Br,I)
 
 δ
 
 in plane (Deformationsschwingungen)
 
 γ
 
 out of plane
 
 NH CH OH NH CH cm−1
 
 3 500
 
 3 000
 
 2 500
 
 ν~
 
 2 000
 
 1 500
 
 1 000
 
 500
 
 Abb. 28.9. Bereiche einiger Valenz- und Deformationsschwingungen in organischen Molekülen
 
 Valenzschwingungen sind höherfrequent als Deformationsschwingungen derselben Gruppe (Abb. 28.9). Die wichtigsten Valenzschwingungen organischer funktioneller Gruppen und die zugehörigen IR-Absorptionsbereiche sind in Tab. 28.5 zusammengestellt. Viele funktionelle Gruppen können aufgrund der typischen Lage ihrer Valenzschwingungen im IR-Spektrum mit großer Treffsicherheit erkannt werden. So ist im IR-Spektrum des Phenylisothiocyanats (Abb. 28.10) die
 
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 490
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 zur Isothiocyanat-Valenzschwingung gehörende Absorption bei 2100 cm−1 nicht zu übersehen. Darüberhinaus charakterisieren die C=C-Valenzschwingungen bei 1595 und 1490 cm−1 ein monosubstituiertes Benzen. Während die für den Benzen-Ring erwarteten C−H-Valenzschwingungen bei 3100 cm−1 eben angedeutet sind, erkennt man die erheblich längerwelligen C−H-Deformationsschwingungen als starke Absorptionen bei 690 und 755 cm−1. Ihre Lage ist wiederum typisch für ein monosubstituiertes Benzen.
 
 Abb. 28.10. IR-Spektrum des Phenylisothiocyanats (gemessen als Flüssigkeitsfilm)
 
 Da die Schwingungsfrequenz mit abnehmender (reduzierter) Masse der gegeneinander schwingenden Atome und mit zunehmender Bindungsstärke wächst, kann man sich die Folge der in Abb. 28.9 dargestellten Valenzschwingungs-Bereiche gut einprägen. So sind die C−H- und X−HValenzschwingungen wegen der kleinen Masse des Wasserstoff-Atoms sehr hochfrequent (ν ≥ 3000 cm−1). Ferner schwingen dreifach gebundene Atome höherfrequent als doppelt gebundene, und letztere wiederum schneller als durch Einfachbindungen verknüpfte Atome, weil die Kraftkonstante mit der Bindungsstärke zunimmt.
 
 28.3.4
 
 Fingerabdruck-Bereich des Infrarotspektrums
 
 Die meisten Valenzschwingungen organischer funktioneller Gruppen liegen oberhalb 1400 cm−1 und sind im IR-Spektrum relativ sicher zuzuordnen. Unterhalb 1400 cm−1 erscheinen neben den Absorptionen einiger C−X-Valenzschwingungen (X = O, N, Halogen, Tab. 28.5) jene der Deformationsschwingungen (Abb. 28.9). In diesem Bereich liegen jedoch auch Absorptionen von Schwingungen, die das Molekülgerüst teilweise oder als Ganzes erfassen. Diese niederfrequenten Gerüstschwingungen können meist nicht zugeordnet werden und erschweren zudem häufig die Zuordnung der Gruppenschwingungen unterhalb 1400 cm−1. Das Absorptionsmuster ist jedoch gerade dort charakteristisch für jedes Molekül. Deshalb bezeichnet man den Bereich zwischen 1400 und 400 cm−1 als das Fingerabdruck-Gebiet des Infrarotspektrums.
 
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 28.3
 
 Infrarotspektroskopie
 
 491
 
 Tab. 28.5. Typische IR-Absorptionsbereiche (Valenzschwingungen) einiger funktioneller Gruppen IR-Absorptionsbereich Intensität * [cm−1]
 
 Gruppe
 
 Verbindungsklasse(n) Alkohole, Phenole, Enole, Carbonsäuren
 
 3 700 − 3 500 3 600 − 3 200 3 200 − 2 500
 
 s s breit v breit
 
 OH OH OH
 
 3 500 − 3 300
 
 m
 
 NH 2 ,
 
 NH ,
 
 NH
 
 3 400 − 3 100
 
 s breit
 
 NH 2 ,
 
 NH ,
 
 NH (assoziiert)
 
 2 600 − 2 550
 
 w
 
 SH
 
 Thiole, Thiophenole
 
 3 400 − 3 100
 
 s
 
 terminale Alkine
 
 3 100 − 3 000
 
 w
 
 C H CH 2 X
 
 3 100 − 2 900
 
 m
 
 (intermolekulare H-Brücke) (intramolekulare H-Brücke) Amine, Amide, Imine
 
 Cyclopropane, Oxirane
 
 C H
 
 Alkene, Aromaten
 
 O 2 900 − 2 700
 
 w
 
 C H
 
 Aldehyde
 
 2 900 − 2 800
 
 m
 
 C H
 
 Alkyl-Gruppen (an C- und Heteroatomen)
 
 2 320 − 2 230
 
 s
 
 N N
 
 Diazonium-Salze
 
 2 300 − 2 200
 
 v
 
 C N, N C O
 
 Nitrile, Isocyanate
 
 2 260 − 2 100
 
 w
 
 C C
 
 Alkine
 
 2 160 − 2 130
 
 s
 
 N C N
 
 Carbodiimide
 
 2 190 − 1 990
 
 s breit
 
 N C S
 
 Isothiocyanate
 
 2 000 − 1 900
 
 m
 
 C C C
 
 Allene (Kumulene)
 
 1 800 − 1 600
 
 s
 
 C O
 
 Carbonsäure und Derivate, Aldehyde, Ketone, Harnstoffe, Urethane, Thiocarbonyl-Verbindungen
 
 1 700 − 1 450
 
 v
 
 C C
 
 Alkene, Aromaten
 
 1 680 − 1 630
 
 v
 
 C N
 
 Imine
 
 1 600 − 1 400
 
 s
 
 N O
 
 Nitroso-Verbindungen
 
 1 600 − 1 300
 
 s
 
 N O
 
 Nitro-Verbindungen
 
 O 1 580 − 1 550
 
 v
 
 N N
 
 Azo-Verbindungen
 
 1 400 − 1 100
 
 s
 
 S O, O S O
 
 Sulfoxide, Sulfone, Sulfonsäuren, Sulfite
 
 1 300 −
 
 900
 
 s
 
 C O
 
 Alkohole, Ether, Ester, Lactone
 
 1 200 −
 
 900
 
 s
 
 C N
 
 Amine, Amide
 
 1 400 − 1 050
 
 s
 
 C
 
 X, X= F
 
 Fluoralkane
 
 800 −
 
 600
 
 s
 
 X = Cl
 
 Chloralkane
 
 750 −
 
 500 < 600
 
 s
 
 X = Br
 
 Bromalkane
 
 s
 
 X= I
 
 Iodalkane
 
 * Intensitätsangaben : s : stark ; m : mittel ; v : variierend; w (von weak) : schwach
 
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 492
 
 28.3.5
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Anwendungsbereiche
 
 Identitätsprüfung Zahlreiche IR-Spektren authentischer Verbindungen sind in Spektrenkatalogen und auf Datenträgern gesammelt. Mit Hilfe solcher Kataloge und Dateien ist es möglich, die Identität einer Verbindung durch (Computer-)Vergleich ihres IR-Spektrums mit dem einer authentischen Probe sicherzustellen. Die Aufnahmebedingungen für die zu vergleichenden Spektren müssen gleich sein. Identitätsprüfungen durch IR-Spektrenvergleich sind treffsicherer als viele andere Methoden, denn die Übereinstimmung sämtlicher der oft zahlreichen IR-Banden zweier gleicher Verbindungen beweist mehr als z. B. die Einzelinformation des Mischschmelzpunktes oder des Brechungsindexes. Identifizierung funktioneller Gruppen Zahlreiche funktionelle Gruppen können anhand der Lage ihrer Valenzschwingungs-Banden im IR-Spektrum identifiziert werden (Tab. 28.5). So zeigt Abb. 28.11 die Nitril-Funktion (2240 cm−1) sowie die C−O-Schwingung der Ethoxy-Gruppe (1020 cm−1) neben den C−H-Valenzschwingungen der olefinischen und gesättigten CH-Fragmente (3060 und 2970 cm−1), der C=C-Valenzschwingung (1620 cm−1) und der olefinischen C−H-out-of-plane-Schwingung (890 cm−1) des Ethoxymethylenmalodinitrils.
 
 Abb 28.11. IR-Spektrum des Ethoxymethylenmalodinitrils (KBr-Preßling)
 
 Bei manchen funktionellen Gruppen erhöht sich die Treffsicherheit der Zuordnung, weil sie mehrere typische Absorptionsbanden aufweisen. Gruppen vom Typ XY2 zeigen z. B. je eine asymmetrische und eine symmetrische Valenzschwingung. Beispiele sind Methylen-, primäre Aminosowie Nitro-Gruppen, wobei asymmetrische Schwingungen höherfrequent liegen als symmetrische (Tab. 28.6). Tab. 28.6. Asymmetrische und symmetrische Valenzschwingungen von XY2-Gruppen XY 2
 
 ν as ν~ [cm−1]
 
 νs ν~ [cm−1]
 
 CH 2 NH 2 NO2
 
 3 000 3 350 1 500
 
 2 900 3 150 1 350
 
 Beispiel Abb. 28.13 CONH2 , SO2NH2 Abb. 28.12
 
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 28.3
 
 Infrarotspektroskopie
 
 493
 
 Unterscheidung von Isomeren (E)-(Z)-isomere Alkene Wie die Vergleiche in Tab. 28.7 zeigen, erkennt man die (Ε )-Alkene oft an einer C−HDeformationsbande zwischen 850 und 1000 cm−1, die bei den (Z )-Isomeren deutlich längerwellig verschoben ist. ̈
 
 Tab. 28.7. C-H-Deformationsschwingungen (γCH) einiger (E)- und (Z)-Alkene H C C H X ν~ [cm−1]
 
 X C C H H ν~ [cm−1]
 
 969 958 953 890
 
 947 921 909 845
 
 X
 
 Verbindung
 
 X
 
 2,5-Dimethyl-3-hexen Stilben 1,2-Dimethoxyethen 1,2-Dichlorethen
 
 CH(CH3)2 C6H 5 OCH3 Cl
 
 X
 
 Probe rein in Cyclohexan rein rein
 
 Abb. 28.12. IR-Spektren von o-Nitroacetanilid (N-Acetyl-2-nitroanilin) (a), 1,3-Diacetylbenzen (b) und pXylylendichlorid [1,4-Bis-(chlormethyl)-benzen] (c); Proben: KBr-Preßlinge
 
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 494
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Stellungsisomere Benzen-Derivate Zwei C−H-Deformationsschwingungen (γCH) mit 750 ± 20 und 700 ± 20 cm−1 kennzeichnen monosubstituierte Benzen-Ringe (Abb. 28.10). Bei mehrfach substituierten Benzen-Derivaten hängt die Frequenz dieser Schwingungen vom Substitutionsmuster ab, wie Tab. 28.8 zeigt. Die Lage der Banden zwischen 700 und 900 cm−1 ermöglicht daher eine Unterscheidung zwischen o-, m- und pdisubstituierten Benzenen (Abb. 28.12, a – c, S. 493). Tab. 28.8. Substitutionsmuster des Benzens und Lage der C−H-Deformationsschwingungen (γCH) zwischen 700 1 und 900 cm−
 
 γ CH [cm−1] 700 750 690 830 880
 
 + − + − + − + −
 
 20 20 30 30 + − 20
 
 Substitutionsmuster
 
 und 750 + − 20
 
 monosubstituiert o-disubstuiert m-di- sowie 1,2,3-trisubstituiert p-disubstituiert 1,2,4-trisubstituiert
 
 und 780 + − 20 und 830 + − 30
 
 Nachweis von Konstitutionsmerkmalen Konjugation von Mehrfachbindungen Die Valenzschwingungen der CC- und CX-Mehrfachbindungen sind meist intensiver und immer nach längeren Wellen verschoben, wenn sie sich in Konjugation zu einer anderen π-Bindung befinden. Einige Beispiele belegen in Tab. 28.9 und Abb. 28.13 diese zum Nachweis einer Konjugation nützliche Bandenverschiebung. Tab. 28.9. Konjugationseinflüsse auf die Valenzschwingungen von CC- und CX-Mehrfachbindungen eine Mehrfachbindung
 
 zwei Mehrfachbindungen konjugiert
 
 νCC = 1 650 cm −1
 
 1-Buten
 
 isoliert νCC = 1 597 cm −1
 
 1,3-Butadien
 
 C N Propionitril
 
 νCN = 2 246 cm −1
 
 νCN = 2 227 cm −1 νCC = 1 607 cm −1
 
 C N Acrylnitril
 
 νCC = 1 652 cm −1
 
 Cyclohexen
 
 νCC = 1 576 cm −1
 
 1,3-Cyclohexadien O
 
 νCC = 1 639 cm −1
 
 1,4-Cyclohexadien νCO = 1 680 cm −1 νCC = 1 620 cm −1
 
 2-Cyclohexenon O
 
 O νCO = 1 710 cm −1
 
 Cyclohexanon
 
 O νCO = 1 643 cm −1
 
 O 1,2-Cyclohexandion
 
 νCO = 1 730 cm −1
 
 O 1,4-Cyclohexandion
 
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 28.3
 
 Infrarotspektroskopie
 
 495
 
 Abb. 28.13. IR-Spektren von Cyclohexanon (a) und 2-Cyclohexenon (b); Proben: Flüssigkeitsfilme. Man beachte die Konjugationsverschiebung der Carbonyl-Bande in Spektrum (b)
 
 Kumulation von Doppelbindungen Kumulierte Doppelbindungen schwingen erheblich höherfrequent (νCC, νCX < 1800 cm−1), wie Tab. 28.5 u. a. für die vergleichbaren Paare Alken / Allen und Imin / Carbodiimid zeigt. Ringspannung von Cycloalkanen Ein nützlicher Test auf die Ringgröße bzw. Ringspannung bei Cycloaliphaten beruht auf der Zunahme der Frequenz asymmetrischer und symmetrischer CH2-Valenzschwingungen vom Cyclohexan zum Cyclopropan (Tab. 28.10). Auch die Carbonyl-Bande von Cycloalkanonen wird mit wachsender Ringspannung höherfrequent (Tab. 28.10). Weniger gespannte sechs- und höhergliedrige Ringe zeigen dagegen nur geringfügige Unterschiede. Tab. 28.10. Einfluß der Cycloalkan-Ringspannung auf die CH2- und C=O-Valenzschwingungen Ringgröße
 
 12 8 7 6 5 4 3
 
 Cycloalkan νCH [cm−1] symmetrisch asymmetrisch 2 909 2 915 2 922 2 924 2 963 2 970 3 026
 
 2 870 2 850 2 853 2 852 2 868 2 929 3 015
 
 Cycloalkanon νCO [cm−1] 1 704 1 702 1 700 1 720 1 742 1 784 ----
 
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 496
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Wasserstoffbrücken Lage und Form der OH-Valenzbande im IR-Spektrum von Alkoholen, Phenolen, Enolen und Carbonsäuren gestatten Rückschlüsse auf Ausmaß und Art der Wasserstoffbrückenbindung in diesen Stoffklassen. Liegt die OH-Bande scharf zwischen 3500 und 3700 cm−1, so ist die Hydroxy-Gruppe nicht assoziiert. Diese Bande findet man z. B. in den IR-Spektren von Alkoholdämpfen. Erscheint sie auch im flüssigen Zustand, so ist die Bildung von Wasserstoffbrücken behindert, z. B. durch sperrige Gruppen. Findet man eine breite OH-Bande zwischen 3600 und 3200 cm−1, so sind die Hydroxy-Gruppen über intermolekulare Wasserstoffbrücken assoziiert (polymere OH-Bande). Die Assoziationsverschiebung der OH-Bande beruht auf einer Verlängerung der OH-Bindung, wodurch sich die O−HSchwingungsfrequenz erniedrigt. Die intermolekularen Wasserstoffbrücken eines Alkohols brechen, wenn man mit Lösemittel (z. B. CCl4) stark verdünnt. Die breite Absorption durch assoziiertes OH (3200 - 3500 cm−1) nimmt dann zugunsten der freien OH-Bande bei 3600 - 3650 cm−1 ab (Abb. 28.14).
 
 Abb. 28.14. O−H- und C−H-Valenzschwingungen im IR-Spektrum von Ethanol, aufgenommen in Reinsubstanz (−) und verdünnt (2 Vol. %) in Tetrachlormethan (...)
 
 Verbindungen mit intramolekularen chelatartigen Wasserstoffbrücken, z. B. Salicylaldehyd oder die Enol-Form des Acetylacetons, zeigen dagegen konzentrationsunabhängige OH-Banden zwischen 3200 und 2500 cm−1. Insofern kann man durch IR-Messungen bei verschiedenen Konzentrationen zwischen inter- und intramolekularen Wasserstoffbrücken unterscheiden.
 
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 28.4
 
 Raman-Spektroskopie
 
 497
 
 Quantitative Analyse Da das LAMBERT-BEERsche Gesetz (Gl. 28.1) für alle Absorptionsspektren gilt, kann man auch die IR-Spektroskopie zur quantitativen Analyse (Gehaltsbestimmung) heranziehen. Hierzu wird im IR-Spektrum der zu bestimmenden reinen Verbindung eine Bande gesucht, die nur bei dieser Verbindung vorkommt. Dann mißt man für diese Analysenbande bei bekannten Konzentrationen (c) die Eichkurve (z. B. % Durchlässigkeit = f(c), vgl. Abb. 28.4), aus der sich anhand der gemessenen Durchlässigkeiten Konzentrationen bestimmen lassen.
 
 28.4 RAMAN-Spektroskopie 28.4.1
 
 RAMAN-Streuung
 
 Die Frequenzen von Molekülschwingungen können auch unter Anwendung des RAMAN-Effektes bestimmt werden. Dieser zu den Streuerscheinungen gehörende Effekt beruht darauf, daß die Quanten sichtbaren Lichts mit der Energie hν0 beim Einfall in eine Meßlösung deren Moleküle zu Schwingungen anregen. Dabei verlieren sie Energie an das Molekül, d. h. sie werden als energieärmere Lichtquanten mit hν' < hν0 gestreut (STOKES-Streuung). Da sich bei Lichteinfall die meisten Moleküle im Schwingungsgrundzustand befinden, ist der umgekehrte Vorgang, nämlich die Abgabe von Schwingungsenergie an Photonen, weit weniger wahrscheinlich (hν > hν0 , AntiSTOKES). Im seitlichen Streulicht der Meßlösung werden somit starke, relativ zur Erregerstrahlung (hν0) längerwellige Streumaxima hν' < hν0 beobachtet, die sog. STOKES-Banden. Wesentlich intensitätsschwächer ist indessen das im Vergleich zum einfallenden Licht kürzerwellige Anti-STOKESSpektrum (hν > hν0) der Streuung.
 
 28.4.2
 
 RAMAN-Spektrum
 
 Das RAMAN-Streuspektrum wird meist durch monochromatische Laser-Bestrahlung der Probe angeregt. Die Laser-Anregung erhöht die Empfindlichkeit der Methode wesentlich. Zur Aufnahme des Spektrums wird das durch die Probe senkrecht zur einfallenden Strahlung gestreute Licht durch einen Monochromator (Prisma) analysiert. Der vom Monochromator gesteuerte Schreiber registriert die photometrisch im Detektor (Photomultiplier) ermittelte Intensität der intensiveren STOKES-Banden als Funktion ihres Abstandes von der Erregerlinie in Wellenzahlen (cm−1). Man erhält so das für die gemessene Substanz spezifische (Laser-) RAMAN-Spektrum.
 
 28.4.3
 
 Anwendung von RAMAN-Spektren
 
 Da die Energiedifferenzen (hν0 – hν´ ) von STOKES-Banden und Erregerstrahlung die Schwingungsfrequenzen des Moleküls wiedergeben, entspricht das RAMAN-Spektrum dem Schwingungsspektrum des Moleküls und ergänzt die Aussagen der IR-Spektroskopie. Eine Molekülschwingung ist bekanntlich IR-aktiv und damit im IR-Spektrum als intensive Bande erkennbar, wenn sie das Dipolmoment (Kap. 28.3.3) zeitlich verändert. RAMAN-aktiv ist die Schwingung, wenn sie die Polarisierbarkeit (die Deformierbarkeit der Elektronenorbitale) des Moleküls zeitlich ändert. Viele Schwingungen sind sowohl IR- als auch RAMAN-aktiv. Andere sind jedoch aus Gründen der Molekülsymmetrie IR-inaktiv, so z. B. die C≡C-Valenzschwingung symmetrischer Alkine (Abb.
 
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 498
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 28.8). Gerade bei diesen Schwingungen ändert sich jedoch häufig die Polarisierbarkeit, so daß man im RAMAN-Spektrum eine starke Streuung beobachtet. Daher vervollständigt das RAMANSpektrum die Analyse des Infrarotspektrums. So erscheint im IR-Spektrum des Acetylendicarbonsäurediethylesters (Abb. 28.15 a) aus Symmetriegründen keine Absorption für die CC-Dreifachbindung. Die RAMAN-Streuung ist jedoch gerade bei dieser Frequenz (νC≡C = 2248 cm−1) am intensivsten (Abb. 28.15 b).
 
 Abb. 28.15. Infrarot (a) und Laser-RAMAN-Spektrum (b) von Acetylendicarbonsäurediethylester nach SCHRADER, B. und MEIER, W. (1974), Raman-IR-Atlas, Verlag Chemie, Weinheim
 
 Mono-, 1,3-di- und 1,3,5-trisubstituierte Benzen-Ringe und vergleichbar substituierte Pyridine erkennt man im RAMAN-Spektrum an der "Davidstern"-Bande bei 1000 cm−1; eine bei 1030 cm−1 zusätzlich auftretende schwächere Bande identifiziert einen monosubstituierten Benzen-Ring. Cycloalkan-Derivate zeigen im RAMAN-Spektrum eine intensive "Ringatmungs"-Bande, deren Frequenz mit der Ringspannung zunimmt (Cyclohexan: 800, Cyclopentan: 900, Cyclobutan: 1000, Cyclopropan: 1200 cm−1). Auch die im IR-Spektrum nur schwachen Gruppenschwingungen symmetrischer Alkyl-Reste geben sich im RAMAN-Spektrum durch intensive Banden zu erkennen (iPropyl-: 800 - 850 cm−1; t-Butyl: 700 - 750 cm−1). Ebenso wie die IR-Absorption ist die Intensität der RAMAN-Streuung der Konzentration an Substanz proportional. Daher wird die RAMAN-Spektroskopie in beschränktem Umfang auch als Hilfsmittel der quantitativen Analyse genutzt. Ihr wesentlicher Vorteil gegenüber der IR-Spektroskopie ist das Fehlen der Alkalihalogenid-Optik, so daß die Schwingungsspektren von Molekülen auch in wäßrigen Lösungen gemessen werden können.
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 499
 
 28.5 Kernmagnetische Resonanz 28.5.1
 
 Kernpräzession und Kernspin-Zustände
 
 Kernmagnetische Resonanz (engl. nuclear magnetic resonance, daher die Abkürzung NMR) beobachtet man bei Atomkernen, die einen mechanischen Drehimpuls, den Kernspin (p), besitzen. Solche Atomkerne sind z. B. das Proton 1H, das seltene Kohlenstoff-Isotop 13C, Fluor 19F und Phosphor 31P, nicht jedoch die häufigsten Isotopen des Kohlen- und Sauerstoffs, 12C und 16O. Die durch den Spin bewegte Kernladung verleiht dem Atomkern ein magnetisches Moment (µ), dessen Betrag das γ - fache des mechanischen Drehimpulses p ist ( µ = γ p ). Die Kernkonstante γ bezeichnet man als gyromagnetisches Verhältnis. Ein Kern mit Spin kann also mit Magnetfeldern wechselwirken. Bringt man ihn in ein statisches (= zeitlich konstantes) Magnetfeld der Kraftflußdichte B0, so präzessiert seine Drehimpulsachse um die Richtung dieses Feldes (Abb. 28.16). Die Frequenz ν0 dieser Kernpräzession ist auch als Larmorfrequenz bekannt und umso größer, je stärker man das Magnetfeld B0 einstellt: ν0
 
 =
 
 γ
 
 ___ B 0 2π
 
 (Larmor-Gleichung 28.2)
 
 E
 
 B0
 
 z
 
 B0
 
 ν0
 
 µ ∆E y
 
 x
 
 0
 
 Abb. 28.16. Kernspin-Präzession im statischen Magnetfeld
 
 B0
 
 Abb. 28.17. Kernspin-Energiezustände (Präzessionseinstellungen) von Atomkernen mit I = 1/2 im statischen Magnetfeld der Kraftflußdichte B0
 
 Die Präzessionsfrequenzen liegen im MHz-Bereich (UKW) und unterscheiden sich infolge der charakteristischen gyromagnetischen Koeffizienten γ von Kernsorte zu Kernsorte. In einem Feld der Kraftflußdichte B0 = 9.2 T (Tesla) präzessieren die Protonen z. B. mit 400 MHz, Kohlenstoff13-Kerne dagegen nur mit 100 MHz. Die Anzahl m der Präzessionseinstellungen bezüglich der Richtung des Magnetfeldes wird nach der quantenmechanischen Beziehung (28.3) m = 2I+1
 
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 500
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 durch die Kernspinquantenzahl I festgelegt. Infolge dieser Richtungsquantelung gibt es für die bereits erwähnten Kerne 1H, 13C, 19F und 31P mit I = 1/2 entsprechend m = 2x½ +1
 
 (28.4)
 
 zwei Möglichkeiten der Präzession, um die Magnetfeldrichtung und entgegengesetzt (Abb. 28.17). Diese beiden Kernspin-Zustände unterscheiden sich durch ihre potentielle Energie, wobei der Energieunterschied mit der Kraftflußdichte B0 des Magnetfeldes wächst (Abb. 28.17). Der energieärmere Zustand, d. h. die Präzession um Feldrichtung, wird von den Atomkernen bevorzugt. Bringt man also eine Kernmenge als Probe in das Magnetfeld, so werden mehr Kerne energieärmer präzessieren (Abb. 28.17). Der Besetzungsunterschied und die davon abhängige Empfindlichkeit des NMR-Experiments steigen mit der Kraftflußdichte B0 des Magnetfelds.
 
 28.5.2
 
 NMR-Spektrometer und NMR-Spektrum
 
 Im Kernresonanzexperiment regt man die Atomkerne auf den energiereicheren Präzessionszustand an. Diese Anregung erfordert Energiequanten (hν1) elektromagnetischer Strahlung. Die Frequenz (ν1) dieser Strahlung muß sich dabei in Resonanz mit der Kernpräzession (ν0) befinden (hν1 = hν0) und somit im Radiofrequenzbereich liegen. Das Umklappen der Präzessionsrichtung erzeugt in der Probe ein magnetisches Wechselfeld, das man mit Hilfe einer Induktionsspule als Kerninduktionsstrom nachweisen kann. Daraus ergibt sich die in Abb. 28.18 skizzierte Grundanordnung eines Kernresonanzspektrometers. Zentraler Bauteil moderner NMR-Spektrometer ist ein Kryomagnet, dessen mit flüssigem Helium auf Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt gekühlte, supraleitende Magnetspule (meist aus einer Niob-Titan-Legierung) im zylindrischen Innenraum ein starkes Magnetfeld längs der Spulenachse erzeugt. Dieses Magnetfeld führt die bevorzugte Besetzung des energieärmeren KernspinEnergiezustands nach Abb. 28.17 herbei und macht das Kernspin-System in der Probe anregbar. Die zur Anregung erforderliche Radiofrequenz ν1 erzeugt man mit einem rechnergesteuerten Sender und führt sie durch eine Spule der im Probenkopf befindlichen Probe im Glasröhrchen zu. Den Kerninduktionsstrom, das NMR-Signal, empfängt man mit der im "timesharing" auf Sendung und Empfang schaltbaren, konzentrisch um die Probe gewickelten Spule (Senderspule = Empfangsspule) und verarbeitet das Signal über den Empfänger im Rechner des Spektrometers.
 
 flüssiges Helium flüssiger Stickstoff
 
 B0
 
 Rechner
 
 Probenröhrchen Probenkopf supraleitende Magnetspule
 
 Sender
 
 Empfänger Drucker
 
 Abb. 28.18. Vereinfachtes Bauprinzip eines Kryomagnet-Kernresonanzspektrometers
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 501
 
 Zur Beobachtung der Kernresonanz kann man zwei Verfahren anwenden: Das ältere Frequenzabtast-Verfahren (engl.: frequency sweep) variiert langsam die Frequenz des Senders. Ein Schreiber, dessen Vorschub der Sender ansteuert, registriert die Signalintensität als Funktion der Frequenz, die als NMR-Spektrum bezeichnete Folge der Präzessionsfrequenzen (NMR-Signale, Abb. 28.19) . Der Kernresonanzvorgang kann auch durch einen kurzzeitigen Radiofrequenz-Impuls angeregt werden. Nach dessen Ende registriert der Empfänger ein exponentiell abklingendes Signal F(t), das aus der Überlagerung aller möglichen Resonanzen einer Kernspinsorte entsteht. Dieses Impulsinterferogramm läßt sich mit Hilfe eines Rechners in das NMR-Spektrum, die Funktion der Frequenzen f(ν), FOURIER-transformieren. Der große Vorteil dieses in fast allen NMR-Spektrometern angewendeten Puls-Fourier-Transformations-Verfahrens (PFT- oder FT-NMR) ist ein wesentlich geringerer Meßzeitaufwand.
 
 28.5.3
 
 Chemische Verschiebungen
 
 Im Protonen-Kernresonanzspektrum (1H-NMR-Spektrum) der Phenylessigsäure erkennt man für die drei chemisch verschiedenen Protonensorten drei Signale (Abb. 28.19 a,b). Die Präzessionsfrequenz eines Atomkerns im Magnetfeld hängt also von seiner chemischen Umgebung im Molekül ab. Man bezeichnet dies als die chemische Verschiebung, auf der u. a. die Anwendbarkeit der NMR-Spektroskopie bei der Strukturaufklärung beruht. Zur Erklärung der chemischen Verschiebung stellt man sich vor, daß ein Atomkern im Molekülverband durch innermolekulare Felder vom äußeren Magnetfeld (B0) abgeschirmt wird. Das Abschirmfeld ist dem äußeren Feld B0 entgegengerichtet; ein starkes Abschirmfeld verringert, ein schwaches vergrößert die Larmorfrequenz eines Kerns im Molekül.
 
 28.5.4
 
 Messung chemischer Verschiebungen
 
 Nach Gl. 28.3 wird ein NMR-Spektrum proportional zur Magnetfeldstärke aufgespreizt, wie ein Vergleich der Spektren a und b in Abb. 28.19 bestätigt. Es gibt also keine Absolutskala chemischer Verschiebungen. Daher definiert man das Signal einer Standardsubstanz, die man der Probenlösung zugibt, als "Nullpunkt" der Verschiebungsskala. Bezugspunkt der Protonenresonanz ist das 1H-Signal der Methyl-Protonen des Tetramethylsilans [(CH3)4 Si, "TMS", Abb. 28.19]. Das einzige Signal dieses chemisch weitgehend inerten Standards liegt außerhalb des Bereichs der häufigsten Protonensignale organischer Verbindungen und ist infolge zwölf äquivalenter MethylProtonen so intensiv, daß es auch bei geringen Konzentrationen beobachtet werden kann. Zur Messung der Verschiebung eines Protonen-Signales bestimmt man zunächst den Frequenzabstand (∆ν) in Hz zum TMS-Signal. Dieser Wert hängt jedoch von der Magnetfeldstärke ab (Abb. 28.19 a,b). Um feld- und damit geräteabhängige Parameter zu bekommen, dividiert man die Differenzen (∆ν) durch die der Magnetfeldstärke proportionale Präzessionsfrequenz ν0(TMS) der TMSProtonen, die Meßfrequenz des Spektrometers. So ergibt sich die feldunabhängige δ-Skala der chemischen Verschiebung: δ =
 
 ∆ν ______ ν0(TMS)
 
 (28.6)
 
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 502
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 1
 
 Abb. 28.19. H-NMR-Spektrum der Phenylessigsäure in Deuteriochloroform als Lösemittel mit Tetramethylsilan (TMS) als Standard; (a) bei 1.4 Tesla magnetischer Kraftflußdichte (60 MHz-Gerät); (b) bei 2.1 Tesla (90 MHzGerät); (c) Integral des Spektrums (b). Die Spektren (a) und (b) wurden im gleichen Frequenzmaßstab aufgezeichnet. Die Frequenzdispersion in Spektrum (b) erhöht sich im Vergleich zu (a) um 1.5, weil das Magnetfeld um diesen Faktor verstärkt wurde
 
 δ-Werte sind als Quotienten zweier Frequenzen dimensionslose Einheiten von 10−6 oder ppm (Hz:MHz = 1 : 106 oder 1 part per million, daraus das Kürzel ppm). Konventionsgemäß werden δ-
 
 Werte ohne "ppm" angegeben; für das Carboxy-Proton der Phenylessigsäure (Abb. 28.19) schreibt man δCOOH = 11.75. Abb. 28.20 zeigt die von der Kraftflußdichte B0 unabhängige δ-Skala der Protonen-Verschiebung. Beispiele zur Ermittlung von δ-Werten finden sich in Abb. 28.19.
 
 feldabhängig Hz 4800 4400 4000 3600 3200 2800 2400 2000 1600 1200
 
 800
 
 400
 
 Hz 1200 1100 1000 900
 
 300
 
 200
 
 100
 
 3
 
 2
 
 1
 
 ppm 12
 
 11
 
 10
 
 9
 
 800
 
 700
 
 8
 
 7
 
 600
 
 500
 
 400
 
 6 5 4 feldunabhängig
 
 0 − 400 − 800 ∆ν 0 − 100 − 200 ∆ν 0 −1 TMS
 
 −2
 
 400 MHz100 MHzSpektrometer
 
 δ - Skala
 
 Abb. 28.20. δ-Skala der H-Verschiebung (δH) 1
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 503
 
 Ein großer δ-Wert (große Larmorfrequenz) ist nach Gleichung 28.3 die Folge eines schwachen Abschirmfeldes. Man bezeichnet das zugehörige Proton als wenig abgeschirmt oder entschirmt; sein Signal erscheint bei "tiefem Feld". Umgekehrt sind kleine δ-Werte die Folge großer Abschirmfelder (abgeschirmte Kerne; Signale bei "hohem Feld"). Zur Gewöhnung an diese Ausdrucksweise kann man das 1H-NMR-Spektrum der Phenylessigsäure (Abb. 28.19) durch die folgenden gleichbedeutenden Formulierungen beschreiben: δ (CO2H) > δ (C6H5) > δ (CH2) 1) 2) Die Abschirmung nimmt in der Folge Carboxy-, Aryl-, Methylen-Protonen zu. 3) Das Carboxy-Proton erscheint bei tiefstem, die Methylen-Protonen liegen bei höchstem (Abschirm-) Feld; dazwischen liegt das Signal der Aryl-Protonen.
 
 28.5.5
 
 Integration der Signale und quantitative Analyse
 
 Der im Spektrometer eingebaute Rechner kann die Flächenintegrale aller Signale berechnen und aufzeichnen. Man erhält eine Treppenkurve wie in Abb. 28.19 c, deren Stufenhöhen dem Zahlenverhältnis der chemisch verschiedenen Protonen entsprechen. Für Phenylessigsäure ist das Verhältnis der Stufenhöhen COOH : C6H5 : CH2 = 1 : 5 : 2 (Abb. 28.19 c); es bestätigt die Zuordnung der Signale. Eine weitere Anwendung findet die Integration von NMR-Spektren bei der quantitativen Analyse von Gemischen. Die Auswertung der Integrale im 1H-NMR-Spektrum des Acetylacetons (Abb. 28.21) ergibt z. B., daß dieses 1,3-Diketon zu 87 % in der Enol-Form vorliegt.
 
 H 3C
 
 C
 
 C
 
 O
 
 E-CH3
 
 H
 
 H H C
 
 CH 3
 
 H 3C
 
 O
 
 C O
 
 K 13 %
 
 C
 
 H
 
 CH 3
 
 C O
 
 E 87 % 87 %
 
 13 % E-CH E-OH
 
 K-CH2
 
 K-CH3 TMS
 
 ppm 16
 
 δH
 
 15
 
 5
 
 4
 
 3
 
 2
 
 1
 
 1
 
 0
 
 Abb. 28.21. 80 MHz H-NMR-Spektrum des Acetylacetons; durch Integration der Methyl-Signale ergibt sich 13 % Keto-Form (K) und 87 % Enol-Form (E)
 
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 504
 
 28
 
 28.5.6
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Konstitutionsmerkmale und Protonen-Verschiebung
 
 Bei der Strukturaufklärung nützt u. a. die Kenntnis der Zusammenhänge zwischen Konstitutionsmerkmalen und Protonen-Verschiebung. Polarität des gebundenen C-Atoms Die chemische Verschiebung eines Protons wird umso größer, je geringer die Ladungsdichte an einem benachbarten C-Atom ist, wie ein Vergleich der Werte von Propan und i-Propyl-Kation zeigt. Die Ladungsdichte am Kohlenstoff wird auch durch die Elektronegativität gebundener Substituenten erniedrigt (induktiver Effekt). Infolgedessen nimmt die Verschiebung eines α-Protons annähernd linear mit der Elektronegativität des Substituenten am α-Kohlenstoff zu, wie man an einigen Ethyl-Verbindungen in Tab. 28.11 erkennt. Tab. 28.11. H-Verschiebungen δH von Propan, i-Propyl-Kation und einigen Ethyl-Verbindungen 1
 
 CH 3 Propan und i-Propyl-Kation
 
 1.45 H 2C
 
 CH 3 13.50 H
 
 0.91
 
 CH 3 3.20
 
 H3C CH 2
 
 Ethyl-Verbindungen
 
 H3C CH 2
 
 1.83
 
 3.57
 
 Br
 
 H 3C CH2
 
 1.67
 
 1.26
 
 H3C CH 2
 
 3.42
 
 (H 3C CH2)2NH
 
 1.23
 
 F
 
 1.27
 
 2.51
 
 (H3C CH 2)2S
 
 0.89
 
 4.35
 
 Cl
 
 1.48
 
 2.51
 
 (H3C CH 2)2CH2
 
 5.06
 
 CH 3 3.43
 
 I
 
 C
 
 (H3C CH 2)2O
 
 1.03
 
 1.15
 
 Anisotropieeffekte von Mehrfachbindungen Die π-Elektronen von Mehrfachbindungen erzeugen anisotrope (d. h. richtungsabhängige) innermolekulare Magnetfelder. Infolgedessen hängt die chemische Verschiebung eines Protons von seiner räumlichen Anordnung bezüglich einer Mehrfachbindung ab. Werden abschirmende Feldregionen in der Nähe von π-Bindungen als "+", entschirmende als "−" gekennzeichnet, so läßt sich die anisotrope Feldeinwirkung von Mehrfachbindungen auf die 1H-Verschiebung anhand doppelkegelförmig begrenzter Feldbereiche (Abb. 28.22) einprägen. Ein Alkin-H- (δH = 2 - 3) ist demnach stärker abgeschirmt als ein Alken-H-Atom (δH = 4.5 - 6.5). − : Entschirmung
 
 + : Abschirmung + C C H −
 
 R
 
 Alkine: δH = 2-3
 
 R
 
 R
 
 + C
 
 C
 
 R
 
 R
 
 − H
 
 − H
 
 Alkene: δH = 4.5-7
 
 + C
 
 O
 
 Aldehyde: δH = 9-10
 
 Abb. 28.22. Anisotrope innermolekulare Magnetfelder von CC-Dreifach-, CC- und CO-Doppelbindungen
 
 Besonders große Verschiebungen (δH > 8) zeigen die Aldehyd-Protonen, weil sie erstens im entschirmenden Feldbereich der Carbonyl-π-Bindung liegen (Abb. 28.22) und zweitens von der geringen Elektronendichte am Carbonyl-C betroffen sind (Carbonyl-Mesomerie): _ C OI _
 
 C OI _
 
 Carbonyl-Mesomerie
 
 H
 
 H
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 505
 
 Die anisotropen Felder haben eine beachtliche Reichweite. So liegen die von der CarbonylGruppe flankierten Methyl-Protonen des Pulegons noch im Entschirmungs-Bereich der Carbonylπ-Bindung, wie man an der 1H-Verschiebung erkennt:
 
 Pulegon
 
 O 1.77 H 3C
 
 CH3 1.95
 
 Im Vergleich zu Alken-Protonen zeigen Benzen-Protonen deutlich größere Verschiebungen (δH = 7.3). Zur Erklärung geht man davon aus, daß das π-Elektronensextett des Benzens im Magnetfeld zirkuliert, also einer Stromschleife gleicht. Das so erzeugte "Ringstrom-Feld" ist dem angelegten äußeren Magnetfeld am Ort der Benzen-Protonen gleichgerichtet, so daß sich die Larmorfrequenz erhöht (Entschirmung, Abb. 28.23). Inner-, ober- und unterhalb der Ebene des Benzen-Ringes wird das angelegte Magnetfeld dagegen geschwächt (Abb. 28.23). Dort befindliche Protonen werden abgeschirmt. Dementsprechend erscheint das Signal der zwölf äußeren Protonen des [18]Annulens (Abb. 28.23) bei δH = 8.9, während die inneren sechs Protonen stark abgeschirmt sind (δH = −1.8). Auch die Protonen-Verschiebungen von Ansa-Verbindungen zeigen den Einfluß des Ringstrom-Feldes: Die über der Ebene des Benzen-Ringes liegenden Methylen-Protonen des 1,4-Decamethylenbenzens (δH = 0.8) sind im Vergleich zu den anderen (δH = 2.6, Abb. 28.23) deutlich abgeschirmt. H
 
 B0
 
 H
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 7.3
 
 0.8
 
 H
 
 H
 
 2.6
 
 H
 
 H
 
 8.9
 
 H
 
 − 1.8
 
 H
 
 H H
 
 Benzen
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H H
 
 H H
 
 H H [18]Annulen bei 0 °C
 
 1,4-Decamethylenbenzen 1
 
 Abb. 28.23. Ringstrom-Modell des Benzens und H-Verschiebungen des [18]Annulens sowie des 1,4Decamethylenbenzens
 
 Die durch das Ringstrom-Modell erklärbare und im Vergleich zu Alkenen größere ProtonenVerschiebung von Aromaten (δH > 7) gilt als eines der experimentellen Aromatizitätskriterien. Mesomerie Die Ladungsdichte am C-Atom unterliegt in konjugierten Systemen dem Einfluß der Mesomerie. So findet man für α,β-ungesättigte Carbonyl-Verbindungen (Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren und Derivate) eine deutliche Entschirmung der β-Protonen, weil durch Mesomerie die Ladungsdichte am β-C-Atom erniedrigt wird: H
 
 H OI _
 
 _ OI _
 
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 506
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Beispiele hierzu sind 2-Cyclohexenon und Fumarsäurediethylester. In Maleinsäurediethylester behindern dagegen zwei cis-ständige Ethoxy-Gruppen die Koplanarität der CC- und CO-Doppelbindungen, so daß die Alken-Protonen wieder stärker abgeschirmt werden. O
 
 OC2H 5
 
 O 6.83 H
 
 6.05 H
 
 O
 
 7.05 H
 
 6.28 H
 
 O H
 
 OC 2H 5 OC 2H 5
 
 H
 
 OC 2H5 2-Cyclohexenon
 
 O
 
 Fumarsäurediethylester
 
 Maleinsäurediethylester
 
 Ähnlich können die Substituenteneffekte (Zi) auf die 1H-Verschiebungen der Protonen am BenzenRing erklärt werden: Typische (+)-M-Substituenten wie die Methoxy- und Dimethylamino-Gruppe erhöhen die Ladungsdichte insbesondere in o- und p-Stellung. Entsprechend stärker als im unsubstituierten Benzen werden die o- und p-Protonen abgeschirmt (Tab. 28.12). ID
 
 D
 
 D
 
 D
 
 (+)-M-Substituent (Elektronen-Donor D) am Benzen-Ring
 
 Umgekehrt setzen (−)-M-Substituenten wie die Formyl-, Methoxycarbonyl- oder Cyano-Gruppe die Ladungsdichte in o- und p-Stellung herab, so daß die o- und p-Protonen im Vergleich zu denen des Benzens entschirmt sind (Tab. 28.12). A
 
 A
 
 A
 
 A
 
 (−)-M-Substituent (Elektronen-Akzeptor A) am Benzen-Ring
 
 Tab. 28.12. Substituenteneffekte ( Zi = δC6H5X − δ C6H6 ) auf die 1H-Verschiebung der Benzen-Protonen ( δ C6H6 = 7.3 )
 
 Substituent Klasse Beispiel
 
 S u b s t i t u e n t e n e f f e k t e Zi Zo Zm Zp
 
 (+)-M(Donor)
 
 −CH2OH −CH3 −OCH 3 −N(CH3)2 −NH2
 
 − 0.1 − 0.17 − 0.43 − 0.6 − 0.6
 
 − 0.1 − 0.09 − 0.09 − 0.1 − 0.1
 
 − 0.1 − 0.18 − 0.37 − 0.62 − 0.62
 
 −CN −CHO −CO2CH3 −NO2
 
 0.27 0.58 0.74 0.95
 
 0.11 0.21 0.07 0.17
 
 0.3 0.27 0.2 0.33
 
 (−)-M(Akzeptor)
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 507
 
 Intramolekulare elektrische Felder und VAN DER WAALS-Abstoßungen Die Ladungsverteilung entlang einer CH-Bindung kann sich unter dem Einfluß intramolekularer elektrischer Felder von polaren Gruppen verzerren. Ein Beispiel ist die überraschend große Entschirmung der o-Protonen des Nitrobenzens (Tab. 28.12). Offensichtlich wirkt der (−)-M-Effekt mit dem elektrischen Feld der Nitro-Gruppe zusammen. Letzteres verschiebt die σ-Elektronen der o-CH-Bindungen zum Kohlenstoff hin; dies entschirmt die o-Protonen, erkennbar an ihrer erhöhten Verschiebung: H O
 
 das elektrische Feld der Nitro-Gruppe polarisiert die o-CH-Bindungen (Entschirmung an H, Abschirmung an C)
 
 N O H
 
 VAN DER WAALS-Wechselwirkungen resultieren aus der Überlagerung der VAN DER WAALSRadien einander zu nahe kommender H-Atome; dabei stoßen sich die s-Elektronenwolken der HAtome ab. Die damit verbundene sterisch induzierte Polarisierung der CH-Bindungen entschirmt die CH-Protonen. So sind die Methyl-Protonen des 1-Methylnaphthalens infolge der VAN DER WAALS-Abstoßung durch das peri-Proton deutlich weniger abgeschirmt als in 2-Methylnaphthalen, dessen Methyl-Verschiebung mit der des Toluens gut übereinstimmt. 2.75
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 2.40
 
 H
 
 2.36
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H H H 1-Methylnaphthalen
 
 2-Methylnaphthalen
 
 H H H Toluen
 
 Wasserstoffbrücken Ein H-Atom, welches eine Wasserstoffbrücke bildet, ist weniger abgeschirmt als ein "freies" H. Die Hydroxy-Protonen der Enole, Phenole und Carbonsäuren zeigen z. B. sehr große Assoziationsverschiebungen (δH = 9 - 17); Alkohol-Hydroxy-Gruppen weisen kleinere Protonen-Verschiebungen (δH < 6) auf. Da die Wasserstoffbrücke eine elektrostatische Bindung mit etwas kovalentem Anteil ist, erklärt man die Assoziationsverschiebung durch ein elektrisches Feld, welches die Ladungsdichte am Brücken-Proton senkt. Während bei intermolekularen Wasserstoffbrücken die Verschiebung des betroffenen Protons von der Konzentration abhängt, ist die Signallage der an intramolekularen Wasserstoffbrücken beteiligten Protonen nahezu konzentrationsunabhängig. So findet man für Methanol bei Verdünnung mit Tetrachlormethan eine Verschiebung nach höherem Feld, weil die WasserstoffbrückenAssoziation infolge Solvatation durch das Lösemittel abnimmt (Abb. 28.24 a). Dagegen ändert das 1 H-Signal des intramolekular gebundenen Enol-Protons in Hexafluoracetylaceton seine Lage kaum, wenn man verdünnt (Abb. 28.24 b).
 
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 508
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 1
 
 Abb. 28.24. 90 MHz H-NMR-Spektren von (a) Methanol und (b) Hexafluoracetylaceton, jeweils in Reinsubstanz (oben) und in verdünnter Tetrachlormethan-Lösung, 5 Vol. % (unten)
 
 Für Amino- und Thiol-Protonen beobachtet man ebenfalls Assoziationsverschiebungen. Selbst das H-Atom des Chloroforms kann mit starken Elektronenpaar-Donoren wie Acetonitril oder Pyridin eine schwache Wasserstoffbrücke bilden. Infolgedessen beobachtet man in diesen Lösemitteln eine etwas größere Verschiebung des Chloroform-Protons als in der reinen Probe. Cl3C H
 
 I N C CH3
 
 Cl3C H
 
 IN
 
 Wasserstoffbrücken von Chloroform mit Acetonitril und Pyridin
 
 Protonen-Verschiebungen hängen demnach oft vom Lösemittel und von der Konzentration ab.
 
 ̈ Chiralitätseinflüsse Enthält ein chirales Molekül der allgemeinen Konstitution Z Y
 
 C
 
 CH A H B
 
 R
 
 X
 
 ein asymmetrisches Kohlenstoff-Atom (X ≠ Y ≠ Z), so befindet sich jedes der beiden MethylenProtonen HA und HB in jeder möglichen Konformation in unterschiedlicher (diastereotoper) chemischer Umgebung, wie die NEWMAN-Projektionen zeigen:
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 509
 
 R
 
 HA
 
 Y
 
 Z
 
 Y
 
 HB
 
 HA
 
 HB
 
 X
 
 HB Z
 
 Y
 
 R
 
 R
 
 Z
 
 HA
 
 X
 
 X
 
 Beispiele für diese Diastereotopie sind die Methylen-Protonen des β-Acetoxybuttersäuremethylesters, Die Protonen HA und HB zeigen in Lösungen der reinen Enantiomere und des Racemats getrennte Signale, die allerdings nicht "absolut" zugeordnet werden können: OCOCH3
 
 HA
 
 OCOCH 3 H3C
 
 C
 
 CHA HB
 
 H
 
 δHA = 2.5 ; δHB = 2.7
 
 HB
 
 CO2CH 3 H3C
 
 (S)-β-Acetoxybuttersäuremethylester
 
 H CO2CH3
 
 Gleiches gilt für die Isopropyl-Methyl-Protonen der α-Aminocarbonsäure Valin: H H H3N
 
 C
 
 H3C
 
 δ( CH3) = 0.83 und 0.9
 
 CH3
 
 CH(CH 3)2
 
 CO2
 
 O2C
 
 NH 3 H
 
 D-Valin
 
 Diastereotopie für Methylen-Protonen beobachtet man nicht nur bei Verknüpfung mit einem asymmetrischen C-Atom. Vielmehr wird die chemische Umgebung der Protonen einer prochiralen Methylen-Gruppe (Kap. 18.8.1) trotz Molekülsymmetrie diastereotop, CH 2R R
 
 CH 2
 
 C Z
 
 H2
 
 H1
 
 X CH 2
 
 R X
 
 Z R
 
 weil die eine Methylen-Gruppe das benachbarte Kohlenstoff-Atom als Asymmetriezentrum "sieht", wie die NEWMAN-Projektion zeigt, obwohl das Molekül insgesamt nicht chiral ist.
 
 Dynamische Einflüsse Das H-NMR-Spektrum des N,N-Dimethylacetamids (Abb. 28.25) zeigt für die beiden N-MethylGruppen bei Temperaturen unterhalb 80 °C zwei Signale. Diese fallen bei 80 °C unter Verbreiterung zusammen. Man sagt, sie koaleszieren. Oberhalb 80 °C addieren sie sich zu einem einzigen, mit zunehmender Temperatur schärfer werdenden Signal. Der Temperatureinfluß auf die Lage der Protonen-Signale beruht im beschriebenen Beispiel darauf, daß die Amid-Bindung wegen der in Abb. 28.25 formulierten Mesomerie partiellen πCharakter hat, eine partielle Doppelbindung ist; infolgedessen wird die Rotation der Dimethylamino-Gruppe behindert. Eine Methyl-Gruppe (δH = 3.0) steht nun cis, die andere trans zum Car1
 
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 510
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 bonyl-O-Atom (δH = 2.9). Bei tiefer Temperatur ist die Austauschfrequenz, d. h. die Geschwindigkeitskonstante (kr) der Dimethylamino-Rotation, im Vergleich zum Verschiebungsunterschied (∆ν) der Methyl-Gruppen (δH = 0.1 oder 8 Hz bei 80 MHz in Abb. 28.25) klein. Erhöht sich die Temperatur, so nimmt die Rotationsfrequenz zu, bis sie bei der Koaleszenztemperatur (Tc) nach Gleichung 28.6 die Größenordnung des Verschiebungsunterschiedes ∆ν erreicht: kr =
 
 π 2
 
 ∆ν
 
 (28.6)
 
 1
 
 Abb. 28.25. Temperaturabhängigkeit des H-NMR-Spektrums von N,N-Dimethylacetamid (75 Vol % in Hexadeuteriodimethylsulfoxid, 80 MHz)
 
 Aus dieser Beziehung (28.6) kann man die Geschwindigkeitskonstante (kr) der Methyl-Rotation am Koaleszenzpunkt (Tc) ermitteln. Mit ∆ν = 8 Hz (Abb. 28.25) ergibt sich z. B. kr = 17.8 s−1 bei 80 °C. Eine zweite Beziehung für kr ist die aus der Theorie der absoluten Geschwindigkeitskonstanten folgende EYRING-Gleichung (28.7): kr =
 
 kT −∆G/RT e h
 
 (28.7)
 
 k : BOLTZMANN-Konstante h : PLANCKsches Wirkungsquantum T : Temparatur in K R : Gaskonstante ∆G : freie Akltivierungsenthalpie (bei T in K)
 
 Nach Logarithmieren, Einsetzen der Zahlenwerte für die Konstanten und Umrechnung auf Zehnerlogarithmus gestattet Gleichung 28.7 die Ermittlung der freien molaren Aktivierungsenthalpie (∆G) am Koaleszenzpunkt (Tc): ∆G = 19.1Tc (10.32 + lg Tc / kr ) . 10−3 [kJ / mol]
 
 (28.7 a)
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 511
 
 Für die freie molare Aktivierungsenthalpie der Dimethylamino-Rotation in Dimethylacetamid ergibt sich z. B. mit kr = 17.8 s−1 und der Koaleszenztemperatur Tc = 353 K (80 °C, Abb. 28.25): ∆G353 = 78.5 kJ / mol = 18.7 kcal / mol
 
 (28.7b)
 
 Weitere Beispiele, auf welche die temperaturabhängige NMR-Spektroskopie im Bereich zwischen − 150 und +150 °C zum Studium dynamischer Einflüsse anwendbar ist, sind u. a. die behinderte Rotation in sperrig substituierten Ethan-Derivaten: H
 
 V X
 
 H
 
 Y
 
 X
 
 W
 
 W
 
 Z
 
 W Y
 
 X
 
 V
 
 V
 
 Z
 
 Y
 
 H Z
 
 die Inversion am Amino-N-Atom, z. B. in Aziridinen, R N
 
 N R
 
 die Ringinversion von Cyclohexanen, R R
 
 sowie die Valenztautomerisierungen, z. B. im Homotropiliden:
 
 Empirische Auswertung von Protonen-Verschiebungen Protonen-Verschiebungen im 1H-NMR-Spektrum einer unbekannten Substanz gestatten oft direkte Aussagen über Ab- oder Anwesenheit bestimmter Gruppen. Besonders typische 1H-Verschiebungen zeigen u. a. Cyclopropan-, Alkin-, Methylenoxy-, Benzen- und Aldehyd-Protonen. Dagegen hängt die Lage der Signale von XH-Protonen (z. B. X = O, NH, NR, S) stark vom Lösemittel ab. Abb. 28.26 orientiert zusammenfassend über typische Bereiche der Protonen-Verschiebungen in organischen Stoffklassen. Viele organische Verbindungen kann man formal als Methan-Derivate auffassen. In diesen Fällen bewähren sich zur Zuordnung der Spektren empirisch ermittelte Substituenteninkremente zi (Tab. 28.13). Mit ihrer Hilfe und dem Verschiebungswert des Methans (δH = 0.23) kann man nach Gleichung 28.8 die chemische Verschiebung der CH2- und CH-Protonen in di- und trisubstituierten Methanen (X−CH2−Y bzw. XCHYZ) vorhersagen (SHOOLERY-Regel). Additivität der Inkremente wird dabei vorausgesetzt. δH = 0.23 + Σzi (28.8)
 
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 512
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Die Verschiebung der Methylen-Protonen in Phenylessigsäure ergibt sich z. B. nach Gleichung 28.8 und Tab. 28.13 als δH = 0.23 + zPhenyl + zCarboxy = 0.23 + 1.8 + 1.5 = 3.53 in guter Übereinstimmung mit der Messung (Abb. 28.19). Enol-OH Carbonsäure-OH Phenol-OH mit D2O austauschbare Alkanol-OH Protonen Amid-NH Amin-NH Thiol-/Thiophenol-SH Aldehyd-CH Heteroaromaten Aromaten Alken-CH Alkin-CH Acetal-CH R2CH−O−, RCH2−O− CH3O− CH3N< CH3S− CH3 an C=C oder C=X Cyclopropan CH3 an Metall
 
 π-Elektronenmangel (−)-M-substituiert (−)-M-substituiert
 
 π-Elektronenüberschuß (+)-M-substituiert (+)-M-substituiert
 
 R2CH−O−
 
 δH 15 14 13 12 11 10 9
 
 8
 
 7
 
 6
 
 RCH2−O−
 
 5
 
 4
 
 3
 
 2
 
 1
 
 0 −1
 
 Abb. 28.26. Bereiche der Protonen-Verschiebungen in organischen Stoffklassen
 
 Tab. 28.13. Substituenten-Inkremente zi (ppm) zur Vorhersage der δ-Werte von Protonen in di- und trisubstituierten Methanen nach SHOOLERY Substituent CH3 CF 3 CR1 CR 2R3 C C H CO2R CONH2 COR C N C 6H5
 
 zi 0.47 1.14 1.32 1.44 1.55 1.59 1.70 1.70 1.83
 
 Substituent NR1R 2 SR I Br OR Cl OH OCOR OC6H 5
 
 zi 0.57 1.64 1.82 2.33 2.36 2.53 2.56 3.13 3.23
 
 Entsprechend gelingt die Vorhersage der 1H-Verschiebung benzoider Protonen in mehrfach substituierten Benzenen nach Gleichung 28.9 und Tab. 28.12: Man addiert zum Verschiebungswert des Benzens (δH = 7.26) je nach Stellung des Substituenten zum betrachteten Proton die ortho-, meta- oder para-Inkremente des bzw. der Substituenten: δH = 7.26 + Σzi zi = zo , zm , zp (28.9)
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 513
 
 Die gemessenen Verschiebungswerte (δH = 8.72, 8.47 und 7.28) der Ring-Protonen des 2,4Dinitroanisols lassen sich z. B. mit Hilfe der Methoxy- und Nitro-Inkremente nach Tab. 28.12 (S. 506) und Gleichung 28.9 befriedigend zuordnen. OCH 3 H 6 5
 
 H
 
 1 4
 
 2
 
 δ3-H = 7.26 + zm
 
 H
 
 δ5-H = 7.26 + zmOCH + zo NO + zp NO = 7.26 − 0.1 + 0.9 + 0.3 = 8.36 (8.47) 3 2 2 = 7.26 (7.28) δ6-H = 7.26 + zo OCH + 2 zm NO = 7.26 − 0.4 + 0.4
 
 3
 
 OCH3
 
 3
 
 NO2
 
 28.5.7
 
 NO2
 
 + 2 zo
 
 NO2
 
 = 7.26 − 0.1 + 1.8
 
 = 8.96 (8.72)
 
 2
 
 Kopplungskonstanten
 
 Spin-Spin-Kopplung Im H-NMR-Spektrum des Acetylaminomalonsäurediethylesters (Abb. 28.27) erscheint das Signal der durch die Amid-Carbonyl-Gruppe von den übrigen Wasserstoff-Atomen des Moleküls isolierten Acetyl-Methyl-Protonen als Singulett (Einzelsignal) bei δH = 2.1. Alle anderen Signale des Spektrums spalten in Multipletts auf, offensichtlich, weil die zugehörigen H-Atome von chemisch verschiedenen Nachbar-Protonen flankiert sind. 1
 
 1
 
 Abb. 28.27. 90 MHz H-NMR-Spektrum des Acetylaminomalonsäurediethylesters in Deuteriochloroform (CDCl3) bei 30 °C
 
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 514
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Die Signalaufspaltung in Lösung ist eine Folge der indirekten Spin-Spin-Kopplung. Darunter versteht man eine durch die Bindungselektronen kovalenter Bindungen übertragene magnetische Wechselwirkung zwischen chemisch nicht äquivalenten Kernen. Die direkte Kopplung zwischen zwei Kernen durch den Raum wird nur im festen Zustand beobachtet. In der hochauflösenden NMR-Spektroskopie, die man zur Strukturaufklärung fast ausschließlich heranzieht, werden Lösungen untersucht. In Lösung wird die direkte Kopplung zwischen zwei Kernen durch die Molekülbewegung zeitlich ausgemittelt. E
 
 a
 
 b
 
 c hJAX / 4
 
 ∆E2
 
 ∆E2
 
 B0 hJAX / 4
 
 ∆E1 ∆E1
 
 hJAX / 4
 
 hJAX / 4
 
 A
 
 AX
 
 AX
 
 Einspin-System
 
 Zweispin-System AX ohne Kopplung
 
 Zweispin-System AX mit Kopplung JAX
 
 zugehörige NMR-Spektren
 
 δA
 
 a
 
 δX
 
 δA
 
 b
 
 JAX
 
 δX
 
 δA
 
 X-Dublett
 
 A-Dublett
 
 c
 
 Abb. 28.28. Zur Erklärung der indirekten Spin-Spin-Kopplung: (a) Kernenergiezustände von Kern A im B0-Feld; (b) Aufspaltung der A-Zustände infolge der Präzession von Kern X im B0-Feld; (c) Stabilisierung (Senkung) und Destabilisierung (Hebung) der Energiezustände in (b) um die Energiebeträge hJAX / 4, infolgedessen unterschiedliche Energiebeträge ∆E1 und ∆E2 der beiden Übergänge und Aufspaltung der A- und X-Signale in Dubletts
 
 Auf einen Kern A wirkt (neben B0 und innermolekularen Abschirmfeldern) auch das Zusatzfeld eines gebundenen Kernes X. Dieses entsteht, indem der Kern X mit IX = 1/2 seinerseits um die Feldrichtung präzessieren kann oder entgegengesetzt (Abb. 28.17). Infolgedessen spalten die Energiezustände von Kern A jeweils um denselben Energiebetrag auf (Abb. 28.28 a - b), wobei die Zustände energieärmer sind, bei denen auch Kern X um die Feldrichtung präzessiert. Nach der quantenmechanischen Auswahlregel (∆IA = 1 und ∆IX = 0) sind für den Kern A zwei Übergänge möglich (vgl. die Pfeile in Abb. 28.28 b). Diese sind jedoch frequenzgleich und addieren sich im NMR-Spektrum zu einem Signal. Die Kerne A und X präzessieren infolge ihrer Wechselwirkung mit den Bindungselektronen jedoch nicht unabhängig voneinander (Kopplung). Im Falle der posi-
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 515
 
 tiven Kopplung stabilisieren die Bindungselektronen wegen des PAULI-Prinzips die antiparallele Präzession der Kerne A und X; gleichzeitig destabilisieren sie die Parallelpräzession um denselben Energiebetrag hJAX / 4 (Abb. 28.28 c). Die beiden möglichen Übergänge unterscheiden sich jetzt durch ihre Frequenz. Nach Abb. 28.28 c ergibt sich JAX als Frequenzdifferenz (∆E2− ∆E1) / h beider Übergänge, weil ∆E1 um zwei Teilbeträge hJAX / 4 ab-, ∆E2 dagegen um zwei Teilbeträge hJAX / 4 zunimmt. Als Folge der Kopplung mit Kern X spaltet das Signal von Kern A somit in ein Dublett mit dem Frequenzabstand JAX auf. Entsprechendes gilt für den Kern X. Die koppelnden Kerne A und X bilden ein aus zwei Dublettsignalen bestehendes AX-System (Abb. 28.28 c). Der Frequenzabstand (JAX) der Signale eines Multipletts wird als Kopplungskonstante bezeichnet und in Hz gemessen. JAX reflektiert ausschließlich die Wechselwirkung der Kerne A und X über die Bindungselektronen. Insofern ist die Kopplungskonstante im Gegensatz zum Frequenzbetrag der chemischen Verschiebung (Gl. 28.3) unabhängig von der Kraftflußdichte B0 . Spektren erster Ordnung und Aufspaltungsregeln Sind mehrere Kerne X mit IX = 1/2 an der Kopplung mit Kern A beteiligt, so gelten drei Aufspaltungsregeln: 1) Die Multiplizität (der Aufspaltungsgrad) des A-Signals folgt aus der Anzahl aller verschiedenen Gesamtspin-Präzessionen relativ zum Feld B0. Für n koppelnde Kerne X mit IX = 1/2 ergibt sich eine (n+1)-fache Aufspaltung (Abb. 28.29). 2) Die Intensitäten der Multiplett-Signale folgen aus der Anzahl energiegleicher GesamtspinEinstellungen. Sie verhalten sich für koppelnde Kerne X mit IX = 1/2 wie die n-ten Binominalkoeffizienten (1 : 1-Dublett; 1 : 2 : 1- Triplett; 1 : 3 : 3 : 1-Quartett; vgl. Abb. 28.29). 3) Sind mehrere Kerne magnetisch äquivalent, weil sie dieselbe chemische Verschiebung haben und mit allen anderen Kernen des Moleküls nicht koppeln oder gleiche Kopplungskonstanten aufweisen, so beobachtet man keine Aufspaltung. Die Kopplung der MethylProtonen untereinander bewirkt also keine Aufspaltung des Methyl-Signals. Das AcetylSignal in Abb. 28.27 ist daher ein Singulett.
 
 A-Teilspektren
 
 B0 X-Spin-Kombinationen
 
 relative Häufigkeit
 
 1 : 1 A
 
 Teilstruktur
 
 CH CH
 
 Spinsystem
 
 AX
 
 1 : 2 : 1 X
 
 A
 
 X
 
 1 : 3 : 3 : 1 A
 
 X
 
 CH CH2
 
 CH CH3
 
 AX 2
 
 AX 3
 
 Abb. 28.29. Zur Erklärung der einfachen Aufspaltungsregeln für Kerne mit I = 1/2. Der X-Teil des Spektrums ist in allen drei Fällen ein Dublett
 
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 516
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Allgemein beobachtet man eine (2nIX + 1)-fache Aufspaltung. Das Signal des Protons im Dideuteriochlormethan CHD2−Cl spaltet z. B. in ein Quintett auf, weil Deuterium die Kernspin-Quantenzahl ID = 1 besitzt und somit (2nIX + 1) = 2 x 2 x 1 + 1 = 5 ist. Die Aufspaltungsregeln gestatten die Auswertung von NMR-Spektren erster Ordnung. Solche Spektren liegen vor, wenn die Verschiebungsunterschiede (νX−νA) im Frequenzmaßstab erheblich größer sind als die Kopplungskonstanten JAX (JAX / (νX−νA) Jae , Jae isomere Cyclohexan- und Tetrahydropyran-Derivate (Pyranoside) unterscheiden. β-Methyl-D-glucopyranosid zeigt z. B. eine deutlich größere Kopplungskonstante der vicinalen Protonen an C-1 und C-2 als das α-Isomer (Abb. 28.33 b). Ha
 
 Ha He He
 
 Ha
 
 Ha
 
 geminal : axial-axial : axial-äquatorial : äquatorial-äquatorial :
 
 = − 12 Hz 3J = 13 Hz aa 3J = 3 Hz ae 3J = 3 Hz ae 2J
 
 ae
 
 a
 
 He He
 
 HO HO HO
 
 H
 
 O H
 
 αJea = 4 Hz
 
 OH OCH 3 HO HO HO
 
 H
 
 O
 
 βOCH 3 Jaa = 9 Hz
 
 OH H Methyl-D-glucopyranosid
 
 b
 
 Abb. 28.33. (a) Kopplungskonstanten vicinaler Protonen in Cyclohexan-Derivaten; (b) Unterscheidung von αund β-Methyl-D-glucopyranosid anhand der vicinalen H,H-Kopplungskonstanten
 
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 520
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Ringgröße der Cycloalkene Die Kopplungskonstanten der vicinalen (cis) Alken-Protonen steigt in der Folge Cyclopropen (0.2 Hz), Cyclobuten, Cyclopenten, Cyclohexen an und erreicht bei höhergliedrigen Ringen Werte von 9 bis 14 Hz. Dieser Befund ist vor allem für die Identifizierung kleiner Cycloalken-Ringe wertvoll. H
 
 H
 
 0.2
 
 H
 
 2- 4
 
 H
 
 5- 7 H
 
 H
 
 H 9 - 10
 
 H 9 - 14
 
 H
 
 H
 
 (Z)- und (E)-Isomerie von Alkenen In Alkenen unterscheidet man zwischen Geminal-, cis-, trans- und Allyl-Kopplungen: H4
 
 C
 
 1H
 
 geminal cis trans
 
 C C H3
 
 2H
 
 2J
 
 1,2
 
 3J
 
 2,3
 
 3J
 
 1,3
 
 = − 3 bis + 3 Hz 5 bis 14 Hz = = 11 bis 19 Hz
 
 Allyl
 
 3J
 
 3,4
 
 4J
 
 1,4
 
 4J
 
 2,4
 
 bis 10 Hz = 4 = − 0.5 bis − 3 Hz = − 0.5 bis − 3 Hz
 
 Nach Abb: 28.31 gilt für vicinale Kopplungen der Alken-Protonen Jtrans > Jcis , denn trans-ständige H-Atome bilden einen Interplanarwinkel von 180° (3JHH = 16 Hz) im Unterschied zu den ekliptisch stehenden cis-Protonen (Diederwinkel 0°, 3JHH = 10 Hz). Diese Beziehung gestattet eine Unterscheidung zwischen (Z)- und (E)-Alkenen, sofern die Alken-C-Atome mit vicinalen H-Atomen verknüpft sind. Abb. 28.34 zeigt als Beispiel das 1H-NMR-Spektrum eines Gemisches aus cis- und trans-Ethyl-ipentenylether (1-Ethoxy-3-methyl-1-buten). Im Bereich der olefinischen Protonen (δH > 4) erkennt man zwei AX-Systeme, von welchen das mit den größeren Kopplungskonstanten (17 Hz) zum trans-, das mit den kleineren (6 Hz) zum cis-Isomer gehört. Die Integration der X-Teilspektren mit den großen Verschiebungen δH = 6.2 und 5.75 ergibt 45% trans- und 55% cis-Isomer. Tab. 28.15 informiert über die weitere, aus Kopplungen und Integralen folgende Zuordnung des Spektrums. Stellungsisomerie mehrfach substituierter Benzene und Pyridine In Benzen liegen die Kopplungen o-ständiger (vicinaler) Protonen zwischen 6 und 10 Hz. Die Kopplungskonstanten m-ständiger Protonen sind erheblich kleiner (1 - 3 Hz); p-Kopplungen werden im Spektrum oft nicht aufgelöst (< 1 Hz). Ähnliche Beziehungen gelten für die Protonen des Pyridin-Ringes. 3J
 
 4J
 
 H
 
 6 - 10 N
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H H
 
 1-3 N
 
 H 5-6
 
 5J
 
 H
 
 H
 
 N
 
 H
 
 H H 7-9
 
 N
 
 H
 
 1-2
 
 N H
 
 2-3
 
 0 - 1 Hz H
 
 H 0.5 - 1 Hz
 
 Mit Hilfe dieser deutlichen Unterschiede kann man die Stellung von Substituenten am BenzenRing bestimmen (Abb. 28.35 a – c, S. 522-523).
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 521
 
 1
 
 Abb. 28.34. 90 MHz- H-NMR-Spektrum von cis- und trans-Ethyl-i-pentenylether in Deuteriochloroform. Die Zuordnung entnehme man der Tab. 28.15 1
 
 Tab. 28.15. Zuordnung des H-NMR-Spektrums von cis- und trans-Ethyl-i-pentenylether (Abb. 28.34) H 6
 
 5
 
 1
 
 2
 
 H
 
 δH
 
 Zuordnung
 
 trans45 %
 
 6.2
 
 2-H
 
 3.7 2.2
 
 cis55 %
 
 1-H 5-H 3-H
 
 3
 
 4
 
 CH(CH3)2
 
 4
 
 Kopplungskonstante(n) [Hz] 13 1 13 7.5 7 7 1
 
 1.2 0.95
 
 6-H 4-H
 
 7 7
 
 5.8
 
 2-H
 
 6 1.2 6 8
 
 Kopplungsart 3J
 
 (trans)
 
 4J 3J
 
 (trans)
 
 3J 3J 3J 4J 3J 3J
 
 Kopplungspartner
 
 Doppeldublett Doppeldublett Quartett1) Octett von Dubletts Triplett Dublett Doppeldublett Doppeldublett Quartett1) Oktett von Dubletts
 
 1.17
 
 6-H
 
 7
 
 3J
 
 0.93
 
 4-H
 
 7
 
 3J
 
 3-H
 
 3.6 2.75
 
 1-H 5-H 3-H
 
 7 8 1.2
 
 3J
 
 (cis)
 
 4J 3J 3J 3J 3J 4J
 
 (cis)
 
 Multiplizität
 
 1-H 3-H 2-H 3-H 6-H 2-H , 4-H 1-H 5-H 3-H 1-H 3-H 2-H 3-H 6-H 2-H , 4-H 1-H 5-H
 
 4.15
 
 1)
 
 2
 
 CH(CH3)2
 
 Isomer
 
 4.7
 
 3
 
 1
 
 C C 6 5 H 3C CH 2 O H cistransEthyl-i-pentenylether (1-Ethoxy-3-methyl-1-buten)
 
 C C
 
 H 3C CH 2 O
 
 H
 
 Triplett Dublett
 
 zwei überlappende Quartetts im Abstand der Kopplungskonstanten, keine Quintetts
 
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 522
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 o-Disubstituierte Benzene wie 2-Nitrophenol (Abb. 28.35 a) zeigen für die den Substituenten benachbarten Kerne 3-H und 6-H je eine o-Kopplung (o-Dubletts). Die benzoiden Protonen 4-H und 5-H sind dagegen von je zwei H-Atomen flankiert (ortho zu 4-H stehen z. B. 3-H und 5-H); sie zeigen daher zwei o-Kopplungen (o-Doppeldubletts). Alle H-Atome koppeln zusätzlich mit je einem m-Proton, so daß man für sämtliche Signale noch eine weitere Aufspaltung von 2 bis 2.5 Hz beobachtet. Die vollständige Zuordnung folgt aus dem Kopplungsschema (Abb. 28.35 a), wobei 3-H und 5-H wegen des (−)-M-Effektes der Nitro-Gruppe (Tab. 28.12) jeweils weniger abgeschirmt sind als 6-H und 4-H, welche vorwiegend dem (+)-M-Effekt der Hydroxy-Gruppe ausgesetzt sind.
 
 H 5 4
 
 6 3
 
 OH 1 2
 
 H
 
 8.5 2.5
 
 6-H 7.03
 
 4-H 6.86
 
 J6,5 J6,4
 
 J5,6 J5,4 J5,3
 
 J3,4 J3,5
 
 NO2
 
 H
 
 5-H 7.50
 
 3-H δH = 8.05
 
 H
 
 8.5 6.7 2.5
 
 8.5 2.0
 
 8.5 6.7 2.0 Hz
 
 J4,3 J4,5 J4,6
 
 a ppm
 
 10
 
 9
 
 8
 
 7
 
 6
 
 δH 5
 
 4
 
 3
 
 2
 
 1
 
 0
 
 1
 
 Abb. 28.35. (a) 100 MHz- H-NMR-Spektrum von 2-Nitrophenol in Deuteriochloroform mit Zuordnung und Kopplungsschema der benzoiden Protonen (über dem gespreizten Teilspektrum)
 
 m-Disubstituierte Benzene wie 3-Nitrobenzaldehyd (Abb. 28.35 b) erkennt man daran, daß ein Proton wie 2-H (δH = 8.75) nur m-Kopplungen (mit 4-H und 6-H) und ein anderes wie 5-H (δH = 7.82) nur o-Kopplungen (mit 4-H und 6-H) vorweisen kann. Zwei weitere 1H-Signale (4-H und 6-H) spalten infolge Kopplung mit je einem o-Proton und je zwei m-H-Atomen in je ein Dublett von Ferndoppeldubletts (bzw. -tripletts) auf, wie das Kopplungsschema (Abb. 28.35 b) zeigt. Da die Nitro-Gruppe in o-Stellung stärker entschirmt als die Aldehyd-Funktion, beide Substituenten jedoch ähnliche p-Effekte bewirken (Tab. 28.12), erscheint 4-H bei δH = 8.5, 6-H bei 8.27. p-Disubstituierte Benzene wie 4,4'-Dimethoxybenzil erkennt man an einem symmetrischen 1HNMR-Spektrum der benzoiden Protonen (Abb. 28.35 c). Diese bilden kein (AX)2-, sondern ein nicht mehr nach den Regeln erster Ordnung analysierbares AA'XX'-System: Trotz der durch die Molekülsymmetrie bedingten chemischen Äquivalenz (νA = νA´ und νX = νX´) sind die Protonen A
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 523
 
 und A' bzw. X und X' magnetisch nicht äquivalent, denn die Kopplungen von A und A' mit Kern X (oder X') sind verschieden: 3JAX ist z. B. eine ortho-, 5JA'X dagegen eine viel kleinere para-Kopplung. H H 5 4
 
 6 3
 
 2-H δH = 8.75
 
 H
 
 6-H 8.27
 
 5-H 7.82
 
 O
 
 1 2
 
 H
 
 4-H 8.5
 
 J2,4 J2,6
 
 H
 
 J4,5 J4,2
 
 NO2
 
 J6,5 J6,2
 
 J4,6
 
 J5,4 ~J5,6
 
 ~J6,4
 
 3.0 2.5
 
 7.5 3.0 2.5
 
 7.5 Hz
 
 7.5 2.5
 
 b ppm 10
 
 9
 
 8
 
 7
 
 6
 
 δH 5
 
 4
 
 3
 
 2
 
 1
 
 0
 
 1
 
 Abb. 28.35. (b) 100 MHz- H-NMR-Spektrum von 3-Nitrobenzaldehyd in Deuteriochloroform mit Zuordnung und Kopplungsschema der benzoiden Protonen (über dem gespreizten Teilspektrum)
 
 HX
 
 XX´ HA 5 4
 
 6 3
 
 AA´
 
 1 2
 
 H X´
 
 H 3CO
 
 XX´
 
 O
 
 H A´
 
 2
 
 4
 
 3
 
 AA´
 
 c ppm 8
 
 7
 
 6
 
 5
 
 δH 2
 
 1
 
 0
 
 1
 
 Abb. 28.35. (c) 100 MHz- H-NMR-Spektrum von 4,4'-Dimethoxybenzil in Deuteriochloroform
 
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 524
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Die Spektren in Abb. 28.35 zeigen auch die 1H-Resonanzen der Hydroxy-Gruppe eines Phenols mit intramolekularer Wasserstoffbrücke (δH = 10.55), einer Aldehyd-Funktion (10.2) sowie von Methoxy-Protonen (3.8) als intensive Singulett-Signale.
 
 28.5.9
 
 Beispiel zur Herleitung der Konstitution aus dem 1H-NMR-Spektrum
 
 Wie man die Konstitution einer Verbindung aus ihrem 1H-NMR-Spektrum herleiten kann, soll das folgende einfache Beispiel zeigen. Gegeben sei eine Substanz der Elementarzusammensetzung C8H10N2O3, welche das 1H-NMR-Spektrum in Abb. 28.36 ergibt. Doppelbindungsäquivalente Einen ersten vom Spektrum unabhängigen Hinweis zur Konstitution gibt die Anzahl der Doppelbindungsäquivalente; ein Doppelbindungsäquivalent kann sowohl für eine π-Bindung als auch für einen Ring stehen. Zur Ermittlung ersetzt man die gegebene Summenformel formal durch CnHx und vergleicht mit dem Alkan CnH2n+2. Stickstoff wird durch CH, Halogen durch H ersetzt, Sauerstoff und zweiwertiger Schwefel entfallen. Aus C8H10N2O3 ergibt sich C10H12; C10H12 hat zehn HAtome weniger als C10H22; dies entspricht fünf Doppelbindungsäquivalenten. Anzahl der chemisch verschiedenen Protonen Das H-NMR-Spektrum zeigt sechs getrennte 1H-Signale mit dem Integral-Verhältnis 5:5:5:10:10:15. Somit enthält das Molekül sechs chemisch verschiedene Protonen im Verhältnis 1:1:1:2:2:3. Die Protonensumme beträgt folglich 10, was mit der gegebenen Summenformel übereinstimmt. 1
 
 Art der Protonen, Kohlenstoff-Skelett, Substituenten Die Verschiebungen der Signale bei δH = 6.7, 7.05 und 7.5 sowie ihr Integral-Verhältnis (1 : 1 : 1) deuten auf ein trisubstituiertes Benzen hin. Damit sind vier der fünf Doppelbindungsäquivalente vergeben (drei π-Bindungen sowie ein Ring). Eine Ethoxy-Gruppe ergibt sich aus dem Quartett bei δH = 3.97 und dem Triplett bei 1.37. Man vergleiche hierzu die ähnlich liegenden Signale der Ethoxy-Gruppen in Abb. 28.27 sowie die Verschiebungsbereiche in Abb. 28.26. Das breite Signal bei δH = 5.9 paßt nach Verschiebung (5.9) und Intensität (H2) zu einer primären Amino-Gruppe. Die Signalverbreiterung ist eine Folge der Kopplung mit 14N und von Austauschvorgängen, z. B. Wasserstoffbrücken. Trisubstituiertes Benzen (C6H3), Ethoxy- und Amino-Gruppe (−OC2H5 und −NH2) ergeben die Teilsumme C8H10NO, der zur gegebenen Summenformel (C8H10N2O3) ein Rest NO2 fehlt. Eine Nitro-Gruppe, welcher das zusätzliche Doppelbindungsäquivalent zukommt, ist daher der dritte Substituent. Substitutionsmuster Es gibt drei Typen trisubstituierter Benzene: X 1 2 3
 
 1,2,3-
 
 X Y
 
 1 5
 
 Z
 
 X
 
 Z
 
 3
 
 Y
 
 1,3,5trisubstituiertes Benzen
 
 1 2 4
 
 Y
 
 Z 1,2,4-
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 525
 
 1
 
 Abb. 28.36. 90 MHz- H-NMR-Spektrum der Verbindung C8H10N2O3 in Deuteriochloroform
 
 Das 1H-NMR-Spektrum eines 1,2,3-trisubstituierten Benzens sollte für alle H-Atome o-Kopplungen zeigen (je eine für 4-H und 6-H, zwei für 5-H). Im 1,3,5-trisubstituierten Benzen sind andererseits nur m-Kopplungen möglich. Zu keiner dieser Möglichkeiten paßt das vorliegende Spektrum (Abb. 28.36). Vielmehr spaltet das benzoide Proton bei δH = 7.05 in ein Doppeldublett mit 9Hz (ein Proton in o-Stellung bei δH = 6.7) und 3Hz (ein Proton in m-Stellung bei δH = 7.5) auf. Ein Proton (δH = 7.5) ist somit von zwei Substituenten flankiert. Die beiden anderen (δH = 6.7 und 7.05) stehen ortho zueinander. Demzufolge ist die Verbindung ein 1,2,4-trisubstituiertes Benzen. Substituentenfolge Die Substituentenfolge läßt sich aus den Verschiebungen des AB-Systems für 5-H und 6-H (nach Gleichung 28.9, S. 512) herleiten. Dabei werden die durchweg kleinen m-Effekte (< 0.2) zunächst vernachlässigt. Dann können die Protonen 5-H und 6-H jeweils von einer Nitro- oder Ethoxyoder Amino-Gruppe flankiert sein. Anhand der o-Effekte aus Tab. 28.12 (S. 506) lassen sich die zugehörigen 1H-Verschiebungen abschätzen: Abschätzung o-Nitroo-Ethoxyo-Amino-
 
 δH ~ 7.3 + 0.9 ~ 8.2 δH ~ 7.3 − 0.4 ~ 6.9 δH ~ 7.3 − 0.7 ~ 6.6
 
 Meßwerte 7.05 6.7
 
 NH 2 6.7 H 7.05 H
 
 1 2 4
 
 NO2 H 7.5
 
 OC 2H5
 
 Ein Vergleich von Schätz- und Meßwerten auf beste Übereinstimmung zeigt, daß das H-Atom mit δH = 7.05 und m-Kopplung ortho zur Ethoxy- und jenes mit δH = 6.7 ohne m-Kopplung ortho zur
 
 Amino-Gruppe steht. Demnach ist die Verbindung 4-Ethoxy-2-nitroanilin.
 
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 526
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 28.5.10 Chemische Methoden der Signalzuordnung Verschiebungs-Reagenzien Mit Hilfe einiger Lanthanid-Chelate (Verschiebungs-Reagenzien) gelingt die Aufspreizung des Verschiebungsbereiches. Kopplungskonstanten bleiben dabei unbeeinflußt, solange die Wechselwirkung zwischen Verschiebungs-Reagenz und Probenmolekül dessen Konformation oder Konfiguration nicht verändert. Übliche Verschiebungs-Reagenzien sind Europium(III)-1,3-DiketonChelate. Sie lösen sich gut in den meisten NMR-Lösemitteln (CCl4, CDCl3, CD3OD). Die sonst durch paramagnetische Zusätze induzierte Signalverbreiterung ist bei den Verschiebungs-Reagenzien klein, so daß sich die Auflösung der Spektren nur wenig verschlechtert. F 3C F 2C F 2C
 
 (H3C)3C
 
 C O
 
 C O H
 
 Eu/ 3
 
 C C O
 
 (H3C)3C Tris-(dipivaloylmethanato)Europium(III)-Chelat [Eu(dpm)3]
 
 H
 
 Eu/ 3
 
 C C O
 
 (H3C)3C Tris-(6,6,7,7,8,8,8-heptafluor-2,2-dimethyl3,5-octandionato)-Europium(III)-Chelat [Eu(fod)3]
 
 Die Wirkungsweise der Verschiebungsreagenzien erkennt man in Abb. 28.37: Nach Zusatz von Eu(fod)3 werden ursprünglich überlappende Resonanzen des 1-Hexanols getrennt. Dabei hängt die induzierte Kontaktverschiebung in grober aber praktisch brauchbarer Näherung vom Abstand zwischen der koordinationsfähigen Gruppe (hier der Hydroxy-Funktion) und der betrachteten Protonensorte ab, wie Abb. 28.37 b zeigt.
 
 1
 
 Abb. 28.37. 90 MHz- H-NMR-Spektrum des 1-Hexanols in Deuteriochloroform, (a) ohne und (b) mit Zusatz von Eu(fod)3, Gewichtsverhältnis 1 : 1; (c) nach Schütteln mit D2O (Deuterium-Austausch)
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 527
 
 Deuterium-Austausch Acide Wasserstoff-Atome wie in den Gruppen OH, NH, NH2 und SH lassen sich gegen Deuterium austauschen, indem man die Lösung der Substanz im Meßröhrchen mit Deuteriumoxid schüttelt (Deuterium-Austausch). Nach Phasentrennung wird das 1H-NMR-Spektrum erneut gemessen. Die Signale der OH-, NH- und SH-Gruppen verschwinden dann infolge des Deuterium-Austauschs (R−XH und D2O äquilibrieren zu R−XD und HDO). Abb. 28.37 c lokalisiert im 1H-NMRSpektrum des 1-Hexanols das OH-Signal durch sein Fehlen nach dem Deuterium-Austausch.
 
 28.5.11 Besondere Meßtechniken Hochfeld-Kernresonanz Da die Larmorfrequenz ν0 nach Gleichung (28.3) von der magnetischen Kraftflußdichte B0 abhängt, die Kopplungskonstante J jedoch nicht, kann man durch Erhöhung der Feldstärke das Verhältnis J/∆ν verkleinern. Gleichzeitig erhöht sich der Besetzungsunterschied der KernspinEnergiezustände und die davon abhängige Empfindlichkeit des NMR-Experiments. Die mit Hilfe supraleitender Magnetspulen (Abb. 28.18) z. Zt. (2008) erreichbaren Magnetfeldstärken (B0 = 21.1 Tesla) gestatten die Aufnahme von 1H-NMR-Spektren mit Meßfrequenzen bis zu 900 MHz. HA C
 
 N
 
 HB HC 3J AB 3J AC 2J BC
 
 = 11.5 Hz (cis) = 17.9 Hz (trans) = 2.0 Hz (geminal)
 
 a δH
 
 HC
 
 ppm
 
 6.2
 
 6.0
 
 HB
 
 17.9 2.0 Hz
 
 5.8
 
 5.6
 
 5.4
 
 HA
 
 11.5 2.0 Hz
 
 17.9 11.5 Hz
 
 b δH
 
 ppm
 
 6.2
 
 6.0
 
 5.8
 
 5.6
 
 1
 
 Abb. 28.38. H-NMR-Spektrum von Acrylnitril in Deuteriochloroform; (a) bei 80 MHz, (b) bei 200 MHz, jeweils im gleichen Frequenzmaßstab. Die Zuordnung ergibt sich aus den Multipletts und den angegebenen HHKopplungskonstanten.
 
 Die Aufspreizung des NMR-Spektrums im Frequenzmaßstab durch stärkere Magnetfelder (∆ν ∼ B0) ohne Änderung der Kopplungskonstanten (J = const.) bietet einen wesentlichen Vorteil: Kleine Verschiebungsunterschiede werden besser aufgelöst, wobei Multipletts höherer Ordnung in einfacher auswertbare Aufspaltungen erster Ordnung übergehen. Abb. 28.38 zeigt zum Vergleich das 80 MHz- und das 200 MHz-1H-NMR-Spektrum des Acrylnitrils im gleichen Frequenzmaß-
 
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 528
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 stab. Man erkennt, daß die Erhöhung der Feldstärke von 1.87 (80 MHz-) auf 4.67 Tesla (200 MHzSpektrometer) eine Aufspreizung der Verschiebungen (in Hz) um den entsprechenden Faktor (2.5) bewirkt. Dabei ändern sich die Kopplungskonstanten nicht, so daß aus dem ABC-System höherer Ordnung (Abb. 28.38 a) ein sehr übersichtliches Spektrum (Abb. 28.38 b) entsteht, das nach den Regeln 1. Ordnung mit Hilfe der Kopplungskonstanten problemlos zugeordnet werden kann.
 
 Spin-Entkopplung (Doppelresonanz) Die indirekte Spin-Spin-Kopplung eines Kernes A mit Kern X wird nur beobachtet, wenn X auf seinen Präzessionszuständen genügend lange verweilt. Wechselt der Kern X seine Präzessionseinstellungen zu schnell, z. B. weil man ihn gerade mit seiner Resonanzfrequenz anregt, so wird sein Feld zeitlich ausgemittelt. Kern A verspürt das Feld von X dann nicht mehr; sein Signal erscheint als Singulett. Zur praktischen Durchführung dieser Spin-Entkopplung strahlt man eine konstante, in Resonanz mit dem zu entkoppelnden Kern befindliche Radiofrequenz ν2 ein, während zur Beobachtung des Kernes A das NMR-Spektrum gemessen wird (Doppelresonanz). Durch Spin-Entkopplung gelingt es, den Kopplungspartner eines jeden Kerns in einem Molekül zu lokalisieren, wie Abb. 28.39 für die CH-Protonen des 3-Aminoacroleins zeigt.
 
 1
 
 Abb. 28.39. 90 MHz- H-NMR-Spektren des 3-Aminoacroleins in Tetradeuteriomethanol, (a) ohne Entkopplung, (b) und (c) mit Entkopplung der Protonen bei δH = 8.5 und 7.3. Aus (b) und (c) folgt, daß 1-H und 3-H jeweils mit 2-H koppeln. Anstelle des entkoppelten Signals treten exponentiell ansteigende und abfallende Schwebungsinterferenzen auf (Überlagerung zweier ähnlicher Frequenzen ν1 und ν2)
 
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 28.5
 
 Kernmagnetische Resonanz
 
 529
 
 Kern-OVERHAUSER-Effekt (NOE-Differenzspektroskopie) Die Spin-Entkopplung eines Protons X hat auch Änderungen der Signalintensitäten räumlich naher Protonen A zur Folge. Diese Kern-OVERHAUSER-Effekte (NOE von nuclear OVERHAUSER effect) sind umso größer, je kleiner der direkte, räumliche Abstand zweier Kerne A und X im Molekül ist, unabhängig davon, wie viele Bindungen diese Kerne voneinander trennen, und ob sie im Spektrum Kopplungen aufweisen oder nicht. Mit dem NOE können daher Atomkern-Abstände innerhalb eines Moleküls, z. B. zur Bestimmung der relativen Konfiguration gemessen werden. Da Kern-OVERHAUSER-Effekte in der Protonenresonanz sehr klein sind, ihre Messung durch Integration folglich zu ungenau wäre, wendet man die NOE-Differenzspektroskopie an. Dazu wird ein erstes 1H-NMR-Spektrum unter Einstrahlung der Larmorfrequenz eines Protons X aufgenommen und ein zweites mit weit weg liegender Entkopplungsfrequenz ("off-resonance") vom ersten subtrahiert. Das resultierende NOE-Differenzspektrum zeigt nur dort Signale, wo der NOE die Intensitäten erhöht (positive Signale) oder vermindert (negative Signale). Wie Abb. 28.40 am trans-2-Methylcyclopentanol zeigt, kann man durch NOE-Differenzspektroskopie die relative Konfiguration bestimmen, wenn komplexe oder überlappende Multipletts nicht ausgewertet werden können, und zu geringe Unterschiede der Kopplungskonstanten syn- und antiständiger Protonen keine klaren Aussagen zulassen. Bei Einstrahlung der Larmorfrequenz der Methyl-Protonen, also im Zentrum des Dubletts bei δH = 0.74 (Abb. 28.40 c), "antwortet" das CHO-Proton bei δH = 3.43 durch eine Signalverstärkung, einen NOE, was die räumliche Nähe dieser Protonen und damit die trans-Konfiguration von Methyl-Gruppe und OH-Funktion beweist.
 
 1
 
 Abb. 28.40. H-NMR- (a) und HH-NOE-Differenzspektren (b: Einstrahlung bei δH = 3.43, c: Einstrahlung bei δH= 0.74) von trans-2-Methylcyclopentanol (400 MHz, Deuteriochloroform). NOEs zwischen dem CH−O-Proton (δH = 3.43) und den Methyl-Protonen (δH = 0.74) beweisen die trans-Konfiguration von OH- und Methyl-Gruppe
 
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 530
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Zweidimensionale HH-Korrelationsspektroskopie (HH-COSY) Die zweidimensionale Protonen-Korrelation (HH-COSY, COSY von correlation spectroscopy) stellt alle HH-Kopplungsbeziehungen, die "Konnektivitäten" der Protonen eines Moleküls in einem quadratischen Diagramm dar; Abzisse und Ordinate skalieren die Protonen-Verschiebungen. Das 1H-NMR-Spektrum zweier Kerne A und X wird auf die Diagonale des Quadrats projiziert (Diagonalsignale mit δAδA und δXδX); Kopplungen beider Kerne A und X werden durch zusätzliche Kreuzsignale mit gemischten Verschiebungen δAδX und δXδA nachgewiesen (Abb. 28.41). Die Kreuzsignale liegen auf Orthogonalen (senkrecht zur Diagonalen). Ein AX-System mit der Kopplungskonstanten JAX bildet im HH-COSY-Diagramm ein Quadrat; dessen Ecken sind die Diagonal- (δAδA und δXδX) und Kreuzsignale (δAδX und δXδA). Im HH-COSY-Diagramm des cis-3-Hexen1-ols finden sich z. B. die Kopplungspartner des Protons mit δH = 5.42 auf einer Parallelen zur Abszisse durch das Diagonalsignal dieses Protons, also bei δH = 5.24 und 1.97 (Abb.28.41, unten). Die weitere, vollständige Auswertung führt zu einem Satz von vicinal-Beziehungen der Protonen (z. B. δH = 0.83 i 1.97 i 5.42 i 5.24 i 2.21 i 3.50 in Abb. 28.41), an dem man die Konstitution des Moleküls erkennt.
 
 Abb. 28.41. HH-COSY-Konturdiagramm des cis-3-Hexen-1-ols (Deuteriochloroform, 400 MHz, "Höhenlinienkarte" der Diagonal- und Kreuzsignale)
 
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 28.6
 
 Kohlenstoff-13-Resonanz
 
 531
 
 28.6 Kohlenstoff-13-Resonanz 28.6.1
 
 Wichtigste Meßmethoden
 
 Das einzige magnetische Kohlenstoff-Isotop 13C kommt nur zu 1.1 % natürlich vor und hat ein kleines magnetisches Moment. Die Aufnahme von 13C-NMR-Spektren erfordert somit längere Meßzeiten mit dem in Kap. 28.5.2 skizzierten Puls-Fourier-Transformations Verfahren. Andererseits bewirkt die geringe natürliche Konzentration (10−2), daß die unmittelbare Verknüpfung zweier 13C-Kerne sehr selten ist (10−2 x 10−2 = 10−4). Deshalb verbergen sich die 13C-13C-Multipletts im elektronischen Grundlinien-Rauschen der Spektren, sofern keine angereicherten Proben gemessen oder spezielle Meßmethoden angewendet werden. Dies vereinfacht die Auswertung. Protonen-Breitbandentkopplung Am häufigsten gehen die im 13C-NMR-Spektrum beobachteten Aufspaltungen auf Kopplungen mit den Protonen zurück. Diese CH-Multipletts überlagern sich bei größeren Molekülen, was die Bestimmung der 13C-Verschiebungen erschwert. Daher nimmt man die 13C-NMR-Spektren meist unter Einstrahlung eines Frequenzbandes auf, welches den gesamten Bereich der Protonen-Resonanzen umschließt. Durch dieses als Protonen-Breitbandentkopplung bezeichnete Doppelresonanz-Verfahren wird erreicht, daß die 13C-Kerne im NMR-Spektrum als Singulett-Signale erscheinen (Abb. 28.42 a). Damit sind die 13C-Verschiebungen (gegen TMS als Standard) einfach zu messen, und die Anzahl der chemisch verschiedenen C-Atome eines Moleküls ergibt sich auf den ersten Blick (z. B. 10 C-Atome in Abb. 28.42 a). 27.9 H3C
 
 23.8 CH 3 38.5
 
 C10 H18 O
 
 42.1 34.2
 
 39.1 70.7 20.9 OH CH3 48.2 47.4
 
 13
 
 1
 
 Abb. 28.42. C-NMR-Spektren des Isopinocampheols (C10H18O , Deuteriochloroform, 50 MHz), (a) Hbreitbandentkoppelt, (b) CH-Subspektrum, (c) CHn-Subspektrum (CH und CH3 positiv, CH2 negativ); die Subspektren (b) und (c) wurden mit der DEPT-Impulssequenz gemessen
 
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 532
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Abb. 28.43. HC-Korrelation zur Zuordnung der CH-Bindungen des α-Pinens 1 [Deuteriochloroform, 25 °C, 125 13 1 MHz für C, 500 MHz für H, 4 Scans, 256 Experimente, HSQC-Methode]; Konturdiagramm mit eindimensiona1 13 13 1 len Spektren parallel zur Ordinate ( C, δC) und Abszisse ( H, δH, kursiv); die H- und C-Verschiebungen der im Experiment erkennbaren CH-Bindungen sind in die Strukturformel 1 eingetragen
 
 Zuordnung der CH-Bindungen des α-Pinens 1 nach Abb. 28.43 und Teilstrukturen 1a-g aus den HC-Konnektivitäten nach Abb. 28.44 20.9 CH3 0.84 26.4 1.27 H 3C 47.2 1.94 H 2.34 H
 
 CH3 0.84 23.0 CH 3 1.67 H 2.17 116.1 31.3
 
 40.9 H 2.07
 
 31.5
 
 1.27 H3C
 
 38.0
 
 38.0 144.5
 
 H 5.20
 
 47.2
 
 47.2
 
 CH 3 1.67 116.1
 
 47.2 40.9
 
 40.9
 
 H 2.21
 
 1
 
 H 1.16
 
 20.9
 
 26.4
 
 1a
 
 1b
 
 1c
 
 20.9 26.4 38.0 144.5
 
 144.5
 
 23.0 CH3
 
 144.5 116.1
 
 47.2 40.9
 
 31.3
 
 1.94 H
 
 116.1
 
 47.2
 
 40.9
 
 40.9 H 2.07
 
 H 1.16
 
 1d
 
 1e
 
 47.2
 
 1f
 
 31.3
 
 2.34 H
 
 1g
 
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 28.6
 
 Kohlenstoff-13-Resonanz
 
 533
 
 Abb. 28.44. HC-Korrelation zur Zuordnung der CH-Beziehungen über zwei und drei Bindungen des α-Pinens 13 1 [Deuteriochloroform, 25 °C, 125 MHz für C, 500 MHz für H, 16 Scans, 256 Experimente, HMBC-Methode]; 13 1 Konturdiagramm mit eindimensionalen Spektren parallel zur Ordinate ( C, δC) und Abszisse ( H, δH , kursiv); 1 13 Koordinaten der Kreuzsignale sind die H- und C-Verschiebungen von Protonen und C-Atomen, die durch zwei oder drei Bindungen voneinander getrennt sind; aus diesen "HC-Konnektivitäten" ergeben sich die zur Molekülstrukur des α-Pinens 1 konvergierenden Teilstrukturen 1a-g
 
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 534
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Zusätzlich profitiert man bei der Protonenentkopplung von einem Empfindlichkeitsgewinn, nicht nur, weil sich alle Übergänge eines Multipletts zu einem Singulett addieren. Vielmehr kann der bei 1H-Entkopplung von 13C-NMR-Spektren stets wirksame heteronucleare Kern-OVERHAUSEREffekt (NOE) die Intensität der CH-, CH2- und CH3-Signale nahezu verdreifachen. Multiplizitätsanalyse Die zur Strukturaufklärung wertvollen CH-Multiplizitäten (C, CH, CH2, CH3) können durch Messung gekoppelter 13C-NMR-Spektren bestimmt werden (Abb. 28.47, S. 540). Eine Analyse der CH-Multipletts wird bei größeren Molekülen jedoch durch Überlappungen erschwert. Besser eignen sich CHn-Subspektren (Abb. 28.42 b, c, S. 531), die u. a. mit der DEPT-Impulssequenz erzeugt werden. Ein Subspektrum (Abb. 28.42 b) enthält nur die CH-Fragmente; ein weiteres (Abb. 28.42 c) unterscheidet zwischen CH und CH3 mit positiver und CH2 mit negativer Amplitude. Quartäre C-Atome erscheinen nicht in diesen Subspektren; man findet sie als zusätzliche Signale im 1H-breitbandentkoppelten 13C-NMR-Spektrum (z. B. bei δC = 38.5 in Abb. 28.42 a). Abb. 28.42 zeigt zugleich den Wert von CH-Multiplizitäten zur Strukturaufklärung: Die Addition aller CH-Fragmente (ein C, vier CH, zwei CH2 und drei CH3) ergibt eine Teilsummenformel (C10H17), die alle an C gebundenen H-Atome enthält. Zusätzliche in der Summenformel (C10H18O) auftretende H-Atome sind folglich an Heteroatome gebunden. In Abb. 28.42 gehört das achtzehnte H-Atom zur OH-Gruppe. Zweidimensionale Korrelationsspektroskopie CH-Bindungen aus der CH-Korrelation Die zweidimensionale CH-Korrelation (CH-COSY) korreliert 1H- und 13C-Verschiebungen auf Basis der 1JCH -Kopplungen in einem Koordinatensystem mit den 13C-Verschiebungen als Abszisse und den 1H-Verschiebungen als Ordinate (Abb. 28.43). Modernere Methoden der "inversen" zweidimensionalen CH-Korrelation (HC-COSY) wie das in Abb. 28.43 (S. 532) gezeigte Experiment nutzen das Proton als viel empfindlichere Meßsonde. Koordinaten der Kreuzsignal-Konturen sind die 1H- und 13C-Verschiebungen (CH-Konnektivitäten) der CHn-Fragmente des Moleküls. CH- und HC-COSY beantworten die Frage, welche HAtome mit welchen C-Atomen des Moleküls verknüpft sind, ordnen also alle CH-Bindungen eines Moleküls zu, wie es Abb. 28.43 (S. 532) am α-Pinen 1 vorführt. Dort zeigen sich z. B. für die CAtome mit δC = 31.3 und 31.5 je zwei Kreuzsignale zu den Protonen bei δH = 2.17 und 2.21 bzw. δH = 1.16 und 2.34, weil diese C-Atome je ein endo- und ein exo-Proton binden, die chemisch nicht äquivalent sind. Die zweidimensionale CH-Korrelation läßt sich auch auf die kleineren 2JCH - und 3JCH -Kopplungen abstimmen, so daß von einem Proton aus C-Atome in zwei, drei und (selten) mehr Bindungen Abstand innerhalb des Moleküls lokalisiert werden können. Abb. 28.44 (S. 533) zeigt ein solches Experiment zum Vergleich ebenfalls für α-Pinen. Dort weisen z. B. die Methyl-Protonen mit der 1 H-Verschiebung δH = 0.84 Kreuzsignale zu den C-Atomen mit den Verschiebungswerten δC = 26.4, 38.0, 40.9 und 47.2 auf; diese C-Atome sind zwei bzw. drei Bindungen von den MethylProtonen entfernt; daraus ergibt sich die Teilstruktur 1a (Abb. 28.44). Die Auswertung der intensiven Kreuzsignale in Abb. 28.44 führt zu einem Satz von Teilstrukturen 1a-g, die sich zur Konstitution des α-Pinens zusammenfügen. Die Kreuzsignale mit δH / δC = 0.84 / 20.9, 1.27 / 26.4 und 1.67 / 23.0 gehören zu den aus Abb. 28.43 bereits bekannten CH-Bindungen dieser MethylGruppen; sie lassen sich im Experiment nicht vollständig unterdrücken.
 
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 28.6
 
 Kohlenstoff-13-Resonanz
 
 535
 
 CC-Bindungen aus der CC-Korrelation (CC-INADEQUATE) Alle CC-Bindungen ("CC-Konnektivitäten") eines Moleküls und damit sein Kohlenstoff-Skelett kann man aus dem CC-Korrelationsdiagramm (CC-INADEQUATE) ablesen. Die Messung ist wegen der geringen natürlichen Häufigkeit von 13C−13C-Bindungen (10−4, S. 531) unempfindlich aber besonders aussagekräftig, weil sie die AB- bzw. AX-Systeme aller 13C−13C-Bindungen eines Moleküls trennt und in einem dem HH-COSY-Diagramm analogen Format (Abb. 28.45) darstellt.
 
 Abb. 28.45. CC-INADEQUATE-Konturdiagramm (a) des trans-2-Methylcyclopentanols (Deuteriochloroform, 100 MHz). Die Auswertung der Kreuzsignale ergibt sechs CC-Bindungen, von denen sich fünf zum Ring schlies1 13 sen. Das H-breitbandentkoppelte C-NMR-Spektrum (b), das CH-Subspektrum (c) sowie das CHnSubspektrum (d, CH und CH3 positiv, CH2 negativ) zeigen, daß ein CH-Fragment mit einem Heteroatom (O) verknüpft ist
 
 Die Kreuzsignale in Abb. 28.45 weisen insgesamt sechs CC-Bindungen der C-Atom-Paare mit den 13C-Verschiebungswerten δC = 79.2 − 41.5, 79.2 − 33.2, 41.5 − 31.0, 41.5 − 17.9, 33.2 − 20.9 sowie 31.0 − 20.9 nach. Diese sechs CC-Bindungen fügen das Kohlenstoff-Skelett des zweifach substituierten Fünfrings von trans-2-Methylcyclopentanol zusammen. Die DEPT-Subspektren entschlüsseln das C-Atom bei δC = 79.2 als CH-Fragment (Abb. 28.45 c); da nur zwei CC-Bindungen von
 
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 536
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 diesem C-Atom ausgehen, verknüpft die offene Bindung ein Heteroatom (O). Die Dublettaufspaltungen der Kreuzsignale in Abb. 28.45 resultieren aus den 13C13C-Kopplungen (1JCC) gebundener C-Atome. aus dem CC-INADEQUATE-Diagramm abgelesene CC-Bindungen des trans-2-Methylcyclopentanols (die trans-Konfiguration ergibt sich aus Abb. 28.40)
 
 31.0 20.9 33.2
 
 28.6.2
 
 17.9 41.5 79.2
 
 OH
 
 13C-Verschiebungen
 
 Beim Vergleich von 1H- und 13C-NMR-Spektren, die bei derselben Magnetfeldstärke und im gleichen Frequenzmaßstab aufgenommen wurden (Abb. 28.46 a und b), fällt auf, daß die Verschiebungsunterschiede der 13C-Signale bei vergleichbarer Linienbreite erheblich größer sind als die der Protonen-Resonanzen. Das Kohlenstoff-Isotop 13C zeigt somit Unterschiede der chemischen Umgebung im NMR-Spektrum sehr viel deutlicher an als das Proton und ist die direkte Sonde zum Studium des Kohlenstoff-Gerüstes organischer Verbindungen. Quartäre C-Atome und viele funktionelle Gruppen wie Cyano oder Isocyanato (−CN oder −N=C=O), welche im 1H-NMRSpektrum nicht erscheinen, sind im 13C-NMR-Spektrum treffsicher zu erkennen. Tab. 28.16 orientiert über typische Bereiche der Kohlenstoff-Verschiebung in organischen Verbindungen.
 
 1
 
 13
 
 Abb. 28.46. H-und C-NMR-Spektren des 3-Ethoxy-2-methylacroleins in Hexadeuterioaceton bei gleicher 1 Magnetfeldstärke und im gleichen Frequenzmaßstab. (a) 80 MHz- H-NMR-Spektrum, (a') gleiches Spektrum, 1 13 jedoch gespreizt; (b) H-entkoppeltes 20 MHz- C-NMR-Spektrum mit Verschiebungen und Zuordnungen
 
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 28.6
 
 Kohlenstoff-13-Resonanz
 
 537
 
 Tab. 28.16. Typische Bereiche der C-Verschiebungen (δC) organischer Verbindungen gegen Tetramethylsilan (TMS) als Standard 13
 
 δC
 
 200
 
 150
 
 100
 
 50
 
 0 (TMS)
 
 Carbenium-Ionen Ketone
 
 konjugiert
 
 Aldehyde
 
 konjugiert
 
 Acetale, Ketale Chinone Carbonsäuren und Derivate
 
 konjugiert
 
 Thioharnstoffe Harnstoffe, Carbonate Oxime Imine Isocyanide Cyanide Isothiocyanate Thiocyanate Isocyanate Cyanate Carbodiimide
 
 π-Elektronen-Mangel
 
 Heteroaromaten
 
 π-Elektronen-Überschuß
 
 (−)-M-substituiert
 
 Aromaten
 
 (+)-M-substituiert
 
 (−)-M-substituiert
 
 (Cyclo-) Alkene
 
 (+)-M-substituiert
 
 (Cyclo-) Alkine (Cyclo-) Alkane
 
 Cyclopropan
 
 alkyliert
 
 R3C−O− R3C−NR2 R3C−S− R3C−Halogen
 
 F
 
 I
 
 R2CH−O− R2CH−NR2 R2CH−S− R2CH−Halogen
 
 F
 
 I
 
 H3C−O− H3C−NR2 H3C−S− H3C−Halogen
 
 F
 
 I
 
 Alkyl−Metall
 
 δC
 
 200
 
 150
 
 100
 
 50
 
 0 (TMS)
 
 Die 13C-Verschiebung nimmt mit der positiven Ladungsdichte am betrachteten Kohlenstoff zu. Die Ladungsdichte wiederum wird u. a. von induktiven, sterischen und mesomeren Effekten beeinflußt. Induktive und sterische Effekte erkennt man beim Vergleich von 1-Pentanol mit dem Stammkohlenwasserstoff n-Hexan: Nach Einführung einer Hydroxy-Gruppe in eine Kohlenstoff-Kette nimmt die Verschiebung des C-Atoms in α-Stellung zum Substituenten um δR−OH − δR−H = 40 - 50 ppm zu, was die positive Polarisierung des α-C-Atoms durch den induktiven Effekt der Hydroxy-
 
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 538
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Gruppe widerspiegelt. Am γ-C schirmt der Substituent dagegen um −3 bis −6 ppm ab (δR−OH − δR−H < 0), weil er durch sterische Wechselwirkung mit den γ-H-Atomen die σ-Elektronen der γ-C−HBindung zum Kohlenstoff hin verschiebt (sterische Polarisierung der CH-σ-Bindung). Dadurch nimmt die negative Ladungsdichte am C-Atom zu und δC demzufolge ab. 1-Hexanol δROH
 
 14.2
 
 22.8
 
 32.0
 
 Substituenteneffekte δROH − δRH
 
 Hexan
 
 (Bezugssubstanz)
 
 δRH
 
 3-Hexanol δROH Substituenteneffekte δROH − δRH
 
 γ
 
 β
 
 α
 
 25.8
 
 32.8 10.0
 
 61.9 48.2
 
 H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 CH2 OH − 6.1
 
 H3C CH2 CH 2 CH 2 CH2 CH3 13.7
 
 22.8
 
 31.9
 
 31.9
 
 γ
 
 β
 
 19.4
 
 39.4
 
 72.3
 
 − 3.4
 
 7.5
 
 40.4
 
 OH
 
 α
 
 22.8
 
 β
 
 13.7
 
 γ
 
 H3C CH2 CH 2 CH CH2 CH3 14.0
 
 30.3
 
 9.9
 
 7.5 − 3.8
 
 Die Einflüsse von Substituenten auf die Verschiebung der Ring-C-Atome des Benzens lassen sich übersichtlich anhand mesomerer Effekte erklären: Elektronenschiebende (+)-M-Substituenten wie die Amino-Gruppe erhöhen die negative Ladungsdichte in o- und p-Position. Dementsprechend werden die o- und p-Ring-C-Atome des Anilins stärker abgeschirmt als in Benzen (δC < 128.5). INH 2
 
 NH 2
 
 NH2
 
 148.7
 
 13C-Verschiebungen
 
 NH 2
 
 114.4 und mesomere Grenzformeln des Anilins 129.1 116.3
 
 Elektronenziehende (−)-M-Substituenten wie die Formyl-Gruppe erhöhen dagegen die positive Ladungsdichte an den o- und p-Ring-C-Atomen, so daß deren 13C-Verschiebungen sich gegenüber Benzen vergrößern (δC > 128.5): H
 
 C
 
 O
 
 H
 
 C
 
 O
 
 H
 
 C
 
 O
 
 H
 
 C
 
 O
 
 136.7 129.7
 
 13C-Verschiebungen und mesomere Grenzformeln des Benzaldehyds 128.9
 
 134.3
 
 Diese Substituenteneffekte auf die 13C-Verschiebung ermöglichen eine weitgehende Zuordnung der Signale und die näherungsweise Berechnung ihrer Lage in den Spektren (mit kommerzieller PC-Software).
 
 28.6.3
 
 CH-Kopplungskonstanten
 
 Die Kopplungskonstanten der 13C-Kerne mit unmittelbar gebundenen Protonen (1JCH) betragen zwischen 120 und 300 Hz. Kopplungen mit geminalen, vicinalen und weiter entfernten Protonen sind meist viel kleiner als 50 Hz.
 
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 28.6
 
 Kohlenstoff-13-Resonanz
 
 539
 
 Die unmittelbaren CH-Kopplungen (über eine Bindung, 1JCH) nehmen mit zunehmendem sCharakter der Kohlenstoff-Bindungs-Hybridorbitale, also in der Folge Ethan < Ethen < Ethin zu. Für Kohlenwasserstoffe gilt JCH ≈ 500 s: Ethan
 
 Ethen
 
 C
 
 C
 
 H
 
 sp3 (s = 0.25) JCH = 125
 
 Ethin
 
 C H H
 
 sp2 (s = 0.33) JCH = 156
 
 sp (s = 0.5) JCH = 249 Hz
 
 Die Beträge hängen demnach vom Bindungszustand des koppelnden C-Atoms ab. So spiegelt die im Vergleich zu den anderen Cycloalkanen sehr große CH-Kopplung des Cyclopropans einen höheren s-Charakter der Kohlenstoff-Bindungsorbitale im Dreiring (Kap. 8.3.1) wider:
 
 JC H = δC =
 
 161 − 2.8
 
 134 23.1
 
 128 26.3
 
 123 Hz 27.6
 
 Auch zunehmende Positivierung des C-Atoms durch elektronegative Substituenten erhöht den Betrag der CH-Kopplung, wie die Serie der Chlormethane zeigt: JC H = δC =
 
 CH4 125 − 2.3
 
 CH3Cl 150 25.1
 
 CH2Cl2 178 53.9
 
 CHCl3 211 Hz 78.0
 
 Geminale CH-Kopplungen (2JCH, zwei trennende Bindungen) liegen zwischen 2 und 50, die am häufigsten beobachteten vicinalen CH-Kopplungen (3JCH, drei trennende Bindungen) zwischen 4 und 12 Hz. 3JCH-Kopplungen hängen wie die vicinalen HH-Kopplungen 3JHH von der relativen Konfiguration der Kopplungspartner ab. Als Faustregel gilt 3JCH ≈ 2/3 3JHH . Auch die CHKopplungskonstanten informieren über den Bindungszustand eines C-Atoms und identifizieren Teilstrukturen in unbekannten Verbindungen.
 
 28.6.4
 
 Beispiel zur Konstitutionsermittlung durch Kohlenstoff-13-Resonanz
 
 Die Bestimmung funktioneller Gruppen und der Konstitution einer einfachen Verbindung mit Hilfe der Kohlenstoff-13-Resonanz soll das Beispiel einer Substanz der Summenformel C5H7NO2 illustrieren. Abb. 28.47 zeigt ihr 13C-NMR-Spektrum mit und ohne Breitbandentkopplung der Protonen. Doppelbindungsäquivalente Aus C5H7NO2 folgt nach Kap. 28.5.9 die Ersatzsummenformel C6H8; sie weist gegenüber C6H14 ein Wasserstoff-Defizit von 6 auf; dies entspricht drei Doppelbindungsäquivalenten. ̈
 
 Anzahl der chemisch verschiedenen C-Atome Das C-NMR-Spektrum (Abb. 28.47 a) zeigt fünf Signale in Übereinstimmung mit der gegebenen Summenformel. ̈
 
 13
 
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 540
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Funktionelle Gruppen Das Signal bei δC = 164 paßt am besten zu einem Carboxy-C-Atom (−COO, Tab. 28.16, S. 537). Ein weiteres mit δC = 114.7 gehört zu einer Cyan-Gruppe (−C≡N, Tab. 28.16). In diesen beiden funktionellen Gruppen sind bereits alle drei Doppelbindungsäquivalente enthalten (kein Ring, keine zusätzliche π-Bindung). ̈
 
 13
 
 Abb. 28.47. C-NMR-Spektrum (100 MHz) von C5H7NO2 in Deuteriochloroform (Triplett für das CD-Fragment in 1 1 CDCl3 bei δC = 77.1); (a) H-breitbandentkoppelt; (b) ohne H-Entkopplung
 
 CH-Multiplizitäten Das Triplett bei δC = 63 (Abb. 28.47) paßt zu einer Methylenoxy-Teilstruktur (vgl. C-α in 1Hexanol mit δC = 61.9, S. 538). Diese ist mit der Carboxy-Gruppe verknüpft, denn mehr als zwei O-Atome läßt die Summenformel nicht zu. Ein weiteres Triplett (δC = 25) gehört zu einer Methylen-Gruppe. Die dem Quartett mit δC = 14.15 entsprechende Methyl-Gruppe ergibt mit allen bisher gefundenen Gruppen die Summenformel: ̈
 
 CO2 + CN + CH2 + CH2 + CH3 = C5H7NO2
 
 Konstitution Die gefundenen Gruppen kann man entweder zu Cyanameisensäurepropyl- oder zu Cyanessigsäureethylester verknüpfen: ̈
 
 O N C
 
 C
 
 O CH2 CH 2 CH 3 Cyanameisensäurepropylester
 
 O N C CH2
 
 C
 
 O CH 2 CH3 Cyanessigsäureethylester
 
 Die kleine Triplett-Aufspaltung (2JCH = 10.5 Hz) des CN-Signals bei δC = 114.7 deutet auf eine der Nitril-Funktion benachbarte Methylen-Gruppe hin. Daß es sich demnach um Cyanessigsäure-
 
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 28.7
 
 Massenspektrometrie
 
 541
 
 ethylester handelt, zeigt ein Verschiebungsvergleich authentischer Ester; vor allem die gemessene Methyl-Verschiebung von δC = 14.15 paßt besser zum Ethylester (δC = 14.4): 20.8 170.9 O
 
 CH3
 
 C
 
 66.2
 
 22.4
 
 10.5
 
 O CH 2 CH2 CH3 Essigsäurepropylester
 
 20.9 170.7 CH3 C
 
 O 60.4
 
 14.4
 
 O CH 2 CH3 Essigsäureethylester
 
 28.7 Massenspektrometrie 28.7.1
 
 Meßmethodik
 
 UV-, IR- und NMR-Spektroskopie beruhen auf einer Anregung von Molekülen mit elektromagnetischer Strahlung. Dagegen erzeugt man in der Massenspektrometrie aus Molekülen im Gaszustand einen Ionenstrom, z. B. durch Elektronenbeschuß, und bestimmt die Massen und Häufigkeiten der Ionen. Der Substanzbedarf ist meist kleiner als 0.1 mg. Abb. 28.48 skizziert eine bewährte Meßanordnung. Folgende Schritte tragen zur Messung bei: Probenverdampfung Leicht flüchtige Verbindungen werden in einer evakuierten Verdampfungskammer verdampft, aus welcher der Dampf durch eine Fritte in die Ionisationskammer strömt. Schwer flüchtige Substanzen verdampft man durch Erhitzen auf etwa 250 °C direkt in der Ionenquelle. Ionenquelle und Analysatoren (Abb. 28.48) sind hochevakuiert (p = 10−3 Pa), um Stöße zwischen Ionen und nicht ionisierten Molekülen sowie die damit verbundene Streuung des Ionenbündels zu unterdrücken. ̈
 
 Abb. 28.48. Vereinfachtes Bauprinzip eines doppelt fokussierenden Massenspektrometers
 
 Ionisation In der Ionisationskammer trifft der Probendampf auf einen Elektronenstrahl, den eine Glühkathode emittiert und ein elektrisches Feld (70 eV) stark beschleunigt hat. Dabei entstehen sehr viel mehr positive als negative Ionen. Diese Elektronenstoß-Ionisation (electron impact, EI) wird besonders ̈
 
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 542
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 häufig zur massenspektrometrischen Strukturaufklärung eingesetzt, weil sich aus typischen Zerfallsreaktionen der Ionen die Molekülstruktur ableiten läßt. Man kann auch mit einem Strahl schneller Edelgas-Atome oder Alkalimetall-Kationen ionisieren (fast atom bombardment, daher FAB-Massenspektrometrie); diese Methode bewährt sich bei höhermolekularen und schwer verdampfbaren Proben. Schonende Verfahren zur Ionisation großer Moleküle wie die als Elektrospray-Ionisierung (ESI) bezeichnete Zersprühung in einem elektrischen Feld sowie die Matrixunterstützte Laserdesorptions-Ionisation (MALDI) eignen sich zur Molmassenbestimmung von Proteinen und anderen Biopolymeren. Ionenbeschleunigung Ein elektrisches Feld, welches meist in die Ionisationskammer integriert ist, beschleunigt die Ionen, bevor sie zur Massentrennung das Analysatorsystem des Spektrometers erreichen. ̈
 
 Massentrennung der Ionen Nach der Beschleunigung durchfliegen die Ionen ein Magnetfeld, dessen Feldlinien senkrecht zur Bewegungsrichtung der Ionen verlaufen. Das Magnetfeld lenkt die Ionen unter Erhaltung ihrer Geschwindigkeit auf Kreisbahnen ab, deren Radius von Feldstärke, Masse, Ladung und Geschwindigkeit abhängt. Verändert man die Feldstärke, so treten Ionen unterschiedlicher Massen nacheinander durch den Kollektorspalt (Massentrennung) auf den Verstärker, einen Sekundärelektronen-Vervielfacher. Der Magnet fokussiert zunächst nur Ionen gleicher Masse und unterschiedlicher Ausbreitungsrichtung. Auf Ionen verschiedener Energie wirkt er indessen dispergierend. Da die in der Ionenquelle gebildeten Ionen gleicher Masse infolge unterschiedlicher thermischer Energie mit verschiedenen Geschwindigkeiten fliegen, ist das am Kollektorspalt "abgebildete" Ionenbündel verbreitert und die Auflösung entsprechend schlecht. Eine bessere Auflösung erreicht man durch Vorschalten eines elektrischen Sektorfeldes. Dieses hat keinen Massentrenneffekt, wirkt jedoch wie das Magnetfeld richtungsfokussierend und energiedispergierend. Kompensiert man die Energiedispersion des Magnetfeldes durch eine entgegengesetzt gleiche des elektrostatischen Analysators (Doppelfokussierung), so wird das Ionenbündel scharf abgebildet. ̈
 
 Aufzeichnung Verändert man die Beschleunigungsspannung (bei konstantem Magnetfeld) oder die Magnetfeldstärke (bei konstanter Beschleunigungsspannung), so treten die Ionen aller m/e-Werte nacheinander durch den Kollektorspalt. m/e ist der Quotient aus relativer Masse m (Bezugsatom 12C mit m12C = 12.000) und der Elementarladung e (in Einheiten der Elektronenladung, z. B. 1 für einfach positive Ionen). Anstelle von m / e wird auch die Bezeichnung m / z verwendet, wobei z für die Anzahl der Elementarladungen steht. Die der Häufigkeit jeder Ionensorte entsprechende Stromstärke (Intensität) wird nach Verstärkung durch einen Vervielfacher als Funktion der Masse (m/e) gemessen. Die Ionenströme werden als Zahlenwerte (digitalisiert) auf Datenträgern gespeichert. Ein Rechner verarbeitet diese Werte dann zu übersichtlichen Strichspektren, wie sie nachfolgend abgebildet sind. Aufgetragen wird die Häufigkeit der Ionen in % (Ordinate) als Funktion ihres m/e-Wertes (Abzisse). ̈
 
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 28.7
 
 Massenspektrometrie
 
 543
 
 Normierung der Intensität, Basispeak Die gemessenen Maxima der Ionenströme bezeichnet man als Peaks. Der höchste Peak entspricht dem am häufigsten vorkommenden Ion. Er wird als Basispeak bezeichnet. Auf seine Intensität, die als 100 % festgesetzt wird, bezieht man die Häufigkeiten aller anderen Ionenmassen des Spektrums, gibt sie also in % relativ zum Basispeak an (Abb. 28.51 ff.). Die Peak-Intensitäten hängen auch von den Geräteparametern ab, z. B. von der Beschleunigungsspannung oder der Ionisationsart. Insoweit sind Massenspektren schwieriger reproduzierbar als andere Spektren. ̈
 
 28.7.2
 
 Isotopenpeaks
 
 Bis auf wenige Ausnahmen wie 19F, 31P und 127I kommen die natürlichen Elemente als Isotopengemische konstanter Zusammensetzung vor. Dabei überwiegt meist das leichteste Isotop. Natürlicher Kohlenstoff enthält z. B. 98.9 % 12C und 1.1 % 13C; natürliches Brom ist ein Gemisch aus 50.5 % 79Br und 49.5 % 81Br. Im Massenspektrum werden die in Ionen vorkommenden Isotopenkombinationen nach Massenzahlen getrennt. Ein aus n Kohlenstoff-Atomen bestehendes Ion zeigt z. B. außer dem 12C-Peak der Masse (m) einen 13C-Satelliten der Masse (m+1) mit der Intensität n x 1.1 % bezogen auf den 12 C-Peak (Abb. 28.49 a). Sehr viel schwächer ist der (m+2)-Peak, weil die Anwesenheit zweier 13 C-Atome im Cn-Ion noch seltener ist (Abb. 28.49 a). Enthält das Ion noch ein Brom-Atom, so sind 12Cn79Br (m) und 12Cn81Br (m+2) die häufigsten Kombinationen (Abb. 28.49 b). Daneben findet man die 13C-Satelliten (m+1) und (m+3) mit den Häufigkeiten n x 1.1 % sowie noch seltenere 13C2-Ionen, (m+2) und (m+4), wobei (m+2) massengleich mit dem 12Cn81Br-Ion erscheint.
 
 Abb. 28.49. Intensitätsverhältnis eines Ions mit zehn C-Atomen (a) und einem zusätzlichen Brom-Atom (b)
 
 Isotopenpeaks beobachtet man für fast alle Ionen. Aus ihren relativen Intensitäten kann die Isotopenzusammensetzung der am Ion beteiligten Elemente zurückgerechnet werden.
 
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 544
 
 28.7.3
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Molekül-Peak, Molekül-Ion
 
 Der m/z-Wert des Molekül-Peaks entspricht dem Zahlenwert der Molekülmasse, sofern das zugehörige Molekül-Ion einfach positiv geladen ist (M+.), was meistens zutrifft. Insofern eignet sich die Massenspektrometrie zur sehr genauen Bestimmung der relativen Molekülmasse. Das Molekül-Ion entsteht durch (Elektronenstoß-induzierte) Entfernung eines Elektrons aus dem Molekül. Dabei verbleibt ein Radikal-Kation, das man durch die Schreibweise M+. formuliert, wobei der Punkt das ungepaarte Elektron andeutet. Das Molekül-Ion benötigt eine bestimmte Zeit (> 10−5 s), um von der Ionenquelle zum Kollektor zu fliegen. Überlebt es diese Zeitspanne infolge zu raschen Zerfalles nicht, so entzieht es sich der Messung. Daraus folgt, daß der Molekül-Peak nur bei hinreichender Lebensdauer (Stabilität) des Molekül-Ions mit genügender Intensität beobachtet wird. Mit Ausnahme von 12C als Bezugs-Atom sind die Atommassen der Elemente nicht ganzzahlig. Infolgedessen können durch exakte Massenbestimmung (Hochauflösung) die Elementarzusammensetzungen des Molekül-Ions und aller Fragment-Ionen ermittelt werden. Ein einfaches Beispiel wäre die Unterscheidung von C6H10O und C7H14 mit derselben Nominalmasse 98. Die präzise Massenbestimmung des Molekül-Ions ergibt 98.0732 für C6H10O und 98.1095 für C7H14. Bei Ionen höherer Massen benötigt man zur eindeutigen Herleitung der Summenformel weitere Informationen, z. B. die Intensitäten der Isotopen-Peaks, sofern der Meßwert innerhalb der Fehlergrenze mehrere Elementarzusammensetzungen zuläßt.
 
 28.7.4
 
 Fragment- und metastabile Ionen
 
 Das Molekül-Ion kann sehr schnell, d. h. bereits in der Ionenquelle zerfallen (Lebensdauer < 10−6 s). Solche Fragmentierungen können homolytisch, heterolytisch und unter Umlagerung ablaufen. Homo- und Heterolysen des Molekül-Ions führen zu Kationen und Radikalen, während Umlagerungen Radikal-Kationen und Neutralmoleküle ergeben, wie das Schema (Abb. 28.50) zusammenfassend zeigt. Da homolytische Spaltungen Einelektronen-Verschiebungen sind, kennzeichnet man sie durch Halbpfeile, um sie von Heterolysen zu unterscheiden.
 
 C C
 
 C C
 
 C C
 
 C
 
 C
 
 C
 
 C
 
 C
 
 C
 
 + X
 
 Homolyse
 
 Y
 
 + X
 
 C
 
 Heterolyse
 
 Y
 
 + X Y
 
 C
 
 C C
 
 Umlagerung
 
 C C
 
 C
 
 Y
 
 +
 
 C
 
 +
 
 X
 
 + X
 
 C+
 
 C
 
 C
 
 Y
 
 + X
 
 Y
 
 Folgereaktion
 
 C
 
 C
 
 + X
 
 Y
 
 +
 
 C
 
 C
 
 C
 
 Abb. 28.50. Grundtypen der Fragmentierung organischer Molekül-Ionen (Radikal-Kationen, in denen die Positionen der positiven Ladung und des ungepaarten Elektrons meist nicht bekannt sind)
 
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 28.7
 
 Massenspektrometrie
 
 545
 
 Die so entstandenen Fragment-Ionen werden beschleunigt, da sie noch in der Ionenquelle entstehen. Bei hinreichender Stabilität (Lebensdauer > 10−5 s) erscheinen sie im Massenspektrum. Ionen, die sich langsamer, also erst auf dem Weg zwischen Ionisationskammer und Kollektor bilden, bezeichnet man als metastabil. Die zugehörigen "metastabilen Peaks" sind verbreitert und haben meist nicht ganzzahlige Massenwerte m*. Diese erhält man für die Sektorfeld-Spektrometer (Abb. 28.48) in guter Näherung nach Gleichung 28.11 aus den Massenzahlen des Mutter-Ions (m1) und des Tochter-Ions (m2) : m* = m22 / m1 (28.11) Aus Gleichung 28.11 folgt, daß metastabile Ionen (m*) bei Sekundärzerfällen die Herkunft eines Folgefragment-Ions (m2 aus m1) enthüllen und daher wertvolle Zuordnungshilfen sind. So findet man in den Massenspektren von Benzoyl-Verbindungen Benzoyl- (C6H5CO+ mit m2 / z = 105) und Phenyl-Kationen (C6H5+ mit m2 / z = 77). Das metastabile Ion bei m* / z = 772/105 ≈ 56.5 beweist dann den Sekundärzerfall des Benzoyl-Kations in Phenyl-Kation und Kohlenmonoxid: +
 
 +
 
 C6H 5 CO
 
 28.7.5
 
 +
 
 C 6H5
 
 CO
 
 Fragmentierungen organischer Molekül-Ionen
 
 Die Spaltung des Molekül-Ions (Primärfragmentierung) sowie die Folgereaktionen (Sekundärfragmentierungen) erfolgen bevorzugt so, daß 1. die positive Ladung in den Fragment-Ionen durch induktive oder mesomere Effekte stabilisiert wird, und 2. möglichst energiearme Radikale oder Neutralmoleküle (H2O, H2S, NH3, C2H4, CO, CO2, HCN, u. a.) entstehen. Mindestens eine dieser beiden Triebkräfte steckt hinter jeder der nachfolgend beschriebenen Fragmentierungen organischer Verbindungen. Spaltung von CC-Einfachbindungen Grundfragmentierung aliphatischer Molekül-Ionen ist der Bruch einer CC-Einfachbindung: + C
 
 C+
 
 C
 
 +
 
 C
 
 Diese Reaktion ist zunächst für alle nicht endständigen CC-Bindungen eines Alkans gleich wahrscheinlich. Infolgedessen erscheinen im Massenspektrum eines Alkans (Abb. 28.51) AlkylKationen CnH2n+1+ im Abstand von vierzehn Masseneinheiten (m / z = 29, 43, 57, 71, 85, 99, 113, usw.) Durch Sekundärfragmentierungen entstehen jedoch mehr kleinere Bruchstücke. Entsprechend nimmt die Intensität der CnH2n+1+-Fragmente mit abnehmender Masse zu und erreicht ein Maximum bei m / z = 57, also für C4H9+ (Abb. 28.51). Ist das Alkan verzweigt, so sind Bindungen an quartären C-Atomen bevorzugte Bruchstellen, da Carbenium-Ionen mit zunehmender Alkylierung stabiler werden: +
 
 R3C
 
 +
 
 > R2CH
 
 +
 
 > RCH2
 
 +
 
 > H3C
 
 "Sollbruchstellen" im 5,5,8,11,15-Pentamethylhexadecan, C21H44, sind z. B. die von C-5 ausgehenden Bindungen. Im Massenspektrum (Abb. 28.51) erscheinen dementsprechend Fragment-
 
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 546
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Ionen mit m / z = 99, 197, 239 und 281. Dabei sind die Massen 99 und 239 besonders intensiv, weil erstens die Ladung bevorzugt am höher alkylierten Kohlenstoff bleibt (99 > 197), und zweitens der größere Rest günstiger als Radikal abgespalten wird (99 > 239 > 281; > jeweils im Sinne von intensiver). Die Bruchstücke 99 und 239 lokalisieren somit das quartäre C-Atom (Abb. 28.51).
 
 Abb. 28.51. Massenspektrum des 5,5,8,11,15-Pentamethylhexadecans
 
 Spaltung von CX-Einfachbindungen CX-Einfachbindungen (z. B. X = Halogen) können heterolytisch spalten. Wegen der größeren Elektronegativität von X bleibt dabei die positive Ladung am Kohlenstoff: C
 
 + X
 
 C+
 
 +
 
 _ X
 
 Nach diesem Schema spalten Nitro-Verbindungen und Halogenalkane außer den Fluoriden. Hydroxy- und Carbonyl-Gruppen lösen sich als Radikale nur ab, wenn das verbleibende Carbenium-Ion tertiär ist. Alle durch Fragmentierung von Alkan und Alkyl-Derivaten entstandenen Kationen können Alkene CnH2n eliminieren: C C C+
 
 C+
 
 +
 
 C C
 
 α-Spaltung und Folgereaktionen Heteroatome mit nichtbindenden Elektronenpaaren lösen α-Spaltungen aus. Sie stabilisieren durch ihren (+)-M-Effekt das entstehende Kation: R
 
 α
 
 C
 
 + X
 
 R
 
 +
 
 + C X
 
 + C X
 
 Aus α-Spaltungen resultieren die häufigsten Ionen in den Massenspektren von Halogenalkanen, Alkoholen, Thiolen, Ethern, Thioethern und Aminen. Besonders leicht erfolgt die α-Spaltung bei
 
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 28.7
 
 Massenspektrometrie
 
 547
 
 Acetalen, Ketalen und anderen geminal disubstituierten Verbindungen, weil die positive Ladung durch die beiden (+)-M-Heteroatome noch besser verteilt wird: +
 
 OR'
 
 −R
 
 R C OR'
 
 + OR' R
 
 OR'
 
 C
 
 R OR'
 
 R
 
 OR'
 
 C+
 
 R
 
 C
 
 OR'
 
 OR' +
 
 Das dominierende Fragment im Massenspektrum des Pentylmalondialdehyd-tetraethylacetals (Abb. 28.52) mit der Masse 103 entsteht z. B. durch α-Spaltung. Dabei geht der größere Rest R als Radikal ab. Die begünstigte α-Spaltung mindert die Häufigkeit des Molekül-Ions. H +
 
 OC 2H5 H C OC 2H5 R
 
 −R
 
 H
 
 O CH 2 CH2 C+
 
 − C2H4
 
 OC 2H5
 
 +
 
 m / z = 103
 
 M / z = 290
 
 *
 
 OH H
 
 C+
 
 OH H C+
 
 − C2H4
 
 *
 
 OC 2H5
 
 OH
 
 m / z = 75
 
 m / z = 47
 
 Das mesomeriestabilisierte Carbenium-Oxonium-Ion mit m / z = 103 zerfällt unter zweimaliger Ethen-Abspaltung zu Ionen der Massen 75 und 47 (Onium-Reaktionen). Metastabile Peaks bei m* = 54.6 für den Zerfall 103−28 = 75 und m* = 29.5 entsprechend 75−28 = 47 weisen auf diese Folgefragmentierungen hin. Ein weniger häufiges Ion im oberen Massenbereich (M − 46 = 244) entsteht durch Abspaltung von Ethanol. Dieses spaltet durch Folgefragmentierungen Ethyl- (29), Ethoxy- (45) sowie PentylRadikale (71) ab, wie die Auswertung der metastabilen Fragmente (m*) in Abb. 28.52 zeigt.
 
 Abb. 28.52. Massenspektrum des Pentylmalondialdehydtetraethylacetals
 
 Allyl- und Benzyl-Spaltung Die Molekül-Ionen der Alkene zerfallen in mesomeriestabilisierte Allyl-Kationen: + C C C C
 
 C C C+
 
 +C C C
 
 +
 
 C
 
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 548
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Solchen Allyl-Spaltungen sind häufig Isomerisierungen von Doppelbindungen vorgelagert. Infolgedessen ist ihr Aussagewert zur Konstitutionsbestimmung gering. Eindeutiger und somit aussagekräftiger sind die Benzyl-Spaltungen alkylierter Aromaten: + CH 2
 
 C
 
 + CH 2
 
 − C
 
 CH 2 +
 
 +
 
 CH 2
 
 CH 2
 
 +
 
 So ist im Massenspektrum des i-Butylbenzens (1-Phenyl-2-methylpropan, Abb. 28.53) das durch Benzyl-Spaltung entstehende Benzyl-Kation mit m / z = 91 (100 %) häufigstes Fragment. Es ist mesomeriestabilisiert (s. o.) und kann sich zum Tropylium-Ion umlagern: CH3 CH2
 
 C CH3 H
 
 m / z = 134
 
 +
 
 H3C − C CH3 H
 
 + CH2 + m / z = 91
 
 Abb. 28.53. Massenspektrum des i-Butylbenzens
 
 Die für Benzen-Derivate charakteristische Bildung von Phenyl-Ionen C6H5+ (m / z = 77) ist im Vergleich zur Benzyl-Spaltung (m / z = 91) weit weniger häufig, wie ein Intensitätsvergleich in Abb. 28.53 zeigt. Neben C6H5+ treten bei substituierten Benzenen meist stark ungesättigte Ionen wie C5H5+ (m / z = 63), C4H3+ (m / z = 51) und C3H3+ (m / z = 39) auf. Typisch für Aromaten ist auch das relativ stabile und daher intensive Molekül-Ion (Abb. 28.53). Substituenten mit (+)- / (−)-MEffekt in o- oder p-Stellung begünstigen die Benzyl-Spaltung.
 
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 28.7
 
 Massenspektrometrie
 
 549
 
 Retro-DIELS-ALDER-Spaltung Die Molekül-Ionen von Cyclohexen-Derivaten zerfallen bevorzugt durch Retro-DIELS-ALDERReaktion Diese mechanistisch komplizierte doppelte Allyl-Spaltung wird ohne Lokalisierung von Ladung und Elektron formuliert, weil deren Positionen unbekannt sind: +
 
 +
 
 + +
 
 +
 
 oder
 
 Ob Alkene oder Diene als Neutralmoleküle abgespalten werden, hängt von der Stabilisierung der positiven Ladung in den zurückbleibenden Radikal-Kationen ab. Der Basispeak im Massenspektrum des 2-Cyclohexenons (Abb. 28.54) mit m / z = 68 paßt zu einem Keten-Radikal-Kation, das durch Retro-DIELS-ALDER-Abspaltung von Ethen entsteht. Die Folgereaktion führt unter Eliminierung von Kohlenmonoxid zum C3H4+. -Radikal-Kation mit m / z = 40. Die Abspaltung von Ethen und Kohlenmonoxid ergibt sich aus metastabilen Ionen der Massen 48.2 (96 − 28 = 68) und 23.5 (68 − 28 = 40, Abb. 28.54). O +
 
 − C2H4
 
 * m / z = 96
 
 C
 
 + O
 
 m / z = 68
 
 − CO
 
 *
 
 C 3H4
 
 +
 
 m / z = 40
 
 Abb. 28.54. Massenspektrum des 2-Cyclohexenons
 
 MCLAFFERTY-Umlagerung Eine der bedeutendsten Fragmentierungen ist die MCLAFFERTY-Umlagerung. Sie gehört zu den Wasserstoff-Verschiebungen und kann bei allen ungesättigten Verbindungen stattfinden, welche in
 
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 550
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 γ-Stellung zur Mehrfachbindung ein Wasserstoff-Atom enthalten. Ein sechsgliedriger Übergangs-
 
 zustand fragmentiert zu Alken und Radikal-Kation. R
 
 H
 
 + X
 
 H
 
 R +
 
 H
 
 + X
 
 X+
 
 Bei Aromaten und Heteroaromaten konkurriert die MCLAFFERTY-Umlagerung häufig mit der Benzyl-Spaltung. So fällt im Massenspektrum des i-Butylbenzens (Abb. 28.53) das intensive Ion mit der geradzahligen Masse m / z = 92 auf; es entsteht durch MCLAFFERTY-Umlagerung: CH 2 CH(CH3)2
 
 +
 
 +
 
 CH 2
 
 +
 
 H +
 
 H H m / z = 92
 
 H M+ / z = 134
 
 C
 
 CH3
 
 CH 2
 
 Bei Carbonyl-Verbindungen und deren Heteroanaloga (Thiocarbonyl-Verbindungen, Imine, Nitrile) konkurriert die MCLAFFERTY-Umlagerung mit der α-Spaltung.
 
 Abb. 28.55. Massenspektrum des 2-Pentanons
 
 Im Massenspektrum des 2-Pentanons (Abb. 28.55) erkennt man z. B. zwei α-Spaltungen: Die eine verläuft unter Abspaltung eines Methyl-Radikals zum Kation der Masse 71 (86 − 15 = 71), welches in Kohlenmoxid und das Propyl-Kation zerfällt (71 − 28 = 43). Die andere führt unter der begünstigten Abspaltung des größeren Propyl-Radikals direkt zum Ion der Masse 43 (86 − 43 = 43). Metastabile Ionen mit den Massen 58.6 (712/ 86), 26.0 (432/ 71) und 21.5 (432/ 86) bestätigen diese mit Stern (*) markierten Zerfallsreaktionen. + H3C CH 2 CH2 m / z = 43
 
 * − CO
 
 H3C CH2 CH 2 m / z = 71
 
 + C O
 
 * − CH3
 
 O H 3C CH 2 CH 2
 
 +
 
 C CH 3
 
 * − C3H7
 
 + H3C C O m / z = 43
 
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 28.7
 
 Massenspektrometrie
 
 551
 
 Ein weiteres häufiges Fragment mit m / z = 58 (Abb. 28.55) entsteht durch MCLAFFERTY-Umlagerung des Molekül-Ions. Die zugehörige Ethen-Abspaltung (M − 28) ist aus dem metastabilen Ion der Masse 39.1 (582 : 86) erkennbar. H
 
 + OI
 
 * CH3
 
 CH2 CH2
 
 H +
 
 M / z = 86
 
 28.7.6
 
 H2C
 
 + OI C
 
 H + OI CH3
 
 H 2C
 
 C
 
 CH 3
 
 m / z = 58
 
 Erkennung funktioneller Gruppen
 
 Charakteristische Fragment-Ionen, die sog. Schlüsselbruchstücke (Tab. 28.17 a, S. 553) identifizieren im Massenspektrum bestimmte Stoffklassen (funktionelle Gruppen). Ebenso typisch sind die (M − X)-Fragmente, die durch Abspaltung kleiner Neutralteile der Masse X aus dem MolekülIon entstehen (Tab. 28.17 b, S. 554). Allerdings ist die Intensität dieser Fragmente im Massenspektrum nicht immer genügend groß, so daß ihr Fehlen kein sicherer Beweis für die Abwesenheit einer bestimmten Gruppe ist. Trotzdem gibt die sinnvolle Anwendung der Fragment-Tabellen häufig eindeutige Aussagen zur Konstitution einer Verbindung. Hinweise auf die Art und Anzahl mancher Heteroatome kann bereits das Molekül-Ion geben. So spricht ein Isotopenmuster von M : (M + 2) ≈ 1 für eine Monobrom-Verbindung (vgl. Abb. 28.49). Monochlor-Verbindungen zeigen demgegenüber ein Isotopen-Verhältnis von M : (M + 2) ≈ 3 : 1. Weiterhin sind die Molekülmassen von Stickstoff-Verbindungen geradzahlig (ungeradzahlig), wenn das Molekül eine gerade (ungerade) Anzahl von Stickstoff-Atomen enthält: Stickstoff ist das einzige Element mit gerader Massenzahl (14) und ungerader Anzahl von Bindungen (3); bei allen anderen Elementen ist beides entweder gerad- oder ungeradzahlig. So hat Anilin (C6H7N) eine Molekülmasse von 93 gegenüber dem Wert von 138 für die o, m, p-Nitroaniline (C6H6N2O2).
 
 28.7.7
 
 Herleitung der Konstitution aus dem Massenspektrum
 
 Wie man dem Massenspektrum Hinweise zur Konstitution einer Verbindung entnimmt, soll ein einfaches Beispiel (Abb. 28.56, S. 552) zeigen. Relative Molekülmasse Ist das schwerste Ion auch Molekül-Ion, so beträgt die Molekülmasse 262 (oder 260, Abb. 28.56). Isotopenmuster Die Verbindung enthält Brom, denn das Molekül-Ion (260 : 262 ≈ 1 : 1) zeigt eine für MonobromVerbindungen typische Isotopenverteilung (vgl. Abb. 28.49). Ebenso enthalten die Fragmente 183:185 ≈ 1 : 1 sowie 155:157 ≈ 1 : 1 je ein Brom-Atom. Schlüsselbruchstücke Neben der relativ hohen Intensität des Molekül-Peaks deuten die stark ungesättigten Fragmente mit m / z = 50, 51, 76, 77 und 78 nach Tab. 28.17 a auf ein Benzen-Derivat hin. Das bromfreie Basis-Fragment mit m / z = 105 gehört nach Tab. 28.17 a zum Benzoyl-Ion. Die Verbindung ist somit ein bromhaltiges Benzoyl-Derivat.
 
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 552
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Abb. 28.56. Massenspektrum zur Konstitutionsbestimmung
 
 Konstitution Subtrahiert man die Masse des Benzoyl-Ions C6H5CO+ (105) von der Molekülmasse (260 / 262), so ergibt sich ein Rest von 155 bzw. 157, der ebenfalls im Massenspektrum auftritt (Abb. 28.56) und aufgrund seines Isotopenmusters ein Brom-Atom enthält. Subtrahiert man dementsprechend 79Br bzw. 81Br von 155 bzw. 157, so ergibt sich ein Bruchstück der Masse 76 entsprechend C6H4 (Tab. 28.17 a, Abb. 28.56). Das Fragment mit m / z = 155 : 157 = 1 : 1 gehört somit zu einem BromphenylRest. Benzoyl- und Bromphenyl-Rest geben zusammen ein Brombenzophenon. Zuordnung der Fragment-Ionen Das Massenspektrum und die auftretenden metastabilen Ionen lassen sich durch zwei αSpaltungen sowie die zugehörigen Folgefragmentierungen nach folgendem Schema erklären: +
 
 C O
 
 − CO
 
 *
 
 m/e = 105
 
 − C2H2
 
 +
 
 C6H 5
 
 *
 
 m/e = 77
 
 +
 
 C 4H3
 
 m/e = 51
 
 α
 
 *
 
 +
 
 O C
 
 − Br
 
 Br
 
 *
 
 +
 
 C 13H9O
 
 − CHO
 
 *
 
 m/e = 181
 
 m/e = 260 / 262
 
 C12H 8
 
 +
 
 weniger bedeutende Fragmentierung
 
 m/e = 152
 
 α +
 
 Br
 
 C O
 
 m/e = 183 / 185
 
 − CO
 
 *
 
 +
 
 BrC6H 4
 
 m/e = 155 / 157
 
 − Br
 
 *
 
 C6H 4
 
 +
 
 m/e = 76
 
 − C2H2
 
 *
 
 C 4H2
 
 +
 
 m/e = 50
 
 Folgefragmentierungen, die sich aus den metastabilen Ionen in Abb. 28.56 ergeben, sind durch einen Stern (*) gekennzeichnet.
 
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 28.7
 
 Massenspektrometrie
 
 553
 
 Tab. 28.17 a. Auswahl häufig auftretender Fragment-Ionen in den Massenspektren organischer Moleküle: Schlüsselbruchstücke m/z
 
 Fragment-Ion(en) +
 
 30 (44, 58 ...)
 
 R CH NH2 , H2C NHR +
 
 31 (45, 59 ...) 39
 
 mögliche Verbindungsklasse (n) +
 
 +
 
 44
 
 +
 
 R CH OH , H2C OR
 
 primäre Alkohole, Ether (R = H, CH3, C2H5, ...)
 
 C3H 3
 
 Aromaten, Heteroaromaten, Diene
 
 H2C CH OH +
 
 45
 
 Amine (R = H, CH3, C2H5, ...)
 
 +
 
 Aldehyde (McLAFFERTY-Produkt) Methylether
 
 H2C OCH 3 +
 
 45
 
 H3C CH OH
 
 47
 
 H2C SH
 
 Thiole, Thioether
 
 CH 2Cl + C4H 2
 
 Aromaten, Heteroaromaten
 
 49 : 51 (3 : 1)
 
 +
 
 +
 
 50 51
 
 +
 
 58
 
 Alkohole ( H3C−CH(OH)− )
 
 Chlormethyl-Verbindungen
 
 C4H 3
 
 OH
 
 +
 
 Aromaten, Heteroaromaten Methylketone (McLAFFERTY-Produkt)
 
 H2C C CH 3
 
 59
 
 +
 
 CO2CH 3 OH
 
 60
 
 Carbonsäuremethylester + Carbonsäuren (McLAFFERTY-Produkt)
 
 H2C C OH OH
 
 61
 
 H3C C + OH
 
 Essigsäureester (außer Methylester)
 
 C5H 3
 
 benzoide Aromaten
 
 63
 
 +
 
 65
 
 +
 
 C5H 5
 
 benzoide Aromaten (Benzyl-Verbindungen)
 
 73
 
 +
 
 CO2C2H 5
 
 Carbonsäureethylester
 
 73
 
 +
 
 Si(CH3)3 OH
 
 74
 
 Trimethylsilyl-Verbindungen + Carbonsäuremethylester (McLAFFERTY-Produkt)
 
 H2C C OCH3
 
 76 77
 
 C6H 4 +
 
 78
 
 +
 
 benzoide Aromaten
 
 +
 
 benzoide Aromaten
 
 benzoide Aromaten
 
 C6H 5 C6H 6
 
 91
 
 +
 
 C7H 7
 
 93 : 95 (1 : 1)
 
 +
 
 CH 2Br
 
 105
 
 Benzyl-Verbindungen Brommethyl-Verbindungen +
 
 C6H 5CO
 
 Benzoyl-Verbindungen
 
 Stellung von Substituenten Die Stellung des Broms kann aus dem Massenspektrum nicht hergeleitet werden. Jedoch erscheinen im IR-Spektrum u. a. die in Tab. 28.18 zugeordneten Absorptionsbanden. Banden bei 1655, 735 und 705 cm−1 bestätigen den bereits massenspektrometrisch nachgewiesenen Benzoyl-Rest.
 
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 554
 
 28
 
 Molekülspektroskopie zur Strukturaufklärung
 
 Tab. 28.17 b. Auswahl häufig auftretender Fragment-Ionen in den Massenspektren organischer Moleküle: Fragment-Ionen der Masse (M − X), die durch Abspaltung stabiler Neutralteile der Masse X (Radikale und Moleküle) aus dem Molekül-Ion M+. entstehen. M − X - Ion
 
 Neutralteilchen X
 
 mögliche Verbindungsklasse (n)
 
 M − 15 M − 29 M − 43 M − 57 usw. M − 16 M − 17
 
 CH3 C 2H5 C 3H7 C 4H9 O
 
 Verbindungen mit Alkyl-Gruppen
 
 M − 18 M − 19 M − 26 M − 27 M − 28
 
 H 2O HF C 2H2 HCN CO C 2H4
 
 Alkohole, Phenole, Ketone, seltener Aldehyde Fluoralkane kondensierte Aromaten Stickstoff-Heteroaromaten Carbonyl-Verbindungen einschl. Chinone, Phenole Verbindungen, die Mc-LAFFERTY-Umlagerungen und RetroDIELS-ALDER-Spaltungen eingehen können
 
 M − 29 M − 30
 
 CHO CH2O NO OCH 3 CH3OH SH CH3 + H2O H 2S
 
 Phenole Arylmethylether, cyclische Ether Nitroso- und Nitro-Verbindungen Methylester, Methylether Methylester, Methylether Thiole, Thioether Alkohole (stufenweise Abspaltung von Methyl-Radikal und Wasser) Thiole, Thioether Chloralkane Chloralkane Phenol- und Enolacetate, N-Arylacetamide
 
 M − 31 M − 32 M − 33 M − 34 M − 35 , 37 (3 : 1) M − 36 , 38 (3 : 1) M − 42 M − 43 M − 44 M − 45 M − 46 M − 59
 
 CnH2n+2 Nitroaromaten, N-Oxide Carbonsäuren, seltener Alkohole primäre Diamine, seltener primäre Monoamine
 
 OH NH3
 
 Cl HCl CH2 C O HN C O OC CH 3
 
 Lactame, Ureide, Urethane (−CO−NH−) Acetyl-Verbindungen (einschließlich Methylketone) Carbonate, Anhydride, ungesättigte Carbonsäureester Ethylester, Ethylether, Ethylacetale, Ethylketale aromatische Nitro-Verbindungen Methylester
 
 CO2 OC2H 5 NO2 CO2CH3
 
 Tab. 28.18. Einige IR-Absorptionsbanden des Brombenzophenons (KBr-Preßling) ν~ [cm−1]
 
 Schwingung
 
 1655
 
 ν C=O
 
 Carbonyl-Gruppe
 
 1590 1580 1485
 
 ν C=C
 
 Benzen-Ring
 
 855
 
 γ CH
 
 p-disubstituierter Benzen-Ring
 
 735 705
 
 γ CH
 
 monosubstituierter Benzen-Ring
 
 zugehörige Teilstruktur
 
 Ergänzend spricht die CH-Deformationsbande bei 855 cm−1 für einen zusätzlichen p-disubstituierten Benzen-Ring (Tab. 28.8). Somit ist die Verbindung als p-Brombenzophenon identifiziert.
 
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 29.1
 
 Anregung von Photoreaktionen
 
 555
 
 29 Photoreaktionen 29.1 Anregung von Photoreaktionen 29.1.1
 
 Energiebedarf
 
 Unter Photoreaktionen versteht man chemische Umwandlungen, die durch UV-Licht (Sonnenlicht) ausgelöst werden. Nach der EINSTEIN-Beziehung ∆Ε = hν = hc / λ (29.1) (Lichtgeschwindigkeit c = 3 x 108 m/s; Wirkungsquantum h = 6.625 x 10−34 Js)
 
 ergibt sich z. B. für ultraviolette Strahlung der Wellenlänge λ = 286 nm eine Anregungsenergie von ∆Ε = 420 kJ / mol oder 100 kcal / mol. Dieser Energiebetrag liegt im Bereich der Bindungsenergien von CH- und CC-Bindungen. Daraus folgt, daß die Elektronenanregung von Molekülen durch UV-Licht Bindungen spalten und als Folge Reaktionen, eben Photoreaktionen auslösen kann.
 
 29.1.2
 
 Verhalten angeregter Moleküle
 
 Photoreaktionen beginnen also mit der Elektronenanregung von Molekülen. Wie ein − der Einfachheit halber − zweiatomiges Molekül (AB) mit Atomkern-Abstand rAB auf die Elektronenanregung reagiert, hängt davon ab, wie sich die Potentialverläufe (Energieprofile) im Grund- und angeregten Zustand unterscheiden, und von welchem Schwingungsniveau des Grundzustandes der Elektronenübergang ausgeht. Da die Bindung im angeregten Zustand AB* schwächer ist als im Grundzustand AB, liegt das Minimum der Potentialkurve im angeregten Molekül beim größeren Kernabstand rAB* > rAB (Abb. 29.1).
 
 E A
 
 R
 
 +
 
 B
 
 Dissoziation
 
 Q
 
 P hν
 
 Abb. 29.1. Potentialkurven eines zweiatomigen Moleküls im Grund- und angeregten Zustand A −B und A−B*
 
 rAB
 
 rAB*
 
 r
 
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 A
 
 B*
 
 A
 
 B
 
 556
 
 29 Photoreaktionen
 
 Photodissoziation Die A−B-Bindung bleibt bei der Elektronenanregung erhalten, wenn der Elektronenübergang einen Schwingungszustand innerhalb der Potentialmulde des angeregten Moleküls (AB*) erreicht. Ausgehend von dem energiereichen Schwingungszustand (P, Abb. 29.1) müßte sich dann der Kernabstand beim Elektronenübergang vergrößern (Übergang PQ in Abb. 29.1). Dem widerspricht jedoch das FRANCK-CONDON-Prinzip: Wegen der im Vergleich zu Atommassen sehr kleinen Elektronenmasse ändert sich die Anordnung der Atomkerne eines Moleküls bei der Elektronenanregung praktisch nicht. Vom Schwingungszustand P aus erfolgt der "senkrechte" Übergang PR, und dieser ist bereits eine Photodissoziation, weil der erreichte Energiezustand außerhalb der Potentialmulde des angeregten Moleküls AB* liegt (Abb. 29.1). ̈
 
 Singulett- und Triplett-Zustände Abgesehen von freien Radikalen enthalten organische Moleküle eine gerade Anzahl von Elektronen, die im Grundzustand alle paarweise antiparallelen Spin besitzen. Molekülzustände, bei denen sämtliche Elektronen auf diese Weise gepaart sind, nennt man Singuletts (S), weil sie im Magnetfeld zu keinem resultierenden magnetischen Moment führen und daher die Energieniveaus nicht weiter aufspalten. In angeregten Molekülen können die Elektronen sowohl gepaart (Singulett-Zustände) als auch ungepaart vorliegen. Bei ungepaarter Anordnung zweier Elektronen auf demselben Orbital spaltet im Magnetfeld jedes Energieniveau dreifach auf; man vergleiche hierzu analoge TriplettAufspaltung des Protons A infolge Kopplung mit zwei Protonen X in Abb. 28.29. Die ungepaarte Anordnung wird daher als Triplett-Zustand (T) bezeichnet. Erlaubt sind nur Elektronenübergänge zwischen Zuständen gleicher Multiplizität, also S-S- oder T-T-Übergänge. Für Photoreaktionen bedeutend ist jedoch, daß bei vielen Molekülen im angeregten Zustand auch verbotene strahlungslose Singulett-Triplett-Übergänge auftreten, die als "Intersystem Crossing" (Multiplizitäts-Wechsel) bekannt sind. Die Energiezustände mehratomiger Moleküle müssen durch mehrdimensionale Energieflächen anstelle der Potentialkurven des AB-Moleküls in Abb. 29.1 beschrieben werden. Vereinfacht stellt man die Singulett- und Triplett-Zustände sowie die Elektronenübergänge mehratomiger Moleküle in JABLONSKI-Diagrammen dar (Abb. 29.2). Schwingungs-Relaxation und Innere Konversion Regt man ein Molekül durch UV-Licht an, so wird bei einer bestimmten Wellenlänge (λ0) von einem Schwingungsniveau des Grundzustandes (S0) aus das Schwingungsniveau eines angeregten Singulettzustandes (S2) erreicht. Der Zeitbedarf für diesen erlaubten S0 → S2 -Elektronenübergang liegt bei 10−13 s. Unmittelbar nach dieser Anregung − innerhalb von 10−11 s − können in Lösung drei weitere Vorgänge ablaufen (Abb. 29.2): Das angeregte Molekül gibt vom S2-Zustand aus Schwingungsenergie durch Stoß an ein Nachbarmolekül ab (Schwingungs-Relaxation 1), geht anschließend in einen schwingungs-angeregten Singulettzustand S1 über (innere Konversion 2) und gibt schließlich weitere Schwingungsenergie an die Umgebung ab (3). Auf diese Weise erreicht es den energieärmsten angeregten Singulettzustand. Dessen Lebensdauer (etwa 10−8 s) wird durch zwei weitere Vorgänge begrenzt, Fluoreszenz und Intersystem crossing. Fluoreszenz Geht das Molekül vom energieärmsten angeregten Singulett-Zustand (S1) in den Grundzustand S0 über 4 , so setzt es den nach Schwingungs-Relaxation und innerer Konversion verbleibenden Rest
 
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 29.1
 
 Anregung von Photoreaktionen
 
 557
 
 der Anregungsenergie in Form eines Lichtquants hνF < hν0 frei. Man beobachtet diesen S1 → S0Übergang als Fluoreszenz, eine Emission sichtbaren Lichtes, während die Lösung durch kürzerwelliges (unsichtbares) UV-Licht bestrahlt wird. Die Farbe des Leuchtens ist substanzspezifisch. E 1
 
 S2 T2
 
 2
 
 3
 
 5 6
 
 S1 4
 
 T1
 
 7 8 Fluoreszenz
 
 Phosphoreszenz
 
 Anregung
 
 S0
 
 S0
 
 Abb. 29.2. JABLONSKI-Termschema eines mehratomigen Moleküls. Erklärungen der Vorgänge 1 bis 8 finden sich im Text
 
 Intersystem Crossing und Phosphoreszenz ̈ Ist der Energieunterschied zwischen Singulett- und Triplett-Zustand klein, wie z. B. für Benzophenon (20 kJ / mol, Abb. 29.3), so erfolgt der spinverbotene S1 → T1 -Übergang 5 , das Intersystem Crossing. Der T1 → S0 -Übergang zum Grundzustand kann nach weiterer SchwingungsRelaxation 6 strahlungslos ablaufen 7 , wenn kein großer Energieunterschied mehr freizusetzen ist. Häufig erfolgt der T1 → S0 -Übergang jedoch unter Emission eines Lichtquants (hνP < hνF , 8 ). Diesen Vorgang beobachtet man als Phosphoreszenz, die zeitlich verzögerte Emission sichtbaren Lichts durch eine Lösung kurz nach Bestrahlung mit UV-Licht. O C
 
 S1 220
 
 S1 296
 
 T1
 
 460
 
 20
 
 T1
 
 240
 
 276
 
 S0
 
 S0 (a )
 
 (b)
 
 Abb. 29.3. Grund- und angeregte Zustände von Benzophenon ( a) und 1,3-Butadien (b); relative Energieniveau-Unterschiede ∆E sind in kJ / mol angegeben
 
 Aus dem relativ langsamen Abklingen der Phosphoreszenz ergibt sich eine große Lebensdauer der Triplett-Zustände T1 (bis zu einigen Sekunden), die man als Folge des Übergangsverbots (T1 → S0) auch verstehen kann. Wegen ihrer Langlebigkeit sind die Triplett-Zustände angeregter Moleküle oft Ausgangspunkt von Photoreaktionen.
 
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 558
 
 29 Photoreaktionen
 
 29.2 Photosensibilisierung Photoreaktionen gehen häufig von angeregten Triplett-Zuständen aus, da diese langlebig sind. Photoreaktiv werden somit Verbindungen sein, die stark zum Intersystem Crossing neigen. Die Voraussetzung für diesen zunächst verbotenen Übergang ist ein geringer Energieunterschied zwischen den tiefsten angeregten Singulett- und Triplett-Zuständen. Er beträgt z. B. für Benzophenon 20, für 1,3-Butadien dagegen 225 ± 30 kJ / mol (Abb. 29.3). Entsprechend zeigt Benzophenon 100, 1,3-Butadien 0 % Intersystem Crossing. Dazwischen liegen die Aromaten. Benzophenon ist somit leichter zu Photoreaktionen anregbar als Aromaten und 1,3-Diene. Die Energie des Triplett-Zustandes 3D eines leicht anregbaren "Donor"-Moleküls (D) kann jedoch auf ein schwieriger anregbares Akzeptor-Molekül (A) übertragen werden, wenn der TriplettZustand des Donors (D) mindestens 12 kJ / mol energiereicher ist als der des Akzeptors (A). Dann führt jeder Zusammenstoß zwischen 3D und A zur Energieübertragung nach folgendem Mechanismus: D
 
 +
 
 hν 1D
 
 3D
 
 +
 
 A
 
 Anregung Intersystem Crossing Sensiblisierung
 
 3A
 
 1D 3D
 
 D
 
 +
 
 3A
 
 Produkte
 
 Man bezeichnet diese zur Reaktion führende diffusionskontrollierte Energieübertragung als Photosensibilisierung. Entstehen bei Bestrahlung des Donors (D) und Akzeptors (A) nur Reaktionsprodukte aus D, so spricht man dagegen von einer Lösch- oder Quench-Reaktion. Die präparative Bedeutung der Photosensibilisierung erkennt man an einem Beispiel. 1,3-Butadien reagiert aus dem Singulett-Zustand elektrocyclisch zu Cyclobuten (neben Bicyclo[1.1.0]butan): 1
 
 ππ*
 
 + Cyclobuten
 
 Eine Dimerisierung zu cis- und trans-1,2-Divinylcyclobutan ([2+2]-Cycloaddition) oder zu 4Vinylcyclohexen ([4+2]-Cycloaddition) ist dagegen nur aus dem Triplett-Zustand möglich: 3
 
 + [ 2+2 ]
 
 sowie
 
 transcis1,2-Divinylcyclobutan
 
 3
 
 + [ 4+2 ] 4-Vinylcyclohexen
 
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 29.3
 
 Quantenausbeute
 
 559
 
 Die UV-Bestrahlung von 1,3-Butadien in Lösung ergibt neben Cyclobuten und Bicyclo[1.1.0]butan sehr wenig Dimere, da 1,3-Butadien wegen des zu großen Energieunterschieds zwischen S1und T1-Zustand nach Abb. 29.3 kein Intersystem Crossing eingeht und daher aus dem ππ*angeregten Singulett-Zustand abreagiert. In Gegenwart von Benzophenon führt die UV-Bestrahlung jedoch zu einem Dimeren-Gemisch (trans- neben wenig cis-1,2-Divinylcyclobutan sowie 4-Vinylcyclohexen), weil Benzophenon die Dimerisierung photosensibilisiert: Das Keton geht zunächst durch nπ*-Anregung in einem angeregten Singulett-Zustand über, der strahlungslos zum langlebigen Triplett desaktiviert. (C6H 5)2CO 1 [(C
 
 6H 5)2CO]
 
 366 nm , nπ* Intersystem Crossing
 
 1 [(C
 
 6H 5)2CO]
 
 3 [(C
 
 6H 5)2CO]
 
 Da der Triplett-Zustand des Benzophenons um über 30 kJ / mol energiereicher ist als der des 1,3Butadiens (Abb. 29.3), findet eine diffusionskontrollierte Energieübertragung auf 1,3-Butadien statt: 3 [(C
 
 6H 5)2CO]
 
 Sensibilisierung
 
 +
 
 (C6H 5)2CO +
 
 3
 
 Das so entstandene Triplett-Butadien cycloaddiert ausschließlich zu Dimeren.
 
 29.3 Quantenausbeute Ein Maß für die Ergiebigkeit einer Photoreaktion ist die Quantenausbeute (Φ). Man kann sie auf den Umsatz an Ausgangsverbindung oder auf die Produktmenge beziehen und entsprechend definieren: ΦUmsatz =
 
 Anzahl der umgesetzten Eduktmoleküle
 
 ΦProdukt =
 
 Anzahl der gebildeten Produktmoleküle
 
 Anzahl der absorbierten Lichtquanten
 
 (29.2)
 
 Anzahl der absorbierten Lichtquanten
 
 ΦUmsatz und ΦProdukt sind identisch, wenn die Photoreaktion nur ein Produkt ergibt. Entstehen mehrere Produkte, so summieren sich alle Produktausbeuten zur Umsatzausbeute (ΣΦProdukt = ΦUmsatz).
 
 Quantenausbeuten werden u. a. aus dem Einfluß einer Löschsubstanz (Quencher) auf die Geschwindigkeitskonstante der Photoreaktion bestimmt. Als (Triplett-) Löscher wirken dabei freie Radikale, z. B. Di-t-butylnitroxid: Di-t-butylnitroxid
 
 (H3C)3C _ _ N O _ (H3C)3C
 
 Photoreaktionen, die einen Kettenmechanismus auslösen, z. B. Photohalogenierungen von Alkanen (Kap. 3), können mit Quantenausbeuten von einigen Tausend ablaufen. Bei allen anderen Photoreaktionen liegen die Quantenausbeuten dagegen zwischen 0 und 1.
 
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 560
 
 29 Photoreaktionen
 
 29.4 Blitzlicht-Photolyse Während präparative Photoreaktionen unter kontinuierlicher Bestrahlung ablaufen, wird bei der Blitzlicht-Photolyse nur sehr kurzzeitig durch einen Blitz der Dauer 10−4 bis 10−5 s angeregt, den man in einer Gasentladungsröhre erzeugt. In verschiedenen Zeitabständen nach dem Blitz werden die UV-Spektren der Photolyseprodukte (photographisch) registriert. Auf diese Weise gelingt es, UV-Spektren und Lebensdauer kurzlebiger Moleküle zu messen. Die Blitzlicht-Photolyse des Benzendiazonium-2-carboxylats und des 2-Iodphenylquecksilberiodids ergab für Dehydrobenzen das Absorptionsmaximum von λmax = 240 nm und eine Lebensdauer von 10−5 bis 10−4 s, innerhalb der es zu Biphenylen dimerisiert. HgI
 
 hν - Blitz
 
 2
 
 − 2 Hg I 2
 
 I
 
 N2
 
 hν - Blitz
 
 2
 
 − 2 CO2 , − 2 N2
 
 2-Iodphenylquecksilberiodid
 
 2 CO2 Benzendiazonium2-carboxylat
 
 Biphenylen
 
 29.5 Präparative Photochemie Photoreaktionen haben viele Synthesen bis in den technischen Bereich einfacher oder überhaupt erst durchführbar gemacht. Der folgende Abschnitt gibt eine Auswahl typischer Beispiele. Dabei werden mehr präparative Anwendungen als die teilweise noch ungeklärten Mechanismen betont.
 
 29.5.1
 
 Photoinduzierte Einführung funktioneller Gruppen
 
 ̈ Photohalogenierung Die Photohalogenierung von Alkanen ist eine technisch anwendbare Methode zur Herstellung von Halogenalkanen (Kap. 2.7.4; 13.3.1). Die Regioselektivität der Reaktion nimmt mit zunehmender Temperatur ab, ist jedoch bei genügend tiefen Temperaturen so groß, daß eine gezielte Herstellung bestimmter Halogenalkane über die stabilsten Radikale als reaktive Zwischenstufen möglich ist, z. B.: H3C CH2 CH 3
 
 +
 
 Cl2
 
 hν (−60 °C)
 
 73 %
 
 H 3C CH CH 3
 
 +
 
 HCl
 
 +
 
 HBr
 
 Cl
 
 2-Chlorpropan
 
 CH 3 H3C
 
 CH C CH 3 CH3 CH 3
 
 +
 
 Br2
 
 hν (80 °C)
 
 >90 %
 
 Br CH 3 H 3C
 
 C C CH3
 
 H 3C CH 3 2-Brom-2,3,3-trimethylbutan
 
 Photobromierungen werden durch Sauerstoff und Peroxide beschleunigt, sie gelingen auch gut mit N-Bromsuccinimid. Gute Photochlorierungs-Reagenzien sind Sulfuryl-, Trichlormethansulfonylund Trifluormethansulfonylchlorid.
 
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 29.5
 
 Präparative Photochemie
 
 561
 
 Photocyanierung Alkane und Ether werden mit Chlorcyan zu Nitrilen photocyaniert: ̈
 
 +
 
 Cl CN
 
 hν
 
 CN
 
 +
 
 HCl
 
 Cyanocyclohexan
 
 H3C CH2 O CH 2 CH 3
 
 +
 
 Cl CN
 
 hν
 
 H3C CH2 O CH CH 3
 
 +
 
 HCl
 
 CN
 
 2-Ethoxypropannitril
 
 Photonitrosierung und Photooximierung Die Photoreaktion von Gemischen aus Stickoxid und Chlor mit Cycloalkanen ergibt je nach Zusammensetzung des Reaktionsgemisches 1-Chlor-1-nitrosocycloalkane oder Cycloalkanoxime: Cl + Cl2
 
 + NO
 
 hν , − HCl
 
 Cl + 1/2 O2 (HNO3)
 
 NO 1-Chlor-1-nitrosocyclohexan
 
 Cl2 : NO = 1 : 8
 
 NO2 1-Chlor-1-nitrocyclohexan
 
 hν
 
 H
 
 N
 
 OH
 
 NO
 
 BECKMANNUmlagerung
 
 Cyclohexanonoxim
 
 O
 
 [H+]
 
 N H ε-Caprolactam
 
 Die Photooximierung des Cyclohexans ist von technischer Bedeutung, da Cyclohexanonoxim eine BECKMANN-Umlagerung (Kap. 22.4.10) zu ε-Caprolactam eingeht, welches Ausgangsprodukt zur Synthese der Polyamid-Faser "Perlon" ist. Eine weitere Methode zur photoinduzierten Einführung einer Nitroso-Gruppe am KohlenstoffAtom ist die BARTON-Reaktion der aus Distickstofftrioxid und Alkoholen gut zugänglichen Alkylnitrite. Die Photolyse der Alkyl−O−N-Bindung ergibt zunächst ein Alkoxy-Radikal und Stickoxid. Durch γ-Wasserstoffübertragung lagert sich das Alkoxy-Radikal zum Alkyl-Radikal um, welches mit Stickoxid zum 4-Nitrosoalkanol kombiniert: N O
 
 O hν
 
 H
 
 O
 
 NO H
 
 R
 
 OH
 
 γ-H-Übertragung
 
 R
 
 NO
 
 OH NO
 
 R
 
 Alkylnitrit
 
 R 4-Nitrosoalkanol
 
 Das Nitrosoalkanol liegt im Tautomeriegleichgewicht mit dem entsprechenden Oxim vor. Letzteres läßt sich zur Carbonyl-Verbindung hydrolysieren. Hierauf beruht die präparative Bedeutung der BARTON-Reaktion. N O
 
 O hν
 
 H R
 
 Alkylnitrit
 
 OH NO R
 
 OH OH N R
 
 + H2O (H3O+) − NH2OH
 
 OH O R γ-HydroxycarbonylVerbindung
 
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 562
 
 29 Photoreaktionen
 
 Photosulfoxidation Neben der lichtinduzierten Sulfochlorierung (Kap. 2.7.5) ist die Photosulfoxidation der Alkane und Cycloalkane eine brauchbare Methode zur Herstellung von Sulfonsäuren, z. B.: + SO2
 
 hν (15 - 25 °C)
 
 + 1/2 O2
 
 SO3H
 
 80 - 90 %
 
 Cyclohexansulfonsäure
 
 29.5.2
 
 Photofragmentierungen
 
 Bei einer Photofragmentierung zerfällt eine Verbindung lichtinduziert in zwei oder mehr stabile Folgeprodukte. Aldehyde und Ketone neigen zu solchen Fragmentierungen, die als NORRISHReaktionen bekannt sind. NORRISH-Typ-I-Reaktionen sind α-Spaltungen; sie brechen die Bindung zwischen CarbonylGruppe und α-C-Atom. Nach der Absorption des Photons kann die Spaltung von Singulett- und Triplett-Zuständen ausgehen; Arylketone spalten wegen des schnellen Intersystem-crossings meist aus dem Triplett-Zustand. Folgereaktionen der NORRISH-Typ-I-Reaktion sind neben der Rekombination der Radikale die Decarbonylierung zu einem Alkan und eine Wasserstoff-Verschiebung zwischen den Radikalen unter Bildung eines Ketens. NORRISH-Typ- I O H
 
 C
 
 NORRISH-Typ- II O
 
 hν
 
 H
 
 C
 
 C
 
 .
 
 C
 
 +
 
 .
 
 O
 
 C
 
 H
 
 hν
 
 O
 
 R
 
 R
 
 .
 
 H
 
 .
 
 − CO
 
 OH C
 
 C
 
 O
 
 + H C
 
 H
 
 C
 
 O
 
 R
 
 C
 
 H +
 
 R
 
 Ketone mit γ-ständigem H-Atom neigen zu den NORRISH-Typ-II-Reaktionen über einen sechsgliedrigen Übergangszustand. Dabei entsteht ein 1,4-Biradikal. Folgereaktionen sind die Kombination zum Cyclobutanol oder, wie bei der MCLAFFERTY-Umlagerung (Kap. 28.7.5), die βSpaltung in ein Alken und ein zum Keton tautomerisierendes Enol. Cycloalkanone decarbonylieren nach der NORRISH-Typ-I-Spaltung unter Ringverengung um ein CAtom. 3,5-Cycloheptadienon öffnet sich dagegen über ein Bis-Allyl-Radikal zum 1,3,5-Hexatrien: O
 
 hν , nπ*
 
 O
 
 − CO
 
 In 1,3-Diphenyl-2-indanonen erschwert die benzoide Mesomeriestabilisierung eine 1,3-DienBildung; daher führt die Photodecarbonylierung quantitativ zu Benzocyclobuten-Derivaten: H O
 
 1,3-Diphenyl-2-indanon
 
 hν , − CO
 
 sowie
 
 1,2-Diphenylbenzocyclobuten
 
 H cis-
 
 trans-
 
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 29.5
 
 Präparative Photochemie
 
 29.5.3
 
 563
 
 Photoisomerisierungen
 
 Di-π-Methan-Umlagerung Die Photoisomerisierung von 3,3-Dialkyl-1,4-dienen zu Vinylcyclopropanen ist als Di-π-MethanUmlagerung bekannt. Reaktive Zwischenstufen sind Diradikale, welche durch die Substituenten in 3-Stellung stabilisiert werden. hν 3,3-Dialkyl-1,4-dien
 
 2,2-Dialkyl-1-vinylcyclopropan
 
 Bei der Di-π-Methan-Umlagerung der Allylbenzene erübrigen sich die Alkyl-Gruppen, da die Intermediate mesomeriestabilisierte Allyl-Radikale sind: hν
 
 Allylbenzen
 
 Cyclopropylbenzen
 
 trans-cis-Isomerisierungen Sperrig substituierte Alkene sind präparativ bevorzugt als (E)- oder trans-Isomere zugänglich. Durch Bestrahlung mit UV-Licht in Gegenwart eines Photosensibilisators (Benzophenon, Benzil) ist häufig eine trans-cis-Isomerisierung aus dem langlebigen angeregten Triplett-Zustand des Alkens möglich. Dieser reaktive Zustand wird durch Energieübertragung entsprechend dem bereits skizzierten Sensibilisierungsmechanismus (Kap. 29.2) erreicht: H hν , n π*
 
 (C 6H 5)2CO
 
 1 [(C
 
 R
 
 + C C
 
 Intersystem Crossing 6H 5)2CO]
 
 3 [(C
 
 6H 5)2CO]
 
 R
 
 3
 
 H
 
 H
 
 R C
 
 − (C6 H5) 2 CO
 
 R
 
 Isomerisierung
 
 R
 
 R C
 
 C
 
 H
 
 H
 
 C
 
 H
 
 Phenyl-Reste (R), Carbonyl-Gruppen sowie deren Heteroanaloga verlängern die Lebensdauer des Triplett-Zustands infolge Mesomeriestabilisierung, was die Ausbeuten der Isomerisierung steigert. H
 
 H
 
 H
 
 N
 
 H
 
 N
 
 hν , ( Benzophenon)
 
 hν , ( Benzil) 80 %
 
 H
 
 H
 
 N
 
 cis-Stilben
 
 N H
 
 H
 
 cis-2,2'-Diazastilben
 
 Ist die Carbonyl-Gruppe ein Rest R, so gelingt die Photoisomerisierung ohne Photosensibilisator: H 3CO
 
 H 3CO H H
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 hν
 
 74 %
 
 H
 
 H
 
 cis-4-Methoxyzimtsäure
 
 Analog photoisomerisieren Azobenzen-Derivate (Kap. 23.8.1) und Oxime.
 
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 564
 
 29 Photoreaktionen
 
 Valenztautomerisierung cyclischer 1,3-Diene Die photoinduzierte Valenztautomerisierung (Kap. 8.7.4, 26.5.2) cyclischer 1,3-Diene ist ein allgemeines Prinzip zur Darstellung bicyclischer Cyclobuten-Derivate:
 
 7
 
 O
 
 O
 
 1
 
 hν , ( Ether)
 
 hν , ( Ether)
 
 4
 
 6
 
 6
 
 1
 
 Bicyclo[4.2.0]oct-7-en
 
 2
 
 OCH3 1-Methoxybicyclo[3.2.0]hepta-2,6-dien-4-on
 
 H 3CO
 
 Bicyclisierung höhergliedriger Cycloalkanone Bei Bestrahlung höhergliedriger Cycloalkanone entstehen in präparativ brauchbaren Ausbeuten am Brückenkopf hydroxylierte Bicyclen unter trans-annularer Wasserstoff-Verschiebung: O
 
 OH hν
 
 OH sowie
 
 H
 
 H
 
 64 % cis11 % transBicyclo[8.2.0]dodecan-1-ol
 
 Cyclododecanon
 
 Cyclodecanon bicyclisiert auf diese Weise zum cis-Decahydro-4a-naphthol, während die analoge Reaktion des 1,2-Cyclodecandions das bicyclische Acyloin 1-Hydroxybicylo[6.2.0]decan-10-on ergibt: O
 
 4
 
 hν
 
 O
 
 HO
 
 4a 5
 
 6
 
 3
 
 2
 
 O
 
 8a 1 8
 
 OH hν
 
 7
 
 cis-Decahydro-4a-naphthol
 
 29.5.4
 
 O
 
 1-Hydroxybicyclo[6.2.0]decan-10-on
 
 Photodehydrocyclisierungen
 
 In Gegenwart von Oxidationsmitteln [Eisen(III)-chlorid, Iod, Luft-Sauerstoff] dehydrocyclisieren trans-Stilbene über die cis-Isomeren zu Phenanthren-Derivaten: hν
 
 R
 
 R
 
 R
 
 subst. trans-Stilben
 
 hν
 
 (I2 oder FeCl3)
 
 R
 
 − 2 [H+] , − 2 e0
 
 −
 
 H
 
 R
 
 H
 
 H
 
 R
 
 H
 
 subst. Phenanthren
 
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 29.5
 
 Präparative Photochemie
 
 565
 
 Das Ringschlußprinzip ist auf Heteroanaloge des Stilbens übertragbar. Aus Benzalanilinen entstehen z. B. Phenanthridine, aus Azobenzenen entsprechend Benzo[c]cinnoline: R R
 
 hν
 
 N
 
 R N
 
 − 2 [H +] , − 2 e0
 
 N
 
 −
 
 Phenanthridin
 
 R = H , C 6H5
 
 N
 
 hν
 
 N
 
 − 2 [H +] , − 2 e0
 
 N R
 
 −
 
 Benzo[c]cinnolin
 
 R = H , CO2CH 3
 
 Auch N-Alkyl- oder N-Arylcarbazole sind durch Photodehydrocyclisierung von Diphenylalkyloder Triphenylaminen zugänglich, z. B.: CH 3
 
 CH3
 
 N
 
 N
 
 hν
 
 N
 
 (Luft-O2)
 
 I
 
 − 2 [H+] , − 2 e0
 
 H H
 
 Methyldiphenylamin
 
 29.5.5
 
 CH3
 
 −
 
 N-Methylcarbazol
 
 Photoadditionen
 
 ̈ Addition an CC-Mehrfachbindungen Eine präparative Methode zur Einführung von Trichlor- und Trifluormethyl-Gruppen ist die Photoaddition von Tetrahalogenmethanen (BrCCl3; ICF3) an terminale Alkene. Die Addition folgt einem Radikal-Kettenmechanismus, wobei primär Trihalogenmethyl-Radikale an die Mehrfachbindung addieren: hν
 
 Z CX3 +
 
 R CH CH2 R CH CH2 CX3
 
 +
 
 +
 
 Z
 
 CX3
 
 CX3
 
 R CH CH 2 CX3
 
 Z CX3
 
 R CH CH 2 CX3
 
 X = Br, Cl, F ; Z = Br, I
 
 +
 
 CX3
 
 Z
 
 Anwendungen dieser Photoaddition sind die Herstellung des 1,1,1,3-Tetrabromnonans aus 1Octen und Tetrabrommethan, C6H 13
 
 CH CH 2
 
 +
 
 CBr4
 
 hν
 
 88 %
 
 C6H 13
 
 CH CH2 CBr3 Br
 
 1,1,1,3-Tetrabromnonan
 
 und der 4,4,4-Trifluor-2-butensäure (E und Z) aus Acrylnitril über 2-Iod-4,4,4-trifluorbutyronitril: H2C CH CN
 
 +
 
 F 3C I
 
 hν
 
 + KOH
 
 F 3C CH2 CH CN
 
 I
 
 F 3C CH CH CN
 
 − K Ι , − H2O
 
 + H2O , + H3O+
 
 − NH4+
 
 F 3C CH CH CO2H
 
 Die Photoaddition von Perhalogenalkanen an Alkine ist ebenfalls möglich.
 
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 566
 
 29 Photoreaktionen
 
 Eine milde Methode zur Einführung der Carboxamid-Funktion ist die Photoaddition von Formamiden an Vinyl-Verbindungen, z. B.: O C5H 11
 
 +
 
 CH CH 2
 
 hν
 
 H C
 
 60 %
 
 NH 2
 
 1-Hepten
 
 C 5H11
 
 O CH2 CH2 C NH 2
 
 Octansäureamid
 
 Addition von Aldehyden an Chinone Während die Photoaddition von Aldehyden an o-Chinone O-Acylbrenzcatechine ergibt, O + O
 
 O H C R
 
 O
 
 hν
 
 C
 
 R
 
 OHO O-Acylbrenzcatechin (2-Acyloxyphenol)
 
 führt die entsprechende Reaktion der p-Chinone zu einem C-acylierten Hydrochinon, z. B.: OH O C
 
 O +
 
 O H C CH3
 
 hν
 
 CH3
 
 OH
 
 O
 
 2,5-Dihydroxyacetophenon
 
 29.5.6
 
 Photocycloadditionen
 
 [2+2]-Cycloadditionen zu Cyclobutan-Derivaten Die [2+2]-Cycloaddition substituierter Ethene ist eine bekannte und vielseitige CyclobutanSynthese (Kap. 8.6.2), welche sowohl thermisch als auch photochemisch möglich und Orbitalsymmetrie-erlaubt ist (Kap. 27.3.2). Sie führt zu cis-trans-Isomerengemischen. H5C 6 H5C 6
 
 H 5C6 H5C 6
 
 hν
 
 C 6H5 C 6H5
 
 H5C 6 C 6H5 C6H 5
 
 cis-trans-cis(Hauptprodukt)
 
 C6H 5
 
 sowie
 
 H5C 6
 
 C6H 5
 
 trans-trans-trans(Nebenprodukt)
 
 1,2,3,4-Tetraphenylcyclobutan
 
 und ist auf Cycloalkene übertragbar, wobei tricyclische Cyclobutan-Derivate entstehen, z. B.: 2
 
 hν Sensibilisator 55 %
 
 trans-Tricyclo[5.3.0.0 2,6 ]decan
 
 Bei s-cis-1,3-Dienen konkurriert die [4+2]-Cycloaddition (DIELS-ALDER-Reaktion).
 
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 29.5
 
 Präparative Photochemie
 
 567
 
 [2+2]-Cycloadditionen zu Oxetan-Derivaten (PATERNO-BÜCHI-Reaktion) Die mit vergleichsweise wenig Energie nπ*-anregbaren Ketone und Aldehyde (Benzophenone, Acetophenone, Benzaldehyde) cycloaddieren an Alkene unter Bildung von Oxetanen (PATERNOBÜCHI-Reaktion). Besonders gute Ausbeuten erhält man aus Benzophenonen und mehrfach verzweigten oder cyclischen sowie heterocyclischen Ethen-Derivaten: O H 5C 6
 
 H3C
 
 C
 
 C6H 5
 
 + H3C
 
 C C
 
 CH3
 
 CH3
 
 hν
 
 O
 
 CH3
 
 O C
 
 C6H 5
 
 C6H6 , hν
 
 +
 
 C6H 5
 
 C
 
 O
 
 H 5C6 4,4-Diphenyl-3-oxatricyclo[4.2.1.0 2,5]nonan C 6H 5
 
 H 5C6
 
 O
 
 O
 
 hν
 
 +
 
 O
 
 H 5C6
 
 80 %
 
 Bicyclo[2.2.1]hept-2-en
 
 H 5C 6
 
 CH 3
 
 H5C 6 CH3 4,4-Diphenyl-2,2,3,3-tetramethyloxetan
 
 2,3-Dimethylbuten
 
 H 5C 6
 
 CH 3
 
 H 5C 6
 
 70 %
 
 O
 
 94 % Furan
 
 6,6,Diphenyl-4,7-dioxabicyclo[3.2.0]hept-2-en
 
 Die Orientierung der Cycloaddition läßt sich oft durch Stabilitätsbetrachtungen des als Zwischenstufe zu erwartenden Biradikals vorhersagen (Abb. 29.4). Das Biradikal entsteht wahrscheinlich durch Zerfall eines als "Exciplex" bezeichneten, sehr schnell entstehenden Komplexes aus Alken und Triplett-Zustand des angeregten Ketons (Abb. 29.4). Einen Hinweis darauf liefern die im Vergleich zu anderen Photoadditionen meist erheblich höheren Geschwindigkeitskonstanten der PATERNO-BÜCHI-Reaktion. Ar
 
 Ar
 
 weniger stabil Ar
 
 C H
 
 O
 
 CR2
 
 C
 
 H
 
 Ar C O Ar
 
 hν
 
 Ar C O Ar
 
 Intersystem Crossing
 
 3
 
 H
 
 R
 
 + C C
 
 Ar C O
 
 R
 
 R
 
 R
 
 Nebenprodukt
 
 R C
 
 C
 
 C
 
 O
 
 R
 
 R Ar
 
 Ar
 
 O
 
 H R R
 
 R
 
 1
 
 Ar
 
 Exciplex
 
 Ar
 
 stabiler (höher alkyliertes Biradikal)
 
 Ar
 
 Ar Ar
 
 C R
 
 O
 
 CHR
 
 C R
 
 Ar
 
 O R
 
 R R H
 
 Hauptprodukt
 
 Abb. 29.4. Zum Mechanismus der PATERNO-BÜCHI-Reaktion
 
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 568
 
 29 Photoreaktionen
 
 Die PATERNO-BÜCHI-Reaktion von Alkinen mit Diarylketonen führt − sehr wahrscheinlich über Oxetene − zu α,β-ungesättigten Ketonen, z. B.:
 
 (C 6H5)2CO
 
 +
 
 O
 
 hν
 
 C 4H9 C C C4H 9
 
 H5C 6
 
 C 4H9
 
 C4H 9
 
 O H 5C6
 
 C 6H5 C 4H9
 
 C4H 9 C6H 5
 
 2-Butyl-1,1-diphenyl-1-hepten-3-on
 
 Die [2+2]-Cycloaddition von Ketonen mit Alkenen, an deren Doppelbindungen elektronegative Substituenten sitzen, folgt nicht dem in Abb. 29.4 skizzierten Biradikal-Mechanismus. Zwischenstufe ist vielmehr ein nucleophiler nπ*-angeregter Singulett-Zustand. Zwar sind die Ausbeuten weniger gut, jedoch ermöglichen solche Cycloadditionen die Einführung funktioneller Gruppen in das Oxetan-System: H3C
 
 + O
 
 CN
 
 H 3C
 
 H3C C
 
 O , hν
 
 CN
 
 CN
 
 CN
 
 H3C
 
 C
 
 O , hν
 
 O
 
 H3C
 
 CN
 
 H3C
 
 CN
 
 NC
 
 H3C
 
 +
 
 CN
 
 H 3C
 
 trans-2,3-Dicyano-3,3-dimethyloxetan
 
 cis-2,3-Dicyano-4,4-dimethyloxetan
 
 ̈ [4+2]- und andere Cycloadditionen von Dien-Systemen Die Photodimerisierung cisoider 1,3-Dien-Systeme verläuft unter Konkurrenz von [2+2]- und [4+2]-Cycloadditionen, wie bereits das Beispiel des 1,3-Butadiens zeigt (Kap. 29.2). Bei Bestrahlung von Benzen mit Maleinsäureanhydrid entsteht zunächst ein Bicyclus durch [2+2]Cycloaddition, der mit weiterem Dienophil durch [4+2]-Cycloaddition zum tricyclischen Tetracarbonsäuredianhydrid abreagiert: O O +
 
 2
 
 O
 
 O O
 
 [2+2]
 
 O
 
 O
 
 O +
 
 O
 
 hν
 
 O
 
 7 8
 
 O
 
 1
 
 5
 
 10
 
 [4+2]
 
 9
 
 O
 
 6
 
 2
 
 4
 
 O
 
 3
 
 O O Tricyclo[4.2.2.01,6 ]dec-9-en-exo,endo3,4:7,8-tetracarbonsäuredianhydrid
 
 Die Photodimerisierung kondensierter Aromaten und Heteroaromaten erfolgt oft als [4+4]-Cycloaddition und führt dann zu Achtringen, wie die Beispiele illustrieren: R 2
 
 R
 
 R R
 
 hν
 
 2
 
 [4+4]
 
 R 9,10,11,16-Tetrahydro-9,10[9',10']anthracenoanthracen-Derivate
 
 N
 
 N
 
 hν
 
 N
 
 [4+4]
 
 R 2,6-Diazatricyclo[4.2.2 1,4.2 5,8 ]dodeca-2,6,9,11-tetraen-Derivate
 
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 29.5
 
 Präparative Photochemie
 
 569
 
 [4+2]-Cycloadditionen von 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen Ungesättigte 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen photocycloaddieren an Alkene (Stilbene, Styrene). Die Reaktion ist eine heteroanaloge [4+2]-Cycloaddition und eröffnet einen Zugang zu zahlreichen Derivaten des 1,4-Dioxins, z. B.: O
 
 O
 
 62 %
 
 O 9,10-Phenanthrenchinon
 
 O
 
 hν
 
 +
 
 Ethylvinylether
 
 O
 
 O
 
 2-Ethoxy-2,3-dihydrophenanthro[9,10-b]1,4-dioxin
 
 Cycloreversionen Eine Umkehrung der [2+2]-Cycloaddition (Retro-Cycloaddition, Cycloreversion) macht interessante Ringsysteme zugänglich, wenn die Reaktion energetisch von der Bildung eines besonders stabilen Nebenproduktes profitiert. Ein bekanntes Beispiel ist die ergiebige Synthese von Bullvalen (Kap. 8.7.4) durch Photolyse des Cyclooctatetraen-Dimeren unter Benzen-Abspaltung: hν , 24 h
 
 +
 
 80 % Cyclooctatetraen-Dimer
 
 29.5.7
 
 Bullvalen
 
 Photooxidation mit und Photoaddition von Sauerstoff
 
 Dehydrierungen Durch Photodehydrierung von Alkenen mit Chinonen (9,10-Phenanthrenchinon, Tetrachlor-pbenzochinon) gelingt die Einführung einer CC-Doppelbindung, besonders gut, wenn bestehende π-Systeme um eine zusätzliche konjugierte π-Bindung erweitert oder aromatisiert werden, z. B.: O
 
 OH
 
 hν
 
 +
 
 +
 
 O
 
 OH
 
 Tetrahydronaphthalen (Tetralin)
 
 Dihydronaphthalen
 
 C 6H 5
 
 Cl
 
 + C 6H 5
 
 H 5C 6 C 6H 5
 
 Cl
 
 OH
 
 C 6H 5
 
 O Cl
 
 H 5C 6
 
 Cl
 
 H 5C 6
 
 hν
 
 Cl
 
 Cl
 
 C 6H 5
 
 H 5C 6
 
 O
 
 Cl OH
 
 C 6H 5
 
 1,2,3,4,5-Pentaphenyl-1,3-cyclohexadien
 
 Cl
 
 +
 
 Pentaphenylbenzen
 
 Hydroperoxidation Vor allem sekundäre Alkohole und offenkettige sowie cyclische Ether neigen zur Photohydroperoxidation in α-Stellung zum Sauerstoff; dabei entstehen (explosive) Hydroperoxide: CH 3 HO C H R
 
 +
 
 O2
 
 hν , Benzophenon
 
 25 %
 
 CH 3 HO C OOH R
 
 R = CH3 : 2-Hydroperoxy-2-propanol
 
 O +
 
 O2
 
 hν , Benzophenon
 
 O
 
 OOH
 
 46 % 2-Hydroperoxytetrahydrofuran
 
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 570
 
 29 Photoreaktionen
 
 Hydroperoxide des Typs R2CH−OOH reagieren mit Wasser zu den entsprechenden CarbonylVerbindungen R2CO und Wasserstoffperoxid. Transannular-Peroxidation Transannulare Peroxide (Dihydro-1,2-dioxine) entstehen durch sensibilisierte Photocycloaddition von Sauerstoff an substituierte und kondensierte 1,3-Dien-Systeme. Ein bis zur technischen Reife entwickeltes Beispiel ist die Partialsynthese des Monoterpen-Peroxids und Wurmmittels Ascaridol aus α-Terpinen. Gut gelingt die Transannular-Peroxidation auch bei 9,10-disubstituierten Anthracenen. Die gebildeten Epidioxide zerfallen beim Erhitzen oft in die Edukte. C 6H 5
 
 C 6H 5 + O2
 
 hν , Chlorophyll
 
 O
 
 O
 
 hν , CS2
 
 + O2
 
 O
 
 > 200 °C
 
 C 6H 5
 
 C 6H 5 Ascaridol
 
 α-Terpinen
 
 O
 
 9,10-Diphenylanthracen
 
 9,10-Epidioxy-9,10-diphenylanthracen
 
 Photooxidation von Schwefel-Verbindungen Sauerstoff oxidiert Sulfoxide in Gegenwart eines Sensibilisators zu Sulfonen: 2 R1
 
 +
 
 SO R 2
 
 hν , Sensibilisator
 
 O2
 
 2 R1
 
 SO2 R2 Dialkylsulfon
 
 > 90 %
 
 Dialkylsulfoxid
 
 Die Photoaddition von Sauerstoff an Thioharnstoff führt zur entsprechenden Sulfinsäure: HN
 
 H 2N
 
 60 %
 
 H 2N
 
 H 2N
 
 Thioharnstoff-Tautomere
 
 29.5.8
 
 HN
 
 + O2 / hν , Sensibilisator
 
 C SH
 
 C S
 
 O C S
 
 OH H 2N Aminoiminomethan sulfinsäure
 
 Photoreduktionen
 
 Reduktion von Phenonen Benzophenone werden in 2-Propanol bei Gegenwart von etwas Natrium-i-propanolat photochemisch zu Benzhydrolen reduziert: H OH
 
 O C +
 
 C
 
 hν / Alkoholat
 
 (H3C)2CHOH
 
 90 %
 
 H3CO
 
 4-Methoxybenzophenon
 
 +
 
 (H3C)2CO
 
 H3CO
 
 (R,S)-4-Methoxybenzhydrol
 
 Die Photoreduktion von Benzophenonen mit Benzhydrolen in Benzen als Lösemittel ist eine lange bekannte Methode zur Herstellung von Tetraaryl-1,2-ethandiolen: Ar C O Ar
 
 +
 
 H
 
 Ar C
 
 HO
 
 Ar
 
 hν (C6H6)
 
 HO OH Ar C C Ar Ar Ar
 
 Der Mechanismus dieser Photoreduktion ist gut untersucht. Nach nπ*-Anregung des Benzophenons und Intersystem Crossing wird Wasserstoff vom Benzhydrol auf den angeregten Triplett-
 
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 29.6
 
 Biologische Photoreaktionen
 
 571
 
 Zustand des Benzophenons übertragen. Dabei entstehen zwei Diphenylhydroxymethyl-Radikale, die zum Tetraaryl-1,2-ethandiol kombinieren: Ar C O
 
 hν
 
 1
 
 Ar
 
 Intersystem
 
 C O
 
 Ar
 
 3
 
 Crossing
 
 Ar
 
 +
 
 Ar C O
 
 H
 
 Ar C
 
 HO
 
 Ar
 
 HO OH
 
 Ar 2
 
 Ar
 
 C OH
 
 Ar
 
 Ar
 
 C C Ar Ar Ar
 
 Reduktion von Iminen Auch Imine können photochemisch durch sekundäre Alkohole als Wasserstoff-Donatoren zu Aminen reduziert werden. Diese Photoreduktion bewährt sich bei der Synthese mancher hydrierter Heterocyclen, z. B. zur Herstellung des Hexahydrocarbazols aus dem Tetrahydro-Derivat: N +
 
 H N
 
 hν
 
 (H 3C)2CHOH
 
 CH 3
 
 +
 
 (H 3C)2CO
 
 CH 3
 
 4a-Methyl-1,2,3,4,4a,9a-hexahydrocarbazol
 
 Hydrierung von CC-Doppelbindungen Die Photohydrierung von CC-Doppelbindungen in Gegenwart von Wasserstoff-Donatoren wie 2Propanol oder Diphenylmethan ist im wesentlichen auf α,β-ungesättigte Carbonyl-Verbindungen beschränkt. 1-Phenalenon wird z. B. durch 2-Propanol zu 2,3-Dihydro-1-phenalenon reduziert: O
 
 O +
 
 hν
 
 (H 3C)2CHOH
 
 +
 
 (H3C)2CO
 
 29.6 Biologische Photoreaktionen 29.6.1
 
 Sehvorgang
 
 Der lichtempfindliche Farbstoff der Sehzellen des Auges ist der Sehpurpur Rhodopsin. Rhodopsin ist die SCHIFFsche Base aus einer Lysin-ε-Amino-Gruppe des Proteins Opsin und der AldehydFunktion des 11-cis-Retinals. Schlüsselreaktion des Sehvorganges ist die Isomerisierung des labilen 11-cis-Retinal-Opsins zum stabilen trans-Retinal-Opsin, sobald ein Lichtquant die Sehzellen trift. Diese cis-trans-Isomerisierung hat Konformationsänderungen des Opsins zur Folge, welche in der Sehzelle über eine Enzymkette einen Nervenimpuls auslösen. Das all-trans-Retinal (Kap. 43.2.3) wird innerhalb des Proteins enzymatisch zu 11-cis-Retinal regeneriert. hν
 
 N (CH2)4 Rhodopsin (SCHIFFsche Base aus Opsin und 11- cis-Retinal)
 
 N
 
 Nervenimpuls
 
 Opsin
 
 (CH2)4 Opsin
 
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 572
 
 29 Photoreaktionen
 
 29.6.2
 
 Photosynthese
 
 Die Photosynthese (Abb. 29.5) umfaßt eine Lichtreaktion (Primärschritt) und eine Dunkelreaktion (Sekundärschritt). In der Lichtreaktion wird die Energie der Lichtquanten hν durch Elektronenanregung des Chlorophylls a in chemische Energie des Nucleotids Adenosintriphosphat (ATP, Kap. 41.3.1) und des Redox-Coenzyms NADPH+H+ umgewandelt. Dieser Prozeß ist mit der Emission von Elektronen aus Chlorophyll a (Kap. 35.7.6) gekoppelt, die zur Photolyse des Wassers führt. Primärschritt: Lichtreaktion in der ChloroplastenMembran (Thylakoid-Membran)
 
 H 2O
 
 hν
 
 Photolyse des Wassers Elektronentransport NADPH + H
 
 Sekundärschritt: Dunkelreaktion im Stoma (homogene Grundsubstanz) der Chloroplasten
 
 CO2 aus Atmosphäre
 
 1/2 O2
 
 ATP (+)-D-Glyceraldehydmonophosphat
 
 reduktive Kohlenhydrat-Synthese (CO2 -Assimilation)
 
 (+)-D-Glucose
 
 Abb.29.5. Vereinfachtes Schema der Photosynthese in den Chloroplasten grüner Pflanzen
 
 Die Photolyse des Wassers setzt Sauerstoff frei; ein Wasserstoff-Atom wird an das Coenzym Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid (NAD) gebunden, das andere als Hydrid-Anion abgespalten: H
 
 O C
 
 H 2O +
 
 H H NH2
 
 C
 
 hν (Chloroplasten)
 
 N
 
 O NH 2
 
 + [H ]
 
 R NAD
 
 Adenin
 
 + 1/2 O2
 
 N
 
 O
 
 R NADH
 
 R=
 
 O
 
 HO
 
 N
 
 N
 
 O P O P O O
 
 NH 2
 
 N
 
 N
 
 O
 
 OH OH OH Diphosphorsäure
 
 O HO
 
 D-Ribose
 
 O P OH
 
 D-Ribose
 
 OH
 
 Im Sekundärschritt (Abb. 29.5) wird Kohlendioxid aus der Atmosphäre an Multienzym-Komplexe fixiert. In diesem Zustand carboxyliert es im CALVIN-Cyclus der Dunkelreaktion die Enol-Form des Ribulose-1,5-diphosphats (C5) enzymatisch zum 2-Carboxy-3-ketoribitol-1,5-diphosphat (C6). Die Hydrolyse dieser β-Oxocarbonsäure (Säurespaltung, Kap. 19.5.2) führt zu zwei Äquivalenten Glycerinsäure-3-monophosphat (C3). Adenosintriphosphat (ATP, Kap. 41.3.1) phosphoryliert anschließend zu Glycerinsäure-1,3-diphosphat, welches durch das (NADH+H+)-System zur Triose Glyceraldehyd-monophosphat als C3-Grundbaustein zum enzymatischen Aufbau der Hexosen (Kap. 40.1.2) reduziert wird. CH2 O P C O H C OH H C OH CH2 O P Ribulose1,5-diphosphat
 
 + CO2
 
 CH2 O P O2C C OH C O
 
 + H2O
 
 CH2 O P 2 H C OH CO2
 
 H C OH
 
 + ATP − ADP
 
 CH2 O P
 
 NAD+
 
 2 H C OH O
 
 C
 
 CH2 O P 2 H C OH
 
 O P
 
 H 2O
 
 CHO
 
 O
 
 CH2 O P 2-Carboxy-3-ketoribitol1,5-diphosphat
 
 NADH + [H+]
 
 Glycerinsäure3-monophosphat
 
 Glycerinsäure1,3-diphosphat
 
 P =O P OH OH
 
 Glyceraldehydmonophosphat
 
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 29.7
 
 Chemolumineszenz
 
 573
 
 29.7 Chemolumineszenz Licht kann einerseits durch Elektronenanregung Photoreaktionen auslösen. Andererseits gibt es Reaktionen, die ohne äußere Energiezufuhr sichtbares Licht (λ = 770 - 380 nm) erzeugen. Bei diesem als Chemolumineszenz bezeichneten Vorgang setzt die chemolumineszente Reaktion Energiebeträge frei, die zur Elektronenanregung ausreichen (154 - 315 kJ/mol). Während sie in den Grundzustand übergehen, emittieren die angeregten Moleküle sichtbares Licht wie bei der Fluoreszenz (Kap. 29.1.2). Chemolumineszenz ist somit chemisch angeregte Fluoreszenz und kann auftreten, wenn bei einer Reaktion fluoreszierende Verbindungen zugegen sind oder entstehen. Chemolumineszenz wird beim Zerfall einiger organischer Peroxide beobachtet. Ein Beispiel ist die durch Eisen(III)-Komplexe katalysierte Oxidation des aus 3-Nitrophthalsäureanhydrid zugänglichen 3-Aminophthalsäurehydrazids (Luminol) mit Wasserstoffperoxid in alkalischer Lösung. Über intermediäre Peroxide entsteht am Ende das (fluoreszierende) 3-Aminophthalat im angeregten Zustand, der unter Emission blauen Lichts (λ = 425 nm) in den Grundzustand übergeht. H2N
 
 O
 
 H2N
 
 O NH NH
 
 + 4 OH
 
 , + H2O2 (Fe3
 
 )
 
 O
 
 − 4 H2O , − N2 , − 2 e0
 
 O
 
 O
 
 *
 
 O 3-Aminophthalat im angeregten Zustand
 
 3-Aminophthalsäurehydrazid (Luminol)
 
 3-Aminophthalsäurehydrazid ist als Bislactam eine zweibasige NH-Säure. Ihre Neutralisation mit Natronlauge führt zum Dianion, das katalytisch durch Wasserstoffperoxid zum Phthalazin-1,4dion oxidiert wird. Die nucleophile Addition von Wasserstoffperoxid an eine der Carbonyl-Funktionen ergibt ein Peroxyhydrat, welches sich nach Deprotonierung zum Dianion der Acyldiazenperoxycarbonsäure öffnet. Das durch intramolekulare nucleophile Addition des Peroxycarboxylats an die andere Carbonyl-Funktion entstehende Intermediat entaromatisiert unter Abspaltung von Stickstoff zum Endoperoxid. Dessen elektrocyclische Rearomatisierung unter simultaner Bildung zweier Carbonyl-Gruppen liefert die Energie zur Anregung des 3-Aminophthalats. H2N
 
 H2N
 
 Deprotonierung
 
 O NH NH
 
 − 2 H 2O
 
 O 3-Aminophthalsäurehydrazid
 
 H2N
 
 Oxidation
 
 O
 
 + 2 OH
 
 N
 
 H 2O2 (Fe 3
 
 N
 
 − 2 e0
 
 O
 
 )
 
 N N
 
 O
 
 O Phthalazin-1,4-dion
 
 nucleophile Addition
 
 O
 
 H2N
 
 O
 
 N
 
 O
 
 N N
 
 − N2
 
 O
 
 H2N
 
 HO
 
 Deprotonierung
 
 O
 
 + 2 OH H2N
 
 − 2 H2O
 
 O H
 
 N N
 
 O Phthalazin-1,4-dion-peroxyhydrat
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 N
 
 H2N
 
 N N O Acyldiazenperoxycarbonsäure (Dianion)
 
 H2N
 
 O
 
 O
 
 O
 
 + H2O2
 
 elektrocyclische Rearomatisierung
 
 H2N
 
 O O O
 
 O O Endoperoxid
 
 *
 
 O 3-Aminophthalsäure-Dianion (angeregt)
 
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 574
 
 29 Photoreaktionen
 
 Eisen(III)-Komplexe wie Hämin (aus Blut, Kap. 35.7.6) oder Kaliumhexacyanoferrat(III) sind die Katalysatoren dieser chemolumineszenten Oxidation. Die Reaktion findet zum Nachweis verborgener Blutspuren bei der Verbrechensaufklärung Anwendung. Die Perhydrolyse von Oxalsäurediarylestern mit Aryl-Resten, welche durch elektronenziehende Gruppen substituiert sind, entfacht in Gegenwart fluoreszierender Arene eine sensibilisierte Chemolumineszenz, welche in Form chemischer Leuchtröhren ("light sticks") zur Beleuchtung angewendet wird. Das "kalte Licht" entsteht nach RAUHUT wahrscheinlich durch Perhydrolyse des Diesters über 1,2-Dioxetandion; dessen Cycloreversion zu Kohlendioxid liefert die durch gleichzeitige Genese zweier Carbonyl-Gruppen erzeugte Energie zur Anregung eines fluoreszierenden Aromaten Arf wie 5,6,11,12-Tetraphenylnaphthacen (Rubren). Beim Übergang in seinen Grundzustand emittiert der angeregte Aromat Arf* intensiv gelbes Licht. Andere Sensibilisatoren Arf ändern die Farbe des emittierten Lichts (9,10-Diphenylanthracen: blau, Tetracen: grün, Porphyrine: rot, wie das Umschlagfoto dieses Lehrbuchs zeigt). O
 
 O
 
 O C C
 
 R O
 
 +
 
 H2O2
 
 O R
 
 O C
 
 C
 
 O
 
 O
 
 +
 
 OC5H11
 
 2 R OH
 
 O
 
 1,2-Dioxetandion
 
 +
 
 Ar f
 
 Cl
 
 R =
 
 + Ar f 2 CO2
 
 C
 
 Cl ;
 
 Ar f =
 
 Cl
 
 *
 
 Biolumineszenz ist eine enzymatische Chemolumineszenz in vivo, die Bakterien, Insekten, Pilze und Meerestiere (Fische, Krebse, Quallen, Schwämme, Würmer) zum Leuchten bringt, um Artgenossen zu erkennen, zur Paarung anzulocken oder Fraßfeinde abzuschrecken. Dabei werden die meist heterocyclischen Luciferine in Gegenwart der als Luciferasen bezeichneten Enzyme mit Sauerstoff über Peroxide zu Primärprodukten im angeregten Zustand oxidiert. Das Licht, mit dem die Weibchen der Leuchtkäfer Photinus pyralis ("firefly" in Amerika) und Lampyris noctiluca ("Glühwürmchen" in Europa) die Männchen zur Paarung anlocken, entstammt der Oxidation des Photinus-Luciferins, (R)-4,5-Dihydro-2-(6-hydroxy-2-benzothiazolyl)-4-thiazolcarbonsäure, mit dem Sauerstoff der Luft zu einem instabilen α-Peroxylacton (1,2-Dioxetan-3-on) durch die Photinus-Luciferase in Gegenwart von Magnesium-Ionen. Als Energielieferant wirkt Adenosintriphosphat (ATP, Kap. 41.3.1), das zu Adenosinmonophosphat (AMP) und Diphosphorsäure abreagiert. Das Endprodukt, 4,5-Dihydro-2-(6-hydroxy-2-benzothiazolyl)thiazol-4-on, bildet sich durch Cycloreversion des α-Peroxylactons im angeregten Zustand (*) und emittiert gelbgrünes Licht (λ = 562 nm).
 
 HO
 
 N
 
 N
 
 S
 
 S
 
 CO2H
 
 O
 
 + O2 + ATP
 
 Luciferase , Mg2+
 
 N
 
 N
 
 − AMP , − H4P2O7
 
 S
 
 S
 
 HO
 
 C
 
 O
 
 OH OH O − H2O
 
 HO
 
 N
 
 N
 
 S
 
 S
 
 Photinus-Luciferin
 
 C O O
 
 − CO2
 
 HO
 
 N
 
 N
 
 S
 
 S
 
 *
 
 O
 
 4,5-Dihydro-2-(6-hydroxy-2-benzothiazolyl)thiazol-4-on
 
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 30.1
 
 Übersicht nichtbenzoider Aromaten
 
 575
 
 30 Nichtbenzoide Aromaten 30.1 Übersicht nichtbenzoider Aromaten Unter nichtbenzoiden Aromaten versteht man ionische oder neutrale Cyclopolyene, die benzenähnliche physikalische Eigenschaften und Reaktivitäten aufweisen. Die Anzahl ihrer π-Elektronen folgt der (4n+2)-Regel nach HÜCKEL (Kap. 9.6). Ihre π-Bindungen sind bei koplanarer Anordnung aller Ring-C-Atome cyclisch durchkonjugiert. Die Verschiebungen ihrer Protonen in den 1HNMR-Spektren lassen sich durch den als experimentelles Aromatizitätskriterium bekannten Ringstrom-Effekt (Abb. 28.23) erklären. Tab. 30.1 vermittelt eine Übersicht nichtbenzoider Aromaten. Tab. 30.1. Übersicht nichtbenzoider Aromaten. Die angegebenen Formeln beschreiben nur einen mesomeren Grenzzustand sowie das cyclisch delokalisierte π-Elektronensystem monocyclisches aromatisches Ion Cyclopropenium-Kation Cyclopentadienid-Anion
 
 _
 
 Cycloheptatrienium-Kation
 
 Cyclooctatetraendiid-Dianion
 
 Anzahl der π-Elektronen (4n+2)
 
 n
 
 2π
 
 2
 
 0
 
 6π
 
 6
 
 1
 
 6π
 
 6
 
 1
 
 10π 2
 
 10
 
 2
 
 10
 
 2
 
 mesomere Grenzformeln
 
 2
 
 10π
 
 Cyclononatetraenid-Anion _ Annulen
 
 mesomere Grenzformel
 
 Anzahl der π-Elektronen (4n+2)
 
 n
 
 [10]-Annulen
 
 10
 
 2
 
 [14]-Annulen (Anthracen-Typ)
 
 14
 
 3
 
 [14]-Annulen (Pyren-Typ)
 
 14
 
 3
 
 [18]-Annulen
 
 18
 
 4
 
 [22]-Annulen
 
 22
 
 5
 
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 576
 
 30 Nichtbenzoide Aromaten
 
 Die folgenden Abschnitte behandeln Herstellung, Bindungsverhältnisse und ggf. typische Reaktionen der monocyclischen aromatischen Ionen und Annulene. Zusammenfassend werden für jede der beiden Stoffklassen NMR-spektroskopische Eigenschaften skizziert, welche die Verbindungen als Aromaten kennzeichnen.
 
 30.2 Cyclopropenium-Kationen 30.2.1
 
 Synthese
 
 Das Cyclopropenium-Ion entsteht in Form des stabilen Hexachlorantimonats bei der Reaktion von 3-Chlorcyclopropen mit Antimonpentachlorid. 3-Chlorcyclopropen erhält man neben weiteren Mono- und Dichlorcyclopropenen durch Reduktion von Tetrachlorcyclopropen mit Tributylzinnhydrid. Cl
 
 Cl + Cl
 
 + SbCl5
 
 (C4H9) 3SnH
 
 3H
 
 − 3 Cl
 
 Cl
 
 [ SbCl6 ]
 
 −
 
 Cl
 
 H
 
 Cyclopropeniumhexachlorantimonat
 
 Das Triphenyl-Derivat bildet sich bei der Einwirkung von Bortrifluorid-Etherat auf 1,2,3Triphenylcyclopropen-3-carbonitril, welches durch [2+1]-Cycloaddition von Phenyldiazoacetonitril an Diphenylethin zugänglich ist: C 6H5 + C 6H5
 
 CN IN _ N C C 6H5
 
 − N2
 
 H5C 6
 
 H5C 6
 
 H 5C6 CN
 
 + H 2O / BF3 O(C2H 5) 2
 
 C 6H 5
 
 C 6H5
 
 − HCN
 
 H 5C6
 
 BF 3OH
 
 Triphenylcyclopropeniumhydroxytrifluorborat
 
 30.2.2
 
 Molekülorbital-Modell und Strukturmerkmale
 
 Das C-NMR-Spektrum des Cyclopropenium-Ions zeigt ein Signal bei δC = 177, wie es einem Carbokation mit delokalisierter positiver Ladung entspricht. Die 13C-1H-Kopplungskonstante spiegelt mit 265 Hz einen extrem hohen s-Charakter der C−H-Bindungsorbitale wider. Dementsprechend erklärt man den Bindungszustand: Zur Knüpfung der σ-Bindungen benutzt das C-Atom ein sp-Orbital für eine CH-Bindung und zwei sp2-Orbitale, um den Ring über CC-Bindungen zu schließen. An jedem Ring-C-Atom verbleibt ein nicht hybridisiertes p-Orbital senkrecht auf der σBindungsebene, welches zum delokalisierten π-System beiträgt. Die RÖNTGEN-Strukturanalyse des 1,2,3-Triphenylcyclopropenium-Ions ergibt dessen symmetrische Struktur und zeigt, daß sich die Phenyl-Ringe um 21° aus der Dreiring-ebene herausdrehen (Abb. 30.1). Dieser Umstand behindert eine völlige Delokalisierung der positiven Ladung über die drei Phenyl-Ringe. 13
 
 Abb. 30.1. RÖNTGEN-Struktur des Triphenylcyclopropenium-Kations
 
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 30.3
 
 Quadratsäure und Oxokohlenstoff-Dianionen
 
 30.2.3
 
 577
 
 Reaktivität
 
 Das Triphenylcyclopropenium reagiert elektrophil, z. B. mit Methanol zu Methoxytriphenylcyclopropen, läßt sich jedoch häufig aus den Additionsprodukten regenerieren: H5C6 C6H5
 
 OCH3 C6H5
 
 − CH3 OH
 
 X
 
 H5C6
 
 H5C6
 
 + CH3 OH
 
 H5C6
 
 +
 
 HX
 
 30.3 Quadratsäure und Oxokohlenstoff-Dianionen Oxokohlenstoff-Dianionen, CnOn2−, sind die Dianionen der Dreiecksäure (Deltasäure), Quadratsäure, Croconsäure und Rhodizonsäure (Annulenon-Dianionen). HO
 
 HO
 
 O
 
 HO
 
 O
 
 O
 
 HO
 
 O
 
 HO
 
 O
 
 O
 
 O HO
 
 HO Dreiecksäure
 
 HO
 
 O
 
 O Croconsäure
 
 Quadratsäure
 
 O Rhodizonsäure
 
 In den Dianionen dieser starken, vinylogen Carbon- bzw. Dicarbonsäuren ist die einzige CCDoppelbindung der Ringe wie im Cyclopropenium-Ion cyclisch delokalisiert. Mesomere Grenzformeln der Dreieck- und Quadratsäure bringen dies zum Ausdruck. Die Dianionen CnOn2− sind demnach 2π-Elektronen-Aromaten mit chemischer Äquivalenz der Ring-C-Atome in den 13CNMR-Spektren (Quadratsäure-Dianion: δC = 195). O
 
 O Dreiecksäure-Dianion
 
 O O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 Quadratsäure-Dianion
 
 Zur Synthese der Quadratsäure wird Chlortrifluorethen mit Zink dehalogeniert. Das intermediär entstehende Hexafluor-1,3-butadien elektrocyclisiert direkt zum Hexafluorcyclobuten. Dessen Ethanolyse liefert den Tetrafluorbisenolether als Vorstufe der bis 293 °C (Zersetzungspunkt) stabilen Quadratsäure, die durch Photolyse zur Dreiecksäure decarbonyliert. F F
 
 Cl
 
 F
 
 F
 
 2
 
 Chlortrifluorethen
 
 + Zn
 
 F
 
 − ZnCl2
 
 F
 
 F F F
 
 F F F F
 
 F
 
 F + 2 C2H5ONa
 
 F
 
 − 2 NaF
 
 F
 
 F
 
 Hexafluorcyclobuten
 
 F
 
 OC 2H 5 OC 2H 5
 
 1,2-Diethoxy-3,3,4,4tetrafluorcyclobuten
 
 +
 
 + 4 H2O (H3O ) − 2 C2H5OH − 4 HF
 
 O
 
 OH
 
 O
 
 OH
 
 Quadratsäure
 
 Wie eine Dicarbonsäure wird Quadratsäure durch Thionylchlorid chloriert; Quadratsäuredichlorid reagiert mit Alkoholen zu stabilen Diestern und mit Aminen zu Diamiden.
 
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 578
 
 30 Nichtbenzoide Aromaten
 
 30.4 Cyclopentadienid 30.4.1
 
 Herstellung
 
 Das Cyclopentadienid-Anion bildet sich leicht durch Deprotonierung des Cyclopentadiens in Gegenwart von Alkalimetallen oder Alkalihydroxiden: +
 
 − [H ]
 
 H
 
 30.4.2
 
 _
 
 H
 
 H
 
 Strukturmerkmale
 
 Entsprechend der durch die Mesomerie erklärbaren Gleichwertigkeit aller Ring-Methin-Gruppen H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 6π
 
 oder
 
 H
 
 zeigen die 1H- und 13C-NMR-Spektren des Cyclopentadienid-Anions jeweils nur ein Signal (1H : δH = 5.57; 13C : δC = 102). Die Verschiebungen sind wegen der erhöhten negativen Ladungsdichte (6 / 5 Elektronen pro C-Atom) deutlich kleiner als die Werte des Benzens (δH = 7.28, δC = 128.5). Im Molekül-Orbital-Modell entstehen die koplanaren CC- und CH- σ-Bindungen durch sp2Hybrid-Orbitale des Kohlenstoffs. Die senkrecht auf der σ-Bindungsebene stehenden, koaxialen pz-Orbitale überlappen seitlich und führen zu einer dem Benzen analogen 6π-Elektronenwolke, die sich jedoch nur über fünf Ring-C-Atome verteilt.
 
 30.4.3
 
 Reaktivität
 
 Elektrophile Additionen Elektrophile Reagenzien addieren leicht an das Cyclopentadienid. Alkyl- und Arylhalogenide alkylieren bzw. arylieren, und Kohlendioxid carboxyliert. Bei beiden Reaktionen cycloaddieren die Primärprodukte zu DIELS-ALDER-Dimeren. Die Addition an Carbonyl-Verbindungen (KNOEVENAGEL-Alkenylierung) führt dagegen zu den Fulvenen, welche nicht dimerisieren: CO2H
 
 H
 
 CO2H
 
 2
 
 H H
 
 CH 3
 
 H
 
 + 2 CO2 , + 2 [H+]
 
 2 H
 
 CH 3
 
 CH 3 H
 
 + 2 CH 3I −2I
 
 −
 
 2
 
 + 2 C6H 5Br
 
 6π
 
 − 2 Br
 
 −
 
 2
 
 CO2H
 
 C 6H 5
 
 H
 
 C 6H 5 H H
 
 + 2 R 2C=O , + 2 [H+]
 
 − 2 H2O
 
 C 6H 5
 
 R 2
 
 Fulven mit R = H , Alkyl , Aryl
 
 C R
 
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 30.4
 
 Cyclopentadienid
 
 579
 
 Mit p-Tosylazid reagiert das Cyclopentadienid zum Diazocyclopentadien: 6π
 
 _ N _ SO2
 
 +
 
 CH 3
 
 Ether
 
 N _ N
 
 H
 
 _ N _ SO2
 
 N
 
 CH3
 
 H Li
 
 N N
 
 N _ N
 
 Li
 
 SO2 − H3C
 
 −
 
 SO2 NH Li
 
 CH3
 
 +
 
 N N
 
 N N _I
 
 Diazocyclopentadien (rot)
 
 Das stabile Diazocyclopentadien läßt sich als Diazoniumcyclopentadienid und als FulvenAnalogon formulieren. Man kann es nitrieren, bromieren, mercurieren und mit AryldiazoniumSalzen kuppeln, z. B.: 6π
 
 N _
 
 +
 
 _ N
 
 CH3OH / H2O , 0 °C
 
 BF 4
 
 N2
 
 6π
 
 N N
 
 − HBF4
 
 N2 2-Phenylazodiazocyclopentadien
 
 Diazocyclopentadien gehört zur Klasse der Cyclopentadienylide, die sich durch hohe Dipolmomente und eine beachtliche Stabilität auszeichnen: 6π 6π
 
 6π
 
 N N(CH 3)3 Trimethylammonium-
 
 P(C 6H5)3 Pyridiniumcyclopentadienylid
 
 Triphenylphosphonium-
 
 Bildung von π-Komplexen (Metallocene) Cyclopentadienide reagieren mit verschiedenen Übergangsmetall-Salzen zu den als Metallocene bezeichneten Metall-π-Komplexen. Mit Eisen(II)-Salzen entsteht z. B. das orange Ferrocen: von vorn
 
 6π
 
 + FeCl2 (THF, N2)
 
 Na
 
 − 2 NaCl
 
 von oben
 
 Fe
 
 Fe Ferrocen
 
 Die antiprismatische, auch als "Sandwich" bezeichnete Struktur des Ferrocens und anderer Metallocene, bei der die C-Atome der beiden Fünfringe auf Lücke stehen, wurde durch RÖNTGENDiffraktometrie bestätigt. Im Molekül-Orbital-Modell erklärt man die Bindung zwischen MetallKation und π-System durch Überlappung der p-Orbitale des Kohlenstoffs mit den 3d-Orbitalen des Metalls. Während die Cyclopentadienid-Ringe im kristallinen Zustand in der Sandwich-Konfiguration verharren, sind sie in Lösung frei drehbar.
 
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 580
 
 30 Nichtbenzoide Aromaten
 
 Die Reaktionen der Metallocene sind denen des Benzens weitgehend analog. Häufigster Reaktionstyp ist die elektrophile Substitution, wie eine Auswahl in Abb. 30.2 zeigt.
 
 H
 
 Fe
 
 O C H
 
 C O Ferrocen-1,1'-dialdehyd
 
 H 3C
 
 Fe
 
 O C CH 3
 
 H2SO4 , CH3CO2H
 
 (H3C) 2N−CH=O POCl3
 
 Fe HO3S
 
 Ferrocen-1,1'-disulfonsäure
 
 Fe
 
 (CH3CO) 2O , AlCl3
 
 SO3H
 
 HgCl2
 
 HgCl Fe
 
 C O 1,1'-Diacetylferrocen
 
 ClHg Ferrocen-1,1'-diquecksilberchlorid
 
 Abb. 30.2. Elektrophile Substitutionen des Ferrocens
 
 Die direkte Nitrierung oder Halogenierung des Ferrocens scheitert an der Oxidation von Eisen(II) zu Eisen(III) durch Salpetersäure bzw. Halogen. Dabei entsteht reversibel das im Gegensatz zu Ferrocen paramagnetische und blaugrüne Ferricenium-Ion: Fe
 
 − e0
 
 −
 
 + e0
 
 −
 
 Ferrocen
 
 Fe Ferricenium-Ion
 
 30.5 Cyloheptatrienium-Kationen 30.5.1
 
 Strukturmerkmale und Formulierung
 
 Im Cycloheptatrienium-Kation (C7H7⊕, Tropylium-Ion) verteilt sich ein π-Elektronensextett auf sieben koplanare C-Atome, deren chemische Äquivalenz aus dem 1H- und 13C-NMR-Spektrum hervorgeht: Es erscheint jeweils nur ein Signal, das infolge der geringen π-Elektronendichte pro C-Atom (6π / 7C) gegenüber den Benzen-Resonanzen (6π / 6C) deutlich größere Verschiebungswerte aufweist (δH = 9.2; δC = 155.4). Dementsprechend wird das Cycloheptatrienium-Ion durch sieben energiegleiche mesomere Grenzformeln beschrieben, die sich in einer Formel mit delokalisiertem π-Elektronensextett und delokalisierter positiver Ladung zusammenfassen lassen: 6π Cycloheptatrienium-Ion
 
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 30.5
 
 Cyloheptatrienium-Kationen
 
 30.5.2
 
 581
 
 Herstellungsmethoden
 
 Cycloheptatrienium-Salze ̈ Die meisten Synthesen des Cycloheptatrienium-Kations sind Hydrid-Abspaltungen aus Cycloheptatrien, z. B. durch Carbokationen, wie man sie aus Trityl- und tert-Butylchlorid sowie Tetrachlormethan erhält, meist in Gegenwart von LEWIS-Säuren. Ein weiteres, allgemeines Herstellungsprinzip ist die 1,4-Addition von Brom an Cycloheptatrien unter anschließender thermischer Dehydrobromierung. 1.) (H5C 6) 3C−Cl (CH3 CN) 2.) (H3C) 3C−Cl (AlCl3) 3.) CCl 4 (PCl 3)
 
 H
 
 6π
 
 Br H
 
 ∆ , − HBr
 
 X
 
 H Br
 
 + Br 2
 
 X = Cl , Br
 
 H
 
 Cycloheptatrieniumoxid (Tropyliumoxid) Aufgrund seines sehr hohen Dipolmoments und seiner Spektren liegt Cycloheptatrienon als Cycloheptatrienium- oder Tropyliumoxid vor. Es entsteht durch photoinduzierte Homologisierung des Brombenzens mit Diazomethan. Nach 1,4-Addition von Brom an das gebildete 1-Brom-1,3,5cycloheptatrien und anschließender Brom-Abspaltung erhält man Bromcycloheptatrieniumbromid, das zum Cycloheptatrienon hydrolysiert wird: Br
 
 _ OI _
 
 Br
 
 Br + CH 2N2 (hν)
 
 + Br 2
 
 − N2
 
 − HBr
 
 6π
 
 + H2O
 
 O
 
 6π
 
 − HBr
 
 Cycloheptatrienium-oxid (Cycloheptatrienon)
 
 α-Hydroxycycloheptatrieniumoxid (Tropolon) 2-Hydroxycycloheptatrienon (Tropolon) zeigt aufgrund seiner Spektren und Reaktionen eine Äquivalenz der Kohlenstoff-Paare 1 / 2 , 3 / 7 sowie 4 / 6. Offensichtlich tauscht das HydroxyProton so rasch zwischen Hydroxy- und Carbonyl-Gruppe aus, daß diese nicht unterscheidbar sind. Dieser Zustand wird am besten durch die Formulierung als α-Hydroxycycloheptatrieniumoxid erklärt: 6 7 1 5 2 4 3
 
 O
 
 O
 
 O
 
 6π
 
 H
 
 H
 
 H
 
 O
 
 O
 
 O Tropolon
 
 Die Synthese des Tropolons gelingt durch Oxidation des Cycloheptanons mit Selendioxid zum 1,2-Cycloheptandion. Anschließende Bromierung und Dehydrobromierung führt zum Bromtropolon, dessen Brom durch Wasserstoff abhydriert wird: O
 
 + SeO2 − Se, − H 2O
 
 O O
 
 + 3 Br 2
 
 6π
 
 − 4 HBr
 
 OH OH
 
 Br
 
 ( OH )
 
 O
 
 − HBr
 
 OH
 
 −
 
 + H2 / Pd
 
 6π
 
 − HBr
 
 Br
 
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 O H O
 
 582
 
 30 Nichtbenzoide Aromaten
 
 Mit guten Ausbeuten wird Tropolon durch Hydrolyse der Tetrafluorcycloheptadien-Isomeren hergestellt. Letztere bilden sich bei der Cycloaddition von Tetrafluorethen an Cyclopentadien und anschließender Thermolyse des Cycloaddukts: +
 
 30.5.3
 
 CF 2
 
 CF 2
 
 CF 2
 
 CF 2
 
 700 °C
 
 CF 2 CF 2
 
 sowie
 
 CF 2
 
 + 2 H 2O (CH3 CO2 H / CH3 CO2 K)
 
 CF 2
 
 − 4 HF
 
 6π
 
 O H O
 
 Reaktivität
 
 Reaktion mit Nucleophilen Als Elektrophil reagiert das Tropylium-Kation mit zahlreichen Nucleophilen, wie eine Auswahl in Abb. 30.3 zeigt. Mit Kohlenstoff-Nucleophilen wie Cyanid, Phenyllithium und Alkylmagnesiumhalogenid erhält man auf diese Weise Cyano-, Aryl- und Alkylcycloheptatriene. O
 
 Ditropylether
 
 S
 
 H2O
 
 H CN
 
 CN
 
 −
 
 H2S Ditropylsulfid
 
 7-Cyano-1,3,5cycloheptatrien
 
 6π
 
 H
 
 NH3
 
 C6H5Li
 
 N
 
 H C6H 5
 
 N
 
 in (C2H5) 2O
 
 RMgX
 
 7-Phenyl-1,3,5cycloheptatrien
 
 Ditropylamin
 
 Tritropylamin
 
 H R 7-Alkyl-1,3,5-cycloheptatrien
 
 Abb. 30.3. Nucleophile Substitutionen am Tropylium-Kation
 
 Ringverengungen zu Benzen-Derivaten Starke Oxidationsmittel oxidieren das Tropylium-Kation unter Ringverengung über Benzaldehyd zu Benzoesäure, in welche sich Tropolon auch durch Erhitzen auf 200 °C umlagert: ̈
 
 O 6π
 
 + [ O ] (Cr 2O72− , CH3CO2H)
 
 C
 
 O H
 
 + [O]
 
 C
 
 OH
 
 200 °C
 
 6π
 
 O H O
 
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 30.6
 
 Cyclooctatetraendiid
 
 583
 
 Bildung von π-Komplexen Die aus Cycloheptatrien und Chrom- bzw. Molybdänhexacarbonyl entstehenden π-Komplexe reagieren mit Triphenylchlormethan unter Hydrid-Abspaltung zu Tropylium-π-Komplexen: +
 
 (H5C 6)3C X
 
 M(CO)3
 
 X
 
 +
 
 M(CO)3
 
 M = Cr, Mo
 
 (H 5C6)3CH
 
 30.6 Cyclooctatetraendiid 30.6.1
 
 Bildung
 
 Als nicht ebenes 8π-Elektronensystem ist Cyclooctatetraen kein Aromat. Die Reduktion des Cyclooctatetraens mit Alkalimetallen in Ether oder Tetrahydrofuran führt jedoch unter Einebnung des Achtringes zum aromatischen 10π-Elektronensystem, dem Cyclooctatetraendiid (Cyclooctatetraen-Dianion). Die Reduktion ist das Ergebnis zweier Einelektronen-Übertragungen; die erste führt unter Einebnung des Rings zum Radikalanion; dieses disproportioniert schnell zu Cyclooctatetraen und seinem Dianion: + e0
 
 30.6.2
 
 −
 
 + e0
 
 −
 
 10π 2
 
 NMR-Daten
 
 Ein π-Elektronenüberschuß von 1/4 pro C-Atom sollte sowohl die 1H- als auch die 13C-Kerne in den NMR-Spektren deutlich abschirmen. Dementsprechend beobachtet man kleine Verschiebungswerte (δH = 5.7; δC = 85.3). Die 1H-Verschiebungen des Cyclooctatetraens und seines Dianions sind nahezu gleich, weil die Abschirmung durch den π-Elektronenüberschuß den Ringstromeffekt des π-Elektronendezetts ausgleicht.
 
 30.6.3
 
 Reaktionen
 
 Das Cyclooctatetraen-Dianion reduziert z. B. Tropyliumbromid zu Bitropyl: 10π 2
 
 +
 
 2
 
 H
 
 6π
 
 + H
 
 Andererseits reagiert es als bifunktionelles Nucleophil und wird daher durch Iodmethan zu den (E-/Z-)-Isomeren des 1,2-Dimethyl-3,5,7- und 1,4-Dimethyl-2,5,7-cyclooctatriens dialkyliert: 2
 
 10π 2
 
 CH3 +
 
 4 CH 3 I
 
 +
 
 H3C
 
 CH3 +
 
 4I
 
 CH3
 
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 30 Nichtbenzoide Aromaten
 
 Auch Sandwich-π-Komplexe mit Uran(IV) und Thorium(IV) sind bekannt. Die RÖNTGEN-Struktur zeigt, daß im Uran-Komplex die beiden Achtringe ekliptisch angeordnet sind: U
 
 30.7 Cyclononatetraenid 30.7.1
 
 Bildung
 
 Das Cyclononatetraenid-Anion entsteht bei der Disproportionierung von Cyclononatetraen, z. B. mit Kalium-2-methyl-2-propanolat, sowie durch elektrocyclische Ringerweiterung von Bicyclo[6.1.0]nonatrien-Derivaten mit Alkalimetallen (X = Cl, OCH3) oder starken Basen, z. B. mit den Alkalisalzen des CH-aciden Dimethylsulfoxids (X = H): + MOC(CH3) 3
 
 + 2 M (THF)
 
 10π
 
 M
 
 − (H3C) 3COH + M
 
 ICH2SOCH3
 
 X
 
 − MX
 
 − (H3C) 2SO
 
 M = Li, Na, K
 
 H
 
 30.7.2
 
 NMR-Daten
 
 Das in Form des kristallinen Tetramethylammonium-Salzes isolierbare Cyclononatetraenid zeigt wegen des geringeren π-Elektronenüberschusses pro Kohlenstoff-Atom größere 1H- und 13CVerschiebungen (δH = 7; δC = 109) als das Cyclooctatetraendiid.
 
 30.7.3
 
 Reaktionen
 
 Als Elektronenpaar-Donor reagiert Cyclononatetraenid wie eine LEWIS-Base. Die Reaktion mit Wasser führt zu Cyclononatetraen, das sich thermisch zu cis-8,9-Dihydroinden umlagert. Dieser elektrocyclische Ringschluß ist auch eine Folgereaktion der Alkylierung und Carboxylierung des Cyclononatetraenid-Anions. H ∆ H + H2O
 
 H H CH 3
 
 + CH3I −I
 
 H cis-1-Methyl-3a,7a-dihydroinden
 
 10π
 
 − OH
 
 cis-3a,7a-Dihydroinden
 
 −
 
 + CO2
 
 H H CO2
 
 −
 
 H cis-3a,7a-Dihydroinden-1-carboxylat
 
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 30.8
 
 Vergleich der chemischen Verschiebungen
 
 585
 
 30.8 Vergleich der chemischen Verschiebungen Bekanntlich nimmt mit abnehmender Elektronendichte am Kohlenstoff sowohl die 1H- als auch die 13C-Verschiebung zu (Kap. 28.5.6, 28.6.2). In Abb. 30.4 sind hierzu die 1H- und 13CVerschiebungen der aromatischen Ionen als Funktion der π-Elektronendichte (∆ρ) pro C-Atom aufgetragen. Dabei kommt Benzen als Referenz der Wert ∆ρ = 1.0 zu, weil sich hier sechs πElektronen auf ebensoviele Ring-C-Atome verteilen. Entsprechend hat das Tropylium-Kation ein Elektronendefizit von ∆ρ = 6 / 7 (π-Elektronenmangel-Aromat), das Cyclopentadienid-Anion dagegen einen Elektronenüberschuß von ∆ρ = 6 / 5 (π-Elektronenüberschuß-Aromat). Für die 1H-Verschiebungen der Ionen C3H3+, C5H5− und C7H7+ erkennt man in Abb. 30.4 a den erwarteten linearen Zusammenhang zwischen Verschiebung und π-Ladungsdichte. Die cyclischen 10π-Elektronen-Systeme zeigen jedoch deutliche Abweichungen von der Linearität. Man führt dies auf diamagnetische Ringströme zurück, die stärker sind als in den 2π- und 6π-ElektronenAromaten. Da Ringstromfelder die Ring-C-Atome praktisch nicht beeinflussen, beobachtet man für die 13C-Verschiebungen deutlich geringere Abweichungen von der Linearität (Abb. 30.4 b).
 
 1
 
 13
 
 Abb. 30.4. (a) H- und (b) C-Verschiebung aromatischer Ionen als Funktion der π-Ladungsdichte (∆ρ), jeweils mit Benzen als Bezugspunkt
 
 30.9 Azulen 30.9.1
 
 Formulierung und physikalische Eigenschaften
 
 Azulen ist ein tiefblauer Kohlenwasserstoff, in dem Cyclopentadien mit Cycloheptatrien fulvenartig kondensiert ist. Sein Bindungszustand kann dementsprechend durch eine Mesomerie formuliert werden, wobei der Fünfring eine negative, der Siebenring eine positive Ladung übernimmt. Diese Formulierung erklärt das Dipolmoment des Moleküls und seine Reaktivität. 8
 
 1
 
 8a
 
 3
 
 3a
 
 7 6
 
 2 4
 
 5
 
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 586
 
 30 Nichtbenzoide Aromaten
 
 Den Beitrag dipolarer Grenzformeln erkennt man im 13C-NMR-Spektrum des Azulens (Abb. 30.5a) an einer deutlichen Abschirmung der C-Atome C-1 und C-5 (δC = 118 - 123) sowie einer Entschirmung von C-4 und C-6 (δC = 137) im Vergleich zu den Ring-C-Atomen des isomeren Naphthalens (Abb. 30.5 b).
 
 1
 
 13
 
 Abb. 30.5. H-breitbandentkoppelte C-NMR-Spektren (20 MHz) des Azulens (a) und des isomeren Naphthalens (b) in Deuteriochloroform
 
 30.9.2
 
 Azulen-Synthese
 
 Eine Synthese des Azulens startet mit 5-(N-Methyl-N-phenyl)-amino-2,4-pentadienal ("ZINCKEAldehyd"), das durch Reaktion von 1-(2,4-Dinitrophenyl)-pyridiniumchlorid mit N-Methylanilin über das KÖNIGsche Salz entsteht: H3C
 
 N Cl NO2 + 2
 
 N H
 
 NO2
 
 N
 
 Cl
 
 N
 
 CH3
 
 + NaOH
 
 NH 2
 
 CH3
 
 NO2
 
 H
 
 N
 
 CH 3
 
 NHCH 3 NO2
 
 −
 
 O
 
 −
 
 , − NaCl ZINCKE-Aldehyd
 
 KÖNIGsches Salz
 
 Die KNOEVENAGEL-Kondensation des "ZINCKE-Aldehyds" mit Cyclopentadien liefert ein FulvenDerivat, dessen Pyrolyse unter Abspaltung von N-Methylanilin zum Azulen führt: H +
 
 O
 
 (NaOH)
 
 250 °C (Vakuum) NHCH3
 
 − H2O
 
 H3C N
 
 H 3C N
 
 −
 
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 30.10
 
 30.9.3
 
 Aromatische Annulene
 
 587
 
 Reaktionen
 
 Der bereits formulierten π-Elektronenverteilung (Kap. 30.8.1) folgend wird der Siebenring des Azulens bevorzugt nucleophil, der Fünfring indessen vorwiegend elektrophil angegriffen. Nucleophile Reaktionen am Azulen sind wegen dessen Alkali-Empfindlichkeit wenig untersucht. Die elektrophile Halogenierung, Nitrierung, Sulfonierung, Acylierung und Azo-Kupplung des Azulens gelingt in der 1,3-Stellung. Y − [H+]
 
 1
 
 + [Y ]
 
 2 3
 
 Y = Halogen , NO2 , SO3H , COR , −N=N−C6H5
 
 In saurer Lösung addiert ein Proton an C-1 (3) unter Bildung des blaßgelben Azulenium-Kations, dessen Stabilität auf das 6π-Elektronen-System des Cycloheptatrienium-Ions zurückgeht: H
 
 1
 
 H 6π
 
 + [H ]
 
 2 3
 
 Bei hohen Temperaturen isomerisiert Azulen zum stärker mesomeriestabilisierten und isoelektrischen Naphthalen, dessen 13C-Verschiebungen (Abb. 30.6 b) den mehr benzoiden, im Vergleich zum Azulen weniger polarisierten Zustand der Ring-C-Atome reflektieren. > 350 °C
 
 200 kJ / mol
 
 Mesomerieenergie
 
 250 kJ / mol
 
 30.10 Aromatische Annulene 30.10.1 Definition Unter [n]-Annulenen versteht man monocyclische vollständig konjugierte Kohlenwasserstoffe der allgemeinen Formel CnHn (n ≥ 4). Die vorangestellte eckig eingeklammerte Zahl kennzeichnet Ringgröße und Anzahl der π-Elektronen. Der kleinste Vertreter ist Cyclobutadien; die nächsten Homologen sind Benzen, Cyclooctatetraen, Cyclodecapentaen oder [10]-Annulen, sowie [12]-, [14]-, [16]-, [18]-, [20]-, [22]-Annulen, usw. Aromatisches Verhalten ist nur von ebenen Annulenen zu erwarten, deren π-Elektronenzahl der HÜCKELschen (4n + 2)-Regel gehorcht. HÜCKELAromaten sind außer Benzen z. B. [10]-, [14]-, [18]- und [22]-Annulen (Tab. 30.1). Von diesen verhalten sich nur die ebenen Ringe nachweisbar aromatisch, wie die folgenden Beispiele zeigen.
 
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 588
 
 30 Nichtbenzoide Aromaten
 
 30.10.2 [10]-Annulen Stabilität Für [10]-Annulen können drei Konfigurationsisomere formuliert werden:
 
 H all-cis-
 
 H
 
 mono-trans[10]-Annulen
 
 H
 
 bis-trans-
 
 Die all-cis-Konfiguration wird durch eine zu große Bindungswinkelspannung destabilisiert. Der innere Winkel ist mit 144° erheblich größer als der optimale sp2-Interorbitalwinkel von 120°. In der mono-trans-Konfiguration hat sich eine Molekülhälfte entspannt; in der anderen wirkt nach wie vor die Winkelspannung. Die bis-trans-Form hat zwar keine Winkelspannung, wird aber durch die starke sterische Wechselwirkung der beiden inneren H-Atome destabilisiert. Aus diesen Gründen ist [10]-Annulen selbst nicht faßbar.
 
 Synthese überbrückter [10]-Annulene Dagegen gelang die Synthese 1,6-überbrückter bis-trans-[10]-Annulene, in denen die sterische Wechselwirkung der Wasserstoff-Atome in 1,6-Stellung wegfällt. ̈
 
 X dargestellte überbrückte [10]-Annulene X = CH2 , O , NH
 
 1,6-Methano-[10]-annulen entsteht nach VOGEL in drei Schritten aus 1,4,5,8-Tetrahydronaphthalen, welches durch BIRCH-Reduktion (Na, flüssiges NH3) von Naphthalen zugänglich ist. Die Addition von Dichlorcarben und anschließende Reduktion liefert das Tricyclo[4.4.1.01,6]undeca3,8-dien. Das mit Brom entstehende Tetrabrom-Addukt geht durch doppelte Dehydrobromierung in das nicht faßbare Tricyclo[4.4.1.01,6]undeca-2,4,7,9-tetraen über, welches zum bicyclischen 1,6Methano-[10]-annulen valenztautomerisiert: + ICCl2 (CHCl3 , KOH)
 
 + 4H (Na / NH3)
 
 Cl
 
 Cl + 4H (Na / NH3) − 2 HCl
 
 Tricyclo[4.4.1.01,6 ]undeca-3,8-dien
 
 + Br2
 
 Br Br
 
 Br
 
 − 4 HBr (KOH)
 
 Br 1,6-Methano-[10]-annulen
 
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 30.10
 
 Aromatische Annulene
 
 589
 
 Aromatizität des 1,6-Methano-[10]-annulens Im H-NMR-Spektrum weist das Signal bei δH = 7.1 für die acht Zehnring-Protonen auf einen benzenähnlichen Ringstrom hin. Die elektrophile Substitution des 1,6-Methano-[10]-annulens gelingt leicht in Position 2, während die [4+2]-Cycloaddition mit Maleinsäureanhydrid unterbleibt. 1,6-Methano-[10]-annulen zeigt also das für einen Aromaten typische regenerative Verhalten. ̈
 
 1
 
 Y
 
 + [ Y+ ] − [ H+ ]
 
 Y = Br , NO2 , COCH3
 
 30.10.3 [14]-Annulene Sterische Spannung von [14]-Annulenen ̈ Für [14]-Annulen können zwei Isomere formuliert werden, die frei von Winkelspannung sind. Es handelt sich um den Pyren- und Anthracen-Typ:
 
 Pyren-Typ
 
 HH HH
 
 Anthracen-Typ
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 Sowohl im Pyren- als auch im Anthracen-Typ wird die sterische Wechselwirkung der inneren HAtome eine völlige Koplanarität der Ringe verhindern, so daß aromatisches Verhalten zunächst nicht zu erwarten ist.
 
 ̈ Synthese des [14]-Annulens vom Pyren-Typ [14]-Annulen wurde durch Cyclodehydrierung von 4,10-Tetradecadien-1,7,13-triin (GLASERKupplung) und anschließender katalytischer Hydrierung hergestellt: 13 10
 
 1.) Cu(CH3CO2) 2 , Pyridin 2.) KOC(CH3) 3 , HOC(CH3) 3
 
 7
 
 − H2
 
 + H2 (Pd)
 
 HH HH
 
 1 4
 
 [14]-Annulen wird als kristallisiertes Gemisch zweier Konfigurationsisomerer isoliert. Das bevorzugt entstandene Isomer ist aufgrund der RÖNTGEN-Strukturanalyse annähernd eben und besitzt die pyrenanaloge Geometrie.
 
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 590
 
 30 Nichtbenzoide Aromaten
 
 Synthese überbrückter [14]-Annulene Überbrückte [14]-Annulene vom Anthracen-Typ entstehen durch Cycloaddition von Peroxycarbonsäuren oder Carben an das durch BIRCH-Reduktion des Anthracens zugängliche 1,4,5,6,9,10Hexahydroanthracen, Bromierung der Cycloaddukte mit N-Bromsuccinimid und Dehydrobromierung mit Kalium-t-butanolat: ̈
 
 + 6 Na , + 6 NH3
 
 + 2 C6H5CO3H
 
 − 6 NaNH2
 
 O
 
 O
 
 − 2 C6H5CO2H
 
 + 2 Br 2 (NBS)
 
 − 4 HBr [KOC(CH3) 3]
 
 O
 
 O
 
 Außerdem wurden C-überbrückte [14]-Annulene dargestellt, z. B. das anti-1,6:8,13-Bis-(methano)-[14]-annulen, während die Synthese des syn-Isomers bisher nicht gelang, vermutlich infolge zu starker sterischer Wechselwirkung der Methylen-Protonen, die durch eine zusätzliche Methylen-Brücke beseitigt werden kann: H H H
 
 HH
 
 H
 
 H
 
 H
 
 Ethanoüberbrückte [14]-Annulene vom Pyren-Typ sind durch photochemische und thermische Umlagerung von Bisdehydrometacyclophanen zugänglich, z. B.: H hν
 
 R R
 
 H
 
 ∆ R
 
 hν
 
 R R = CH3
 
 Aromatizität der [14]-Annulene Im H-NMR-Spektrum des [14]-Annulens erscheint bei Raumtemperatur nur ein Signal, dessen Verschiebung (δH = 5.58) zunächst auf keine Aromatizität hinweist. Bei Abkühlung verbreitert es sich, bis bei −60 °C zwei neue Signale auftauchen, deren Verschiebungen (δH = 7.6 für H10 außen und δH = 0 für H4 innen) eine Entschirmung der zehn äußeren und eine Abschirmung der vier inneren Protonen durch einen aromatischen Ringstrom anzeigen. Bei Raumtemperatur tauschen innere und äußere Protonen durch Konformationswechsel zu rasch aus, so daß ein zeitlich gemitteltes Signal registriert wird. Von den überbrückten [14]-Annulenen des Anthracen- und Pyren-Typs erwiesen sich aufgrund der 1H-NMR-Spektren nur die syn-überbrückten [14]-Annulene vom Anthracen-Typ und die ̈
 
 1
 
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 30.10
 
 Aromatische Annulene
 
 591
 
 15,16-Dihydropyrene als aromatisch, während die Verschiebungen der Vierzehnring-Protonen des anti-1,6:8,13-Bis-(methano)-[14]-annulens (δH = 5.7 - 6.6) keine Aromatizität erkennen lassen, weil das Molekül nicht eben ist.
 
 H
 
 H H δH = 0.6 - 1.2 H
 
 R δH = 8.2
 
 δH = 7.6 - 7.9
 
 R = CH3 : δH = 4
 
 δH = 5.7 - 6.6
 
 R
 
 30.10.4 [18]-Annulen Konformationen Im [18]-Annulen ist die der Koplanarität des Moleküls entgegenwirkende sterische Wechselwirkung so gering, daß Aromatizität möglich wird. Allerdings ist durch Konformationsänderungen ein Austausch zwischen den sechs inneren und den zwölf äußeren H-Atomen denkbar: ̈
 
 B
 
 A
 
 A
 
 C B
 
 B
 
 C C
 
 A
 
 C
 
 A
 
 C C
 
 C
 
 B
 
 B A
 
 A
 
 B
 
 B
 
 B C
 
 A A
 
 B
 
 C
 
 A A
 
 B
 
 A A
 
 C
 
 C
 
 C
 
 C
 
 C
 
 A
 
 B B B
 
 B B
 
 A
 
 A
 
 C
 
 A
 
 B C
 
 B B C
 
 A A
 
 C
 
 Ein NMR-spektroskopischer Nachweis der Aromatizität (Entschirmung der äußeren, Abschirmung der inneren Protonen) gelingt daher nur, wenn die Aktivierungsbarriere der Konformationsumwandlung hinreichend groß ist. ̈ Synthese Nach SONDHEIMER entsteht das C-Skelett des [18]-Annulens − neben anderen Produkten − durch Cyclodehydrierung (GLASER-Kupplung) von drei Äquivalenten 1,5-Hexadiin über 1,3,7,9,13,15Cyclooctadecahexain. Dieses isomerisiert basenkatalysiert zum voll durchkonjugierten Cyclooctadecahexaentriin, dessen katalytische Teilhydrierung [18]-Annulen als rotbraune Kristalle liefert:
 
 Cu(CH 3CO2 ) 2 / Pyridin
 
 3
 
 +
 
 − 6 [H ] , − 6 e0
 
 −
 
 KOC(CH3 ) 3
 
 + 3 H2
 
 (CH 3) 3 COH / C6 H6
 
 Pd / C in C6 H6
 
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 592
 
 30 Nichtbenzoide Aromaten
 
 Aromatizitätskriterien [18]-Annulen läßt sich nitrieren und acylieren, obschon diese Reaktionen möglicherweise nicht nach dem für benzoide Aromaten bekannten elektrophilen Substitutionsmechanismus ablaufen. Die annähernde Koplanarität des [18]-Annulens konnte durch RÖNTGEN-Strukturanalyse nachgewiesen werden. Dabei ergab sich allerdings, daß die cisoiden Bindungen etwas länger als die transoiden sind, so daß keine perfekte Bindungsalternanz (wie im Benzen) vorliegt:
 
 18π
 
 cisoid : 141.9 pm transoid : 138.2 pm
 
 Im 1H-NMR-Spektrum findet man bei und unterhalb 20 °C zwei Signale mit dem Intensitätsverhältnis 2 : 1. Das intensive Signal bei δH = 8.9 gehört zu den zwölf äußeren, das schwächere bei δH = −1.8 zu den sechs inneren Protonen (Abb. 28.23, S. 505). Diese Verschiebungswerte sind durch den Ringstromeffekt erklärbar und spiegeln so die Aromatizität des [18]-Annulens wider. Jedoch ist das 1H-NMR-Spektrum wegen des besprochenen Austausches der inneren und äußeren HAtome temperaturabhängig. Bei 110 °C ist dieser Austausch so rasch, daß nur ein 1H-NMR-Signal bei der gemittelten Verschiebung δH = 5.45 gemessen wird.
 
 30.10.5 Heteroüberbrückte [18]-Annulene und höhere Annulene Die im [18]-Annulen noch geringfügig vorhandene sterische Wechselwirkung der inneren HAtome entfällt, wenn man die drei Wasserstoff-Paare durch je ein Schwefel- oder SauerstoffAtom ersetzt. Diese Furan- und Thiophen-Derivate konnten hergestellt werden. Während die durch Sauerstoff überbrückten Makrocyclen [18]-Annulen-analoge 1H-Verschiebungen aufweisen, stehen die durch Schwefel überbrückten Derivate aufgrund der Spektren dem Thiophen näher als dem [18]-Annulen. Offensichtlich behindern die voluminösen Schwefel-Brücken eine Koplanarität des [18]-Annulen-Systems. heteroüberbrückte [18]-Annulene S
 
 O S
 
 O
 
 S
 
 O [18]-Annulen-analog
 
 Thiophen-analog
 
 Als Homologe des [18]-Annulens wurden [22]- und [30]-Annulen hergestellt. Das 1H-NMRSpektrum des [22]-Annulens (Tab. 30.1) ist temperaturabhängig und zeigt bei −90 °C die auf einen Ringstrom hinweisenden Verschiebungswerte von δH = 8.5 bis 9.6 für die äußeren und −0.4 bis −1.2 für die inneren H-Atome. Aufgrund ihrer 1H-NMR-Spektren erweisen sich auch die Porphyrine (Kap. 35.7) als Diaza[18]annulene.
 
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 30.11 Natürliche nichtbenzoide Aromaten
 
 593
 
 30.11 Natürliche nichtbenzoide Aromaten 30.11.1 Tropolone Substituierte Tropolone kommen natürlich vor. Beispiele sind Stipitatsäure aus Penicillium stipitatum, die Thujaplicine aus den Hölzern von Zypressen, Purpurogallin aus der Erbsengalle sowie das infolge der Verdrillung von Phenyl- und Tropolon-Ring axial chirale Colchicin, das als Zellteilungsgift wirkende Hauptalkaloid der Herbstzeitlose (Colchicum autumnale, Liliaceae). O
 
 HO
 
 O OH
 
 O OH
 
 CH(CH 3)2
 
 HO2C
 
 α-
 
 Stipitatsäure (Pilzmetabolit)
 
 OH (H3C)2CH
 
 CH(CH3)2 β-
 
 γ-
 
 H 3CO
 
 Purpurogallin OH (als Glucosid aus der Erbsengalle)
 
 O
 
 OH
 
 Thujaplicin (aus dem Holz der roten Zeder)
 
 OH
 
 HO
 
 O
 
 (−)-(aR,7S)-Colchicin H 3CO (Alkaloid der Herbstzeitlose)
 
 H 3CO
 
 OH
 
 NHCOCH 3 H O OCH 3
 
 30.11.2 Azulene Alkylierte und hydrierte Azulene der Sesquiterpen-Reihe (Kap. 43.2.2) kommen in etherischen Ölen vor. Sie entstehen in einigen Pflanzen und Pilzen durch Cyclisierung offenkettiger Sesquiterpene, z. B. von Farnesol und aromatisieren bei der Verarbeitung, so daß Azulene oft als Artefakte entstehen:
 
 HO Farnesol
 
 Vetivazulen (violett
 
 30.12 Antiaromatizität Als aromatisch gilt ein cyclisch konjugiertes Polyen, wenn seine Mesomerieenergie erheblich größer ist als die eines offenkettig konjugierten Analogen, wenn seine 1H-Verschiebungen durch den Ringstrom-Effekt erklärbar sind (Beispiel: Benzen im Vergleich zu 1,3,5-Hexatrien), und wenn seine Reaktionen bevorzugt unter Erhaltung des π-Elektronensystems (regenerativ) ablaufen (Substitution statt Addition). Nicht aromatisch ist ein konjugiertes Cyclopolyen, wenn seine Mesomerieenergie und 1H-Verschiebungen sich nicht oder nur wenig von den Daten eines vergleichbaren acyclisch konjugierten
 
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 594
 
 30 Nichtbenzoide Aromaten
 
 Polyens unterscheiden (Beispiel: Cyclooctatetraen im Vergleich zu 1,3,5,7-Octatetraen). Obwohl diese Abgrenzungen kritisierbar sind, haben sie sich praktisch bewährt. Eine Weiterentwicklung dieser Vergleiche führte zum Begriff der Antiaromatizität für konjugierte Cyclopolyene, deren Mesomerieenergie kleiner ist als jene der offenkettig konjugierten Analogen. Durch cyclische Konjugation wird ein Antiaromat also nicht stabilisiert, sondern destabilisiert. Den aromatischen (4n+2) π-Elektronen-Ionen aus Tab. 30.1 können zunächst formal antiaromatische (4n) π-Elektronen-Ionen gegenübergestellt werden, deren einfachster Vertreter das Cyclopropenid-Anion ist: _
 
 _ antiaromatische (4n) π-Elektronen-Ionen
 
 Das Cycloheptatrienid-Anion, ein antiaromatisches 8π-Elektronen-System, wird als Zwischenstufe des basenkatalysierten Deuterium-Austauschs von Cycloheptatrien vermutet. Bei −20 °C kann es in Tetrahydrofuran durch Reaktion von Triphenylmethylcycloheptatrien mit Natrium-KaliumLegierung in Form einer tiefblauen Lösung kurzzeitig erhalten und (wie Aromaten) elektrophil protoniert oder deuteriert werden: − [H+]
 
 + [D+]
 
 _ H H
 
 H D
 
 H − (C6H5) 3C
 
 +
 
 K / Na / THF
 
 H C(C 6H5)3
 
 Das nur in Form seiner Komplexe stabile Cyclobutadien ist ein kurzlebiges, als antiaromatisch bezeichnetes 4π-Elektronensystem mit rechteckiger Geometrie im Grundzustand. Es bildet sich u. a. bei der Oxidation seines Eisentricarbonyl-π-Komplexes und kann durch Dienophile abgefangen werden. Dabei entstehen Bicyclo[2.2.0]hexadiene ("DEWAR-Benzene"), die sich thermisch zu den stabileren Benzen-Derivaten umlagern, z. B.: CO2CH3 Ce4+
 
 Fe(CO)3 Cyclobutadieneisentricarbonyl
 
 + CO2CH 3
 
 CO2CH 3
 
 2-Methoxycarbonylbicyclo[2.2.0]hexa-2,5-dien
 
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 31.1 Organo-Si- und C-Verbindungen im Vergleich
 
 595
 
 31 Organosilicium-Verbindungen 31.1 Organo-Si- und C-Verbindungen im Vergleich Viele Organosilicium-Verbindungen kann man durchaus den Organonichtmetall-Verbindungen zuordnen, weil einige Vertreter ähnliche Eigenschaften aufweisen wie die Kohlenstoff-Analogen. So hat Tetramethylsilan, der NMR-Standard (Kap. 28.5.4), die tetraedrische Molekülgeometrie und das inerte Reaktionsverhalten des vergleichbaren Kohlenwasserstoffs Neopentan (Tab. 31.1). Bei asymmetrisch substituierten Alkyl- oder Arylsilanen wie Methyl-α-naphthylphenylsilan gelingt die Trennung in optisch aktive Enantiomere: R3
 
 R3 Si C
 
 Si Si
 
 Alkylsilan
 
 Disilan
 
 R4 R1
 
 Si S
 
 R2
 
 R2
 
 enantiomere Silane
 
 Si
 
 R4 R1
 
 z. B. R1 = 1-Naphthyl-, R2 = Phenyl-, R3 = Methyl-, R4 = H
 
 R
 
 Tab. 31.1. Ausgewählte Organosilicium-Verbindungen und ihre Kohlenstoff-Analogen Organosilicium-Verbindung Klasse Bezeichnung Formel Silane
 
 Silan Disilan Methylsilan Tetramethylsilan
 
 Halogen- Dichlorsilan silane Trichlorsilan Siliciumtetrachlorid Methyltrichlorsilan Chlortrimethylsilan Silanole
 
 SiH 4 H 3Si SiH 3 H 3C SiH 3 (CH 3)4Si SiH 2Cl2 SiHCl3 SiCl4 H 3C SiCl3 (H 3C)3SiCl
 
 Trimethylsilanol Dimethylsilandiol
 
 (CH 3)3SiOH (CH 3)2Si(OH)2
 
 Siloxane
 
 Dimethyldisiloxan Methyltrimethylsilylether
 
 (CH 3SiH 2)2O (CH 3)3SiOCH 3
 
 Silazane
 
 Trimethyltrisilazan Hexamethyldisilazan
 
 (CH 3SiH 2)3N [(CH3)3Si] 2NH
 
 Kohlenstoff-Analogon Sdp. °C Formel Bezeichnung
 
 Sdp. °C
 
 (1013 mbar)
 
 (1013 mbar)
 
 Methan Ethan
 
 Klasse Alkane
 
 − 112 − 14.5 − 57.5 27
 
 − 162 − 88.3
 
 (CH 3)4C
 
 Neopentan
 
 8.3 33 57.6 65.7 57
 
 40 61 76.8 74 51
 
 CH 2Cl2 CHCl3 CCl4 H 3C CCl3 (H 3C)3CCl
 
 Dichlormethan Halogenalkane Trichlormethan Tetrachlormethan 1,1,1-Trichlorethan 2-Chlor-2-methylpropan
 
 82.8
 
 (CH 3)3COH (CH 3)2C(OH)2
 
 2-Methyl-2-propanol Acetonhydrat (instabil)
 
 9.5
 
 98.6 100 (Schmp.) 34.5 56
 
 − 35 106
 
 109 126
 
 89.5
 
 CH 4 H 3C CH 3
 
 Diethylether (CH 3CH 2)2O (CH 3)3COCH 3 t-Butylmethylether (CH 3CH 2)3N [(CH3)3C] 2NH
 
 Triethylamin Di-t-butylamin
 
 Alkohole Ketonhydrate Ether Amine
 
 Im Gegensatz zu den Alkanen CnH2n+2 entflammen die einfachen, nicht alkylierten Silane SinH2n+2 spontan an der Luft. Während Halogenmethane gegen Wasser inert sind, werden Siliciumhalogenide rasch hydrolysiert. Die Bindung zwischen Silicium und Elektronendonor-Heteroatomen (Halogene, Sauerstoff, Schwefel, Stickstoff) hat nicht den normalen σ-Charakter. Vielmehr beteiligen sich unbesetzte 3d-Orbitale des Siliciums an einer pπ−dπ-Bindung: Si
 
 X
 
 Si
 
 X
 
 X = Cl , Br , OR , SR , NR2
 
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 596
 
 31 Organosilicium-Verbindungen
 
 Entsprechend erhält die SiX-Bindung partiellen π-Charakter. Im Einklang damit stehen eine größere Bindungsenergie (∆H), ein kleineres Dipolmoment µ und deshalb tiefere Siedepunkte der SiX- im Vergleich zu den CX-Verbindungen: Bindungsenergie ∆H [kJ / mol] Dipolmoment µ [Debye] Siedepunkt [°C , 1013 mbar]
 
 Si−Cl : 380 1.28 33
 
 H3Si−Cl : SiHCl3 :
 
 C−Cl : 340 H 3C−Cl : 1.87 CHCl3 : 61
 
 Im Unterschied zu Kohlenstoff bildet Silicium, ebenfalls unter Beteiligung seiner 3d-Orbitale, hexavalente Verbindungen wie das Komplex-Ion SiF62−. Da Kohlenstoff elektronegativer ist als Silicium (Tab. 1.3, Kap. 1.10.1), ist die Si−C-Einfachbindung so polarisiert, daß C die negative, Si die positive Partialladung trägt, was sich in der Reaktivität der Silane widerspiegelt (Kap. 31.3.6). Stabile Mehrfachbindungen zwischen Silicium, Kohlenstoff und anderen Atomen, z. B.
 
 Si Si
 
 Tetramesityldisilen
 
 Si C
 
 Si C
 
 Silen
 
 Silin
 
 Si Si
 
 Si Si
 
 Disilen
 
 Disilin
 
 R Si
 
 R R
 
 R = CH[Si(CH3)3] 1-(2,4,6-Trialkylphenyl)silabenzen
 
 Si O SilacarbonylVerbindung
 
 waren lange nicht bekannt, weil die seitliche Überlappung koaxialer p-Orbitale wegen zu großer Si−X- und Si−Si-Abstände zu schwach und resultierende π-Bindungen daher zu labil sind. So existieren Silicium-Analoga der Ketone nur als Hydrate (Tab. 31.1). Dagegen gibt es jetzt einige bei Raumtemperatur stabile, sperrig substituierte Silene und Disilene (z. B. Tetramesityldisilen), Siline und Disiline mit trans-Biegung der Bindungen, Silabenzene sowie Silylen-Metallcarbonylkomplexe R2Si=Cr(CO)5 mit Metall-Silicium-Doppelbindungen, die u. a. mit Carbonyl-Verbindungen Sila-WITTIG-Alkenylierungen eingehen. Tab. 31.2. gibt einen Überblick der Nomenklatur und Siedepunkte einiger Organosilicium-Verbindungen im Vergleich zu den Kohlenstoff-Analogen.
 
 31.2 Herstellung der Silane 31.2.1
 
 Halogensilane
 
 Halogensilane, die Einstiegs-Edukte zur Synthese zahlreicher siliciumorganischer Verbindungen erhält man durch Alkylierung des Siliciumtetrachlorids mit Alkyl- oder Arylmagnesiumhalogeniden, z. B.: SiCl4
 
 +
 
 C6H5 Mg Cl
 
 C 6H5SiCl3 + Trichlorphenylsilan
 
 MgCl2
 
 C6H5SiCl3
 
 +
 
 C6H5 Mg Cl
 
 (C6H5)2SiCl2 + Dichlordiphenylsilan
 
 MgCl2
 
 (C 6H 5)2SiCl2
 
 +
 
 C6H5 Mg Cl
 
 (C 6H5)3SiCl + Chlortriphenylsilan
 
 MgCl2
 
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 31.3 Nucleophile Substitution am Silicium
 
 597
 
 Halogenmethylsilane werden technisch nach MÜLLER-ROCHOW durch Reaktion von Chlormethan mit Silicium in Gegenwart von Kupferpulver hergestellt: 2 CH 3Cl
 
 +
 
 Si
 
 (Cu-Pulver, 300 - 400 °C)
 
 (H3C)2SiCl2
 
 Das primär entstehende Dichlordimethylsilan disproportioniert, (H3C)3SiCl
 
 2 (H 3C)2SiCl2
 
 +
 
 H 3CSiCl3
 
 so daß die Synthese Methyltrichlorsilan und das t-Butylchlorid-Analogon Chlortrimethylsilan (Trimethylsilylchlorid) als Schlüsseledukt zur Einführung der Trimethylsilyl-Gruppe liefert.
 
 31.2.2
 
 Alkyl- und Arylsilane
 
 Alkyl-, Alkenyl-, Allyl- und Arylsilane werden überwiegend durch Transmetallierung (Kap. 32.4.3) aus Alkylmagnesiumhalogeniden oder Lithiumorganylen als Nucleophile und Trialkylchlorsilanen als Elektrophile dargestellt. Cyclopropyl-, Allyl- und Ethenyltrimethylsilan (Trimethylvinylsilan) sowie Trimethylsilylbenzen sind Beispiele. (H 3C)3SiCl
 
 − MgCl2
 
 + ClMg
 
 − MgCl2
 
 + Cl Mg
 
 + BrMg
 
 (H 3C)3Si
 
 (H 3C)3Si Cyclopropyltrimethylsilan
 
 − MgBrCl
 
 − LiCl
 
 + Li (H 3C)3Si
 
 (H 3C)3Si
 
 Allyltrimethylsilan
 
 Trimethylsilylbenzen
 
 Trimethylvinylsilan
 
 31.3 Nucleophile Substitution am Silicium 31.3.1
 
 Mechanismen
 
 Das Halogen der Halogensilane ist leicht nucleophil substituierbar. Da es noch keine experimentellen Beweise für die Existenz von Siliconium-Ionen als Analoga der Carbokationen gibt, geht man davon aus, daß die nucleophile Substitution des Halogens einem SN2-Mechanismus folgt, wobei im Übergangszustand 3d-Orbitale des Siliciums zur Bindung beitragen. Wie üblich kann das Nucleophil hinter der Abgangsgruppe angreifen: Nu Nu
 
 +
 
 A
 
 B Si X
 
 C
 
 langsam
 
 B A
 
 Si
 
 Nu C
 
 B
 
 Si A
 
 C
 
 +
 
 X
 
 X
 
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 598
 
 31 Organosilicium-Verbindungen
 
 Dementsprechend erwartet man bei enantiomeren Substraten stets eine Inversion der Konfiguration am Silicium. Tatsächlich gibt es aber Reaktionen, die unter Retention ablaufen, was durch einen flankierenden Angriff des Nucleophils erklärt wird: C Nu
 
 A
 
 +
 
 B
 
 langsam
 
 C
 
 Si
 
 A Nu
 
 X
 
 Si
 
 B
 
 A
 
 B
 
 C
 
 Si
 
 +
 
 X
 
 Nu
 
 X
 
 Die meisten funktionellen Organosilicium-Verbindungen sind durch SN-Reaktionen der Halogensilane zugänglich, wie einige Reaktionen des Chlortrimethylsilans zeigen.
 
 31.3.2
 
 Hydrid als Nucleophil
 
 Mit Hydrid als Nucleophil reagieren Trialkylhalogensilane zu Trialkylsilanen. So wird Trimethylsilan durch Reaktion von Trimethylchlorsilan mit Lithiumaluminiumhydrid in Ether dargestellt. (H 3C)3SiCl
 
 31.3.3
 
 +
 
 H
 
 LiAlH4 in Ether − Cl
 
 −
 
 (H3C)3SiH
 
 Reaktionen mit Kohlenstoff-Nucleophilen
 
 Alkylmagnesiumhalogenide alkylieren Trialkylchlorsilane zu Tetraalkylsilanen (Kap. 31.2.2). Das als NMR Standard bekannte Tetramethylsilan (TMS) ist durch vollständige Methylierung des Siliciumtetrachlorids mit Methylmagnesiumchlorid zugänglich: 4 CH3 MgCl
 
 +
 
 (H3C)4 Si + Tetramethylsilan
 
 SiCl4
 
 4 MgCl2
 
 C-Nucleophile wie Natriumcyanid und Natriumalkinylide reagieren mit Trimethylchlorsilan zu Trimethylsilylcyanid bzw. Trimethylsilylalkinen: N
 
 (H 3C)3SiCl + NaCN
 
 31.3.4
 
 O
 
 − NaCl
 
 O
 
 N
 
 CH3
 
 (H 3C)3Si C N
 
 (H 3C)3SiCl + Na
 
 CH3
 
 IC C H
 
 − NaCl
 
 Trimethylsilylcyanid
 
 (H 3C)3Si C C H Trimethylsilylethin
 
 Reaktionen mit Sauerstoff-Nucleophilen
 
 Wasser als Nucleophil hydrolysiert zum Trimethylsilanol, das im Gegensatz zu t-Butylalkohol als Analogon bimolekular zum flüchtigen Hexamethyldisiloxan dehydratisiert: (H 3C)3SiCl
 
 +
 
 H 2O
 
 − HCl
 
 (H3C)3Si
 
 OH
 
 Trimethylsilanol
 
 2 (H 3C)3Si
 
 OH
 
 [H+] − H2O
 
 (H3C)3Si
 
 O Si(CH 3)3
 
 Hexamethyldisiloxan
 
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 31.3 Nucleophile Substitution am Silicium
 
 599
 
 Alkohole alkoxylieren Chlortrimethylsilan in Gegenwart einer Base wie Triethylamin zu Alkyltrimethylsilylethern. Diese der WILLIAMSON-Ether-Synthese analoge nucleophile Substitution wird angewendet, um die Hydroxy-Funktion durch Trimethylsilylierung zu schützen. (H 3C)3SiCl
 
 +
 
 HO R
 
 N(C2H5) 3
 
 (H 3C)3Si
 
 − HCl
 
 O R
 
 Alkyltrimethylsilylether
 
 Epoxide verhalten sich gegenüber Trialkylchlorsilanen ebenfalls als Sauerstoff-Nucleophile. Trimethylchlorsilan öffnet z. B. den Oxiran-Ring zu β-Chlorethyltrimethylsilylether: (H 3C)3SiCl
 
 +
 
 O
 
 Cl
 
 (H 3C)3SiO
 
 2-Chlorethyltrimethylsilylether
 
 Enolisierbare Ketone reagieren mit Trialkylchlorsilanen zu Silylenolethern. Genügend starke Basen (Triethylamin und Kalium-nonafluorbutansulfonat, "Nonaflat") deprotonieren die Carbonyl-Verbindungen zu mesomeriestabilisierten Nucleophilen, die als Carbanionen und EnolatAnionen auftreten. Letzere substituieren nach Art der WILLIAMSON-Ether-Synthese das ChloridAnion der Trialkylchlorsilane. C O C
 
 H
 
 _ C OI
 
 + IB
 
 _ C OI _ C
 
 CI
 
 − HB
 
 Carbanion
 
 _ C OSiR _ 3
 
 + Cl−SiR3 − Cl
 
 C OSiR _ 3 CI
 
 C
 
 −
 
 Enolat-Anion
 
 Trialkylsilylenolether , mesomere Grenzformeln
 
 Dabei entstehen Trialkylsilylenolether als Sauerstoff-Analoga der Enamine, in denen der (+)-MEffekt der Trialkylsilyloxy-Gruppe die β-Stellung der CC-Doppelbindung zum C-Nucleophil polarisiert. Cyclohexanon reagiert mit Chlortrimethylsilan in Gegenwart von Triethylamin und Nonaflat zu Trimethylsilyloxycyclohexen; entsprechend entsteht α-Trimethylsilyloxystyren aus Acetophenon. O
 
 + (H3C) 3SiCl − [C4F9SO3 K+ , N(C 2H 5)3
 
 O
 
 OSi(CH3)3
 
 OSi(CH3)3 + (H3C) 3SiCl − [C 4F9SO3 K+ , N(C2H5)3
 
 − HCl
 
 − HCl
 
 Trimethylsilyloxycyclohexen
 
 Cyclohexanon
 
 Acetophenon
 
 α-Trimethylsilyloxystyren
 
 Enone wie 4-Methoxybuten-2-on reagieren mit Trimethylchlorsilan zu Donor-substituierten und daher elektronenreichen 1,3-Butadienen wie 1-Methoxy-3-trimethylsilyloxy-1,3-butadien (DANISHEFSKY-Dien). Die [4+2]-Cycloaddition dieses Diens an elektronenarme Dienophile wie Methylpropenal ergibt Trimethylsilyloxycyclohexene und nach Hydrolyse substituierte Cyclohexenone. OCH 3
 
 O
 
 CH 3
 
 4-Methoxybuten-2-on
 
 OCH 3
 
 + (H3C) 3SiCl N(C 2H5) 3 , ZnCl2 − HCl
 
 H 3C
 
 CHO
 
 H3CO
 
 + (H 3C)3SiO 1-Methoxy-3-trimethylsilyloxy-1,3-butadien
 
 (H3C)3SiO
 
 CH 3 CHO
 
 CH 3 CHO
 
 +
 
 + 2 H2O (H 3O ) − CH 3OH − (H3C) 3SiOH
 
 O 4-Formyl-4-methyl2-cyclohexenon
 
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 600
 
 31 Organosilicium-Verbindungen
 
 Dabei addiert das elektronenreichste C-4-Atom des Diens an das elektronenärmste C-3-Atom des Propenals als Dienophil. Hierauf beruht die Regioselektivität dieser DIELS-ALDER-Reaktion.
 
 31.3.5
 
 Reaktionen mit Stickstoff-Nucleophilen
 
 Ammoniak als Stickstoff-Nucleophil reagiert mit Chlortrimethylsilan über Trimethylsilylamin zu Hexamethyldisilazan als Silicium-Analogon eines sekundären Amins: (H3C)3SiCl
 
 +
 
 − NH4Cl
 
 2 NH3
 
 (H 3C)3Si NH 2 Trimethylsilylamin
 
 (H 3C)3SiCl
 
 + NH3
 
 + H 2N Si(CH 3)3
 
 (H3C)3Si
 
 − NH4Cl
 
 NH Si(CH 3)3
 
 Hexamethyldisilazan
 
 Amino-Gruppen, auch in Heterocyclen, werden durch Chlortrimethylsilan und Hexamethyldisilazan zu flüchtigen Derivaten trimethylsilyliert (Schutz der Amino-Funktion): Si(CH3)3
 
 H N 2
 
 +
 
 N
 
 (H3C)3Si
 
 − NH 3
 
 NH Si(CH3)3
 
 N 2 N 1-Trimethylsilylimidazol
 
 Natriumazid substituiert das Chlorid des Chlortrimethylsilans in Chinolin-Lösung zum auffallend thermostabilen Trimethylsilylazid: (H 3C)3SiCl
 
 31.3.6
 
 +
 
 − NaCl
 
 Na N3
 
 (H 3C)3Si N 3 Trimethylsilylazid
 
 Desilylierung von Alkinyl- und Arylsilanen
 
 Da Kohlenstoff elektronegativer ist als Silicium, ist die Si−C-Bindung so polarisiert, daß das CAtom die negative Partialladung trägt (Kap. 31.1). Der Angriff eines Nucleophils am Si- oder eines Elektrophils am C-Atom kann daher eine Si−R-Bindung spalten, und dies umso leichter, je acider der zugehörige Kohlenwasserstoff R−H ist. Infolgedessen widerstehen Alkylsilane der heterolytischen Spaltung, während Alkinylsilane mit Fluorid-Ionen durch SN-Reaktion am Silicium desilyliert werden: δ+
 
 (H 3C)3Si
 
 +
 
 δ−
 
 C C R
 
 +
 
 F
 
 (H3C)3Si
 
 Alkinyltrimethylsilan
 
 F
 
 +
 
 + H3O
 
 IC C R
 
 − H2O
 
 Trimethylfluorsilan
 
 H C C R terminales Alkin
 
 Wäßrige Säuren spalten die Arylsilane, weil das bei der elektrophilen Protonierung entstehende, intermediäre Phenonium-Ion infolge des nucleophilen Angriffs von Wasser am Silicium rearomatisiert (Protodesilylierung): Si(CH3)3
 
 H +
 
 + H3O , − H 2O
 
 Si(CH 3)3
 
 H
 
 + H 2O +
 
 − (H 3C) 3SiOH 2
 
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 31.4 Präparative Bedeutung der Trimethylsilyl-Verbindungen
 
 601
 
 31.4 Präparative Bedeutung der Trimethylsilyl-Verbindungen 31.4.1
 
 Reagenzien zur Trimethylsilylierung
 
 Die bereits erwähnte Reaktion von Chlortrialkylsilanen mit Alkoholen in Gegenwart von Basen (Trialkylamine) zu Trialkylsilylethern nach dem Prinzip der WILLIAMSON-Synthese bewährt sich bei Synthesen zum Schutz der Alkohole vor unerwünschten Nebenreaktionen. Unter basischen Bedingungen sind die Trialkylsilylether weitgehend stabil; durch Säuren werden sie gespalten, wobei die Säureresistenz mit zunehmender Zahl sperriger Substituenten steigt. R1 OH
 
 +
 
 Einführung N(C2H5) 3
 
 R3SiCl
 
 Abspaltung der Schutzgruppe + H2O (H3O+)
 
 R 1 OSiR 3
 
 − HCl
 
 − R3SiOH
 
 R1 OH
 
 Neben Chlortrimethylsilan und Hexamethyldisilazan eignet sich N-Methyl-N-trimethylsilylacetamid sehr gut zur Trimethylsilylierung von XH-Funktionen (X = O, S, NH), z. B.: O H3C C N Si(CH3)3 H3C
 
 31.4.2
 
 O
 
 − H3C C
 
 R +
 
 R
 
 NHCH 3
 
 H 3N CH CO2
 
 (H 3C)3Si
 
 NH CH CO2H
 
 N-Trimethylsilylaminosäure
 
 Trimethylsilylazid als Ersatzreagenz
 
 Das thermostabile Trimethylsilylazid ersetzt die explosiven Alkylazide und Stickstoffwasserstoffsäure, u. a. bei 1,3-dipolaren Cycloadditionen mit Alkinen: Si(CH 3)3
 
 R1 + R2
 
 R1
 
 N N N
 
 R2
 
 Si(CH 3)3 N N N
 
 1-Trimethylsilyl-1,2,3-triazol
 
 Carbonsäurechloride und Trimethylsilylazid reagieren mit hohen Ausbeuten zu Carbonsäureaziden, deren CURTIUS-Umlagerung direkt Isocyanate ergibt (Kap. 22.4.9). O R
 
 C Cl
 
 + (H3C) 3Si
 
 N3
 
 − (H3C) 3Si
 
 Cl
 
 O R
 
 C N3
 
 50 - 80 °C , − N2 > 90 %
 
 R N C O
 
 Das Verfahren ist eine bequeme, weniger gefährliche Alternative zur Phosgenierung der Amine (Kap. 25.2.2), wenn an deren Stelle die Carbonsäurechloride zugänglich sind.
 
 31.4.3
 
 Silylenolether als Synthesereagenzien
 
 α-Substitution enolisierbarer Ketone Enolisierbare Ketone lassen sich über die Siloxyalkene (Silylenolether) in α-Stellung substituieren. Cyclohexanon kann sowohl über das Enamin (Kap. 20.8.6) als auch über den aus Cyclö
 
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 602
 
 31 Organosilicium-Verbindungen
 
 hexanon und Trimethylchlorsilan in Gegenwart einer Base zugänglichen Trimethylsilylenolether zu 2-Allylcyclohexanon alkyliert werden:
 
 OSi(CH3)3
 
 +
 
 1-Trimethylsilyloxycyclohexen
 
 + H2O
 
 OSi(CH 3)3 Br
 
 Br
 
 O
 
 − HBr, − (H3C) 3SiOH (R,S)-2-Allylcyclohexanon
 
 Allylbromid
 
 α-Hydroxyenone erhält man durch Epoxidation von 2-Trimethylsiloxydienen mit 3-Chlorperoxy-
 
 benzoesäure und anschließende Hydrolyse des Oxirans in wäßriger Säure: OSi(CH 3)3 O
 
 OSi(CH3)3
 
 O
 
 O OH
 
 + RCO3H
 
 + H2O
 
 − RCO2H
 
 − (CH3) 3SiOH
 
 Cl R=
 
 α-Methylenketone entstehen aus Silylenolethern und Chlordimethylether (starkes Cancerogen)
 
 über das β-Methoxyketon als Primärprodukt:
 
 H3C
 
 + ClCH 2OCH3 (Zn , CuCl , CH 2Cl2 )
 
 OSi(CH3)3
 
 O C5H 11
 
 C5H 11
 
 H3C
 
 − ClSi(CH3 ) 3
 
 O C5H 11
 
 H3C H 3CO
 
 CH2
 
 O
 
 KHSO4 , 100 °C − CH 3OH
 
 H 3C
 
 C 5H11
 
 CH 2 3-Methylen-octan-2-on
 
 Die α-tert-Alkylierung von Ketonen gelingt, wenn man Silylenolether bei tiefen Temperaturen mit einem tertiären Halogenalkan in Gegenwart einer starken LEWIS-Säure wie Zinkchlorid, Eisen(III)-chlorid oder Titantetrachlorid umsetzt. Selbst sperrig α,α-disubstituierte Ketone wie 2-tButyl-2-methylcyclohexanon sind auf diese Weise mit hoher Regioselektivität zugänglich: O
 
 OSi(CH3)3 CH 3
 
 CH 3
 
 + (H3C) 3CCl (TiCl4 , − 40 °C)
 
 O
 
 CH 3 C(CH3)3
 
 − (H3C) 3SiCl
 
 Im Gegensatz hierzu werden Carbonyl-Enolate durch tertiäre Halogenalkane nicht α-alkyliert: O C
 
 O + R−X − X
 
 −
 
 C
 
 R = −C(CH3)3 ; R
 
 ;
 
 CH3
 
 MUKAIYAMA-Aldol-Reaktion Als C-Nucleophile reagieren Silylenolether mit Aldehyden in Gegenwart von LEWIS-Säuren zu racemischen β-Hydroxyketonen. Diese MUKAIYAMA-Aldol-Reaktion verläuft wahrscheinlich über ̈
 
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 31.4 Präparative Bedeutung der Trimethylsilyl-Verbindungen
 
 603
 
 einen Sechsring-Sessel-förmigen Übergangszustand. Darin koordiniert Titantetrachlorid die OAtome beider Edukte und fixiert das Silicium-Atom des Silylenolethers. _ IOSi(CH 3)3
 
 O R1
 
 H
 
 +
 
 R2 + TiCl4, CH2Cl2
 
 R2
 
 − 78 °C
 
 (H3C)3Si Cl H TiCl3 O O
 
 O
 
 OSi(CH3)3
 
 R1
 
 − TiCl 4
 
 OH
 
 + H 2O
 
 R2
 
 R1
 
 − TMSOH
 
 R2
 
 racemisches β-Hydroxyketon
 
 R1
 
 Silylenolether
 
 O
 
 Ein reizvolles Beispiel ist die MUKAIYAMA-Aldol-Reaktion des (S)-2-Methylbutanals mit 3Trimethylsilyloxy-2-penten, dem Silylenolether des 3-Pentanons; sie führt zu 4,6-Dimethyl-5hydroxyoctan-3-ons als Ketol. Die säurekatalysierte Dehydratisierung des Diastereomerengemischs mit p-Toluensulfonsäure ergibt das Monoterpen (+)-Manicon, ein Alarmpheromon der Ameisengattung Manica. OSi(CH3)3
 
 O H
 
 +
 
 TiCl 4, CH2Cl 2
 
 + H2O
 
 − 78 °C
 
 − TMSOH
 
 OH
 
 O
 
 O
 
 +
 
 H3O
 
 − H2O
 
 H
 
 H (S)-2-Methylbutanal
 
 3-Trimethylsilyloxy2-penten
 
 H
 
 (6S)-4,6-Dimethyl-5-hydroxyoctan-3-on (Diastereomere)
 
 (4E,6S)-4,6-Dimethyl-4-octen-3-on (+)-Manicon
 
 MUKAIYAMA-MICHAEL-Addition Die MUKAIYAMA-MICHAEL-Addition der Silylenolether an elektronenarme Alkene (Enone, Acrylsäureester) in Gegenwart von LEWIS-Säuren eignet sich u.a. zur Darstellung von 1,5-DicarbonylVerbindungen. Methylvinylketon (Butenon, R1 = CH3) und das aus Acetophenon nach Kap. 31.3.4 präparierte Trimethylsilyloxystyren (R2 = C6H5) geben auf diese Weise 5-Benzoyl-2-pentanon. ̈
 
 R1
 
 + O Enon
 
 31.4.4
 
 R2 _ IOSi(CH 3)3
 
 R2
 
 R1
 
 TiCl4, CH2Cl2 − 78 °C
 
 O
 
 R1
 
 + H2O − TMSOH
 
 OSi(CH3)3
 
 R2 O
 
 Silylenolether
 
 O 1,5-Dion
 
 IRELAND-CLAISEN-Umlagerung
 
 Bei der als IRELAND-CLAISEN-Umlagerung bekannten Variante der Oxa-COPE-Umlagerung (Kap. 16.5.4, 26.5.3) wird ein Carbonsäureallylester mit Lithiumdiisopropylamid (LDA, Li N[CH(CH3)]2 ) als Base und Trialkylchlorsilan in das O-Trialkylsilylenolat übergeführt. Letzteres lagert beim Erhitzen sigmatrop zum γ,δ-ungesättigten Trialkylsilylester um, dessen Hydrolyse die γ,δ-ungesättigte Carbonsäure freisetzt. OH
 
 O O
 
 O
 
 −78 °C, LDA, + R3SiCl
 
 OSiR3 O
 
 OSiR3 o
 
 O
 
 O
 
 − R3SiOH
 
 − HCl Oxo-Tautomer Enol-Tautomer Carbonsäureallylester (Essigsäureallylester)
 
 OH + H2O
 
 O-Trialkyllsilylenolat
 
 γ,δ-ungesättigte Carbonsäure (Trialkylsilylester)
 
 γ,δ-ungesättigte Carbonsäure (4-Pentensäure)
 
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 604
 
 31 Organosilicium-Verbindungen
 
 Ein Sechsring-Sessel als Übergangszustand steuert den stereochemischen Ablauf der IRELANDCLAISEN-Umlagerung, so daß bei substituierten Allylestern die relative Konfiguration der intermediären Trialkylsilylenolate die der γ,δ-ungesättigten Carbonsäuren festlegt. Erfahrungsgemäß deprotoniert Lithiumdiisopropylamid in Tetrahydrofuran (THF) die Carbonyl-Verbindungen bevorzugt zum (E)-Enolat, während in Gegenwart von Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPTA) überwiegend das (Z)-Enolat entsteht. Dementsprechend führt die IRELAND-CLAISEN-Umlagerung des (E)-Propionsäure-2-butenylesters in THF zur 2,3-Dimethyl-4-pentensäure mit syn-Konfiguration der Methyl-Gruppen, während in THF/HMPTA das anti-Isomer entsteht. CH 3 H 3C H
 
 CH 3
 
 O o
 
 (E)
 
 H
 
 + H2O (H3O+)
 
 H 3C
 
 OSi(CH 3)3
 
 − 78 °C, LDA
 
 CH 3
 
 O
 
 H
 
 H
 
 H 3C
 
 OSi(CH 3)3
 
 CH 3
 
 O C
 
 H
 
 H
 
 CO2H
 
 OH
 
 CH 3 syn-
 
 (H3C)3SiCl
 
 O O
 
 − 78 °C, LDA, HMPT
 
 (H3C)3SiCl
 
 H H 3C
 
 H
 
 O o
 
 (Z)
 
 H
 
 31.4.5
 
 2,3-Dimethyl4-pentensäure
 
 (E)-Propionsäure-2-butenylester
 
 CH 3
 
 + H2O (H3O+)
 
 H 3C
 
 OSi(CH 3)3
 
 H
 
 CH 3
 
 anti-
 
 H
 
 O
 
 CH 3
 
 O
 
 H 3C
 
 OSi(CH 3)3
 
 H
 
 CO2H
 
 CH 3
 
 OH
 
 CH 3
 
 SAKURAI-Reaktion der Allylsilane
 
 Die CC-Doppelbindung von Allylsilanen (Kap. 31.2.2) ist terminal nucleophil. Sie addiert an die elektronenarme CC-Doppelbindung α,β-ungesättigter Carbonyl-Verbindungen in Gegenwart von Titantetrachlorid als LEWIS-Säure, die das Carbonyl-O-Atom komplexiert (1,4-Addition). Intermediär bildet sich ein Carbenium-Enolat-Zwitterion, das mit Wasser zur δ,ε-ungesättigten Carbonyl-Verbindung abreagiert (SAKURAI-Reaktion). 5-Pentenal wird auf diese Weise aus Acrolein (Propenal) und Allyltrimethylsilan zugänglich. + TiCl4
 
 TiCl4
 
 O
 
 O
 
 δ+ δ− Si(CH 3)3
 
 O
 
 +
 
 + 3 H2O (H3O )
 
 +
 
 Si(CH3)3
 
 Allylsilan + Acrolein
 
 O
 
 − TiO2, − HOSi(CH3)3, − 4 HCl
 
 5-Pentenal
 
 Die SAKURAI-Reaktion bewährt sich zur Einführung von Allyl-Gruppen selbst in sterisch überfrachtete Positionen und verläuft auch bei terminal Alkyl-substituierter Doppelbindung regioselektiv: O Si(CH3)3 Dimethylallyltrimethylsilan
 
 1.) TiCl4 , 2.) H3O
 
 + Butenon
 
 +
 
 O
 
 5,5-Dimethyl-6-penten-2-on
 
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 31.5
 
 Silicone
 
 31.4.6
 
 605
 
 PETERSON-Alkenylierung
 
 Tetraalkylsilane mit α-ständigem H (z. B. Isopropyltrimethylsilan, R3 = R4 = CH3) addieren nach Deprotonierung (n-Butyllithium) an Aldehyde oder Ketone zu α-Trimethylsilyl-Alkoholaten, die bei Zusatz von Säure zu Alkenen weiterreagieren. Das bei dieser β-Eliminierung zunächst gebildete Trimethylsilanol kondensiert bimolekular zum flüchtigen, daher wegverdampfenden Hexamethyldisiloxan (Kap. 31.3.4), ein Vorteil im Vergleich zur WITTIG-Alkenylierung, bei der das schwieriger abtrennbare, kristallisierende Triphenylphosphanoxid anfällt. R3 R4
 
 C H Si(CH 3)3
 
 + C4H9Li
 
 R4
 
 − C4H10
 
 R3 C Li
 
 R1 + O C R2
 
 Si(CH3)3 α-Trimethylsilyl-Carbanion
 
 R3 R1 R4 C C R2 (H 3C)3Si O
 
 Li
 
 + H2O (H3O+)
 
 R3
 
 − LiOH − (H3C)3SiOH
 
 R4
 
 R1 C C R2 Alken
 
 α-Trimethylsilylalkoholat
 
 PETERSON-Alkenylierungen mit dem aus Chlormethyltrimethylsilan und Magnesium in Ether zugänglichen Trimethylsilylmagnesiumchlorid gelingen selbst mit sterisch gesperrten Ketonen, deren WITTIG-Alkenylierung mit dem voluminösen Triphenylphosphorylen nicht möglich ist. R1 (H 3C)3Si CH 2
 
 MgCl + O C
 
 (H 3C)3Si
 
 R2
 
 OMgCl R2
 
 R1
 
 R1
 
 + H2O (H3O+)
 
 H 2C C
 
 − MgClOH − (H3C)3SiOH
 
 R2
 
 31.5 Silicone Dialkyl-, Alkylaryl- und Diaryldichlorsilane (Kap. 31.2) hydrolysieren in Wasser und wäßrigen organischen Lösemitteln zu Silandiolen. Unter Katalyse der dabei gebildeten Salzsäure polykondensieren die Silandiole zu hochmolekularen Polysiloxanen: R
 
 n Cl
 
 Si
 
 Cl
 
 R R = Alkyl, Aryl
 
 + 2n H2O − 2n HCl
 
 R
 
 n HO Si
 
 OH
 
 R Dialkylsilandiol
 
 − n H2O
 
 R Si R
 
 O n
 
 Polydialkylsiloxan
 
 Die als "Silicone" besser bekannten Polydialkylsiloxane sind vielseitig anwendbare Werkstoffe. Aus Dialkyldichlorsilanen entstehen ölige Polymere, die wegen ihrer Temperaturbeständigkeit als Heizflüssigkeiten verwendet werden. Da sie wasserabweisend wirken, verwendet man sie auch zur Imprägnierung von Textilien sowie zum Korrosionsschutz. Polyphenylalkylsiloxane sind wachsbis fettartig; sie finden als Hochtemperaturschmiermittel und Hochvakuumfett Verwendung. Vernetzte Silicone erhält man durch Mischpolykondensation von Silandi- und -triolen. Je nach relativer Molekülmasse und Vernetzungsgrad entstehen plastische, elastische und harte Silicone, die als Werkstoffe in der plastischen Chirurgie, Kautschuk-Ersatz und Isolatoren eingesetzt werden.
 
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 606
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 32 Organometall-Verbindungen 32.1 Definition und Nomenklatur In einer metallorganischen Verbindung sind organische Gruppen (Alkyl- oder Aryl-) mit einem Metall verknüpft. Man bezeichnet die Verbindungen als Alkyl- oder Arylmetalle, z. B.: Li
 
 H3C CH2 CH 2 CH 2 Li Butyllithium
 
 Phenyllithium
 
 Sind mehrere organische Reste an das Metall gebunden, so kommt dies durch die Präfixe Di-, Tri-, Tetra-, Penta- usw. zum Ausdruck: (H 3C CH 2 CH2 CH2)2 Zn
 
 (H3C CH2 CH 2)3 Al
 
 (H3C CH2)4 Pb
 
 Dibutylzink
 
 Tripropylaluminium
 
 Tetraethylblei
 
 Bor-, germanium- und zinnorganische Verbindungen bezeichnet man wie im Falle von Silan (SiH4) als Derivate der Hydride Boran (BH3), German (GeH4) und Stannan (SnH4): (C6H 5)3 B Triphenylboran
 
 (H3C CH2)4 Sn
 
 (H 3C)4 Ge Tetramethylgeman
 
 Tetraethylstannan
 
 Alkylmetall-halogen-Verbindungen, von denen die GRIGNARD-Reagenzien am bekanntesten sind, nennt man Alkylmetallhalogenide: H3C CH2 Mg Br Ethylmagnesiumbromid
 
 (H3C CH2)2 Al Cl Diethylaluminiumchlorid
 
 H5C 6 Hg Cl Phenylquecksilberchlorid
 
 Zu den Organometall-Verbindungen im weiteren Sinne gehören auch die in Kap. 30 bereits erwähnten Metall-π-Komplexe sowie die Metallchelate. Dibenzenchrom (ein π-Komplex)
 
 N
 
 Bis-(2,2´-bipyridyl)-nickel(II)-dichlorid (ein Metallchelat)
 
 Cr
 
 2
 
 N
 
 Ni
 
 N
 
 2 Cl N
 
 32.2 Bindungszustand 32.2.1
 
 Übersicht
 
 Metalle sind elektropositiv; ihre Elektronegativitätswerte EM sind kleiner (EM ≤ 2) als die des Kohlenstoffs (EC = 2.5). Daher ist das C-Atom einer C-Metall-Bindung carbanionisch und damit nucleophil im Sinne der folgenden Schreibweisen: R
 
 M
 
 R
 
 +
 
 M
 
 oder
 
 δ− R
 
 δ+ M
 
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 32.2
 
 Bindungszustand
 
 607
 
 Das Ausmaß der Bindungspolarisierung nimmt mit abnehmender Elektronegativität des Metalls zu. Entsprechend liegen die alkali- und erdalkaliorganischen Verbindungen (EM < 1.5) überwiegend ionisch vor. Die metallischen Elemente der Hauptgruppen (EM > 1.5) bilden indessen weniger polarisierte, mehr kovalente Bindungen zu Kohlenstoff. Übergangsmetalle, Lanthaniden und Actiniden neigen in der Mehrzahl zur Bildung von π-Komplexen mit Alkenen und Aromaten. Bei den Edelmetallen gibt es sowohl π-Komplex- (Pd, Pt) als auch Metallorganyl-Bildner (Cu, Ag, Au, Hg) mit vorwiegend kovalenten Metall-Kohlenstoff-Bindungen. Tab. 32.1 skizziert diese Verhältnisse. Tab. 32.1. Charakter von Metall-Kohlenstoff-Bindungen H
 
 He
 
 Li
 
 Be
 
 B
 
 C
 
 N
 
 O
 
 F
 
 Ne
 
 Na
 
 Mg
 
 Al
 
 Si
 
 P
 
 S
 
 Cl
 
 Ar
 
 K
 
 Ca
 
 Sc
 
 Ti
 
 V
 
 Cr
 
 Mn
 
 Fe
 
 Co
 
 Ni
 
 Cu
 
 Zn
 
 Ga
 
 Ge
 
 As
 
 Se
 
 Br
 
 Kr
 
 Rb
 
 Sr
 
 Y
 
 Zr
 
 Nb
 
 Mo
 
 Tc
 
 Ru
 
 Rh
 
 Pd
 
 Ag
 
 Cd
 
 In
 
 Sn
 
 Sb
 
 Te
 
 I
 
 Xe
 
 Cs
 
 Ba
 
 La
 
 Hf
 
 Ta
 
 W
 
 Re
 
 Os
 
 Ir
 
 Pt
 
 Au
 
 Hg
 
 Tl
 
 Pb
 
 Bi
 
 Po
 
 At
 
 Rn
 
 Fr
 
 Ra
 
 Ac Ce
 
 Pr
 
 Nd
 
 Pm
 
 Sm
 
 Eu
 
 Gd
 
 Tb
 
 Dy
 
 Ho
 
 Er
 
 Tm
 
 Yb
 
 Lu
 
 Th
 
 Pa
 
 U
 
 Np
 
 Pu
 
 Am
 
 Cm
 
 Bk
 
 Cf
 
 Es
 
 Fm Md
 
 No
 
 Lr
 
 überwiegend ionisch
 
 32.2.2
 
 überwiegend π-Komplexbildner
 
 überwiegend kovalent
 
 Molekülorbital-Modelle
 
 Im Molekülorbital-Modell käme die Alkalimetall-Kohlenstoff-Bindung durch Überlappung der Hybridorbitale des Kohlenstoffs mit dem kugelsymmetrischen voluminösen s-Orbital des Alkalimetalls zustande. Eine solche Überlappung wäre wenig effektiv, die entsprechende kovalente Alkalimetall-Kohlenstoff-Bindung somit schwach (Abb. 32.1 a); der tatsächliche Bindungszustand ist überwiegend ionisch. Dagegen bilden im anderen Extremfall die schweren Elemente der vierten Hauptgruppe (Ge, Sn, Pb) wenig polare kovalente Alkylmetall-Bindungen, die durch intensive räumlich gerichtete Überlappung von sp3-Hybridorbitalen entstehen (Abb. 32.1 b).
 
 Abb. 32.1. Schwache 2sp3−2s-Überlappung im Methyllithium (a) und starke 2sp3−6sp3-Überlappung im Tetramethylplumban ( b) mit kovalenter Kohlenstoff-Blei-Bindung
 
 H H
 
 Li
 
 C H
 
 CH3 CH 3 Pb
 
 H
 
 a
 
 H
 
 C H
 
 b
 
 CH3
 
 Die π-Komplexbildung vieler Übergangsmetalle und ihrer Kationen wird durch Überlappung besetzter π-Molekülorbitale des Alkens, Polyens oder Aromaten mit leeren d-Orbitalen der Metal-
 
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 608
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 le oder Metall-Kationen erklärt. In einer der fünf mesomeren Grenzformeln des CyclopentadienidAnions C5H5− (Kap. 30.3.2) resultieren die beiden π-Bindungen z. B. aus der Überlappung je zweier pz-Orbitale gleicher Vorzeichensymmetrie (Abb. 32.2 a,b). Das unbesetzte dyz-Orbital hat die hierzu passende Symmetrie, so daß eine dative pπ-dπ-Überlappung zustande kommt, durch welche man die Bindung des Eisen(II)-Ions an zwei Cyclopentadienid-Anionen im Ferrocen erklärt. z
 
 Abb. 32.2. (a) Überlappende pz-Orbitale des Cyclopentadienids und ( b) dyz-Orbitale des Eisen(II)-Ions mit kompatibler Vorzeichensymmetrie
 
 a
 
 y z
 
 b
 
 y
 
 Verbindungen mit thermostabilen Metall-Kohlenstoff-Doppelbindungen klassischer Prägung sind Raritäten wie sterisch geschützte Silene und Disilene (Kap. 31.1) oder Metall-Alkyliden-Komplexe (Kap. 32.7). Jedoch gibt es dative π-Bindungen, welche durch seitliche Überlappung besetzter p-Orbitale des Benzens (Donator) mit vakanten d-Orbitalen eines Metalls wie Zinn (Akzeptor) erklärt werden (Abb. 32.3). Abb. 32.3. Bildung des Molekülorbitals einer dativen pπ - dπ -Bindung von Kohlenstoff ( a) an Zinn (b) in Tetraphenylstannan (zur Vereinfachung wurde nur eine der vier C-Sn-Bindungen gezeichnet) b
 
 a
 
 32.3 Eigenschaften metallorganischer Verbindungen 32.3.1
 
 Alkylmetalle
 
 Die alkali- und erdalkaliorganischen Verbindungen mit überwiegend ionischer Bindung sind salzartig, dementsprechend schwer flüchtig und wenig löslich in unpolaren Lösemitteln. Durch Wasser werden sie rasch hydrolysiert. An der Luft entflammen sie oft spontan.
 
 32.3.2
 
 Metallorganische Elektronenmangel-Verbindungen
 
 Die Trialkyl- und Triarylmetall-Verbindungen der dritten Hauptgruppe des Periodensystems sind infolge ihres Elektronen-Defizits starke Elektronen-Akzeptoren (LEWIS-Basen). Dementsprechend bilden die Trialkyl-Derivate des Bors und Aluminiums in Analogie zu ihren Hydriden Dimere, welche durch Dreizentren-Bindungen miteinander verknüpft sind, z. B.: Trimethylaluminium-Dimer Schmp. 15 °C
 
 H 3C H 3C
 
 Al
 
 H3C CH3
 
 Al
 
 CH 3 CH 3
 
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 32.4
 
 Allgemeine Methoden zur Herstellung
 
 609
 
 Auch die leichten Metalle der zweiten Hauptgruppe des Periodensystems, vor allem Beryllium, weniger Magnesium, bilden Dialkyl-Derivate, welche aufgrund ihrer Elektronenlücken Dreizentren-Bindungen knüpfen können. Ein bekanntes Beispiel ist Dimethylberyllium, das selbst im Dampfzustand polymer vorliegt: Dimethylberyllium-Polymer Sublimationspunkt : 217 °C Bindungssymmetrie an Be : tetraedrisch
 
 H3C
 
 Be
 
 CH 3
 
 H 3C CH3
 
 H3C
 
 Be
 
 CH 3
 
 Die Organometall-Verbindungen der dritten (B, Al, ...), vierten (Si, Ge, ...), fünften (As, Sb, Bi) und sechsten Hauptgruppe (Te) des Periodensystems mit überwiegend kovalenter Bindung sind dagegen flüchtig und lösen sich gut in unpolaren organischen Lösemitteln. Hydrolysiert werden sie weniger heftig (Trialkylborane) oder überhaupt nicht (Tetraalkylsilane).
 
 32.3.3
 
 GRIGNARD-Verbindungen
 
 Alkylmagnesiumhalogenide lösen sich in Ethern, weil sie als LEWIS-Säuren durch Koordination mit den Ether-Sauerstoff-Atomen als LEWIS-Basen ihr Oktett am Magnesium auffüllen können. R
 
 Elekronenlücke
 
 R
 
 Mg
 
 R
 
 X
 
 R
 
 Elekronenlücke
 
 O Mg O
 
 R X
 
 AlkylmagnesiumhalogenidEther-Komplex
 
 R
 
 Mit 1,4-Dioxan reagieren GRIGNARD-Verbindungen in Diethylether zu schwer löslichen Komplexen. NMR-spektroskopisch wurde nachgewiesen, daß sich die Alkylmagnesiumhalogenide im SCHLENK-Gleichgewicht befinden, wobei ein Halogen-Alkyl-Austausch stattfindet: R 2 Mg . Mg X2
 
 2 R Mg X
 
 Die Verknüpfung zu diesen Dimeren erfolgt über zwei Mg---X---Mg-Dreizentren-Bindungen. Auch die Dimeren lösen sich in Ethern, wobei das positiver geladene Magnesium die Komplexierung der Ether-Moleküle übernimmt: R R
 
 Mg
 
 X X
 
 OR 2 Mg
 
 OR2 OR2
 
 OR 2
 
 32.4 Allgemeine Methoden zur Herstellung 32.4.1
 
 Reaktion von Kohlenwasserstoff und Metall
 
 Alkalimetalle addieren an Stilbene unter Bildung tieffarbiger Salze: H C
 
 H C H
 
 +
 
 2 Na
 
 C
 
 C
 
 + 2 Na
 
 H
 
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 610
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 CH-Säuren wie Triphenylmethan und vor allem Ethin und terminale Alkine reagieren mit Alkalimetallen unter Wasserstoff-Entwicklung zu den entsprechenden Salzen: 2 (H 5C6)3CH
 
 +
 
 2 H C C H
 
 2 K
 
 2 (H5C 6)3C K + Kaliumtriphenylmethylid
 
 H2
 
 2 H C C
 
 H2
 
 + 2 Na
 
 Na
 
 +
 
 Natriumethinylid
 
 32.4.2
 
 Reaktion von Halogenalkan und Metall
 
 Die Metallierung von Halogenalkanen ist die am häufigsten angewandte Methode zur Herstellung metallorganischer Verbindungen, wobei die Iod- und Bromalkane am besten reagieren (I>Br>Cl>>F). Da die meisten Organometall-Verbindungen luft- und feuchtigkeitsempfindlich sind und mit vielen Lösemitteln (z. B. Ethanol und Aceton) reagieren, müssen die Reaktionen in inerten, wasserfreien Lösemitteln (Ether, Tetrahydrofuran, Kohlenwasserstoffe) unter Luftausschluß durchgeführt werden. Folgende Beispiele geben eine kleine Auswahl: H3C CH 2 CH 2 CH2 Br
 
 +
 
 H5C 6 Br
 
 +
 
 2 Li
 
 +
 
 2 Zn
 
 2 H3C CH 2
 
 I
 
 2 Li
 
 Ether
 
 H 3C CH 2 CH2 CH2 Li
 
 +
 
 LiBr
 
 Butyllithium
 
 H 5C6 Li + Phenyllithium
 
 LiBr
 
 (H3C CH 2)2 Zn
 
 +
 
 ZnI2
 
 Diethylzink
 
 (H3C)2CH Br
 
 +
 
 Mg
 
 (H3C)2CH MgBr i-Propylmagnesiumbromid
 
 Organokalium- und -natrium-Verbindungen können nicht auf diese Weise hergestellt werden, da diese durch WURTZ-Reaktion zu Alkanen (Kap. 2.6.3) weiterreagieren: R R
 
 Br
 
 +
 
 M
 
 +
 
 2 M R Br
 
 R
 
 M
 
 +
 
 MBr
 
 R
 
 R
 
 +
 
 MBr
 
 ( M = Na , K )
 
 Metall-Legierungen reagieren mitunter besser als die reinen Metalle. Bekannte Beispiele sind die Herstellungsverfahren von Dimethylquecksilber und Tetraethylblei (Tetraethylplumban). 2 CH3
 
 I
 
 4 H 3C CH2 Cl
 
 +
 
 HgNa2
 
 (H3C)2 Hg
 
 +
 
 +
 
 PbNa4
 
 (H3C CH 2)4 Pb
 
 2 NaI +
 
 4 NaCl
 
 Tetraethylblei wurde früher als Antiklopf-Additiv im Benzin verwendet. Die Antiklopfwirkung beruht auf einer thermischen Homolyse (PbR4 → R3Pb• + R•) in Radikale, die ihrerseits bei der Verbrennung entstehende Radikale binden.
 
 32.4.3
 
 Reaktion von Organometall-Verbindung und Metallhalogenid
 
 Die Reaktion einer Organometall-Verbindung − oft ein GRIGNARD-Reagenz − mit Metallhalogeniden in Ether, Tetrahydrofuran oder Benzen als Lösemittel ist eine weitere, vielseitige Synthese.
 
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 32.4
 
 Allgemeine Methoden zur Herstellung
 
 611
 
 Bei dieser Transmetallierung stellt sich ein Gleichgewicht ein, dessen Lage vom Normalpotential der beiden Metalle abhängt. Bevorzugt entsteht die Organometall-Verbindung des weniger elektropositiven, edleren Metalls: H3C CH2 CH 2 CH 2 Li
 
 +
 
 R CH CH MgCl
 
 +
 
 2 C2H 5 MgBr
 
 HgBr2
 
 H3C CH2 CH2 CH 2 HgBr
 
 HgCl2
 
 +
 
 +
 
 LiBr
 
 n-Butylquecksilberbromid
 
 R CH CH HgCl
 
 +
 
 Alkenylquecksilberchlorid
 
 CdBr2
 
 (C2H 5 )2 Cd Diethylcadmium
 
 +
 
 MgCl2
 
 2 MgBr2
 
 Die Darstellung der Silane (Kap. 31.2), Germane und Stannane folgt diesem Prinzip:
 
 32.4.4
 
 4 CH3 MgCl
 
 +
 
 GeCl4
 
 (H3C)4 Ge + Tetramethylgerman
 
 4 CH3 MgCl
 
 +
 
 SnCl4
 
 (H3C)4 Sn + Tetramethylstannan
 
 4 MgCl2 4 MgCl2
 
 Metall-Metall-Austausch
 
 Auch zwischen einer Organometall-Verbindung (RM1) und einem Metall (M2) stellt sich ein Gleichgewicht zugunsten des weniger elektropositiven ("edleren") Metalls (M1) ein, R M1
 
 +
 
 M2
 
 R M2
 
 +
 
 M1
 
 das sich gelegentlich zur Herstellung einer Organometall-Verbindung nutzen läßt, z. B.: (C 2H5 )2 Hg
 
 32.4.5
 
 +
 
 ( 65 °C , 3 Tage , Ligroin )
 
 2 Li
 
 2 C2H5 Li
 
 +
 
 Hg
 
 Halogen-Metall-Austausch
 
 Alkyl-Gruppen sind labiler an Metalle gebunden als Aryl-, Vinyl- und Alkinyl-Reste. Offensichtlich nimmt die Elektronegativität des Kohlenstoffs mit zunehmendem s-Charakter seiner Bindungs-Hybridorbitale zu. Hierauf beruht die Herstellung einiger Aryl- und Alkenylmetalle nach dem Schema R X
 
 +
 
 R' Li
 
 R Li
 
 +
 
 R'
 
 X
 
 R = Aryl-, Alkenyl-, Alkinyl- ; R' = Alkyl- ; X = I > Br > Cl
 
 Ein Beispiel ist die Herstellung von p-Chlorphenyllithium aus p-Chlorbrombenzen: Cl
 
 Br
 
 +
 
 H 3C CH 2 CH 2 CH2 Li
 
 Cl
 
 Li
 
 +
 
 H 3C
 
 CH 2 CH2 CH2 Br
 
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 612
 
 32.4.6
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 Wasserstoff-Metall-Austausch
 
 Der Wasserstoff-Metall-Austausch ist eine gängige Methode zur Herstellung von GRIGNARDVerbindungen aus CH-Säuren, indem man diese mit einem gut zugänglichen Alkylmagnesiumhalogenid reagieren läßt. Cyclopentadienyl- und Alkinylmagnesiumbromide werden z. B. auf diesem Weg hergestellt:
 
 32.4.7
 
 CH2
 
 +
 
 H3C CH2 MgBr
 
 R C C H
 
 +
 
 H3C CH2 MgBr
 
 H +
 
 MgBr R C C MgBr
 
 C 2H6
 
 +
 
 C 2H6
 
 Addition von Metallhydriden an Alkene
 
 Hydride der dritten Hauptgruppe wie Boran addieren als Elektronenmangel-Verbindungen glatt an Alkene: R CH CH2 + H MH2
 
 R CH 2 CH 2 MH2
 
 + 2R
 
 CH CH2
 
 (R CH 2 CH 2)3 M
 
 M = B , Al
 
 Trialkylaluminium und die präparativ vielseitig anwendbaren Trialkylborane (Hydroborierung, Kap. 15.4.4) sind auf diese Weise zugänglich.
 
 32.5 Reaktionen von Alkyl- und Arylmetall-Verbindungen 32.5.1
 
 Reaktion mit Sauerstoff
 
 Zahlreiche Alkyl- und Arylmetall-Verbindungen reagieren mit Sauerstoff. Alkaliorganyle, Trialkylborane, Trialkylammonium-Verbindungen sowie Dialkylzink-Verbindungen entzünden sich spontan an der Luft und können dementsprechend nur unter Schutzgas (Stickstoff, Argon) aufbewahrt bzw. umgesetzt werden: Zn(C2H 5)2
 
 +
 
 ZnO
 
 7 O2
 
 +
 
 4 CO2
 
 +
 
 5 H 2O
 
 Dagegen sind die Tetraalkylsilane, -germane, -stannane und -plumbane an der Luft stabile Flüssigkeiten, die erst nach Zündung oder Erhitzen entflammen.
 
 32.5.2
 
 Reaktion mit Halogen
 
 Mit Halogen reagieren die meisten Organometall-Verbindungen unter Bildung von Halogenalkanen und Metallhalogenid: RM
 
 +
 
 X2
 
 R X
 
 +
 
 MX
 
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 32.5
 
 Reaktionen von Alkyl- und Arylmetall-Verbindungen
 
 613
 
 Diese präparativ unbedeutende Reaktion ist eine elektrophile Substitution am Alkyl-C-Atom, die bei ionischen Organometall-Verbindungen mono-, bei wenig polaren dagegen bimolekular abläuft: δ− δ+
 
 X X
 
 32.5.3
 
 δ− δ+
 
 +
 
 SE2
 
 R M
 
 langsam
 
 δ−
 
 δ+
 
 X.... X.... R.... M
 
 R X
 
 schnell
 
 +
 
 MX
 
 Hydrolyse und Alkoholyse
 
 Organometall-Verbindungen reagieren mit Wasser umso heftiger, je elektropositiver das Metall ist. Dabei entstehen Alkan und Metallhydroxid durch SE-Protonierung des Alkyl-C-Atoms: δ− δ+
 
 HO H
 
 δ− δ+
 
 +
 
 Zn(C2H 5)2
 
 H3C Li +
 
 2 H2O
 
 CH 4
 
 +
 
 2 C2H 6
 
 LiOH +
 
 Zn(OH)2
 
 Auch mit Alkoholen, Phenolen, Carbonsäuren, Thiolen und Aminen erfolgt die entsprechende Solvolyse: C 2H5OH
 
 C4H 10 +
 
 [(H 3C)2CH] 2NH
 
 C4H 10 +
 
 C4H 9 Li C4H 9 Li
 
 +
 
 +
 
 C2H 5O Li Lithiumethanolat
 
 [(H3C)2CH] 2N Li Lithium-N,N-diisopropylamid (LDA)
 
 Hierauf beruht die quantitative Bestimmung des "aktiven Wasserstoffs" (−OH, −NH−) einer Verbindung mit Methylmagnesiumbromid oder -iodid durch gasvolumetrische Messung des freigesetzten Methans (ZEREWITINOFF-Verfahren): R XH
 
 +
 
 CH3 Mg I
 
 R XMg I
 
 +
 
 CH4
 
 X = O , S , NH , NR
 
 Präparative Bedeutung hat die Hydrolyse metallorganischer Verbindungen durch Deuteriumoxid, weil dabei spezifisch deuterierte Alkane entstehen (Deuterium-Markierung): H 3C
 
 CH2 Mg Br
 
 +
 
 D2O
 
 p-Xylylmagnesiumbromid
 
 H 3C
 
 CH 2 D
 
 +
 
 DO Mg Br
 
 α-Deuterio-p-xylen
 
 Tetraalkylsilane, -germane, -stannane und -plumbane sowie quecksilberorganische Verbindungen sind in Wasser stabil. Jedoch reagieren sie mit Halogenwasserstoffen sowie in saurer Lösung, z. B.: (H 3C)4Sn
 
 +
 
 4 HCl
 
 SnCl4
 
 +
 
 4 CH 4
 
 Mit Halogenwasserstoff setzen fast alle Alkylmetalle den entsprechenden Kohlenwasserstoff frei: RM
 
 +
 
 HX
 
 MX
 
 +
 
 RH
 
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 614
 
 32.5.4
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 Reaktion mit CH-Säuren
 
 Die leicht zugänglichen Arylmagnesium- und Aryllithium-Verbindungen reagieren mit CHSäuren unter Bildung der entsprechenden Salze, z. B.: R C C H
 
 +
 
 H5C 6 MgBr
 
 R C C
 
 MgBr
 
 +
 
 C 6H6
 
 Auf diese Weise gelingt die Metallierung schwacher CH-Säuren.
 
 32.5.5
 
 Reaktionen zwischen Organometall-Verbindungen
 
 Als Elektronenmangel-Verbindungen (Akzeptoren) reagieren die Trialkyl-Derivate des Bors und Aluminiums mit alkaliorganischen Verbindungen als Donoren zu Tetraalkylboraten und -aluminaten, z. B.: (H 3C)3 B
 
 +
 
 [(H3C)4 B]
 
 H3C Li
 
 Li
 
 Lithiumtetramethylborat
 
 (H 5C6)3 B
 
 +
 
 H5C 6 Na
 
 [(H5C 6)4 B]
 
 Na
 
 Natriumtetraphenylborat
 
 (H 5C2)3 Al
 
 +
 
 H5C 2 Li
 
 [(H5C 2)4 Al]
 
 Li
 
 Lithiumtetraethylaluminat
 
 Die entstehenden Komplexe zeigen Elektrolyt-Charakter. Natriumtetraphenylborat ("Kalignost") reagiert mit Kalium-Salzen in wäßriger Lösung unter Fällung von Kaliumtetraphenylborat, worauf eine quantitative Kalium-Bestimmung beruhte. Als neuere Synthesereagenzien, u. a. zur Herstellung von Ketonen aus Säurehalogeniden, spielen die Lithiumdialkylcuprate eine Rolle: O 2R C Cl
 
 +
 
 O 2R C R'
 
 R'2Cu Li
 
 +
 
 CuCl
 
 +
 
 LiCl
 
 Sie entstehen durch Reaktion von Alkyllithium- und Alkylkupfer-Verbindungen Li R
 
 +
 
 Cu R
 
 R2 Cu Li
 
 oder einfacher aus Kupfer(I)-iodid und zwei Äquivalenten Alkyllithium, z. B.: 2 C4H 9 Li
 
 +
 
 Cu I
 
 − Li I
 
 C 4H9 Cu
 
 +
 
 C 4H9 Li
 
 (C 4H9)2 Cu Li Lithium-dibutylcuprat
 
 Der erste Schritt ist ein Metall-Metall-Austausch (Kap. 32.4.4), getrieben durch die Tendenz des elektropositiven Lithiums, ein Salz zu bilden.
 
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 32.5
 
 Reaktionen von Alkyl- und Arylmetall-Verbindungen
 
 32.5.6
 
 615
 
 Reaktion mit Carbonsäurehalogeniden
 
 Viele Organometall-Verbindungen reagieren mit Carbonsäurechloriden zu Ketonen. Bekannt sind die Keton-Synthesen mit Dialkylcadmium (Kap. 20.6.5) und Lithiumdialkylcupraten. α,β-Ungesättigte Ketone entstehen durch Reaktion von Alkenylquecksilberhalogeniden mit Carbonsäurehalogeniden: R
 
 O
 
 H +
 
 C C H
 
 C R´
 
 R
 
 CH2Cl2 , AlCl3
 
 Cl
 
 HgCl
 
 H +
 
 C C H
 
 HgCl2
 
 C O R'
 
 32.5.7
 
 Addition an CC-Doppelbindungen
 
 Die Addition metallorganischer Verbindungen an Alkene ist präparativ ohne Bedeutung, denn die Hydrolyse der Primäraddukte führt zu Alkanen, die einfacher durch katalytische Hydrierung der Alkene zugänglich sind. R +
 
 C C
 
 R Mg X
 
 C
 
 R
 
 + H2O
 
 C
 
 C
 
 −
 
 − OH − Mg 2+ − − Br
 
 Mg X
 
 C H
 
 Dagegen ist die stereoselektive, wahrscheinlich konzertiert ablaufende Addition von Iodmethylzinkiodid an Alkene (SIMMONS-SMITH-Reaktion) eine Methode zur Synthese von Cyclopropanen: CH 2I2 + Zn Ether
 
 R H
 
 32.5.8
 
 C C
 
 H +
 
 H 2C
 
 R
 
 R
 
 ZnI Ι
 
 H
 
 C C
 
 H CH 2 R
 
 ZnI
 
 R
 
 I
 
 H
 
 H +
 
 ZnI2
 
 R
 
 Addition an CX-Doppelbindungen
 
 GRIGNARD-Synthesen Metallorganische Verbindungen addieren nucleophil an Carbonyl-Verbindungen oder deren Heteroanaloga: C X
 
 +
 
 C XM
 
 RM
 
 X = O , S , NR' ; M = Li , MgBr
 
 R
 
 Das Primäraddukt hydrolysiert in Wasser, C R
 
 XM
 
 +
 
 H 2O
 
 C
 
 XH
 
 +
 
 MOH
 
 R
 
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 616
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 wobei die ursprüngliche CX-Doppelbindung zur CRXH-Gruppe umfunktioniert wird. Die vielfach als GRIGNARD-Reaktion bezeichnete 1,2-Addition der gut zugänglichen Alkylmagnesiumhalogenide an CX-Mehrfachbindungen findet viele präparative Anwendungen. Bekannte Beispiele sind • Synthesen primärer, sekundärer und tertiärer Alkohole aus Formaldehyd, anderen Aldehyden und Ketonen: + H2O
 
 C O
 
 +
 
 C O Mg Br
 
 R Mg Br
 
 •
 
 X +
 
 R MgBr
 
 R
 
 X
 
 + [H+]
 
 C XMg Br
 
 X= O,S
 
 − Mg − − Br
 
 R
 
 2+
 
 C XH
 
 Synthesen sekundärer und tertiärer Amine aus Iminen und Immonium-Salzen: R'
 
 R' +
 
 C N
 
 R MgBr
 
 MgBr
 
 R' C N
 
 +
 
 Br
 
 R'
 
 − MgBr 2
 
 R MgBr
 
 R'
 
 + H2O
 
 C N R
 
 C N
 
 −
 
 − OH − Mg 2+ − − Br
 
 R
 
 H
 
 NH
 
 C
 
 C N
 
 R'
 
 •
 
 R
 
 Synthesen von Carbonsäuren und Dithiocarbonsäuren aus Kohlendioxid und Schwefelkohlenstoff: X C X
 
 •
 
 C OH
 
 −
 
 − OH − Mg 2+ − − Br
 
 R
 
 R'
 
 R
 
 sowie Synthesen von N-Alkylcarbonsäureamiden aus Isocyanaten: R'
 
 N C O
 
 +
 
 R'
 
 R MgBr
 
 N
 
 OMgBr C R
 
 O
 
 + [H+] − Mg − − Br
 
 R'
 
 2+
 
 R
 
 Bei der Reaktion von Alkylmagnesiumhalogeniden mit Carbonsäureestern konkurrieren Addition an der Carbonyl-Doppelbindung und Substitution der Alkoxy-Gruppe. Als Endprodukt entsteht ein tertiärer Alkohol mit zwei gleichen Alkyl-Resten: O R1
 
 +
 
 C
 
 O MgBr
 
 + H2O
 
 2 R MgBr
 
 R1 C
 
 −
 
 − OR2 − Mg 2+ − − Br
 
 OR 2
 
 R
 
 OH
 
 + H2O
 
 R
 
 R1 C
 
 −
 
 − OH − Mg 2+ − − Br
 
 R
 
 R
 
 Alkyl- und Arylalkali-Verbindungen sind meist noch reaktiver als die Alkylmagnesiumhalogenide. Alkyllithium-Verbindungen lassen sich z. B. sehr gut carboxylieren: O R
 
 Li
 
 +
 
 C O
 
 O
 
 O R
 
 C O
 
 C OLi
 
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 32.5
 
 Reaktionen von Alkyl- und Arylmetall-Verbindungen
 
 617
 
 REFORMATSKY-Synthesen Auch Zink-Analoga der Alkylmagnesiumhalogenide addieren an die Carbonyl-Doppelbindung. Hierauf beruht die REFORMATSKY-Synthese von β-Hydroxy- und α,β-ungesättigten Carbonsäureestern. Dabei entstehen aus α-Halogenester und Zink zunächst α-Alkoxycarbonylalkylzinkhalogenide, die in Ether- bzw. Tetrahydrofuran-Lösung dimer vorliegen: RO
 
 Zn
 
 +
 
 δ− δ+
 
 Br
 
 C CO2R
 
 Br Zn C CO2R als Dimer : H
 
 H
 
 Br
 
 O
 
 C
 
 δ+ δ−
 
 Tetrahydrofuran
 
 H
 
 Zn
 
 O
 
 Zn
 
 O
 
 H O
 
 Br
 
 C OR
 
 α-Alkoxycarbonylalkylzinkhalogenide addieren nucleophil an Aldehyde oder Ketone: C O
 
 +
 
 δ+ δ−
 
 Br Zn C CO2R
 
 C
 
 H
 
 C CO2R
 
 BrZnO
 
 H
 
 Im Gegensatz zu GRIGNARD-Verbindungen greifen die Alkylzinkhalogenide dabei nicht am EsterCarbonyl-C-Atom an. Die Hydrolyse des Primäraddukts führt zu β-Hydroxyestern (Kap. 19.4.1), welche zu α,β-ungesättigten Estern dehydratisieren können, sofern ein α-Wasserstoff-Atom bereit steht: RO O C BrZnO
 
 + H2O
 
 C C
 
 −
 
 − OH − Zn2+ − − Br
 
 OR
 
 H
 
 O C
 
 C C
 
 HO
 
 C O
 
 − H2O
 
 C C
 
 OR
 
 H
 
 Eine Variante der REFORMATSKY-Reaktion erzeugt das Enolat-Anion mit Lithiumdiisopropylamid (LDA) bei tiefen Temperaturen. Nach Zugabe der Carbonyl-Verbindung entstehen β-Hydroxyester mit guten Ausbeuten, z. B.: O
 
 O
 
 + LiNR2
 
 H3C C OC 2H5
 
 − HNR2
 
 H2C C
 
 Li
 
 +
 
 O
 
 O
 
 H2C C OC 2H5
 
 + H2O
 
 OH
 
 − LiOH
 
 OC 2H5
 
 CH2 CO2C2H 5 1-Ethoxycarbonylmethylcyclopentanol
 
 R = CH(CH3) 2
 
 32.5.9
 
 Addition an CX-Dreifachbindungen
 
 CC-Dreifachbindungen bleiben bei der Reaktion mit Organometall-Verbindungen meist intakt. Dagegen addieren GRIGNARD-Verbindungen leicht an Nitrile. Durch Hydrolyse der Primäraddukte entstehen Ketone (Kap. 20.6.4): N MgBr R' C N
 
 +
 
 R MgBr
 
 R'
 
 C R
 
 O
 
 + 2 H2O
 
 − NH 3 −
 
 − OH 2+ − Mg − Br
 
 R'
 
 C R
 
 −
 
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 618
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 Die Darstellung des α-Methoxyacetophenons aus Methoxyacetonitril und Phenylmagnesiumbromid ist eine Anwendung: H3CO CH 2
 
 C N
 
 +
 
 + 2 H2O
 
 C 6H5 MgBr
 
 − NH3 − − OH − Mg 2+ − − Br
 
 O H3CO CH 2 C C6H 5
 
 Analog sind Ketone aus Nitrilen und Alkyllithium-Verbindungen zugänglich: N Li R' C N
 
 +
 
 R'
 
 R Li
 
 C
 
 O
 
 + 2 H2O
 
 R'
 
 − NH3 − LiOH
 
 R
 
 C R
 
 32.5.10 Nucleophile Öffnung von Oxiran- und Oxetan-Ringen Alkylmetalle, vor allem Lithium-Derivate und GRIGNARD-Verbindungen, reagieren mit Oxiranen und Oxetanen unter nucleophiler Ringöffnung: δ− δ+
 
 RM
 
 O
 
 +
 
 + H2O
 
 R
 
 O M
 
 R
 
 OH
 
 − MOH
 
 Die Reaktion ist eine Methode zur Einführung von Hydroxyethyl- bzw. Hydroxypropyl-Gruppen durch Oxiran (Ethylenoxid) bzw. Oxetan. So gelingt die Synthese von 3-(2-Pyridyl)-propanol aus metalliertem 2-Methylpyridin (α-Picolin) und Oxiran: N
 
 CH 2 Li +
 
 Ether
 
 O
 
 N
 
 O Li
 
 + H2O
 
 N
 
 OH
 
 − MOH
 
 32.5.11 Nucleophile Substitution Nucleophile Alkylierungen durch GRIGNARD-Reagenzien gelingen am besten mit Allyl- und Benzylhalogeniden als Substraten. Diese CC-Verknüpfungen sind SN2-Substitutionen, welche mesomeriestabilisierte Übergangszustände durchlaufen: H2C CH CH 2
 
 X
 
 +
 
 δ− δ+
 
 H2C
 
 R Mg X
 
 CH
 
 R CH 2
 
 − MgX2
 
 H2C CH CH 2
 
 R
 
 X Mg X
 
 Nach diesem Prinzip kann man Allyl-Gruppen einführen, z. B.: Br
 
 +
 
 Br Mg
 
 Ether − MgBr 2
 
 Allylcyclohexan
 
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 32.6
 
 Übergangsmetall-Aren- und Alken-Komplexe
 
 619
 
 Die dabei konkurrierende Bildung des 1,5-Hexadiens aus Allylbromid und Allymagnesiumbromid läßt sich durch hohe Verdünnung unterdrücken. Ether
 
 Br
 
 +
 
 Br Mg
 
 − MgBr 2
 
 1,5-Hexadien
 
 Eine weitere, präparativ nützliche nucleophile Substitution ist die Alkylierung des Orthoameisensäuretriethylesters durch Alkylmagnesiumhalogenide: OC2H 5
 
 δ+ δ−
 
 X Mg R
 
 +
 
 H C OC2H 5 OC2H 5
 
 R CH(OC 2H5)2
 
 2+
 
 − Mg − −X − − C2H5O
 
 O
 
 + H2O
 
 − 2 C 2H 5OH
 
 R C H
 
 Die Reaktion ermöglicht elegante Synthesen aliphatischer und aromatischer Aldehyde, z. B. des 3,3-Dimethylbutanals aus 1-Brom-2,2-dimethylpropan: (H 3C)3C CH 2 CH O
 
 (H 3C)3C CH 2 Br + Mg
 
 (H 3C)3C CH 2 Mg Br
 
 + H2O + CH(OC 2H 5) 3 2+
 
 − Mg − −X − − C2H5O
 
 − 2 C 2H 5OH
 
 (H3C)3C CH2 CH(OC2H 5)2
 
 Als Beispiele nucleophiler Substitutionen am aromatischen bzw. heteroaromatischen KohlenstoffAtom sind Alkylierungen und Phenylierungen des Pyridins und der Azine durch Alkyl- und Aryllithium bekannt (Kap. 34.12.4). Enthält der elektrophile Aromat jedoch eine CH-acide Gruppe, so findet deren Metallierung viel leichter statt: H 5C6
 
 N
 
 CH 3
 
 N +
 
 LiH
 
 CH3
 
 N +
 
 Li C6H 5
 
 CH2 Li
 
 C 6H6 +
 
 32.6 Übergangsmetall-Aren- und Alken-Komplexe 32.6.1
 
 Bindungszustand und Struktur von Metall-π-Komplexen
 
 Bei den bisher besprochenen Organometall-Verbindungen waren die Metalle überwiegend ionisch oder kovalent an bestimmte C-Atome gebunden. Dagegen bestehen bei den Metall-π-Komplexen keine lokalisierten Bindungen zwischen Metall und bestimmten Kohlenstoff-Atomen. Metall und π-System bilden vielmehr ein Molekül definierter Geometrie, wobei π-Elektronen eines Aromaten oder Polyens vakante d-, p- und s- oder Hybrid-Orbitale des Übergangsmetalls oder -metallions auffüllen. Neben Ferrocen (Kap. 30.3.3) ist Dibenzenchrom ein bekanntes Beispiel. In beiden Verbindungen werden die sechs vakanten d 2sp3-Hybrid-Orbitale des Eisen(II)-Ions und des
 
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 620
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 Chroms durch die beiden π-Elektronensextette der beiden Aromaten (Cyclopentadienid und Benzen) zur stabilen Krypton-Elektronenkonfiguration aufgefüllt (Abb. 32.4). d 2 sp 3 - Hybridorbitale 2
 
 Fe
 
 2π 2π
 
 b
 
 2π
 
 Cr°
 
 2π 2π 2π
 
 a
 
 c
 
 Abb. 32.4. Elektronen-Konfiguration (a) von Ferrocen (b) und Dibenzenchrom (c)
 
 Ferrocen und Dibenzenchrom sind ihrer Elektronenkonfiguration (Abb. 32.4 a) zufolge diamagnetisch. Dibenzenvanadin hat dagegen ein Elektron weniger im 3d-Zustand und ist daher paramagnetisch. Metallocene wie Ferrocen sowie Dibenzenchrom werden aufgrund ihrer Struktur (Abb. 32.4 b, c) als "Sandwich"-Komplexe bezeichnet (Kap. 30.3.3). Im Ferrocen stehen die Ring-C-Atome auf Lücke, im Dibenzenchrom dagegen verdeckt (ekliptisch). Die Fünfringe des Ferrocens bilden eine Ebene, die Sechsringe des Dibenzenchroms dagegen einen flachen Sessel, wie durch Neutronenbeugung nachgewiesen wurde.
 
 32.6.2
 
 Herstellung und Eigenschaften einiger Übergangsmetall-π-Komplexe
 
 Aromaten-π-Komplexe Metall-π-Komplexe des Benzens entstehen unter reduzierenden und FRIEDEL-CRAFTS-analogen Bedingungen. Zur Herstellung des Dibenzenchroms wird z. B. wasserfreies Chrom(III)-chlorid, Aluminiumchlorid und Aluminiumpulver mit Benzen erhitzt. Das zunächst gebildete Dibenzenchrom(I)-Ion wird durch zusätzliches Reduktionsmittel (Hypophosphit) zum tiefbraunen, unter Luftausschluß bis 300 °C stabilen Dibenzenchrom(0) reduziert. ̈
 
 2 C6H 6
 
 +
 
 Cr 3
 
 +
 
 CrCl3 , AlCl3 , Al , 180 °C
 
 2 e0
 
 −
 
 + e0 (H3PO2)
 
 (C6H 6)2Cr
 
 (C 6H6)2Cr
 
 Die als Metallocene bekannten Sandwich-π-Komplexe mit Cyclopentadienid erhält man allgemein durch Reaktion der wasserfreien Metallhalogenide mit zwei Äquivalenten Cyclopentadienylmagnesiumbromid: 2 C5H 5
 
 MgBr
 
 +
 
 MBr2
 
 M
 
 +
 
 2 MgBr2
 
 Tripeldecker-Sandwich-π-Komplexe mit zwei verschiedenen Metallen bilden sich u. a. aus Metallocen und Cyclopentadienyl-Metall(II)-tetrafluoroboraten: Ni (C 5H5)2Ni
 
 +
 
 [C 5H5Pd]
 
 BF 4
 
 BF 4 Pd
 
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 32.6
 
 Übergangsmetall-Aren- und Alken-Komplexe
 
 621
 
 Alken- und Allyl-π-Komplexe Zur Bildung von Alken- und Allyl-π-Komplexen neigen vor allem die Dihalogenide der Platinmetalle. Das seit 1827 bekannte ZEISE-Salz erhält man z. B. durch Einleiten von Ethen in eine Lösung von Tetrachlorplatin(II)-säure und Kaliumchlorid in Ethanol: H2C CH2
 
 +
 
 H2PtCl4
 
 +
 
 KCl
 
 Cl Cl
 
 − 2 HCl
 
 CH2
 
 Pt
 
 CH2
 
 Cl
 
 K
 
 ZEISE - Salz
 
 Allyl-π-Komplexe bilden sich aus Allylmagnesiumbromid und den wasserfreien Metallhalogeniden. Das gelborange, kristalline, an der Luft entflammende Bis-π-allyl-nickel entsteht z. B. aus wasserfreiem Nickelbromid und Alkylmagnesiumbromid in wasserfreiem Diethylether unter Schutzgas bei −10 °C: H 2C 2 H2C CH CH 2 MgBr
 
 +
 
 NiBr2
 
 Ether , − 10 °C
 
 − MgBr 2
 
 H 2C HC
 
 CH Ni CH 2 CH 2
 
 Cyclopolyen-π-Komplexe Cyclopolyen-π-Komplexe der Übergangsmetalle bilden sich aus den Metallhalogeniden und Cyclopolyenen, z. B.: +
 
 PtCl2
 
 PtCl2 Cyclooctadien-platindichlorid (farblos, krist., stabil bis 220 °C)
 
 Eine weitere Methode ist die Kohlenmonoxid-Verdrängung aus Metallcarbonylen durch das Cyclopolyen. So entsteht aus Molybdänhexacarbonyl und Cycloheptatrien der Halbsandwich-πKomplex Cycloheptatrienmolybdäntricarbonyl: +
 
 Mo(CO)6
 
 +
 
 3 CO
 
 Mo(CO)3
 
 Auf ähnlichem Weg kann auch das an sich nicht faßbare Tetramethylcyclobutadien als Nickelkomplex abgefangen werden. Er entsteht durch Reaktion von Dichlortetramethylcyclobuten und Nickeltetracarbonyl unter Inertbedingungen. Bei der Enthalogenierung mit Alkaliamalgamen bilden sich dagegen die Cyclobutadien-Dimeren. + 2 LiHg , Ether
 
 H 3C H 3C
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 H3C H 3C
 
 H 3C
 
 Cl
 
 CH 3
 
 H 3C
 
 H3C
 
 CH 3
 
 CH3
 
 CH 3
 
 H3C
 
 + Ni(CO)4 − 4 CO
 
 CH3
 
 1/2
 
 − 2 LiCl , − 2 Hg
 
 Cl CH 3
 
 H 3C
 
 CH 3 NiCl2
 
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 622
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 Unter reduzierenden Bedingungen gelingt die Herstellung einiger Metall(0)-π-Komplexe aus Metallsalzen oder Metallkomplexen und Cyclopolyenen. Ein Beispiel ist die Reaktion von all-trans1,5,9-Cyclododecatrien mit Nickelacetylacetonat in Gegenwart von Trialkylaluminium als Reduktionsmittel. Es entsteht all-trans-1,5,9-Cyclododecatrien-centro-nickel(0) :
 
 + Ni 2
 
 +
 
 Ni(C5H7O2) 2 , AlR3
 
 2 e0
 
 Ni
 
 all-trans-1,5,9-Cyclododecatrien-centro-nickel(0) (tiefrot, beständig unter N 2 bis 140 °C)
 
 Alkin-Übergangsmetall-Komplexe Alkine als Zwei-Elektronen-Donoren können Übergangsmetall-Ionen einzähnig zu π-Komplexen oder zweizähnig zu Metallacyclopropenen reagieren. So ergibt Natriumtetrachloroplatinat mit Dit-butylethin und p-Aminotoluen einen π-Komplex mit cis-Biegung der C-Alkyl-Bindungen (165° statt 180°) und etwas verlängerter CC-Dreifachbindung (124 pm).
 
 Na2[PtCl4]
 
 +
 
 (H3C)3C C C C(CH 3)3
 
 +
 
 H3C
 
 NH2
 
 C2H5OH − 2 NaCl
 
 Cl
 
 H H 3C
 
 Pt
 
 NI
 
 H Cl
 
 C(CH 3)3 C C C(CH 3)3
 
 Die Dehalogenierung des 1,2-Dibromcyclohexens mit Natriumamalgam in Gegenwart von Tristriphenylphosphan-Platin(0) führt zum Platinabicyclo[4.1.0]hepten mit zweizähnigem AlkinLiganden, in dem das an sich nicht beständige Cyclohexin durch Abbau der Ringspannung stabilisiert wird. Br
 
 NaxHg
 
 +
 
 Pt[P(C 6H5)3]
 
 Br
 
 32.6.3
 
 +
 
 2 Na
 
 − 2 NaBr − P(C6H5)3
 
 Pt
 
 P(C6H 5)3 P(C6H 5)3
 
 CC-Verküpfungen mit Übergangsmetall-Komplexen als Katalysatoren
 
 Übergangsmetall-π-Komplexe finden hauptsächlich als Katalysatoren zu CC-Verknüpfungen Anwendung. So gelingt die Hydroformylierung terminaler Alkene (=CH2) in Gegenwart von Ferrocen oder des Rhodiumcyclooctadienchlorid-Dimers: R CH CH2
 
 +
 
 CO
 
 +
 
 H2
 
 +
 
 CO +
 
 H2
 
 2,6-Dimethyl-1,5-heptadien
 
 Kat.
 
 R CH2 CH2 CH O
 
 Kat. =
 
 Fe
 
 Cl
 
 Kat.
 
 O
 
 Kat. =
 
 Rh
 
 Rh Cl
 
 Citronellal
 
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 32.6
 
 Übergangsmetall-Aren- und Alken-Komplexe
 
 623
 
 Bis-(cyclooctadien)-nickel(0) katalysieren Cyclodi- und -trimerisierungen des Butadiens. Auf diese Weise entstehen vier-, fünf-, sechs-, acht- und zwölfgliedrige Alicyclen (Abb. 32.5).
 
 4-Vinylcyclohhexen
 
 cis-cis-1,5-Cyclooctadien
 
 .2
 
 .2
 
 .2
 
 Kat. =
 
 .3
 
 1-Vinyl-3-methylencyclopentan
 
 Ni
 
 all-trans-1,5,9-Cyclododecatrien
 
 .2
 
 1,2-Divinylcyclobutan
 
 Abb. 32.5. Katalytische Cyclodi- und trimerisierungen des 1,3-Butadiens
 
 Die stereoselektive Polymerisation des 1,3-Butadiens zu cis-Polybutadien gelingt in Anwesenheit von all-trans-1,5,9-Cyclododecatrien-centro-nickel(0) als Katalysator: Ni
 
 97 % cis-
 
 n
 
 n
 
 Als Methode der CC-Verknüpfung bewährt sich die als HECK-Reaktion (Kap. 4.5.11) bekannte Alkenylierung von Alkyl-, Alkenyl- sowie Arylhalogeniden und Triflaten (X = Br, I, O−SO2−CF3) durch Alkene in Gegenwart von Pd(0)-Komplexen [L2Pd(0)] als Katalysatoren und einer Base wie Triethylamin als "Protonenschwamm". Die HECK-Reaktion beginnt mit der Genese des Palladium(0)-Komplexes L2Pd aus Palladium(II)-Salz [PdY2, meist Palladium(II)acetat, Y = CH3CO2−], einem Liganden L [meist Triphenylphosphan, L = (C6H5)3P] und dem Alken. Der Palladium(0)Komplex addiert im Katalysecyclus die Halogen-Verbindung zum Alkylpalladium(II)-Halogenid L2Pd RX (oxidative Addition), in welches sich das Alken einschiebt (Alken-Insertion). Das Insertionsaddukt setzt das substituierte Alken durch β-Eliminierung von L2PdHX frei. Eine Base (Triethylamin) regeneriert den Palladium(0)-Komplex L2Pd, der einen neuen Katalysecyclus startet. Y − HY , − C
 
 H PdY2 +
 
 2L +
 
 C C
 
 C
 
 +R
 
 L2Pd(0)
 
 R
 
 X
 
 L2Pd X
 
 + N(C2H5)3
 
 +
 
 −
 
 − HN(C2H5)3 X
 
 Alken-Insertion
 
 + C C H
 
 H L2Pd
 
 L2Pd X
 
 R XH
 
 R C C
 
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 624
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 Mit Cycloalkenen wird die HECK-Reaktion unter Verschiebung der Doppelbindung chirogen, weil die reduktive β-Eliminierung syn-stereoselektiv abläuft, und nur die dem Pd benachbarte CH2Gruppe ein syn-ständiges H-Atom bereitstellt. Enantioselektive HECK-Reaktionen der Cycloalkene und ihrer Heteroanaloga gelingen mit Pd(0)-Komplexen aus chiralen Liganden L wie (aR)- und (aS)-BINAP (Kap. 18.9.3).
 
 R
 
 +
 
 X
 
 H H
 
 + L2Pd(0)
 
 Base
 
 − HX , - L2Pd(0)
 
 H * R L2 Pd X
 
 * R
 
 Intramolekulare und mehrfache Varianten belegen die präparative Anwendungsbreite der HECKReaktion. So cyclisiert Bromdiallylmalonsäurediethylester mit guten Ausbeuten zum 5,5-Diethoxycarbonyl-3-methylencyclohexen, und eine sechsfache HECK-Reaktion des Hexabrombenzens mit Styren (unter Zusatz von Lithiumchlorid und Tetra-n-butylammonium-Fluorid als Phasentransfer-Katalysator) ermöglicht die Darstellung des Hexastyrylbenzens. Br Pd[P(C6H5) 3]4 K2CO3
 
 Br
 
 Br
 
 + 6 C 6H 5
 
 − HBr
 
 H 5C2O2C CO2C 2H 5
 
 Br
 
 Br H 5C2O2C CO2C 2H 5
 
 Br Br
 
 5,5-Diethoxycarbonyl3-methylencyclohexen
 
 Pd(OCOCH 3) 2 P(C6H 5) 3, K2CO3 LiCl, (n-C4H 9) 4NF − 6 HBr
 
 Hexastyrylbenzen
 
 Die HECK-Reaktion läßt sich auf terminale Alkine übertragen, wobei das als Co-Katalystor zugesetzte Kupfer(II)-iodid mit dem Alkin in situ zum Alkinylid reagiert. Diese als SONOGASHIRAReaktion (Kap. 7.5.10) bekannte Methode macht disubstuierte Ethine zugänglich. Weitere Palladium-katalysierte CC-Verknüpfungen wie die STILLE-Kupplung der Tetraalkylstannane sowie die SUZUKI-Kupplung der Alkyl- und Arylboronsäuren (Kap. 13.4.4), beide mit Alkyl-, Alkenyl- und Arylhalogeniden als Kohlenstoff-Elektrophilen, folgen dreistufigen Katalysecyclen: (1) Das Kohlenstoff-Elektrophil R1−X addiert an den Palladium(0)-Komplex unter Bildung eines Palladium(II)-Komplexes (oxidative Addition). (2) Das Kupplungsreagenz substituiert den Palladium(II)-Komplex so, daß dieser die zu verknüpfenden Reste R1 und R2 bindet. (3) Die reduktive α-Eliminierung des Kupplungsprodukts R1−R2 regeneriert den Palladium(0)Komplex, der einen neuen Katalysecyclus startet. Reagenzien sind Tetraalkylstannane R2SnR3 bei der STILLE- und Boronsäuren R2B(OH)2 bei der SUZUKI-Kupplung. L2PdCl2
 
 Reduktion
 
 L2Pd(0)
 
 oxidative Addition + R1 X
 
 R1 L2Pd X
 
 reduktive α-Eliminierung
 
 R1 R 1 R2
 
 L2Pd
 
 STILLE : + R2SnR3 ; − R3SnX SUZUKI : + R2B(OH) 2 ( Base) ; − BaseB(OH) 2
 
 R2
 
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 32.6
 
 Übergangsmetall-Aren- und Alken-Komplexe
 
 625
 
 Ein Beispiel zur STILLE-Kupplung ist die Darstellung des 4-t-Butyl-1-trimethylsilylethinylcyclohexens aus 4-t-Butylcyclohexen-1-yl-triflat und Trimethylsilylethinyltrimethylstannan: OTf
 
 +
 
 4-t-Butylcyclohexen-1-yl-triflat
 
 Pd[P(C6H 5) 3]
 
 (H3C)3Sn C C Si(CH 3)3
 
 Si(CH3)3
 
 Trimethylsilylethinyltrimethylstannan
 
 + (H 3C)3SnOTf
 
 4-t-Butyl-1-trimethylsilylethinylcyclohexen
 
 SUZUKI-Kupplungen bewähren sich zur Darstellung konjugierter Polyene, ggf. unter Erhaltung der relativen Konfiguration beider Edukte (Retention). Die Synthese des Bombykols, Sexuallockstoff des Seidenspinner-Weibchens (Bombyx mori), gelingt z. B. durch SUZUKI-Kupplung des (E)-1Iod-1-undecen-11-ols mit (Z)-1-Pentenyl-1-boronsäure: HO
 
 I
 
 +
 
 (E)-1-Iod-1-undecen-11-ol
 
 32.6.4
 
 Pd(0)
 
 (HO)2B
 
 HO
 
 − I B(OH) 2 Bombykol
 
 (Z)-1-Pentenyl1-boronsäure
 
 CX-Verküpfungen mit Palladium-Komplexen als Katalysatoren
 
 Die BUCHWALD-HARTWIG-Reaktion von Arylhalogeniden oder Triflaten mit primären oder sekundären Aminen zu nahezu beliebig substituierten N-Alkyl- bzw. N,N-Dialkylanilinen in Gegenwart von Palladium-Komplexen (Kap. 22.4.3) realisiert Palladium-katalysierte CN-Verknüpfungen. Zum Start addiert das Arylhalogenid oxidativ an den Palladium(0)-Komplex L2Pd. Dabei entsteht der Arylpalladium(II)-Halogenid-Komplex L2PdArX. Nach Substitution des Halogenid-Anions durch Alkoholat und Amin bildet sich das Arylpalladium(II)anilid L2PdArNR1R2. Die reduktive α-Eliminierung des Anilins regeneriert den Palladium(0)-Komplex, der einen neuen Katalysecyclus eröffnet. Als Katalysator-Ligand L bewährt sich 1,1´-Bis(diphenylphosphano)ferrocen (abgekürzt DPPF), der wahrscheinlich den eingesetzten Katalysator L2PdCl2 in situ zum aktiven Pd(0)-Komplex L2Pd reduziert. oxidative Addition
 
 L2PdCl2
 
 Reduktion
 
 L2Pd(0)
 
 + Ar
 
 X
 
 Ar L2Pd
 
 Ph Ph
 
 X + NaOR
 
 Ar NR1R 2
 
 Ar L2Pd NR1R 2
 
 + HNR1R2 − ROH
 
 P
 
 − NaX
 
 L =
 
 Fe P
 
 Ar
 
 Ph Ph
 
 L2Pd
 
 DPPF
 
 OR
 
 Intramolekulare BUCHWALD-HARTWIG-Reaktionen bieten sich zur Synthese spezieller StickstoffHeterocyclen mit N-Alkylanilin-Teilstrukturen an. Ein attraktives Syntheseziel aus dem Bereich der Naturstoffe ist 4-Methyl-β-carbolin-1,3-dicarbonsäuredimethylester (Kap. 39.2.4): Br CH 3
 
 N H 2N
 
 CH 3
 
 CO2CH 3
 
 CO2CH 3
 
 L2PdCl2 − HBr
 
 CO2CH 3 N
 
 N H
 
 CO2CH 3
 
 4-Methyl-β-carbolin-1,3-dicarbonsäuredimethylester
 
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 626
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 Der Mechanismus der BUCHWALD-HARTWIG-Reaktion läßt auch die α-Eliminierung von Alkylarylethern aus dem intermediären Palladium-Komplex L2PdArOR zu. In Abwesenheit von Aminen gelingt tatsächlich die Darstellung von t-Alkylarylethern aus Natrium-t-butylat und Arylhalogeniden, deren o- oder p-Stellungen durch elektronenziehende Substituenten besetzt sind:
 
 N C
 
 Br + NaOC(CH 3)3
 
 L2PdCl2 Toluen
 
 C(CH3)3 N C
 
 − HBr
 
 O
 
 t-Butyl-p-cyanophenylether
 
 32.7 Übergangsmetall-Carben-Komplexe 32.7.1
 
 Konstitution
 
 Übergangsmetall-Carben-Komplexe (Alkyliden-Komplexe) sind Organometall-Verbindungen mit Metall-Kohlenstoff-Doppelbindungen. In den FISCHER-Carben-Komplexen liegt das Zentralmetall in niedriger Oxidationsstufe vor, und das Carben-C-Atom bindet ein Donor-Heteroatom (z. B. als OCH3). SCHROCK-Carben-Komplexe wie das TEBBE-Reagenz zur Carbonyl-Methylenierung enthalten ein Zentralmetall mit höherer Oxidationsstufe und ein Carben-C-Atom, das außer dem Metall keine Heteroatome bindet. CO OC OC R
 
 M C
 
 CO
 
 FISCHER-Carben-Komplex M = Cr, Mo, W
 
 CO
 
 SCHROCK-Carben-Komplex (Alkyliden-Komplex)
 
 Cp2 Ti CH 2
 
 Cp =
 
 OCH 3
 
 Vier mesomere Grenzformeln beschreiben die Metall-Carben-Bindung: X LnM
 
 C R
 
 1,3-Dipol
 
 X
 
 X LnM
 
 LnM
 
 C
 
 R
 
 R Ylid (nucleophiles Metall)
 
 Ylen
 
 X LnM
 
 C
 
 C R
 
 Ylid (elektrophiles Metall)
 
 Untersuchungen der Kristallstruktur deuten auf ein nahezu trigonal planar konfiguriertes (sp2hybridisiertes) Carben-C-Atom hin. Dabei ist die Metall−Carben-C-Bindung kürzer als andere Metall−C-Bindungen und länger als der Metall−C-Abstand in Carbonylen, so daß der YlenGrenzformel erhebliches Gewicht zukommt. Aufgrund der beiden Ylid-Grenzformeln sind die Carben-C-Atome der Komplexe elektrophil oder nucleophil. Elektrophil reagieren sie mit niedervalentem Zentralmetall und Akzeptoren wie Kohlenmonoxid CO als Liganden, nucleophil dagegen mit höhervalentem Metall und Donoren wie Cyclopentadienid C5H5− (Cp) als Liganden.
 
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 32.7
 
 Übergangsmetall-Carben-Komplexe
 
 32.7.2
 
 627
 
 Herstellung
 
 Die nucleophile Addition von Lithiumorganylen an Metallcarbonyle macht FISCHER-CarbenKomplexe zugänglich. CO OC OC
 
 M
 
 CO
 
 + LiR , (C2H5)2O
 
 CO
 
 OC
 
 CO
 
 OC
 
 CO
 
 R
 
 M = Cr, Mo, W R = CH3, C2H5, C6H6
 
 Metallhexacarbonyl
 
 M C
 
 + [(H3C) 3O]+ BF4
 
 CO
 
 − LiF , − BF3 , − (H3C) 2O
 
 O
 
 CO
 
 −
 
 CO
 
 OC OC
 
 Li
 
 R
 
 M C
 
 CO CO OCH3
 
 Carben-Komplex
 
 SCHROCK-Carben-Komplexe entstehen u. a. durch Deprotonierung einer Metall-Alkyl-Gruppe, Cp =
 
 Cp2Ta
 
 CH 3 CH 3
 
 NaOCH 3
 
 + CH3O
 
 Cp2Ta
 
 CH3 CH2
 
 +
 
 CH3OH
 
 oder durch Abfangen in situ (aus Diazoalkanen) erzeugter Carbene, P(C 6H5)3
 
 P(C 6H5)3 ON Cl
 
 Os P(C 6H5)3
 
 +
 
 ON
 
 CH 2N2
 
 Cl
 
 +
 
 P(C6H5)3
 
 +
 
 N2
 
 P(C 6H5)3
 
 P(C 6H5)3
 
 32.7.3
 
 Os CH2
 
 Reaktionen
 
 Übergangsmetall-Carben-Komplexe (FISCHER-Carben-Komplexe) mit starken π-Elektronen-Akzeptoren wie Kohlenmonoxid als Liganden lassen sich durch Nucleophile zu anderen CarbenKomplexen substituieren: NHC 2H 5
 
 OCH 3 (CO)5Cr
 
 C
 
 + H 3C CH 2
 
 (CO)5Cr
 
 NH2
 
 CH 3
 
 C
 
 + CH 3OH CH 3
 
 Bortrihalogenide elimineren das Alkoxy-Anion der FISCHER-Carben-Komplexe und substituieren die trans-ständige CO-Gruppe durch Halogenid, so daß Metall-Carbin-Komplexe entstehen. X
 
 CO OC OC R
 
 M C
 
 CO CO
 
 + BX3 − BX2OCH3
 
 OCH 3
 
 Carben-Komplex
 
 X = Cl, Br, I
 
 OC OC
 
 M
 
 CO CO
 
 C R Carbin-Komplex
 
 Als C-Elektrophile sind die Komplexe Carben-Überträger bei speziellen Cyclopropanierungen. Präparativ bedeutsamer ist die DÖTZ-Benzoanellierung (Kap. 12.5.4), z. B. des FISCHER-CarbenKomplexes Pentacarbonyl[methoxy(phenyl)carben]chrom (Kap. 32.7.2) mit Alkinen zum 4Methoxynaphthol-tricarbonylchrom-π-Komplex. Dabei setzt die Eliminierung eines CO-Liganden in 1 zunächst eine Koordinationsstelle zur Komplexierung des Alkins frei. Wahrscheinlich cycloaddiert der Alkin-Komplex 2 intramolekular zum Chromacyclobuten 3, das sich nach Insertion
 
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 628
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 eines Äquivalents Kohlenmonoxid elektrocyclisch öffnet. Das resultierende Styrylketen 4 elektrocyclisiert zum Dienon-Intermediat 5, das zum 4-Methoxynaphthol-tricarbonylchrom-π-Komplex aromatisiert. OC OC
 
 CO Cr
 
 CO CO
 
 C
 
 OC OC
 
 50 °C , − CO
 
 Cr
 
 CO
 
 C
 
 OCH 3
 
 R 1 C C R2 OC CO Cr OC CO C OCH 3
 
 CO + R1
 
 C C R2
 
 OCH 3
 
 1
 
 2,3-Dialkyl-4-methoxynaphtholtricarbonylchrom-π-Komplex
 
 R2 C
 
 2
 
 Cr(CO)3 R1
 
 H 3CO
 
 R1 H 3CO
 
 Cr(CO)3 R1
 
 H 3CO
 
 Cr(CO)4
 
 3
 
 R2
 
 Cr(CO)3 R1
 
 H3CO R2
 
 OH
 
 H
 
 O 4
 
 O 5
 
 R2
 
 C
 
 Wie Carbonyl-Verbindungen lassen sich Carben-Komplexe mit elektrophilem Carben-C-Atom durch Phosphor-Ylide (Phosphorylene) alkenylieren: C 6H 5 (H 5C 6)3P CH 2
 
 +
 
 (CO)5Cr
 
 C 6H 5
 
 C
 
 H 2C C C 6H 5
 
 +
 
 (H 5C 6)3P Cr(CO)5
 
 C 6H 5
 
 Übergangsmetall-Carben-Komplexe, in denen das Metall eine höhere Oxidationsstufe betätigt und π-Elektronen-Donoren wie Cyclopentadienid als Liganden bindet, sind dagegen am Carben-C-
 
 Atom nucleophil und reagieren selbst wie Metall-Ylide, z. B. mit Carbonyl-Verbindungen. Der TEBBE-Carben-Komplex zur Carbonyl-Methylenylierung ist ein typisches Beispiel (Kap. 20.10.2). H Cp2TiCl2 +
 
 Al(CH 3)3
 
 Al2(CH3) 6
 
 C
 
 OR'
 
 H Al(CH3) 2
 
 Cp2Ti
 
 − ClAl(CH3) 2
 
 + O
 
 OR'
 
 R
 
 Cp2 Ti CH2
 
 − Cp2 Ti
 
 Cl
 
 Titandichloriddicyclopentadienid
 
 C
 
 O
 
 R Enolether
 
 TEBBE-Carben-Komplex
 
 TEBBE-Reagenz
 
 Cp =
 
 H 2C C
 
 Eine Schlüsselrolle spielen Übergangsmetall-Carben-Komplexe vom SCHROCK-Typ als Katalysatoren bei der homogenen Alken-Metathese (Kap. 4.5.14, 8.6.6, 33.2.1, 36.2.5). Im Reaktionscyclus bildet der Katalysator mit dem Alken einen intermediären Metall-Carben-Komplex, welcher mit weiterem Alken unter [2+2]-Cycloaddition zum intermediären Metallacyclobutan weiterreagiert. Durch Cycloreversion öffnet sich das Vierring-Cycloaddukt; dabei entsteht das neue Alken und der in den Katalysecyclus wieder eintretende Metall-Carben-Komplex. R1
 
 M R1 R3
 
 C C
 
 −
 
 R2 + R4
 
 2 M(Kat.)
 
 R3
 
 C
 
 + R4
 
 R1
 
 C
 
 R2
 
 R3
 
 M Metall-Carben-Komplex
 
 C C
 
 R2
 
 M R1 R1
 
 R4
 
 R2 R3
 
 − R2
 
 M
 
 R3
 
 C
 
 R4
 
 R1
 
 R1 C
 
 R2
 
 C R2
 
 R4 Metallacyclobutan
 
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 32.8
 
 Metallchelate
 
 629
 
 32.8 Metallchelate Definiert man als metallorganisch nur Verbindungen mit Metall-Kohlenstoff-Bindungen, so sind Metallchelate nicht metallorganisch. Da die Metall-Kationen in den Metallchelaten Metall-Heteroatom-Bindungen zu organischen Chelatliganden knüpfen, ist es dennoch sinnvoll, Metallchelate bei den Organometall-Verbindungen einzuordnen.
 
 32.8.1
 
 Bauprinzip
 
 Donor-Moleküle wie Ammoniak und Wasser können Metall-Kationen koordinativ binden. Dabei füllen die nichtbindenden (n-) Elektronenpaare des Donors vakante Hybridorbitale des MetallKations. So werden bei einer Koordinationszahl von sechs und Oktaeder-Konfiguration sechs d 2sp3-Hybridorbitale durch sechs Donoren-Elektronenpaare aufgefüllt. Konkurrieren verschiedene Donoren, so entstehen die Komplex-Ionen des stärkeren Donors. In wäßriger Lösung ist z. B. Ammoniak der stärkere Donor und verdrängt das Wasser aus den Hexaaquo-Komplexen, was sich bei Übergangsmetall-Kationen oft durch deutliche Farbumschläge der Lösungen bemerkbar macht: NH 3 6 INH3
 
 +
 
 stärker
 
 H 3NI
 
 [ M(OH 2)6 ]2
 
 H 3NI
 
 schwächer
 
 M = Ni : Lösungsfarbe blaßgrün
 
 2
 
 INH3 M INH3 _ NH3
 
 +
 
 6 H2O
 
 M = Ni : Lösungsfarbe tiefblaugrün
 
 Metallchelate entstehen aus Metall-Kation und Molekülen mit mindestens zwei Donor-Gruppen. Häufige Donor-Gruppen sind Amino-, Imino- und Carbonyl-Funktionen. NH _ 2
 
 ,
 
 C N _
 
 ,
 
 _ C O _
 
 Je nach Anzahl der Donor-Gruppen unterscheidet man zwei-, drei- und mehrzähnige ChelatLiganden. Entsprechend bilden sie mit einem Metall-Kation zwei- oder mehr Donor-Bindungen, nehmen das Kation also zwei- oder mehrfach "in die Zange". Daraus ergibt sich die Bezeichnung Chelate (griech. χελε = Krebsschere). Bekannte zweizähnige Liganden sind 1,2-Diamine (Ethylendiamin = 1,2-Diaminoethan), 1,2-Diimine [Butandion-dioxim = Biacetyl-dioxim = Bis-(2,3-dihydroxyimino)-butan] und 1,3-Diketon-Enole (Acetylaceton = 2,4-Pentandion):
 
 H2 N
 
 2
 
 Cu N H2
 
 H2 N N H2
 
 Bis-(ethylendiamin)-kupfer(II)-Ion (blauviolett)
 
 O H 3C
 
 N
 
 H 2
 
 H 3C O N
 
 CH 3
 
 H 3C
 
 Ni H 3C
 
 N O
 
 N H
 
 CH 3
 
 O
 
 Bis-(butandion-dioxim)-nickel(II) (rot)
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 O O O
 
 Cr O
 
 O O CH 3
 
 H 3C Chrom(III)-acetylacetonat (rotviolett)
 
 Die entstehenden Metallchelat-Ringe sind fünf- und sechsgliedrig; Neutralliganden wie Ethylendiamin geben Metallchelat-Kationen, anionische Liganden, wie das Acetylaceton-Enolat führen zu Neutralchelaten, sofern sich entgegengesetzte Ladungen intramolekular kompensieren.
 
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 630
 
 32.8.2
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 Metallchelat-Effekt
 
 Komplexierungen und Chelat-Bildungen sind Gleichgewichtsreaktionen. Die Verdrängung von Wasser aus Hexaaquo-Komplexionen durch Ethylendiamin (abgek. en) verläuft z. B. in drei Gleichgewichten mit den Konstanten K1, K2 und K3 (wobei in wäßrigen Lösungen die Änderung der H2O-Konzentration vernachlässigt wird). [ Ni(OH2)6 ] 2
 
 +
 
 en
 
 [ Ni(OH2)4 en ] 2
 
 +
 
 2 H2O
 
 K1 =
 
 [ Ni(OH2)4 en ] 2
 
 +
 
 en
 
 [ Ni(OH2)2 en2 ] 2
 
 +
 
 2 H2O
 
 K1 =
 
 [ Ni(OH2)2 en2 ] 2
 
 +
 
 en
 
 [ Ni en3 ] 2
 
 +
 
 2 H2O
 
 K1 =
 
 c [Ni(OH2)4 en ] 2+ c [Ni(OH2)6 ] 2+ c en c [Ni(OH2)2 en 2 ] 2+ c [Ni(OH2)4 en ] 2+ c en c [Ni en 3 ] 2+ c [Ni(OH2)3 en 2 ] 2+ c en
 
 Die Komplexbildungskonstante ergibt sich rechnerisch als Produkt aller Gleichgewichtskonstanten. β = K1 K2 K3
 
 Das Tris-(ethylendiamin)-nickel(II)-Ion [Ni en3]2+ als Metallchelat hat eine um 10 Zehnerpotenzen größere Komplexbildungskonstante als das Komplexion [Ni(NH3)6 ]2+: [ Ni(OH 2)6 ] 2 [ Ni(OH 2)6 ]
 
 2
 
 + +
 
 [ Ni(NH 3)6 ] 2
 
 6 NH3 3 en
 
 [ Ni en3 ]
 
 2
 
 + +
 
 6 H 2O
 
 : β = 10 9
 
 (1)
 
 6 H 2O
 
 : β =
 
 (2)
 
 1019
 
 Diese gegenüber vergleichbaren Metallkomplexen wesentlich erhöhte Stabilität von Metallchelaten ist als Chelat-Effekt bekannt. Der Chelat-Effekt beruht auf einer viel stärkeren Entropiezunahme bei der Chelat-Bildung, weil hier die Anzahl der unabhängig beweglichen Moleküle stark zunimmt. Die Komplex-Bildung (1) verläuft z. B. mit der Molekülbilanz 0 (aus sieben Molekülen entstehen sieben); bei der Chelat-Bildung (2) entstehen dagegen aus vier Eduktmolekülen sieben Produktmoleküle. Besonders groß wird der Chelat-Effekt, wenn Koordinationszahl des Metallions und Zähnigkeit des Liganden zusammenpassen. So paßt Tris-(2-aminoethyl)-amin zu Metall-Kationen der Koordinationszahl vier mit tetraedrischer oder quadratisch planarer Konfiguration der Donor-Gruppe: N N NH2
 
 NH2
 
 M
 
 H2N
 
 NH2
 
 M
 
 NH2 NH2
 
 Sechszähnige Chelat-Liganden wie Tetrakis-(2-aminoethyl)-ethylendiamin oder Ethylendiamintetraacetat (EDTA) komplexieren Metall-Kationen mit der sehr häufigen Koordinationszahl sechs: O 2
 
 2
 
 O
 
 NH2 N N
 
 M
 
 NH2 NH 2
 
 N N
 
 NH2
 
 M O
 
 O
 
 O
 
 O O
 
 O Tetrakis-(2-aminoethyl)-ethylendiamin-Metall(II)-chelat
 
 EDTA-Metall(II)-chelat
 
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 32.8
 
 Metallchelate
 
 32.8.3
 
 631
 
 Metalltemplat-Effekt
 
 Viele Makroheterocyclen und ihre Metallchelate verdanken ihre Entstehung dem die Ausbeute erhöhenden kinetischen Metalltemplat-Effekt. Er beruht darauf, daß ein Metall-Kation die EduktMoleküle wie eine Schablone durch Chelat-Bildung in einer für den Ringschluß günstigen Geometrie fixiert (engl. template = Schablone). Ein übersichtliches Beispiel ist die Synthese der 1,8Dihydro-1,4,8,11-tetraaza[14]-annulen-2,3,9,10-tetranitrile aus Diaminomaleinsäuredinitril und 3Ethoxyacrolein (Abb. 32.7). Infolge von Konkurrenzreaktionen, z. B. Polykondensationen, liegen die Ausbeuten je nach Lösemittel zwischen 0 und höchstens 30 %. Führt man den Ringschluß indessen bei Gegenwart von Nickel(II)-acetat durch, so entsteht das Nickel(II)-chelat mit 90 % Ausbeute. Offensichtlich zwingt Nickel(II) zwei Moleküle Ausgangs-Diamin durch Chelat-Bildung in eine für den Ringschluß optimale Anordnung (Abb. 32.7). Verwendet man Chrom(III)-sulfat anstelle von Nickel(II)-acetat als Template-Salz, so bildet sich der metallfreie Makroheterocyclus mit 60 % Ausbeute. Wieder wird das Ausgangs-Diamin für den Ringschluß günstig orientiert. Aber das Templat-Ion paßt nicht mehr in den für Ionen mit Radius um rM = 70 pm selektiven Hohlraum; es ist zu klein (rCr3+ = 63 pm). Deshalb entsteht der freie Ligand, aber mit dem Ausbeutebonus des Metalltemplat-Effekts. NC
 
 NH2
 
 NC
 
 NH2
 
 M 2 X2
 
 +
 
 R
 
 R
 
 NC NC
 
 N
 
 HN
 
 NH
 
 CN
 
 N
 
 CN
 
 R + 2 H 5C2O
 
 O
 
 − 2 C2H 5OH , − 2 H 2O , − MX
 
 H2 N
 
 NC
 
 H2 N
 
 2
 
 CN
 
 M
 
 NC
 
 N H2
 
 X
 
 2
 
 N H2
 
 CN
 
 R + 2 H5C 2O
 
 O
 
 − 2 C 2H5OH , − 2 H 2O
 
 NC
 
 N
 
 N
 
 CN
 
 N
 
 CN
 
 M NC
 
 R
 
 N
 
 R
 
 70 pm > rM > 70 pm
 
 rM = 70 pm
 
 Abb. 32.7. Synthese von 1,8-Dihydro-1,4,8,11-tetraaza[14]annulen-2,3,9,10-tetranitrilen und ihrer Metallchelate unter Ausnutzung des Metalltemplat-Effekts
 
 32.8.4
 
 Metallchelate makrocyclischer N4-Liganden
 
 Metallchelate des Porphyrins und Chlorins erfüllen als Häm und Chlorophyll biologische Funktionen bei Atmung und Photosynthese (Kap. 35.7.6). Bedeutende synthetische N4-Liganden sind die Tetrabenzotetraazaporphine (Phthalocyanine, Kap. 35.7.4), die Dihydrotetraaza[14]-annulene sowie das durch Selbstkondensation von 2-Aminobenzaldehyd in Gegenwart von Nickel(II)perchlorat als Template-Salz entstehende Tetrabenzotetraaza[16]annulen.
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 M
 
 N
 
 N
 
 Porphin-Metallchelate M = Fe, Co, Ni, Zn
 
 N
 
 2
 
 N
 
 Ni
 
 Ni N
 
 Dibenzo[b,i]dihydrotetraaza[14]-annulen-nickel(II)-chelat
 
 N
 
 2 ClO4 N
 
 Tetrabenzotetraaza-[16]-annulennickel(II)-perchlorat
 
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 632
 
 32 Organometall-Verbindungen
 
 32.8.5
 
 Bedeutung von Metallchelaten
 
 Metallanalytik, Metalltrennung ̈ Nicht nur als Farbstoffe (Kap. 35.7.2) und bei einigen Verfahren der Textilfärbung (Kap. 35.3.3), sondern auch in der Metallanalytik und bei Metalltrennungen spielen Metallchelate eine bedeutende Rolle. Selektive Chelat-Liganden wie Butandion-dioxim oder 8-Hydroxychinolin sind seit langem als Fällungsreagenzien bei gravimetrischen Metall-Bestimmungen bekannt. Auf der Bildung von EDTA-Metallchelaten (Kap. 32.8.2) mit Ethylendiamintetraacetat beruht die komplexometrische Titration der Metall-Kationen. OH H3C
 
 N
 
 H3C
 
 N
 
 O
 
 H N
 
 F 3C N
 
 OH
 
 8-Hydroxychinolin ("Oxin")
 
 Butandion-dioxim (Biacetyldioxim)
 
 CF 3 O
 
 N
 
 H
 
 O
 
 Hexafluoracetylaceton
 
 2,2-Bipyridin (2,2'-Bipyridyl)
 
 Die tiefe Farbe einiger Metallchelate, d. h. die hohe Intensität ihrer Lichtabsorptionsmaxima im sichtbaren Bereich, ermöglicht empfindliche photometrische Bestimmungen vieler Metall-Kationen unter Anwendung des LAMBERT-BEERschen Gesetzes (Kap. 28.2.6). Ein bekanntes Beispiel ist die quantitative Bestimmung des Eisen(II)-Ions mit 2,2'-Bipyridin als tiefrotes α-Diimin-Chelat (Kap. 34.12.1). Mit Hilfe von Ethylendiamintetraacetat als Elutions-Reagenz gelang die Trennung der Lanthaniden durch Ionenaustausch-Chromatographie. Mit Hexafluoracetylaceton entstehen flüchtige Metallchelate. Hierauf stützen sich Verfahren zur gaschromatographischen Trennung von Metallen.
 
 Metallkomplexe und Metallchelate als Katalysatoren Bei vielen Reaktionen werden Metallkomplexe mit organischen Liganden als Katalysatoren eingesetzt. Tris-(triphenylphosphan)-rhodium(I)chlorid, [(C6H5)3P]3 RhCl , der WILKINSON-Katalysator, findet aufgrund seiner Löslichkeit in organischen Lösemitteln bei Hydrierungen, Hydroformylierungen und Cyclisierungen in homogener Phase vielseitige Anwendung: H 3C H 3C
 
 C4H 9
 
 O + CH C CH3
 
 CH CH 2
 
 +
 
 CO
 
 +
 
 H2
 
 [(H5C6) 3P]3RhCl
 
 H 3C
 
 O CH CH2 C CH 3 H 3C 4-Methyl-2-pentanon
 
 H2
 
 [(H5C6) 3P]3RhCl
 
 C4H9
 
 O CH C H CH
 
 3 2-Methylhexanal [(H5C6) 3P]3RhCl
 
 H
 
 O
 
 O Cyclopentanon
 
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 32.8
 
 Metallchelate
 
 633
 
 Zur Herstellung von Festphasen-Rhodium-Komplexen verwendet man polymere Liganden mit Polystyren-Gerüst. Auf diese Weise gelingt eine sparsamere Nutzung des Katalysators: CH
 
 CH
 
 L
 
 CH2
 
 OC
 
 +
 
 Rh
 
 OC CH
 
 Cl Cl
 
 Rh
 
 Rh(CO)2Cl
 
 L
 
 Rh(CO)2Cl
 
 CH 2
 
 CO CO
 
 CH
 
 L
 
 CH2
 
 L
 
 CH 2
 
 L = −NR 2 , −PR2 , −SH
 
 Übergangsmetall-Komplexe chiraler Liganden eignen sich als Hilfsreagenzien oder Katalysatoren bei enantioselektiven Synthesen (Kap. 18.9.3). Metallchelate mit Porphyrin, Chlorin und Corrin (Kap. 35.7.6) als N4-Liganden spielen bei Atmung, Photosynthese und Reifung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) die Schlüsselrolle. Andererseits kann die Bildung von Chelaten katalytische Eigenschaften der Metalle, ihrer Salze oder π-Komplexe unterdrücken. Ein Beispiel ist die SCHIFFsche Base aus Salicylaldehyd und 1,2Diaminopropan. Sie komplexiert Metall-Kationen (Co2+, Fe2+), welche die Autoxidation von Kohlenwasserstoffen in Verbrennungsmotoren katalysieren. Aus diesem Grund wird Bis-(2-hydroxyphenylmethyliden)-1,2-diaminopropan als Benzinstabilisator in Konzentrationen von 10−2 µmol / L Benzin verwendet. OH 2
 
 O H
 
 +
 
 H2N H3C
 
 NH2
 
 OH
 
 − 2 H2O
 
 N H
 
 HO N H
 
 H3C Bis-(2-hydroxyphenylmethyliden)1,2-diaminopropan
 
 Diese Inhibierung der Kohlenwasserstoff-Autoxidation beruht wahrscheinlich auf einer Oxygenierung der Metallchelate: Die als Salcomine oder Cosalene (Abkürzungsvarianten aus Cobalt, Salicylaldehyd und Ethylendiamin) bekannten Cobalt(II)-Chelate der SCHIFFschen Basen aus Salicylaldehyd und 1,2- sowie 1,3-Diaminen komplexieren Sauerstoff, besonders gut bei Gegenwart von Pyridin als Zusatzligand.
 
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 634
 
 33 Heteroalicyclen
 
 33 Heteroalicyclen 33.1 Übersicht und Ring-Nomenklatur Heteroalicyclen sind cyclische Analoga von Ethern, Enolethern, Thioethern, Aminen und Enaminen, aber auch von Estern (Lactone) und Amiden (Lactame). Im weitesten Sinne kann man sie als Organoelement-Alicyclen auffassen, zu deren Bezeichnung ein für das Heteroatom stehender Präfix vor den Namen des analogen Cycloalkans gestellt wird, z. B.: X=O S Se Te
 
 X
 
 : : : :
 
 OxaThiaSelenaTellura-
 
 X = NR PR AsR SiR2
 
 : : : :
 
 AzaPhosphaArsaSilacyclohexan
 
 Für die häufigsten Heteroatome Sauerstoff, Schwefel und Stickstoff gilt die in Tab. 33.1 zusammengestellte Ring-Nomenklatur. Dem Heteroatom-Präfix (Aza-, Oxa-, Thia- für N, O, S) wird die Endung für den Ring angefügt, wobei das End-"a" entfällt, weil die Endungen mit einem Vokal beginnen. Aziran (Aziridin), Azetan (Azetidin), Oxiran, Oxetan, Thiiran, Thietan sind demnach die Bezeichnungen für Drei- und Vierringe mit Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel als Heteroatom (Tab. 33.2). Für zwei- oder drei gleiche Heteroatome stehen die zusätzlichen Vorsilben Diund Tri-. Oft wird der Heteroalicyclus auch als hydriertes Derivat der ungesättigten Heterocyclen bzw. der Heteroaromaten bezeichnet (z. B. Tetrahydrofuran, Tetrahydrothiophen, Tab. 33.2). Tab. 33.1. Nomenklatur von Heteroalicyclen, Endungen (HANTZSCH-WIDMANN-System; die in Klammern angegebenen Endungen gelten für Stickstoff als Heteroatom) Ringgröße
 
 max. ungesättigt
 
 max. gesättigt
 
 Ringgröße
 
 max. ungesättigt
 
 max. gesättigt
 
 3
 
 iren (irin)
 
 iran (iridin)
 
 4
 
 et
 
 etan (etidin)
 
 7
 
 epin
 
 epan
 
 8
 
 ocin
 
 5
 
 ol
 
 ocan
 
 ol (olidin)
 
 9
 
 onin
 
 6
 
 in
 
 onan
 
 an (inan)
 
 10
 
 ecin
 
 ecan
 
 Heterobicyclen wie Tropan (Kap. 39.2.2), Pyrrolizidin, Indolizidin und Chinolizidin (Kap. 39.2.3) sind Stammskelette einiger Alkaloide. Imidazolidin und Tetrahydrothiophen (Tab. 33.2) verknüpfen sich zum heterobicyclischen Grundskelett des in allen lebenden Zellen vorkommenden (+)-Biotins. Es läßt sich aus Eiern, Hefe, Maiskeimen, Milch, Leber und Nieren isolieren. Die Carbonsäure-Funktion des Biotins bindet die ε-Amino-Funktionen der Aminosäure Lysin (Kap. 37.1) von Carboxylasen als Amid. In diesem Zustand wirkt Biotin als Enzym-Cofaktor bei zahlreichen Carboxylierungen im Organismus und wird daher als Vitamin eingestuft (Vitamin H). O
 
 (+)-Biotin
 
 HN H
 
 NH H S
 
 CO2H
 
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 33.2
 
 Molekülgeometrie
 
 635
 
 Tab. 33.2. Nomenklatur von Heteroalicyclen, einfache Beispiele Heteroatom Ringgröße
 
 O
 
 S
 
 max. ungesättigt
 
 3
 
 4
 
 gesättigt
 
 N
 
 max. ungesättigt
 
 gesättigt
 
 max. ungesättigt
 
 gesättigt
 
 O
 
 O
 
 S
 
 S
 
 N
 
 H N
 
 H N
 
 Oxiren
 
 Oxiran
 
 Thiiren
 
 Thiiran
 
 2H-Azirin
 
 1H-Azirin
 
 Aziran (Aziridin)
 
 O
 
 O
 
 S
 
 S
 
 N
 
 Oxet
 
 Oxetan
 
 Thiet
 
 Thietan
 
 Azet
 
 Azetan (Azetidin)
 
 O
 
 O
 
 S
 
 S
 
 H N
 
 H N
 
 Furan
 
 Tetrahydrofuran
 
 Thiophen
 
 Tetrahydrothiophen
 
 Pyrrol (Azol)
 
 Pyrrolidin
 
 S
 
 H N
 
 H N
 
 H N
 
 5
 
 O O
 
 S
 
 1,3-Dioxolan
 
 O
 
 O
 
 O
 
 2H-Pyran
 
 4H-Pyran
 
 Tetrahydropyran
 
 1,3-Dithiolan
 
 S
 
 S
 
 S
 
 N
 
 NH
 
 Imidazol (1,3-Diazol)
 
 N
 
 Imidazolidin (1,3-Diazolidin)
 
 H N
 
 H N
 
 1,4-Dihydropyridin
 
 Piperidin
 
 6 2H-Thiapyran 4H-Thiapyran Tetrahydrothiapyran
 
 Pyridin
 
 O
 
 O
 
 S
 
 S
 
 N
 
 H N
 
 O
 
 O
 
 S
 
 S
 
 N
 
 1,4-Dioxin
 
 1,4-Dioxan
 
 1,4-Dithiin
 
 N H
 
 O
 
 O
 
 S
 
 S
 
 Oxepin
 
 Oxepan
 
 Thiepin
 
 Thiepan
 
 1,4-Dithian
 
 Pyrazin
 
 H N
 
 Piperazin
 
 N
 
 H N
 
 2H-Azepin
 
 Azepan
 
 7 1H-Azepin
 
 33.2 Molekülgeometrie Wie Tab. 33.3 (S. 636) zeigt, sind die Atomabstände und die äußeren H−C−H-Bindungswinkel der heteroalicyclischen Dreiringe mit den Daten des Cyclopropans und acyclischer Ether, Thioether und Amine weitgehend vergleichbar. Im Gegensatz zu Cyclobutan zeigen Oxetan und Thietan ebene Strukturen, was als Folge verminderter sterischer Wechselwirkung bei Ersatz einer Methylen-Gruppe durch ein zweibindiges Heteroatom erklärt wird. Entsprechende Änderungen der Molekülgeometrie aufgrund des Wegfalls ekliptischer Wechselwirkungen sind auch bei Fünfring-Heteroalicyclen denkbar, jedoch wenig untersucht.
 
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 636
 
 33 Heteroalicyclen
 
 Sechsring-Heteroalicyclen liegen wie Cyclohexan als Sessel-Konformere vor. Dementsprechend sind Ring-Inversionen und − bei Piperidin-Derivaten − zusätzlich Inversionen am Ring-Stickstoff möglich, wie temperaturabhängige NMR-Messungen zeigen: Inversion am Stickstoff-Atom
 
 R
 
 N
 
 R
 
 N
 
 N
 
 R
 
 Ringinversion
 
 N
 
 R
 
 Tab. 33.3. Bindungsdaten von Dreiringen und acyclischen Ethern, Thioethern und Aminen Ring
 
 A t o m a b s t ä n d e [pm] cyclisch offenkettig
 
 äußere H−C−H-Bindungswinkel
 
 C−C
 
 O NH S
 
 C−X
 
 C−X
 
 116°
 
 143
 
 116.4°
 
 147
 
 144
 
 142
 
 116.6°
 
 148
 
 148
 
 147
 
 116°
 
 149
 
 182
 
 181
 
 33.3 Allgemeine Syntheseprinzipien 32.3.1
 
 Intramolekulare Cyclisierungen
 
 DARZENS-Reaktion Oxiran-2-carbonsäureester (Glycidester) bilden sich bei der DARZENS-Reaktion von α-Halogencarbonsäureestern mit Carbonyl-Verbindungen in Gegenwart von Alkoholat. Das Alkoholat deprotoniert den α-Halogenester zum nucleophilen Carbanion, das mit dem elektrophilen Carbonyl-C-Atom eine CC-Bindung knüpft. Das intermediäre Alkoholat-Anion schließt durch SNReaktion den Oxiran-Ring. Cl CH 2 CO2C 2H5 − C2H5OH
 
 + C 2H5O
 
 R1
 
 R2 O
 
 R2 Cl + Cl CH CO2C2H 5
 
 R1
 
 C
 
 CH
 
 CO2C 2H5
 
 − Cl
 
 R2 R1
 
 O
 
 H O
 
 CO2C 2H5
 
 2-Ethoxycarbonyl-3,3-dialkyloxiran
 
 Intramolekulare Alken-Metathese Die intramolekulare Alken-Metathese (Kap. 4.5.14) von Diallylethern, Diallylsulfiden und Diallylamiden führt zu den entsprechenden Fünfring-Heterocycloalkenen. Die Metathese des N,NDiallyl-p-tosylamids in Gegenwart von Ruthenium-Komplexen ergibt z. B. N-Tosyl-3-pyrrolin: Ts
 
 Ts
 
 N
 
 N
 
 Kat.
 
 +
 
 H 2C CH 2
 
 Ts =
 
 SO2
 
 CH 3
 
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 33.3
 
 Allgemeine Syntheseprinzipien
 
 637
 
 Die Methode ist auf Makroheterocyclen übertragbar, wie eine Synthese des Moschus-Riechstoffs (E)-1,6-Dioxacyclohexadec-3-en aus dem durch WILLIAMSON-Synthese aus Decan-1,10-diol zugänglichen 1,10-Diallyloxydecan zeigt. PR 3 Cl Cl (NaOH)
 
 HO
 
 OH + 2 Br
 
 − 2 HBr
 
 1,10-Decandiol
 
 Ru PR 3
 
 C 6H5
 
 − H 2C=CH 2
 
 O O 1,10-Diallyloxydecan
 
 O O 1,6-Dioxacyclohexadec-3-en (E : Z) = 9 : 1
 
 Cyclische Ether aus Diolen und ω-Halogenalkoholen Die intramolekulare MITSUNOBU-Reaktion (Kap. 23.4.2) von Diolen macht drei- bis siebengliedrige cyclische Ether zugänglich: CO2 C2 H5
 
 +
 
 HO (CH 2)n OH
 
 N N
 
 CO2 C2 H5
 
 H +
 
 (C6 H5 )3 P
 
 H5 C2 O2C
 
 (CH2)n O
 
 +
 
 N N H5 C2 O2 C
 
 n=2-6
 
 H
 
 +
 
 (C6 H5 )3 P O
 
 Viele cyclische Ether entstehen nach dem Prinzip der WILLIAMSON-Ether-Synthese (Kap. 16.3.2) durch intramolekulare Halogenwasserstoff-Abspaltung aus ω-Halogenalkoholen: Br
 
 (CH2)n OH
 
 − HBr (NaOH)
 
 (CH2)n O
 
 Ausbeuten n = 2 (Oxiran) n = 3 (Oxetan) n = 4 (Tetrahydrofuran) n = 5 und größer
 
 : gut : mäßig : gut : mäßig bis schlecht
 
 Die Ergiebigkeit solcher Cyclisierungen hängt von Ringspannung und Ringschlußwahrscheinlichkeit ab, wie es auch von den Cycloalkan-Synthesen (Kap. 8.6) bekannt ist. Eine intermolekulare Variante dieses Ringschlußprinzips kommt häufig bei der Synthese makrocyclischer Poly- oder Kronenether zur Anwendung. Dibenzo[18]krone-6, ein symmetrisch benzokondensierter 18-gliedriger Ring mit sechs O-Atomen, wird z. B. aus Brenzcatechin und Bis-(2chlorethyl)-ether in Gegenwart von Natronlauge unter Verdünnungsbedingungen hergestellt: O
 
 OH 2
 
 O +
 
 2 Cl
 
 Cl
 
 O
 
 + 4 NaOH
 
 − 4 NaCl − 4 H2O
 
 OH
 
 O
 
 O
 
 O O
 
 Dibenzo[18]krone-6
 
 Cyclische Thioether aus ω-Halogenthiolen In Analogie zu cyclischen Ethern können cyclische Thioether durch intramolekulare Dehydrohalogenierung aus ω-Halogenthiolen erhalten werden. Dabei entsteht das ω-Halogenthiol oft erst im Reaktionsverlauf und wird dann nicht isoliert: Cl SH
 
 NaHCO3 − HCl
 
 S Thiabicyclo[3.1.0]hexan
 
 O
 
 CH2Cl
 
 SH
 
 + H 2S
 
 HO
 
 CH2
 
 Cl
 
 S
 
 Ba(OH) 2 − HCl
 
 HO 3-Hydroxythietan
 
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 33 Heteroalicyclen
 
 Cyclische Amine aus ω-Halogenalkylaminen Die intramolekulare Dehydrohalogenierung aus ω-Halogenalkylaminen liefert aufgrund geringer Ringspannung und günstiger Ringschlußwahrscheinlichkeit für Pyrrolidine (n = 4) die größten Ausbeuten, wie ein Vergleich der Ringschluß-Geschwindigkeitskonstanten zeigt: relative Geschwindigkeitskonstante
 
 n
 
 Br
 
 (CH 2)n NH 2
 
 − HBr (NaOH)
 
 70 1 60 000 1 000 2
 
 2 3 4 5 6
 
 (CH 2)n NH
 
 Aus diesem Vergleich folgt auch, daß Dreiringe leichter entstehen als Vierringe, wenn das Edukt beide Ringschlüsse zuläßt, z. B.: H 3C
 
 CH 2Br
 
 − HBr (NaOH)
 
 SO2 NH
 
 H 3C
 
 CH 2 CH CH 2Br
 
 2-Brommethyl-1-p-tosylaziran (kein Azetan)
 
 Br
 
 33.3.2
 
 SO2 N
 
 Cycloadditionen
 
 [2+1]-Cycloadditionen Heterocyclische Dreiringe bilden sich durch [2+1]-Cycloadditionen. Dabei kann ein Heteroatom an eine (elektronenreiche) CC- oder CX-Doppelbindung addieren. Beispiele hierzu sind Epoxidationen von Alkenen und Iminen durch Persäuren (PRILEZHAEV-Epoxidation, Kap. 16.4.3): H 3C
 
 H +
 
 O
 
 C
 
 O
 
 H 3C
 
 H 3C
 
 − RCO2H
 
 O R
 
 (Z)-2-Buten
 
 H 3C
 
 O
 
 (H 3C)3C
 
 H 3C
 
 H +
 
 N
 
 O O
 
 − RCO2H
 
 O C
 
 H 3C N
 
 R
 
 O
 
 (H3C)3C
 
 cis-2,3-Dimethyloxiran
 
 cis-2-t-Butyl3-methyloxaziran
 
 Als C1-Baustein werden oft Carbene aus Diazomethanen eingesetzt. An Ketone, Thioketone und Imine als CX-Komponenten cycloaddieren sie zu Oxiranen, Thiiranen und Aziranen (Aziridinen): R2 R1
 
 C
 
 R2
 
 +
 
 CH2N 2
 
 ∆ , − N2
 
 R2
 
 R1
 
 R1 O
 
 O
 
 2,2-Dialkyloxiran
 
 H 5C6
 
 C S
 
 C6H 5
 
 +
 
 (H5C 6)2CN 2
 
 ∆ , − N2
 
 H5C 6
 
 R3
 
 C N
 
 R2
 
 +
 
 CH 2N2
 
 ∆ , − N2
 
 R1 N R3
 
 1,2,2-Trialkylaziran
 
 C 6H5 C 6H5 S
 
 C 6H5 Tetraphenylthiiran
 
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 33.3
 
 Allgemeine Syntheseprinzipien
 
 639
 
 [2+2]-Cycloadditionen Oxetane bilden sich in guten Ausbeuten durch [2+2]-Photocycloaddition von Ketonen an Alkene (PATERNO-BÜCHI-Reaktion, Kap. 29.5.6): hν
 
 +
 
 O
 
 O
 
 β-Lactam-Ringe, die Strukturelemente der Penicilline (Kap. 38.7.2), entstehen durch [2+2]-
 
 Cycloaddition von Keten an Imine: R1 R1
 
 C C O R1
 
 +
 
 R2
 
 R2
 
 N R2
 
 C N
 
 R3
 
 Azetidin-2-on (β-Lactam)
 
 R3
 
 R2
 
 O
 
 R1
 
 [3+2]-Cycloadditionen Die Cycloaddition eines 1,3-Dipols an eine CC- oder CX-Mehrfachbindung (1,3-dipolare Cycloaddition) führt zu ungesättigten stickstoffhaltigen Fünfringen. Diazoalkane und Azide als 1,3Dipole cycloaddieren an Alkene z. B. zu Pyrazolinen und Triazolinen. Diese neigen in der Hitze zu Stickstoff-Abspaltungen, was sich zur Synthese von Dreiringen ausnutzen läßt: Diazomethan
 
 H 2C
 
 R
 
 N
 
 Phenylazid
 
 N
 
 N R
 
 R
 
 (Z)-Alken
 
 N
 
 H5C6
 
 ∆ , − N2
 
 R
 
 R
 
 N
 
 N
 
 H 5C 6 N N N
 
 N
 
 R Styren
 
 N H5C6
 
 H5C 6
 
 H 5C 6
 
 cis-3,4-Dialkylpyrazolin cis-2,3-Dialkylcyclopropan
 
 C 6H 5
 
 ∆ , − N2
 
 1,5-Diphenyltriazolin
 
 1,2-Diphenylaziran
 
 [4+1]-Cycloaddition Heteroalicyclische Fünfringe bilden sich durch [4+1]-Cycloaddition. 2,5-Dihydrothiophen-1,1-dioxide werden auf diese Weise aus 1,3-Dienen und Schwefeldioxid dargestellt. Die thermische Cycloreversion setzt die 1,3-Diene wieder frei, z. B. für DIELS-ALDER-Reaktionen. H3C
 
 H3C +
 
 SO2
 
 SO2 3-Methyl-2,5-dihydrothiophen-1,1-dioxid (maskiertes Isopren)
 
 [4+2]-Cycloadditionen Pyran-Derivate und deren Heteroanaloga sind durch [4+2]-Cycloaddition aktivierter Alkene an Heterodiene zugänglich. Die technisch durchgeführte "Dimerisation" des Acroleins zu 2-Formyl2,3-dihydro-4H-pyran folgt diesem Konzept, + H
 
 H
 
 O O
 
 6π
 
 H
 
 O O
 
 H
 
 O O
 
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 640
 
 33 Heteroalicyclen
 
 das auch auf π-Systeme mit zwei Heteroatomen, z. B. Nitroso-Verbindungen, übertragbar ist: N
 
 +
 
 C 6H5
 
 N
 
 C 6H5
 
 O
 
 O
 
 2-Phenyl-3,6-dihydro-2H-1,2-oxazin
 
 33.3.3
 
 Ringerweiterung von Carbocyclen durch Stickstoff
 
 Die Ringerweiterung von Cyclohexylaziden durch eine Variante der CURTIUS-Umlagerung (Kap. 22.4.10) ermöglicht die Herstellung von Azepin-Derivaten: − N2
 
 N N N
 
 R
 
 N
 
 R
 
 N
 
 ( + wenig
 
 N
 
 )
 
 R R 2-Alkyltetrahydro-7H -azepin
 
 Die Thermolyse des 3-Azido-1,2,3-tri-t-butylcyclopropens ergibt nach demselben Prinzip Tri-tbutylazet (Tri-t-butylazacyclobutadien). Dessen thermische [2+2]-Cycloreversion ist Symmetrieverboten (Kap. 27.3.2), und die t-Butyl-Gruppen schützen das Molekül vor der Polymerisation. R
 
 R − N2
 
 N N N R
 
 R
 
 R
 
 N R
 
 R
 
 R N
 
 R
 
 Tri-t-butylazet
 
 R = C(CH3) 3
 
 Auch bei der BECKMANN-Umlagerung von Cyclohexanonoxim und der K.F. SCHMIDT-Reaktion von Cyclohexanon zu ε-Caprolactam (Kap. 22.4.10) wird der Cyclohexan-Ring durch Stickstoff erweitert:
 
 OH
 
 33.3.5
 
 + HN3
 
 NH
 
 N
 
 O
 
 − N2
 
 O ε-Caprolactam
 
 Katalytische Hydrierung von Heteroaromaten
 
 Die katalytische Hydrierung leicht zugänglicher Heteroaromaten öffnet den Weg zu zahlreichen Heteroalicyclen. Substituierte Piperidine werden z. B. bequem durch katalytische Hydrierung der Pyridine hergestellt: N R
 
 + 3 H2 / Kat.
 
 R
 
 NH
 
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 33.4
 
 Funktionelle Reaktionen
 
 33.3.5
 
 641
 
 Carbonyl-Derivatisierung
 
 Fünf- und sechsgliedrige Heteroalicyclen mit zwei Heteroatomen in 1,3-Stellung bilden sich durch Derivatisierung von Aldehyden und Ketonen mit Diolen, Dithiolen, Diaminen, Aminoalkoholen und Aminothiolen: XH +
 
 (CH 2)n
 
 X
 
 [H +] , − H2O
 
 O C
 
 X O O S S NH O S
 
 (CH 2)n Y
 
 YH
 
 Y O O S S NH NH NH
 
 n 2 3 2 3 2 2 2
 
 Heteroalicyclus 1,3-Dioxolan 1,3-Dioxan 1,3-Dithiolan 1,3-Dithian Imidazolidin Oxazolidin Thiazolidin
 
 1,3-Dioxolane sowie 1,3-Dithiolane und 1,3-Dithiane sind in Analogie zu den Acetalen und Ketalen vorzügliche Carbonyl-Schutzgruppen, wenn bei Synthesen Carbonyl-Reaktionen verhindert werden müssen.
 
 33.4 Funktionelle Reaktionen 33.4.1
 
 Heteroatom als Nucleophil
 
 Mit Ausnahme der Oxirane zeigen die meisten Heteroalicyclen die für Ether, Thioether und Amine typischen Reaktionen. So läßt sich Thietan durch Wasserstoffperoxid zum Sulfoxid und Sulfon oxidieren und durch Iodmethan zum Sulfonium-Salz alkylieren. LiAlH 4
 
 S
 
 CH 3
 
 + CH3 I
 
 S
 
 I
 
 + H2O2
 
 S
 
 O
 
 O
 
 + H2O2
 
 − H2O
 
 S O
 
 − H2O
 
 Aziran (Aziridin) reagiert als Stickstoff-Nucleophil mit Halogenalkanen und addiert an aktivierte CC-Doppelbindungen (MICHAEL-Addition): NH NH
 
 +
 
 +
 
 R Br
 
 H 2C CH C N
 
 − HBr (Base)
 
 N R
 
 1-Alkylaziran
 
 N CH2 CH 2 C N 1-(2-Cyanoethyl)-aziran
 
 Der Oxiran-Ring neigt dagegen nicht nur infolge hoher Ringspannung, sondern auch durch den elektronegativen Sauerstoff besonders leicht zu Ringöffnungen. So addiert Aziran nucleophil unter Erhaltung seines Ringes an Oxiran, das sich hierbei öffnet: NH
 
 +
 
 O
 
 N CH 2 CH 2 OH 1-(2-Hydroxyethyl)-aziran
 
 33.4.2
 
 Carbonyl-Umpolung durch 1,3-Dithian-Derivatisierung
 
 Präparativ nützlich ist, daß die H-Atome in Position 2 des 1,3-Dithiolan- oder 1,3-Dithian-Ringes gegenüber starken Basen wie Butyllithium sauer sind, weil das verbleibende Carbanion unter Beteiligung der d-Orbitale des Schwefels mesomeriestabilisiert wird (Kap. 20.8.2). Das ursprünglich
 
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 642
 
 33 Heteroalicyclen
 
 elektrophile Carbonyl-C-Atom eines Aldehyds wird somit durch 1,3-Dithian-Derivatisierung und anschließende Metallierung zu einem carbanionischen und damit nucleophilen C-Atom umgepolt (Carbonyl-Umpolung nach COREY-SEEBACH, Kap. 20.8.2), das an elektrophile Substrate addiert. Danach wird die Dithianyl-Gruppe mit Quecksilber(II)-Salz oder N-Bromsuccinimid abgespalten. 1,3-Dithian läßt sich zweimal metallieren und alkylieren, worauf eine elegante CycloalkanonSynthese beruht. Cyclobutanon entsteht z. B. aus 1,3-Dithian und 1-Brom-3-chlorpropan: S _ H Li
 
 +
 
 Br
 
 − LiBr
 
 (CH2)3 Cl
 
 S
 
 H
 
 + LiC 4H 9
 
 (CH2)3 Br
 
 S
 
 S
 
 + HgCl2 , + H2O
 
 S
 
 − C4H10 − LiCl
 
 S
 
 S
 
 −
 
 Hg , − 2 HCl S
 
 O Cyclobutanon
 
 Aldehyde werden über die entsprechenden 1,3-Dithiane zu Ketonen alkyliert (Kap. 20.8.2). Carbonyl-Verbindungen als Elektrophile ergeben Acyloine, und mit Kohlendioxid entstehen αOxosäuren: S _ R Li
 
 +
 
 S
 
 S _ R Li
 
 +
 
 R1 O C R2
 
 O C O
 
 S
 
 R
 
 O Li C
 
 R2
 
 S
 
 S
 
 − LiX
 
 S
 
 R
 
 OH + HgCl2 , + H2O
 
 R1
 
 S −
 
 R
 
 Hg , − LiOH S
 
 O
 
 S
 
 S
 
 −
 
 C
 
 R2 R1
 
 Acyloin
 
 + HgCl2 , + H2O
 
 CO2 Li
 
 C
 
 R
 
 Hg , − LiCl , − HCl S
 
 C
 
 CO2H
 
 O α-Oxosäure
 
 33.5 Ringöffnungen In Analogie zum Cyclopropan sind vor allem die Dreiring-Heteroalicyclen nucleophilen Ringöffnungen zugänglich, wobei das Nucleophil rückwärtig zum Heteroatom angreift und dieses als intramolekulare Abgangsgruppe abstößt (SN2-Stoßmechanismus): Nu Nu
 
 Nu
 
 + X
 
 X
 
 X
 
 Bei unsymmetrisch substituierten Dreiringen wird das Nucleophil, z. B. ein GRIGNARD-Reagenz, an der sterisch zugänglichsten Stelle angreifen: O CH 3 Methyloxiran
 
 +
 
 H 5C 6 Mg Br
 
 OH
 
 + H2O − Mg
 
 2+
 
 −
 
 , − OH , − Br
 
 −
 
 H 5C6
 
 CH 2 CH CH 3
 
 1-Phenyl-2-propanol
 
 Viele Dreiringspaltungen verlaufen säurekatalysiert. Treibende Kraft ist dann das protonierte Heteroatom, welches seine Bindung im Ring löst und so ein Nucleophil von der Rückseite anzieht: + [H+]
 
 X
 
 + NuH
 
 X
 
 Nu
 
 +
 
 − [H ]
 
 XH
 
 H
 
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 33.6
 
 Ringöffnende Ringerweiterungen
 
 643
 
 Dem SN2-Zugmechanismus folgt z. B. die säurekatalysierte Oxiran-Spaltung zu trans-1,2-Diolen (Kap. 4.5.8). Die Ringöffnungstendenz vier- und höhergliedriger Ringe ist erheblich geringer. Sulfone neigen jedoch bei höheren Temperaturen zu ringverengenden Schwefeldioxid-Extrusionen. Diese Pyrolyse von Cyclosulfonen ("Sulfonpyrolyse") ist eine Methode zur Synthese spezieller Cycloalkane, z. B. in der Cyclophan-Reihe. ∆
 
 (CH 2)n SO2
 
 +
 
 (CH2)n
 
 SO2
 
 33.6 Ringöffnende Ringerweiterungen Die thermische Umlagerung von Vinylcyclopropan zu Cyclopenten ∆
 
 ist auf manche heterocyclische Dreiringe übertragbar, auch wenn anstelle der Vinyl- eine Carbonyl-Gruppe tritt, z. B.: R
 
 R N
 
 N
 
 ∆
 
 ∆
 
 N
 
 O R
 
 1-Alkyl-2-vinylaziran
 
 1-Alkyl-3-pyrrolin
 
 1-Acylaziran
 
 N
 
 O R
 
 2-Alkyl-2-oxazolin
 
 Da die treibende Kraft der Ringspannung bei Vierring-Heteroalicyclen geringer ist, erfordern deren ringerweiternde Öffnungen schärfere Bedingungen: N
 
 HCl (10 Tage)
 
 S
 
 S
 
 N
 
 H 5C6 1-Thiobenzoylazetan
 
 C6H 5
 
 2-Phenyl-5,6-dihydro-4 H-thiazin
 
 Die COPE-Umlagerung des instabilen 1,2-Divinylcyclopropans zu 1,4-Cycloheptadien (Kap. 8.6.5, 26.5.2) ist auf 2,3-Divinyloxiran übertragbar und öffnet den Zugang zu Oxepin-Derivaten: O 1,2-Divinyloxiran
 
 ∆
 
 O 4,5-Dihydrooxepin
 
 Technisch von Bedeutung ist die katalytische, unter Wasserabspaltung verlaufende Ringerweiterung des 2-Hydroxymethyltetrahydrofurans (Tetrahydrofurfurylalkohol) zu 5,6-Dihydro-4H-pyran: H O
 
 CH2OH
 
 Al2O3 , 35 °C , − H2O
 
 O 5,6-Dihydro-4H-pyran
 
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 644
 
 33 Heteroalicyclen
 
 33.7 Additionen an ungesättigte Heteroalicyclen Die Polarisierung der Doppelbindung durch das Heteroatom aktiviert cyclische Enamine und Enolether zu Additionen: +
 
 H Y
 
 H Y
 
 X
 
 X
 
 X = O , NR
 
 Alkohole addieren z. B. sehr leicht an 5,6-Dihydro-4H-pyran zu einem cyclischen Acetal: Br
 
 OH
 
 +
 
 O
 
 4-Brombutanol
 
 Br
 
 O
 
 O
 
 O-Tetrahydro-4H-pyranyl-4-brombutanol
 
 Eine Tetrahydropyranyl-Gruppe (Thp) schützt die Alkohol-Funktion vor nucleophilen Substitutionen, wenn diese selektiv, z. B. an der Brommethyl-Gruppe des 4-Brombutanols, durchgeführt werden müssen. Milde Hydrolyse in wäßriger Säure regeneriert den Alkohol. Während monocyclische Enamine wie ihre offenkettigen Analoga säurelabil sind, widerstehen bicyclische Enamine wie Chinucliden infolge der BREDTschen Regel (Kap. 5.2.1) der Hydrolyse in Säuren: N
 
 N
 
 33.8 Komplexierung durch Kronenether und Cryptanden Die als Kronenether bekannten makrocyclischen Polyether können in ihrem zentralen Hohlraum Alkalimetall-Ionen durch Ionen-Dipol-Wechselwirkung komplexieren (Abb. 33.1). Dabei hängt die Spezifität und Stabilität der Komplexbildung vom Radius des Kations im Verhältnis zum Hohlraum des Kronenethers ab.
 
 Abb. 33.1. Struktur des Komplexes aus Kaliumiodid und Dibenzo[30]krone-10
 
 Alkalisalze, wie Kaliumpermanganat, Kaliumrhodanid oder Kaliumphthalimid, lösen sich nach Zusatz von Kronenethern (KE) in unpolaren organischen Lösemitteln. Daher sind Kaliumpermanganat-Oxidationen oder Substitutionen mit unsolvatisierten ("nackten") Nucleophilen, deren Kat-
 
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 33.9
 
 Mesomerieeffekte und Aromatizität
 
 645
 
 ion (z. B. K+) durch den Kronenether komplexiert wird, in organischen Lösemitteln unter milden Bedingungen möglich (Anionen-Aktivierung). Ein Beispiel unter vielen ist die Herstellung des Benzylthiocyanats aus Benzylchlorid und Kaliumrhodanid in Gegenwart von Dibenzo[18]krone-6 (Kap. 33.3.1); diese Reaktion würde mit dem solvatisierten Rhodanid-Anion nicht gelingen. O O CH2 Cl + [ KEK]
 
 SCN
 
 CH 2 SCN + [ KEK]
 
 Cl
 
 O
 
 KE =
 
 O
 
 Benzylthiocyanat
 
 O O
 
 Bicyclische Aminopolyether sind als Cryptanden bekannt und bilden mit in den Hohlraum passenden Kationen Cryptate, jedoch nur in neutraler bis alkalischer Lösung. In saurem Medium entstehen bicyclische Ammonium-Ionen, die das Metall-Kation elektrostatisch und sterisch abstoßen. Makrobicyclische Ammonium-Ionen ohne Polyether-Brücken schließen Anionen wie Chlorid ein und sind insofern die Gegenspieler der Kronenether und Cryptanden. Man bezeichnet die makrocyclischen Ammonium-Ionen auch als Catapinanden, weil sie Anionen wie Cl− in ihren Hohlräumen verschlingen (griech. καταπινειν = verschlingen). Entsprechend sind die entstehenden Einschlußverbindungen auch als Catapinate bekannt. N
 
 N O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 N
 
 H O
 
 H
 
 O
 
 Rb O
 
 O
 
 Cl O
 
 O
 
 H
 
 O
 
 H
 
 O
 
 N
 
 N
 
 N Rubidium-Cryptat
 
 Cryptand in saurer Lösung
 
 Chlorid-Catapinat
 
 33.9 Mesomerieeffekte und Aromatizität Bei acht- bis zehngliedrigen stickstoffheteroalicyclischen Ketonen 1 wurde die "transannulare Amid-Resonanz" formuliert: O
 
 O
 
 N
 
 N
 
 R 1
 
 R 2
 
 Eine zusätzliche längerwellige Carbonyl-Absorption im Infrarotspektrum weist auf den Beitrag des dipolaren Zustandes 2 hin, der in polaren Lösemitteln stabilisiert wird. Die auffallend große 1H-Verschiebung (δH ≈ 10) des olefinischen Protons von 2-Methyl-1,1thiirendioxid, welche dem für 2-Methylcyclopropenon gemessenen Wert sehr nahe kommt, spricht für ein heteroaromatisches 2π-Elektronensystem: 2π
 
 CH 3 O
 
 S
 
 O
 
 O
 
 S
 
 2-Methylthiiren-1,1-dioxid
 
 CH3 O
 
 CH3 O
 
 2π
 
 CH3
 
 O 2-Methylcyclopropenon
 
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 646
 
 34 Heteroaromaten
 
 34 Heteroaromaten 34.1 Nomenklatur und Übersicht der Heteroaromaten 34.1.1
 
 Monocyclische Heteroaromaten
 
 Die meisten Fünf- und Sechsring-Heteroaromaten stammen formal vom Cyclopentadienid(-Anion) sowie vom Benzen ab: Anstelle von Ring-CH-Fragmenten treten Heteroatome, meist Stickstoff, Sauerstoff oder Schwefel, z. B.: H N
 
 N 6π
 
 Pyrrol
 
 CyclopentadienidAnion
 
 6π
 
 6π
 
 Pyridin
 
 6π
 
 Pyrylium-Ion
 
 6π
 
 Thiapyrylium-Ion
 
 6π
 
 Benzen
 
 O
 
 O Furan
 
 6π
 
 Thiophen
 
 6π
 
 S
 
 S
 
 Zur Bezeichnung der monocyclischen Heteroaromaten haben sich überwiegend Trivialnamen durchgesetzt, die häufig mit der natürlichen Herkunft der Verbindungen zusammenhängen. Systematisch ist die Unterscheidung zwischen Fünf- und Sechsringen mit Stickstoff und weiteren Heteroatomen im Ring: Die Fünfringe werden als Azole, die Sechsringe als Azine bezeichnet. Tab. 34.1 stellt die Bezeichnungen einiger monocyclischer Heteroaromaten zusammen.
 
 34.1.2
 
 Benzokondensierte Heteroaromaten
 
 Auch für benzokondensierte (benzologe) Heteroaromaten gelten überwiegend Trivialnamen. Tab. 34.2 (S. 648) gibt eine Auswahl. Steht kein Trivialname zur Verfügung, so wird die verknüpfende Bindung durch einen eckig eingeklammerten Kleinbuchstaben gekennzeichnet, der den kürzesten Abstand zur Position 1 des Stammheterocyclus angibt, z. B.: 8 7 6
 
 g
 
 h f e 5
 
 8a
 
 4a
 
 8
 
 1
 
 a d c
 
 N2
 
 b
 
 g
 
 N
 
 6
 
 3
 
 g
 
 h f e 5
 
 4
 
 Isochinolin
 
 7
 
 Benzo[g]isochinolin
 
 1
 
 8a
 
 4a
 
 N
 
 a
 
 d c
 
 b
 
 N
 
 2
 
 N3
 
 f
 
 N
 
 4
 
 Chinazolin
 
 Benzo[f]chinazolin
 
 Benzo-kondensierte Stickstoff-Sechsring-Heteroaromaten können auch als Aza-Derivate der kondensierten Aromaten gleicher Geometrie bezeichnet werden (z. B. 2-Azaanthracen anstelle von Benzo[g]isochinolin).
 
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 34.1
 
 Nomenklatur und Übersicht der Heteroaromaten
 
 647
 
 Tab. 34.1. Übersicht monocyclischer Heteroaromaten a) Fünfringe ein Heteroatom
 
 H N1
 
 5 4
 
 O
 
 S
 
 Se
 
 Furan
 
 Thiophen
 
 Selenophen
 
 O
 
 S
 
 2 3
 
 Pyrrol
 
 mehrere Heteroatome
 
 H N1 N2
 
 N
 
 Pyrazol
 
 Isoxazol
 
 Isothiazol
 
 H N1
 
 O
 
 S
 
 N3
 
 N
 
 N
 
 Oxazol
 
 Thiazol
 
 O
 
 S
 
 N
 
 1,2,4-Triazol
 
 1,2,4-Oxadiazol
 
 H N
 
 H N
 
 N
 
 N N Tetrazol
 
 N
 
 1,2,4-Thiadiazol
 
 N
 
 P
 
 O
 
 S
 
 Phosphabenzen
 
 Pyrylium-Ion
 
 Thiapyrylium-Ion
 
 2 3
 
 5 4
 
 Pyridin
 
 mehrere Heteroatome
 
 N
 
 N N Pentazol
 
 1
 
 N
 
 N Selenazol
 
 N
 
 N
 
 4N
 
 6
 
 Se
 
 Imidazol
 
 H N1 N2
 
 b) Sechsringe ein Heteroatom
 
 N
 
 1
 
 N
 
 1
 
 1
 
 N
 
 N2
 
 N N3
 
 N 4
 
 Pyridazin (1,2-Diazin)
 
 Pyrimidin (1,3-Diazin)
 
 1
 
 N
 
 1
 
 N
 
 N2 N3
 
 1,2,3-Triazin
 
 N
 
 N
 
 1
 
 N
 
 N2 3
 
 4
 
 1,2,4-Triazin
 
 1
 
 N
 
 Pyrazin (1,4-Diazin)
 
 5N
 
 1,3,5-Triazin
 
 1
 
 N2 N3
 
 1,2,3,4-Tetrazin
 
 N 5N
 
 N3
 
 1
 
 N2 N3
 
 N 5N
 
 N2
 
 N 4
 
 1,2,3,5-Tetrazin
 
 1,2,4,5-Tetrazin
 
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 648
 
 34 Heteroaromaten Tab. 34.2. Übersicht benzo-kondensierter Heteroaromaten a) Benzo-kondensierte Fünfring-Heteroaromaten ein Heteroatom, ein Benzen-Ring
 
 H N1
 
 7a
 
 S
 
 O 2
 
 3a
 
 4
 
 3
 
 Benzo[b]pyrrol (Indol)
 
 ein Heteroatom, zwei Benzen-Ringe
 
 H N9
 
 8a
 
 Benzo[b]furan (Cumaron)
 
 Benzo[b]thiophen (Thionaphthen)
 
 O
 
 S
 
 Dibenzofuran
 
 Dibenzothiophen
 
 1 2
 
 4b 4a
 
 3
 
 4
 
 Carbazol (Dibenzopyrrol)
 
 zwei Heteroatome, ein Benzen-Ring
 
 7a
 
 4
 
 H N1 N2
 
 3a
 
 O
 
 S N
 
 N
 
 3
 
 Benzo[d]pyrazol (1H-Indazol)
 
 Benzo[d]isoxazol (Indoxazol)
 
 Benzo[d]isothiazol
 
 N O Benzo[c]isoxazol (Anthranil) 7a
 
 H N1
 
 S
 
 O 2
 
 4
 
 3a
 
 b) Benzo-kondensierte Sechsring-Heteroaromaten ein Heteroatom, ein Benzen-Ring
 
 8
 
 5
 
 Benzoxazol
 
 1
 
 8a
 
 4a
 
 9
 
 9a
 
 10
 
 5a
 
 N
 
 O
 
 N2
 
 2 3
 
 Isochinolin
 
 10a
 
 4a
 
 5
 
 Benzopyrylium-Ion
 
 1
 
 N g
 
 4a
 
 N
 
 9a
 
 Benzo[g]chinolin
 
 5a
 
 3
 
 N
 
 N N
 
 Phthalazin
 
 N 10a
 
 5
 
 Phenanthridin (Benzo[c]chinolin)
 
 N
 
 4
 
 10
 
 N
 
 N5
 
 Benzo[g]isochinolin
 
 N N
 
 N2
 
 1
 
 4a
 
 Chinazolin
 
 N g
 
 b 6
 
 4a
 
 4
 
 Cinnolin 9
 
 4
 
 c
 
 N2
 
 g
 
 1
 
 8a
 
 Thiabenzopyrylium-Ion 1
 
 1
 
 1
 
 Acridin (Benzo[b]chinolin, Dibenzo[b,e]pyridin)
 
 zwei Heteroatome
 
 S
 
 4
 
 b 6
 
 Benzothiazol
 
 1
 
 N
 
 Chinolin
 
 ein Heteroatom, zwei Benzen-Ringe
 
 N
 
 N
 
 N3
 
 Benzimidazol
 
 N
 
 Chinoxalin
 
 N g
 
 N N
 
 4
 
 Phenazin (Benzo[b]chinoxalin)
 
 Benzo[g]cinnolin
 
 Benzo[g]chinazolin
 
 g
 
 N Benzo[g]chinoxalin
 
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 34.1
 
 Nomenklatur und Übersicht der Heteroaromaten
 
 34.1.3
 
 649
 
 Heterokondensierte Heteroaromaten
 
 Für manche mit Heterocyclen kondensierte (heterokondensierte) Heteroaromaten werden Trivialnamen bevorzugt. Pyrido[b]- und [c]pyridine sind z. B. als Naphthyridine, Pyrido[g]chinoline als Phenanthroline bekannt. Auch für einige heterocyclisch kondensierte Heteroaromaten, von denen sich viele Naturstoffe und Pharmaka ableiten, sind eher Trivialnamen als systematische Bezeichnungen in Gebrauch (Tab. 34.3). Tab. 34.3. Übliche Bezeichnungen einiger heterocyclisch kondensierter Heteroaromaten a) Pyrido[b]- und [c]pyridine 8
 
 6
 
 N 5
 
 1
 
 N
 
 8a
 
 7
 
 N
 
 2
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 4a
 
 4
 
 1,6-
 
 1,5-
 
 1,71,8Naphthyridin
 
 2,6-
 
 2,7-
 
 a) Pyrido[h]chinoline N
 
 1N 10 10b
 
 6a
 
 7
 
 N N
 
 N
 
 4a
 
 h
 
 N
 
 N
 
 4
 
 N
 
 5 6
 
 1,7-
 
 1,8-
 
 Phenanthrolin
 
 1,9-
 
 1,10-
 
 c) Naturstoff-Grundskelette
 
 7
 
 NH 8
 
 1
 
 7a
 
 N 4
 
 N
 
 6
 
 N
 
 5
 
 Indolizin 8
 
 1
 
 H N7
 
 N
 
 8a
 
 4
 
 N9
 
 N
 
 4a
 
 Purin
 
 1
 
 5
 
 N3
 
 2 4
 
 4
 
 Pteridin
 
 N H
 
 3
 
 Ergolin
 
 α-Carbolin
 
 H N
 
 Alloxazin
 
 O NH
 
 N
 
 4
 
 1
 
 N
 
 4b 4a
 
 N
 
 N
 
 H N9
 
 8a
 
 4H-Chinolizin
 
 5
 
 3
 
 9a
 
 N
 
 4
 
 3
 
 3H-Pyrrolizin
 
 1N
 
 9
 
 1
 
 8a
 
 O
 
 H N
 
 N
 
 O NH
 
 N O
 
 Isoalloxazin (Flavin)
 
 Zur systematischen Nomenklatur heterokondensierter Heteroaromaten wird zunächst der Stammheterocyclus ausgewählt und die vom Heteroatom ausgehende, der Kondensationsstelle am nächsten stehende Bindung mit a, die folgenden mit b, c, d usw. markiert. Soll z. B. ein Pyridin-Ring als Stammheterocyclus an den Positionen 2 und 3 kondensiert werden, so handelt es sich um ein "[b]pyridin"; ein "[c]pyridin" liegt vor, wenn der zusätzliche Ring an die 3,4-Stellung (die cBindung) geknüpft wird. 1
 
 N
 
 a b c
 
 4
 
 2
 
 3
 
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 650
 
 34 Heteroaromaten
 
 Den Verknüpfungspositionen des ankondensierten Ringes werden die kleinstmöglichen Ziffern zugeordnet. Soll z. B. ein Pyrrol mit den Kohlenstoff-Atomen C-2 und C-3 an die b-Bindung des Pyridins geknüpft werden, so ergibt sich als Bezeichnung Pyrrolo[2,3-b]pyridin: N 2 3
 
 b
 
 -b]pyridin
 
 H N
 
 H N
 
 N
 
 Pyrrolo[2,3-
 
 Pyrrolo[2,3-b]pyridin
 
 Zur Unterscheidung von Konstitutionsisomeren ist die gleichsinnige vom Stammheterocyclus definierte Folge von Buchstaben und Ziffern an der verknüpfenden Bindung wesentlich, z. B.: N
 
 2
 
 H N
 
 N
 
 3
 
 Pyrrolo[2,3-b]pyridin im Gegensatz zu Pyrrolo[3,2-b]pyridin 2
 
 3
 
 N H
 
 Stammheterocyclus ist 1. der größtmögliche benennbare Stickstoff-Heterocyclus, z. B.: a
 
 b
 
 N Benzo[h]chinolin (nicht Pyrido[2,3-a]naphthalen)
 
 h
 
 e
 
 g
 
 2.
 
 c d
 
 f
 
 der Heterocyclus mit dem höher bewerteten Heteroatom, wenn kein N vorhanden ist, z. B.: 2
 
 Se
 
 Selenopheno[3,2-b]furan (nicht Furo[3,2-b]selenophen)
 
 b
 
 O
 
 3
 
 Die Prioritätenfolge der wichtigsten Heteroatome ist O > S > Se > Te > N > P > As > Si > Ge > Sn. 3.
 
 der Heterocyclus mit der größten Anzahl kondensierter Ringe, z. B.: N 2
 
 N
 
 Pyrazino[2,3-a]phenazin (nicht Chinoxalino[5,6-b]chinoxalin)
 
 a
 
 3
 
 N
 
 N
 
 4.
 
 der Heterocyclus mit dem größten Einzelring, z. B.: N
 
 Pyrrolo[2,3-b]pyridin (nicht Pyrido[2,3-b]pyrrol)
 
 2
 
 H N
 
 b 3
 
 5.
 
 der Heterocyclus mit der größten Anzahl von Heteroatomen, z. B.: Pyrido[2,3-d]pyrimidin (nicht Pyrimido[4,5-b]pyridin)
 
 6.
 
 N a
 
 N
 
 d
 
 2 3
 
 N
 
 der Heterocyclus mit der größten Vielfalt von Heteroatomen, z. B.: 1H-Pyrazolo[4,3-d]thiazol (nicht Thiazolo[5,4- c]1H-pyrazol)
 
 S
 
 3
 
 N
 
 H N N
 
 d 4
 
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 34.1
 
 7.
 
 Nomenklatur und Übersicht der Heteroaromaten
 
 651
 
 der Heterocyclus mit der größten Anzahl der höher bewerteten Heteroatome, z. B.: O
 
 Thiazolo[4,5-f]benzoxazol (nicht Oxazolo[5,4-f]benzothiazol)
 
 N
 
 8.
 
 N
 
 N
 
 2
 
 N
 
 N
 
 3
 
 N
 
 besteht Auswahl zwischen den Regeln 1 bis 8, so gilt 1 vor 2 vor 3 usw., z. B.: 4
 
 N
 
 b
 
 N
 
 S
 
 5
 
 für einige ankondensierte Heterocyclen sind gekürzte Präfixe üblich, wie Furo- (nicht Furano-), Thieno-, Imidazo-, Pyrido-, Pyrimido-, Chino-, Isochino-, z. B.:
 
 Thieno[2,3-d]pyrimidin (nicht Thiopheno...)
 
 S
 
 3
 
 N
 
 2 d
 
 Pyrido[2,3-c]cinnolin (nicht Pyridino-...)
 
 N
 
 3
 
 11.
 
 4
 
 c
 
 Isothiazolo[5,4-b]chinolin (nicht Chino[3,2-d]isothiazol, Regel 1 gilt vor 7)
 
 10.
 
 S
 
 der Heterocyclus, welcher an sich die am geringsten bezifferten Heteroatome enthält, wenn zwei Stammheterocyclen gleicher Größe, Art und Anzahl von Heteroatomen zur Wahl stehen, z. B.: Pyrazino[2,3-c]pyridazin (nicht Pyridazino[3,4-b]pyrazin)
 
 9.
 
 5 f
 
 N
 
 c
 
 2
 
 N
 
 N
 
 verknüpfende Heteroatome werden beiden Einzelringen zugeordnet, z. B.: 2 N N
 
 N
 
 Pyrazolo[2,3-c]pyrimidin
 
 c
 
 3
 
 12.
 
 Bezifferung a) Heteroatomen wird die kleinstmögliche Ziffer unter Beachtung der Prioritätenfolge (Regel 2) zugeordnet, z. B.: Thieno[3,2-d]oxazol
 
 6S
 
 O1
 
 4
 
 N3
 
 5
 
 2
 
 b) verknüpfenden C-Atomen wird die kleinere Nachbarziffer unter Zusatz des Buchstabens "a" zugeordnet; dabei ist die durch die Priorität der Heteroatome definierte Bezifferungsfolge maßgebend, z. B.: 6
 
 S
 
 Thieno[3,2-d]oxazol
 
 6a
 
 O1
 
 5
 
 2 3a
 
 4
 
 , nicht
 
 6
 
 S
 
 1a
 
 O1
 
 4
 
 3a
 
 N3
 
 5
 
 N3
 
 2
 
 c) verknüpfende Heteroatome werden durchgehend und ohne "a" beziffert, z. B.: 5
 
 Imidazo[1,2-c]pyrimidin
 
 6N
 
 4
 
 N
 
 7 8
 
 8a
 
 4
 
 3 2
 
 N1
 
 , nicht
 
 5N
 
 3a
 
 3
 
 7a
 
 N1
 
 N
 
 6 7
 
 2
 
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 652
 
 34 Heteroaromaten
 
 d) bei dreifacher Kondensation wird die zusätzliche verknüpfende Bindung gestrichen beziffert, z. B.: N
 
 N
 
 a
 
 Chinolin
 
 Furo[2,3-b]chinolin
 
 b
 
 2
 
 O
 
 3
 
 c
 
 N
 
 Pyrido[4´,3´:4,5]furo2,3-b]chinolin
 
 5
 
 O
 
 5 3´ 4´ 4
 
 4
 
 2´
 
 N 1´
 
 e) NH- und N-substituierten Ring-Stickstoff-Atomen (N-Alkyl, N-Aryl) des Pyrrols, Pyrazols oder Imidazols wird die kleinstmögliche Ziffer zugeordnet, wie es sich bei der Bezeichnung des auch als Blutdrucksenker wirkenden Phosphodiesterase-Inhibitors Sildenafil (Viagra) und einfacherer heterocyclisch kondensierter Pyrazole zeigt: O
 
 1
 
 4
 
 4
 
 C 6H5
 
 H N
 
 N
 
 N6
 
 N
 
 H 3C N
 
 1
 
 4
 
 N
 
 N
 
 N
 
 1 2
 
 O
 
 N
 
 N
 
 5-[2-Ethoxy-5-(4-methylpiperazinylsulfonyl)phenyl]-1-methyl3-n-propyl-6,7-dihydro-1H-pyrazolo[4,3-d]pyrimidin-7-on (Citrat: Sildenafil, Viagra)
 
 1-Phenyl1H-pyrazolo[4,3-d]pyrimidin
 
 1H-Pyrazolo[4,3-b]pyridin
 
 1 3
 
 5 5
 
 1
 
 N
 
 HN
 
 O O S
 
 CH3 N
 
 7
 
 34.2 Tautomerie der Heteroaromaten 34.2.1
 
 Tautomerie ohne Beteiligung von Substituenten
 
 Für Pyrazol und Imidazol sind identische NH-Tautomere formulierbar, während CH2-Formen nur als substituierte tautomerieunfähige Derivate bekannt sind: Pyrazol
 
 H N
 
 Imidazol
 
 N
 
 N
 
 NH
 
 H N
 
 N NH
 
 N 1H-Tautomer
 
 2H-Tautomer
 
 N
 
 1H-Tautomer
 
 identisch
 
 3H-Tautomer
 
 identisch
 
 CH3
 
 N
 
 CH2 N
 
 N
 
 2H-Tautomer (unbekannt)
 
 CH3
 
 2,2-Dimethyl2H-imidazol (bekannt)
 
 Die Triazole sowie das Tetrazol existieren in physikalisch nachweisbaren Tautomerie-Gleichgewichten. 1,2,3-Triazol liegt bevorzugt in der 2H-Form vor; dagegen überwiegt im 1,2,4-Isomer sowie im Tetrazol die 1H-Form: 1,2,3-Tri azol
 
 H N
 
 N N
 
 1H-
 
 N
 
 1,2,4-Tri azol
 
 NH N
 
 2H-Tautomer
 
 H N N 1H-
 
 N
 
 N
 
 Tetrazol
 
 N
 
 HN 4H-Tautomer
 
 H N
 
 N N N 1H-
 
 N
 
 NH N N 2H-Tautomer
 
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 34.2
 
 Tautomerie der Heteroaromaten
 
 34.2.2
 
 653
 
 Tautomerie unter Beteiligung von Substituenten
 
 Fünfring-Heteroaromaten ̈ Bei Fünfring-Heteroaromaten mit einem Heteroatom kann für Substituenten des Typs −XH (X = O, S, NH, NR) die Oxo-Enol-, Thioketo-Thioenol- und Imin-Enamin-Tautomerie auftreten: CH
 
 CH2
 
 CH2
 
 C O
 
 C OH
 
 Oxo-
 
 Enol-
 
 CH
 
 CH2
 
 CH
 
 C S
 
 C SH
 
 C NR
 
 C NHR
 
 Thioketo-
 
 Enthiol-
 
 Imino-
 
 EnaminoTautomer
 
 Dementsprechend sind für in 2-Stellung durch XH substituierte Furane (Y = O), Thiophene (Y = S) und Pyrrole (Y = NR) drei, für 3-substituierte Derivate dagegen zwei Tautomere formulierbar: Y
 
 Y
 
 XH
 
 1
 
 2
 
 H
 
 X H
 
 H
 
 Y
 
 Y
 
 X
 
 H
 
 Y X
 
 3
 
 H H X
 
 4
 
 5
 
 Obwohl Enol-, Thioenol- und Enamin-Form die Aromatizität des Furans, Thiophens und Pyrrols erhalten, existieren viele XH-substituierte Fünfring-Heteroaromaten in den Carbonyl- oder Heterocarbonyl-Formen. So liegt 2-Hydroxyfuran (X = Y = O) in Naturstoffen als Lacton 2 und 3 vor. 2Hydroxythiophene und 2-Hydroxypyrrole wurden als Oxo-Formen identifiziert. Ebenso existieren 2- und 3-Hydroxyindole aufgrund ihrer Spektren als Oxo-Formen. Das Phenol-Tautomer kann jedoch wie im 2-Acetyl-3-hydroxyindol durch eine intramolekulare H-Brücke stabilisiert werden: H
 
 H
 
 H
 
 N
 
 N
 
 N
 
 CH3
 
 O O O H 2-Acetyl-3-hydroxyindol
 
 O 2-Hydroxyindol (Oxindol)
 
 3-Hydroxyindol (Indoxyl)
 
 Während Thiophen-2- und 3-thiole aufgrund ihrer NMR-Spektren heteroaromatische Thiophenole sind, kann 3-Aminofuran als Enamin und Imin reagieren: O
 
 O
 
 H H NH
 
 NH2
 
 Zusätzliche Stickstoff-Atome im Ring können sich an der Tautomerie beteiligen. So ist in 5-Oxo4,5-dihydropyrazolen (5-Pyrazolonen) bei der 1,3-Dicarbonyl-analogen Oxo-Enol-Tautomerie (CH- und OH-Form) zusätzlich eine NH- oder Enon-Form möglich: R1
 
 R1 N
 
 O H
 
 H
 
 N R2
 
 CH(Oxo-)
 
 N
 
 HO
 
 R1 N R2
 
 H OH(Enol-)
 
 N
 
 O H
 
 NH R2
 
 NH-Tautomer (Enon-Form)
 
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 654
 
 34 Heteroaromaten
 
 Dieses Tautomerie-Gleichgewicht ist durch NMR nachweisbar (Abb. 34.1). Seine Lage hängt vom Lösemittel ab. In Chloroform überwiegt beim 3-Methyl-1-phenyl-Derivat (R1 = C6H5, R2 = CH3) die CH-Form. In Dimethylsulfoxid dominiert die OH-, in Wasser dagegen die NH-Form.
 
 13
 
 Abb. 34.1. Protonen-breitbandentkoppelte C-NMR-Spektren (20 MHz) des 3-Methyl-5-oxo-1-phenyl-4,5dihydropyrazols. In Hexadeuteriodimethylsulfoxid (Spektrum a) liegen etwa 90 % OH- und 10 % CH-Form vor. In Deuteriochloroform (Spektrum b) ist nur die CH-Form erkennbar
 
 Sechsring-Heteroaromaten Ersetzt ein Stickstoff- das C-Atom in α-Position eines Enols, so ergibt sich formal ein Lactim ("Azaenol"), wie es z. B. im 2-Hydroxypyridin vorliegt: H C
 
 H C
 
 Enol-
 
 OH
 
 H
 
 H C
 
 C
 
 Oxo-
 
 O
 
 N
 
 C
 
 OH
 
 Azaenol-
 
 N
 
 H C
 
 O
 
 OH
 
 2-Hydroxypyridin (Lactim)
 
 C
 
 O
 
 Amid-Tautomer (Amid-Mesomerie)
 
 H N
 
 N
 
 N
 
 H O
 
 N
 
 O
 
 1,2-Dihydro-2-oxo-pyridin (2-Pyridon, Lactam, dominant)
 
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 34.2
 
 Tautomerie der Heteroaromaten
 
 655
 
 Im Infrarotspektrum des 2-Hydroxypyridins spricht eine Carbonyl-Bande bei 1680 cm−1 für die Oxo-analoge Lactam- oder Amid-Form. Das Lactam-Tautomer ist mesomeriestabilisiert. Die AmidResonanz konserviert das π-Elektronensextett und damit die Aromatizität des 2-Hydroxypyridins. Auch 4-Hydroxypyridin liegt aufgrund seines IR-Spektrums (νCO ≈ 1630 cm−1) als vinyloges mesomeriestabilisiertes Amid vor: H
 
 H
 
 N
 
 N
 
 N
 
 OH
 
 O
 
 O
 
 4-Hydroxypyridin
 
 Die größere Stabilität der Amid-Form des 2-Hydroxypyridins im Vergleich zur gekreuzt konjugierten vinylogen Amid-Form des 4-Hydroxypyridins zeigt sich daran, daß 2,4-Dihydroxypyridin als 4-Hydroxy-2-pyridon existiert. Letzteres ist zugleich der ausgedehntere Chromophor: H
 
 H OH
 
 N
 
 O
 
 N
 
 2,4-Dihydroxypyridin
 
 OH
 
 N nicht
 
 OH
 
 O
 
 OH
 
 Die Oxo-Formen des 3-Hydroxypyridins sind keine mesomeriefähigen Amide. Im IR-Spektrum fehlt die Carbonyl-Absorption. Daher liegt 3-Hydroxypyridin als Phenol vor, wobei es Hinweise auf eine zwitterionische Form gibt. H N
 
 N O
 
 N O
 
 N O
 
 N OH
 
 O
 
 3-Hydroxypyridin
 
 Zusätzliche Stickstoff-Atome im Ring erhöhen die Anzahl der Tautomeren wie im Falle des 4Hydroxypyrimidins. Dessen Spektren sprechen für das Amid-Tautomer a. Offenbar ist der ausgedehntere Chromophor des Lactams a stabiler als das gekreuzt konjugierte vinyloge Lactam b: H 4-Hydroxypyrimidin
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 NH
 
 N
 
 O b
 
 O a
 
 OH
 
 Im stabilsten Tautomer ist demnach erstrangig die Amid-Resonanz und zweitrangig die längstmögliche Konjugation realisiert. Entsprechend kann man die dominanten Tautomeren des 2-Hydroxypyrimidins, Uracils, der Barbitur- und Cyanursäure vorhersagen:
 
 N H
 
 NH
 
 NH O
 
 2-Hydroxypyrimidin
 
 N H
 
 O
 
 O
 
 O N
 
 Uracil
 
 O
 
 O
 
 N H
 
 O
 
 Barbitursäure
 
 HN O
 
 NH N H
 
 O
 
 Cyanursäure
 
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 656
 
 34 Heteroaromaten
 
 Das Konzept ist auch auf benzo- und heterocyclisch kondensierte Pyrimidine übertragbar, z. B.: O NH N H
 
 O
 
 N
 
 2,4-Dihydroxychinazolin (Bislactam-Tautomer)
 
 N
 
 HN
 
 NH N H
 
 O
 
 O
 
 O N
 
 O
 
 O
 
 N H
 
 N H
 
 2,4-Dihydroxypteridin (Bislactam-Tautomer)
 
 HN O
 
 Xanthin
 
 H N O
 
 N H
 
 N H
 
 Harnsäure
 
 In Analogie zu den Hydroxypyrimidinen und Pyrimidinen liegen Pyridin-2-thiol und Pyrimidin-2thiol als Thioamide (Thioxo-Tautomere) vor, während Pyridin-3-thiol ein heterocyclisches Thiophenol ist: H N
 
 H N
 
 S
 
 N
 
 S N
 
 2-Thioxo-1,2-dihydropyridin
 
 SH
 
 2-Thioxo-1,2-dihydropyrimidin
 
 Pyridin-3-thiol
 
 Die Amine des Pyridins und Pyrimidins bilden keine Imino-Tautomere (Amidine mit exocyclischem NH). So zeigt das IR-Spektrum des 2-Aminopyridins passend zur primären Amino-Gruppe die symmetrische und asymmetrische NH-Valenzschwingung (νas ≈ 3450 cm−1, νsym ≈ 3300 cm−1, Kap. 28.3.5, Tab. 28.6). Gleiches gilt für Aminopyrimidine und Triazine: N
 
 NH 2
 
 N
 
 H2N
 
 NH 2 N
 
 NH 2 2,4-Diaminopyrimidin
 
 2-Aminopyridin
 
 NH 2
 
 N N
 
 N
 
 NH2 Triamino-1,3,5-triazin (Melamin)
 
 Ein hoher Anteil der Imino-Form konnte dagegen im Benzensulfonamid des 2-Aminopyridins nachgewiesen werden. Offenbar stabilisiert die Phenylsulfonyl-Gruppe das Imin durch Konjugation: N
 
 H N
 
 O NH S
 
 O N
 
 O
 
 S O
 
 2-(Phenylsulfonylamino)pyridin
 
 34.3 Aromatizität und Struktur von Fünfring-Heteroaromaten 34.3.1
 
 π-Elektronendichte-Verteilung
 
 Furan, Pyrrol und Thiophen (Tab. 34.1) sind formale Analoga des Cyclopentadienid-Anions, wobei ein Heteroatom (X = O, NH, S) an die Stelle eines carbanionischen Ring-C-Atoms tritt. Das nichtbindende Elektronenpaar des Heteroatoms ist dann Teil des π-Elektronensextetts, welches
 
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 34.3
 
 Aromatizität und Struktur von Fünfring-Heteroaromaten
 
 657
 
 sich wie im Cyclopentadienid-Anion (Kap. 30.3.2) im Sinne der folgenden mesomeren Grenzformeln auf fünf Ring-Atome verteilt: _X
 
 X
 
 X
 
 /
 
 \
 
 X
 
 X
 
 X oder
 
 \
 
 6π
 
 /
 
 Auf Kosten des Heteroatoms erhöht sich die π-Elektronendichte an den Ring-C-Atomen. Aus diesem Grund bezeichnet man Furan und seine Heteroanalogen auch als π-ElektronenüberschußHeteroaromaten. In Einklang damit ergeben Molekülorbital-Berechnungen für die Ring-C-Atome des Pyrrols eine erhöhte (negative) π-Ladungsdichte (qπ < 0) im Vergleich zu Benzen (qπ = 0):
 
 µ = 1.84 D
 
 + 0.32
 
 H N
 
 − 0.1
 
 Pyrrol
 
 − 0.06 Dipolmoment
 
 H N
 
 − 0.1 − 0.06
 
 π-Ladungsdichte-Verteilung ( Bezug : Benzen mit qπ = 0 )
 
 Dementsprechend zeigen die Protonen und Kohlenstoff-Kerne des Pyrrols im 1H- und 13C-NMRSpektrum trotz des elektronegativen Ring-Stickstoffs kleinere Verschiebungswerte als in Benzen (Tab. 34.4, S. 658). Ferner weist der Dipolmoment-Vektor des Pyrrols vom Stickstoff zum Ring.
 
 34.3.2
 
 Molekülorbital-Modelle
 
 Im Molekülorbital-Modell des Furans und Pyrrols entstehen die vom Heteroatom ausgehenden σBindungen durch sp2-Hybridorbital-Überlappung. Ein doppelt besetztes, unhybridisiertes p-Orbital des Heteroatoms überlappt seitlich mit den koaxialen einfach besetzten p-Orbitalen der vier RingC-Atome, so daß sich sechs π-Elektronen auf fünf überlappende Orbitale verteilen:
 
 Überlappung der p-Orbitale in Furan und Pyrrol
 
 X
 
 Im Molekülorbital-Modell des Thiophens können auch 3d-Orbitale des Schwefels an der Hybridisierung teilnehmen: Zwei von drei pd2-Hybridorbitalen des Schwefels überlappen mit den vier einfach besetzten π-Orbitalen der Ring-C-Atome. Dann verteilen sich wie im Benzen sechs πElektronen auf sechs überlappende Orbitale. Die Benzen-Analogie des π-Elektronensextetts wird u. a. durch die auffallend benzenähnlichen 1H- und 13C-Verschiebungen des Thiophens (Tab. 34.4) unterstrichen. In der Valenzstrichschreibweise bringt man dies durch eine zusätzliche Grenzformel mit vierbindigem Schwefel zum Ausdruck: S \
 
 S
 
 \
 
 /
 
 S
 
 S
 
 S
 
 S
 
 /
 
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 658
 
 34 Heteroaromaten
 
 34.3.3
 
 Bindungsausgleich und Mesomerieenergie
 
 Im Vergleich zu den Tetrahydro-Derivaten haben Furan, Pyrrol und Thiophen kleinere C−XBindungsabstände (Tab. 34.4). Die Kohlenstoff-Heteroatom-Bindung hat also partiellen πCharakter, wie er in den mesomeren Grenzformeln zum Ausdruck kommt. Auch die C−CBindungslängen (Tab. 34.4) sind ähnlich und liegen wie im Benzen zwischen Doppel- und Einfachbindung. Das Verhältnis der Atomabstände, C-2−C-3 : C-3−C-4, nimmt parallel zur Mesomerieenergie in der Folge Thiophen > Pyrrol > Furan zu (Tab. 34.4). Weitestgehender Bindungsausgleich und höchste Mesomerieenergie weisen wiederum Thiophen als benzenähnlichsten Fünfring-Heteroaromaten aus. Die weniger ausgeprägte Aromatizität von Pyrrol und Furan ergibt sich auch als Folge der im Vergleich zum Schwefel elektronegativeren Heteroatome: Stickstoff und insbesondere Sauerstoff lokalisieren das zur Bildung des π-Elektronensextetts notwendige n-Elektronenpaar stärker als Schwefel. Tab. 34.4. Strukturmerkmale und Aromatizitätskriterien der Fünfring-Heteroaromaten A t o m a b s t ä n d e [ pm ] Verbindung
 
 X−C
 
 C-2−C-3
 
 C-3−C-4
 
 Tetrahydrofuran Furan Pyrrolidin Pyrrol Tetrahydrothiophen Thiophen
 
 143 136 147 138 182 171
 
 154 136 154 137 154 137
 
 154 143 154 143 154 142
 
 chemische Verschiebung δH δC 2-H 3-H C-2 C-3
 
 Mesomerieenergie [ kJ/mol ]
 
 0.951
 
 7.42
 
 6.37
 
 142.7 109.6
 
 71
 
 0.958
 
 6.68
 
 6.22
 
 116.5 106.5
 
 92
 
 0.964
 
 7.30
 
 7.10
 
 124.4 126.2
 
 126
 
 128.5
 
 151
 
 1.000
 
 139
 
 Benzen
 
 C-2−C-3 : C-3−C-4
 
 7.28
 
 34.4 Aromatizität und Struktur von Sechsring-Heteroaromaten 34.4.1
 
 π-Elektronendichte-Verteilung, Mesomerie und Bindungsausgleich
 
 Pyridin und die Azine (Tab. 34.1) leiten sich vom Benzen ab, wobei trivalente Stickstoff- die Ring-Kohlenstoff-Atome ersetzen. Das π-Elektronensextett des Benzens sollte demnach erhalten bleiben. Der elektronegative Stickstoff stört jedoch die Gleichverteilung der π-Elektronen, indem er in α- und γ-Stellung positiv polarisiert, wie es die mesomeren Grenzformeln beschreiben: _ N
 
 _ N
 
 _ N _
 
 _ N _
 
 _ N _
 
 Im Gegensatz zu Pyrrol ist Pyridin demnach ein π-Elektronenmangel-Heteroaromat. Dementsprechend ergeben Molekülorbital-Berechnungen für die Ring-C-Atome C-2,6 und C-4 eine zugunsten
 
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 34.4
 
 Aromatizität und Struktur von Sechsring-Heteroaromaten
 
 659
 
 des Stickstoff verminderte π-Ladungsdichte. Diese erklärt ein zum Stickstoff gerichtetes Dipolmoment sowie erhöhte chemische Verschiebungswerte der Ring-C-Atome C-2,6 und C-4 bzw. der mit ihnen verknüpften H-Atome in den 13C- und 1H-NMR-Spektren. Der induktive Effekt des Stickstoffs verstärkt die positive Polarisierung in α-Stellung. − 0.50
 
 N
 
 N
 
 + 0.15
 
 N µ = 2.2 D
 
 + 0.05
 
 N
 
 149.6 124.2
 
 + 0.10
 
 H 7.0
 
 136.2
 
 π-Ladungsdichte-Verteilung
 
 H 8.6
 
 H 7.6 δC δH chemische Verschiebungen
 
 Dipolmoment
 
 Die aus den Hydrierwärmen zugänglichen Mesomerieenergien des Pyridins und der Azine sind im Vergleich zu Benzen (151 kJ / Mol) geringer: N
 
 N
 
 N N
 
 ∆H res = 133
 
 N 100 kJ / mol
 
 110
 
 Für einen dem Benzen analogen Bindungsausgleich im Pyridin spricht dennoch, daß der C−NAtomabstand mit 134 pm zwischen CN-Doppel- (128 pm) und CN-Einfachbindung (147 pm) liegt, und alle CC-Bindungen des Rings den vom Benzen bekannten Wert (139 pm) aufweisen.
 
 34.4.2
 
 Molekülorbital-Modell des Pyridins
 
 Im Molekülorbital-Modell des Pyridins entstehen die vom Stickstoff ausgehenden σ-Bindungen durch sp2-Hybridorbital-Überlappung. Das dritte sp2-Hybridorbital des Stickstoffs wird von dessen nicht bindendem Elektronenpaar besetzt. Das p-Orbital des sp2-hybridisierten Pyridin-NAtoms überlappt seitlich und cyclisch fortlaufend mit den fünf koaxialen p-Orbitalen der Ring-CAtome, so daß sich wie im Benzen sechs π-Elektronen auf drei bindende Molekülorbitale verteilen (Kap. 9.3, 9.4).
 
 34.4.3
 
 Sechsring-Heterocyclen mit zweibindigen Heteroatomen
 
 Zweibindige Elemente der sechsten Gruppe des Periodensystems (X = O, S) können in den benzoiden Sechsring eingebaut werden, wenn sie eines ihrer n-Elektronenpaare zum π-Elektronensextett beisteuern und dadurch eine positive Ladung übernehmen. Beispiele hierzu sind Pyryliumund Thiapyrylium-Ionen sowie α- und γ-Pyrone bzw. Thiapyrone, deren Carbonyl-Gruppe eher Phenol- als Carbonyl-Funktion hat: X
 
 X
 
 X
 
 O
 
 X
 
 O
 
 X
 
 X
 
 O X = O : Pyrylium-Ion X = S : Thiapyrylium-Ion
 
 X = O : α-Pyron X = S : α-Thiapyron
 
 O X = O : γ-Pyron X = S : γ-Thiapyron
 
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 660
 
 34 Heteroaromaten
 
 Da Schwefel unter Beteiligung seiner d-Orbitale tetravalent wird, sind Thiabenzen-Derivate denkbar. Die Spektren der S-Methyl-Verbindung stützen jedoch das Vorliegen des Ylid-Zustands mit dreibindigem Schwefel: CH3
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 CH3
 
 CH3
 
 S
 
 S
 
 S
 
 S
 
 S
 
 H 5C6
 
 C6H 5
 
 H5C 6
 
 C6H 5
 
 H 5C6
 
 C 6H5
 
 H 5C6
 
 C 6H5
 
 H 5C6
 
 C 6H5
 
 34.5 Synthese monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten 34.5.1
 
 Allgemeine Methoden
 
 Heterocyclisierung von 1,4-Dicarbonyl-Verbindungen 1,4-Dicarbonyl-Verbindungen cyclokondensieren unter Säurekatalyse zu Furan-Derivaten (PAALKNORR-Synthese). Zwischenstufen sind wahrscheinlich die Dienole. 2,5-Hexandion (Acetonylaceton, R1 = R4 = CH3; R2 = R3 = H) cyclokondensiert z. B. zu 2,5-Dimethylfuran. ̈
 
 R3
 
 R3
 
 R2
 
 R4
 
 R2
 
 R4
 
 R1
 
 R1
 
 O O
 
 O O H H
 
 Dioxo-Tautomer
 
 Diendiol-Tautomer
 
 R3
 
 [H+] , − H2O
 
 R4
 
 R2 O
 
 R1
 
 In Gegenwart von Ammoniak oder primären Aminen entstehen aus 1,4-Dicarbonyl-Verbindungen Pyrrole; mit Tetraphosphordecasulfid erhält man Thiophene. Das Ringschlußprinzip ist auf αAcylaminoketone übertragbar und öffnet dann den Zugang zu 1,3-Azolen wie Imidazol, Oxazol und Thiazol:
 
 Furan
 
 Oxazol
 
 O
 
 O [H +]
 
 P4 S10
 
 N R
 
 [H +]
 
 N
 
 R NH 2
 
 N
 
 S
 
 O O
 
 N R
 
 H
 
 Thiophen
 
 1,4-Dicarbonyl-Verbindung
 
 Pyrrol
 
 Imidazol
 
 NH 3
 
 R
 
 NH R
 
 N
 
 P4 S10
 
 O O
 
 S
 
 α-Acylaminoketon
 
 Thiazol
 
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 R
 
 34.5
 
 Synthese monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
 
 661
 
 Heterocyclisierung von 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen 1,2-Azole wie Pyrazole und Isoxazole entstehen mit guten Ausbeuten aus 1,3-Diketonen über deren Enol-Form (Kap. 20.12) und Hydrazinen bzw. Hydroxylamin: R1 R2
 
 O O R1
 
 R1 R2
 
 N
 
 + R3 NH NH2
 
 N
 
 R2
 
 − 2 H2O
 
 R3
 
 R1 + HO NH2
 
 O
 
 R2
 
 − 2 H2O
 
 OH
 
 O
 
 N
 
 R3 = H, Alky l, Ary l
 
 Pyrazol
 
 Isoxazol
 
 Diesem Ringschlußprinzip folgt auch die Synthese von 5-Oxo-4,5-dihydropyrazolen (5-Pyrazolonen) aus β-Oxoestern (Kap. 19.5.1) und Hydrazinen, z. B.: CH3 O
 
 O OC2H 5
 
 CH 3 +
 
 − C 2 H 5 OH , − H 2 O
 
 NH 2
 
 HN
 
 O
 
 C 6H5
 
 Acetessigsäureethylester
 
 N
 
 N
 
 C6H 5 3-Methyl-5-oxo-1-phenyl4,5-dihydropyrazol
 
 Phenylhydrazin
 
 Heterocyclisierung von 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen Edukte der Thiophen-Synthese nach HINSBERG sind 1,2-Diketone (Kap. 20.6.2) und 3-Thiaglutarsäurediester: R1 O R3O2C H2C
 
 R2 + S
 
 R1
 
 R2
 
 (Base) , − 2 H2O
 
 O
 
 R 3O2C
 
 CH 2 CO2R 3
 
 CO2R 3
 
 S
 
 Thiophen-2,5-dicarbonsäurediester
 
 Die Cyclokondensation von 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen mit Ammoniak und Aldehyden ergibt Imidazole (RADZISZEWSKI-Synthese): R1
 
 O
 
 H +
 
 R2
 
 O
 
 2 NH 3
 
 +
 
 O R3
 
 R1 N
 
 − 3 H2O
 
 R2
 
 N H
 
 R3
 
 Diesem Ringschlußprinzip folgt die erstmalige Synthese des unsubstituierten Imidazols (Glyoxalin, R1 = R2 = R3 = H) aus Glyoxal, Ammoniak und Formaldehyd.
 
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 662
 
 34 Heteroaromaten
 
 Heterocyclisierung von Acyloinen Anstelle der 1,2-Diketone cyclokondensieren nach BREDERECK auch α-Hydroxyketone (Acyloine) mit Formamid in guten Ausbeuten zu Imidazolen. Folgende Schritte führen zum Ringschluß: R1 R2
 
 H
 
 O
 
 R1
 
 N
 
 OH
 
 R2
 
 N H
 
 O + H
 
 − HCO2H
 
 C NH2
 
 CHO
 
 CHO
 
 NH R1
 
 OH
 
 R2
 
 OH
 
 H
 
 R1
 
 − H2O
 
 NH
 
 R1
 
 OH
 
 R2
 
 H
 
 O
 
 CHO + H
 
 NH
 
 C
 
 R1
 
 NH2
 
 NH
 
 R2
 
 O
 
 R2
 
 CHO
 
 CHO
 
 H
 
 − H2O
 
 OH
 
 R1
 
 NH
 
 R2
 
 NH CHO
 
 NH CHO
 
 Die Cyclokondensation O-acylierter Acyloine mit Ammoniak aus Ammoniumacetat ist ein ergiebiger Weg zu Oxazol-Derivaten: R1
 
 R1
 
 C OO R2
 
 C H
 
 O
 
 C
 
 −
 
 N
 
 + NH3 (CH3CO2 NH4+ , CH3CO2H)
 
 R3
 
 R2
 
 − 2 H2O
 
 O
 
 R3
 
 Heterocyclisierung von α-Halogenketonen Die Furan-Synthese nach FEIST-BENARY aus α-Halogenketon und 1,3-Dicarbonyl-Verbindung verläuft über ein Aldol-Addukt, das unter Chlorwasserstoff- und Wasser-Abspaltung cyclisiert: R1
 
 O
 
 R2
 
 Cl
 
 H +
 
 H
 
 H O
 
 HO R1
 
 COR3
 
 R2
 
 R4
 
 R4
 
 Cl O
 
 H
 
 HO R1
 
 COR3 H
 
 R2
 
 COR3
 
 H Cl HO
 
 R2
 
 R4
 
 COR3
 
 R1
 
 − H2O , − HCl
 
 R4
 
 O
 
 Aldol-Addukt
 
 Bei der Pyrrol-Synthese nach HANTZSCH wird der aus β-Oxoester und Ammoniak entstehende βEnaminoester durch das α-Halogenketon C-alkyliert. Das intermediäre Enaminoketon cyclokondensiert zum Pyrrol: R1
 
 H
 
 H
 
 Cl +
 
 R2
 
 O
 
 H2N
 
 CO2R3
 
 − Cl
 
 R4
 
 −
 
 R1 H R2
 
 H CO R3 2
 
 O H2N
 
 R4
 
 +
 
 − [H ]
 
 R1 H R2
 
 O H2N
 
 CO2R3 R4
 
 − H 2O
 
 CO2R3
 
 R1 R2
 
 N H
 
 R4
 
 + NH3 , − H2O
 
 H H O
 
 CO2R3 R4
 
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 34.5
 
 Synthese monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
 
 663
 
 Mit Amiden, Thioamiden und Amidinen cyclisieren α-Halogenketone zu Oxazolen, Thiazolen und Imidazolen. H2N
 
 +
 
 R2 N R1
 
 H2N C
 
 R3
 
 R2
 
 S
 
 − HCl, − H2O
 
 R3
 
 S
 
 R1
 
 subst. Thiazol
 
 +
 
 H
 
 Cl
 
 +
 
 R3
 
 R2 N
 
 − HCl, − H2O
 
 O
 
 − HCl, − H2O
 
 C O
 
 R1
 
 O
 
 R3
 
 subst. Oxazol
 
 H2N R3
 
 C HN
 
 R2 N R1
 
 R4
 
 N H
 
 subst. Imidazol
 
 Heterocyclisierung von Acetylendicarbonsäurediestern Furan, Pyrrol und Thiophen entstehen durch MICHAEL-Addition von α-Hydroxy-, α-Amino- und α-Mercaptocarbonyl-Verbindungen an Acetylendicarbonsäurediester und anschließende Cyclokondensation: CO2R 3
 
 O
 
 R1
 
 + R2
 
 H
 
 XH
 
 X = O , NH , S
 
 O H
 
 R1
 
 R1
 
 CO2R3
 
 R2 R2
 
 CO2R 3
 
 H
 
 X
 
 H
 
 R3
 
 CO2
 
 OH CO R 3 2 X
 
 R1
 
 CO2R3
 
 − H2O
 
 R2
 
 CO2R 3
 
 X
 
 CO2R3
 
 1,3-Dipolare Cycloadditionen Die 1,3-dipolare Cycloaddition ist eine allgemeine Methode zur Herstellung von Azolen aus Alkinen oder Nitrilen als Dipolarophile und Nitriloxiden, Diazoalkanen sowie Aziden als 1,3Dipole. Passende Cycloadditionspartner ergeben sich aus dem gewünschten Heterocyclus, z. B.: Alkinon
 
 R1
 
 Alkinon
 
 R1 R3
 
 Alkin Azid
 
 R3
 
 N
 
 R1 R2
 
 N
 
 N
 
 C
 
 + N
 
 +
 
 N
 
 N
 
 N
 
 R2
 
 COR2 4-Acyl-3,5-dialkylisoxazol
 
 R1
 
 R3
 
 N
 
 R1
 
 H
 
 C N +
 
 O
 
 R3
 
 N
 
 C C N
 
 R1
 
 R3
 
 C C COR2
 
 CH
 
 R1
 
 Nitril Azid
 
 +
 
 O
 
 Nitriloxid
 
 Diazoalkan
 
 C C COR2
 
 R1
 
 COR2 N
 
 N
 
 R3
 
 N
 
 NH
 
 5-Acyl-3,4dialkylpyrazol
 
 R2
 
 R2 N N N
 
 COR 2
 
 1,4,5-Trialkyl-1,2,3-triazol
 
 R1 N R2 N N N
 
 1,5-Dialkyltetrazol
 
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 664
 
 34 Heteroaromaten
 
 Die 1,3-dipolare Cycloaddition von Aziden an Alkine gehört zu den Click-Reaktionen. Mit dem Präfix "Click" (engl. to click = einordnen, einrasten) wird eine Reihe robuster, selektiver Reaktionen gut zugänglicher Edukte gekennzeichnet, die breit anwendbar sind, mit hohen Ausbeuten und möglichst ohne Nebenprodukte verlaufen. Click-Reaktionen lassen sich im Idealfall in Wasser oder einem leicht entfernbaren Lösemittel durchführen, und die Produkte sind einfach isolierbar. Zu diesen Reaktionen zählen nucleophile Öffnungen von Aziran- und Oxiran-Ringen, einige Carbonyl-Derivatisierungen (Hydrazone, Oxime) und vor allem Cycloadditionen.
 
 34.5.2
 
 Spezielle Methoden
 
 Furan-Derivate Furan-2-aldehyd (Furfural) entsteht in technischem Maßstab durch säurekatalysierte Dehydratisierung aus Pentosen, z. B. bei der Destillation von Kleie (lat. furfur = Kleie) mit verdünnter Schwefelsäure. Furan selbst wird technisch durch thermische Decarbonylierung des Aldehyds gewonnen. Es entsteht auch bei der Decarboxylierung der Furan-2-carbonsäure (Brenzschleimsäure). ZnO , Cr 2O3 , 400 °C , − CO
 
 HO
 
 OH O
 
 HO HO
 
 [H+] , − 3 H2O
 
 H O
 
 H
 
 Pentose (aus Kleie)
 
 + 1/2 O2
 
 − CO2
 
 O
 
 O
 
 Furan-2-aldehyd
 
 CO2H
 
 O
 
 Furan-2-carbonsäure
 
 Pyrrol-Derivate Technisch wird Pyrrol durch Erhitzen von 2-Butin-1,4-diol mit Ammoniak unter Druck oder aus Furan und Ammoniak hergestellt: HO CH2 C C CH2 OH +
 
 − H2O
 
 NH3
 
 − H2O
 
 N H
 
 O
 
 + NH 3
 
 Das Prinzip der vielseitig anwendbaren Pyrrol-Synthese nach KNORR ist die Cyclokondensation von β-Oxoestern mit α-Aminocarbonyl-Verbindungen. Letztere bilden sich aus den β-Oxoestern durch Nitrosierung der α-Methylen-Gruppe und nachfolgende Reduktion der Isonitroso-Funktion. R1
 
 R1 O
 
 R2O2C
 
 CH2
 
 + HNO2 − H2 O
 
 O R2O2C Zn , CH3CO2H
 
 N
 
 OH −
 
 + + 4 [H ] , + 4 e0 , − H2O
 
 H R 2O2C
 
 O NH 2
 
 +
 
 H2C O
 
 − 2 H2O
 
 R1
 
 CO2R 2
 
 R1
 
 CO2R2
 
 R1
 
 H R 2O2C
 
 N
 
 R1
 
 CO2R2
 
 R1 R2O2C
 
 N H
 
 R1
 
 3,5-Dialkoxycarbonyl2,4-dialkylpyrrol
 
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 34.5
 
 Synthese monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
 
 665
 
 Aus Acetessigsäureethylester (R1 = CH3, R2 = C2H5) kann man auf diese Weise 3,5-Diethoxycarbonyl-2,4-dimethylpyrrol herstellen, dessen Ester-Verseifung und Decarboxylierung 2,4-Dimethylpyrrol ergibt. Thiophen-Derivate Thiophen wird in technischem Maßstab aus Butan und Schwefel in der Dampfphase hergestellt: H 3C CH 2 CH 2 CH 3
 
 +
 
 500 - 600 °C
 
 4S
 
 − 3 H2 S
 
 S
 
 2,5-Dialkyl-Derivate entstehen durch Addition von Schwefelwasserstoff an 1,3-Diine in alkalischem Medium: R1 C C C C R2
 
 +
 
 OH
 
 H 2S
 
 −
 
 R1
 
 R2
 
 S
 
 Pyrazole, Isoxazole und Isothiazole aus β-Aminocrotonsäurenitril β-Aminocrotonsäurenitril, das durch basenkatalysierte aldolanaloge Dimerisierung von Acetonitril hergestellt wird, H H3C C N
 
 +
 
 H 3C
 
 H CH2 C N
 
 C
 
 H3C
 
 CH2 C N
 
 NH
 
 C
 
 C
 
 CN
 
 NH2 β-Aminocrotonsäurenitril (3-Amino-2-butennitril)
 
 heterocyclisiert mit Hydrazinen nach MICHAEL-Addition und Ammoniak-Abspaltung zu 5-Aminopyrazol-Derivaten: H C C
 
 CH 3
 
 CH3 +
 
 C
 
 H 2N NH R
 
 H 2N
 
 NH2
 
 R = H , Alkyl , Phenyl
 
 N CH 3 C HN
 
 N
 
 CH 3
 
 C C
 
 NH N
 
 HN
 
 N
 
 HN
 
 R
 
 R
 
 N
 
 R
 
 CH3
 
 − NH3
 
 C NH2
 
 N
 
 N
 
 N
 
 R
 
 Die entsprechende Reaktion mit Hydroxylamin führt zu 5-Amino-3-methylisoxazol: H C C
 
 CH 3
 
 CH3 +
 
 C NH2
 
 H 2N OH
 
 − NH3
 
 H 2N
 
 O
 
 N
 
 N
 
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 666
 
 34 Heteroaromaten
 
 5-Amino-3-methylisothiazol erhält man durch oxidativen Ringschluß des β-Aminocrotonsäurenitrils mit Schwefelwasserstoff: H
 
 CH3 C
 
 H +
 
 C
 
 C
 
 H 2S
 
 H
 
 CH3
 
 C C
 
 C C H 2N
 
 NH2
 
 NH2
 
 C
 
 H 2N
 
 C
 
 S
 
 N
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 + H2O2 − 2 H2O
 
 NH
 
 H 2N
 
 N
 
 S
 
 SH
 
 β-Aminocrotonsäurethioamid (3-Amino-2-butensäurethioamid)
 
 1,2,4-Triazole und Tetrazole aus Aminoguanidin 3-Amino-1,2,4-triazol, ein Herbizid, wird durch Erhitzen von Aminoguanidin (Kap. 25.7.3) mit Ameisensäure in Gegenwart von Alkalihydroxid hergestellt: HN
 
 C HN
 
 NH 2
 
 O +
 
 − H2O
 
 C H
 
 C HN
 
 HO
 
 NH 2
 
 HN
 
 NH 2 O
 
 ( OH )
 
 C
 
 − H2O
 
 N H
 
 −
 
 H
 
 Formylaminoguanidin
 
 H 2N
 
 N N
 
 N H
 
 3-Amino-1,2,4-triazol
 
 5-Aminotetrazol entsteht durch Diazotierung des Aminoguanidins und oxidativen Ringschluß: NH H 2N
 
 C
 
 N H
 
 NH 2
 
 N N
 
 + HNO2 − 2 H2O
 
 H 2N
 
 N H
 
 N
 
 N N
 
 + HNO2 − 2 H2O
 
 N2
 
 N
 
 N
 
 5-Aminotetrazol
 
 + C 2H5OH − CH3−CHO − N2
 
 N N N H
 
 N
 
 Die weitere Diazotierung des 5-Aminotetrazols führt zum Diazonium-Zwitterion, das durch Ethanol zum Tetrazol reduziert wird.
 
 34.6 Synthese benzo-kondensierter Fünfring-Heteroaromaten 34.6.1
 
 Benzo[b]furan (Cumaron)
 
 Benzo[b]furane (Cumarone) werden durch Ringverengung der Cumarine (Kap. 34.11.7) hergestellt. Teilschritte dieser Synthese sind Brom-Addition, Dehydrobromierung, Lacton-Ringspaltung, Cyclodehydrohalogenierung und Decarboxylierung der zunächst entstandenen Cumarilsäure (2-Carboxybenzo[b]furan): R
 
 subst. Cumarin
 
 O
 
 subst. Cumaron
 
 R
 
 O
 
 − CO2
 
 + Br 2
 
 Br Br R O
 
 O
 
 O
 
 (KOH, Kälte) − HBr
 
 Br R O
 
 O
 
 (KOH , ∆) + H2O
 
 CO2H R
 
 Br OH
 
 (KOH) − HBr
 
 R
 
 O
 
 CO2H
 
 subst. Cumarilsäure
 
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 34.6
 
 Synthese benzo-kondensierter Fünfring-Heteroaromaten
 
 667
 
 Ein bequemerer Weg zum Cumaron ist die intramolekulare Cyclokondensation von 2-Acylphenoxyessigsäureestern: R1
 
 R1 O
 
 (Base)
 
 +
 
 Cl
 
 OH
 
 34.6.2
 
 CH 2 CO2R 2
 
 − HCl
 
 O
 
 O CH2 CO2R2
 
 R1
 
 −
 
 ( OR ) − H2O
 
 O
 
 CO2R 2
 
 Benzo[b]thiophen (Thionaphthen)
 
 Das naphthalenähnliche Benzo[b]thiophen (Thionaphthen) wird technisch durch katalysierte Cyclodehydrierung von Styren und Schwefelwasserstoff hergestellt. Im Labormaßstab entsteht es durch oxidative Heterocyclisierung von 2-Mercaptozimtsäure: 600 °C , Fe2S3 / Al2O3
 
 + H 2S
 
 34.6.3
 
 − CO2
 
 − 2 H2
 
 S
 
 S
 
 CO2H
 
 K3[Fe(CN) 6]
 
 CO2H
 
 +
 
 − 2 [H ] , − 2 e0
 
 −
 
 SH
 
 Benzo[b]pyrrol (Indol)
 
 Die Indol-Synthese nach FISCHER aus Phenylhydrazin und 2-Alkanon verläuft über das Phenylhydrazon, dessen Tautomer 1 durch [3,3]-sigmatrope Verschiebung (Diaza-COPE-Umlagerung, Kap. 26.5.3) in das 1,4-Diimin 2 übergeht. Das nach Rearomatisierung entstehende β-(o-Aminophenyl)iminoethan 3 cyclisiert zum 2-Amino-2,3-dihydroindol 4. Letzteres eliminiert Ammoniak. Daß der β-Stickstoff des Phenylhydrazins als Ammoniak abgeht, ist erwiesen, weil mit 15Nβangereichertem Phenylhydrazin (vgl. Stern-Markierung) 15N-freies Indol entsteht. R3 H2C N H
 
 R1
 
 R3 C
 
 R2
 
 *N R1
 
 Kat.
 
 − H2 O
 
 H
 
 R2 N H
 
 1
 
 R3
 
 H R3
 
 * NH NH
 
 *NH R1
 
 2
 
 H R3
 
 R2
 
 R2
 
 R1
 
 * NH NH2
 
 R1
 
 3
 
 N H
 
 4
 
 * 3 − NH
 
 Kat. = ZnCl2 , H2SO4 oder BF3
 
 R3
 
 R3 N H
 
 R1
 
 *NH2 +
 
 H 2C
 
 C
 
 R2
 
 R2 N H
 
 R1
 
 O
 
 substituiertes Phenylhydrazin
 
 R2 * NH 2
 
 Indol
 
 α-Methylencarbonyl-Verbindung
 
 Neben dieser vielseitigen Methode sind weitere Verfahren bekannt, z. B. die Reduktion von Indoxyl (Kap. 34.2.2) sowie die Cyclokondensation von N-Formyl-o-toluidin (MADELUNG-Synthese): O +
 
 −
 
 −
 
 −
 
 (RO , N2 , 350 °C)
 
 + 2 [H ] , + 2 e0 ( Zn , OH )
 
 N H Indoxyl
 
 − H 2O
 
 N H
 
 − H2O
 
 +
 
 CH 3 O N H
 
 H3C
 
 C O
 
 H
 
 O
 
 C
 
 H
 
 O
 
 − CH3CO2H
 
 N-Formyl-o-toluidin
 
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 CH 3 NH 2
 
 668
 
 34 Heteroaromaten
 
 34.6.4
 
 Benzo-1,2-azole (Indazol, Benzoisoxazol, Benzoisothiazol)
 
 Der Indazol-Ring kann auf drei Wegen a - c geschlossen werden: N
 
 N N
 
 N N
 
 N
 
 a
 
 b
 
 c
 
 Auf Weg a entstehen Indazole (Benzopyrazole) durch Heterocyclisierung diazotierter o-Toluidine: CH 3
 
 + HNO2 , − 2 H2O
 
 R
 
 CH3
 
 − [H+]
 
 R
 
 NH 3
 
 N
 
 R N H
 
 N2
 
 Ein Beispiel zum Ringschlußprinzip b ist die intramolekulare Cyclokondensation von 2-Aminophenonoximen: R2
 
 R2 + H2N
 
 O
 
 R1
 
 OH , − H2O
 
 R2 − H2O
 
 N
 
 R1 N H2
 
 NH2
 
 OH
 
 R1
 
 N N H
 
 Weg c wird bei der intramolekularen nucleophilen Substitution von 2-Chlorphenonhydrazonen realisiert, besonders wenn (−)-M-Substituenten in o- oder p-Stellung zum Halogen die cyclisierende SN-Reaktion erleichtern: R
 
 R O2N
 
 +
 
 O
 
 O2N
 
 − H2O
 
 H2N
 
 HN Cl C 6H5
 
 HN
 
 Cl
 
 R (Base)
 
 N
 
 C6H 5
 
 O2N N
 
 − HCl
 
 N C6H 5 3-Alkyl-5-nitro1-phenylindazol
 
 Benzoisoxazole entstehen entsprechend aus 2-Bromphenonoximen in Gegenwart einer Base, R
 
 Br
 
 R N
 
 (KOH)
 
 OH
 
 − HBr
 
 N O
 
 und nach Weg b verläuft die Synthese von Benzoisothiazolen aus 2-Acylphenylsulfenylbromid und Ammoniak: R O2N
 
 R O
 
 S
 
 Br
 
 + NH 3 , − H 2O
 
 O2N
 
 R NH
 
 S
 
 Br
 
 + NH 3 , − NH 4Br
 
 O2N N S 3-Alkyl-5-nitrobenzoisothiazol
 
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 34.6
 
 Synthese benzo-kondensierter Fünfring-Heteroaromaten
 
 34.6.5
 
 669
 
 Benzo-1,3-azole (Benzimidazol, Benzoxazol, Benzothiazol)
 
 Benzimidazol-Derivate werden in technischem Maßstab durch Kondensation von o-Phenylendiamin mit wasserfreien Carbonsäuren hergestellt: NH 2
 
 HO +
 
 R1
 
 C R2
 
 NH 2
 
 H N
 
 − 2 H2O
 
 R1
 
 R2 N
 
 O
 
 Das einfache Verfahren ermöglicht auch die Synthese von Benzoxazolen und Benzothiazolen: NH 2
 
 O +
 
 R1 XH
 
 R1
 
 R2 X
 
 Y
 
 X=O,S
 
 34.6.6
 
 N
 
 − H2O , − HY
 
 C R2
 
 Y = OR , Cl ; R2 = H , Alkyl , Aryl
 
 X = O : subst. Benzoxazol X = S : subst. Benzothiazol
 
 Benzotriazol
 
 Benzotriazole als cyclische Triazene (Kap. 23.8.2) entstehen durch intramolekulare Cyclisierung diazotierter o-Phenylendiamine: N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 − [H+]
 
 N
 
 N N H
 
 NH 2
 
 NH 2
 
 1H-Benzotriazol
 
 2-Phenyl-2H-benzotriazol bildet sich bei der Reduktion von 2-Nitroazobenzen mit Triethylphosphit, wobei Nitrene (Kap. 22.4.10) als Zwischenstufen diskutiert werden: N
 
 + 2 P(OC 2H 5) 3
 
 N
 
 − 2 O=P(OC 2H 5) 3
 
 N
 
 N
 
 NO2
 
 N 2-Phenyl-2H-benzotriazol
 
 34.6.7
 
 Carbazol
 
 Carbazol (Dibenzopyrrol) und seine substituierten Derivate werden nach GRAEBE-ULLMANN durch (radikalische) Photodediazotierung von 1-Phenylbenzotriazolen hergestellt. 1-Phenylbenzotriazole sind durch intramolekulare Kupplung von diazotierten o-Aminodiphenylaminen zugänglich. NH 2 R2
 
 R1 NH
 
 + HNO2 − 2 H2O
 
 R1
 
 N
 
 hν , − N2
 
 N N
 
 R1
 
 R2 N H
 
 R2
 
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 670
 
 34 Heteroaromaten
 
 Eine neuere, einfache Synthese ist die reduktive Cyclisierung von 2-Nitrobiphenyl-Derivaten mit Triethylphosphit: + 2 P(OC2H5) 3 − 2 O=P(OC2H5) 3
 
 N H
 
 NO2
 
 34.7 Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten 34.7.1
 
 Basizität und Reaktionen am nichtbindenden Elektronenpaar
 
 Pyrrol ist eine sehr schwache Base, weil es bei der Protonierung sein π-Elektronensextett und damit seine Aromatizität verlieren würde: H
 
 H
 
 H N
 
 N 6π
 
 Dementsprechend gering ist der pKa-Wert des Pyrrols (−3.8) im Vergleich zum Pyrrolidin (pKa = 11.27) oder Anilin (pKa = 4.63), obwohl sich sein π-Elektronenpaar an der Mesomerie beteiligt. NMR-Messungen ergeben, daß Pyrrol nicht am Stickstoff, sondern an den Ring-C-Atomen protoniert wird. Die Kationen oligo- und polymerisieren zu roten Harzen. H
 
 N
 
 +
 
 [H ]
 
 H
 
 H
 
 H
 
 sowie
 
 N
 
 N
 
 H
 
 H
 
 H
 
 Auch Furan wird durch Säuren an den Ring-Kohlenstoff-Atomen protoniert und polymerisiert. Bei der säurekatalysierten Hydrolyse unter sehr milden Bedingungen erhält man Butandial (Succindialdehyd). Thiophen ist dagegen ziemlich säurestabil; nur sehr starke Säuren führen zur Oligomerisation. H
 
 O
 
 +
 
 H3O
 
 O
 
 H +
 
 H2O
 
 − [H+]
 
 H
 
 H O O
 
 Die 1,2- und 1,3-Azole sind wegen des zusätzlichen Ring-Stickstoffs mit seinem n-Elektronenpaar erheblich stärker basisch als Pyrrol. Die schwache Acidität des Imidazols (pKa = 6.95) im Vergleich zu anderen 1,3-Azolen (z. B. Triazol: pKa = 2.44) oder Pyrazol (pKa = 2.50) wird als Folge der cyclischen Amidin-Struktur erklärt. Diese erhöht nicht nur die Nucleophilie des zweiten Ring-
 
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 34.7
 
 Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
 
 671
 
 Stickstoffs im Sinne zwitterionischer Grenzformeln, sondern ermöglicht auch eine optimale Delokalisierung der positiven Ladung im Kation: N
 
 N
 
 N H
 
 + [H+]
 
 N H
 
 NH
 
 NH
 
 N H
 
 6π
 
 oder
 
 N H
 
 NH
 
 N H
 
 N-Alkylpyrrole können nicht erschöpfend alkyliert werden. Dagegen lassen sich N-alkylierte Pyrazole und Imidazole ohne Störung des π-Elektronensextetts quaternisieren. Auch die N-Alkylimmonium-Salze der Sauerstoff- und Schwefel-Analogen wurden hergestellt. R
 
 R
 
 N N
 
 N R
 
 N
 
 N
 
 X
 
 N R
 
 X X=O,S
 
 R
 
 R
 
 Im Gegensatz zu Furan reagiert Thiophen mit Trimethyloxonium-tetrafluorborat ("MEERWEINSalz") zum S-Methylthiophenium-Ion, welches als Hexafluorphosphat isolierbar ist. + (H3C) 3O+BF4
 
 S
 
 −
 
 + PF6
 
 − (H3C) 2O , − BF3
 
 −F
 
 S F CH 3
 
 −
 
 −
 
 S PF 6 CH 3
 
 Als cyclisches Sulfid wird Thiophen durch Persäuren zum Thiophen-1,1-dioxid mit Dien-Eigenschaften oxidiert: +
 
 S
 
 [O2 ]
 
 Persäure
 
 S O
 
 34.7.2
 
 O
 
 Acidität
 
 Pyrrol und seine Aza-Analogen (Pyrazol, Imidazol, Triazole) sind schwache Säuren im Sinne des Gleichgewichts Ka
 
 N
 
 N
 
 +
 
 [H ]
 
 H
 
 Die Acidität des Pyrrols entspricht etwa der des Methanols. Demzufolge reagiert Pyrrol mit Alkalimetallen oder Alkalimetallhydriden zu Salzen (Alkalipyrrolide oder "Pyrrylmetalle"), die durch Wasser in Analogie zu den Alkoholaten hydrolysiert werden: + K (LiH)
 
 N H
 
 − 1/2 H2 (− H2)
 
 + H2O
 
 N
 
 K (Li )
 
 N
 
 +
 
 KOH (+ LiOH)
 
 H
 
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 672
 
 34 Heteroaromaten
 
 Mit GRIGNARD-Verbindungen reagiert Pyrrol aufgrund seines "aktiven Wasserstoff-Atoms" zu salzartigen Pyrrylmagnesiumhalogeniden und Alkanen (ZEREWITTINOFF-Reaktion). +
 
 N
 
 R Mg X
 
 N
 
 H
 
 MgBr
 
 +
 
 RH
 
 Pyrrylmagnesiumbromid
 
 (−)-M-Substituenten oder ein zweiter Stickstoff in Position 3 des Pyrrols erhöhen dessen NHAcidität, da sie die negative Ladung des Anions delokalisieren. 3-Nitropyrrol und Imidazol sind daher stärker sauer als Pyrrol: O
 
 O N O
 
 NO2
 
 N O N
 
 Ka
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 3-Nitropyrrolid-Anion
 
 H
 
 N
 
 Ka
 
 N Imidazolid-Anion
 
 H
 
 Die Mesomerie des Pyrrol-Anions gleicht der des Cyclopentadienids (Kap. 30.3.2): N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 Sie erklärt die ambidente Reaktivität des Anions, z. B. daß N- und C-Alkylierung konkurrieren. So führt die Alkylierung des 2,3,4,5-Tetramethylpyrrolid-Anions mit Methyliodid nicht zum Pentamethylpyrrol, sondern zum nicht aromatischen 2,2,3,4,5-Pentamethyl-2H-pyrrol: H3C
 
 CH 3
 
 H3C
 
 H3C
 
 CH 3
 
 + CH3 Mg Br
 
 H 3C
 
 N H
 
 CH 3
 
 − CH4 , − Mg 2+, −Br
 
 + CH3 I , − I −
 
 H3C
 
 N
 
 CH3
 
 −
 
 H3C
 
 CH3
 
 CH3 N
 
 CH3 2,2,3,4,5-Pentamethyl2H-pyrrol
 
 Als Stickstoff-Analogon des Cyclopentadienids bildet Pyrrol mit Cyclopentadien und Eisen(II)chlorid in Gegenwart von Kalium das rote Azaferrocen (vgl. Kap. 30.3.3): N H
 
 + 2 K , + FeCl2
 
 +
 
 Fe
 
 − 2 KCl , − H2
 
 N Azaferrocen
 
 34.7.3
 
 Dien-Reaktionen
 
 Die Abnahme des aromatischen Verhaltens in der Folge Thiophen > Pyrrol > Furan (Kap. 34.3.3) erklärt einige typische 1,3-Dien-Eigenschaften des Furans. Seine Reaktion mit Brom in Methanol zum 2,5-Dimethoxy-2,5-dihydrofuran entspricht der 1,4-Addition an 1,3-Diene: + Br 2 , + CH 3 OH
 
 O
 
 − 2 HBr
 
 H 3CO
 
 O
 
 OCH 3
 
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 34.7
 
 Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
 
 673
 
 Wie 1,3-Diene cycloaddieren Furan und einige N-substituierte Pyrrole an Acetylendicarbonsäurediester unter Bildung der 7-Oxa- bzw. 7-Azabicyclo[2.2.1]hepta-2,5-dien-Derivate: CO2R X
 
 +
 
 X [4+2]-Cycloaddition
 
 CO2R CO2R
 
 CO2R
 
 X = O , NCO2R , nicht S
 
 [4+2]-Cycloadditionen einiger Oxazol-Derivate sind ebenfalls bekannt; infolge der säurelabilen Ketal-Sauerstoff-Brücke aromatisieren die Addukte zu Pyridinen: O OCH 3
 
 OCH3 O
 
 N
 
 OH
 
 CO2C2H 5
 
 CO2C 2H5
 
 +
 
 [H ] , − CH3OH
 
 +
 
 N
 
 CO2C2H 5
 
 N
 
 CO2C2H 5 CO2C2H 5
 
 2,3-Diethoxycarbonyl-1-methoxy5-aza-7-oxabicyclo[2.2.1]hept-5-en
 
 CO2C 2H5
 
 3-Hydroxypyridin-4,5dicarbonsäurediethylester
 
 Thiophen cycloaddiert unter Normalbedingungen nicht an Dienophile. Thiophen-1,1-dioxid, dem ein Elektronenpaar zum π-Elektronensextett fehlt, reagiert dagegen als Dien und Dienophil: Es cycloaddiert unter Schwefeldioxid-Extrusion zum 4-Thiabicyclo[4.3.0]nona-2,6,8-trien-4,4-dioxid: SO2 O S
 
 + S
 
 O O
 
 34.7.4
 
 H
 
 [4+2]-Cycloaddition
 
 − SO2
 
 O
 
 S H O2
 
 O2S
 
 Elektrophile Substitution
 
 Übersicht Als π-Überschuß-Heteroaromaten (Kap. 34.3.1) verhalten sich Thiophen, Pyrrol und Furan wie Benzen mit einem elektronenschiebenden Substituenten. Gegenüber Elektrophilen sind sie daher reaktiver als unsubstituiertes Benzen. Die positive Ladung der σ-Komplexe verteilt sich bei 2Substitution auf drei, bei 3-Substitution nur auf zwei mesomere Grenzformeln; in Einklang damit ist die α- oder 2(5)-Substitution bevorzugt: H
 
 X X
 
 +
 
 H
 
 Y
 
 Y
 
 Y
 
 − [H+]
 
 X
 
 X
 
 3- oder β-Substitution
 
 [Y ] H X
 
 Y
 
 H X
 
 Y
 
 H X
 
 Y
 
 − [H+]
 
 X
 
 Y
 
 2- oder α-Substitution
 
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 674
 
 34 Heteroaromaten
 
 Daß die elektrophile Substitution vom Elektronenschub des Heteroatoms mehr begünstigt wird als von der Aromatizität, zeigt ein Vergleich der Geschwindigkeitskonstanten: Sie sind für NMethylpyrrol am größten und für Thiophen bzw. Benzen am kleinsten: N-Methylpyrrol > Pyrrol > Furan > Thiophen > Benzen
 
 Daher läßt sich Thiophen unter den für Benzen bekannten Bedingungen elektrophil substituieren. Die säurelabilen Heteroaromaten Furan und Pyrrol können dagegen nur mit möglichst neutralen Elektrophilen substitutiert werden. Die elektrophile Bromierung und Acetylierung des Pyrrols gelingt z. B. bereits ohne LEWIS-Säuren als Katalysatoren. Zur Nitrierung wird Nitroniumacetat, zur Sulfonierung das Pyridin-Schwefeltrioxid-Addukt verwendet (Abb. 34.2).
 
 NO2
 
 X Br Br
 
 X
 
 − CH3CO2H
 
 + CH3CO2 NO2
 
 Br
 
 2-Nitropyrrol , 2-Nitrofuran
 
 Br
 
 +
 
 N
 
 SO3
 
 + 4 Br 2 − 4 HBr
 
 2,3,4,5-Tetrabrompyrrol (X = NH)
 
 SO3H
 
 X
 
 −
 
 Pyrrol- und Furan-2-sulfonsäure
 
 N O
 
 X
 
 +
 
 + (CH3CO) 2O
 
 X
 
 C O
 
 2-Acetylpyrrol (X = NH)
 
 CH3 H3C C + O
 
 O
 
 O
 
 − CH3CO2H
 
 CH3
 
 O
 
 X
 
 − H2O
 
 H 3C
 
 X X
 
 X X
 
 CH3 CH3
 
 oder
 
 O
 
 X
 
 O
 
 O
 
 2-Pyrrylbernsteinsäureanhydrid X = NH
 
 H 3C CH 3
 
 H 3C
 
 O
 
 O
 
 7-Oxabicyclo[2.2.1]hept-5-en2,3-dicarbonsäureanhydrid X=O
 
 Octamethylhexahydroporphyrin (X = NH) Octamethylhexahydrotetraoxaporphyrin (X = O)
 
 H 3C CH 3
 
 Abb. 34.2. Einige elektrophile Substitutionen des Pyrrols und Furans
 
 Selbst schwache Elektrophile wie Aceton und andere Carbonyl-Verbindungen können Pyrrol substituieren. Der Ringschluß des Pyrrols mit Aceton zum Octamethylhexahydroporphyrin (Abb. 34.2) sowie des Pyrrol-2-aldehyds zum unsubstituierten Porphyrin (= Porphin) sind Beispiele. Dipyrrylmethen-2-aldehyd
 
 N H
 
 H + O
 
 H N H
 
 Pyrrol-2-aldehyd
 
 O
 
 HCO2H − H2O
 
 HCO2H
 
 NH
 
 N
 
 − 2 H2O
 
 H O
 
 NH N
 
 N HN
 
 2 Porphin
 
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 34.7
 
 Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
 
 675
 
 Während Maleinsäureanhydrid sich gegenüber Pyrrol als Elektrophil verhält, reagiert es mit Furan als Dienophil (Abb. 34.2). Die im Vergleich zu Pyrrol und Thiophen größere Tendenz des Furans zur Addition manifestiert sich auch im Additions-Eliminierungs-Mechanismus der Nitrierung dieses Heteroaromaten: +
 
 CH 3CO2
 
 NO2
 
 H
 
 O
 
 O
 
 C O H 3C
 
 − CH3CO2H
 
 H O
 
 O
 
 NO2
 
 NO2
 
 Substituenteneffekte Beim Benzen leiten elektronenschiebende Gruppen D (wie Donor) den Zweitsubstituenten in ortho- und para-Position. Elektronenziehende Erstsubstituenten A (wie Akzeptor) dirigieren dagegen in die meta-Stellung (Kap. 10.5). Diese Orientierungsregeln kann man zunächst auf die Fünfring-Heteroaromaten übertragen, wenn das Heteroatom formal an die Stelle einer CCDoppelbindung des Benzens tritt (Abb. 34.3): D D X a
 
 D
 
 X b
 
 Abb. 34.3. Durch Pfeile angedeutete Orientierung der Zweitsubstitution am Benzen und an Fünfring-Heteroaromaten
 
 A A X c
 
 A
 
 X d
 
 Die tatsächliche Orientierung (Regioselektivität) der Zweitsubstitution wird durch das Zusammenwirken von Erstsubstituent und Heteroatom bestimmt: a
 
 Ein schiebender Substituent D in Stellung 2 (Abb. 34.3 a) verstärkt den (+)-M-Effekt des Heteroatoms auf die Position 5, welche somit bevorzugt substituiert wird, z. B.: NO2
 
 + [NO2+]
 
 S
 
 − [H+]
 
 CH 3
 
 O2N
 
 S
 
 2-Methyl-5-nitrothiophen (70 %)
 
 b
 
 +
 
 CH3
 
 S
 
 CH3
 
 2-Methyl-3-nitrothiophen (30 %)
 
 Ein schiebender Substituent D in Stellung 3 (Abb. 34.3 b) unterstützt in Position 2 den (+)M-Effekt des Heteroatoms, so daß ein 2,3-disubstituiertes Derivat als Hauptprodukt anfällt: CH 3
 
 CH 3 + (H3C−CO) 2O
 
 O
 
 − CH3CO2H
 
 CH 3 O
 
 O
 
 2-Acetyl-3-methylfuran
 
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 676
 
 34 Heteroaromaten
 
 Wird die Substitution in Position 2 sterisch behindert, so dominiert die α-dirigierende Wirkung des Heteroatoms, z. B.: C(CH 3)3
 
 C(CH 3)3 + (H3C−CO) 2O
 
 H 3C
 
 − CH3CO2H
 
 S
 
 S
 
 O
 
 2-Acetyl-4-t-butylthiophen
 
 c
 
 Ein ziehender Substituent A in Stellung 2 (Abb. 34.3 c) dirigiert den Zweitsubstituenten in Stellung 4 wie bei der Nitrierung des 2-Acetylpyrrols, wenn unter den Reaktionsbedingungen der α-dirigierende Einfluß des Heteroatoms nicht überwiegt, wie bei der Nitrierung des 2-Nitrofurans:
 
 CH3 N H
 
 O2N
 
 + [NO2+]
 
 + [NO2+]
 
 CH 3
 
 − [H+]
 
 N H
 
 O
 
 NO2
 
 O
 
 − [H+]
 
 O2N
 
 O
 
 O
 
 NO2
 
 2,5-Dinitrofuran
 
 2-Acetyl-4-nitropyrrol
 
 Das Zusammenwirken eines ziehenden Substituenten A in Stellung 3 und der α-dirigierende Effekt des Heteroatoms (Abb. 34.3 d) begünstigen die Zweitsubstitution in Position 5, wie bei der Nitrierung des Furan-3-aldehyds:
 
 d
 
 CH O
 
 CH O +
 
 + [NO2 ] +
 
 O2N
 
 − [H ]
 
 O
 
 O
 
 4-Formyl-2-nitrofuran
 
 Die Drittsubstitution 2,3- und 2,4-disubstituierter Furane, Pyrrole und Thiophene erfolgt unter dem vorherrschenden Einfluß des Heteroatoms an der noch freien α-Stellung: D
 
 X
 
 D D
 
 A
 
 X
 
 D
 
 X
 
 A D
 
 A
 
 X
 
 Einfluß zusätzlicher N-Atome im Ring Die Einführung eines zusätzlichen Ring-N-Atoms in Furan, Pyrrol und Thiophen wirkt wie ein elektronenziehender Substituent an der betreffenden Stelle. So führt die Nitrierung des Pyrazols und Imidazols zu den 4-Nitro-Derivaten: +
 
 N H
 
 N
 
 + [NO2 ] HNO3 / H2SO4 +
 
 − [H ]
 
 O2N
 
 +
 
 N N H
 
 N
 
 4-Nitropyrazol
 
 N H
 
 + [NO2 ] HNO3 / H2SO4 +
 
 − [H ]
 
 NH
 
 N O2N
 
 N H
 
 O2N
 
 N
 
 4-Nitroimidazol
 
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 34.7
 
 Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
 
 677
 
 Die Reaktivität gegenüber Elektrophilen sinkt in der Folge N > O > S und ist bei den 1,3-Azolen größer als bei den 1,2-Isomeren, die trotzdem immer noch reaktiver sind als das unsubstituierte Benzen: Imidazol > Oxazol > Thiazol, Pyrazol > Isoxazol > Isothiazol > Benzen
 
 In Gegenwart starker Basen werden die CH-aciden 1,3-Azole in 2-Stellung elektrophil substituiert, z. B. deuteriert: −
 
 N
 
 N
 
 +B
 
 +
 
 − [H ]
 
 H
 
 X
 
 + [D+]
 
 N
 
 X
 
 D
 
 X
 
 Triazole, Oxadiazole und Thiadiazole können nur dann elektrophil substituiert werden, wenn ein starker Elektronendonor Erstsubstituent ist. Lediglich die Halogenierung des 1,2,4-Triazols in Gegenwart von Basen ist bekannt: Br
 
 −
 
 N NH
 
 N N
 
 + 3 Br 2 (OH ) − 3 HBr
 
 N
 
 Br
 
 Br
 
 N
 
 1,3,5-Tribrom1,2,4-triazol
 
 34.7.5
 
 Nucleophile Substitutionen
 
 Halogene an Furan, Pyrrol und Thiophen sind ebenso schwierig nucleophil substituierbar wie am Benzen-Ring. Jedoch kann ein elektronenziehender Substituent in einer ortho- oder para-analogen Position wie bei Benzen eine SN-Reaktion ermöglichen. So reagiert 2-Brom-5-nitrothiophen mit Methanolat zum 2-Methoxy-Derivat, während sich 2-Bromthiophen inert verhält: + KOCH3
 
 O2N
 
 Br
 
 S
 
 O2N
 
 − KBr
 
 OCH 3
 
 S
 
 zum Vergleich : O2N
 
 Br
 
 + KOCH 3 − KBr
 
 2-Methoxy-5-nitrothiophen
 
 O2N
 
 OCH 3 p-Nitroanisol
 
 An die Stelle des Akzeptor-Substituenten kann auch ein Azamethin-Ring-Stickstoff treten. 2Chlorthiazol geht z. B. bei der milden Aminolyse in 2-Alkylaminothiazol über: N S
 
 Cl
 
 − R−NH3+Cl
 
 NO2
 
 N
 
 + 2 R−NH2 −
 
 S
 
 NHR
 
 zum Vergleich :
 
 Cl
 
 NO2 + 2 R−NH2 − R−NH3+Cl
 
 −
 
 2-Alkylaminothiazol
 
 34.7.6
 
 NHR N-Alkyl-2-nitroanilin
 
 Carben-Cycloadditionen
 
 Carbene cycloaddieren an Furan, Thiophen und N-Acylpyrrol unter Bildung von Heterobicyclen: X X = O , S , NCOR
 
 + N2
 
 CH CO2C 2H5
 
 H
 
 − N2
 
 X
 
 CO2C 2H5
 
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 678
 
 34 Heteroaromaten
 
 Die Cycloaddition von Dichlorcarben an unsubstituiertes Pyrrol führt unter Ringerweiterung und Heteroaromatisierung zum 3-Chlorpyridin in Konkurrenz zur Bildung des Pyrrol-2-aldehyds nach der REIMER-TIEMANN-Formylierung (Kap. 20.5.12).
 
 +
 
 N
 
 Cl
 
 CHCl3 , KOH
 
 CCl2
 
 N H
 
 H
 
 H
 
 Cl
 
 − HCl
 
 Cl
 
 N 3-Chlorpyridin
 
 + H2O
 
 N
 
 CHCl2
 
 − 2 HCl
 
 N
 
 H
 
 34.7.7
 
 H
 
 C
 
 H
 
 O
 
 Pyrrol-2-aldehyd
 
 Ringöffnungen
 
 Eine Umkehrung der PAAL-KNORR-Synthese (Kap. 34.5.1) ist die säurekatalysierte Ringöffnung von Furan- und Oxazol-Derivaten zu 1,4-Dicarbonyl-Verbindungen: + H3O+
 
 R
 
 O
 
 +
 
 R
 
 − [H ]
 
 N R
 
 R
 
 R
 
 O O
 
 R
 
 +
 
 R
 
 O
 
 NH
 
 + H3O+ − [H ]
 
 R O O
 
 Auch der Pyrrol-Ring kann in saurer Ethanol-Lösung durch Hydroxylamin geöffnet werden. Als Derivat des Bernsteinsäuredialdehyds entsteht dabei das Dioxim: + 2 NH2OH − NH3 , − H2O
 
 N
 
 N OH
 
 H
 
 N OH
 
 Thiophen läßt sich nicht hydrolytisch öffnen. Jedoch gelingt seine den Ring öffnende Entschwefelung durch Hydrierung mit RANEY-Nickel als Katalysator: H 5C6
 
 S
 
 C6H 5
 
 +
 
 RANEY-Ni
 
 3 H2
 
 H5C 6
 
 2,5-Diphenylthiophen
 
 C6H 5
 
 +
 
 H 2S
 
 1,4-Diphenylbutan
 
 Isoxazole öffnen sich unter Basenkatalyse zu β-Oxonitrilen. Diese entstehen auch durch Decarboxylierung der Isoxazol-3-carbonsäuren in saurer Lösung: H+ B R
 
 O
 
 N
 
 O C O
 
 − HB + [H+]
 
 C N R
 
 O
 
 + H3O+ − CO2 , − H2O
 
 R
 
 O
 
 N
 
 3-Oxonitril (β-Ketonitril)
 
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 34.7
 
 Reaktionen monocyclischer Fünfring-Heteroaromaten
 
 679
 
 Die katalytische Hydrierung des Isoxazols führt dagegen zum 3-Aminoacrolein: H
 
 O
 
 +
 
 N
 
 H2
 
 Pd
 
 H
 
 H
 
 NH2 O
 
 3-Aminoacrolein
 
 34.7.8
 
 Besondere Reaktionen von Substituenten
 
 N-Acyl-Gruppen Die Reduktion der Carbonsäureimidazolide mit Lithiumaluminiumhydrid wurde bereits als Methode zur Herstellung von Aldehyden beschrieben (Kap. 20.5.4). α-Alkyl-Gruppen Die α-Methyl-Gruppen des Furans, Thiophens und Pyrrols sind schwierig substituierbar. So wird durch Brom bevorzugt am Ring bromiert; eine Seitenkettenbromierung gelingt nur mit N-Bromsuccinimid. Die α-Methyl-H-Atome sind nicht acide, so daß Aldehyde elektrophil am Ring substituieren, wie die Reaktion des Benzaldehyds mit 2-Methylthiophen zeigt:
 
 2 H3C
 
 O
 
 +
 
 S
 
 C
 
 H
 
 ZnCl2
 
 H3C
 
 − H2O
 
 H S
 
 S
 
 C
 
 CH3
 
 2-Methylthiophen Bis-(5-methylthien-2-yl)phenylmethan
 
 Ein zusätzliches Imino-N-Atom in 3-Stellung acidifiziert dagegen die α-Methyl-Gruppe, so daß eine KNOEVENAGEL-Alkenylierung stattfinden kann wie im Fall des 2-Methylthiazols: H
 
 N S
 
 CH 3
 
 +
 
 O
 
 C
 
 N H3PO4
 
 H
 
 S
 
 − H2O
 
 H (E)-2-Styrylthiazol
 
 Die katalytisch wirksame Phosphorsäure protoniert den Stickstoff, der dabei elektronegativer wird und so das carbanionische Methyl-C-Atom zusätzlich stabilisiert. Denselben Einfluß hat die Quaternisierung; dementsprechend gelingt die KNOEVENAGEL-Alkenylierung des 2,3-Dimethylthiazolium-Ions bereits in Gegenwart von Pyridin: CH 3
 
 H
 
 N S
 
 CH 3
 
 +
 
 O
 
 C
 
 N N
 
 CH3
 
 S
 
 − H2 O (E)-3-Methyl-2-styrylthiazolium-Ion
 
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 680
 
 34 Heteroaromaten
 
 α-Hydroxymethyl-Gruppen Die Hydroxy-Gruppe des α-Hydroxymethylfurans, -thiophens und -pyrrols spaltet sich nach der Protonierung als Wasser leicht ab, weil das verbleibende Kation durch den (+)-M-Effekt des Heteroatoms stabilisiert wird: X
 
 CH 2 OH
 
 − H2O
 
 + [H ]
 
 X
 
 CH2
 
 X
 
 CH 2
 
 Als Elektrophil kann das Kation die andere α-Stellung substituieren. Auf diese Weise entstehen Polymere. Äquimolare Mengen 2-Hydroxymethylpyrrol und Pyrrol reagieren aus diesen Gründen säurekatalysiert zum 2,2´-Dipyrrylmethan:
 
 N H
 
 [H+]
 
 +
 
 CH 2 OH
 
 N H
 
 NH HN
 
 − H2O
 
 2,2'-Dipyrrylmethan
 
 Carbonyl- und Carboxy-Gruppen Während sich die Aciditäten der Benzoe-, Furan- und Thiophencarbonsäuren nicht wesentlich unterscheiden, ist Pyrrol-3-carbonsäure als vinyloge Carbamidsäure (Kap. 25.5) eine sehr schwache Säure, weil die undissoziierte Form mesomeriestabilisiert wird: HO C O
 
 HO C O
 
 N H
 
 N H
 
 Dagegen ist Pyrrol-2-aldehyd ein doppelt vinyloges Formamid und geht daher im Gegensatz zu den Furan- und Thiophen-2-aldehyden meist nicht die typischen Aldehyd-Derivatisierungen ein. Das gilt auch für 2-Acetylpyrrol. H N H
 
 O
 
 H N H
 
 O
 
 34.8 Reaktionen benzologer Fünfring-Heteroaromaten 34.8.1
 
 Prognose
 
 Man unterscheidet zwischen den häufigeren Benzo[b]- und den selteneren Benzo[c]-kondensierten Furanen, Pyrrolen und Thiophenen: B e n z o [b] - D e r i v a t e X=O : Cumaron X = NH , NR : Indol X=S : Thionaphthen
 
 X
 
 B e n z o [c ] - D e r i v a t e X=O : Isocumaron X = NH , NR : Isoindol X=S : Isothionaphthen
 
 X
 
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 34.8 Reaktionen benzologer Fünfring-Heteroaromaten
 
 681
 
 Benzo[c]-Derivate sind nicht mehr benzoid, sondern haben als o-chinoide Verbindungen mehr scis-1,3-Dien-Charakter. Die Mesomerie der Benzo[b]-Derivate läßt nur eine zwitterionische Grenzformel zu, bei der das π-Elektronensextett des ankondensierten Benzen-Ringes ungestört bleibt.
 
 X
 
 X
 
 Aus diesen Gründen zeigen die Benzo[b]- und [c]-kondensierten Derivate oft verschiedene Reaktivitäten und Regioselektivitäten.
 
 34.8.2
 
 Heteroatom-spezifische Reaktionen
 
 Der ankondensierte Benzen-Ring macht Indol noch schwächer basisch (pKa = −3.5) als Pyrrol (pKa = − 0.27), und eine Protonierung erfolgt in Position 3 unter Erhaltung des benzoiden π-Elektronensextetts, wie 1H-NMR-Messungen gezeigt haben: H
 
 H
 
 H
 
 nicht
 
 + [H ] N H
 
 N H
 
 N H
 
 H
 
 Thionaphthen (Benzo[b]thiophen) kann wie Thiophen zum Dioxid oxidiert werden, das wegen des ankondensierten Benzen-Ringes jedoch erst bei sehr hoher Temperatur cycloaddiert:
 
 SO2 +
 
 > 200 °C SO2
 
 SO2
 
 − SO2
 
 SO2
 
 SO2
 
 Thionaphthen-S,S-dioxid
 
 34.8.3
 
 2,3-Dihydronaphtho[b]thionaphthen-S,S-dioxid
 
 Elektrophile Substitutionen
 
 Die elektrophile Substitution des Indols (sowie des Benzo[b]thiophens) gelingt ausnahmslos in Stellung 3, wie Abb. 34.4 zeigt. Mit Alkylmagnesiumhalogeniden reagiert Indol zum mesomeriestabilisierten Anion, an dem Elektrophile wie Kohlendioxid bevorzugt in Position 3 angreifen: CO2H 1.) + CO2 , 2.) + [H+]
 
 + R Mg X ,
 
 N H
 
 − RH , − Mg 2+ , − Br
 
 −
 
 N
 
 N H
 
 N
 
 Indol-3-carbonsäure
 
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 682
 
 34 Heteroaromaten
 
 Im Gegensatz zum Indol und Thionaphthen wird Cumaron in Position 2 substituiert, was man teilweise auf die geringere Donorwirkung des elektronegativen Sauerstoffs zurückführt: NO2
 
 −
 
 (CH3CO2 NO2+) + [NO2+] − [H+]
 
 S
 
 −
 
 (CH3CO2 NO2+) + [NO2+] − [H+]
 
 O
 
 S
 
 O
 
 3-Nitrobenzo[b]thiophen
 
 NO2
 
 2-Nitrobenzo[b]furan
 
 Benzo-1,2-diazole wie Indazol werden wie Indol in Position 3 substituiert, während der Angriff bei Benzo-1,3-diazolen wie Benzimidazol in 4- und 5-Stellung, d.h. am Benzen-Ring stattfindet. SO3H Indol-3-sulfonsäure
 
 N H +
 
 H
 
 C O
 
 N
 
 SO3
 
 −
 
 N
 
 MANNICHAminoalkylierung
 
 + O=CH−N(CH 3) 2 (POCl 3) − HN(CH 3) 2
 
 N H
 
 − H2O
 
 N H
 
 VILSMEIERFormylierung
 
 Indol-3-aldehyd
 
 CH 2 N(CH3)2
 
 + H 2CO , + HN(CH 3) 2
 
 MICHAELAddition
 
 N H 3-(N,N-Dimethylamino)methylindol
 
 O + H 2C CH
 
 C CH 3
 
 CH2 CH 2 C O 4-(3-Indolyl)-2-butanon H 3C
 
 N H
 
 Abb. 34.4. Beispiele zur elektrophilen Substitution des Indols
 
 34.8.4
 
 Cycloadditionen
 
 Am Indol, Benzo[b]furan und -thiophen sind Carben-Cycloadditionen in 2,3-Stellung möglich. Als Folgereaktionen konkurrieren Ringerweiterungen und Ringöffnungen der Primäraddukte. So führt die Cycloaddition von Dichlorcarben an 2,3-Dimethylindol zu 3-Chlor-2,4-dimethylchinolin und 3-Dichlormethyl-2,3-dimethylindol: H 3C Cl
 
 CH 3
 
 N H
 
 CH 3
 
 CH 3 Cl
 
 CHCl3 , KOH
 
 CH 3
 
 N H
 
 H3C N
 
 CCl2 H CH3
 
 Cl
 
 − HCl
 
 N CH 3 3-Chlor-2,4-dimethylchinolin
 
 H 3C N
 
 CHCl2 CH 3
 
 3-Dichlormethyl-2,3-dimethylindol
 
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 34.8 Reaktionen benzologer Fünfring-Heteroaromaten
 
 683
 
 [4+2]-Cycloadditionen sind von den o-chinoiden Benzo[c]-Derivaten zu erwarten. Als Dienophil reagiert z. B. Maleinsäureanhydrid; treibende Kraft dieser Cycloaddition ist die Regeneration des benzoiden Ringes. X
 
 O X
 
 +
 
 O
 
 O
 
 O O
 
 O
 
 7-Thiabenzobicyclo[2.2.1]heptan-2,3-dicarbonsäureanhydrid (X=S)
 
 34.8.5
 
 Reaktionen der 2- und 3-Hydroxy-Derivate
 
 2- und 3-Hydroxy-substituierte Benzo[b]pyrrole, -furane und -thiophene können als Oxo-EnolTautomere vorliegen: OH
 
 O
 
 O
 
 OH X
 
 X
 
 X
 
 2-Oxo-Tautomer
 
 X 3-Oxo-Tautomer
 
 Die 2-Oxo-Tautomeren reagieren wie Lactame (X = NH: Oxindol), Lactone (X = O) und Thiolactone (X = S). Dagegen reagieren 3-Oxo-Tautomere wie Ketone; sie können alkyliert und mit Aldehyden der KNOEVENAGEL-Alkenylierung unterzogen werden. H + O
 
 N H
 
 O
 
 O
 
 O CH 3
 
 + 2 CH3I (NaOH)
 
 CH 3
 
 − 2 HI
 
 − H2O
 
 N H 3-Oxo-2,3-dihydroindol (Indoxyl)
 
 2,2-Dimethyl-3-oxo2,3-dihydroindol
 
 H
 
 N H 2-Benzyliden-3-oxo2,3-dihydroindol
 
 Die Methylen-Gruppe des als "Indoxyl" (Kap. 34.2.2) bekannten "3-Hydroxyindols" kann leicht oxidiert werden. Dabei entsteht Isatin, welches die Methylen-Gruppe des "Indoxyls" zu Indirubin, einem Regioisomer des Indigo (Kap. 34.6), nach KNOEVENAGEL alkenyliert:
 
 O O
 
 O + O2
 
 N H
 
 − H2O
 
 + O
 
 O N H Isatin
 
 − H2O
 
 NH
 
 NH
 
 N H
 
 O
 
 Indirubin
 
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 684
 
 34 Heteroaromaten
 
 Auch Phenol-Reaktionen der 3-Hydroxy-Derivate sind bekannt. Mit Dimethylsulfat in wäßrigem Medium gelingt z. B. die Herstellung von Methylethern: OH
 
 O
 
 OCH3 + (CH3O) 2SO2 (NaOH) − H3COSO3H
 
 N H
 
 N H
 
 N H
 
 34.9 Mesoionische Fünfring-Heteroaromaten Als mesoionische Verbindungen werden − meist fünfgliedrige − Heteroaromaten bezeichnet, deren Zustand sich nur durch zwitterionische Grenzformeln beschreiben läßt.
 
 34.9.1
 
 Mesoionische 1,2,3-Oxadiazol-Derivate
 
 Besonders bekannt sind mesoionische 1,2,3-Oxadiazole, welche nach ihrem Entdeckungsort Sydney auch Sydnone genannt werden. Sie entstehen beim Erhitzen von N-Alkyl- oder N-Aryl-N-nitrosoglycinen in Acetanhydrid. Die N-Nitrosoglycine werden durch Alkylierung eines primären Amins mit Chloressigsäureestern, anschließender Esterhydrolyse und Nitrosierung hergestellt. R
 
 R NH 2 + Cl CH 2 CO2R'
 
 − HCl
 
 N
 
 R
 
 O a
 
 O
 
 N
 
 N
 
 O
 
 − H2O
 
 N
 
 O
 
 O HO N-Nitrosoglycin
 
 R N
 
 O b
 
 N
 
 + HNO2
 
 R NH CH 2 CO2H
 
 − ROH
 
 N
 
 N
 
 − 2 CH 3CO2H
 
 R NH CH 2 CO2R'
 
 R
 
 R + (CH 3CO) 2O
 
 + H2O
 
 N O c
 
 O
 
 N
 
 O d
 
 O
 
 N-Alkyl- und N-Arylsydnon
 
 Die beiden Grenzformeln c und d, in denen der Fünfring die positive, der Oxo-Sauerstoff die negative Ladung übernimmt, werden meist in der π-Elektronensextett-Schreibweise zusammengefaßt: R 4
 
 3N 2N
 
 5
 
 O
 
 O 1
 
 Für einen Beitrag des dipolaren Zustands a spricht die 1,3-dipolare Cycloaddition einiger 3,4-disubstituierter Sydnone an Acetylendicarbonsäurediester. Die Decarboxylierung der Cycloaddukte macht mehrfach substituierte Pyrazole zugänglich: H3C H5C 6
 
 N
 
 O
 
 N
 
 O
 
 CO2C2H 5
 
 H 3C
 
 + CO2C2H 5
 
 H 5C6
 
 N
 
 O
 
 CO2C 2H5
 
 O N
 
 H3C
 
 CO2C2H 5
 
 − CO2
 
 CO2C 2H5
 
 H5C 6 N N
 
 CO2C2H 5
 
 5-Methyl-1-phenyl-pyrazol3,4-dicarbonsäurediethylester
 
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 34.9
 
 Mesoionische Fünfring-Heteroaromaten
 
 685
 
 Präparative Bedeutung hat auch die Hydrolyse der N-Alkylsydnone in wäßriger Säure zu Alkylhydrazinen: O N
 
 R
 
 N
 
 [H+]
 
 + 2 H2O
 
 O
 
 R
 
 +
 
 NH 2
 
 HCO2H
 
 +
 
 CO2
 
 Alkylhydrazin
 
 N-Alkylsydnon
 
 34.9.2
 
 H N
 
 Mesoionische Triazol-Derivate
 
 Durch Cyclokondensation von 1,3-Diphenyl-2-phenylaminoguanidin mit Ameisensäure bildet sich ein mesoionisches 1,2,4-Triazol-Derivat: N HN
 
 C
 
 H N
 
 C6H 5
 
 C 6H5
 
 O +
 
 NH
 
 − H 2O
 
 C H
 
 H
 
 HO
 
 C 6H 5 C 6H 5
 
 N N N
 
 N
 
 C 6H 5
 
 H
 
 C6H 5
 
 N N
 
 − H2O
 
 N N
 
 N N C 6H 5 C 6H 5
 
 OH
 
 C6H 5 C 6H 5
 
 N N C 6H 5 C 6H 5
 
 Nitron
 
 Die gut wasserlösliche Verbindung bildet mit Salpetersäure ein schwerlösliches Nitrat. Diese zur quantitativen Bestimmung der Salpetersäure geeignete Reaktion führte zur Bezeichnung "Nitron".
 
 34.9.3
 
 Mesoionische Oxazol- und Thiazol-Derivate
 
 Auch mesoionische Oxazolone a und Thiazolthione b sind bekannt: R
 
 R
 
 Ar
 
 3N 5
 
 Ar
 
 O
 
 R = Alkyl , Ar = Aryl
 
 O
 
 Ar
 
 3N
 
 Ar
 
 1
 
 5
 
 S
 
 S
 
 1
 
 a
 
 b
 
 Die nach HUISGEN als Münchnone bezeichneten mesoionischen Oxazolone bilden sich durch Cyclodehydratisierung von N-Acyl-α-aminosäuren mit Acetanhydrid. Als 1,3-Dipole cycloaddieren die Münchnone wie die Sydnone an Acetylendicarbonsäurediester; die Cycloaddukte decarboxylieren zu Pyrrolen mit dem durch die Edukte festgelegten Substitutionsmuster. H HN H 5C6
 
 C O
 
 C
 
 H 3C
 
 C 6H5 2,5-Diphenyl-1-methylpyrrol3,4-dicarbonsäurediethylester
 
 N-Benzoylphenylglycin
 
 O HO
 
 H H5C 6
 
 O
 
 H5C 6
 
 CO2C2H 5 CO2C 2H5
 
 − H2O
 
 N
 
 C6H 5
 
 N
 
 C6H 5 O
 
 − CO2
 
 CO2C2H5
 
 H3C − HI
 
 C 6H5
 
 N
 
 + CH3I (NaOH)
 
 H5C 6
 
 +
 
 H 3C
 
 O
 
 O
 
 C6H 5
 
 N
 
 CO2C2H5
 
 H 5C6
 
 O
 
 C O CO2C 2H5
 
 CO2C2H 5
 
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 686
 
 34 Heteroaromaten
 
 34.10 Synthese monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten 34.10.1 Pyridin Pyridin und seine Methyl-Derivate wie die Picoline, Lutidine und das Collidin CH3
 
 CH3
 
 N γ-
 
 2,4-
 
 CH3
 
 CH 3 N α-
 
 CH3
 
 N β-
 
 N
 
 CH 3
 
 H3C
 
 N
 
 CH 3
 
 H3C
 
 N
 
 CH 3
 
 2,6-
 
 Picolin
 
 Lutidin
 
 Collidin
 
 werden in technischem Maßstab bei der fraktionierten Destillation des Braun- und Steinkohlenteers gewonnen. Zur Synthese speziell substituierter Pyridine bieten sich mehrere präparativ bewährte Ringschlußprinzipien an.
 
 Cyclisierung von Ethin und Nitrilen Ein von der Cyclotrimerisierung der Alkine zu Benzenen (Kap. 7.5.6) abgeleitetes Verfahren ist die durch Cobalt-π-Komplexe, z. B. Cyclopentadienid-Cobalt-Cyclooctadien, katalysierte Cyclisierung von Alkinen mit Nitrilen: Kat.
 
 +
 
 Co
 
 Kat. =
 
 R N
 
 N
 
 R
 
 Auf diese Weise kann z. B. das als Chelatbildner für Eisen(II)-Ionen bekannte α,α'- oder 2,2'Bipyridin aus Ethin und 2-Cyanopyridin hergestellt werden: Kat. (s.o.)
 
 +
 
 N
 
 N
 
 N
 
 95 %
 
 N 2,2'-Bipyridin
 
 Cyclokondensation von 3-Aminoacroleinen mit α-Methylenketonen Die Cyclokondensation von 3-Aminoacroleinen mit α-Methylencarbonyl-Verbindungen (1,3-Diketone, β-Ketoester, Cycloalkanone) führt zu Pyridinen: R1
 
 O NH2
 
 R1 = CH3 3-Amino-2-methylacrolein
 
 +
 
 H 2C O
 
 R3 R2
 
 R2 = CH3 , R3 = COCH3 Acetylaceton
 
 CH3CO2
 
 − +
 
 − 2 H2O
 
 NH4
 
 R3
 
 R1 N
 
 R2
 
 R1 = R2 = CH3 , R3 = COCH3 3-Acetyl-2,5-dimethylpyridin
 
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 34.10 Synthese monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
 
 687
 
 3-Aminoacroleine sind aus den Malondialdehydtetraacetalen über 3-Alkoxyacroleine und deren Ammonolyse zugänglich: H
 
 CH(OR)2
 
 R1
 
 R1
 
 + H2O [H+]
 
 CH(OR)2
 
 − 3 ROH
 
 Alkylmalondialdehydtetraalkylacetal
 
 R1
 
 + NH3
 
 O
 
 − ROH
 
 OR
 
 O
 
 NH2 3-Amino-2-alkylacrolein
 
 3-Alkoxy-2-alkylacrolein
 
 Cyclokondensation von β-Oxoestern mit Ammoniak und Aldehyden Symmetrisch substituierte Pyridine werden durch Cyclokondensation von β-Oxoestern mit Aldehyden und Ammoniak unter oxidierenden Bedingungen hergestellt (HANTZSCH-Synthese). Die zunächst entstehenden β-Enaminoester und α,β-ungesättigten Ketone cyclisieren zum 1,4Dihydropyridin-Derivat, welches zum Heteroaromaten oxidiert wird. ̈
 
 R3 R2 O2C R1
 
 CH C
 
 H
 
 NH 2 +
 
 C
 
 R3 CO2R 2
 
 C C
 
 O
 
 − H2O
 
 CO2R 2 2C H C C H C
 
 R2 O
 
 R1
 
 C
 
 R1
 
 − 2 H2O
 
 R1
 
 CH + H C
 
 C
 
 R1
 
 − 2 H2O
 
 R3 R 2 O2C
 
 C
 
 N
 
 O + H2C
 
 OH + NH 3 + O
 
 C
 
 H
 
 CO2R2
 
 R1
 
 R1
 
 R3
 
 R3
 
 R 2 O2C
 
 CO2R2 N
 
 +
 
 − 2 (H ] , − 2 e0
 
 R1
 
 R 2 O2C
 
 HNO3 −
 
 R1
 
 CO2R 2 N
 
 R1
 
 H
 
 Acetessigsäureethylester (R1 = CH3; R2 = C2H5), Acetaldehyd (R3 = CH3) und Ammoniak liefern z. B. Collidindicarbonsäurediethylester, aus dem nach Verseifung und Decarboxylierung Collidin (2,4,6-Trimethylpyridin) zugänglich ist. Cyclokondensation von 1,3-Diketonen mit Cyanacetamid Die Cyclokondensation von 1,3-Diketonen mit Cyanacetamid liefert 3-Cyano-2-pyridone (GUARESCHI-Synthese). Nachfolgende Hydrolyse in wäßriger Säure, Decarboxylierung, Chlorierung und katalytische Hydrierung ergibt 2,4-Dialkylpyridine. R CN 4,6-Dialkyl-3-cyano-2-pyridon
 
 R
 
 N
 
 O
 
 − NH 3
 
 H
 
 O
 
 N
 
 O
 
 + PCl5
 
 − CO2
 
 R
 
 N
 
 O
 
 − POCl3 − HCl
 
 R
 
 Cl
 
 4,6-Dialkyl-2-pyridon + H2 (Kat.)
 
 − HCl
 
 R O
 
 R
 
 N
 
 H
 
 R O
 
 R
 
 R
 
 R
 
 R CO2H
 
 H − 2 H2O
 
 R
 
 R
 
 + 2 H2 O (H3O+)
 
 OH
 
 +
 
 H2C H2N
 
 CN O
 
 R
 
 N
 
 2,4-Dialkylpyridin
 
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 688
 
 34 Heteroaromaten
 
 34.10.2 Phosphor-, Sauerstoff- und Schwefel-Analoge des Pyridins Phosphabenzen Phospha-, Arsa-, Stiba- und Bismabenzen entstehen aus 1,4-Pentadiin und Dibutylzinnhydrid, wenn der primär gebildete Zinn-Heterocyclus mit den Trihalogeniden der einzuführenden Heteroatome behandelt wird. + XBr 3
 
 +
 
 − (C4H9) 2SnBr 2 − HBr
 
 Sn
 
 (C 4H9)2SnH 2 H9C 4
 
 C4H 9
 
 X=P X = As X = Sb X = Bi
 
 X
 
 : Phosphabenzen : Arsabenzen : Stibabenzen : Bismabenzen
 
 2,4,6-Triphenylphosphabenzen ist durch Reaktion des Pyryliumtetrafluorborats mit Tris-(hydroxymethyl)-phosphan zugänglich: C6H 5 + H 5C6
 
 O
 
 P(CH2OH)3
 
 C 6H5
 
 C 6H5
 
 − CH2O − HBF4
 
 C 6H5
 
 H5C 6
 
 BF 4
 
 O
 
 C6H 5 P(CH2OH)2
 
 H5C 6
 
 − 2 CH2O
 
 C6H 5 O P(CH2 OH)2
 
 − H2O
 
 C6H 5 2,4,6-Triphenylphosphabenzen
 
 H 5C6
 
 P
 
 C 6H5
 
 Pyrylium- und Thiapyrylium-Ionen Pyrylium-Ionen bilden sich bei der Cyclokondensation meist aromatisch substituierter 1,5-Diketone unter oxidierenden Bedingungen. Als Oxidationsmittel eignet sich u. a. Eisen(III)-chlorid. C6H5
 
 C6H5
 
 C6H5
 
 C6H5
 
 (CH3CO) 2O
 
 H5C6
 
 O O
 
 C6H5
 
 H5C6
 
 − H2O
 
 C6H5
 
 O O H H
 
 FeCl 3
 
 H5C6
 
 O
 
 − [H+] , − 2 e0
 
 C6H5
 
 −
 
 H5C6
 
 O
 
 C6H5
 
 2,4,6-Triphenylpyrylium-Ion
 
 Nach Zusatz von Perchlorsäure lassen sich die kristallinen Pyryliumperchlorate isolieren, die nach einem neueren Verfahren auch durch Cyclokondensation von 1,3-Diketonen mit Acetophenon in Gegenwart von Perchlorsäure entstehen: R
 
 R CH3 C
 
 O
 
 +
 
 + HClO4
 
 O HO
 
 R
 
 1,3-Diketon (Enol-Tautomer)
 
 − 2 H2O
 
 H5C 6
 
 O
 
 R ClO4
 
 4,6-Dialkyl-2-phenylpyrylium-perchlorat
 
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 34.10 Synthese monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
 
 689
 
 Führt man die Cyclokondensation der 1,5-Diketone unter Einleiten von Schwefelwasserstoff durch, so entstehen Thiapyrylium-Salze: C6H 5
 
 C 6H5
 
 H5C 6
 
 H C6H 5
 
 + H2S (CH3CO) 2O − 2 H2O − + − [H ] , − 2 e0
 
 C6H 5
 
 O O
 
 H 5C6
 
 S
 
 Nebenprodukt :
 
 H 5C6
 
 C 6H5
 
 S
 
 C 6H5
 
 2,4,6-Triphenylthiapyrylium-Ion
 
 Thiapyrylium-Salze bilden sich auch bei der Thiierung der Pyrylium-Salze nach LAWESSON (Kap. 24.6) sowie durch Dehydrierung von Thiacyclohexan-Derivaten mit Tritylium-acetat: + 5 (C6H5) 3C+ CH3CO2 − + ClO4
 
 H 5C6
 
 S
 
 C 6H5
 
 −
 
 H 5C6 S C 6H5 ClO4 2,6-Diphenylthiapyrylium-perchlorat
 
 − 5 (C6H5) 3CH, − 5 CH3CO2H
 
 γ-Pyrone und γ-Thiapyrone γ-Pyrone, in denen als Folge der Mesomerie das Pyrylium-System verwirklicht ist, erhält man durch Kondensation von β-Oxoestern. Das zunächst entstehende β,β'-Dioxolacton wird unter Säurekatalyse zur β-Oxosäure geöffnet, welche über ihre Enol-Form zur γ-Pyron-β-carbonsäure recyclokondensiert. Durch Decarboxylierung entsteht schließlich das 2,6-Dialkyl-γ-pyron, dessen Car-
 
 bonyl-Gruppe eher Phenolat- als Keton-Funktion aufweist, wie die zwitterionische Grenzformel mit π-Elektronensextett zeigt. O
 
 O
 
 O + H2O
 
 R R
 
 O
 
 R
 
 O CO2H
 
 R
 
 O
 
 CO2H OH
 
 R
 
 OHO
 
 R
 
 R
 
 O
 
 OH
 
 O
 
 H2C
 
 +
 
 H 5C 2O
 
 C
 
 R − CO2
 
 O OC2H5
 
 CO2H
 
 − H2O
 
 − 2 C 2H5OH
 
 NaHCO3
 
 R
 
 O
 
 O
 
 C
 
 O R
 
 β-Oxoester
 
 O
 
 2,6-Dialkyl-γ-pyron
 
 R
 
 O
 
 O
 
 R
 
 R
 
 O
 
 R
 
 γ-Thiapyrone entstehen durch Dehydrierung der γ-Thiapyranone mit Phosphorpentahalogeniden, γ-Thiapyranone durch DIECKMANN-Kondensation von Bis-(2-ethoxycarbonylethyl)-sulfan. O OC2H 5 CO2C 2H5 R
 
 H
 
 S
 
 H
 
 R
 
 O Na − C2H5OH
 
 O CO2C2H 5
 
 R
 
 S
 
 R
 
 +
 
 + H2O (H3O ) − C2H5OH , − CO2
 
 R
 
 S
 
 R
 
 Bis-(2-ethoxycarbonylethyl)-sulfan PCl5
 
 − 4 [H+] , − 4 e0
 
 O
 
 R
 
 S
 
 −
 
 O
 
 R
 
 R
 
 S
 
 R
 
 2,6-Dialkyl- oder 2,6-Diaryl- γ -thiapyron
 
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 690
 
 34 Heteroaromaten
 
 34.10.3 Diazine Pyridazine (1,2-Diazine) Ein naheliegender Weg zu Pyridazinen ist die Cyclokondensation von 1,4-Diketonen mit Hydrazin unter oxidierenden Bedingungen: R R
 
 O
 
 O
 
 R
 
 − 2 H2O
 
 +
 
 NH 2
 
 H2N
 
 R
 
 N
 
 R
 
 Oxidationsmittel +
 
 N
 
 − 2 [H ] , − 2 e0
 
 −
 
 R
 
 N
 
 N
 
 Unsubstituiertes Pyridazin entsteht aus 3-Hydroxy-6-oxopyrazin (Maleinsäurehydrazid) durch Halogenierung und anschließende Abhydrierung des Halogens. O
 
 O O
 
 OH
 
 Cl
 
 + H2N−NH2
 
 NH
 
 N
 
 + 2 PCl5
 
 N
 
 + 2 H2 (Pd)
 
 N
 
 − H2O
 
 NH
 
 NH
 
 − 2 POCl3 − 2 HCl
 
 N
 
 − 2 HCl
 
 N
 
 O
 
 O
 
 O
 
 Maleinsäurehydrazid
 
 Cl
 
 3-Hydroxy-6-oxopyridazin
 
 3,6-Dichlorpyridazin
 
 Pyrimidine (1,3-Diazine) ̈ Die über β-Enaminoketone verlaufende Cyclokondensation von 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen und deren Derivaten mit Formamid ist eine vielseitig anwendbare Methode zur Herstellung von Pyrimidinen (BREDERECK-GOMPPER-Synthese): R O R
 
 O
 
 R
 
 NH2
 
 O
 
 O
 
 R
 
 OH
 
 + H2O
 
 O
 
 − H2O
 
 R
 
 O
 
 R
 
 R
 
 +H C NH2
 
 O
 
 − HCO2H
 
 NH H
 
 1,3-Dicarbonyl-Verbindung
 
 O
 
 R
 
 R
 
 +H C
 
 N
 
 − 2 H2O
 
 NH2
 
 β-Enaminocarbonyl-Verbindung
 
 R
 
 N
 
 4,6-Dialkylpyrimidin
 
 Nach einem analogen Konzept gelingt die Einführung funktioneller Gruppen in Stellung 2: R R R
 
 R NH 2
 
 O NH2
 
 +
 
 HN
 
 C
 
 R
 
 − H2O , − NH3
 
 R
 
 X
 
 X = Alkyl : Amidin X = NH2 : Guanidin X = SH : Thioharnstoff
 
 R = H , Alkyl
 
 N N
 
 X
 
 2-Alkyl2-Amino2-Mercaptopyrimidin
 
 Viele Pyrimidine werden auch über die aus Malonsäurediethylester und Harnstoff zugängliche Barbitursäure hergestellt: O C O
 
 C
 
 Cl
 
 O NH 2
 
 OC2H 5
 
 OC2H 5 +
 
 H2N
 
 C
 
 O
 
 NH
 
 − 2 C2H5OH
 
 O
 
 N H
 
 O
 
 Barbitursäure
 
 N
 
 + POCl3 − H3PO4
 
 Cl
 
 N
 
 Cl
 
 2,4,6-Trichlorpyrimidin
 
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 34.10 Synthese monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
 
 691
 
 Pyrazine (1,4-Diazine) Pyrazine bilden sich durch Selbstkondensation von α-Aminoketonen an der Luft. α-Aminoketone sind durch katalytische Hydrierung der Diazoketone (Kap. 17.5.6, 23.3) zugänglich: ̈
 
 HC
 
 2
 
 R
 
 C
 
 N2
 
 − 2 NH3
 
 O
 
 R
 
 O
 
 NH 2
 
 H2C
 
 + 6 H2 (Pd)
 
 +
 
 C
 
 H2N
 
 O
 
 C
 
 R
 
 N
 
 − 2 H2O
 
 CH 2
 
 R
 
 R
 
 N
 
 + 1/2 O2 − H2O
 
 N
 
 R
 
 R
 
 N
 
 2,5-Dialkylpyrazin
 
 Einfacher ist die Herstellung von Pyrazinen aus 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen und 1,2-Diaminen unter oxidierenden Bedingungen: H R1
 
 NH 2
 
 O
 
 R2
 
 +
 
 R1 H
 
 NH 2
 
 O
 
 H
 
 − 2 H2O
 
 N
 
 R1 R1
 
 R2
 
 N
 
 H
 
 R1 = R2 = CH3 2,3-Diaminobutan Butandion
 
 R2
 
 Oxidationsmittel − 2 [H+] , − 2 e0
 
 R2
 
 R1
 
 N
 
 R2
 
 R1
 
 N
 
 R2
 
 −
 
 Tetramethylpyrazin
 
 34.10.4 Oxazine und Thiazine ̈ Oxazinium- und Thiazinium-Salze 1,3-Oxazinium-Salze entstehen durch Cycloaddition von Nitrilen an β-Chlorvinylketone oder von Alkinen an N-Acylimidoylchloride: R1
 
 R4
 
 O Cl
 
 R2
 
 +
 
 R1
 
 N
 
 1,3-Oxazinium-chlorid
 
 R4 N
 
 Cl
 
 R2
 
 R3
 
 β-Chlorvinylketon
 
 O +
 
 N
 
 R2
 
 R3
 
 R1
 
 O Cl R 4
 
 R3 N-Acylimidoylchlorid
 
 1,3-Oxazinium- und 1,3-Thiazinium-Salze eignen sich als präparativ vielseitig anwendbare Elektrophile. Besonders stabil sind phenylsubstituierte Derivate sowie die Perchlorate. 1,3-ThiaziniumSalze bilden sich durch Addition von Schwefelwasserstoff an 1,3-Oxazinium-Salze: R2
 
 O
 
 R1
 
 + H2S
 
 R2 HS
 
 O
 
 +
 
 − [H ]
 
 N
 
 R1
 
 S O
 
 R2
 
 N
 
 NH R3
 
 R3
 
 R3
 
 R1
 
 R2
 
 + HClO4
 
 S
 
 − H2O
 
 R1 N ClO4
 
 R3
 
 2,4,6-trisubstituiertes 1,3-Thiazinium-perchlorat
 
 ̈ Partiell hydrierte Derivate Partiell hydrierte 1,2-Oxazine und 1,2-Thiazine erhält man durch [4+2]-Cycloadditionen: + O
 
 N
 
 C6H 5
 
 Nitrosobenzen
 
 O
 
 N
 
 + C 6H5
 
 2-Phenyl-2,3-dihydro6 H-1,2-oxazin
 
 O
 
 S
 
 N
 
 CO2R
 
 N-Sulfinylcarbamat
 
 S
 
 N
 
 CO2R
 
 O 2-Alkoxycarbonyl-2,3dihydro-6 H-1,2-thiazin-1-oxid
 
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 692
 
 34 Heteroaromaten
 
 Ein allgemeines Verfahren zur Herstellung von 1,3-Oxazin-Derivaten ist die Dehydratisierung der β-Acylaminoketone: NH R2
 
 R1
 
 O O
 
 R2
 
 N
 
 P2O5
 
 N
 
 − H2O
 
 R1
 
 O O H H
 
 R2
 
 O
 
 R1
 
 2,6-Dialkyl-4 H-1,3-oxazin
 
 Dihydro-1,3-thiazine bilden sich durch Cyclisierung von 1,3-Dihalogenalkanen mit Thioamiden, X
 
 NH 2
 
 +
 
 X
 
 C
 
 S
 
 N
 
 − 2 HX
 
 S
 
 R
 
 X = Cl , Br
 
 R
 
 2-Alkyl-5,6-dihydro-4 H-1,3-thiazin
 
 oder von γ-Halogen- sowie γ-Hydroxyaminen mit Isothiocyanaten: NH2
 
 +
 
 X
 
 S
 
 C
 
 N R
 
 − HX
 
 N S
 
 X = Cl , OH
 
 NHR
 
 2-Alkylamino-5,6-dihydro-4 H-1,3-thiazin
 
 Von einigen speziellen Synthesen des 1,4-Oxazin- und 1,4-Thiazin-Ringes ist die Cyclodehydrohalogenierung des Cysteamins mit 2,3-Dibromalkensäureestern erwähnenswert: NH2
 
 Br
 
 R2
 
 H2 N R 2 Br
 
 Br
 
 CO2R 1
 
 S Br
 
 + SH
 
 H
 
 − HBr
 
 CO2R1
 
 H N
 
 H N R2 Br S
 
 H
 
 CO2R 1 Br
 
 S
 
 R2
 
 H
 
 − HBr
 
 CO2R2
 
 H N
 
 R2
 
 S
 
 CO2R1
 
 2-Alkoxycarbonyl-3-alkyl5,6-dihydro-4H-thiazin
 
 Nach allgemeineren Verfahren zugänglich sind dagegen die gesättigten Derivate 1,4-Oxazan und 1,4-Thiazan (Morpholin und Thiomorpholin): X +
 
 − 2 HCl
 
 H2N R
 
 X N
 
 ClCl
 
 R X = O : subst. Morpholin X = S : subst. Thiomorpholin
 
 Bis-(2-chloralkyl)-ether (X = O) bzw. -thioether (X = S)
 
 34.10.5 Triazine Von den drei konstitutionsisomeren Triazinen hat das 1,3,5- oder s-Triazin beachtliche Bedeutung: N
 
 N N
 
 1,2,3- oder vic-
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N 1,2,4- oder asymTriazin
 
 N
 
 N
 
 1,3,5- oder sym-
 
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 34.11 Synthese benzo-kondensierter Pyridine und Azine
 
 693
 
 1,3,5-Triazin erhält man durch säurekatalysierte Trimerisierung von Blausäure, die am besten bei der Reaktion aus geeigneten Vorstufen, z. B. Formamidin-Hydrochlorid, erzeugt wird: H
 
 NH2 C Cl NH2
 
 3H
 
 − 3 NH4Cl
 
 N
 
 N
 
 +
 
 N
 
 [H+]
 
 H
 
 N
 
 N
 
 H
 
 N
 
 Entsprechend wird das bei der Reaktivfärbung (Kap. 35.3.3) benötigte Trichlor-1,3,5-triazin durch Trimerisierung von Chlorcyan hergestellt.
 
 34.10.6 Tetrazine Von den drei konstitutionsisomeren Tetrazinen N
 
 N
 
 N N
 
 N
 
 N
 
 1,2,3,4-
 
 N
 
 N N
 
 N
 
 1,2,3,5Tetrazin
 
 N
 
 N
 
 1,2,4,5-
 
 ist das 1,2,4,5-Isomer durch 1,3-dipolare Cycloaddition des Diazoessigsäureethylesters in alkalischer Lösung zugänglich: N RO2C
 
 N
 
 H +
 
 H
 
 N
 
 CO2R
 
 −
 
 (OH )
 
 N
 
 N RO2C
 
 H N N H
 
 CO2R
 
 −
 
 + 2 H2O (OH )
 
 N
 
 − 2 ROH
 
 N HO2C
 
 H N N H
 
 CO2H N
 
 + 1/2 O2 − 2 CO2 − H2O
 
 N
 
 N N
 
 N
 
 1,2,4,5-Tetrazin (violett)
 
 34.11 Synthese benzo-kondensierter Pyridine und Azine 34.11.1 Chinoline (Benzo[b]pyridine) Cyclokondensation von Anilin mit α,β-ungesättigten Carbonyl-Verbindungen Chinoline entstehen durch MICHAEL-Addition von Anilin an α,β-ungesättigte Aldehyde oder Ketone sowie anschließendem elektrophilem Ringschluß und Oxidation des zunächst entstandenen 1,2-Dihydrochinolins (SKRAUP-Synthese): ̈
 
 R3
 
 O
 
 ZnCl2 / FeCl3
 
 H R2
 
 HO R3
 
 R2 N H
 
 N H R1 H
 
 R3
 
 H
 
 R2
 
 − H2O
 
 R1
 
 N H − 2 [H+] , − 2 e0
 
 R3 + NH 2
 
 O
 
 FeCl3 oder C6H5NO2
 
 −
 
 R3
 
 R2
 
 R2
 
 R1 = R2 = R3 = H , Alkyl , Aryl
 
 R1
 
 R1
 
 N
 
 R1
 
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 694
 
 34 Heteroaromaten
 
 Chinolin selbst wird durch Erhitzen von Anilin, wasserfreiem Glycerol, konz. Schwefelsäure und Eisen(II)-sulfat in Nitrobenzen als Dehydrierungsmittel hergestellt. Die Dehydratisierung des Glycerols liefert dabei Acrolein als den α,β-ungesättigten Aldehyd. Cyclokondensation von Anilin mit 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen Der SKRAUP-Synthese analog verläuft die Cyclokondensation von Anilin mit 1,3-Diketonen bzw. Malonsäurediestern zu 2,4-Dialkyl- und 4-Hydroxy-2-oxo-1,2-dihydrochinolinen: R2 +
 
 H 2SO4 , ∆
 
 O
 
 NH 2
 
 O
 
 R2
 
 O
 
 +
 
 − 2 H 2O
 
 R1
 
 N
 
 R1
 
 OH ∆
 
 RO
 
 NH 2
 
 O
 
 RO
 
 − 2 ROH
 
 2,4-Dialkylchinolin
 
 N H
 
 O
 
 4-Hydroxy-2-oxo1,2-dihydrochinolin
 
 Cyclisierung von 2-Aminophenyl- mit α-Methylencarbonyl-Verbindungen 2-Aminophenone sowie 2-Aminobenzaldehyd cyclokondensieren mit α-Methylencarbonyl-Verbindungen zu Chinolinen (FRIEDLÄNDER-Synthese): R1
 
 R1 O
 
 +
 
 NH 2
 
 H 2C O
 
 R2
 
 R2
 
 +
 
 [H ] − 2 H2O
 
 R3
 
 R1 = R2 = R3 = CH3 2-Aminoacetophenon Butanon
 
 N
 
 R3
 
 2,3,4-Trimethylchinolin
 
 Anstelle der 2-Aminoacylbenzene kann auch Isatin (2,3-Dioxo-2,3-dihydroindol) eingesetzt werden, welches sich in alkalischer Lösung zur 2-Aminophenylglyoxylsäure öffnet: CO2
 
 CO2
 
 O O
 
 + OH
 
 −
 
 O
 
 N H
 
 +
 
 NH 2
 
 H2C O
 
 R1 R2
 
 R1
 
 [H+] − 2 H2 O
 
 N
 
 R2
 
 R1
 
 [H+] − CO2
 
 N
 
 R2
 
 2,3-Dialkylchinolin
 
 Isatin
 
 34.11.2 Isochinoline (Benzo[c]pyridine) Heterocyclisierung von 2-Phenylethylamin-Derivaten N-Acyl-2-phenylethylamine cyclisieren in Gegenwart von LEWIS-Säuren zu 3,4-Dihydroisochinolinen, deren Dehydrierung Isochinoline ergibt (BISCHLER-NAPIERALSKI-Synthese): O +R C Cl
 
 NH2 2-Phenylethylamin
 
 − HCl
 
 NH O
 
 R
 
 N-Acyl-2-phenylethylamin
 
 − 2 [H+] , − 2 e0
 
 PCl5
 
 −
 
 N
 
 − H2O
 
 R
 
 N R 1-Alkylisochinolin
 
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 34.11 Synthese benzo-kondensierter Pyridine und Azine
 
 695
 
 Demselben Ringschlußprinzip folgt die elektrophile Cyclisierung von N-Alkyliden-2-phenylethylamin (PICTET-SPENGLER-Synthese), welche man u. a. zur Herstellung von TetrahydroisochinolinAlkaloiden (Kap. 39.5.4) anwendet: O +R
 
 C
 
 NH2
 
 − 4 [H+] , − 4 e0
 
 [H+]
 
 H
 
 NH
 
 N
 
 − H2O
 
 −
 
 N
 
 R
 
 R
 
 R 1-Alkylisochinolin
 
 N-Alkyliden-2-phenylethylamin
 
 Heterocyclisierung aromatischer Aldehyde mit Aminoacetaldehyddiacetal Aminoacetaldehyddiethylacetal kondensiert mit Benzaldehyden zu Iminen, die in sauerer Lösung elektrophil den Isochinolin-Ring schließen (POMERANZ-FRITSCH-Synthese), z. B.: OC 2H5
 
 H3CO [H+]
 
 OC 2H5
 
 H
 
 N
 
 H + H2O (H2SO4)
 
 O
 
 − 2 C2H5OH
 
 N
 
 H3CO
 
 N
 
 H 3CO [H+]
 
 − H2O
 
 H
 
 HO
 
 − H2O
 
 OC 2H5
 
 O
 
 H3CO
 
 + H 2N
 
 H
 
 OC 2H5
 
 Aminoacetaldehyddiethylacetal
 
 H
 
 3-Methoxybenzaldehyd
 
 N
 
 H 3CO
 
 7-Methoxyisochinolin
 
 34.11.3 Benzochinoline Acridin (Benzo[b]chinolin) ist durch Oxidation des Acridans zugänglich. Acridan entsteht bei der Reduktion des Acridons, dem Cyclisierungsprodukt der Diphenylamin-2-carbonsäure: O C OH N H
 
 O
 
 − H2O
 
 +
 
 N H
 
 +
 
 + 4 [H ], + 4 e0
 
 H 2SO4
 
 − 2 [H ],
 
 −
 
 − 2 e0
 
 − H 2O
 
 Acridon
 
 −
 
 N H
 
 N
 
 Acridan
 
 Acridin
 
 Dem Konzept der Isochinolin-Synthese nach BISCHLER-NAPIERALSKI folgend wird Phenanthridin (Benzo[c]chinolin) durch intramolekulare elektrophile Cyclisierung von 2-Formylaminobiphenyl hergestellt:
 
 − H2O
 
 PCl5
 
 N H
 
 CH O
 
 2-Formylaminobiphenyl
 
 N H
 
 OH H
 
 N Phenanthridin
 
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 696
 
 34 Heteroaromaten
 
 34.11.4 Benzopyridazine Cinnoline (Benzo[c]pyridazine) werden am bequemsten durch intramolekulare Cyclisierung diazotierter 2-Aminostyren-Derivate dargestellt: R1
 
 R1 R2
 
 NH 2
 
 R1
 
 + HNO2, + [H ] − H2O
 
 N
 
 R1
 
 H
 
 R2
 
 +
 
 − [H ]
 
 R2
 
 N
 
 N
 
 R2
 
 +
 
 N
 
 N
 
 subst. 2-Aminostyren
 
 N
 
 subst. Cinnolin
 
 Phthalazine (Benzo[d]pyridazine) sind die Diazine der 1,2-Diacylbenzene sowie der o-Phthaldialdehyde und bilden sich dementsprechend bei deren Kondensation mit Hydrazin: R
 
 R O O
 
 +
 
 H 2N
 
 − 2 H2O
 
 N N
 
 H 2N R
 
 R R = H , Alkyl , Aryl
 
 subst. Phthalazin
 
 34.11.5 Chinazoline 2-Aminophenone cyclokondensieren mit Amiden zu Chinazolinen (Benzo[d]pyrimidine): R1
 
 R1 O
 
 +
 
 NH 2
 
 − 2 H2O
 
 H 2N O
 
 C
 
 N N
 
 R2
 
 2-Aminophenon
 
 R2
 
 subst. Chinazolin
 
 Demselben Prinzip folgt die Synthese von 3H-Chinazolin-4-onen aus Anthranilsäure und Carbonsäureamiden, z. B.: O
 
 O OH
 
 +
 
 NH 2
 
 − 2 H2O
 
 H2N O
 
 C
 
 NH N
 
 R
 
 R
 
 2-Alkyl-3H-chinazolin-4-on
 
 Ausgehend von Anthranilamiden schließt sich der 3H-Chinazolin-4-on-Ring bereits mit einer Carbonsäure als C1-Elektrophil, z. B.: O
 
 O NHCH3
 
 NH 2
 
 OH
 
 + O
 
 C
 
 N
 
 − 2 H2O
 
 R
 
 N
 
 CH3 R
 
 3-Methyl-3H-chinazolin-4-on
 
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 34.11 Synthese benzo-kondensierter Pyridine und Azine
 
 697
 
 34.11.6 Chinoxaline und Phenazine Chinoxaline (Benzo[b]pyrazine) sowie Phenazine (Dibenzo[b,e]pyrazine) bilden sich durch Kondensation von o-Phenylendiaminen mit 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen bzw. o-Chinonen: NH 2
 
 O
 
 R
 
 O
 
 R
 
 − 2 H2O
 
 + NH 2
 
 R = H , Alkyl , Aryl
 
 O
 
 NH 2 NH 2
 
 R
 
 N
 
 R
 
 2,3-Dialkylchinoxalin
 
 − 2 H2O
 
 +
 
 N
 
 O
 
 N N Phenazin
 
 o-Benzochinon
 
 Auch die milde Oxidation des o-Phenylendiamins führt zum Phenazin-System: NH 2
 
 NH 2 +
 
 + 6 Fe3+(CH3CO2H) − 6 Fe2+ , − 6 [H+]
 
 NH 2
 
 NH 2
 
 N
 
 NH2
 
 N
 
 NH2
 
 2,3-Diaminophenazin
 
 34.11.7 Benzopyrone und Benzopyrylium-Salze Das als Cumarin bezeichnete Benzo[b]-α-pyron ist der Riechstoff des Waldmeisters und Grundskelett der carcinogenen Aflatoxine aus Schimmelpilzen (Aspergillus flavus). Benzo[b]-γ-pyron ist als Chromon bekannt; es verkörpert das Grundskelett der Flavone (2-Phenylchromone) und Isoflavone (3-Phenylchromone). Glycoside der Polyhydroxyflavone und Isoflavone kommen als gelbe Farbstoffe (lat. flavus = goldgelb) in vielen Pflanzen und deren Blüten vor. OCH3 O O
 
 O
 
 Cumarin Benzo[b]-α-pyron
 
 O H O
 
 O O R R = H : Aflatoxin B 1 R = OH : Aflatoxin M1
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 Chromon Benzo[b]-γ-pyron
 
 Flavon
 
 Isoflavon
 
 In Analogie zur Chinolin-Synthese aus Anilin und 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen (Kap. 34.11.1) bilden sich Cumarine aus Phenolen und Malonsäurediestern (FRIEDLÄNDER-PECHMANNSynthese), O + OH
 
 OH +
 
 [H ] , ∆
 
 RO RO
 
 O
 
 − 2 ROH
 
 O
 
 O
 
 4-Hydroxycumarin
 
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 698
 
 34 Heteroaromaten
 
 oder aus 2-Hydroxyphenonen und α-Methylencarbonsäureestern, z. B.: O
 
 CH 3 O
 
 H 2C
 
 +
 
 OH
 
 C
 
 H 5C 2O
 
 2-Hydroxyacetophenon
 
 CH 3 O CH 3
 
 C
 
 [H +] , ∆ − H2O , − C 2H5OH
 
 O
 
 Acetessigester
 
 O
 
 CH 3
 
 O
 
 3-Acetyl-4-methylcumarin
 
 Chromone sind durch elektrophile Cyclisierung von Phenolen mit β-Oxoestern zugänglich. Flavone (2-Phenylchromone) und ihre Hydroxy-Derivate als natürliche Polymethin-Farbstoffe (Kap. 35.4.4) erhält man z. B. aus Phenolen und Benzoylessigsäureethylester (SIMONIS-Synthese): O H 5C 2O
 
 + OH
 
 C
 
 O H
 
 P2O5 − H2O , − C2H 5OH
 
 HO Benzoylessigsäureethylester (Enol-Tautomer)
 
 O Flavon (2-Phenylchromon)
 
 Eine einfache Synthese der in Hülsenfrüchten (Erbse, Sojabohne) vorkommenden Isoflavone (3Phenylchromone) ist die Formylierung von o-Hydroxydesoxybenzoinen mit Orthoameisensäuretriethylester als C1-Baustein und die anschließende elektrophile Cyclisierung: O
 
 O C H2
 
 +
 
 HC(OC2H5)3
 
 OH
 
 Base − 3 C 2H 5OH
 
 o-Hydroxydesoxybenzoin
 
 O Isoflavon (3-Phenylchromon)
 
 Benzopyrylium- oder Flavylium-Salze kommen als Komponenten blauer und roter Farbstoffe (Anthocyanidine) in vielen Früchten und Blüten vor. Ihre Synthese gelingt durch KNOEVENAGELKondensation substituierter Salicylaldehyde mit α-Methoxyacetophenonen. Das Primärprodukt cyclisiert zum Halbketal, dem α-Flavanol (Oxo-Cyclo-Tautomerie), welches nach Zusatz von Säure unter Aromatisierung zum Flavylium-Salz dehydratisiert (ROBINSON-Synthese) : OCH3
 
 OCH 3
 
 OCH 3
 
 OCH3
 
 H 3CO OHO
 
 OCH 3
 
 H 3CO
 
 O
 
 OH OCH3
 
 Oxo-Cyclo-Tautomerie − H2O
 
 H 3CO
 
 H O
 
 H 3CO
 
 − H2O
 
 (HCl)
 
 OH
 
 +
 
 H 2C O
 
 + HCl
 
 OCH 3
 
 OCH3
 
 OCH3
 
 C
 
 H 3CO OCH 3
 
 O Cl
 
 OCH3
 
 Pelargonidinium-chlorid-tetramethylether
 
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 34.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
 
 699
 
 34.11.8 Phenoxazine und Phenothiazine Phenoxazin (Dibenzo[b,e]4H-1,4-oxazin) ist durch Erhitzen von 2-Aminophenol und dessen Hydrochlorid zugänglich (GILMAN-MOORE-Synthese): Cl H3N
 
 NH 2 + OH
 
 H N
 
 − H2O , − NH4Cl
 
 HO
 
 O Phenoxazin
 
 Phenothiazin (Dibenzo[b,e]4H-1,4-thiazin) entsteht beim Zusammenschmelzen von Diphenylamin und Schwefel: H N
 
 H N
 
 + 2 S , − H2S
 
 S Phenothiazin
 
 Phenoxazin und Phenothiazin sind Grundskelette synthetischer und natürlicher Farbstoffe (Kap. 35.5.2, 35.5.4).
 
 34.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten 34.12.1 Reaktionen am Imino-Stickstoff ̈ Basizität In aliphatischen Aminen besetzt das nicht bindende Elektronenpaar am Stickstoff ein sp3-, in Pyridin und seinen Analogen dagegen ein sp2-Hybridorbital. Da die Reichweite der sp2-Orbitale etwas kleiner ist (Kap. 1.6), liegen die n-Elektronen des Pyridins und seiner Analogen näher am N-Atom und sind elektrophilen Angriffen − etwa durch ein Proton − weniger zugänglich als in aliphatischen Aminen. Dies erklärt die im Vergleich zu aliphatischen Aminen (pKa ≈ 10) kleinere Basizität des Pyridins (pKa = 5.25). Andererseits gehört das n-Elektronenpaar des Pyridin-N-Atoms nicht zum π-Elektronensextett wie im Pyrrol. Daher ist Pyridin viel stärker basisch als Pyrrol. Elektronenschiebende Substituenten (z. B. −NH2) in 2- und vor allem in 4-Stellung des Pyridins erhöhen die Basizität, während elektronenziehende Gruppen (z. B. −CHO) das Gegenteil bewirken: NH2
 
 NH2 H
 
 N N
 
 N
 
 4-Aminopyridin : pKa = 9.11
 
 H
 
 N
 
 O
 
 O
 
 Pyridin-2-aldehyd : pKa = 3.80
 
 Auf der durch den (+)-M-Effekt der Dimethylamino-Gruppe stark erhöhten Basizität des 4-Dimethylaminopyridins (DMAP) beruht dessen Anwendung als hochwirksamer Acylierungskatalysator. Zusätzliche Imino-Stickstoff-Atome im Ring wirken wie (−)-M-Substituenten. Daher
 
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 700
 
 34 Heteroaromaten
 
 sind Pyridazin, Pyrimidin und Pyrazin deutlich schwächere Basen als Pyridin (pKa = 5.25), wobei (+)-M-Substituenten die Basizität reaktivieren können: N
 
 N N
 
 N
 
 N
 
 pKa = 2.24
 
 N
 
 pKa = 1.30
 
 pKa = 0.65
 
 N
 
 N N
 
 NH2
 
 N
 
 pKa = 3.45
 
 pKa = 3.39
 
 NHCH3
 
 Imino-Stickstoff als Donor und Nucleophil Pyridin und seine Derivate komplexieren Metall-Kationen. Besonders bekannt ist das beim Nachweis von Eisen(II)-Ionen mit 2,2´-Bipyridin entstehende tiefrote Chelat: 2
 
 N
 
 N
 
 N
 
 2
 
 +
 
 3
 
 Fe
 
 N
 
 N
 
 N
 
 Fe
 
 N
 
 N Tris-(2,2'-bipyridin)eisen(II)-Ion (Hauptprodukt)
 
 Mit Halogenalkanen und Dialkylsulfaten reagiert Pyridin zu N-Alkylpyridinium-Salzen. Diazine werden meist monoalkyliert, wobei die Orientierung durch Substituenten gesteuert wird: CH3 + N
 
 CH3 I N
 
 N
 
 I
 
 N
 
 CH3
 
 CH3 +
 
 CH3 I
 
 N I CH3 N
 
 CH 3
 
 nicht
 
 N
 
 N CH3 I
 
 Auch gegenüber Carbonsäurehalogeniden, Bromcyan, Distickstoffpentoxid und Schwefeltrioxid verhält sich Pyridin als Stickstoff-Nucleophil:
 
 N
 
 NO3
 
 + N2O5
 
 1-Nitropyridiniumnitrat
 
 N
 
 + RCOCl
 
 NO2
 
 O
 
 + SO3
 
 N
 
 + BrCN
 
 C
 
 Cl R
 
 1-Acetylpyridiniumchlorid
 
 N
 
 N
 
 SO3
 
 CN
 
 Pyridinium-1-sulfonat
 
 Br
 
 1-Cyanopyridiniumbromid
 
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 34.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
 
 701
 
 Die dabei entstehenden Pyridinium-Salze sind milde Acylierungs-, Cyanierungs-, Nitrierungs- und Sulfonierungs-Reagenzien, z. B.: O N C
 
 O
 
 Cl
 
 +
 
 R'
 
 OH
 
 R
 
 +
 
 C
 
 N
 
 OR'
 
 R
 
 Cl
 
 H
 
 N-Oxidation Mit Peroxiden und Peroxysäuren reagieren Pyridin und die Diazine zu N-Oxiden, in denen die Mesomerie eine Umkehrung der Polarisierung des Ringes beschreibt: ̈
 
 O +
 
 R
 
 − RCO2H
 
 C O OH
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 Diese "Umpolung" der α- und γ-C-Atome begünstigt die elektrophile Substitution des Pyridins in 2- und 4-Stellung. Die Regeneration des Pyridin-Ringes aus dem N-Oxid gelingt mit Triphenylphosphan oder Phosphortrichlorid. Iodalkane regenerieren ebenfalls und werden dabei zu Aldehyden umfunktioniert. + R −CH2−I
 
 + (C6H5) 3P oder PCl3
 
 N
 
 − (C6H5) 3PO oder POCl3
 
 Base , − H I
 
 N
 
 N
 
 I
 
 O
 
 O
 
 R C H
 
 +
 
 O
 
 N
 
 C
 
 R
 
 H
 
 H
 
 34.12.2 Cycloadditionen α-Pyrone neigen zu [4+2]-Cycloadditionen, z. B. mit Maleinsäureanhydrid, O O
 
 O
 
 O +
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O O
 
 8-Oxo-7-oxabicyclo[2.2.2]oct5-en-2,3-dicarbonsäureanhydrid
 
 O
 
 während von γ-Pyronen zweifache [2+2]-Photocycloadditionen bekannt sind, die zu "VogelkäfigVerbindungen" (Dioxaasteranen) führen: O H3C
 
 O
 
 CH 3
 
 hν
 
 + H 3C O
 
 O
 
 H3C O H 3C
 
 CH3 O
 
 O
 
 CH3 O CH3
 
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 702
 
 34 Heteroaromaten
 
 34.12.3 Nucleophile Additionen, Ringöffnungen, Umheterocyclisierungen Pyrylium- und Thiapyrylium-Salze sind nucleophilen Additionen in Stellung 2 und 4 gut zugänglich, wie die Reaktion des Thiapyrylium-Ions mit komplexen Hydriden zeigt: H H +
 
 LiAlH4
 
 [H ]
 
 sowie
 
 S
 
 S
 
 S 4H-
 
 H H
 
 2H-Thiapyran
 
 Entsprechend verhalten sich Pyridinium-Salze: +
 
 LiAlH4
 
 [H ]
 
 N
 
 N
 
 R
 
 R
 
 H H
 
 Aus Pyridinen selbst entstehen dagegen die 1,2,5,6-Tetrahydro-Derivate, und die RANEY-NickelHydrierung ergibt bereits unter Normaldruck Piperidine (Kap. 33.3.4). Die nucleophile Addition von Benzylmagnesiumbromid an N-Alkylpyridinium-Salze führt zu 1,2Dialkyl-1,2-dihydropyridinen, z. B.: C 6H5 +
 
 H2C
 
 − MgBr2
 
 Mg Br
 
 N
 
 N
 
 CH 3 Br
 
 CH 3
 
 H CH 2 C6H 5
 
 2-Benzyl-1-methyl-1,2-dihydropyridin
 
 Mit Hydroxid als Nucleophil erhält man unter oxidierenden Bedingungen 1-Alkyl-2-pyridone: +
 
 K3[Fe(CN) 6]
 
 OH
 
 N
 
 N
 
 CH 3
 
 CH3
 
 − 2 [ H+] , − 2 e0
 
 H OH
 
 −
 
 N
 
 O
 
 CH3 1-Methyl-2-pyridon
 
 Als Folgereaktionen nucleophiler Additionen werden häufig Ringöffnungen beobachtet. So ergibt die nucleophile Addition von Cyanid an Pyrylium-Salze 5-Cyano-1,3-dienone: CN + O
 
 CN O
 
 CN
 
 O
 
 Mit Ammoniak und primären Aminen führt die nucleophile Ringöffnung zu präparativ attraktiven Umheterocyclisierungen.
 
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 34.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
 
 703
 
 So entstehen aus Pyrylium-Salzen Pyridin-Derivate, und die Ammonolyse von 1,3-OxaziniumSalzen öffnet einen weitereren Weg zu Pyrimidinen:
 
 +
 
 − H2O
 
 NH 2 R
 
 H 2N R
 
 O
 
 O
 
 O
 
 NH 2 R
 
 N R N-Alkylpyridinium-Ion
 
 N
 
 +
 
 − H3O+
 
 NH3
 
 N
 
 O
 
 substituiertes Pyrimidin
 
 N
 
 Die Synthese des 2,4,6-Triphenylphosphabenzens gelingt nach diesem Konzept aus 2,4,6-Triphenylpyryliumtetrafluoroborat und Trihydroxymethylphosphan (Kap. 34.10.2). Auf der nucleophilen Ringöffnung des 1,3,5-Triazins beruht dessen Verwendung als Methinylierungsreagenz, u. a. bei der Synthese des Benzothiazols aus 2-Aminothiophenol: N
 
 N
 
 SH +
 
 S
 
 3
 
 3
 
 N 1,3,5-Triazin
 
 +
 
 3 NH3
 
 N
 
 NH 2 2-Aminothiophenol
 
 Benzothiazol
 
 34.12.4 Nucleophile Substitutionen Hydrid als Abgangsgruppe Die mesomeren Grenzformeln des Pyridins (Kap. 34.4.1) zeigen eine positive Polarisierung der αund γ-C-Atome. Dementsprechend läßt sich Pyridin durch das Amid-Ion als Nucleophil in Position 2 aminieren (TSCHITSCHIBABIN-Reaktion). Das sich abspaltende Hydrid-Anion bildet mit einem Proton der eingeführten Amino-Gruppe Wasserstoff. Die Weiterreaktion führt zu 2,6-Diaminopyridin. Die Einführung der Amino-Gruppe in Position 4 gelingt nur, wenn die Stellungen 2 und 6 bereits substituiert sind. ̈
 
 + Na
 
 − H2
 
 NH2
 
 N
 
 N
 
 H NH2
 
 + H 2O
 
 Na
 
 N
 
 NH Na
 
 − NaOH
 
 Natrium-2-pyridylamid
 
 N
 
 NH 2
 
 2-Aminopyridin
 
 Nucleophile Alkylierungen und Arylierungen durch Alkyllithium und Phenyllithium verlaufen ebenfalls unter Hydrid-Abspaltung, z. B.: + N
 
 − LiH
 
 Li N
 
 H C6H 5
 
 Li
 
 N 2-Phenylpyridin
 
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 704
 
 34 Heteroaromaten
 
 Zusätzliche Stickstoff-Atome im Ring fördern aufgrund ihres (−)-M-Effekts die nucleophile Substituierbarkeit. Daher lassen sich auch die Diazine nucleophil alkylieren, arylieren und aminieren. C6H 5
 
 N
 
 +
 
 N
 
 C 4H9
 
 − LiH
 
 Li C4H 9
 
 N
 
 N
 
 N
 
 +
 
 Li C 6H5
 
 − LiH
 
 N N
 
 N
 
 3-Butylpyridazin
 
 4-Phenylpyridin
 
 N +
 
 LiNH2
 
 N
 
 − LiH
 
 NH 2
 
 N
 
 N
 
 2-Aminopyrazin
 
 Halogenid als Abgangsgruppe Die nucleophile Substitution des Halogenids in 2-Stellung verläuft unter milden Bedingungen: + N
 
 NaOCH 3
 
 − NaCl
 
 + N OCH3 2-Methoxypyridin
 
 Cl
 
 N
 
 NaNH2
 
 Br
 
 ZnCl2 − NaBr
 
 N NH 2 2-Aminopyridin
 
 In 4-Stellung gelingt die Substitution von Halogenid mit Natriumamid über 3,4-Dehydropyridin (Pyridyn). Dementsprechend wird ein Gemisch aus 3- und 4-Aminopyridin isoliert: NH 2
 
 Cl H
 
 + NaNH2 − NaCl − NH3
 
 N
 
 H2N
 
 + NH3
 
 N
 
 sowie
 
 N
 
 N
 
 Aktivierung der nucleophilen Substitution Durch O-Alkylierung von Pyridin-N-oxid (Kap. 34.12.1) erhält man N-Alkoxypyridinium-Salze, die leichter substituierbar sind als Pyridin selbst. So ergibt die Reaktion von Cyanid mit dem NMethoxypyridinium-Ion ein Gemisch aus 2- und 4-Cyanopyridin nach einem Additions-Eliminierungs-Mechanismus. CN
 
 H CN + CH 3
 
 + CN
 
 I
 
 N
 
 N
 
 O
 
 O
 
 −I
 
 −
 
 −
 
 I CH 3
 
 sowie
 
 N OCH3
 
 H CN OCH3
 
 N
 
 sowie − CH 3OH
 
 N
 
 N
 
 CN
 
 34.12.5 Elektrophile Substitutionen Allgemeiner Trend ̈ Die positive Polarisierung der α- und γ-C-Atome des Pyridin-Ringes im Sinne seiner mesomeren Grenzformeln (Kap. 34.4.1) läßt für elektrophile Angriffe nur die β-Position zu. Demzufolge gelingen elektrophile Substitutionen wie Bromierung, Nitrierung und Sulfonierung des Pyridins nur in 3,5-Stellung und unter verschärften Bedingungen.
 
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 34.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
 
 KNO3 / H2SO4 (370 °C)
 
 H2S2O7 / H2SO4
 
 SO3H
 
 705
 
 NO2
 
 N
 
 N
 
 N
 
 Pyridin-3-sulfonsäure
 
 3-Nitropyridin Br 2
 
 300 °C
 
 Br
 
 Br
 
 Br
 
 sowie
 
 N
 
 N
 
 3-Brom-
 
 3,5-Dibrompyridin
 
 Einfluß von Substituenten und weiteren Ring-N-Atomen Elektronenziehende Substituenten und weitere Ring-N-Atome führen zu einer zusätzlichen Desaktivierung. Elektronenschiebende Substituenten reaktivieren dagegen die elektrophile Substituierbarkeit, wie die folgenden Beispiele zeigen. In Position 3 dirigieren sie in 2-Stellung, während 2-substituierte Pyridine und Pyrimidine in 5-Stellung angegriffen werden. NHCH 3
 
 NHCH 3
 
 + [NO2+] , − [H+] HNO3 / H2SO4
 
 N
 
 N NO2 3-Methylamino-2-nitropyridin O2N
 
 + [NO2+] , − [H+]
 
 N
 
 HNO3 / H2SO4
 
 NH 2
 
 Br
 
 + Br 2 , − HBr
 
 N N
 
 N NH 2 2-Amino-5-nitropyridin N
 
 N NH 2 2-Amino-5-brompyrimidin
 
 NH 2
 
 Die relativ leichte Bromierung der γ-Pyrone wird dem phenolatanalogen (+)-M-Einfluß der Carbonyl-Funktion zugeschrieben: O
 
 O
 
 O
 
 O + 2 Br 2 , − 2 HBr
 
 O
 
 O
 
 O
 
 Br
 
 O
 
 Br
 
 Br
 
 O
 
 Br O
 
 3,5-Dibrom-γ-pyron
 
 Reaktivierung durch N-Oxidation Auch die N-Oxidation reaktiviert den Pyridin-Ring zur elektrophilen Substitution in 2-, 4- und 6Stellung, wie die bereits formulierte Mesomerie der N-Oxide zeigt (Kap. 34.12.1). Allerdings behindert die elektrostatische Abstoßung des positiven Ring-N-Atoms elektrophile Angriffe in αStellung, so daß bevorzugt am γ-C substituiert wird, selbst bei Anwesenheit schwacher Elektronendonoren wie Alkyl-Gruppen in α-Stellung: NO2 + [NO2+] , − [H+]
 
 N O
 
 CH 3
 
 HNO3 / H2SO4
 
 N
 
 CH3
 
 O 2-Methyl-4-nitropyridin- N-oxid
 
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 706
 
 34 Heteroaromaten
 
 Starke (+)-M-Substituenten wie die Dimethylamino-Gruppe dirigieren dagegen in eine "p"Position: O2N
 
 + [NO2+] , − [H+]
 
 N
 
 HNO3 / H2SO4
 
 N(CH 3)2
 
 N
 
 O
 
 N(CH3)2
 
 O 2-(N,N-Dimethylamino)-5-nitropyridin- N-oxid
 
 N-Oxide der Diazine sind ebenfalls milder substituierbar als die freien Heteroaromaten: NO2 + [NO2+] , − [H+]
 
 N
 
 N
 
 HNO3 / H2SO4
 
 N
 
 O
 
 N
 
 O 4-Nitropyridazin-1-oxid
 
 Die Abspaltung des N-Oxid-Sauerstoff-Atoms gelingt am besten mit Triphenylphosphan oder Phosphortrichlorid.
 
 34.12.6 Besondere Reaktionen von Substituenten CH-Acidität von Alkyl-Gruppen 2- und 4-Methylpyridine verkörpern heteroanaloge Methylketone und deren Vinyloge: H2C N
 
 wie
 
 CH 2
 
 O
 
 H + B 2-Methylpyridin
 
 H + B
 
 H 2C
 
 H + B
 
 wie
 
 CH 2 N
 
 H + B Methylketon
 
 O
 
 4-Methylpyridin
 
 vinyloges Methylketon
 
 2- und 4-Methyl-Gruppen am Pyridin-Ring sind daher CH-acide und deprotonieren mit Basen zu nucleophilen Carbanionen. Dementsprechend gelingt nach Metallierung mit Phenyllithium die Carboxylierung der 2-Methyl-Gruppe: 1.) + O=C=O 2.) + H2O , − LiOH
 
 + C6H5 Li
 
 N
 
 − C6H6
 
 CH 3
 
 Li N
 
 CH2
 
 N
 
 CH2
 
 N CH2 CO2H 2-Pyridylessigsäure
 
 Aldehyde alkenylieren die Methyl-Gruppen in 2- und 4-Stellung nach KNOEVENAGEL: R R
 
 CH3 + N
 
 H
 
 C
 
 O
 
 ZnCl2
 
 C H H2C OH N
 
 R
 
 − H2O
 
 N
 
 R=H : 4-Vinylpyridin R = C6H5 : 4-Stryrylpyridin (E+Z)
 
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 34.12 Reaktionen monocyclischer Sechsring-Heteroaromaten
 
 707
 
 Entsprechend reagieren auch die Methyl-Gruppen der Diazine, z. B.: R CH3
 
 R
 
 N H3C
 
 +
 
 N
 
 3H
 
 C
 
 ZnCl2
 
 O
 
 − 3 H2O
 
 CH3
 
 R = C6H5 :
 
 N N
 
 R
 
 2,4,6-Tristyrylpyrimidin
 
 R
 
 Auch der verhältnismäßig leichte Deuterium-Austausch von 2,4,6-Trimethylpyrylium-Salzen geht auf CH-acide Methyl-Gruppen zurück. CH 3
 
 CD3 + 9 D2O
 
 H3C
 
 O
 
 − 9 HDO
 
 CH 3
 
 D 3C
 
 CD 3
 
 O
 
 2,4,6-Tris-(trideuteriomethyl)pyrylium-Ion
 
 Wie Methyl- und Methylen-Gruppen α zu einer Carbonyl-Funktion lassen sich 2-Methyl-Gruppen am Pyridin-Ring leicht zu Aldehyd-Funktionen oxidieren (SAUERMILCH-Oxidation): + N
 
 O2
 
 CH 3
 
 Luft , V2O5 − H2O
 
 N
 
 C
 
 H
 
 O
 
 Pyridin-2-aldehyd
 
 α-Vinyl-Gruppen als Elektrophile 2-Vinylpyridin ist in Analogie zu α,β-ungesättigten Carbonyl-Verbindungen der nucleophilen Addition (MICHAEL-Addition) zugänglich: CO2C 2H5 O
 
 +
 
 H C H
 
 O
 
 CO2C 2H5 CO2C 2H5
 
 N
 
 NaOR
 
 +
 
 H C H
 
 NaOR
 
 N
 
 CO2C 2H5
 
 CO2C 2H5 C H CO2C 2H5
 
 CO2C 2H5 C H CO2C 2H5
 
 2-(2-Pyridyl)ethyl-malonsäurediethylester
 
 Oxo- und Hydroxy-Gruppen Die Carbonyl-Funktion in γ-Pyronen und γ-Thiapyronen hat mehr Phenolat- als CarbonylCharakter. Aus diesem Grund reagiert sie nicht zu Oximen oder Hydrazonen wie Aldehyde und Ketone. Dagegen gelingt die O-Alkylierung wie bei Phenolaten, z. B.: O
 
 O
 
 OCH3 +
 
 H 3C
 
 O
 
 CH3
 
 H 3C
 
 O
 
 CH3
 
 CH 3 I H3C
 
 O
 
 I CH 3
 
 2,6-Dimethyl-4-methoxypyrylium-iodid
 
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 708
 
 34 Heteroaromaten
 
 34.13 Reaktionen benzologer Sechsring-Heteroaromaten 34.13.1 Reaktionen am Ring-Stickstoff Der ankondensierte Benzen-Ring führt nur im Falle des Chinazolins zu einer deutlichen Erhöhung der Basizität im Vergleich zum Monocyclus. Offenbar kompensiert der Benzen-Ring den (−)-MEffekt des zweiten Pyrimidin-N-Atoms. Daß sich der α-Stickstoff tatsächlich an der Mesomerie des Benzen-Ringes beteiligt, zeigt sich daran, daß Chinolin etwas schwächer, Isochinolin geringfügig stärker basisch ist als Pyridin. Chinolin
 
 Isochinolin
 
 N
 
 Cinnolin
 
 N
 
 N
 
 Chinazolin
 
 Chinoxalin
 
 N
 
 N
 
 N N
 
 pKa = 4.90 (5.25)
 
 5.42 (5.25)
 
 2.37 (2.24)
 
 N
 
 3.43 (1.30)
 
 0.56 (0.65)
 
 (eingeklammert sind die pKa -Werte der Monoheterocyclen)
 
 Wie die Monocyclen (Kap. 34.12.1) bilden benzokondensierte Pyridine und Diazine quartäre Immonium-Salze und N-Oxide.
 
 34.13.2 Katalytische Hydrierung und oxidative Ringöffnung Chinolin und Isochinolin werden katalytisch unter Erhaltung des Benzen-Ringes zu den 1,2,3,4Tetrahydro-Derivaten hydriert: + 2 H2
 
 Pd
 
 N H
 
 N
 
 N
 
 + 2 H2
 
 Pd
 
 1,2,3,4-Tetrahydrochinolin
 
 NH 1,2,3,4-Tetrahydroisochinolin
 
 Dagegen greifen Oxidationsmittel bevorzugt den Benzen-Ring an, da dieser elektronenreicher ist als der Pyridin-Ring mit Elektronen-Defizit. So führt die Permanganat-Oxidation des Chinolins und Isochinolins zu Pyridin-2,3- bzw. Pyridin-3,4-dicarbonsäure: CO2H N
 
 CO2H
 
 Pyridin-2,3dicarbonsäure aus Chinolin
 
 Pyridin-3,4dicarbonsäure aus Isochinolin
 
 CO2H CO2H N
 
 34.13.3 Nucleophile Additionen Am elektronenarmen Pyridin-Ring des Chinolins und Isochinolins finden nucleophile Additionen verhältnismäßig leicht statt. So führt die Reduktion des Chinolins mit komplexen Metallhydriden (Hydrid-Anion als Nucleophil) zu 1,2-Dihydrochinolin. Die Quaternisierung des Pyridin-N-Atoms stimuliert Chinolin und Isochinolin zur nucleophilen Addition, wie einige Beispiele zeigen:
 
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 34.13 Reaktionen benzologer Sechsring-Heteroaromaten
 
 709
 
 H CN + CN
 
 N
 
 − Cl
 
 N
 
 N CH 3 + CN
 
 −
 
 C
 
 H CN
 
 N
 
 N O
 
 4-Cyano-1-methyl1,4-dihydrochinolin
 
 CH 3 + RCOCl −
 
 −
 
 O
 
 R
 
 C
 
 R = C6H5 : 1-Benzoyl-2-cyano1,2-dihydrochinolin
 
 R
 
 + CH3 Mg I
 
 N
 
 CH3
 
 − Mg 2+ , − I
 
 N
 
 −
 
 CH3 H CH 3
 
 1,2-Dimethyl-1,2dihydroisochinolin
 
 Ebenso sind Benzopyrylium-Salze nucleophilen Additionen in 2-Stellung zugänglich: + O
 
 − HX
 
 HN
 
 N
 
 O
 
 X
 
 H
 
 2-Piperidyl-2 H-chromen
 
 Ist die Position 2 sterisch gesperrt, so wird in 4-Stellung addiert: H OC 2H5 + O
 
 OC 2H 5
 
 Flavylium-Ion
 
 O 4-Ethoxy-2-phenyl-4 H-chromen
 
 34.13.4 Nucleophile Substitutionen Auch nucleophile Substitutionen benzokondensierter Pyridine, z. B. durch das Amid-Anion oder durch Alkyl- und Aryllithium, finden ausschließlich am elektronenarmen Pyridin-Ring statt. Chinoline werden bevorzugt in 2-, Isochinoline dagegen in 1-Stellung substituiert: + NaNH2
 
 − NaH
 
 2-Aminochinolin
 
 N
 
 N
 
 N
 
 + NaNH2
 
 NH 2
 
 − NaH
 
 N
 
 1-Aminoisochinolin
 
 NH2 N
 
 + H 9C4Li
 
 − Li H
 
 N
 
 1-Butylisochinolin
 
 C 4H9
 
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 710
 
 34 Heteroaromaten
 
 Außer Hydrid- sind Halogenid-Ionen gute Abgangsgruppen. Auf diese Weise können 2-Chlorchinoline umfunktioniert werden, z. B. durch Wasser, Alkoholat oder WITTIG-Ylide als Nucleophile: + NaOC2H5
 
 + H2O
 
 N H
 
 O
 
 2-Chinolon
 
 − HCl
 
 + R
 
 N CH P(C6H5) 3
 
 − NaCl
 
 Cl
 
 − HCl
 
 R'
 
 + H2O ( OH )
 
 CH2
 
 2-Alkylchinolin
 
 OC 2H5
 
 + O C
 
 −
 
 N
 
 N
 
 2-Ethoxychinolin
 
 R'
 
 R'
 
 − OP(C6H5) 3
 
 P(C 6H5)3
 
 N
 
 − OP(C6H5) 3
 
 N
 
 R' R
 
 R
 
 R
 
 2-Alkenylchinolin
 
 34.13.5 Elektrophile Substitutionen Elektrophile Substitutionen benzoanellierter Pyridine und Diazine erfolgen vorwiegend am elektronenreicheren Benzen-Ring. Chinolin wird in Stellung 5 und 8, sehr selten in Stellung 3, Isochinolin fast ausschließlich in Position 5 substituiert: NO2 NO2
 
 CH3CO2
 
 − +
 
 NO2
 
 HNO3 / H2SO4
 
 N
 
 sowie
 
 N
 
 N
 
 3-Nitrochinolin
 
 SO3 / H2SO4
 
 N
 
 5-Nitrochinolin
 
 NO2
 
 8-Nitrochinolin
 
 Chinolin-8-sulfonsäure
 
 N SO3H
 
 Benzodiazine werden ausschließlich am Benzen-Ring substituiert: NO2 HNO3 / H2SO4
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 5-Nitrocinnolin
 
 NO2 N
 
 HNO3 / H2SO4
 
 sowie
 
 N
 
 N
 
 NO2 8-Nitrocinnolin
 
 N N
 
 N
 
 5-Nitrochinazolin
 
 Wie im Falle des Pyridins erleichtert die N-Oxidation (Kap. 34.12.5) elektrophile Substitutionen. Dennoch wird unter milden Bedingungen bevorzugt am Benzen-Ring substituiert: NO2 + [NO2+] , − [H+]
 
 N NO2 O 8-Nitrochinolin-N-oxid
 
 HNO3 / H2SO4 , < 10 °C
 
 + [NO2+] , − [H+]
 
 N O
 
 HNO3 / H2SO4 , > 60 °C
 
 N O 4-Nitrochinolin-N-oxid
 
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 34.13 Reaktionen benzologer Sechsring-Heteroaromaten
 
 711
 
 Entsprechendes gilt für Isochinolin: NO2
 
 + [NO2+] , − [H+] HNO3 / H2SO4
 
 N
 
 N
 
 O
 
 O
 
 5-Nitroisochinolin- N-oxid
 
 34.13.6 CH-Acidität und andere Reaktionen von Methyl-Gruppen Methyl-Gruppen in 2- und 4-Stellung zum Heteroatom benzo-kondensierter Sechsring-Heteroaromaten sind CH-acide und gehen KNOEVENAGEL-Alkenylierungen und Esterkondensationen ein. Sowohl Benzopyrylium-Salze, H O
 
 CH 3
 
 +
 
 ZnCl2
 
 O
 
 O
 
 − H2O
 
 2-Styrylbenzopyrylium-Ion
 
 als auch Chinoline und Isochinoline reagieren dementsprechend mit Carbonyl-Verbindungen: H
 
 N CH 3
 
 +
 
 N ZnCl2
 
 O
 
 − H2O 1-Styrylisochinolin
 
 O N
 
 CH 3
 
 +
 
 H5C 2O
 
 C
 
 O
 
 NaOC2H5
 
 C
 
 OC2H 5
 
 − C2H5OH
 
 N
 
 O
 
 CO2C 2H5
 
 2-Chinolylbrenztraubensäureethylester
 
 Analoge Reaktionen sind mit den 2-Methyl-Gruppen der Benzodiazine möglich. 4-Methylchinazolin und 4-Nitrobenzaldehyd kondensieren z. B. zu 4-(4-Nitrostyryl)-chinazolin. Eine Besonderheit ist die [4+2]-Cycloaddition des Chinodimethen-Tautomers von 2,3-Dimethylchinoxalin an Maleinsäureanhydrid. Diese Reaktion reflektiert die im Vergleich zum Benzen-Ring schwächere Aromatizität des Pyrazin-Systems. O
 
 N
 
 CH 3
 
 N
 
 CH 3
 
 H N N H
 
 + CH 2 CH 2
 
 O O
 
 H N
 
 H
 
 O O
 
 N H
 
 H
 
 O
 
 1,2,3,4,5,10-Hexahydrophenazin2,3-dicarbonsäureanhydrid
 
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 712
 
 34 Heteroaromaten
 
 34.14 Heterokondensierte Heteroaromaten Die große, bereits in Kap. 34.1.3 erkennbare Vielfalt bicyclischer Heteroaromaten mit Heteroatomen in beiden Ringen zwingt zu einer Auswahl der Heterobicyclen, welche als solche oder hydriert die Grundskelette bedeutender Naturstoffklassen und einiger Arzneimittel bilden.
 
 34.14.1 Heterobicyclen mit Stickstoff als Brückenkopf Die einfachsten aromatischen Heterobicyclen mit Stickstoff als beide Ringe verknüpfendes Heteroatom sind Dehydropyrrolizinium- und Dehydrochinolizinium-Ion sowie Indolizin: 7 6
 
 N
 
 7a 4
 
 5
 
 3H-Pyrrolizin
 
 N
 
 8
 
 1 2
 
 6
 
 3
 
 Dehydropyrrolizinium-Ion
 
 9
 
 8a
 
 8 2
 
 N
 
 9a
 
 2
 
 5N
 
 4
 
 6
 
 Indolizin
 
 N 4
 
 Dehydrochinolizinium-Ion
 
 9aH-Chinolizin
 
 Die vollständig hydrierten Derivate Pyrrolizidin, Indolizidin und Chinolizidin sind Grundgerüste einiger Alkaloide (Kap. 39.2.3): N
 
 N
 
 Pyrrolizidin
 
 N
 
 Indolizidin
 
 Chinolizidin
 
 Indolizine 2-Alkylindolizine werden nach TSCHITSCHIBABIN aus α-Halogenketonen durch KNOEVENAGELAlkenylierung und Dehydrohalogenierung der zunächst entstandenen N-2-OxoalkylpyridiniumSalze hergestellt: ̈
 
 O
 
 CH3 N
 
 C
 
 +
 
 CH3 N
 
 R
 
 Br α-Picolin
 
 Br
 
 α-Bromketon
 
 O
 
 NaHCO3
 
 − HBr , − H2O
 
 R
 
 R
 
 N 2-Alkylindolizin
 
 Pyrrolizin-Derivate Pyrrolizine sind in Form partiell oder vollständig hydrierter sowie kondensierter Derivate stabil. Pyrrolo[2,1,5-c,d]indolizin (Cycl[3.2.2]azin) bildet sich nach BOECKELHEIDE durch Formylierung von metalliertem 5-Methylindolizin und anschließendem elektrophilen Ringschluß: H
 
 H3C
 
 + N
 
 CH2 Li
 
 N H3C
 
 O
 
 C O
 
 − LiN(CH3)2
 
 N
 
 H
 
 HO N
 
 H
 
 2
 
 − H2O
 
 1 7a
 
 2a
 
 3
 
 N
 
 4 4a 5
 
 7 6
 
 Cycl[3.2.2]azin
 
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 34.14 Heterokondensierte Heteroaromaten
 
 713
 
 Chinolizin-Derivate Chinolizin entsteht in Form des 9aH-Tetracarbonsäureesters durch 1,4-dipolare Cycloaddition von Acetylendiester an Pyridin: O N
 
 OCH 3
 
 C
 
 N
 
 CO2CH 3
 
 H3CO2C
 
 +
 
 CO2CH3
 
 CO2CH 3 CO2CH 3
 
 CO2CH 3
 
 H 3CO2C CO2CH 3
 
 +
 
 N
 
 CO2CH 3
 
 9aH-Chinolizin-1,2,3,4-tetracarbonsäuretetramethylester
 
 CO2CH 3
 
 N
 
 H 3CO2C
 
 CO2CH 3 CO2CH 3
 
 Ein weiterer Weg zu 2-Alkyldehydrochinolizinium-Salzen ist die Cyclisierung metallierter α-Picoline mit 2,2-Dimethoxyethylketonen: O
 
 Li + HBr
 
 R N
 
 N
 
 − LiBr
 
 CH(OCH3)2
 
 H3CO
 
 H
 
 OH R
 
 OH R
 
 + HBr
 
 N
 
 − 2 CH 3OH
 
 Br
 
 OCH3
 
 − 2 CH 3CO2H
 
 + (CH 3CO) 2O
 
 CH2 Li
 
 O +
 
 N
 
 (H3CO)2CH
 
 C
 
 R
 
 2-Alkyldehydrochinolizinium-bromid
 
 CH2
 
 R N Br
 
 34.14.2 Purine Die als Purine bekannten Imidazo[4,5-d]pyrimidine kommen als Nucleobasen der Nucleinsäuren, als Phytohormone, Harnsäure und Xanthin-Derivate natürlich vor (Tab. 34.5). Sie können in Form der 9H- und 7H-Tautomeren vorliegen: 6 1N
 
 5
 
 9
 
 N
 
 4
 
 3
 
 H N
 
 7
 
 N
 
 N
 
 8
 
 N H
 
 7
 
 N
 
 N
 
 9H-Purin
 
 9
 
 7H-Purin
 
 Der letzte Schritt fast aller Purin-Synthesen ist, in Analogie zur Benzimidazol-Synthese, ein Ringschluß von 4,5-Diaminopyrimidin-Derivaten mit einem Ameisensäure-Derivat als C1-Elektrophil: R
 
 R O
 
 NH2
 
 N
 
 + N
 
 NH2
 
 C H HO
 
 − H2O
 
 N N
 
 H N
 
 R C O
 
 NH 2
 
 H
 
 N N
 
 H N N H
 
 R H OH
 
 − H2O
 
 N
 
 N N
 
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 N H
 
 714
 
 34 Heteroaromaten Tab. 34.5. Purin-Derivate natürlicher Herkunft O
 
 NH2 Nucleobasen (aus Nucleinsäuren)
 
 N
 
 N N
 
 O N
 
 HN
 
 N H
 
 H2N
 
 N
 
 Adenin
 
 Guanin
 
 N H
 
 HN
 
 HN N
 
 N N
 
 N H
 
 O
 
 Zeatin
 
 O N
 
 N H
 
 N H
 
 O
 
 Purin-Stimulantien O
 
 O N
 
 N
 
 O N H
 
 N H
 
 Harnsäure (Harn- , Blasen- , Nierensteine, Gelenkablagerungen bei Gicht)
 
 O N
 
 N H H N
 
 HN
 
 Xanthin (Blut, Harn, Leber)
 
 H 3C
 
 CH 2OH
 
 N
 
 O Stoffwechselprodukte
 
 N H
 
 N
 
 N
 
 Kinetin
 
 HN
 
 N
 
 Hypoxanthin
 
 CH 3
 
 O Phytohormone (Zellteilung, Pflanzenwachstum)
 
 N
 
 HN
 
 HN
 
 N H
 
 O
 
 N
 
 H 3C
 
 N
 
 O
 
 CH 3 N
 
 N N
 
 N
 
 CH 3
 
 CH3
 
 Theobromin (Tee , Kakao , Colanuß)
 
 Coffein (Tee , Kaffee , Mate)
 
 CH3 Theophyllin (Tee)
 
 O
 
 CH3 N
 
 Bei der Guanin-Synthese nach TRAUBE werden Guanidin und Cyanessigsäureethylester zum 2,4Diamino-6-oxo-1,6-dihydropyrimidin cyclisiert. Anschließende Nitrosierung und Reduktion führt zum 6-Oxo-2,4,5-triamino-1,6-dihydropyrimidin, das mit Ameisensäure zu Guanin cyclokondensiert: O H5C 2O NH H 2N
 
 C
 
 C +
 
 O CH2 C
 
 NH 2 N
 
 NaOC2H5
 
 − C2H5OH
 
 O NaNO2
 
 HN
 
 +
 
 H 2N
 
 N
 
 NH 2
 
 NO
 
 HN +
 
 + [NO ] , − [ H ]
 
 H2N
 
 N
 
 + 4 [H+] , + 4 e0
 
 NH4SH oder Na2S2O4
 
 O N
 
 HN H 2N
 
 N Guanin
 
 N H
 
 + HCO2H (CH3CO) 2O
 
 − 2 H2O
 
 NH2 −
 
 − 4 H2O
 
 O NH2
 
 HN H2N
 
 N
 
 NH2
 
 Zur Synthese des Adenins nach TODD cyclisiert man Formamidin mit Phenylazomalodinitril zu 4,6-Diamino-5-phenylazopyrimidin, hydriert letzteres zum 4,5,6-Triaminopyrimidin und schließt den Imidazol-Ring mit Dithioformiat:
 
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 34.14 Heterokondensierte Heteroaromaten
 
 N NH H
 
 C
 
 C +
 
 H C
 
 715
 
 NH 2 N
 
 N
 
 C6H 5
 
 −
 
 C4H9O
 
 N
 
 N
 
 C
 
 C6H 5 4,6-Diamino-5-phenylazopyrimidin
 
 NH2
 
 N
 
 NH2 N
 
 N
 
 − C6H5NH2
 
 + H2 / Ni
 
 S
 
 NH 2
 
 +H
 
 NH2
 
 N N
 
 NH 2
 
 C
 
 N
 
 S Na
 
 − NaSH
 
 NH2
 
 H N
 
 NH2 C
 
 H
 
 − H2S
 
 S NH 2
 
 N
 
 N
 
 N N
 
 4,5,6-Triaminopyrimidin
 
 N H
 
 Adenin
 
 34.14.3 Pteridine Derivate der Pteridine (Pyrazino[2,3-d]pyrimidine) finden sich als Flügelpigmente einiger Schmetterlinge sowie als Wirkstoffe der Vitamin-B-Gruppe mit Pterin-Grundskelett (Tab. 34.6). O
 
 5
 
 4a
 
 3N
 
 N Pteridin
 
 N 1
 
 8a
 
 H 2N
 
 N 8
 
 N
 
 HN
 
 Pterin
 
 N
 
 N
 
 Tab. 34.6. Pteridin-Derivate natürlicher Herkunft O Flügelpigmente von Schmetterlingen
 
 Xanthopterin weiß (Kohlweißling)
 
 N
 
 HN H 2N
 
 O
 
 H O
 
 Leucopterin gelb (Zitronenfalter)
 
 N
 
 N
 
 HN H2N
 
 N
 
 H N
 
 O
 
 N
 
 O
 
 H O Wirkstoffe der Vitamin-B-Reihe
 
 6-Methylpterin
 
 C
 
 O
 
 Folsäure (Spinat , Leber, Bakterienwuchsstoff)
 
 N
 
 HN H2N
 
 N-Formyltetrahydrofolsäure , Folinsäure , Citrovorum-Faktor (Wachstumsfaktor , Coenzym F, C1-Überträger , "F" steht für Formylierung)
 
 N O
 
 N
 
 CO2H
 
 H O O
 
 C
 
 N
 
 HN H2N
 
 C
 
 N H
 
 N
 
 N H
 
 CO2H
 
 CO2H N H
 
 N
 
 CO2H
 
 H
 
 N
 
 p-Aminobenzoesäure
 
 H
 
 L-Glutaminsäure
 
 5-Formyl-6-methyl5,6,7,8-tetrahydropterin
 
 R Vitamin-B2 , Riboflavin (Milch , Eiklar , Baustein von Enzymen der Atmungskette)
 
 H3C H3C
 
 N
 
 CH2OH N
 
 O NH
 
 N O
 
 7,8-Dimethyl-10-ribitylisoalloxazin (7,8-Dimethyl-2,4-dioxo-10-ribityl2,3,4,10-tetrahydrobenzo[g]pterin
 
 HO C H R = HO C H HO C H CH2 (Ribityl-)
 
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 716
 
 34 Heteroaromaten
 
 In Analogie zur Synthese der Chinoxaline und Phenazine (Kap. 34.11.6) erhält man Pteridine durch Cyclokondensation von 4,5-Diaminopyrimidinen mit 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen: NH 2
 
 N
 
 O
 
 R1
 
 O
 
 R2
 
 − 2 H2O
 
 + N
 
 NH 2
 
 N N
 
 N
 
 R1
 
 N
 
 R2
 
 Entsprechend gelingt die Synthese von 10-Alkylisoalloxazinen aus o-Phenylendiaminen und Alloxan, das man durch oxidative Spaltung der Harnsäure mit Salpetersäure erhält (Kap. 34.15.2): CH 3 H3C
 
 CH 3
 
 NH
 
 HO
 
 N
 
 + H3C
 
 NH 2
 
 O
 
 − 2 H2O
 
 NH
 
 O
 
 H3C
 
 N
 
 H3C
 
 N
 
 N
 
 NH
 
 O
 
 O
 
 Alloxan
 
 N,4,5-Trimethyl-o-phenylendiamin
 
 O
 
 7,8,10-Trimethylisoalloxazin
 
 7,8,10-Trimethylisoalloxazin (Lumiriboflavin) entsteht auch durch UV-Bestrahlung des Riboflavins. Diese Photoreaktion trug zur Klärung der Riboflavin-Struktur bei.
 
 34.15 Reaktionen heterokondensierter Heteroaromaten 34.15.1 Basizität und Acidität Während der pK-Wert des Purins (pKa = 2.30) zwischen den Werten des Pyrimidins und Imidazols liegt, ist Pteridin stärker basisch (pKa = 4.05) als Pyrimidin und Pyrazin. Purin ist außerdem eine relativ starke NH-Säure (pKa = 8.96), weil sich die negative Ladung des Anions auf alle vier RingN-Atome verteilen kann: 6 1N
 
 N 3
 
 5
 
 4
 
 7
 
 − [H+]
 
 N 9
 
 8
 
 N H
 
 N
 
 N N
 
 N
 
 N
 
 N N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 Purin-Anion
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 Alkylierungen des Purins geschehen bevorzugt in Stellung 9. Dies macht die regioselektive Synthese von Purin-Nucleosiden (Kap. 41.6.1) möglich.
 
 34.15.2 Ringspaltungen Nucleophile wie Alkylmagnesiumhalogenide öffnen die Dehydrochinolizinium-Salze:
 
 N Br
 
 +
 
 R Mg Br
 
 R
 
 − MgBr 2
 
 N R = CH3 : 1-(2-Pyridyl)-1,3-pentadien
 
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 34.15 Reaktionen heterokondensierter Heteroaromaten
 
 717
 
 In Pteridinen wird der Pyrimidin-Ring bevorzugt quaternisiert; dieser öffnet sich auch bei der Spaltung von Pteridinen in saurer oder alkalischer Lösung; dabei bilden sich Imino-Derivate des 2-Aminopyrazin-3-aldehyds: HO
 
 N
 
 N
 
 + N
 
 N
 
 N
 
 H 2N OH
 
 N
 
 N H 2N
 
 N H
 
 Die Ringöffnung von Purinen gelingt nur oxidativ. Welcher Ring gespalten wird, hängt vom Oxidationsmittel ab, wie das Beispiel der Harnsäure zeigt:
 
 H2N O
 
 O
 
 H N
 
 O
 
 PbO2
 
 O
 
 HN
 
 N H
 
 N H
 
 HNO3
 
 O
 
 O
 
 Allantoin
 
 O
 
 H N
 
 N H
 
 O
 
 HN
 
 N H
 
 O
 
 N H
 
 O
 
 Alloxan
 
 Harnsäure
 
 34.15.3 Nucleophile Additionen Nucleophilen Additionen sind vor allem Pteridin-Derivate zugänglich. Dabei wird der PyrimidinRing bereits von schwachen Nucleophilen angegriffen, z. B. durch Wasser oder durch Malonat als C-Nucleophil: HO H N
 
 N
 
 + N
 
 N
 
 HN
 
 H 2O
 
 N
 
 N
 
 N
 
 Pteridin-Hydrat
 
 N
 
 N O
 
 CO2C 2H5 + H2C
 
 N H
 
 Base
 
 CH2C 2H5
 
 N
 
 H CH(CO2C 2H5)2 N HN O
 
 N H
 
 N
 
 4-(Diethoxycarbonylmethyl)-2-oxo1,2,3,4-tetrahydropteridin
 
 Komplexe Metallhydride reduzieren selektiv den Pyrazin-Ring des Pteridins als 1,2-Diimin und Analogon von 1,2-Dicarbonyl-Verbindungen: R
 
 R N
 
 N R
 
 + N
 
 N
 
 4[H]
 
 LiAlH4
 
 N R
 
 N
 
 H N N H
 
 2,4-Dialkyl-5,6,7,8tetrahydropteridin
 
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 718
 
 34 Heteroaromaten
 
 34.15.4 Nucleophile Substitutionen Halogenpteridine und Halogenpurine lassen sich nucleophil substituieren. Purine werden fast nur in Stellung 6 und 2 substituiert (6 > 2 >> 8): O HN O
 
 Cl
 
 H N O
 
 N H
 
 N H
 
 + 3 PCl 5
 
 N
 
 − 3 POCl 3 − 3 HCl
 
 Cl
 
 Harnsäure
 
 O
 
 O N Cl
 
 + OH
 
 N H
 
 N
 
 − Cl
 
 −
 
 N
 
 HN Cl
 
 2,6,8-Trichlorpurin
 
 + NH 3
 
 Cl
 
 −
 
 − HCl
 
 N H
 
 N
 
 N
 
 HN H 2N
 
 2,8-Dichlorhypoxanthin
 
 Cl N
 
 N H
 
 8-Chlorguanin
 
 34.15.5 Elektrophile Substitutionen Elektrophile Substitutionen an heterocyclisch kondensierten Heteroaromaten sind selten. Sie gelingen − wenn überhaupt − nur am elektronenreicheren Fünfring, z. B. in Stellung 8 des Purins. So kann man 9-Methylxanthin zum 8-Nitro-Derivat nitrieren: O
 
 O N
 
 HN O
 
 + N
 
 N H
 
 [NO2 ]
 
 HNO3
 
 N
 
 HN
 
 +
 
 − [H ]
 
 O
 
 N H
 
 CH3
 
 N
 
 NO2
 
 CH3
 
 9-Methyl-8-nitroxanthin
 
 34.15.6 CH-Acidität von Methyl-Gruppen Auch die zum Stickstoff α- und γ-ständigen Methyl- und Methylen-Gruppen heterocyclisch kondensierter Pyridine sind CH-acide. 2-Methyldehydrochinolizinium-Salze werden z. B. mit Benzaldehyden nach KNOEVENAGEL zu Styryldehydrochinolizinium-Salzen alkenyliert: N(CH3)2
 
 N(CH 3)2 CH 3 N
 
 Br
 
 +
 
 O
 
 − H2O
 
 C H
 
 N
 
 Br
 
 2-[4-(N,N-Dimethylamino)styryl]dehydrochinolizinium-bromid
 
 34.16 Höhergliedrige Heterocyclen und Heteroaromaten 34.16.1 Ringvinyloge der Fünfring-Heteroaromaten Eine Übersicht in Tab. 34.7 zeigt, daß die kleineren und größeren Ringhomologen des Furans, Pyrrols und Thiophens 4, 8, 10,... π-Elektronensysteme sind, wenn man ein nichtbindendes Elektronenpaar des Heteroatoms mit einbezieht Die dreigliedrigen Ringe Oxiren, 1H-Azirin und Thiiren sollten als 4π-Elektronensysteme nicht aromatisch sein. Sie wurden bisher nicht dargestellt. 2H-Azirine, von denen einige Vertreter bekannt sind, lagern sich nicht in die 1H-Tautomeren um.
 
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 34.16 Höhergliedrige Heterocyclen und Heteroaromaten
 
 719
 
 Tab. 34.7. Einige Ringhomologe der Fünfring-Heteroaromaten (CH CH)m
 
 Allgemeine Formel
 
 Anzahl der π-Elektronen
 
 Formel
 
 2 6
 
 X 3 8
 
 4 10
 
 X
 
 X
 
 X
 
 Furan Pyrrol Thiophen
 
 Oxepin Azepin Thiepin
 
 Oxonin Azonin Thionin
 
 1 2
 
 Anzahl der CC-Doppelbindungen
 
 X
 
 Bezeichnung
 
 Oxiren 1H-Azirin Thiiren
 
 X=O X = NH X=S
 
 ....... .......
 
 8 18
 
 X Oxa[17]annulen 1H-Aza[17]annulen Thia[17]annulen
 
 Als 8π-Elektronensysteme und Heteroanaloga des Cycloheptatrienid-Anions sind alle "Epine" nicht aromatisch; sie liegen als nicht planare, rasch invertierende Pseudo-Wannenformen vor, z. B.: O
 
 Ringinversion des Oxepins
 
 O
 
 Oxepine, Thiepine, Azepine Von den Siebenringen wurden Oxepine, Thiepine sowie einige N-substituierte Azepine dargestellt. Oxepin ist das Valenztautomer des Benzenoxids; dementsprechend gelingt seine Synthese: ̈
 
 + R−CO3H
 
 O
 
 − R−CO2H
 
 Br
 
 + Br 2
 
 O
 
 CH3ONa
 
 4,5-Epoxycyclohexen
 
 O
 
 − 2 HBr
 
 Br
 
 O
 
 Benzenoxid (5,6-Epoxy-1,3-cyclohexadien)
 
 4,5-Dibrom-1,2-epoxycyclohexan
 
 Oxepin
 
 Thiepine entstehen durch [2+2]-Cycloaddition von Ethindicarbonsäurediestern an 3-N,N-Dialkylaminothiophene und elektrocyclische Öffnung des intermediären Thiabicyclo[3.2.0]heptadiens:
 
 CO2R
 
 N
 
 N
 
 + S
 
 S
 
 CO2R
 
 N
 
 CO2R
 
 CO2R
 
 CO2R
 
 CO2R
 
 S 3,4-Diethoxycarbonyl-5-(1-pyrrolidinyl)thiepin
 
 Azepine bilden sich aus Arenen durch [2+1]-Cycloaddition elektronenarmer Nitrene, die in situ aus der Photolyse Akzeptor-substituierter Azide hervorgehen. Das primär entstehende Azanorcaradien isomerisiert durch COPE-Umlagerung zum Azepin: R
 
 +
 
 N A hν
 
 R
 
 R
 
 N A
 
 − N2
 
 N N N A
 
 N A
 
 N-(p-Methoxybenzyloxycarbonyl)1H-azepin
 
 A=
 
 CO O CH2
 
 OCH3
 
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 720
 
 34 Heteroaromaten
 
 Diazepine 1,2-, 1,3- und 1,4-Diazepine sind Ring-Vinyloge des Pyrazols und Imidazols. Von diesen bilden die 1,2-Diazepine 1H-, 3H- und 4H-Tautomere; das 5H-Tautomer existiert allerdings nur in Form des valenztautomeren Diazanorcaradiens. ̈
 
 N
 
 H
 
 N 1H-
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 3H4HTautomere des 1,2-Diazepins
 
 5H-
 
 N
 
 H
 
 N
 
 Diazanorcaradien
 
 1H-1,3-Diazepin
 
 N
 
 H
 
 N 1H-1,4-Diazepin
 
 Substituierte Benzo[b]-1,4-diazepine sind aus Aren-1,2-diaminen und 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen zugänglich: O
 
 − 2 H2O
 
 O
 
 R
 
 N
 
 (CH3 CO2 H)
 
 + NH 2
 
 H
 
 R
 
 NH 2
 
 N
 
 R
 
 R
 
 2,4-Dialkylbenzo[b]1,4-diazepin
 
 Benzo[e]-1,4-diazepin ist Stammheterocyclus des Diazepams und anderer von diesem abgeleiteten Psychopharmaka. Diazepam wird durch Cyclokondensation des 5-Chlor-2-aminobenzophenons mit Glycinethylester als Hydrochlorid in Pyridin und nachfolgende N-Methylierung hergestellt.
 
 Cl
 
 O
 
 H
 
 O
 
 NH2 +
 
 H5C 2O H 2N
 
 C 6H5
 
 Pyridin
 
 − C2H5OH − H2O
 
 CH 3
 
 O
 
 N
 
 + CH3
 
 − HI
 
 N
 
 Cl
 
 N
 
 Cl
 
 C6H 5
 
 O
 
 N
 
 I
 
 C6H 5 Diazepam
 
 Oxonine, Thionine, Azonine Die Neunringe Oxonin, Thionin und Azonin können als 10π-Elektronensysteme aromatisch sein. Oxonin und Azonin sowie benzo-kondensierte Thionine sind faßbar. Oxonin entsteht bei der Belichtung des Epoxycyclooctatriens bei tiefer Temperatur in Form eines cis-trans-IsomerenGemisches. Beide Isomere lagern sich bei höherer Temperatur zu cis- bzw. trans-3a,7a-Dihydrocumaron um, wobei das cis-Isomer etwas thermostabiler ist: ̈
 
 mono-trans-
 
 cishν , − 80 °C
 
 O
 
 O
 
 Oxonin
 
 O
 
 30 °C
 
 H
 
 H cis-
 
 − 15 °C
 
 H O
 
 H 3a,7a-Dihydrocumaron
 
 O
 
 trans-
 
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 34.16 Höhergliedrige Heterocyclen und Heteroaromaten
 
 721
 
 Azonin entsteht als N-Ethoxycarbonyl-Derivat bei der Belichtung von N-Ethoxycarbonyl-9azabicyclo[6.1.0]nona-2,4,6-trien. Die Verseifung und Decarboxylierung liefert das unsubstituierte Azonin, dessen katalytische Hydrierung Azacyclononan ergibt:
 
 N CO2C2H 5
 
 hν
 
 N CO2C2H 5 N-Ethoxycarbonylazonin
 
 + KOC(CH3) 3 THF
 
 − CO2 − (H3C) 2C=CH2 − KOC2H5
 
 + 4 H2 , Kat.
 
 NH Azonin
 
 NH Azacyclononan
 
 Im Gegensatz zu Oxonin ist Azonin bis 50 °C stabil. Sein Protonenresonanz-Spektrum zeigt drei Signale zwischen δH = 5.75 und 7.15; Stabilität und 1H-Verschiebungswerte deuten auf die Aromatizität des 10π-Elektronensystems hin. Hetero[17]annulene ̈ Als makrocyclische Ringhomologe der Fünfring-Heteroaromaten wurden die Oxa- und Aza[17]annulene durch Belichtung der Epoxide und Aziridine des Cyclooctatetraen-Dimers erhalten:
 
 X
 
 hν , − 70 °C
 
 X X=O : Oxa[17]annulen X = N−CO2C2H5 : N-Ethoxycarbonylaza[17]annulen
 
 Die 1H-Verschiebungen sprechen allerdings gegen eine Aromatizität dieser Heteromakrocyclen.
 
 34.16.2 Ringvinyloge des Pyridins Von den in Tab. 34.8 ausgewählten Ringvinylogen des Pyridins wurde das Azaanalogon des Cyclobutadiens in Gestalt des Tri-t-butylazets (Kap. 33.3.3) bereits erwähnt. Außerdem gelang die Herstellung von Derivaten des Azocins und des Aza[10]annulens. Polyaza[18]annulen-Systeme sind in den Porphyrinen und Phthalocyaninen verwirklicht (Kap. 35.7). Tab. 34.8. Einige Ringhomologe (Vinyloge) des Pyridins Anzahl der π-Elektronen
 
 4
 
 6
 
 8
 
 10
 
 .......
 
 18 N
 
 Formel
 
 Bezeichnung
 
 N
 
 Azet
 
 N Pyridin
 
 N Azocin
 
 N Aza[10]annulen
 
 Aza[18]annulen
 
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 722
 
 34 Heteroaromaten
 
 Azocin Während das unsubstituierte Azocin sich oberhalb 50 °C zersetzt, ist das 2-Methoxy-Derivat eine beständige Verbindung, die man nach PAQUETTE durch Allylbromierung und anschließende Dehydrobromierung des 8-Methoxy-7-azabicyclo[4.2.0]octa-3,7-diens erhält: ̈
 
 +
 
 SO2Cl
 
 N
 
 N
 
 C
 
 SO2Cl
 
 + H2 , Kat.
 
 − SO2 − HCl
 
 O
 
 O
 
 NH
 
 + (H3C) 3O+ BF4
 
 O
 
 −
 
 N
 
 − (H3C) 2O − HF , − BF3
 
 Chlorsulfonylisocyanat
 
 OCH 3
 
 NBS-Bromierung in CCl4
 
 N
 
 KOC(CH3) 3
 
 N
 
 OCH3
 
 OCH 3
 
 2-Methoxyazocin
 
 − HBr
 
 N Br
 
 OCH 3
 
 2-Methoxyazocin bildet wahrscheinlich eine Wannenform. Seine 1H-Verschiebungen sprechen für ein Azacyclopolyen. Die katalytische Hydrierung liefert 2-Methoxy-1-azacycloocten. Elektrochemisch oder durch Alkalimetalle wird es zum planaren Azocin-Dianion reduziert. Aza[10]annulene Nicht überbrückte Aza[10]annulene ebnen sich wegen der inneren H-Atome ebenso wenig ein wie die [10]Annulene (Kap. 30.10.1); sie sind daher keine Aromaten und bisher unzugänglich. Methano-überbrückte Aza[10]annulene bilden sich dagegen nach VOGEL aus Cycloheptatrien-1,6dialdehyd im Verlauf einer sechsstufigen Synthese. Überzeugendstes Argument für die Aromatizität dieses 10π-Elektronensystems sind die den Ringstromeffekt widerspiegelnden chinolinähnlichen 1H-Verschiebungen. ̈
 
 O
 
 O
 
 1.) + (C6H5) 3P=CH2 2.) + As2O
 
 1.) + SOCl2 2.) + NaN3
 
 1.) − (C6H5) 3P=O 2.) − 2 As
 
 1.) − SO2 , − HCl 2.) − NaCl
 
 CO2H
 
 CON 3 Toluen , ∆
 
 N H
 
 N
 
 O
 
 − N2
 
 N
 
 O
 
 C
 
 O
 
 + H3C−C6H4−SO2Cl / KOH − HCl
 
 0.4 ; 0.65
 
 11 7 9
 
 1
 
 6
 
 5
 
 N
 
 3
 
 + H2 , Kat.
 
 OTs
 
 − TsOH
 
 7.38
 
 6.6 - 7.2 7.38
 
 6.5
 
 N
 
 8.23
 
 1,6-Methano-2-aza[10]annulen mit Protonen-Verschiebungen
 
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 35.1
 
 Farbe, Farbstoffe, Pigmente
 
 723
 
 35 Organische Farbstoffe 35.1 Farbe, Farbstoffe, Pigmente 35.1.1
 
 Absorbiertes Licht und Farbe
 
 Absorbiert eine Verbindung einen bestimmten Bereich des sichtbaren Spektrums (380 - 770 nm, Abb. 28.1), so ist sie farbig. Vom menschlichen Auge wird der nicht absorbierte, gestreute und reflektierte Teil des Spektrums wahrgenommen. Er entspricht der Komplementärfarbe des absorbierten Lichts (Tab. 35.1). Tab. 35.1. Absorbiertes und gestreutes Licht farbiger Verbindungen (Komplementärfarben) absorbiertes Licht Wellenlängenbereich [nm] 380 - 430 430 - 480 480 - 490 490 - 500 500 - 560 560 - 580 580 - 595 595 - 605 605 - 750 750 - 770
 
 35.1.2
 
 zugehörige Farbe violett blau grünblau blaugrün grün gelbgrün gelb orange rot purpur
 
 gestreutes und reflektiertes Licht wahrgenommene Farbe
 
 gelbgrün gelb orange rot purpur violett blau grünblau blaugrün grün
 
 Farbstoffe und Pigmente
 
 Ein Farbstoff ist eine farbige Verbindung, welche aufgrund ihrer funktionellen Gruppen oder ihres Molekülbaus mit einem Träger (Substrat) chemisch reagiert, an ihm adsorbiert wird oder in ihn hineindiffundiert. Der Farbstoff überträgt dabei seine Eigenfarbe auf den Träger, er färbt z. B. eine Textilfaser. Pigmente sind Substanzen, deren Eigenfarbe man durch Beimischen oder Beschichten auf einem Träger mechanisch verankert. Die optischen Eigenschaften eines Pigments hängen von seinem Absorptions- und Streuvermögen ab; Weißpigmente absorbieren im gesamten sichtbaren Bereich sehr wenig, streuen dagegen stark. Umgekehrt ist bei Schwarzpigmenten die Absorption sehr groß gegen die Streuung. Buntpigmente absorbieren selektiv.
 
 35.2 Bauprinzip von Farbstoffen Um farbig zu sein, muß eine Verbindung bekanntlich mehrere konjugierte Chromophore enthalten (Kap. 28.2.5). Farbstoff ist eine Verbindung jedoch erst, wenn sie an einem Trägermaterial, z. B. einer Faser, so haftet, daß dieses dauerhaft gefärbt wird. Ein Farbstoff wird vom Träger somit fest adsorbiert oder chemisch gebunden. Chemische Bindungen sind am einfachsten mit funktionellen
 
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 724
 
 35 Organische Farbstoffe
 
 Gruppen knüpfbar, z. B. den Nucleophilen −NH2, −NHR, −NR2, −OH. Diese reaktiven Gruppen sind häufig zugleich Auxochrome (Kap. 28.2.4): Sie verschieben die Lichtabsorption weiter in den sichtbaren Bereich. Azobenzen, die Stammverbindung der Azofarbstoffe, ist z. B. eine farbige Verbindung. Ihre Farbigkeit beruht hauptsächlich auf einer sehr intensiven ππ*- und einer wesentlich schwächeren nπ*Anregung (Tab. 35.2). Da Azo-Gruppe und Phenyl-Ringe an sich nicht reaktiv sind, ist Azobenzen selbst kein Farbstoff. Erst durch Einführung einer auxochromen Gruppe wie −N(CH3)2 in pStellung entsteht ein Azofarbstoff, das als "Buttergelb" bekannte 4-(Dimethylamino)azobenzen. Die basische Dimethylamino-Funktion kann z. B. mit sauren Gruppen einer Faser Salze bilden und auf diese Weise färben. Zusätzlich verschiebt die Dimethylamino-Gruppe die intensive ππ*Bande nach längeren Wellen, wo sie die weniger zur Lichtabsorption beitragende nπ*-Bande überdeckt (Tab. 35.2). Die Einführung einer Nitro-Gruppe als Chromophor in p'-Stellung ergibt schließlich eine weitere Bathochromverschiebung (Tab. 35.2). Tab. 35.2. Farbverursachende Lichtabsorptionsbanden von Azobenzen-Derivaten Verbindung
 
 N
 
 Azobenzen
 
 N
 
 4-(Dimethylamino)azobenzen
 
 4-(Dimethylamino)4'-nitroazobenzen
 
 λmax
 
 Emax [mol −1 cm−1]
 
 Übergang
 
 [nm]
 
 n-Hexan
 
 330 450
 
 17000 465
 
 ππ* nπ*
 
 Ethanol
 
 408
 
 27500
 
 ππ*
 
 Ethanol
 
 478
 
 33100
 
 ππ*
 
 Lösemittel
 
 N
 
 N(CH3)2
 
 N
 
 N(CH3)2
 
 N
 
 O2N
 
 N
 
 An den in Tab. 35.2 beschriebenen Azobenzen-Derivaten erkennt man das Bauprinzip eines Farbstoffs: Die Farbigkeit verursacht ein System konjugierter Chromophorer, das Chromogen. Die Farbstoffeigenschaft erzeugt eine reaktive Gruppe wie −N(CH3)2, welche zugleich Auxochrom ist und sich an der Mesomerie des π-Systems beteiligen kann. Ein zusätzlicher Chromophor am anderen Ende des π-Systems wie die Nitro-Gruppe gleicht den Elektronendruck des Auxochroms aus, übernimmt dessen eingebrachte negative Ladung, erweitert so das π-System und verschiebt das Lichtabsorptionsmaximum nach längeren Wellen. Farbstoffe sind somit ausgedehnte "push-pull"Systeme, wie die Mesomerie des 4-(Dimethylamino)-4´-nitroazobenzens zeigt: O O
 
 O
 
 N
 
 O N
 
 N
 
 N N
 
 N(CH 3)2
 
 N N(CH3)2
 
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 35.3
 
 Azofarbstoffe
 
 725
 
 In das Bauprinzip "Elektronendonator-konjugiertes-π-System-Elektronenakzeptor" oder gleichbedeutend "Auxochrom-Chromogen-Chromophor" lassen sich alle im folgenden besprochenen Farbstoffklassen einordnen.
 
 35.3 Azofarbstoffe 35.3.1
 
 Tautomerie
 
 Azofarbstoffe existieren meist als trans-Azobenzen-Derivate (Kap. 23.8.1), die in 2-Amino- und 2-Hydroxyazobenzenen durch eine intramolekulare Wasserstoffbrücke stabilisiert werden. Zusätzlich liegt ein Tautomerie-Gleichgewicht zwischen Azo- und Hydrazon-Form vor, z. B.: O
 
 O
 
 H
 
 H N
 
 N N
 
 N
 
 Azo-Tautomer
 
 Hydrazon-Tautomer 1-Phenylazo-2-naphthol
 
 35.3.2
 
 Herstellung
 
 Eine allgemeine Methode zur Herstellung von Azofarbstoffen ist die Azo-Kupplung von Aryldiazonium-Salzen mit Aromaten (Kap. 23.8), die durch Elektronendonoren (Auxochrome) zur elektrophilen Substitution aktiviert werden, also nucleophil sind. Heterocyclische Azofarbstoffe entstehen durch oxidative Kupplung. Hierbei wird ein heterocyclisches Amidrazon zum elektrophilen Azenium-Ion oxidiert. Dieses kuppelt mit Nucleophilen zum Hydrazon, dessen Oxidation zur Azo-Verbindung führt. Amidrazone sind u. a. durch Hydrazinolyse heterocyclischer Thioether zugänglich, z. B.: S
 
 S
 
 SH
 
 S N
 
 N H
 
 + 2 (H3CO) 2 SO2 − H3COSO3H
 
 S SCH 3
 
 N
 
 + N2H4
 
 S
 
 − CH3 SH
 
 N
 
 CH 3 CH 3OSO3
 
 N NH 2
 
 H CH 3 CH 3OSO3
 
 − H3 COSO3 H
 
 H
 
 H N
 
 S N
 
 N(CH 3)2
 
 +
 
 N(CH3 ) 2
 
 NH
 
 S N
 
 N
 
 − [H+] , − 2 e0
 
 −
 
 N
 
 CH 3
 
 N
 
 NH 2
 
 N
 
 CH 3
 
 CH 3 Amidrazon
 
 Azenium-Ion
 
 − [H+]
 
 S
 
 H N
 
 S N N CH 3
 
 N(CH 3)2
 
 −
 
 − [H ] , − 2 e0
 
 N
 
 S
 
 +X +
 
 −
 
 N
 
 N(CH 3)2
 
 N CH 3 X
 
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 726
 
 35 Organische Farbstoffe
 
 Das Prinzip der oxidativen Kupplung des Hydrazino-Heterocyclus mit dem Nucleophil INuH läßt sich in folgendem Schema zusammenfassen: H N
 
 H + NuH
 
 N
 
 N
 
 N
 
 +
 
 − [H ] , − 2 e0
 
 N
 
 35.3.3
 
 N
 
 N
 
 N
 
 H
 
 +
 
 Nu
 
 − [H ]
 
 H
 
 N
 
 −
 
 +
 
 − [H ] , − 2 e0
 
 NH 2
 
 N
 
 N
 
 Nu
 
 −
 
 N
 
 N
 
 N
 
 Nu
 
 Methoden der Textilfärbung mit Azofarbstoffen
 
 Direkt-Färbung Eine hauptsächlich für Baumwollgewebe (Cellulose, Kap. 40.9.1) anwendbare Färbemethode ist die Direkt- oder Substantiv-Färbung. Wie die Kristallstrukturanalyse zeigt, ordnen sich die kettenförmigen Makromoleküle des Polysaccharids Cellulose zu Bündeln an. In die Hohlräume dieser Bündel lagern sich die zunächst wasserlöslichen langgestreckten Moleküle der Substantiv-Farbstoffe ein. Dort aggregieren sie und sind dann nicht mehr auswaschbar (waschechte Färbung). Als Substantiv-Farbstoffe werden langgestreckte Bisazo-Verbindungen auf Basis der bisdiazotierten 4,4'-Diaminostilben-2,2'-disulfonsäure eingesetzt, so z. B. das gelbe Chrysophenin. Die als rote Substantiv-Farbstoffe ("Kongorot") bekannten Kupplungsprodukte des bisdiazotierten Benzidins mit Naphthylamin-Derivaten werden infolge der Carcinogenität von Benzidin und Naphthylaminen nicht mehr verwendet. ̈
 
 SO3 + 2 NaOH
 
 H3N NH3
 
 + 2
 
 O
 
 N C O
 
 − 2 H2O
 
 SO3N a
 
 N H
 
 N H
 
 H N
 
 O3S + 2 HNO2
 
 Blankophor R
 
 − 2 H2O
 
 H N
 
 O
 
 Na O3S SO3H
 
 SO3 + 2
 
 N2
 
 OC2H5
 
 H5C2O
 
 N N N
 
 N2
 
 N O3S
 
 Chrysophenin
 
 OC2H5
 
 HO3S
 
 Phenylisocyanat addiert an 4,4´-Diaminostilben-2,2´-disulfonat zu dem als Blankophor R bekannten blaßgelben Phenylharnstoff-Derivat, das wegen seiner intensiv blauvioletten Fluoreszenz vielen Waschmitteln als optischer Aufheller für weiße Textilien (Weißtöner) beigemischt wird. Dispersions-Färbung Dispersions-Farbstoffe enthalten keine dissoziierenden Funktionen wie −SO3H oder −COOH, sondern hydrophobe Gruppen wie −OR, −NR2, −NO2, −CN, die oft auch Wasserstoffbrücken-
 
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 35.3
 
 Azofarbstoffe
 
 727
 
 Donoren oder Akzeptoren sind. Dementsprechend lösen sich diese Farbstoffe nur wenig in Wasser, ohne jedoch ganz unlöslich zu sein. Farbstoffe mit diesen Eigenschaften eignen sich zum Färben hydrophober Fasern (Polyester, Acetylcellulose). Sie ziehen aus wäßriger Dispersion auf die Faser und haften dort, wahrscheinlich infolge von Wasserstoffbrücken, Dipol-Dipol- und VAN DER WAALS-Kräften zwischen Faser und Farbstoff. Dispersion ist ein Verteilungszustand zwischen kolloider Lösung und Suspension. Viele gelbe bis rote Dispersionsfarbstoffe sind 4-Dialkylamino-4´-nitroazobenzene. Wasserlöslichkeit bzw. Hydrophobie lassen sich durch hydrophobe oder hydrophile N-Alkyl-Gruppen (−C2H5 und −CH2−CH2−CN bzw. −CH2−CH2−OH) beeinflussen. Zur Herstellung der DiazoniumSalze geht man von Nitro-amino-substituierten Aromaten bzw. Heteroaromaten aus, z. B.: CN O2N
 
 O2N
 
 NH 2 4-Nitroanilin
 
 O2N
 
 NH 2
 
 S
 
 NH 2 N
 
 2-Amino-5-nitrobenzonitril
 
 2-Amino-5-nitrothiazol
 
 Nucleophile Kupplungsreagenzien sind meist Derivate des N,N-Diethylanilins, z. B.: CH 2 CH 2 CN
 
 C 2H5
 
 C 2H5 N
 
 N
 
 CH 3
 
 CH2 CH2 OH
 
 CH 2 CH 2 C N-Ethyl-N-(3-oxobutyl)anilin
 
 N
 
 O
 
 CH 2 CH2 OH
 
 N-Ethyl-N-(2-hydroxyethyl)anilin
 
 N-(2-Cyanoethyl)-N-(2-hydroxyethyl)anilin
 
 Ein einfaches Beispiel ist das durch Kupplung von diazotiertem 4-Nitroanilin mit N-Ethyl-N-(2hydroxyethyl)anilin zugängliche Cellithonscharlach B: Cellithonscharlach B
 
 O2N
 
 C2H5
 
 N N
 
 N CH2
 
 CH2
 
 OH
 
 Ionenaustausch-Färbung Ionenaustausch-Farbstoffe sind wasserlöslich und enthalten einen oder mehrere ionische Substituenten wie Sulfo- oder Carboxy-Gruppen. Sie werden hauptsächlich zum Färben von Proteinund Polyamid-Fasern aus wäßrigen Lösungen verwendet. Die Makromoleküle dieser Fasern enthalten Amino- und Carboxy-Funktionen, die wie Aminosäuren meist zwitterionisch vorliegen: H3N
 
 CO2
 
 Zur Färbung einer Protein- oder Polyamid-Faser neutralisiert man die Carboxylat-Gruppen teilweise durch Zugabe einer Säure HX (X = Cl, CH3COO) und erhält auf diese Weise ein makromolekulares Ammonium-Salz. Der Färbevorgang ist ein Ionenaustausch von X− gegen ein FarbstoffAnion (Sulfonat oder Carboxylat). H3N X
 
 CO2H
 
 +
 
 Farbstoff
 
 H3N CO2H Farbstoff
 
 +
 
 X
 
 Ionenaustausch-Farbstoffe müssen alkali- und säureecht sein. Phenolische Hydroxy-Gruppen schützt man daher durch Alkylierung, wenn sie nicht durch intramolekulare Wasserstoffbrücken stabilisiert sind. Amino-Gruppen werden meist durch Acylierung geschützt. Aminonaphtholrot ist
 
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 728
 
 35 Organische Farbstoffe
 
 z. B. ein Ionenaustausch-Azofarbstoff, in dem die Hydroxy-Funktion durch eine Wasserstoffbrücke, die Amino-Gruppe durch Acetylierung gegen moderate pH-Veränderungen geschützt ist. O N
 
 H
 
 O
 
 HN
 
 C
 
 CH3
 
 N
 
 Aminonaphtholrot (Dinatrium-Salz)
 
 NaO3S
 
 SO3Na
 
 Entwicklungs-Färbung Bei der Entwicklungs-Färbung werden die Azo-Farbstoffe durch Azo-Kupplung auf der Faser gebildet. Hierzu wird eine Kupplungskomponente verwendet, die als Anion wasserlöslich ist, als Neutralmolekül jedoch auf Cellulose-Fasern infolge zwischenmolekularer Kräfte haftet, das 2Hydroxy-3-naphthoesäureanilid ("Naphthol AS"). Nach dem "Aufziehen" dieser Kupplungskomponente wird auf der Faser mit einem Diazonium-Salz zu einem weitgehend wasserunlöslichen Farbstoff gekuppelt. Die Wasserunlöslichkeit ist die Folge des Fehlens sauerer und basischer Funktionen, einer die Acidität schwächenden, intramolekularen Wasserstoffbrücke der phenolischen Hydroxy-Gruppe mit der Azo-Funktion und zusätzlicher hydrophober Gruppen (Alkoxyaryl-Reste). Ein typischer Entwicklungsfarbstoff ist Variaminblau, das durch Kupplung von diazotiertem 4-Amino-4´-methoxydiphenylamin mit Naphthol AS auf dem Gewebe entsteht: OCH3 HN
 
 OH H3CO
 
 NH
 
 N2 X
 
 + C
 
 4-Amino-4´-methoxydiphenylamin, diazotiert
 
 − HX
 
 H N
 
 N
 
 N
 
 H O
 
 O "Naphthol AS"
 
 C
 
 H N
 
 Variaminblau O
 
 Färbung durch Komplexbildung Die Färbung durch Komplexierung beruht darauf, daß viele Fasern Donorgruppen enthalten (Cellulose: D = −OH; Proteine: D = −NH2), die unter Mitwirkung eines zur Chelatbildung befähigten Farbstoffs ein Metallion (vorzugsweise Cr3+ mit der Koordinationszahl 6) komplexieren. Zur Färbung wird das Gewebe entweder mit Chrom(III)-Salzen oder mit Dichromat, welches durch die Faser zu Cr3+ reduziert wird, behandelt. Nach dieser "Chromierung" wird mit einem chelatbildenden Azofarbstoff gefärbt. Chelatbildende Azo-Farbstoffe sind Derivate der 5-Phenylazosalicylsäure, z. B.: D
 
 O
 
 H
 
 O O2N
 
 N N
 
 O
 
 N
 
 O
 
 N
 
 Cr O D
 
 NO2
 
 O
 
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 35.3
 
 Azofarbstoffe
 
 729
 
 In 2,2'-Dihydroxyazo-Verbindungen beteiligt sich auch die Azo-Gruppe an der Ausbildung der Chelat-Ringe, z. B. in Neolanblau ZG. O3 S
 
 O3S
 
 OH N
 
 OH
 
 D
 
 OH NH
 
 SO3
 
 N
 
 + Cr 3+, + 2 D O
 
 HO3 S
 
 O
 
 SO3
 
 N
 
 N
 
 Cr
 
 D SO3H
 
 O
 
 N Neolanblau ZG
 
 D
 
 Beizenfärbung Bei der an Bedeutung verlierenden Beizenfärbung wird auf dem Gewebe mit Hilfe hydrolysierbarer Salze [Al(III)-; Cr(III)-; Fe(III)-acetate] ein Metallhydroxid gefällt. Das basische Metallhydroxid kann mit sauren Farbstoffen, z. B. mit Polyhydroxyanthrachinonen, "Farblacke" (Metallchelate) bilden. Umgekehrt kann man "sauer beizen", z. B. die Polyphenole der Gerbstoffe auf der Gewebeoberfläche ausfällen. Derart präparierte Gewebe binden basische Farbstoffe. Die Gerbstoffe (Tannine) leiten sich von 3,4,5-Trihydroxybenzoesäure, der Gallussäure ab. Ein saurer Azofarbstoff, der zur Färbung hydroxidgebeizter Baumwolle verwendet wurde, ist z. B. β-Naphthylorange (Kap. 23.8.2). Zur Färbung tanningebeizter Materialien (Baumwolle, Leder, Papier) wurde der erste synthetische Azofarbstoff, das orange Chrysoidin, verwendet: H
 
 H2N N2
 
 X
 
 NH2
 
 +
 
 H N
 
 − HX
 
 N NH2
 
 N Chrysoidin
 
 Reaktiv-Färbung Die Reaktiv-Färbung ist eine vielseitige und moderne Färbemethode für Gewebe. Dabei reagieren Farbstoff und Faser unter Knüpfung einer kovalenten Bindung. Die zur Bindung führende Reaktion ist entweder eine nucleophile Substitution oder eine nucleophile Addition. Der nucleophilen Substitution gut zugängliche Reaktiv-Gruppen sind 2,4,6-Trichlortriazin (Cyanurchlorid) mit der Imidochlorid-Funktion im heterocyclischen Ring sowie 4,5-Dichlor-1,6dihydropyridazin-6-on: H Cl
 
 N N
 
 O
 
 Cl N
 
 N
 
 N
 
 Cl
 
 HO
 
 N
 
 Cl
 
 Cl
 
 Cl
 
 2,4,6-Trichlortriazin
 
 N
 
 Cl
 
 4,5-Dichlor-1,6-dihydropyridazin-6-on (Tautomere)
 
 Diese Reaktiv-Gruppen werden in einen Farbstoff eingeführt, der als Nucleophil z. B. eine Amino-Gruppe enthält: Cl
 
 F
 
 NH2
 
 +
 
 N N
 
 Cl N
 
 Cl
 
 Base
 
 − HCl
 
 F
 
 NH
 
 N N
 
 Cl N
 
 Cl
 
 + H2NR / Base
 
 − HCl
 
 F
 
 NH
 
 N N
 
 Cl N
 
 NHR Reaktiv-Farbstoff auf 2,4,6-Trichlortriazin-Basis
 
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 730
 
 35 Organische Farbstoffe
 
 Der so entstandene Reaktiv-Farbstoff reagiert beim Färbeprozeß mit nucleophilen Gruppen der Faser (Hydroxy bei Cellulose-, Amino bei Polyamid- und Polypeptid-Fasern): F
 
 NH
 
 N N
 
 Cl
 
 +
 
 Base
 
 HO Cellulose
 
 F
 
 − HCl
 
 NH
 
 N
 
 N N
 
 NHR
 
 F
 
 NH
 
 N N
 
 O Cellulose N
 
 NHR Cl
 
 +
 
 Base
 
 H 2N Polyamid
 
 F
 
 − HCl
 
 NH
 
 N
 
 N N
 
 NHR
 
 NH Polyamid N
 
 NHR
 
 Ein Azo-Reaktivfarbstoff mit 2,4,6-Trichlortriazin-"Anker" ist z. B. das Cibacronbrillantrot 3B, in dem vier Sulfonat-Gruppen eine für die Anwendung ausreichende Wasserlöslichkeit bewirken: Cl NaO3S
 
 O C
 
 N
 
 H
 
 O
 
 H
 
 NaO3S
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 H
 
 SO3Na
 
 N N
 
 N H Cibacronbrillantrot 3B
 
 SO3Na
 
 Der nucleophilen Addition zugängliche Reaktiv-Gruppen sind die Vinylsulfonyl- und AcrylamidFunktionen: O SO2 CH CH 2
 
 NH C CH CH2
 
 Vinylsulfon
 
 Acrylamid
 
 Acrylamid-Farbstoffe können durch Aminolyse von Acrylsäure-Derivaten hergestellt werden. F
 
 NH2
 
 +
 
 X C CH CH 2 O
 
 − HX
 
 F
 
 NH C CH CH 2 O
 
 X = −OR , −Cl
 
 Vinylsulfonyl-Gruppen werden in den Farbstoff (oder eine Farbstoff-Vorstufe) eingeführt, z. B. durch nucleophile Addition eines Farbstoff-Thiols an Oxiran, anschließende Oxidation des βHydroxysulfids zum β-Hydroxysulfon, Veresterung der Hydroxy-Funktion zum Hydrogensulfat und thermische β-Eliminierung von Schwefelsäure: +
 
 F
 
 SH
 
 O
 
 F
 
 S CH2 CH2 OH
 
 + 2 H2O2
 
 − 2 H2O
 
 F
 
 SO2 + H2SO4
 
 F
 
 SO2
 
 CH CH2
 
 ∆ − H2SO4
 
 F
 
 SO2
 
 CH2 CH2 OH − H2O
 
 CH2 CH2 OSO3H
 
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 35.4
 
 Polymethin-Farbstoffe
 
 731
 
 Die Knüpfung der Bindung zwischen Vinylsulfonyl- oder Acrylamid-Farbstoff und Faser erfolgt als MICHAEL-Addition eines Fasernucleophils an die aktivierte Vinyl-Gruppe: F
 
 Z
 
 CH CH 2
 
 +
 
 HO Cellulose
 
 F
 
 Z
 
 CH2 CH 2 O Cellulose
 
 F
 
 Z
 
 CH2 CH 2 NH Polyamid
 
 Z = SO2 , NHCO
 
 F
 
 Z
 
 CH CH 2
 
 +
 
 H2N Polyamid
 
 Ein wasserlöslicher Reaktiv-Farbstoff mit Vinylsulfon-"Anker" ist das durch Kupplung von diazotiertem 4-Amino-2,5-dimethoxyphenyl-2-hydroxyethylsulfon mit 1-(2-Chlor-6-methyl-4-sulfophenyl)-3-methyl-5-pyrazolon und nachfolgende Veresterung mit konz. Schwefelsäure entstehende Remazolgoldgelb G: HO3 SO CH 2
 
 CH2
 
 OCH 3
 
 SO2
 
 N
 
 H 3 CO
 
 H
 
 CH 3
 
 ∆
 
 N O
 
 Remazolgoldgelb G
 
 − H 2SO4
 
 N
 
 Addition + H 2 N Polyamid
 
 Eliminierung
 
 N
 
 H 2C CH SO2
 
 F
 
 Polyamid NH CH 2 CH 2 SO2
 
 F
 
 CH3
 
 Cl
 
 SO3H
 
 Die reaktive Vinylsulfonyl-Gruppe wird meist erst beim Färbevorgang erzeugt, der dann ein Eliminierungs-Additions-Prozeß ist.
 
 35.4 Polymethin-Farbstoffe 35.4.1
 
 Bauprinzip
 
 Unter Polymethin-Farbstoffen versteht man konjugierte Polyene, in denen ein Elektronenakzeptor X über eine ungeradzahlige Kette von Methin-Gruppen mit dem Elektronendonor Y verknüpft ist. Durch Mesomerie können X und Y ihre Rollen als Akzeptor bzw. Donor tauschen: q
 
 X
 
 nY
 
 X
 
 nY
 
 Man erkennt deutlich das in Kap. 35.2 besprochene Bauprinzip eines Farbstoffs. Meist sind die Doppelbindungen sowie die Substituenten X und Y Teil eines heterocyclischen Ringes, z. B. des Chinolins im blauvioletten Pinacyanol:
 
 N
 
 N
 
 C 2H5
 
 C 2H5
 
 Pinacyanol
 
 N
 
 N
 
 C 2H5
 
 C 2H5
 
 I
 
 Man unterscheidet kationische (q positiv), anionische (q negativ) und neutrale Polymethine (keine Ladung, q = 0). Kationische Polyene werden als Cyanine bezeichnet, wenn X und Y Teile je eines heterocylischen Ringes sind. Ist nur X oder Y Teil eines Heterocyclus, so liegt ein Hemicyanin vor. Streptocyanine sind dagegen offenkettig. Neutrale Polymethine sind als Neutro- oder Mero-
 
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 732
 
 35 Organische Farbstoffe
 
 cyanine bekannt. Polymethin-Farbstoffe, die vinyloge Carbonsäuren bzw. Carboxylat-Anionen (Oxoenole bzw. Oxoenolate) verkörpern, werden als Oxonole bezeichnet. Tab. 35.3 gibt die allgemeinen Formeln sowie typische Vertreter der wichtigsten Polymethin-Farbstoffklassen wieder. Tab. 35.3. Polymethin-Farbstoffe (in Azacyaninen tritt anstelle der CC- eine CN-Doppelbindung) Bezeichnung
 
 Bauprinzip
 
 Streptocyanin
 
 N
 
 Beispiel H3C
 
 nN
 
 N
 
 X
 
 N
 
 CH 3
 
 CH3
 
 Z
 
 Hemicyanin
 
 N X
 
 nN
 
 Z
 
 Cyanin N X
 
 N
 
 n
 
 N
 
 N CH3 H3C CH3
 
 Z
 
 N,N,N,N-Tetramethyl5-amino-2,4-pentadienylimmonium-perchlorat
 
 CH 3
 
 ClO4
 
 H3C
 
 CH 3
 
 Astrazonrot
 
 Cl CH3 CH3
 
 Astraphloxin
 
 N H C N 3 CH3 OC 2H5
 
 Merocyanin (Neutrocyanin)
 
 X
 
 O
 
 mY
 
 n
 
 Cl
 
 C CN
 
 N
 
 O
 
 X
 
 O
 
 n
 
 O
 
 35.4.2
 
 O N
 
 HN
 
 Oxonol O
 
 Cellitonechtgelb
 
 N H
 
 O O
 
 NH4 NH N H
 
 Murexid
 
 O
 
 Ausgewählte Methoden zur Herstellung
 
 Ein Ausgangsprodukt mehrerer Polymethin-Farbstoffe ist das als FISCHER-Base bekannte 2Methylen-1,3,3-trimethyl-2,3-dihydroindol, sowie dessen Vorstufe, das 1,2,3,3-Tetramethyl-3Hindolium-Salz. Die Herstellung dieser Verbindungen gelingt durch FISCHER-Indol-Synthese aus Phenylhydrazin und Methylethyl- oder Methylisopropylketon: H3C N H
 
 − H2O
 
 NH 2 + O
 
 N H
 
 CH 3
 
 − NH3
 
 N
 
 N
 
 CH3
 
 N
 
 CH2
 
 CH 3
 
 H3C
 
 CH3
 
 N
 
 CH 2
 
 CH 3
 
 H3C
 
 −
 
 CH 3
 
 Base
 
 − [H+]
 
 CH3 − CH3OSO3
 
 + (CH3O) 2SO2
 
 H 3C 2-Methylen-1,3,3-trimethyl2,3-dihydroindol (FISCHER-Base)
 
 H3C
 
 CH(CH 3)2
 
 H3C
 
 CH(CH 3)2
 
 N
 
 CH2 H
 
 CH3
 
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 35.4
 
 Polymethin-Farbstoffe
 
 733
 
 Weitere Vorstufen sind u. a. stickstoff- und schwefelhaltige Heterocyclen mit aciden MethylGruppen, z. B. 2- und 4-Methylchinoline sowie 2-Methylbenzothiazole, meist in Form ihrer NAlkylammoniumiodide:
 
 N R
 
 I
 
 CH 3
 
 CH3
 
 R N I
 
 N
 
 S
 
 R
 
 2-Methylchinolin
 
 CH3
 
 I
 
 4-Methylchinolin (N-Alkylimmonium-iodide)
 
 2-Methylbenzothiazol
 
 Die Verknüpfung der Heterocyclen durch eine Polyen-Kette gelingt für n = 1 mit AmeisensäureDerivaten, z. B. Orthoameiseisensäuretriethylester in Gegenwart einer Base: OC2H5 Base , − [H+]
 
 N
 
 CH2
 
 N
 
 CH2
 
 N
 
 CH2
 
 + HC(OC2H5) 2
 
 N
 
 CH2 CH(OC 2H 5)2
 
 H + H2O + H3C
 
 N
 
 N
 
 − 2 C2H5OH
 
 N
 
 − H3O+
 
 N
 
 OH
 
 N
 
 CH2 CH O
 
 Demnach erhält man z. B. Pinacyanol aus 1-Ethyl-2-methylchinoliniumiodid und Orthoameisensäuretriethylester in Gegenwart von Pyridin als Base: + N
 
 CH3
 
 C2H 5 I
 
 HC(OC2H 5)3
 
 Pyridin
 
 − 3 CH2H5OH − HI
 
 N C 2H5
 
 N
 
 I
 
 C 2H5
 
 Pinacyanol
 
 Analog entsteht Astraphloxin aus dem 1,2,3,3-Tetramethyl-3H-indolium-Salz und Orthoameisensäuretriethylester in Acetanhydrid oder Pyridin. Zum Einbau längerer Polymethin-Ketten werden vinyloge Ameisensäure-Derivate eingesetzt.
 
 35.4.3
 
 Anwendung von Polymethin-Farbstoffen
 
 Textilfärbung ̈ Polymethin-Farbstoffe sind nicht sehr lichtecht. Insofern werden sie nur sehr vereinzelt zur Textilfärbung verwendet. So ist Astraphloxin (Tab. 35.3) ein fluoreszierender roter Farbstoff, der aus leicht alkalischer Lösung gut auf Wolle und Polyamid-Fasern zieht (Ionenaustausch-Färbung). Einige Merocyanine wie Cellitonechtgelb 7G (Tab. 35.3) werden zur Dispersionsfärbung von Polyesterfasern eingesetzt. Polymethin-Farbstoffe als Sensibilisatoren in der Photographie Zur Photographie verwendet man einen mit einer lichtempfindlichen Schicht belegten Film. Als lichtempfindliche Schicht dient eine Silberhalogenid-Emulsion, welche proportional zur Intensität des einfallenden Lichtes geschwärzt wird. An sich sprechen Silberhalogenide nur auf ultraviolettes ̈
 
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 734
 
 35 Organische Farbstoffe
 
 und blaues Licht an. Andererseits liegt der Lichtempfindlichkeitsbereich des menschlichen Auges zwischen 400 und 800 nm mit einem Maximum bei 555 nm. Um ein Bild zu erhalten, welches einen für den Menschen natürlichen Schwarz-Weiß- und Farbeindruck gibt, muß der Empfindlichkeitsbereich der Silberhalogenid-Schicht auf den sichtbaren Spektralbereich ausgedehnt werden. Zu dieser spektralen Sensibilisierung verwendet man überwiegend Cyanine und Merocyanine (Tab. 35.3), weil bei diesen Farbstoffen durch Verlängerung der Polymethin-Kette die Absorptionsmaxima bis ins Infrarote verschoben werden können (120 nm pro −CH=CH-Gruppe):
 
 H 5C2 N
 
 CH CH n CH
 
 N C 2H5
 
 H 5C2 N
 
 längstwelliges Absorptionsmaximum :
 
 n 0 1 2
 
 CH CH nCH
 
 N C2H 5
 
 λmax 590 710 930
 
 Die Polymethin-Farbstoffe werden an den Silberhalogenid-Kristallen adsorbiert. Bei Belichtung des Films absorbieren sie Licht und geben die absorbierte Lichtenergie nach einem noch nicht vollständig geklärten Mechanismus an das Silberhalogenid ab. Letzteres wird dabei im Absorptionsbereich des Farbstoffs lichtempfindlich. Durch Adsorption mehrerer Cyanine mit Maxima über den gesamten Spektralbereich kann die Empfindlichkeit des Silberhalogenids dem menschlichen Auge weitgehend angepaßt werden. In der Farbphotographie werden die Farben des photographierten Gegenstandes zunächst in die drei Grundfarben blau, grün und rot zerlegt. Auf diese Weise entstehen drei Teilfarbbilder, die bei der Entwicklung wieder zum Gesamtbild vereint werden. Die Farbzerlegung gelingt, indem das Objekt gleichzeitig auf drei verschiedene Silberhalogenid-Schichten photographiert wird, von denen je eine für blau, grün und rot sensibilisiert ist. Auch für die hierzu notwendige selektive Sensibilisierung werden überwiegend Cyanine und Merocyanine verwendet. Photochrome Polymethine Einige Hemicyanine zeigen Photochromie, d. h. die reversible, mindestens in einer Richtung lichtinduzierte Umwandlung zweier Formen einer Verbindung. Da die beiden Formen unterschiedliche Lichtabsorptionsspektren aufweisen, ist die Umwandlung mit einer Farbänderung verbunden. Einen photochromen Polymethin-Farbstoff erhält man z. B. durch Reaktion von 5-Nitrosalicylaldehyd mit der FISCHER-Base: H 3C
 
 CH 3
 
 N
 
 O CH 2 + HO
 
 CH 3
 
 H3C
 
 H
 
 CH 3
 
 − H2 O
 
 NO2
 
 N
 
 O
 
 CH 3
 
 NO2
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 hν , UV
 
 NO2 hν , sichtbar
 
 N
 
 O
 
 CH3
 
 1,3,3-Trimethyl-2,3-dihydroindol-2-spiro-2´-(6-nitro-2 H-chromen)
 
 Photochrome Polymethin-Farbstoffe werden als dekorative Zusätze in Gläsern und PolymerWerkstoffen sowie in der Datenspeicher- und Lasertechnologie verwendet.
 
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 35.4
 
 Polymethin-Farbstoffe
 
 35.4.4
 
 735
 
 Natürliche Polymethin-Farbstoffe
 
 Neben den Carotenoiden, die als terpenoide Polyene klassifiziert werden (Kap. 43.2.5), kann man die Flavone (Synthese: Kap. 34.11.7) und Anthocyanidine (Synthese: Kap. 34.11.7) als Polymethin-Derivate auffassen. Diese Pflanzenfarbstoffe sind Derivate des 4H-Chromens und zählen zur Klasse der Hemioxonole, in denen phenolische, d. h. nicht heterocylische Hydroxy- oder Hydroxylat-Gruppen zur vinylogen Carboxylat-Konstitution beitragen. O
 
 O
 
 O OH
 
 O
 
 O Chromon
 
 O
 
 Flavon (2-Phenylchromon)
 
 Flavonol
 
 Flavonole sind 3-Hydroxy-Derivate des 2-Phenylchromons. Das Quercetin genannte 5,7,3',4'Tetrahydroxyflavonol kommt z. B. frei und als 3-Glucosid in der Eichenrinde (lat. quercus = Eiche) sowie in gelben Blüten vor (Goldlack, Stiefmütterchen, Löwenmaul, Rose). Durch Reduktion des Pyron-Rings im Quercetin bildet sich das zu den Gerbstoffen gehörende Catechol. O
 
 H
 
 O
 
 O
 
 H
 
 O
 
 H
 
 OH HO
 
 OH OH
 
 OH OH
 
 O
 
 HO
 
 O
 
 O
 
 HO
 
 H
 
 OH
 
 O
 
 O
 
 OH
 
 OH
 
 Quercetin , Tautomere
 
 Catechol (frühere Bez.: Catechin)
 
 Anthocyanidine sind hydroxylierte Derivate des vom 2-Phenyl-4H-chromen abstammenden mesomeriestabilisierten Flavylium-Ions:
 
 O
 
 O
 
 O
 
 2-Phenyl-4H-chromen
 
 Flavylium-Ion
 
 Sie sind als Glycoside (Kap. 40.4.4) sowie als Glycosid-Metallchelate (Fe3+, Al3+) die Farbträger zahlreicher roter, violetter und blauer Blüten (Rose, Malve, Kornblume) und Früchte (Kirsche). Nach säurekatalysierter oder enzymatischer Spaltung dieser Chromosaccharide isoliert man die freien Flavylium-chloride als Aglyca (Kap. 40.4.4). Nur durch die Anzahl der Hydroxy-Gruppen am Phenyl-Ring unterscheiden sich Pelargonidin-, Cyanidin- und Delphinidin-chlorid: OH
 
 OH OH
 
 rotorange : PelargonidinR1 = R2 = H rotviolett R1 = OH , R2 = H : Cyanidin: Delphinidinchlorid blauviolett R1 = R2 = OH
 
 HO
 
 OH R2
 
 O
 
 HO
 
 R2
 
 O
 
 OH R1
 
 OH R1
 
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 Cl
 
 736
 
 35 Organische Farbstoffe
 
 35.5 Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe 35.5.1
 
 Übersicht
 
 Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe sind Derivate des Di- und Triphenylmethans sowie des Di- und Triphenylamins. Da die phenylogen Methin-Farbstoffe als Carbenium-Ionen mit delokalisierter positiver Ladung vorliegen, nennt man sie auch Di- und TriphenylcarbeniumFarbstoffe (n = 0 bzw. 1). Die Verbindungen lassen sich allgemeinen als Hybride mehrere mesomerer Grenzformeln beschreiben, wobei die Gesamtladung q positiv, negativ oder null sein kann (Tab. 35.4). U' U
 
 U' U
 
 X
 
 Y
 
 Y
 
 Z
 
 X
 
 Z V
 
 W
 
 U' U
 
 X
 
 Y Z
 
 V
 
 n
 
 V
 
 n
 
 W
 
 n=0,1
 
 n
 
 W
 
 Phenyloge Methin- und Azamethin-Derivate folgen dem in Kap. 35.2 skizzierten Bauprinzip eines Farbstoffs: Die Substituenten X, Y und W sind Elektronendonoren. Der Elektronenakzeptor Z ist ein trigonales C- oder N-Atom. N
 
 N
 
 Als Chromogene wirken chinoide und benzoide π-Systeme. Die wichtigsten Vertreter phenyloger Methin- und Azamethin-Farbstoffe lassen sich von der allgemeinen Formel herleiten. Je nach Substituenten und Heteroatomen U, V, W, X, Y und Z unterscheidet man zwischen den in Tab. 35.4 aufgeführten Derivaten.
 
 35.5.2
 
 Allgemeine Methoden zur Herstellung
 
 Di- und Triphenylmethan-Derivate Di- und Triphenylmethan-Farbstoffe werden durch elektrophile Substitution nucleophiler Aromaten aufgebaut. Als nucleophile Aromaten kommen hauptsächlich Phenol- und Anilin-Derivate in Betracht. Geeignete Vorstufen von Elektrophilen sind Tetrachlormethan, Chloroform und phenyloge Amidchloride, ̈
 
 : Tetrachlormethan R1 = R2 = R3 = R4 = Cl R1 = R2 = R3 = Cl , R4 =H : Chloroform R1 = (CH3)2N−C6H4− , : 4-(N,N-Dimethylamino)benzalchlorid R2 = R3 = Cl , R4 =H
 
 R2
 
 R2
 
 R1 C R3
 
 R1 C
 
 +
 
 R3
 
 R4
 
 R4
 
 oder Carbonyl-Verbindungen, z. B. Formaldehyd, Phosgen, aromatische Aldehyde und Ketone: : Formaldehyd R1 = R2 = H : Phosgen R1 = R2 = Cl R1 = H, R2 = Aryl : Arenaldehyd : subst. Benzophenon R1 = R2 = Aryl
 
 R1
 
 + [H+]
 
 R1
 
 C O R2
 
 H C O
 
 R2
 
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 35.5
 
 Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe
 
 737
 
 Tab. 35.4. Typische Vertreter der phenylogen Methin- und Azamethin-Farbstoffe; zur Vereinfachung wird nur eine mesomere Grenzformel gezeichnet; Substituenten und Heteroatome werden nach der allgemeinen Formel, Abschn. 35.5.1, benannt. -Farbstoff
 
 n
 
 q
 
 Diphenylmethan-
 
 0
 
 +
 
 Chinonimina) IndaminTyp
 
 0
 
 b) IndanilinTyp
 
 0
 
 c) IndophenolTyp
 
 0
 
 Triphenylmethana) MalachitgrünTyp
 
 +
 
 Substituenten, Heteroatome
 
 typisches Beispiel
 
 X = Y = NR2 U = U´ = H Z= C
 
 (H3C)2N
 
 X = Y = NR2 U = U´ = H Z= N
 
 (H3C)2N
 
 N(CH3)2
 
 Cl
 
 Auramin-O (gelb)
 
 C NH 2 N(CH3)2
 
 Cl
 
 Bindschedler-Grün N N(CH3)2
 
 O
 
 1
 
 0
 
 0
 
 +
 
 X = O , Y = NR2 U = U´ = H Z= N X = O , Y = OH U = U´ = H Z= N X = Y = NR2 U = U´ = V = W = H Z=C
 
 Fettblau Z
 
 N O
 
 OH Indophenol N
 
 (H3C)2N
 
 N(CH3)2
 
 Cl
 
 Malachitgrün C C6H5
 
 b) KristallviolettTyp
 
 1
 
 c) FuchsonTyp
 
 1
 
 +
 
 X = Y = W = NR 2 U = U´ = V = H Z=C
 
 (H3C)2N
 
 N(CH3)2
 
 Cl
 
 Kristallviolett
 
 C
 
 N(CH3)2 0
 
 X = Y = O , OH U = U´ = V = W = H Z=C
 
 O
 
 OH Benzaurin
 
 C C6H5
 
 c) PhthaleinTyp
 
 (Thio-) Xanthen(Heterophthalein-)
 
 Acridin-
 
 Azina) PhenazinTyp
 
 b) PhenoxazinTyp
 
 c) PhenothiazinTyp
 
 O 1
 
 0
 
 2−
 
 −
 
 od. 1
 
 meist 0
 
 meist 0
 
 meist 0
 
 meist 0
 
 +
 
 +
 
 +
 
 +
 
 O
 
 X=Y=O,O U = U´ = V = H V = CO2 Z=C
 
 CO2
 
 Br X=Y=O,O U , U´ = O oder S V = CO2 Z=C
 
 X = Y = NH2 , NR2 U , U´ = NR Z = CH , C
 
 X = Y = OH od. NR2 U , U´ = NR Z=N
 
 Phenolphthalein
 
 C
 
 O Br
 
 Br O
 
 OH
 
 C
 
 Br CO2
 
 Eosin (rot) ohne Brom: Fluorescein (orange)
 
 CH3 Cl H2N
 
 N
 
 H3C
 
 NH 2
 
 Acridiniumgelb
 
 CH 3 C 6H5 Cl
 
 H2N
 
 N
 
 NH 2
 
 H3C
 
 N
 
 CH 3
 
 O
 
 N(CH 3)2
 
 Safranin T (rot)
 
 OH X = Y = OH od. NR2 U , U´ = O Z=N
 
 X = Y = NR2 U , U´ = S Z=N
 
 HO
 
 N CO2H (H 3C)2N
 
 S
 
 Cl
 
 N(CH 3)2 Cl
 
 Gallocyanin (blau)
 
 Methylenblau
 
 N
 
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 738
 
 35 Organische Farbstoffe
 
 Die elektrophile Substitution läßt sich je nach Elektrophilie des zentralen C-Atoms bis zu dreimal wiederholen. R2 + H
 
 R1 C
 
 R2
 
 − [H+]
 
 X
 
 + H
 
 R4
 
 R2
 
 X
 
 X
 
 R1 C
 
 X
 
 − R1H
 
 R4
 
 X
 
 C R4
 
 Ist das Elektrophil eine aromatische Carbonyl-Verbindung, so verläuft die Substitution über ein Benzhydrol. Diese "Leukobase" dissoziiert in saurer Lösung glatt zum Triphenylcarbenium-Farbstoff: R1 + H
 
 C OH
 
 X
 
 − [H+]
 
 R2 R1
 
 R2
 
 X
 
 C OH
 
 R1
 
 + [H+] − H2O
 
 X
 
 C
 
 R2
 
 Benzhydrol (Leukobase)
 
 R1 = R2 = Aryl
 
 R1 X
 
 C
 
 R2
 
 mesomeriestabilisiertes Triphenylcarbenium-Ion
 
 Häufig läßt sich ein Triphenylmethan-Farbstoff auf beiden Wegen herstellen. So entsteht Kristallviolett entweder aus N,N-Dimethylanilin und Tetrachlorkohlenstoff über die phenylogen Amidchloride (Weg 1) oder aus Phosgen und N,N-Dimethylanilin über N,N-Dimethylaminobenzoylchlorid, MICHLER-Keton und MICHLER- Hydrol (Weg 2). N(CH3) 2
 
 N(CH3) 2
 
 +
 
 N(CH3) 2
 
 + H
 
 C
 
 − HCl
 
 H Cl Cl
 
 C
 
 − HCl
 
 Cl (H3C) 2N
 
 (H3C) 2N
 
 CCl3
 
 Weg 1
 
 N(CH3) 2
 
 N(CH3) 2
 
 N(CH3) 2
 
 + CCl4 / ZnCl2 , − HCl N(CH3) 2 N(CH3) 2
 
 Kristallviolett H
 
 Weg 2
 
 + O=CCl2 , − HCl
 
 N(CH3) 2
 
 O
 
 N(CH3) 2
 
 − H2O
 
 + HCl N(CH3) 2
 
 N(CH3) 2
 
 N(CH3) 2
 
 H
 
 C
 
 +
 
 + H
 
 C
 
 C
 
 (H3C) 2N
 
 N(CH3) 2
 
 Cl
 
 Cl
 
 C
 
 O
 
 (H3C) 2N MICHLER-Keton
 
 OH (H3C) 2N
 
 N(CH3) 2 MICHLER-Hydrol
 
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 35.5
 
 Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe
 
 739
 
 Bei der Synthese von Phthaleinen, z. B. des Phenolphthaleins, reagiert Phthalsäureanhydrid als elektrophile Carbonyl-Verbindung, und p-unsubstituierte Phenole sind die nucleophilen Aromaten. Zunächst entsteht die farblose Lacton-Form. In alkalischer Lösung (pH > 8) dissoziieren die phenolischen Hydroxy-Protonen. Der (+)-M-Effekt der Phenolat-Gruppe öffnet den Lacton-Ring zur mesomeriestabilisierten chinoiden Form, dem roten Triphenylmethan-Farbstoff. Zugabe von Mineralsäure regeneriert die farblose Lacton-Form. Auf diesem reversiblen Farbumschlag beruht die Anwendung des Phenolphthaleins als Farbindikator bei Säure-Base-Titrationen. HO
 
 OH H + H
 
 HO
 
 O
 
 OH − 2 [H+]
 
 − H2O
 
 C
 
 O O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 C
 
 C CO2
 
 + 2 [H+]
 
 CO2
 
 O Phenolphthalein farblose Lacton-Form (Phthalid) in saurer Lösung
 
 O
 
 rote chinoide Form in alkalischer Lösung
 
 Der Phthalein-Synthese analog verläuft die Bildung der Xanthene: Anstelle von Phenol wird ein m-Diphenol eingesetzt (Resorcin → Fluorescein, Tab. 35.4); das gebildete o,o'-Dihydroxyphthalein cyclodehydratisiert zum Xanthen-Ring. Chinonimin-Derivate Chinonimin-Farbstoffe entstehen bei der Substitution eines Phenols oder Anilins (als nucleophile Aromaten) durch die elektrophile Nitroso-Funktion eines N,N-Dialkyl-4-nitrosoanilins oder 4Nitrosophenols und einer Dehydratisierung als Folgereaktion: XH
 
 XH [H+]
 
 + O
 
 X
 
 X − H2O
 
 H N O
 
 N
 
 H N HO Y
 
 Y
 
 Y
 
 X = O : Phenol ,Y = NR2 : N,N-Dialkyl-4-nitrosoanilin X = O : Phenol , Y = OH : 4-Nitrosophenol
 
 Y
 
 N
 
 X = O , Y = NR2 X = O , Y = OH
 
 : Indanilin : Indophenol
 
 Chinonimin-Farbstoffe bilden sich im Laufe der Entwicklung von Farbfilmen, z. B. durch Oxidation eines 1,4-Diaminoarens zum p-Chinondiimin mit Silber-Ionen in Gegenwart von metallischem Silber als Katalysator. SO3
 
 p-Chinondiimin
 
 NR 2
 
 NR 2 + 2 Ag
 
 NH 2
 
 − [H+] − 2 Ag
 
 NR 2
 
 +
 
 R 2N
 
 R 2N
 
 + R' OH
 
 N
 
 H + 2 Ag
 
 − SO3
 
 NH
 
 NH
 
 R'
 
 +
 
 N
 
 − 2 [H+] − 2 Ag
 
 OH
 
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 R' O
 
 740
 
 35 Organische Farbstoffe
 
 Das Chinondiimin kuppelt unter elektrophiler Substitution mit 4-Hydroxynaphthalensulfonat, wobei sich Schwefeltrioxid ablöst. Die dabei entstandene Leukoform wird durch weitere SilberIonen zum Indanilin-Farbstoff oxidiert. Acridin- und Azin-Derivate Phenazin-, Phenoxazin- und Phenothiazin-Farbstoffe werden meist durch oxidativen Ringschluß o-substituierter Chinonimine hergestellt. Das Heteroatom U wird durch nucleophile Substitution des Chinonimins eingeführt. ̈
 
 X
 
 Y
 
 +
 
 R
 
 RU H
 
 X
 
 + RUH , − [H ]
 
 N
 
 X
 
 Y
 
 U N H
 
 N +
 
 − [H ] , − 2 e0
 
 R
 
 R X
 
 U
 
 Y
 
 X
 
 U
 
 N
 
 Y
 
 +
 
 − [H ] , − 2 e0
 
 −
 
 −
 
 R
 
 R
 
 H
 
 X
 
 Y
 
 U
 
 N
 
 X
 
 Y
 
 U
 
 Y
 
 N
 
 N
 
 So bildet sich Methylenblau [X = Y = N(CH3)2 , UR = S, Tab. 35.4] aus 4-Amino-N,N-dimethylanilin und Natriumthiosulfat (Einführung des Schwefels) in Gegenwart von Zinkchlorid, Salzsäure und Dichromat als Oxidationsmittel. Safranin T (Tab. 35.4) entsteht analog aus 2,5-Diaminotoluen, 2-Aminotoluen und Anilin in Gegenwart von Dichromat. Ein allgemeiner Weg zu Acridin-Farbstoffen ist die elektrophile Substitution von m-substituierten Anilinen durch einen Aldehyd. Der Ringschluß zum 9,10-Dihydroacridin erfolgt unter intramolekularer Ammoniak-Abspaltung. Anschließend wird zum Acridinium-System oxidiert.
 
 X
 
 R
 
 R NH +
 
 R
 
 H
 
 C
 
 H2N
 
 Y
 
 O
 
 R
 
 − H2O
 
 X R
 
 NHNH2
 
 H R'
 
 R Y
 
 − NH3
 
 R
 
 R
 
 X
 
 N
 
 R
 
 Y R
 
 H R' − [H+] , − 2 e0
 
 −
 
 R Acridinium-Farbstoff ( X = Y = NH2 , R = CH3 : Acridiniumgelb)
 
 X
 
 N
 
 R
 
 Y R
 
 R
 
 35.5.3
 
 Anwendung phenyloger Methin- und Azamethin-Farbstoffe
 
 Textil- und Polymer-Färbung Triphenylmethan-Farbstoffe wie Kristallviolett und Malachitgrün sind nicht sehr lichtecht. Man verwendet sie hauptsächlich zur Anfärbung von Polymeren, die zur Herstellung von Folien (Bürobedarf, Verpackungen) benötigt werden. Die meist stark fluoreszierenden Xanthen-Farbstoffe wie ̈
 
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 35.5
 
 Phenyloge Methin- und Azamethin-Farbstoffe
 
 741
 
 Eosin und Fluorescein finden als Signalfarben für Verkehrsmarkierungen und Plakate Verwendung. Zur Färbung von Seide, Wolle, Papier sowie zur Herstellung von Druckfarben dienen u. a. die lichtechten kationischen Phenothiazin-Farbstoffe wie Methylenblau. Farbindikatoren Phenolphthalein und seine Derivate werden als Farbindikatoren in der Acidimetrie verwendet. Der Farbumschlag beruht auf der reversiblen Umwandlung der farblosen Lacton-Form in den meist roten Triphenylmethan-Farbstoff (Kap. 35.5.2). Das Xanthen-Derivat Eosin (Tab. 35.4) hat in Lösung eine andere Farbe (rot) als im adsorbierten Zustand (rotviolett). Hierauf beruht seine Anwendung als Adsorptionsindikator der HalogenidTitration mit Silbernitrat: Unmittelbar nach dem Äquivalenzpunkt laden überschüssige SilberIonen den Silberhalogenid-Niederschlag positiv auf. Infolgedessen wird das Eosin-Anion auf der Oberfläche des Niederschlags durch COULOMB-Kräfte adsorbiert. Eine damit verbundene schlagartige Farbänderung des Niederschlags markiert den Äquivalenzpunkt. Druckempfindliche Kopierpapiere Einige Triphenylcarbinole und Lactone der Phthalein- und Xanthen-Reihe reagieren im Kontakt mit sauer oder basisch imprägniertem Papier zu den Triphenylcarbenium-Farbstoffen. Hierauf beruht ihre Anwendung zur Herstellung druckempfindlicher Kopierpapiere für Formulare. Biologische und medizinische Anwendungen Eosin und Methylenblau finden in der medizinischen Diagnostik Anwendung; Eosin färbt Leukozyten und Gewebe; Methylenblau färbt als Vitalfarbstoff selektiv die graue Substanz des peripheren Nervensystems. Einige Triphenylmethan-Farbstoffe vom Kristallviolett-Typ wirken bakterizid und werden zur Desinfektion von Wunden eingesetzt.
 
 35.5.4
 
 Natürliche Phenoxazin-Farbstoffe
 
 Chinoniminartige Derivate des Phenoxazins, die Phenoxazone, bilden die Chromophore der toxischen aber stark antibiotisch und cytostatisch wirkenden Actinomycine (Kap. 38.7.2). Actinomycine sind Stoffwechselprodukte der Actinomyceten. Phenoxazone wurden ferner als OmmochromFarbstoffe aus Augen-, Haut- und Flügelpigmenten sowie aus Sekreten von Insekten isoliert, z. B. Xanthommatin aus dem Schlupfsekret des kleinen Fuchses. R HN
 
 R C
 
 O
 
 O
 
 C
 
 HO2C
 
 NH
 
 N
 
 NH2
 
 O
 
 O
 
 H3C
 
 H
 
 H 2C
 
 Actinomycin D ( R ist ein Pentapeptid-Lacton-Ring )
 
 NH 2 C
 
 CO2H
 
 O HO N
 
 Xanthommatin
 
 CH3
 
 O
 
 O
 
 Das beiden Naturstoffen zugrunde liegende 2-Amino-3-phenoxazon-System ist durch milde Oxidation von 2-Aminophenolen mit p-Benzochinon oder Luft-Sauerstoff zugänglich. R
 
 R NH2
 
 +
 
 OH R'
 
 R NH2
 
 +
 
 − 6 [H ] , − 6 e0
 
 NH 2 O
 
 O
 
 OH R'
 
 R N
 
 −
 
 R , R' = H , Alkyl , CO2H
 
 R'
 
 R'
 
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 742
 
 35 Organische Farbstoffe
 
 35.6 Carbonyl-Farbstoffe 35.6.1
 
 Übersicht
 
 Carbonyl-Farbstoffe enthalten als wesentliches Bauelement zwei über eine oder mehrere πBindungen in Konjugation stehende Carbonyl-Gruppen: X C C O
 
 C
 
 Y
 
 X
 
 C meist
 
 n
 
 O
 
 O
 
 O
 
 n=1
 
 X
 
 X O Indigo-Farbstoff
 
 O Anthrachinon-Farbstoff
 
 X = NH , O , S , Se
 
 Y ist ein Donor-Substituent
 
 Sind die Substituenten X Heteroatome (X = NH, O, S, Se) als Teile von Fünfring-Heterocyclen, so liegen Indigo-Derivate vor. Anstelle der Substituenten X können auch weitere CC-Doppelbindungen im Verband aromatischer Ringe mit (+)-M-Substituenten YI treten; dann handelt es sich um Chinon-Farbstoffe. Von diesen haben vor allem die 9,10-Anthrachinon-Derivate industrielle Bedeutung. In beiden Farbstoff-Typen ist wieder die Sequenz Elektronendonor-π-SystemAkzeptor (Kap. 35.2) verwirklicht. Als Akzeptoren wirken die Carbonyl-Gruppen. Heteroatome (X) bzw. Substituenten (YI ) sind die Donoren, wie es mesomere Grenzformeln beschreiben: O
 
 O
 
 X
 
 O
 
 X X
 
 X X
 
 O
 
 X
 
 O
 
 O
 
 Indigo O
 
 Y
 
 O
 
 O
 
 Y
 
 O donor-substituiertes Anthrachinon
 
 35.6.2
 
 Lichtabsorption der Carbonyl-Farbstoffe
 
 Das Anthrachinon-System (λmax = 327 nm) wird bereits durch Einführung eines Elektronendonors zum Farbstoff (λmax ≥ 400 nm). Je nach Stärke der Donoren YI (OH < NH2 < NR2 < NHAryl) und ihrer Anzahl erhält man verschiedenfarbige Verbindungen, die fast in jedem gewünschten Teil des sichtbaren Spektrums absorbieren (Tab. 35.5). Bei Indigo-Derivaten hängt das Lichtabsorptionsmaximum nicht nur vom Heteroatom X, sondern auch von Art und und Position des Substituenten an den Benzen-Ringen ab (Tab. 35.6). Dies erklärt die Farbenvielfalt der Indigo-Derivate. Die Abhängigkeit der Lichtabsorption von der Substituenten-Stellung an den Benzen-Ringen in Anthrachinon- und Indigo-Derivaten (Tab. 35.5, 35.6) folgt dem Verteilungssatz der Auxochrome: Enthält ein Benzen-Derivat einen Elektronen-Akzeptor A in Stellung 1 sowie einen Donor D, so
 
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 35.6
 
 Carbonyl-Farbstoffe
 
 743
 
 verschiebt ein weiterer Donor das längstwellige Absorptionsmaximum bathochrom in der Folge 1,4- < 1,2,4- < 1,3,4- < 1,2,5- (Tab. 35.7). O 8
 
 Tab. 35.5. Längstwellige Absorptionsbanden substituierter Anthrachinone in Dichlormethan
 
 1
 
 7
 
 9
 
 6
 
 10
 
 2
 
 Y
 
 3 4
 
 5
 
 O
 
 Y
 
 an
 
 C-1
 
 C-2
 
 C-4
 
 λmax [nm]
 
 C-5
 
 405 465 504 508
 
 OH NH2 N(CH3)2 NHC 6H5
 
 OH NH2
 
 OH NH 2 N(CH 3)2
 
 365 410 470
 
 OH NH 2
 
 416 480 476 550 620
 
 OH NH2 NHC 6H5
 
 OH NH2 NHC 6H5
 
 428 480
 
 OH NH 2
 
 OH NH2
 
 O
 
 1
 
 7
 
 Tab. 34.6. Längstwellige Absorptionsbanden einiger Indigo-Derivate in Ethanol
 
 X
 
 6 5
 
 3
 
 4
 
 O
 
 4'
 
 3'
 
 5
 
 X 1'
 
 6
 
 Y
 
 7
 
 λmax [nm]
 
 Einfluß
 
 Verbindung
 
 X
 
 Y
 
 Heteroatom Heteroatom Heteroatom Heteroatom Heteroatom
 
 Oxindigo Thioindigo Selenindigo Indigo N,N´-Dimethylindigo
 
 O S Se NH NCH3
 
 H H H H H
 
 432 543 562 606 656
 
 Position des Substituenten am BenzenRing
 
 6,6´-Dichlorindigo 7,7´-Dichlorindigo 4,4´-Dichlorindigo 5,5´-Dichlorindigo
 
 NH NH NH NH
 
 Cl Cl Cl Cl
 
 570 590 612 615
 
 Da die Energie eines Moleküls im angeregten Zustand nicht durch Resonanzbetrachtungen vorhersagbar ist, kann man den Verteilungssatz der Auxochrome nicht anhand mesomerer Grenzformeln, sondern besser durch quantenmechanische Rechnungen erklären. Letztere haben auch gezeigt, daß die zur blauen Farbe des Indigos führende Lichtabsorption allein auf das bis jetzt nicht dargestellte push-pull-System des "Ur-Indigos" zurückgeht. O H
 
 C
 
 Ur-Indigo
 
 NH2 C
 
 C
 
 H2N
 
 C
 
 H
 
 O
 
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 744
 
 35 Organische Farbstoffe Tab. 35.7. Verteilungssatz der Auxochrome bei Anthrachinon- und Indigo-Derivaten Bathochromie D Verteilungssatz der Auxochrome
 
 A
 
 D
 
 A
 
 
 2000) aufgebaut. Konvergente Synthesen bauen Dendrimere von außen nach innen auf, wobei erst die "Zweige" dargestellt und diese mit dem Zentralmolekül verknüpft werden. 2,4,6-Triamino-1,3,5-triazin (Melamin) eignet sich z. B. als multifunktionelles Zentralmolekül. Eine dreifache MICHAEL-Addition von Acrylnitril und anschließende katalytische Hydrierung des Trinitrils zum Tris-(3-aminopropylamino)-1,3,5-triazin sind die ersten Schritte der divergenten Synthese eines Dendrimers. Erneute dreifache MICHAEL-Addition der terminalen Amino-Gruppen an Acrylsäuremethylester führt zum Hexamethylester. Dessen Aminolyse mit 1,3-Diaminopropan ergibt das Dendrimer der ersten Generation mit sechs terminalen, primären Amino-Funktionen. Die Generation definiert das Dendrimer (1., 2., 3. bis n-te Generation). Bei jedem MonomerAnbau (jeder Generation) vergrößert sich das Dendrimer um eine neue "Schale"; Die Wiederholung der Syntheseschritte führt im Beispiel zu den Dendrimeren der 2. Generation mit 12, der dritten mit 24, der vierten mit 48 und der n.ten mit 6n peripheren, primären Amino-Gruppen. H3CO
 
 OCH3 O
 
 O N
 
 H
 
 N
 
 N
 
 O N
 
 H3CO
 
 N
 
 NH 2
 
 N
 
 N
 
 H
 
 CO2CH3 N
 
 H2N
 
 N
 
 N N
 
 N
 
 H
 
 H
 
 O
 
 O
 
 N
 
 N
 
 48 h
 
 H H 3CO
 
 H
 
 MICHAEL-Addition
 
 1.
 
 N
 
 NH 2
 
 OCH 3
 
 NH2
 
 2.
 
 Aminolyse
 
 H 2N
 
 48 h
 
 N
 
 NH2
 
 H
 
 H
 
 N
 
 N O
 
 H
 
 N
 
 H2N
 
 N
 
 N H
 
 N
 
 H
 
 1.
 
 N N
 
 N
 
 H
 
 N
 
 O
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 O
 
 H
 
 H
 
 N O
 
 N
 
 H H
 
 NH 2
 
 N
 
 H 2N
 
 N
 
 N N
 
 N
 
 H
 
 H H
 
 O
 
 N
 
 N
 
 N
 
 H
 
 H H 2N
 
 O
 
 O
 
 O N
 
 O
 
 2. H 2N
 
 H H
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 H
 
 O
 
 O
 
 O N
 
 O
 
 NH 2
 
 H
 
 N
 
 N
 
 O
 
 NH2
 
 N
 
 NH2
 
 H
 
 H
 
 O
 
 H 2N
 
 N
 
 NH 2
 
 OCH 3
 
 O
 
 N
 
 O
 
 N
 
 N H 2N
 
 O
 
 N
 
 O
 
 N
 
 H
 
 O H
 
 N
 
 NH 2 N
 
 N
 
 O
 
 NH2
 
 H
 
 H
 
 H
 
 NH2
 
 N
 
 N
 
 N H
 
 O
 
 H
 
 O
 
 O N
 
 H
 
 1. Generation
 
 H 2N
 
 2. Generation C121H245N45O18 , Molmasse 2618
 
 O
 
 N
 
 H
 
 NH2
 
 NH 2
 
 Einfache funktionelle Dendrimere sind Polyphenolether mit 3,5-Dihydroxybenzyloxy-Untereinheiten, die meist konvergent aus 3,5-Dihydroxybenzylalkohol bzw. 3,5-Dihydroxybenzylbromid als Monomere durch repetitive WILLIAMSON-Ethersynthesen aufgebaut werden, sowie HomoOligoamide aus verzweigten Lysinen oder Hetero-Oligoamide aus Acrylsäure und α,ω-Diaminoalkanen. Lipophile, ionische oder neutrale Dendrimere können sowohl in Lösung als auch durch Festphasensynthese (Kap. 36.8.4) in struktureller Vielfalt und mit maßgeschneiderten Eigenschaften hergestellt werden. Sie lassen sich mit Wirkstoffen beladen und werden u. a. auf ihre Eignung als Antigen-Träger zur Immunisierung (synthetische Impfstoffe) sowie als DNA- und WirkstoffTransporter in Zellen untersucht.
 
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 780
 
 36 Synthetische Polymere
 
 36.8.6
 
 Polymere Träger
 
 Polymere Träger sind Polymere mit funktionellen Gruppen, die durch Reaktion andere Moleküle an sich binden. Am häufigsten werden funktionalisierte Copolymere aus Polystyren und Divinylbenzen (1 %) in Form von Perlpolymerisaten eingesetzt. Die Polymerkügelchen (engl. beads) mit etwa 100 µm Durchmesser quellen in organischen Lösemitteln, ohne sich dabei zu lösen. Polymere Träger werden zu Festphasen-Reaktionen in der kombinatorischen Synthese (Kap. 38.4.4) angewendet, eine Methodik, die sich aus der Festphasen-Peptidsynthese nach MERRIFIELD entwickelte. Dabei wird die C-terminale Aminosäure mit dem Chlormethyl-Copolymer verestert und die Peptid-Sequenz vom C-Terminus aus aufgebaut (Kap. 38.4.3). Die Chlormethyl-Gruppen werden durch elektrophile Chlormethylierung der Phenyl-Ringe des Polystyren-DivinylbenzenCopolymers in Gegenwart einer LEWIS-Säure (SnCl4) eingeführt (Tab. 36.1). Anstelle des festen Chlormethylpolystyrens können Polyethylenoxide (mit Hydroxy-Gruppen) als lösliche Trägerpolymere für Peptid- und andere Synthesen in homogener Phase eingesetzt werden. Ein typisches Beispiel ist die Festphasen-Synthese regioisomerer 1,3,5-Trialkylpyrazol-5-carbonsäuren nach Abb. 36.10, die den Aufbau kombinatorischer Verbindungskollektionen in guten Ausbeuten und Reinheiten möglich macht. Die Synthese wird an einem p-AlkoxybenzylalkoholPolystyren-Divinylbenzen-Copolymer (1 % Divinylbenzen, Beladung 1.1 mmol OH-Gruppen pro g Polymer) durchgeführt, das die Synthesebedingungen toleriert und die Produktabspaltung mit Trifluoressigsäure zuläßt. Kombinierbare Edukte für tausende verschiedener Pyrazole sind βKetoester zur Harzbeladung durch Umesterung, aliphatische und aromatische Aldehyde zur KNOEVENAGEL-Alkenylierung im zweiten Schritt sowie Phenylhydrazine zum Ringschluß. Polystyren
 
 O
 
 CH 2
 
 CH2 OH
 
 Linker
 
 OH O R1
 
 H3CO
 
 Umesterung
 
 O O R2
 
 O R1
 
 O
 
 O
 
 H
 
 R1
 
 O
 
 KNOEVENAGELO
 
 Reaktion
 
 R2
 
 H2 N
 
 Hydrazon-Bildung
 
 NH
 
 R3
 
 MICHAEL-Addition
 
 O
 
 O R1
 
 O R2
 
 O
 
 N
 
 N
 
 O R1
 
 O R2
 
 N
 
 R2 N
 
 HN
 
 R3
 
 R3
 
 O R1
 
 O
 
 O NH R3
 
 R2
 
 O
 
 R1
 
 N
 
 R2
 
 CF3CO2H
 
 R1
 
 N R3
 
 R3
 
 H
 
 CF3CO2H HO2C
 
 N
 
 R1
 
 HO2C
 
 N
 
 R2
 
 N
 
 N
 
 R3
 
 1,3,5-Trialkylpyrazol-4-carbonsäuren
 
 Abb. 36.10. Darstellung regioisomerer, trisubstituierter Pyrazol-4-carbonsäuren am polymeren Träger
 
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 36.9
 
 Anwendungsformen der Polymeren
 
 781
 
 Der Vorteil organischer Festphasen-Synthesen liegt in der automatisierbaren Aufreinigung des trägergebundenen Produkts durch einfaches Abfiltrieren und Waschen. Außerdem kann durch zwei- bis zehnfachen Überschuß der löslichen Edukte oft eine fast quantitative Umsetzung am festen Träger erreicht werden. Auch mehrstufige Synthesen sind automatisiert und in parallelen Ansätzen durchführbar. Während der verschiedenen Syntheseschritte muß die Bindung zum Polymerträger stabil bleiben. Am Ende der Synthese muß das Produkt unzersetzt abspaltbar sein. Deshalb wird statt der ursprünglich von MERRIFIELD eingesetzten Benzyl-Verknüpfung eine breite Palette spezieller "Linker" zwischen Polymer und Synthesesubstrat angeboten, die für viele gängige Synthesebedingungen maßgeschneidert sind. Als Linker eignen sich alle aus der Schutzgruppenchemie bekannten, kovalent mit dem Träger verknüpfbaren Gruppen. Durch Knüpfung von Enantiomeren an flüssige oder feste Polymere entstehen chirale Phasen, mit deren Hilfe chromatographische Racemattrennungen gelingen. Entsprechend kann man polymergebundene Enzyme herstellen, die einfacher handhabbar, oft stabiler und so aktiv sind wie die freien Enzyme.
 
 36.9 Anwendungsformen der Polymeren Polymere sind unentbehrliche Werkstoffe, die sich zu zahlreichen Gebrauchsgegenständen und Bauteilen verarbeiten lassen. Tab. 36.2 gibt eine abschließende Auswahl häufig verarbeiteter Polymerer und ihrer Verwendung, z. B. der Aramide als schwer entflammbare Fasern. Die meisten synthetischen Polymeren sind thermoplastisch und lassen sich bei Temperaturen oberhalb 60 °C zu Gefäßen und Gegenständen formen. Einige Polymere mit Faserstruktur, z. B. Perlon, müssen vor dem Verspinnen erst verstreckt werden, damit durch Kristallit-Bildung (Abb. 36.7) die Faser verfestigt wird. Spröde oder harte Polymere werden durch Zusatz von Weichmachern, welche die Wechselwirkungen zwischen den Makromolekülen schwächen, plastisch und damit formbar. Außer Polyethylenoxiden werden Phthalsäuredialkylester als Weichmacher verwendet. Polyethen kann z. B. erst nach Zusatz von Diisooctylphthalat zu Schläuchen verarbeitet werden. O Dialkylphthalate als Weichmacher
 
 C C
 
 R= OR
 
 CH2
 
 CH 2
 
 CH 2
 
 CH
 
 OR
 
 CH2 CH2
 
 (Butyl-)
 
 CH 3 CH2
 
 CH2
 
 CH3
 
 (Isooctyl-)
 
 CH2 CH3
 
 O
 
 Schaumstoffe erhält man durch Zusatz treibgasbildender Hilfsstoffe bei der Polymerisation, Polyaddition oder Polymeren-Verarbeitung. Vulkanisiert man Kautschuk oder Dien-Polymere z. B. unter Zusatz von Azobisisobutyronitril, so entwickelt sich Stickstoff als Treibgas, und man erhält Schaumgummi. Polyurethan-Schaumstoffe, die als Polsterfüllung und zur Schall- und Wärmedämmung verarbeitet werden, entstehen, wenn bei der Polyurethan-Bildung Wasser zugesetzt wird. Das Wasser reagiert mit den Diisocyanaten über die entsprechenden Dicarbamidsäuren unter Entwicklung von Kohlendioxid als Treibgas: R
 
 R N
 
 C
 
 O + H2O
 
 N
 
 CO2H
 
 R
 
 NH 2
 
 +
 
 CO2
 
 H N-Alkylcarbamidsäure
 
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 782
 
 36 Synthetische Polymere
 
 Tab. 36.2. Synthetische Polymere und ihrer Anwendungen, Teil 1: Vinyl- und Dien-Polymere Klasse
 
 Monomer(e)
 
 Vinyl- oder AlkenPolymere (Polyalkane)
 
 H2C
 
 Polymer-Einheit
 
 CH 2 C
 
 Handelsnamen
 
 Eigenschaften
 
 Anwendungsformen
 
 CH 2
 
 Polyethen (Polyethylen)
 
 PE
 
 Baylon, Lupolen, Hostalen, Vestolen
 
 amorph bis kristallin
 
 Formteile, Folien, Rohre, Schläuche
 
 CH2
 
 CH
 
 Polypropen (Polypropylen)
 
 PP
 
 Novolen, Hostalen PP, Vestolen PP
 
 amorph bis kristallin ataktisch bis isotaktisch
 
 Formteile, Folien, Rohre, Schläuche
 
 Polyisobuten (Polyisobutylen)
 
 PIB
 
 Oppanol, Vistanex
 
 vorwiegend amorph
 
 Beschichtungen
 
 PS
 
 Polystyrol, Hostyren, amorph bis Vestyron, Styropor kristallin ataktisch bis isotaktisch
 
 leichte Formteile und Verpackungen, Wärmedämmplatten
 
 CH 3
 
 CH 3 CH 3
 
 CH 3 H2C
 
 Kürzel
 
 CH2
 
 H H2C
 
 Bezeichnung
 
 C
 
 CH2 CH 3
 
 C CH 3
 
 H H2C
 
 C
 
 H2C
 
 C
 
 CH2
 
 CH
 
 Polystyren (Polystyrol)
 
 CH2
 
 CH
 
 Polychlorethen PVC (Polyvinylchlorid)
 
 Vinoflex, Hostalit, Trosiplast
 
 vorwiegend ataktisch und teilkristallin
 
 Behälter, Folien, Beschichtungen, Rohre, Schläuche, Bodenbeläge
 
 H Cl
 
 F2 C
 
 CF2
 
 H2C
 
 C
 
 Cl
 
 CF2
 
 CF2
 
 Polytetrafluorethen (Polytetrafluorethylen)
 
 PTFE
 
 Teflon, Hostaflon
 
 teilkristallin, hochschmelzend, chemikalienresistent
 
 Folien, Dichtungen, Ventile, Hähne, Beschichtungen, Behälter
 
 CH2
 
 CH
 
 Polyacrylnitril
 
 PAN
 
 Dralon, Dolan, Orlon
 
 vorwiegend ataktisch und teilkristallin, Faserstruktur
 
 Formteile, Fasern
 
 Polymethylmethacrylat
 
 PMMA Degalan, Plexiglas
 
 vorwiegend ataktisch, amorph, glasartig
 
 Formteile, Acrylglas, Anstrichmittel
 
 Polyvinylacetat
 
 PVAC
 
 Movilith, Vinapas
 
 vorwiegend ataktisch, amorph
 
 Bindemittel, Klebstoffe, Lacke
 
 Polyvinylalkohol
 
 PVAL
 
 Moviol, Polyviol
 
 amorph
 
 Klebstoffe, Lacke
 
 StyrenButadienCopolymer
 
 SB, SBR
 
 Buna-Hüls, Kraton
 
 amorph, elastisch
 
 GummiErsatz
 
 StyrenAcrylnitrilCopolymer
 
 SAN
 
 Novodur, Terluran
 
 überwiegend amorph
 
 Formteile, Isolatoren
 
 Styren1,4-DivinylbenzenCopolymer
 
 PSDVB
 
 Lewatite
 
 teilvernetztes Perlpolymerisat, quellbar
 
 Edukt zur Herstellung von Ionenaustauschern und polymeren Trägern
 
 Viton
 
 überwiegend amorph, elastisch
 
 GummiErsatz
 
 H CN
 
 CN CH 3
 
 CH 3 H2C
 
 CH2
 
 C CO2CH 3
 
 C CO2CH 3
 
 H H2C
 
 C
 
 CH2 OCOCH 3
 
 CH OCOCH 3
 
 CH2
 
 CH OH
 
 VinylCopolymere
 
 H H2C
 
 CH 2
 
 C
 
 CH2
 
 CH
 
 CH CH 2
 
 CH
 
 teilvernetzt H2C CH
 
 CH CH 2
 
 H H2C
 
 C
 
 H2C
 
 CH
 
 CH2
 
 C CH2
 
 H 2C CH H2C
 
 CF2
 
 F2 C
 
 CF
 
 CH CN
 
 CH 2
 
 CH
 
 CN
 
 H H2C
 
 CH 2 CH
 
 CF3
 
 CH2
 
 CF2
 
 CF
 
 CF2
 
 CF3
 
 CH2
 
 C
 
 C H 2C
 
 Polybutadien
 
 PB
 
 Buna CB
 
 überwiegend amorph
 
 NaturkautschukErsatz, Gummi
 
 CH 2
 
 cis-Polyisopren (koordinativ polymerisiert)
 
 PI
 
 Natsyn
 
 klebrig, elastisch
 
 NaturkautschukErsatz, Gummi
 
 Baypren, Neopren
 
 überwiegend amorph, elastisch
 
 NaturkautschukErsatz
 
 H H
 
 C
 
 CH2
 
 C
 
 C H 3C
 
 C
 
 CH 2
 
 CH2
 
 H
 
 H C
 
 H2C
 
 CH 2
 
 C
 
 H H H3C
 
 1,1-DifluorethenHexafluorpropenCopolymer
 
 H C
 
 H2C
 
 CH 2
 
 CH CH 2
 
 H
 
 DienPolymere
 
 CH
 
 CH
 
 C
 
 CH2
 
 C H 2C
 
 Cl
 
 C Cl
 
 CH 2
 
 Polychloropren
 
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 36.9
 
 Anwendungsformen der Polymeren
 
 783
 
 Tab. 36.2. Synthetische Polymere und ihre Anwendungen, Teil 2 : Polyadditions- und Polykondensationsprodukte Klasse
 
 Monomer(e)
 
 Polyether
 
 Polymer-Einheit O
 
 O
 
 CH3
 
 O
 
 CH2
 
 CH 2
 
 O
 
 Bezeichnung
 
 CH2
 
 CH
 
 Kürzel Handelsnamen
 
 H2 C
 
 O
 
 Anwendungsformen
 
 terminale OH-Gruppen
 
 Polyethylenoxid, (Polyethylenglykol)
 
 PEG
 
 Polywachs flüssig bis wachsartig, je nach Polymerisationsgrad
 
 terminale OH-Gruppen
 
 Polypropylenoxid
 
 PPO
 
 Polywachs
 
 terminale OH-Gruppen
 
 Polyoxymethylen
 
 POM
 
 Hostaform, amorph bis Ultraform, kristallin, durchsichtig Delrin
 
 EP
 
 Araldit, Lekutherm Epikote
 
 zähflüssig bis fest, je nach Härtungsgrad
 
 Klebund Lackrohstoffe (Epoxidlacke)
 
 Bisphenol-Apolycarbonat
 
 PC
 
 Makrolon, Lexan, Merlon
 
 amorph, glasartig
 
 Formteile (Haushaltsartikel)
 
 Polyethylenglykolterephthalat
 
 PETP Diolen, Pocan, Trevira, Vetsan
 
 amorph, teilkristallin, faserartig
 
 Synthesefasern, Folien
 
 CH 3
 
 H 2C O
 
 Eigenschaften
 
 Weichmacher, Textilund LackHilfsstoffe
 
 Weichmacher flüssig bis fest, je nach Polymerisationsgrad Fasern, Folien
 
 CH2Cl
 
 Epoxidharze
 
 O
 
 vgl. Abb 35.2
 
 CH 3 C CH3
 
 NaO
 
 ONa O
 
 Polyester
 
 CH3
 
 C
 
 Cl
 
 Cl CH 3
 
 C CH 3
 
 O
 
 C CH3
 
 HO
 
 O
 
 C
 
 OH HO
 
 CH2
 
 O
 
 CH2
 
 O
 
 OH
 
 H3CO2 C
 
 O C
 
 C O
 
 CO2CH3
 
 H2C CH2
 
 HO
 
 Polyurethane
 
 CH2
 
 CH
 
 H3CO2 C
 
 OH (CH2 ) 4
 
 O C N
 
 Ar
 
 Ar =
 
 CH2
 
 OH
 
 O
 
 CH2
 
 CH
 
 CH2
 
 O O
 
 OH
 
 C
 
 (CH 2) 4
 
 O
 
 O Polyglyceroladipat
 
 CO2CH 3
 
 N C
 
 O
 
 O
 
 CH 2
 
 CH
 
 CH 2
 
 O
 
 C
 
 (CH 2) 4
 
 O
 
 O
 
 CH 2
 
 C
 
 O
 
 H2 N
 
 (CH2 ) 6
 
 NH 2
 
 HO2 C
 
 (CH2 ) 4
 
 CO2H
 
 H2 N
 
 (CH2 ) 6
 
 NH 2
 
 HO2 C
 
 (CH2 ) 8
 
 CO2H
 
 HN
 
 HN
 
 (CH2 ) 6 NH C zwei Bausteine O
 
 (CH 2) 4
 
 (CH2 ) 6 NH C zwei Bausteine O
 
 (CH 2) 8
 
 C O
 
 C O
 
 O NH
 
 aromatische HO2C Polyamide (Aramide) H2N
 
 H 2N (CH2 ) 5
 
 NH (CH 2) 5 ein Baustein
 
 CO2H
 
 O
 
 O CO2 H H 2N
 
 NH2
 
 NH2 HO2C
 
 CO2 H
 
 N
 
 Vulcollan, Corfam
 
 überwiegend kristallin, elastisch, hohe mechanische Resistenz
 
 Synthesefasern (Perlon U), Dichtungen, Bremsbeläge, Lederersatz
 
 PA Polyadipinsäurehexamethylendiamid
 
 Nylon-6,6
 
 teilkristallin, faserartig, hochschmelzend
 
 Synthesefasern, Schläuche, Formteile
 
 PA Polysebacinsäurehexamethylendiamid
 
 Nylon-6,10
 
 teilkristallin, faserartig, hochschmelzend
 
 Synthesefasern, Schläuche, Formteile
 
 Perlon, Nylon-6, Trogamid, Vestamid
 
 teilkristallin, faserartig, hochschmelzend
 
 Synthesefasern, Schläuche, Formteile
 
 Polyterephthalsäurep-phenylendiamid
 
 Kevlar
 
 Polyisophthalsäurem-phenylendiamid
 
 Nomex
 
 faserartig, hochschmelzend, temperaturbeständig, schwer entflammbar
 
 flammgeschützte Fasern, elektrische Isoliermaterialien, Reifencord
 
 PA
 
 O
 
 N
 
 H
 
 C
 
 ε-Aminocapronsäurepolyamid
 
 C
 
 Synthesefasern
 
 PGA
 
 O urethanvernetztes Polyglyceroladipat
 
 HN
 
 aliphatische Polyamide
 
 C
 
 H H
 
 H
 
 N
 
 N O
 
 O
 
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 784
 
 37 Aminosäuren
 
 37 Aminosäuren 37.1 Proteinaminosäuren Aminosäuren sind aliphatische und aromatische Carbon- und Sulfonsäuren, welche mindestens eine α-, β-, γ- bzw. o-, m-, p-ständige Amino-Gruppe tragen. Sie gehören zu den Ampholyten, deren Eigenschaften durch die Präsenz einer sauren und basischen Gruppe geprägt werden. H 3C
 
 H C
 
 H2N
 
 CH 3
 
 CO2H
 
 H 2N C CO2H
 
 H 2N
 
 SO3H
 
 H2N CH2 CH2 CO2H
 
 CO2H
 
 H
 
 NH2 (S)-2-Aminopropansäure
 
 L-Alanin (eine α-Aminosäure)
 
 3-Aminopropansäure (β-Alanin, eine β-Aminosäure)
 
 3-Aminobenzensulfonsäure (m-Aminobenzensulfonsäure)
 
 4-Aminobenzoesäure (p-Aminobenzoesäure)
 
 Die natürlichen α-Aminosäuren bilden sich durch Hydrolyse der Proteine (proteinogene Aminosäuren). Sie werden nach IUPAC mit ihren herkömmlichen Namen und deren Drei- oder EinBuchstaben-Symbolen bezeichnet (Tab. 37.1). Sie werden vereinfacht als Aminocarbonsäuren formuliert, obwohl sie im neutralen pH-Bereich als Zwitterionen existieren. R
 
 R
 
 H 3N C CO2
 
 H 2N C CO2H
 
 H
 
 H
 
 übliche Schreibweise
 
 Zwitterionen-Form
 
 Aufgrund ihrer sehr unterschiedlichen Seitenketten R (Tab. 37.1) lassen sich die zwanzig Proteinaminosäuren zu folgenden Gruppen zusammenfassen: ̈ aliphatische Aminosäuren: Gly, Ala, Val, Leu, Ile; ̈ Hydroxyaminosäuren: Ser, Thr; ̈ sauere Aminodicarbonsäuren und deren ω-Amide: Asp, Asn, Glu, Gln; ̈ basische Aminosäuren: Lys, Arg, His; ̈ schwefelhaltige Aminosäuren: Cys, Met; ̈ cyclische Aminosäuren: Pro; ̈ aromatische bzw. heteroaromatische Aminosäuren: Phe, Tyr, Try. Zu den Guanidylaminosäuren gehört die Proteinaminosäure Arginin (Arg, Tab. 37.1). Eine vom N-Methylglycin (Sarkosin) abgeleitete Guanidylcarbonsäure ist die als Kreatin bezeichnete NMethylguanidylessigsäure aus dem Muskelsaft der Wirbeltiere. Kreatinin, neben Harnstoff ein Proteinabbauprodukt im Urin, bildet sich durch säurekatalysierte Cyclodehydratisierung des Kreatins. H NH2 H3C
 
 NH
 
 CH2
 
 CO2H
 
 HN
 
 N
 
 CH2
 
 H3C N-Methylglycin (Sarkosin)
 
 N
 
 − H2O
 
 C
 
 Kreatin
 
 CO2H
 
 HN
 
 C N
 
 O C CH2
 
 H3C Kreatinin
 
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 37.1
 
 Proteinaminosäuren
 
 785
 
 Tab. 37.1. Formeln der Proteinaminosäuren, ihre Bezeichnungen und Drei- sowie Einbuchstaben-Symbole H
 
 H3N CH2
 
 H3N C CO2
 
 Glycin
 
 Gly
 
 G
 
 CH2
 
 H
 
 CH2
 
 CH3
 
 CH2
 
 H3N C CO2
 
 Alanin
 
 Ala
 
 A
 
 H3N C CO2
 
 CH(CH3)2 H3N C CO2
 
 Lys
 
 K
 
 Arginin
 
 Arg
 
 R
 
 Histidin
 
 His
 
 H
 
 Cystein
 
 Cys
 
 C
 
 Methionin
 
 Met
 
 M
 
 Phenylalanin
 
 Phe
 
 F
 
 Tyrosin
 
 Tyr
 
 Y
 
 Tryptophan Trp
 
 W
 
 H2N Valin
 
 Val
 
 V
 
 C
 
 NH CH2
 
 H2N
 
 H
 
 CH2 CH2
 
 CH(CH3)2
 
 H3N C CO2
 
 CH2 H3N C CO2
 
 Leucin
 
 Leu
 
 H
 
 L N
 
 H
 
 NH
 
 C2H5
 
 CH2
 
 CH CH3 H3N C CO2
 
 Isoleucin
 
 Ile
 
 I
 
 H3N C CO2 H
 
 H
 
 N H2
 
 Lysin
 
 H
 
 H
 
 CO2
 
 Prolin
 
 Pro
 
 P
 
 H3N C CO2
 
 OH
 
 H
 
 CH2 H3N C CO2
 
 SH CH2
 
 Serin
 
 Ser
 
 S
 
 CH3
 
 H
 
 S
 
 OH
 
 CH2 CH2
 
 CH CH3 H3N C CO2
 
 Threonin
 
 Thr
 
 T
 
 H3N C CO2 H
 
 H CO2 CH2 H3N C CO2 H
 
 Asparaginsäure
 
 Asp
 
 D
 
 CONH2
 
 H
 
 CH2 H3N C CO2
 
 CH2 H3N C CO2
 
 Asparagin
 
 Asn
 
 N
 
 OH
 
 H CO2H CH2
 
 CH 2
 
 CH2 H3N C CO2 H
 
 Glutaminsäure
 
 Glu
 
 E
 
 H3N C CO2 H NH
 
 CONH2 CH2
 
 CH2
 
 CH2 H3N C CO2 H
 
 Glutamin
 
 Gln
 
 Q
 
 H3N C CO2 H
 
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 786
 
 37 Aminosäuren
 
 37.2 Physiologische Bedeutung Pflanzen sowie verschiedene Mikroorganismen (Algen, einige Bakterien) sind in der Lage, Aminosäuren aus CO2, H2O, NO3−, NH4+, N2, SO42− aufzubauen. Der menschliche Organismus kann nicht jede der 20 α-Aminosäuren selbst synthetisieren und ist auf Proteinzufuhr aus eiweißreicher Nahrung angewiesen. Man unterscheidet daher zwischen essentiellen Aminosäuren wie Lys, Leu, Val, Phe, Ile, Thr, Met, Trp, die für die Ernährung notwendig sind, und nicht essentiellen wie Gly, Ala, Ser, Glu, Gln, Asp, Asn, Pro, die der Körper selbst aufbauen kann. Lys wird aus Met, Tyr aus Phe aufgebaut; Arg und His gelten als semiessentiell in der Wachstumsphase. In Magen, Darm und anderen Organen des Körpers spalten Endo- und Exopeptidasen die Nahrungsproteine in die Aminosäuren. Diese werden wieder zum Proteinaufbau verwendet oder durch Reaktionen wie Seitenkettenumbau unter Erhaltung des Aminosäure-Rumpfes, Decarboxylierung zu biogenen Aminen, Transaminierung zu α-Oxocarbonsäuren, oxidative Deamininierung zu α-Oxocarbonsäuren umgewandelt. Als Endprodukt des Stoffwechsels wird der Aminosäure-Stickstoff in Form von Harnstoff und Harnsäure ausgeschieden. Für die Resorption neutraler, basischer und sauerer Aminosäuren sind in den Zellmembranen bestimmte Transportsysteme vorhanden. Sie bestehen aus in die Lipid-Schicht eingebetteten Proteinkomplexen. Aminosäuren haben im Körper nicht nur zentrale Bedeutung als Energiequelle in Form des mit der Nahrung zugeführten Proteins; sie sind auch funktionelle Bausteine in Peptidhormonen und Enzymen sowie Vorstufen für andere Verbindungen wie biogene Amine (Kap. 39.3.2). Die über den genetischen Code gesteuerte Proteinbiosynthese gewährleistet unvorstellbar große Variationsmöglichkeiten der Sequenz mit exakter Reproduzierbarkeit der Proteinfunktion. Kleinere, von Mikroorganismen produzierte oder chemisch synthetisierte Peptide mit ungewöhnlichen Aminosäuren, finden als Antibiotika Verwendung. Sie können u. a. als spezifische Inhibitoren von Enzymen wirken und so in den Stoffwechsel von Bakterien eingreifen.
 
 37.3 Absolute Konfiguration Mit Ausnahme des achiralen Glycins besitzen alle Proteinaminosäuren vier verschiedene Substituenten am α-C-Atom. Aufgrund dieses Asymmetriezentrums sind sie chiral und bilden optisch aktive (R)- und (S)-Enantiomere. Zur Bezeichnung der absoluten Konfiguration von Aminosäuren ist die FISCHER-Konvention (D und L) üblich. Sie beruht auf der ursprünglich willkürlich festgelegten Konfiguration der beiden enantiomeren Glyceraldehyde als Bezugsverbindungen (DGlyceraldehyd = (R)-Glyceraldehyd, Kap. 18.4). Optisch aktive α-Aminosäuren lassen sich stereospezifisch in einen der beiden Glyceraldehyde umwandeln und auch stereospezifisch aus dem D-oder L-Glyceraldehyd synthetisieren. Nachdem die absolute Konfiguration der Glyceraldehyde über die RÖNTGEN-Strukturanalyse der Weinsäure (Kap. 18.4) bekannt war, konnte das (S)Enantiomer des Alanins als L-Alanin bezeichnet werden. CO2H H2N C H
 
 H H3C
 
 CH 3 L-Alanin
 
 =
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 C
 
 C
 
 NH2
 
 ( S)-Alanin
 
 H2N
 
 CO2H H C NH2
 
 H CH3
 
 D-Alanin
 
 CH 3 =
 
 ( R)-Alanin
 
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 37.4
 
 Physikalische Eigenschaften
 
 787
 
 In den Proteinen aller Pflanzen und Tiere findet man nur α-Aminosäuren der absoluten Konfiguration L bzw. (S). L-Cystein und sein Disulfid L-Cystin müssen allerdings wegen der höheren Priorität des Schwefels an dem β-C-Atom gegenüber den Carboxy-O-Atomen als (R)-Cystein bzw. (R)-Cystin bezeichnet werden (Kap. 18.3.1). CO2H
 
 CO2H H2N C H CH2
 
 L-Cystein
 
 =
 
 (R)-Cystein
 
 SH
 
 H2C SH
 
 C
 
 H NH 2
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 H2N C H H2N C H CH2 S S CH 2 L-Cystin = (R)-Cystin
 
 D-Aminosäuren findet man häufig in Peptidantibiotika, die als Stoffwechselprodukte einiger Bakterien und Pilze isoliert werden (Kap. 38.7.3). D-Glutaminsäure und D-Alanin sind Bausteine des Mureins, ein Biopolymer, das einen Teil der Zellwand von Bakterien aufbaut. Wie alle Enantiomere zeigen D- und L-α-Aminosäuren identische physikalische und chemische Eigenschaften mit zwei Ausnahmen: D- und L-α-Aminosäuren drehen die Ebene des linear polarisierten Lichts um den gleichen Betrag aber mit verschiedenen Vorzeichen. D- und L-Aminosäuren reagieren verschieden schnell mit anderen chiralen Molekülen. Diese zweite Eigenschaft ist von fundamentaler Bedeutung: Da die aus Aminosäuren aufgebauten Enzyme ebenfalls chiral sind, können sie enantiomere Substrate unterscheiden. Meist wird nur ein Enantiomer erkannt und ist biologisch aktiv; das andere kann inaktiv sein oder sogar als Hemmstoff (Inhibitor) wirken. Im Zusammenhang mit der Evolution stellt sich die Frage nach dem Ursprung der als Homochiralität bezeichneten Dominanz von L-Aminosäuren in der belebten Natur. Man nimmt heute an, daß vor den Proteinen die Nucleinsäuren als autokatalytisch sich selbst über die Doppelhelix (Kap. 41.3.6, 41.5) vervielfachende Moleküle entstanden sein müssen. Viele Experimente zur "Urzeugung" zeigen, daß sich racemische α-Aminosäuren unter primitiven Bedingungen aus einfachen C,H,O,N-haltigen Gasen durch Einwirkung elektrischer Entladungen bzw. von Strahlungsenergie bilden. Die Dominanz der L-Konfiguration ist nach vorherrschender Ansicht ein Zufall. D- und LSystem hätten sich auch parallel entwickeln können; das L-System hat zufällig durch günstigere präbiotische Umgebungsbedingungen gewonnen. Über den genetischen Code sind die Proteinaminosäuren in außerordentlich stabiler Weise sowohl in der Zahl zwanzig als auch in ihrer Struktur (Konstitution, absolute Konfiguration) festgelegt. Die Biosynthese der Proteine erforderte eine einheitliche Konfiguration, sonst wären sowohl die Synthesemechanismen als auch die Produkte und ihr biologischer Abbau viel zu komplex geworden, um in der Evolution zu überleben.
 
 37.4 Physikalische Eigenschaften 37.4.1
 
 Dissoziationsgleichgewichte
 
 Fast alle für die Aminosäuren typischen Eigenschaften sind vom Dissoziationszustand der Aminound Carboxy-Gruppen und damit vom pH der wäßrigen Lösung abhängig. Die α-Aminosäuren mit
 
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 788
 
 37 Aminosäuren
 
 α-Alkyl-Seitenketten zeigen aufgrund ihrer α-Carboxy-Funktion einen pK zwischen 1.5 und 2.5 und aufgrund ihrer α-Amino-Funktion einen pK zwischen 8 und 10 (Tab. 37.2). R
 
 +
 
 R
 
 +
 
 H 3N C CO2
 
 − [H ]
 
 C CO2H
 
 H3N
 
 + [H ]
 
 H
 
 R
 
 +
 
 H2N C CO2
 
 + [H ]
 
 H
 
 protonierte Aminosäure Aminosäure-Kation
 
 +
 
 − [H ]
 
 "neutrale" Aminosäure Zwitterion
 
 H deprotonierte Aminosäure Aminosäure-Anion
 
 Im neutralen pH-Bereich liegen somit die meisten Aminosäure-Moleküle als Zwitterionen vor, d. h. sie tragen sowohl eine positive als auch eine negative Ladung. Die Dissoziationsgleichungen zeigen eindeutig, daß bei keinem pH (auch nicht im Festzustand) Aminosäuren die ungeladene Form H2N−CHR−CO2H annehmen. Diese übliche Formel ist daher nicht korrekt; freie Aminosäuren tragen permanent Ladungen. Mit potentiometrischen Titriergeräten unter Verwendung von Mikrostab-Elektroden lassen sich innerhalb von Minuten im Mikromolbereich Titrationskurven von Aminosäuren aufnehmen (Abb. 37.1).
 
 12
 
 H2N CH 2 CO2 Amino-Form (Anion)
 
 pK2 = 9.78
 
 10 8 pI = 6.07
 
 6
 
 isoelektrischer Punkt
 
 H3N CH 2 CO2 Zwitterion (neutral)
 
 pH 4 2
 
 pK1 = 2.35
 
 0
 
 H3N CH 2 CO2H 1
 
 0.5 mol HCl
 
 0.5 mol NaOH
 
 0
 
 1
 
 Ammonium-Form (Kation)
 
 Abb. 37.1. Titrationskurve der α-Aminosäure Glycin (als Zeichenhilfe wurden auch die pK-Werte bei 0.1 und 0.9 mol Lauge oder Säure eingezeichnet)
 
 Im Bereich zwischen pH = 4 und 7 gibt es einen pH-Wert, bei dem neben der Zwitterionenform gleiche Mengen an Kationen und Anionen vorhanden sind. Diesen Punkt in der Titrationskurve bezeichnet man aufgrund der dabei insgesamt auftretenden Ladungsneutralität als isoelektrischen Punkt und den dazugehörenden pH-Wert als pI (Abb. 37.1). Für bifunktionelle Aminosäuren kann der pI aus den Dissoziationskonstanten K1 und K2 wie folgt berechnet werden. K1 = c(H3O+) c(Zwitterion) / c(Kation) (1) ; K2 = c(H3O+) c(Anion) / c(Zwitterion) (2) .
 
 .
 
 Gleichung (1) löst man nach c(Zwitterion) auf und setzt das Ergebnis in Gleichung (2) ein: K1 K2 = c(H3O+) c(Anion) / c(Kation) (3) 2.
 
 .
 
 Wegen c(Anion) = c(Kation) gilt am isoelektrischen Punkt pI: K1 K2 = c (H3O+) oder c(H3O+) = (K1 K2) .
 
 2
 
 .
 
 1/2
 
 oder pH = pI = 1/2 (pK1 + pK2)
 
 (4) .
 
 Sind die beiden pK-Werte bekannt, so läßt sich der pI nach Gl. (4) berechnen.
 
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 37.5
 
 Chromatographische Trennung
 
 789
 
 Mehrfunktionelle Aminosäuren, z. B. Glutaminsäure, Lysin, Histidin und Cystein, zeigen aufgrund ihrer zusätzlichen dissoziablen Gruppen weitere pK-Werte. Bei gleichzeitigem Vorliegen zweier Carboxy-Gruppen (Glu und Asp) oder zweier Amino-Gruppen (Lys) besitzen diese jeweils unterschiedliche, jedoch relativ nahe beieinander liegende pK-Werte. Deshalb läßt sich z. B. Lysin nur dann selektiv an der Seitenkettenfunktion (ε-Amino-Gruppe) zur Reaktion bringen, wenn die α-Amino-Gruppe geschützt ist. Tab. 37.2. pK- und pI-Werte einiger Aminosäuren
 
 37.4.2
 
 Aminosäure
 
 pK1
 
 pK2
 
 pI
 
 Aminosäure
 
 pK1
 
 pK2
 
 Gly Ala Ser Pro Asn Gln Phe
 
 2.3 2.3 2.2 2.0 2.0 2.2 1.8
 
 9.6 9.7 9.2 10.6 8.8 9.1 9.1
 
 6.0 6.0 5.7 6.3 5.4 5.7 5.5
 
 Cys Lys Arg His Asp Glu Tyr
 
 1.7 2.2 2.2 1.8 1.9 2.2 2.2
 
 8.3 SH 9.1 α 9.0 α 6.0 im 3.7 β 4.3 γ 9.1 α
 
 pK3 10.8 10.5 ε 12.8 g 9.2 9.6 10.0 10.1
 
 pI 5.0 9.8 10.8 7.6 2.8 3.2 5.7
 
 Schmelzpunkt und Löslichkeit
 
 Von allen Carbonsäuren zeigen die Aminosäuren die höchsten Schmelzpunkte. Mit durchschnittlich 350 °C liegen sie zwischen den Schmelzpunkten organischer Verbindungen (Essigsäure, Schmp. 16.6 °C) und anorganischer Salze (Natriumchlorid, Schmp. 803 °C). Wäßrige Lösungen der Monoaminomonocarbonsäuren reagieren neutral und zeigen hohe Dielektrizitätskonstanten. In neutraler Lösung besitzen die Aminosäuren somit aufgrund ihrer Zwitterionenstruktur ein hohes Dipolmoment. Die meisten Protein-Aminosäuren sind in Alkoholen weniger löslich als in Wasser. Wie anorganische Salze sind sie in unpolaren Lösemitteln praktisch unlöslich: Glycin Alanin Valin Cystin
 
 253 g / L H2O 167 74 0.1
 
 0.4 g / L C2H5OH 1.6 6 unlöslich
 
 Individuelle Unterschiede dieser Eigenschaften sind wichtig für die Isolierung und Trennung von Aminosäuren in präparativem Maßstab durch Umfällen und Umkristallisieren. Die Löslichkeit hängt vom pH und der Temperatur ab; am isoelektrischen Punkt (Abb. 37.1) ist sie am geringsten.
 
 37.5 Chromatographische Trennung 37.5.1
 
 Ionenaustausch-Chromatographie im Aminosäuren-Analysator
 
 Die mit Abstand wichtigste quantitative Analysenmethode für Aminosäuren war die Aminosäuren-Analyse nach STEIN und MOORE (1958). Dazu wird eine Proteinprobe mit 6 N HCl 24 h auf 110 °C erhitzt. Nach Abdampfen der Salzsäure wird das so gewonnene Totalhydrolysat im automatischen Aminosäuren-Analysator durch Säulenchromatographie an Polystyren-Ionenaustauschharzen mit Sulfonsäure-Gruppen getrennt. Die Aminosäuren werden dabei mit Puffern von stei-
 
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 790
 
 37 Aminosäuren
 
 gendem pH und steigender Ionenstärke primär aufgrund ihrer unterschiedlichen pK-Werte, aber auch anderer Wechselwirkungen chromatographiert. Dem Eluat wird Ninhydrin-Reagenz zugepumpt. Die Aminosäure-Ninhydrin-Mischung wird dann zur Entwicklung der blauvioletten Farbe mittels einer langen Kapillare (Reaktionsschleife) durch ein 100 °C heißes Bad geführt. Die dabei ablaufende Ninhydrin-Reaktion führt zu einem blauen Imin (Nachweis von Aminosäuren): O OH OH
 
 R
 
 +
 
 H 3N CH CO2
 
 R
 
 O − 2 H2O
 
 CH CO2H N
 
 O
 
 O − CO2
 
 H N CH R O
 
 O
 
 Ninhydrin (Indantrion-Hydrat)
 
 + H2O
 
 − R
 
 CH O
 
 O
 
 O
 
 H
 
 O H
 
 O
 
 O
 
 O
 
 NH 2
 
 − 2 H2O
 
 N
 
 N
 
 blaues Imin
 
 OH OH
 
 +
 
 OH O
 
 O O
 
 O
 
 O
 
 Anschließend wird die Farbintensität (Extinktion bei 550 nm) kolorimetrisch im Durchflußphotometer gemessen und aufgezeichnet. Ein typisches Aminosäuren-Chromatogramm oder Elutionsprofil (Abb. 37.2) zeigt, daß zunächst die mehr sauren Aminosäuren, dann die neutralen αAlkylaminosäuren und nach den aromatischen die basischen Aminosäuren eluiert werden. Zu Routineanalysen werden Mengen von etwa 20 nmol bei Ninhydrin-Detektion benötigt. Bei Trennung auf Kapillarsäulen und Detektion durch fluoreszierende Derivate genügen sogar picomolare Mengen. Nach jeder Trennung wird die Säule automatisch regeneriert.
 
 Abb. 37.2. Chromatogramm einer Aminosäuren-Analyse (Fluoreszenzdetektion)
 
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 37.5
 
 Chromatographische Trennung
 
 791
 
 Tryptophan zersetzt sich unter den stark sauren Reaktionsbedingungen durch Hydrolyse am IndolHeterocyclus und ist nur nach alkalischer Proteinhydrolyse durch 5 N Bariumhydroxid-Lösung erfaßbar. Glutamin und Asparagin verlieren bei der Hydrolyse Ammoniak und erscheinen deshalb als Glutaminsäure und Asparaginsäure. Das labile Cystein muß vorher mit Perameisensäure zur stabilen Cysteinsäure (−SH → −SO3H) oxidiert werden, um Schwefelwasserstoff-Eliminierungen zu vermeiden. Prolin gibt mit Ninhydrin einen gelben Farbstoff und wird im Eluat bei einer zusätzlichen Wellenlänge gemessen. Durch Einsatz von Standardmischungen bekannter Aminosäure-Zusammensetzung wird die Effizienz und Reproduzierbarkeit (etwa 3 %) der einstündigen Trennung überprüft. Zur spektrometrischen Detektion der Aminosäuren eignen sich verschiedene Derivatisierungen. Gelbe 2,4-Dinitrophenyl-Derivate (DNP-Aminosäuren) werden z. B. durch Arylierung der Amino-Funktion mit 2,4-Dinitrofluorbenzen (DNFB, SANGER-Reagenz) erzeugt: CH(CH3)2 O2N
 
 F
 
 +
 
 H 2N CH CO2
 
 pH = 8
 
 −F
 
 CH(CH 3)2 O2N
 
 NH CH CO2H
 
 NO2 DNP-Valin [N-(2,4-Dinitrophenyl)-valin]
 
 NO2
 
 Stark fluoreszierende Derivate zur Detektion im subnanomolaren Bereich erhält man durch Dansylierung mit 5-N,N-Dimethylaminonaphthalensulfonsäurechlorid (Dansylchlorid). Diese Derivate eignen sich auch zur quantitativen Analyse von Aminosäuren-Mischungen durch Hochdruckflüssigkeitschromatographie (High-Performance-Liquid-Chromatography, HPLC). Alle Dansyl-Derivate sind hydrolysestabiler, und ihr Nachweis ist im Vergleich zu DNP-Aminosäuren um den Faktor 100 empfindlicher. (H3C)2N
 
 CH 3 SO2 Cl
 
 +
 
 H 2N CH CO2
 
 Dansylchlorid 5-(N,N-Dimethylamino)naphthalensulfonsäurechlorid
 
 (H 3C)2N − Cl
 
 CH3 SO2
 
 NH CH CO2H
 
 Dansylalanin
 
 Dinitrophenylierung und Dansylierung werden besonders zur Bestimmung der N-terminalen Aminosäure in Peptiden eingesetzt (Endgruppenbestimmung, Kap. 38.5.3). Für trifunktionelle Aminosäuren wie Cystein, Histidin oder Arginin gibt es verschiedene spezifische Nachweismethoden, bei denen die Seitenfunktionen mit selektiven Reagenzien umgesetzt werden.
 
 37.5.2
 
 Kapillarzonen-Elektrophorese
 
 Die Elektrophorese wird als Dünnschicht- oder Kapillarzonen-Elektrophorese weniger für Aminosäuren als für Peptide eingesetzt. Das Prinzip ist jedoch gleich. Eine Aminosäuren-Mischung zeigt im elektrischen Feld unterschiedliche Wanderungsrichtungen und -geschwindigkeiten, je nachdem, ob basische, saure oder neutrale Aminosäuren vorliegen, und welcher pH in der ElektrolytLösung eingestellt ist. Ein Aminosäure-Anion wie Glutamat bei pH = 7 wird zur Anode, ein Aminosäure-Kation wie Lysin wird zur Kathode, und ein Zwitterion wie Alanin wird wenig vom Startfleck weg wandern.
 
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 792
 
 37 Aminosäuren
 
 37.5.3
 
 Gaschromatographie
 
 Die gaschromatographische Trennung von Aminosäuren nützt u. a. bei der Strukturaufklärung von Peptidantibiotika, die unbekannte Aminosäuren enthalten. Da die Zwitterionen im Peptidhydrolysat nicht flüchtig sind, müssen sie durch Veresterung der Carboxy-Gruppe und Acylierung der Amino-Funktion in flüchtige Derivate übergeführt werden. Besonders bewährt hat sich die Gaschromatographie von N-Trifluoracetylaminosäurebutylestern an Glaskapillarsäulen und die Kopplung der Trennsäule an ein Massenspektrometer (GC-MS-Kopplung). R
 
 H3N C CO2
 
 +
 
 C4H 9OH
 
 HCl , 100 °C
 
 − H2O
 
 H
 
 R
 
 H 2N CH CO2C4H 9
 
 + (F3C−CO) 2O
 
 − F3C−CO2H
 
 R
 
 O
 
 C NH CH CO2C 4H9 F 3C
 
 N-Trifluoracetylaminosäurebutylester
 
 Bei Trennzeiten von etwa 1 h können von jeder unbekannten Fraktion (Elutionspeak) zur Identifizierung der vielleicht neuen Aminosäure Massenspektren aufgenommen werden. Mit Hilfe einer chiralen stationären GC-Phase lassen sich auch Enantiomere quantitativ bestimmen (Abb. 37.5).
 
 37.6 Synthesen Chemische Synthesen der Proteinaminosäuren erregen überwiegend akademisches Interesse, da die Isolierung aus natürlichen Quellen und vor allem durch Fermentation von Mirkroorganismen meist billiger ist. Aminosäuren und ihre Derivate werden außer in der Futtermittel- und Nahrungsmittelindustrie als Therapeutika sowie als Rohstoffe in der chemischen Industrie (Tenside, Polymere) benötigt. Industriell werden Aminosäuren mikrobiologisch durch Fermentation und enzymatisch, durch Extraktion natürlicher L-α-Aminosäuren aus Proteinhydrolysaten, sowie allgemein durch chemische Synthesen der Struktur +H3N−CHR−CO2− produziert. Da fast jede industriell produzierte Aminosäure enantiomerenrein vorliegen muß, sind ökonomische Methoden der Racemat-Trennung unerlässlich (Kap. 37.7). Enantiomerenreine Aminosäuren und ihre Derivate dienen als chirale Bausteine bei Natur- und Wirkstoff-Synthesen.
 
 37.6.1
 
 STRECKER-Synthese
 
 Nach STRECKER (1850) werden α-Aminosäuren durch Addition von Ammoniak und Blausäure an Aldehyde hergestellt. Die nucleophile Addition von Ammoniak an den Aldehyd führt zunächst zum Aldimin (Kap. 20.8.4). Dessen Cyanhydrin-Reaktion (Kap. 20.10.4) ergibt anschließend das α-Aminonitril, das zur α-Aminosäure hydrolysiert wird. H R C O
 
 + NH3
 
 − H2O
 
 H R C NH Aldimin
 
 + HCN
 
 H R C CN NH 2 α-Aminonitril
 
 + 2 H2O
 
 − NH3
 
 H R C CO2 NH3 α-Aminocarbonsäure
 
 Diesem Konzept folgt eine industrielle Herstellung der Glutaminsäure. Dabei wird Acrylnitril durch Oxo-Synthese in 3-Cyanopropanal übergeführt. Letzteres reagiert mit Ammoniak und Blau-
 
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 37.6
 
 Synthesen
 
 793
 
 säure zum 2-Aminopentandinitril. Die neben Mononatriumglutamat anfallenden Hydrolyseprodukte, Ammoniak und racemisierte D-Glutaminsäure, werden dem Prozeß wieder zugeführt. CO + H 2 + H 2C CH C N
 
 OxoSynthese
 
 O C CH 2 CH2 CN
 
 β-Cyanopropionaldehyd (3-Cyanopropanal)
 
 H + NH3 , − H2O α-Aminoglutarsäuredinitril (2-Aminopentandinitril)
 
 NC CH CH 2 CH2 CN
 
 NH4CN + O2 , CH4 (partielle Oxidation)
 
 NH 2
 
 + 2 H2O (NaOH), − 2 NH3
 
 O2C CH CH 2 CH2 CO2H NH 3
 
 H2SO4 (30-50 %) 170 -190 °C Racemisierung
 
 DL-Glutaminsäure Racemattrennung durch bevorzugte Kristallisation
 
 D-Glutaminsäure
 
 37.6.2
 
 L-Glutaminsäure
 
 BUCHERER-Synthese
 
 Aldehyde lassen sich nach BUCHERER mit Blausäure und Ammoniumcarbonat über Aminonitrile in stabile kristallisierbare Hydantoin-Derivate überführen, die mit Hydroxid unter Druck und höherer Temperatur zu α-Aminosäuren hydrolysierbar sind. H R C O
 
 H N
 
 R
 
 (NH4) 2CO3 , NaCN
 
 NH3
 
 −
 
 O
 
 + H2O ( OH )
 
 NH
 
 R
 
 CH CO2
 
 O Hydantoin
 
 Industriell wird über diese modifizierte STRECKER-Synthese DL-Methionin aus Acrolein hergestellt, das auch ohne vorherige Racemattrennung als Nahrungs- oder Futtermittel Verwendung findet. H3C + H3C−SH
 
 H
 
 C
 
 O
 
 MICHAELAddition
 
 H3C
 
 S
 
 H 2C H
 
 CH2 C
 
 (NH4) 2CO3 , NaCN
 
 O
 
 H 3C
 
 S
 
 H2C
 
 −
 
 + H2O (OH )
 
 CH2 O
 
 HN
 
 S
 
 H 2C
 
 CH 2
 
 H3N CH CO2
 
 NH Acrolein
 
 37.6.3
 
 β-Methylthiopropionaldehyd (3-Methylthiopropanal)
 
 O
 
 DL-Methionin
 
 5-Methylthioethylhydantoin
 
 ERLENMEYER-Synthese
 
 Vorzugsweise Arenaldehyde lassen sich nach ERLENMEYER (1893) mit CH-aciden MethylenGruppen alkenylieren (KNOEVENAGEL-Alkenylierung), wobei Essigsäureanhydrid als Lösemittel
 
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 794
 
 37 Aminosäuren
 
 und Natriumacetat als basischer Katalysator eingesetzt werden. Katalytische Hydrierung des entstandenen Enamins und anschließende Hydrolyse führt zur Aminosäure. O
 
 H Ar
 
 C
 
 + H 2C
 
 O
 
 X
 
 N
 
 Arenaldehyd
 
 H Kat.
 
 C
 
 Ar
 
 − H2O
 
 C
 
 O Ar
 
 X
 
 N
 
 Methylenkomponente
 
 + H2 / Kat.
 
 O
 
 CH2 CH C N
 
 + H2O
 
 − HX
 
 X
 
 Ar
 
 CH2 CH CO2 N
 
 H
 
 Enamin
 
 N-Acetylglycin, Azlactone, Hydantoine, Dioxopiperazine und Thiohydantoine eignen sich als Methylen-Komponenten: O H2C
 
 HN
 
 C C
 
 O OH
 
 H2C
 
 O
 
 O H2C
 
 O
 
 N
 
 R
 
 CH3
 
 NH
 
 HN
 
 O
 
 Azlacton
 
 N-Acetylglycin
 
 H2C
 
 NH
 
 HN
 
 O
 
 O H2C
 
 NH
 
 HN
 
 CH2
 
 S
 
 Hydantoin
 
 O
 
 Thiohydantoin
 
 Dioxopiperazin
 
 Ein Beispiel ist die Synthese des DL-Phenylalanins aus Benzaldehyd und N-Acetylglycin: O
 
 H +
 
 C O
 
 H2C
 
 N H
 
 O
 
 CH3CO2Na (CH3CO) 2O
 
 OH O
 
 O
 
 CH
 
 − 2 H2O
 
 N
 
 CH3
 
 CH3
 
 + NaOH
 
 Benzyliden-azlacton (4-Benzyliden-2-methyl5-oxo-4,5-dihydrooxazol)
 
 + H2 (RANEY-Ni)
 
 O CH
 
 CO2 Na O N H CH 3
 
 CH 2
 
 + 2 H2O (H3O+)
 
 + H2 (RANEY-Ni)
 
 CH2
 
 37.6.4
 
 CO2 Na O N H CH 3
 
 + H2O (H3O+)
 
 − CH3CO2Na
 
 O N
 
 CH3
 
 − CH3CO2H
 
 CO2 CH 2
 
 CH NH3
 
 DL-Phenylalanin
 
 Aminierung von α-Halogencarbonsäuren
 
 Die Aminierung von α-Halogencarbonsäuren (Kap. 19.3.2) wird seit 1858 zur Synthese von Glycin durch Umsetzung von Chloressigsäure mit Ammoniak benützt. Dieses Verfahren wurde auch zur Herstellung von β-Hydroxy-α-aminosäuren verwendet, da α-Brom-β-hydroxysäuren leicht durch Addition von Hypobromid an α,β-ungesättigte Carbonsäuren zugänglich sind (HalohydrinReaktion). Die wasserlöslichen β-Hydroxy-α-aminosäuren werden vom anorganischen Salz über Ionenaustauscher befreit. R CH CH CO2H
 
 + HOBr
 
 R CH CH CO2H OH Br
 
 + 2 NH3
 
 − NH4Br
 
 R CH CH CO2 OH NH 3
 
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 37.6
 
 Synthesen
 
 795
 
 Anstelle von Ammoniak kann man Hexamethylendiamin in Dioxan, Succinimid oder Phthalimid (GABRIEL-Synthese, Kap. 22.4.2) zur Aminierung verwenden. +
 
 R1 CH CO2R 2
 
 O
 
 H N
 
 O
 
 − HX
 
 X (X = Cl , Br)
 
 37.6.5
 
 + 3 H2O (H3O+)
 
 R 1 CH CO2R2 O
 
 N
 
 − R2 − HO2C
 
 O
 
 R1
 
 OH CO2H
 
 CH CO2 NH 3
 
 Reduktive Aminierung von α-Oxodicarbonsäuren
 
 α-Aminosäuren können aus α-Oxosäuren durch enzymatische Amino-Gruppenübertragung (Transaminierung) hergestellt werden. Bei der chemischen Synthese wählt man die reduktive Aminierung in wäßrigem Ammoniak mit RANEY-Nickel als Katalysator. O2C CH 2 CH2 C CO2 O α-Oxoglutarat
 
 37.6.6
 
 + NH3
 
 − H2O
 
 O2C CH 2 CH2 C CO2 NH
 
 + H2
 
 O2C CH2 CH2 CH CO2
 
 (RANEY-Ni)
 
 NH 3
 
 Iminosäure (2-Iminopentandioat)
 
 DL-Glutamat
 
 α-Aminosäuren aus N-Acylaminomalonsäurediestern
 
 N-Acylaminomalonsäurediester bieten ideale Voraussetzungen zur Einführung der α-AminosäureGruppierung. Sie sind alkylierbar und addieren nucleophil an elektronenarme Doppelbindungen (MICHAEL-Addition). Durch säurekatalysierte Hydrolyse lassen sich später unter gleichzeitiger Decarboxylierung die Acyl- und Ester-Gruppen entfernen. Aufgrund der guten Kristallisationstendenz der Zwischenstufen eignet sich diese Methode vor allem für Laborsynthesen. α-Aminosäuren entstehen durch Alkylierung von Acetylaminomalonsäurediethylester mit Halogenalkan: CO2C 2H5 R X
 
 +
 
 H C NH COCH 3 CO2C2H 5
 
 + C2H5ONa
 
 − NaX − C2H5OH
 
 CO2C2H 5 R C NH COCH3 CO2C2H 5
 
 + 3 H2O (H3O+)
 
 − 2 C2H5OH − CH3CO2H − CO2
 
 CO2 R CH NH 3
 
 Zur Synthese des Tryptophans wird Acetylaminomalonsäurediethylester durch Gramin [3-(Dimethylaminomethyl)indol] alkyliert. Gramin ist aus Indol, Formaldehyd und Dimethylamin durch MANNICH-Reaktion zugänglich. CO2C 2H5 CH2 N(CH3)2
 
 + H C NH COCH3 CO2C 2H5
 
 Gramin
 
 N H + H2CO , + HN(CH 3) 2
 
 CO2C 2H5
 
 CH 2
 
 NaOH
 
 CO2C 2H5
 
 − HN(CH 3) 2
 
 N H +
 
 − H2O
 
 − 2 C 2H5OH , - CH3CO2H , − CO2
 
 + 3 H2O (H3O )
 
 CH 2 Indol N H
 
 C NH COCH 3
 
 CH NH3 CO2
 
 DL-Tryptophan
 
 N H
 
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 796
 
 37 Aminosäuren
 
 Bei einer technischen Tryptophan-Synthese geht man vom 3-Cyanopropanal aus, überführt dieses in das 5-(3-Cyanoethyl)-hydantoin und schließt mit Phenylhydrazin den Indol-Ring nach dem Prinzip der FISCHER-Indol-Synthese (Kap. 34.6.3). O
 
 CN CH 2
 
 CH O
 
 CH 2
 
 + NH 4 CN
 
 H 2C
 
 HN
 
 H 2C
 
 − 2 NH 3 − H2O
 
 CN
 
 NH
 
 CH 2
 
 + (NH 4) 2CO3
 
 NH 2
 
 H 2C
 
 − H2O
 
 CN
 
 CH
 
 3-Cyanopropanal
 
 CH NH 2
 
 CH 2 + 3 NaOH
 
 CO2 Na
 
 − Na2CO3 , − NH3
 
 N H
 
 + H2O − NH 3
 
 + H2 (RANEY-Ni)
 
 O
 
 O CH 2
 
 NH HN
 
 O
 
 CN
 
 NH NH 2
 
 O
 
 HN
 
 H 2C
 
 O
 
 C H
 
 − H2O , − NH3
 
 N H
 
 NH
 
 CH 2
 
 +
 
 O
 
 DL-Tryptophan, Na-Salz
 
 Serin läßt sich durch Addition von Acetylaminomalonsäurediethylester an Formaldehyd herstellen: CO2C2H 5
 
 H O C
 
 + H
 
 37.6.7
 
 CO2C2H 5
 
 −
 
 H C NH COCH3
 
 (OH )
 
 HO CH2
 
 CO2C 2H5
 
 + 3 H2O (H3O+)
 
 C NH COCH3
 
 − 2 C2H5OH − CH3CO2H − CO2
 
 CO2C2H 5
 
 CO2 HO CH2 CH NH 3 DL-Serin
 
 Enantioselektive Synthese von Aminosäuren
 
 Die asymmetrische Hydrierung von (Z)-Acylaminoacrylsäure-Derivaten mit chiralen Rhodium-1,2diphosphionopropan-Komplexen führt nach BRUNNER mit hoher chemischer Ausbeute und grossem Enantiomerenüberschuß zu den (S)-N-Acylaminosäuren. Diesem Prinzip folgt u. a. die Synthese des (S)-Dihydroxyphenylalanins [(S)-Dopa, R1 = 3,4-Dihydroxyphenyl-, MONSANTO-Prozeß].
 
 H
 
 CO2H
 
 R1
 
 +
 
 H2
 
 Kat., 1 bar, Raumtemp. Ethanol
 
 NHCOR 2
 
 H5C6
 
 CO2H R 1 CH2 C H NHCOR2
 
 Kat. = H C 5 6
 
 (S)-N-Acylaminosäure
 
 (Z)-2-Acylaminoacrylsäure
 
 Rh
 
 P
 
 H3C
 
 P H
 
 C6H5
 
 C6H5
 
 Nach HARTWIG und SCHÖLLKOPF wird aus L-Valin und Glycin über das Dioxopiperazin mit Trimethyloxonium-tetrafluorborat (MEERWEIN-Salz) der Bislactimether hergestellt; nach Deprotonierung wird am prochiralen Glycin-α-C mit Halogenalkan alkyliert, wobei die gegenüberliegende sperrige i-Propyl-Gruppe des Valins die Seitendifferenzierung bewirkt. Die Hydrolyse des diastereospezifisch alkylierten Bislactimethers führt zum Aminosäure-Enantiomer: OCH 3
 
 O NH HN
 
 (H3C) 3OBF4
 
 CH2
 
 O
 
 Dioxopiperazin aus L-Valin und Glycin (Bislactam)
 
 N N
 
 CH2
 
 OCH 3 Bislactimether
 
 OCH3
 
 1.) + Base 2.) + R−X , − HX
 
 + 3 H2O (H3O+)
 
 N N
 
 R OCH3
 
 C-alkylierter Bislactimether
 
 − 2 CH3OH − L-Valin
 
 NH3 O2C
 
 H
 
 R
 
 (R)-Aminosäure
 
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 37.7
 
 Racemattrennung
 
 797
 
 Einer ähnlichen, sterisch bedingten asymmetrischen Induktion folgt die enantioselektive Synthese von Aminosäuren über (S)-1-t-Butyloxycarbonyl-2-t-butyl-3-methyl-1,3-imidazolidin-4-on ("BocBMI") nach SEEBACH: CH 3 N Boc N
 
 O
 
 − [H+] (Base)
 
 CH 3 N Boc N
 
 O
 
 CH3
 
 + R− X − HX
 
 N Boc N H
 
 O R
 
 H 3O+ − (CH3) 3C CH 2 NHCH 3 − (CH3) 3COH , − CO2
 
 H 3N H
 
 CO2 R
 
 (S)-Aminosäure
 
 37.7 Racemattrennung Da asymmetrische Synthesen (diastereospezifische oder enantioselektive Synthesen) nicht für alle Aminosäuren technisch ausgereift sind, müssen nach chemischen Aminosäure-Synthesen oft Racemattrennungen durchgeführt werden. Ferner ist eine in den Syntheseprozeß integrierte Racemisierung des unerwünschten Enantiomers mit Rückführung des Racemats in die Trennungsoperation erforderlich, wie das Beispiel der Glutaminsäure-Synthese bereits zeigte (Kap. 37.6.1).
 
 37.7.1
 
 Selektive Kristallisation
 
 Die selektive Kristallisation ist die bei weitem günstigste Trennung im technischen Maßstab. Dabei wird eine übersättigte Lösung der racemischen Aminosäure mit Kristallen des gewünschten Enantiomers angeimpft. Diese Methode führt allerdings nur zum Erfolg, wenn die Löslichkeit des Racemats größer ist als die der Enantiomeren, bzw. wenn das Racemat als Konglomerat kristallisiert (Mischung aus Kristallen des D- und L-Enantiomers). Entstehen jedoch racemische Verbindungen durch Einbau von D- und L-Molekülen in denselben Einkristall, so gelingt keine Trennung. Durch selektive Kristallisation wurden u. a. Asparagin, Histidin, Glutaminsäure, Threonin, Valin-Hydrochlorid und Asparaginsäure in die Enantiomeren getrennt.
 
 37.7.2
 
 Trennung von Diastereomeren
 
 Zur Trennung racemischer Aminosäuren im Labormaßstab hat sich die fraktionierte Kristallisation diastereomerer Salze bewährt ( Abb. 37.3). Unter den vielen Varianten dieser Methode finden sich die Trennungen des N-Benzoyl-DL-alanins als Brucin- und Strychnin-Salze, von Salzen des DLLysins und DL-Histidins mit (+)-Weinsäure sowie von Salzen des DL-Prolins, DL-Isoleucins mit L-Tyrosin-hydrazid. Die Herstellung von L-Lysin aus ε-Caprolactam über das DL-Nitro- und DLAmino-Derivat kombiniert chemische Synthese und Racemattrennung (Abb. 37.4).
 
 37.7.3
 
 Enzymatische Methoden
 
 Mit enzymatischen Methoden lassen sich viele DL-Aminosäuren trennen, wobei chirale Substrate selektiv sowohl auf- als auch abgebaut werden können. Beispiele hierzu sind: ̈ die enzymatische Synthese von Acyl-L-aminosäureaniliden mit dem Enzym Papain aus Acyl-DL-aminosäuren und Anilin, ̈ sowie enantioselektive Hydrolysen von DL-Aminosäureestern durch Esterasen, von DLAminosäureamiden durch Amidasen und von Acyl-DL-aminosäuren durch Aminoacylasen.
 
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 798
 
 37 Aminosäuren
 
 So wird L-Lysin aus ε-DL-α-Aminocaprolactam auch durch enzymatische Hydrolyse mit einer LHydrolase hergestellt (Abb. 37.4). CO2H
 
 Enantiomere gemischt
 
 CO2H
 
 H3CCO NH C H
 
 H C NH COCH3
 
 CH 3 (S)-(+)-N-Acetylalanin
 
 CH 3 (R)-(−)-N-Acetylalanin
 
 Racemat in Wasser gelöst
 
 Zugabe von (S)-(−)-Phenylethylamin diastereomere Salze Trennung durch fraktionierte Kristallisation
 
 Diastereomere gemischt
 
 Diastereomere getrennt
 
 CO2
 
 CO2 H 3N CH C 6H5 CH 3 H3CCO NH C H (S/S)-Salz
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 − (S)-PhenylethylaminHydrochlorid
 
 + HCl
 
 + HCl
 
 (R/S)-Salz
 
 − (S)-PhenylethylaminHydrochlorid
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 Enantiomere getrennt
 
 H 3N CH C 6H5
 
 H C NH COCH3 CH 3
 
 H3CCO NH C H
 
 H C NH COCH3
 
 CH 3 (S)-(+)-N-Acetylalanin (enantiomerenrein)
 
 CH 3 (R)-(−)-N-Acetylalanin (enantiomerenrein)
 
 Abb. 37.3. Racemattrennung von DL-Alanin [(R,S)-Alanin] durch fraktionierte Kristallisation der diastereomeren N-Acetyl-L- und -D-Alanin-(S)-phenylethylammonium-Salze
 
 Cl
 
 H N
 
 O + COCl2
 
 C N
 
 O
 
 H Cl
 
 N
 
 + HNO3 (H2SO4)
 
 − CO2 , − 2 Cl ε-Caprolactam
 
 O NO2
 
 −
 
 ε-DL-α-Nitrocaprolactam
 
 − 2 H2O
 
 + 3 H2
 
 H N
 
 O NH 2
 
 Racemisierung durch Erhitzen
 
 ε-DL-α-Aminocaprolactam
 
 O
 
 D / L - Salz ε-D-α-Aminocaprolactam
 
 H N
 
 L-Hydrolase
 
 CO2H L-5-Pyrrolidinon2-carbonsäure
 
 L / L - Salz ε-L-α-Aminocaprolactam
 
 (H3O+)
 
 H3N
 
 (CH 2)4 CH CO2 L-Lysin
 
 NH 3
 
 Abb. 37.4. Synthese von L-Lysin über diastereomere ε-DL-Aminocaprolactam / L-5-Pyrrolidinon-2-carbonsäureSalze
 
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 37.8
 
 Reaktionen
 
 799
 
 Die Aminoacylase-Spaltung (Kap. 18.7.3) ist sehr breit einsetzbar. Auch mit immobilisierten Enzymen (Hydrolasen, die an unlösliche polymere Träger kovalent fixiert sind) werden diese Acylabspaltungen im Säulendurchlaufverfahren durchgeführt.
 
 37.7.4
 
 Chromatographische Enantiomeren-Analyse
 
 Die analytische Trennung enantiomerer Aminosäuren sowie die Identifizierung ihrer absoluten Konfiguration gelingt durch Gaschromatographie. Dazu werden flüchtige N-Trifluoracetyl- oder N-Pentafluorpropionyl-aminosäureisopropylester auf einer Kapillarsäule, die mit einer chiralen stationären Phase belegt ist, chromatographiert (Abb. 37.5). Gaschromatographische Trennungen flüchtiger, diastereomerer Aminosäure-Derivate gelingen an achiralen Trennsäulen. Günstige Trennfaktoren werden z. B. bei der Trennung der diastereomeren N-Trifluoracetyl-D- und -L-aminosäure-(−)-2-butylester erhalten. Verstärkt setzen sich Racemattrennungen mit Hilfe der Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie (HPLC) durch, wobei u. a. modifizierte Cyclodextrine (Kap. 40.8.2) als Trennphasen eingesetzt werden.
 
 Abb. 37.5. Gaschromatogramm einer Standardmischung von N-Pentafluorpropionyl-DL® aminosäureisopropylester (Trennbedingungen: Glaskapillare belegt mit Chirasil-Val = N-Propionyl-L-valin-tbutylamid-polysiloxan, Temp. 90 - 200 °C, 4 °C / min, Flammenionisationsdetektor)
 
 37.8 Reaktionen 37.8.1
 
 Bildung von Salzen und Komplexen
 
 Als Ampholyte bilden Aminosäuren sowohl mit Säuren als auch mit Laugen Salze. CH 3 H3N CH CO2H Cl Alanin-hydrochlorid
 
 + HCl
 
 CH3 H 3N CH CO2 Alanin
 
 + NaOH
 
 − H2O
 
 CH3 H 2N CH CO2 Na Alanin-Natriumsalz
 
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 800
 
 37 Aminosäuren
 
 Trifunktionelle basische Aminosäuren wie Lysin, Histidin, aber auch Cystein kommen weniger als Basen, sondern meist in Form der stabileren Hydrochloride in den Handel, während Glutaminsäure meist als "Glutamat" (Mononatriumsalz) gehandelt wird. Beim Erhitzen wäßriger Aminosäure-Lösungen mit Kupfer(II)-oxid oder Kupfer(II)-Salzen kristallisieren tiefblaue Komplexsalze. O
 
 H2 N
 
 O
 
 O
 
 H2 N
 
 O
 
 NH2
 
 Cu
 
 Cu
 
 H2N
 
 N O O H2 Diglycin-Kupfer(II)-Komplex
 
 N O O H2 Dilysin-Kupfer(II)-Komplex
 
 Diese Komplexierung kann man z. B. beim Lysin für selektive Reaktionen an der ε-Amino-Gruppe ausnützen, da durch den im alkalischen pH-Bereich stabilen Komplex die α-Amino- und α-Carboxy-Funktionen geschützt sind. Für die Wasserenthärtung bzw. zu Titrationen setzt man die polyvalenten Aminosäuren und Komplexbildner Nitrilotriessigsäure [Trilon A, Tris-[carboxymethyl)amin, N(CH2COOH)3] und Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA, Trilon B, Titriplex III) ein. Beide bilden im Gegensatz zu den Proteinaminosäuren auch mit Calcium(II)- und Magnesium(II)-Ionen stabile, wasserlösliche und farblose Komplexe. H2N CH 2 CH2 NH2 + 4 CH2O , + 4 HCN
 
 Ethylendiamin
 
 STRECKER-Synthese 1.) + 8 H2O , − 4 NH3 2.) + 4 NaOH , − 4 H2O
 
 CH2 CN
 
 NC H 2C N CH 2 CH2 N
 
 N CH 2 CH2 N CH2 CO2 Na Ethylendiamintetraessigsäure-Tetranatriumsalz
 
 CH2 CN Ethylendiamintetraessigsäurenitril
 
 Na O2C H 2C
 
 NC H 2C
 
 37.8.2
 
 CH2 CO2 Na
 
 Na O2C H 2C
 
 Veresterung
 
 Von den Estern der Aminosäuren sind die Methyl-, Ethyl-, t-Butyl- und Benzylester von Bedeutung. Als stabile Ammonium-Salze sind sie nach üblichen Methoden zugänglich, z. B.: CH 3 H3N CH CO2
 
 CH 2 CO2 + 2 C2H 5OH
 
 Asparaginsäure
 
 CH 2 OH H3N CH CO2 Serin
 
 Benzylalkohol
 
 CH(CH 3)2 H3N CH CO2 Valin
 
 +
 
 H2C C(CH 3)2
 
 Isobuten (Methylpropen)
 
 Alaninmethylester-hydrochlorid
 
 CH 2 CO2C 2H 5
 
 + 2 SOCl2 − HCl , − 2 SO2
 
 + H3C
 
 + HO CH2
 
 H3N CH CO2CH3 Cl
 
 − H2 O
 
 Alanin
 
 H3N CH CO2
 
 CH 3
 
 + HCl
 
 + CH3OH
 
 SO3H
 
 − H2 O azeotrope Destillation
 
 H2SO4 (konz.)
 
 H3N CH CO2C2H5 Cl Asparaginsäurediethylesterhydrochlorid
 
 CH 2 OH H3N CH CO2CH2
 
 H 3C
 
 SO3
 
 Serinbenzylester-tosylat
 
 CH(CH 3)2 H3N CH CO2C(CH3)3 HSO4 Valin-t-butylester-hydrogensulfat
 
 + 2 NaOH (H2O) − Na2SO4
 
 CH(CH 3)2 H2N CH CO2C(CH3)3 Valin-t-butylester
 
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 37.8
 
 Reaktionen
 
 801
 
 Freie t-Butylester sind aufgrund der sterisch abgeschirmten Ester-Gruppe im alkalischen Bereich stabil; sie können aber leicht durch Protonierung (z. B. mit Trifluoressigsäure) wieder in Isobuten, Kohlendioxid und Aminosäure zerlegt werden. Benzylester haben den Vorteil, daß sie durch katalytische Hydrierung (H2 / Pd) oder durch Bromwasserstoff / Eisessig spaltbar sind. Die Methyl-, Ethyl- und Benzylester besitzen als freie, farblose, ölige Basen einen charakteristischen Amin-Geruch und sind instabil. Sie dimerisieren unter Alkohol-Austritt zu Dioxopiperazinen oder polymerisieren. NH2 O
 
 OC2H 5
 
 H5C 2O +
 
 O
 
 H N
 
 − 2 C 2H 5OH
 
 H 2N
 
 O
 
 O
 
 NH 3
 
 − 2 H2O
 
 O
 
 O
 
 + O
 
 N H
 
 O
 
 H3N
 
 2,5-Dioxopiperazin
 
 37.8.3
 
 Bildung von Lactamen
 
 In Analogie zu γ- und δ-Hydroxysäuren, die intramolekular zu Lactonen (Kap. 19.4.2) cyclokondensieren, entstehen γ- und δ-Lactame durch thermische Dehydratisierung bzw. Abspaltung von Alkoholen aus γ- und δ-Aminosäuren bzw. -estern. Die Peptidbindungen der Lactame liegen in der energiereichen cis-Konfiguration vor. In Gegenwart von Säuren oder Basen werden die Lactame zu den Aminosäuren hydrolysiert. H2N
 
 OC2H 5
 
 H N
 
 − C2H5OH
 
 O
 
 O
 
 H 2N
 
 + H2O
 
 OH O
 
 − H2O γ-Butyrolactam (2-Pyrrolidinon)
 
 α- und β-Lactame können auf diesem Wege nicht erhalten werden. Der siebengliedrige Ring des zur Polyamid-Herstellung benötigten ε-Caprolactams entsteht aus Cyclohexanonoxim durch BECKMANN-Umlagerung (Kap. 22.4.10).
 
 37.8.4
 
 N-Alkylierung und N-Arylierung
 
 In basischem Medium wirkt die Amino-Gruppe von Aminosäuren als Nucleophil und kann das Halogenid in Alkylhalogeniden und aktivierten Arylhalogeniden ersetzen. R R'
 
 X
 
 +
 
 H 2N CH CO2
 
 + NaOH − H2O , − NaX
 
 R R'
 
 NH CH CO2
 
 N-Alkylaminosäure
 
 Die Permethylierung der Amino-Gruppe liefert Betaine, "permanente" Zwitterionen, die nach dem Betain (Trimethylglycin) aus der Zuckerrübe (Beta vulgaris) benannt sind. H2N CH2 CO2
 
 + 3 CH3I − 3I
 
 (H3C)3N CH 2 CO2 Betain
 
 + N(CH3) 3 − Cl
 
 Cl
 
 CH2 CO2
 
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 802
 
 37 Aminosäuren
 
 N-Benzylaminosäuren sind durch reduktive Aminierung von Benzaldehyden mit Aminosäureestern zugänglich. Die Arylierung von Amino-Gruppen mit 2,4-Dinitrofluorbenzen (DNFB) verläuft als nucleophile Substitution an diesem durch die Nitro-Gruppen aktivierten Fluoraren besonders leicht (Kap. 11.2.2).
 
 37.8.5
 
 N-Acylierung
 
 Durch Säureanhydride, Säurehalogenide und aktivierte Ester lassen sich Aminosäuren in N-Acylaminosäuren überführen. O H3C
 
 CH 3
 
 C O
 
 H3C
 
 +
 
 C
 
 − CH3−CO2H N-Acetylierung
 
 CH 3
 
 O O C
 
 +
 
 C NH C CO2H H3C CH3 N-Acetyl- α-aminoisobuttersäure O
 
 (NaOH) + [H+]
 
 H2N CH2 CO2
 
 C NH CH 2
 
 − HCl N-Benzoylierung
 
 Cl
 
 CH3
 
 O
 
 Pyridin als Base
 
 H 2N C CO2
 
 CO2H
 
 N-Benzoylglycin (Hippursäure)
 
 Das als Hippursäure bekannte N-Benzoylglycin findet sich als Metabolit der Benzoesäure im Harn der Pferde (griech. ηιππου ουρον = Pferdeharn) und anderer Pflanzenfresser. N-Acetyl-L-cystein spaltet die Disulfid-Brücken in den Mucoproteinen des Bronchialsekrets, senkt dadurch dessen Viskosität und wirkt daher als Sekretolytikum (Schleimlöser) bei Erkältungskrankheiten. Enterobactin, das Lacton-Cyclotrimer des N-(2,3-Dihydroxybenzoyl)-L-serins, wird von Coli-Bakterien (Escherichia coli), Salmonellen (Salmonella typhimurium) und Klebsiellen (Klebsiella pneumoniae) als niedermolekularer Komplexbilder für Eisen(III)-Ionen (Siderophor) abgegeben, um bei Eisenmangel ("Stress") Eisen-Ionen aus der Umgebung durch die sechs O-Atome der drei Catechol-Reste in einem sehr stabilen, octaedrischen Komplex zu binden. HO
 
 OH
 
 HO
 
 O H3C
 
 OH
 
 O
 
 H N
 
 H
 
 N
 
 H
 
 N
 
 O
 
 O O
 
 SH OH
 
 N-Acetylcystein
 
 O
 
 OH
 
 O
 
 O
 
 OH N-(2,3-Dihydroxybenzoyl)-L-serin
 
 HO N
 
 HO O
 
 H N
 
 O O
 
 O
 
 O
 
 OH
 
 H Enterobactin
 
 OH
 
 Neben N-t-Butyloxycarbonyl- (Boc) werden N-Benzyloxycarbonyl- (Z-) und N-9-Fluorenylmethoxycarbonyl-Gruppe (Fmoc-) zum Schutz der Amino-Funktion bei der Synthese von Peptiden angewendet (Kap. 38.4.2). Zur Einführung der Boc-Gruppe wird anstelle des t-Butyloxycarbonylazids (Kap. 25.9) der Pyrokohlensäuredi-t-butylester (Di-t-butyldicarbonat, Boc-
 
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 37.8
 
 Reaktionen
 
 803
 
 Anhydrid) verwendet. Die Urethan-Schutzgruppen (Boc, Z und Fmoc) können schonend und racemisierungsfrei eingeführt, leicht und selektiv wieder abgespalten werden. O (H 3C)3C O C O (H 3C)3C O C O
 
 O CO2
 
 H N
 
 +
 
 (H 3C)3C O C
 
 NaOH ( pH = 8 ) − (H 3C) 3 C−OH
 
 N-t-Butoxycarbonyl-L-prolin (BAnion) (Boc-Pro)
 
 Di-t-butyldicarbonat
 
 O
 
 O CH 2 CH(CH 3)2
 
 CH2 O C Cl
 
 Chlorkohlensäurebenzylester (Benzyloxycarbonylchlorid)
 
 +
 
 H 2N CH CO2
 
 NaOH ( pH = 9 )
 
 CH 2 CH(CH 3)2
 
 CH 2 O C
 
 − NaCl , − H 2O
 
 NH
 
 O
 
 O CH 2 C 6H 5 +
 
 NaHCO3 , (CH 3) 2)CO
 
 H 2N CH CO2
 
 CH 2 C 6H5
 
 CH 2 O C
 
 NH CH CO2
 
 H2O , − HCl
 
 9-Fluorenylmethoxycarbonylchlorid
 
 37.8.6
 
 CH CO2
 
 N-Benzyloxycarbonylleucin (Z-Leu)
 
 CH2 O C Cl
 
 CO2
 
 N
 
 N-9-Fluorenylmethoxycarbonylphenylalanin (Fmoc-Phe)
 
 Abbau-Reaktionen und Umfunktionierungen
 
 Salpetrige Säure diazotiert α-Aminosäuren zu den instabilen Diazosäuren, die in α-Hydroxysäuren und Stickstoff zerfallen (VAN SLYKE-Reaktion, Kap. 22.6.2). Aus dem gasvolumetrisch gemessenen Stickstoff wurde früher der Gehalt an Aminosäuren bestimmt. Durch Diazotierung des Glycinethylester-hydrochlorids bildet sich der als Synthesereagenz nützliche mesomeriestabilisierte Diazoessigester (Kap. 23.2.1). Beim Erhitzen mit wasserfreiem "Natronkalk" werden α-Aminosäuren zu Aminen decarboxyliert: R
 
 NaOH / CaO
 
 H 3N CH CO2
 
 − CO2
 
 H2N CH2 R
 
 β-Aminosäuren eliminieren beim Erhitzen in der Schmelze Ammoniak. − NH3
 
 H3N CH 2 CH2 CO2
 
 + NH3
 
 β-Alanin
 
 H2C
 
 CH
 
 CO2H
 
 Acrylsäure
 
 Aminosäuren können durch Reduktion der Carboxy-Funktion mit Natriumborhydrid in Aminoalkohole übergeführt werden; diese sind auch aus Aminosäureestern mit Lithiumaluminiumhydrid zugänglich: R H3N CH CO2
 
 NaBH4
 
 R H 2N CH CH2OH Aminoalkohol
 
 LiAlH4
 
 R H3N CH CO2CH 3 Cl
 
 Glycinol [2-Aminoethanol, R = −H], L-Valinol [R = −CH(CH3)2] und L-Phenylalaninol [R = −CH2−C6H5] bilden den C-Terminus einiger Peptidantibiotika (Kap. 38.7.2).
 
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 804
 
 37 Aminosäuren
 
 Peroxyameisensäure oxidiert das Cystein zur Cysteinsäure. Der enzymatische oxidative Abbau des Cysteins im Säugetier-Organismus führt über Cysteinsäure durch deren Decarboxylierung zum Taurin, das als Amid der Cholsäure (Taurocholsäure, Kap. 44.3) in der Galle vorkommt. CO2
 
 − CO2
 
 H3N C H
 
 − 3 HCO2H
 
 CH 2 SH L-Cystein
 
 37.8.7
 
 CO2
 
 + 3 HCO3H
 
 H3N C H
 
 H 3N CH2 CH 2 SO3
 
 CH 2 SO3H L-Cysteinsäure
 
 Taurin (2-Aminoethansulfonsäure) Zwitterionen-Form
 
 Aminosäure-Derivate als chirale Auxiliare
 
 Aminosäuren tragen chirale Information. Deshalb werden einige Aminosäure-Derivate als chirale Auxiliare bei asymmetrischen Synthesen eingesetzt. Der Bislactimether des Dioxopiperazins aus L-Valin und Glycin war ein Beispiel (Kap. 37.6.7); ein weiteres ist das als SAMP bezeichnete Prolin-Derivat (S)-1-Amino-2-methoxymethylpyrrolidin und sein Enantiomer RAMP. SAMP wird aus (S)-Prolinmethylester durch eine vierstufige Synthese hergestellt: a
 
 b
 
 CO2CH3
 
 N
 
 N
 
 H
 
 CH2OH
 
 CH2OCH 3
 
 H
 
 H
 
 (S)-Prolinmethylester
 
 c N
 
 CH 2OCH3
 
 CH2OCH 3
 
 N
 
 NO
 
 (S)-2-Methoxymethylpyrrolidin
 
 (S)-Prolinol
 
 d N
 
 NH 2
 
 (S)-1-Nitroso-2methoxymethylpyrrolidin
 
 (S)-1-Amino-2methoxymethylpyrrolidin "SAMP"
 
 a : LiAlH4 , b : (H3CO)2SO2 , c : NaNO2 / H2SO4 , d : H2 / Pd / C
 
 Mit SAMP und RAMP gelingt nach ENDERS u. a. die asymmetrische α-Alkylierung von Ketonen. Ein Beispiel ist die dreistufige Synthese des Alarmpheromons der Blattschneiderameise, (+)-(S)-4Methyl-3-heptanon. Hierbei wird 3-Pentanon mit SAMP zum SAMP-Hydrazon derivatisiert. Deprotonierung und Metallierung in α-Stellung zur Imino-Funktion des SAMP-Hydrazons gibt den intermediären Lithium-Komplex, der die diastereospezifische Alkylierung durch 1-Iodpropan steuert. Die Abspaltung des Auxiliars gelingt durch Hydrolyse des methylierten SAMP-Hydrazons mit wäßriger Salzsäure. Die Zielverbindung wird mit n-Pentan aus dem Ansatz extrahiert.
 
 + LiNR2 (LDA)
 
 N N
 
 OCH3 H H
 
 SAMP-Hydrazon des 3-Pentanons
 
 +
 
 N NH2
 
 CH2OCH3
 
 O
 
 − H2O
 
 + n-C3H7 Ι
 
 N N
 
 OCH 3 Li
 
 SAMP-Hydrazon Li-Komplex
 
 − Li Ι asymmetrische Induktion
 
 N
 
 H
 
 OCH3
 
 N
 
 H SAMP-Hydrazon des (S)-4-Methyl-3-heptanons
 
 1.) + CH3 Ι 2.) + H2O (HCl) , Pentan
 
 O
 
 H
 
 3-Pentanon
 
 − R2NH
 
 −
 
 N
 
 CH2OCH3
 
 NH2CH3 I
 
 H (S)-4-Methyl-3-heptanon
 
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 38.1
 
 Oligo- und Polypeptide
 
 805
 
 38 Peptide und Proteine 38.1 Oligo- und Polypeptide Peptide entstehen durch Verknüpfungen von Aminosäuren über Peptidbindungen (Amid-Gruppen, −CO−NH−) zu einem Polyamid. Peptide aus 2 - 9 Aminosäuren (Di-, Tri-, Tetra- bis Nonapeptide) bezeichnet man als Oligopeptide. 10 - 100 Aminosäure-Bausteine bilden Polypeptide, und Proteine bestehen aus mehr als 100 Aminosäure-Resten. Für kleinere Peptidhormone und Peptidantibiotika werden Drei-Buchstaben-Symbole für Aminosäuren verwendet. Proteinsequenzen werden mit den Ein-Buchstaben-Symbolen angegeben (Tab. 37.1). Die Nomenklatur der Peptide läßt sich am Beispiel eines Tetrapeptids mit N-terminalem Alanin, C-terminalem Cystein, Serin in Position 2 und Glutaminsäure in Position 3 zeigen: CO2
 
 Seitenketten
 
 CH 2 CH3 N -Terminus CH (protonierte H3N C Amino-Gruppe) O
 
 H
 
 O
 
 CH 2
 
 H
 
 N
 
 C
 
 CH
 
 N
 
 CH
 
 N
 
 C
 
 CH
 
 CH2
 
 H
 
 O
 
 CH2
 
 C -Terminus CO2 (Carboxylat-Gruppe)
 
 SH
 
 OH Peptid-Bindungen
 
 Ala
 
 Ser
 
 Glu
 
 Cys
 
 Typisch für Peptide aus α-Aminosäuren ist demnach eine Polyamid-Kette mit verschiedenen Seitenketten. Die Kette ohne die Reste R wird als Rumpf oder Rückgrat (engl. backbone) bezeichnet. Die Reihenfolge der Aminosäuren ausgehend vom N-Terminus bezeichnet man als Sequenz des Peptids; bei Proteinen wird die Sequenz auch als Primärstruktur bezeichnet. Die BeispielSequenz läßt sich mit vollem Namen oder abgekürzt schreiben: Alanyl-seryl-glutamyl-cystein bzw. Ala-Ser-Glu-Cys oder A S E C. Vor der C-terminalen Aminosäure stehende AminosäureReste werden somit N-Acyl-Gruppen entsprechend mit den Endungen -yl versehen. Läßt man die Konfigurationsbezeichnung weg, so bedeutet dies, daß alle α-Aminosäuren L-Konfiguration besitzen. Kommen wie in Peptidantibiotika D-Konfigurationen vor, so werden diese entsprechend gekennzeichnet, z. B. Thr-D-Glu-Val. Besonders bezeichnet werden auch selten vorkommende Verknüpfungen über Seitenkettenfunktionen, wie z. B. über die γ-Carboxy-Gruppe der Glutaminsäure im Glutathion: γ-L-Glutamyl-cysteinyl-glycin, Glu-γ-Cys-Gly oder H-Glu(Cys-Gly)-OH. Ionisationszustand oder Derivatisierung von funktionellen Gruppen an N- oder C-Termini bzw. an Seitenketten können entsprechend gekennzeichnet werden: + H2-Ala-Ser-Val-OH + H2-Ala-Ser-Val-O− −
 
 H-Ala-Ser-Val-O H3C-CO-Ala-Ser-Val-OCH3 oder Ac-Ala-Ser-Val-OMe
 
 protoniertes Tripeptid Zwitterionenform Tripeptid-Anion N-acetylierter Tripeptidmethylester
 
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 806
 
 38 Peptide und Proteine
 
 38.2 Struktur der Peptidbindung RÖNTGEN-Strukturanalysen von Peptiden ergeben in der Amid-Ebene meist eine trans-Konfiguration der α-C-Atome von zwei über eine Peptidbindung α-C-CONH-α-C verknüpften αAminosäuren (Abb. 38.1). In der (E/Z)-Nomenklatur hat die trans-Peptidbindung (Z)-Konfiguration bezüglich des im Vergleich zum α-C-Atom höherrangigen Carbonyl-O-Atoms. Die cisKonfiguration ist weniger günstig; sie wird oft in Prolylpeptiden gefunden.
 
 Abb. 38.1. Bindungslängen (in nm) und Bindungswinkel der trans-Peptidbindung
 
 Die planare Anordnung, Bindungswinkel um 120° sowie eine CN-Bindungslänge von 132.5 pm (CN-Einfachbindung 148.7 pm, CN-Doppelbindung 127 pm) machen deutlich, daß die PeptidBindung partiellen Doppelbindungscharakter besitzt. Eine (E)/(Z)-Isomerisierung benötigt daher eine Aktivierungsenergie von etwa 90 kJ / mol. 1
 
 Cα
 
 H C
 
 O
 
 ∆E ~ 90 kJ / mol
 
 1
 
 2
 
 Cα
 
 N
 
 Cα C
 
 2
 
 Cα
 
 trans (Z) begünstigt
 
 cis (E) selten
 
 H C
 
 H
 
 O E/Z-Isomere
 
 Cα
 
 N O
 
 Cα
 
 N
 
 H C
 
 Cα
 
 N
 
 O
 
 Cα
 
 mesomere Grenzformeln
 
 Die Elektronendichteverteilung läßt sich durch zwei mesomere Grenzformeln bzw. ein π-Molekülorbital beschreiben. Dessen Knotenebene ist die Ebene der sechs Atome einer Peptid-Bindung, der Teilstruktur α-C−CONH−α-C mit sp2-Hybridisierung des Carbonyl-C- und Amid-N-Atoms. Wie andere Carbonsäureamide oder Ester sind Peptide in stark sauren oder alkalischen Lösungen hydrolyseempfindlich. Dies ist aufgrund der leichten Protonierbarkeit des Carbonyl-O- bzw. dem durch Nucleophile angreifbaren Carbonyl-C-Atom verständlich.
 
 38.3 Konformation (Sekundärstruktur) von Polypeptid-Ketten 38.3.1
 
 RAMACHANDRAN-Diagramme
 
 Die relativ starre, planare trans-Konfiguration der Peptidbindung und eingeschränkte Rotationsfreiheiten bei Drehung um die α-CN-Bindung (Parameter: Interplanarwinkel ϕ) sowie um die αCC-Bindung (Parameter: Interplanarwinkel ψ) führen zu bevorzugten räumlichen Strukturen von Polypeptidketten.
 
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 38.3
 
 Konformation (Sekundärstruktur) von Polypeptid-Ketten
 
 807
 
 Abb. 38.2. Rotationen um die α-CN- und α-CC-Bindung einer Aminosäure in einer Peptidkette
 
 Abb. 38.3. RAMACHANDRAN-ψ / ϕ -Diagramm (vereinfacht) mit erlaubten (dunkel) und verbotenen (weiß) Winkelgebieten: αR rechtsgängige (z. B. Myoglobin) und αL linksgängige α-Helix; β antiparalleles β-Faltblatt wie in Seide; C-Tripelhelix wie in Kollagen; P Polyprolin-Helix; 310-Helix und π-Helix
 
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 808
 
 38 Peptide und Proteine
 
 Betrachtet man bei einem Tripeptid die Rotationen ϕ und ψ, welche vom α-C-Atom der zentralen Aminosäure aus gesehen jeweils im Uhrzeigersinn möglich sind, so ergeben sich bei einer Reihe von Winkelkombinationen energetisch besonders ungünstige Konformationen. Es überlappen sich z. B. bei ψ = 0°, ϕ = 180° die Berührungsradien der beiden Carbonyl-O-Atome, bei ψ = 180°, ϕ = 0° dagegen die an N gebundenen H-Atome (Abb. 38.2). Begünstigte Konformationen resultieren andererseits bei ϕ- und ψ-Winkeln um 120°. Mit Hilfe von Modellrechnungen unter Berücksichtigung der VAN DER WAALS-Radien lassen sich alle Winkelkombinationen untersuchen. Es resultiert ein ψ/ϕ-Diagramm (RAMACHANDRAN-Diagramm), das erlaubte und verbotene Winkelkombinationen darstellt (Abb. 38.3). Eine Peptidkette einer bestimmten Sequenz (Primärstruktur) ist somit entsprechend der Art ihrer Bausteine in den Freiheitsgraden der Rotationen um α-C−N und α-C−C eingeschränkt. Es bilden sich neben "ungeordneten" Bereichen energetisch besonders stabile Strukturen aus. Ausgehend von diesen geordneten Sekundärstrukturen kann eine Peptidkette bei ihrer durch Wärme, Lösemittel oder Salze induzierten Auffaltung eine ρ-Konformation (ρ von engl. random = zufällig; statistisches Knäuel) einnehmen. Polypeptid-Ketten aus gleichen Bausteinen (Homopolypeptide) kehren bei Wiederherstellung der früheren Parameter (Temperatur, Lösemittel, Salzkonzentration, pH u. a.) wieder in die energetisch günstigere, geordnete Konformation zurück. Auch viele natürliche Proteine sind zu solchen reversiblen Konformationsänderungen befähigt. Zwei dieser geordneten Sekundärstrukturen, α-Helix und β-Faltblatt, sind von besonderer Bedeutung.
 
 38.3.2
 
 α-Helix
 
 Polypeptid-Ketten können sich in verschiedenen Typen von Helices (schraubenförmige Konformationen) anordnen. Die α-Helix als rechtsgängige Schraube (Abb. 38.4) tritt häufig auf, z. B. im Keratin der Haare und in vielen Proteinen wie Hämoglobin, Myoglobin und Enzymen. Vier, genau genommen 3.6 Aminosäure-Reste beteiligen sich an einer Windung der α-Helix. Die planaren Peptidbindungen sind so angeordnet, daß sich die Dipole aller Carbonyl-Gruppen in gleicher Richtung entlang der Helixachse erstrecken, während sich alle N−H-Bindungen entgegengesetzt ausrichten (Abb. 38.4). Dies ermöglicht eine spannungsfreie stabile Konformation, die durch Wasserstoffbrücken stabilisiert wird. Jede Wasserstoffbrücke schließt einen 13-gliedrigen Ring (Abb. 38.5, 38.6). Systematisch wird die α-Helix daher auch als 3.613-Helix bezeichnet.
 
 Abb. 38.4. Stab- und Kugel-Stab-Modell der α-Helix des Tetrapeptids Ala-Gly-Ala-Gly. Das eingezeichnete Spiralband im Kugel-Stab-Modell zeigt, daß sich vier (3.6) Aminosäuren an einer Helixwindung beteiligen
 
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 38.3
 
 Konformation (Sekundärstruktur) von Polypeptid-Ketten
 
 809
 
 Abb. 38.5. Die α-Helix in zwei perspektivischen Ansichten. Links ist der 13-gliedrige Ring dieser 3.613-Helix durch Bezifferung der Ringglieder angedeutet (vgl. dazu Abb. 38.6, nach DICKERSON und GEIS)
 
 Abb. 38.6. Schematische Darstellung einer der Wasserstoff-Brücken von einer Helixwindung zur nächsten bei verschiedenen Helixtypen (nach DICKERSON und GEIS)
 
 38.3.3
 
 α-Keratin-Struktur
 
 Mit Hilfe der Licht- und Elektronenmikroskopie und durch RÖNTGEN-Beugungsmuster ließ sich nachweisen, daß die längs in der Faser angeordneten, abgestorbenen Zellen eines Haares Makro-
 
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 810
 
 38 Peptide und Proteine
 
 fibrillen enthalten (Abb. 38.7). Makrofibrillen sind Faserbündel, die aus Hunderten von Mikrofibrillen bestehen. Mikrofibrillen sind Kabel aus elf Strängen von Protofibrillen. Sie enthalten drei rechtsgängige α-Helices (Sekundärstruktur), die wie in einem Seil schraubenförmig umeinander gewunden sind. Diese supramolekulare Struktur verkörpert eine linksgängige Superhelix. Die Helices sind über Disulfid-Brücken von Cystin-Resten miteinander verbunden (Quervernetzung in der sog. Tertiärstruktur). Bei der elastischen Dehnung eines Haares werden die parallel zur Faserachse liegenden Helices gestreckt, bis die Wasserstoffbrücken (Abb. 38.6) brechen. Die Peptidketten können jedoch in ihre ursprüngliche Konformation zurückkehren, da sie über Disulfid-Brücken kovalent quervernetzt sind und so ihre Lage nicht allzu sehr verändern. Bei der Herstellung von Dauerwellen bleiben andererseits die Helices im Haar weitgehend intakt, die Disulfid-Brücken werden reduziert und ordnen sich entsprechend der äußeren Krafteinwirkung neu an. Die harten α-Keratine der Hörner, Krallen und Hufe enthalten besonders viel Cystin; die weicheren Hautkeratine sind weniger stark quervernetzt.
 
 Abb. 38.7. Schematischer Aufbau eines Haares mit Zellen, Makrofibrillen, Mikrofibrillen, Protofibrillen und αhelikalem α-Keratin (nach DICKERSON und GEIS)
 
 Auch im Kollagen von Haut, Sehnen und Blutgefäßen bilden helikale Strukturen (Tropokollagen) die Grundelemente. Tropokollagen enthält drei linksgängige einsträngige Helices, die sich umeinander winden und eine Superhelix (Tripelhelix) bilden. Diese Kollagen-Tripelhelix besteht aus langen, alternierenden Sequenzen, z. B. (−Gly−X−Pro−)n ; sie enthält oft auch Hydroxyprolin. Im Gegensatz zur α-Helix, die keinen Prolin-Einbau zuläßt, sind die Kollagen-Helices etwas gestreckt. Wasserstoffbrücken und kovalente Vernetzungen durch Bildung von Iminen liegen zwischen den Helixsträngen.
 
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 38.3
 
 Konformation (Sekundärstruktur) von Polypeptid-Ketten
 
 38.3.4
 
 811
 
 β-Faltblatt
 
 In der β-Faltblatt-Konformation ordnen sich Peptid-Bindungen und α-C-Atome wellblechartig an, so dass die Seitenketten alternierend auf oder unter dem "Wellblech" liegen (Abb. 38.8). Verbindet man zwei in einer Ebene parallel nebeneinander, aber mit entgegengesetzter Sequenzrichtung angeordnete Peptidketten durch Wasserstoffbrücken, so erhält man eine antiparallele Faltblattstruktur (Abb. 38.9). Auch diese Konformation erinnert an ein Wellblech, auf dessen schrägen Ebenen jeweils längs die Wasserstoffbrücken der Peptidbindungen liegen. Auf den Erhebungen und in den Rillen sitzen die α-C-Atome mit ihren nach oben bzw. unten abstehenden Seitenketten.
 
 Abb. 38.8. Stab- und Kugel-Stab-Modell der β-Faltblatt-Konformation des Hexaalanins
 
 Abb. 38.9. Antiparallele β-Faltblattstruktur (nach DICKERSON und GEIS)
 
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 812
 
 38 Peptide und Proteine
 
 Das Seidenfibroin ist ein β-Keratin mit der Sequenz −(Gly−Ser−Gly−Ala−Gly−Ala)n−. Viele wellblechartig angeordnete Monoschichten (Sekundärstruktur) sind zu sehr stabilen Proteinpolyschichten (Tertiärstruktur) übereinandergestapelt (Abb. 38.10). Da sich in der Seide die Sequenz periodisch wiederholt, ergibt sich bei der dreidimensionalen Schichtung ein hoher Ordnungsgrad. Die Methyl-Gruppen von Alanin bzw. die H-Atome von Glycin liegen abwechselnd zwischen den "Wellblechen", was eine Verzahnung der Schichten durch VAN-DER-WAALS-Kräfte und damit die Geschmeidigkeit der Seidenfaser bewirkt. Aufgrund der bereits weitgehend entlang der Faserachse ausgestreckten Peptidketten ist die Faser sehr kräftig, da die Zugbeanspruchung direkt auf die kovalenten Bindungen wirkt. Seidenfasern mit einem hohen Anteil an der erwähnten Sequenz und wenig sperrigen Gruppen zwischen den Schichten sind deshalb sehr elastisch und wenig dehnbar.
 
 Abb. 38.10. Ineinandergreifen der Alanin-Seitenketten in der Monoschichten-Struktur der Seide (nach DICKERSON und GEIS)
 
 38.3.5
 
 Physikalische Methoden zur Strukturbestimmung
 
 Aus der RÖNTGEN-Struktur von Kristallen und durch NMR-Spektroskopie von Lösungen der Peptide und Proteine folgt, daß die im Kristall gefundene Konformation in Lösung weitgehend erhalten bleibt. Es sei denn, man zerstört die Sekundärstruktur durch drastische Lösemittel- oder Temperatureinflüsse. Zur Konformationsbestimmung von Peptiden und Proteinen in Lösung eignet sich die hochauflösende, zwei- und dreidimensionale NMR-Spektroskopie (500 - 900 MHz). Die räumliche Nachbarschaft von Atomen bzw. Atomgruppen im (13C,15N-markierten) Protein ergibt sich durch quantitative Auswertung der Kern-OVERHAUSER-Effekte (NOE, Kap. 28.5.11) und des H-Brückenmusters; der resultierende Datensatz ist die Basis einer Moleküldynamiksimulation des Proteins. Einfach und schnell lassen sich Sekundärstrukturanteile von Polypeptiden mit dem Circulardichroismus (CD) abschätzen. Sofern sich in der Nachbarschaft eines Chromophors Asymmetriezentren befinden, wird links- und rechts circular polarisiertes Licht unterschiedlich stark absorbiert. Der Carbonyl-Chromophor der Peptidbindung befindet sich in asymmetrischer Umgebung. Daher werden im UV zwei CD-aktive Elektronenübergänge, ein schwacher nπ*-Übergang und ein starker ππ*-Übergang beobachtet. Die Wechselwirkung des eingestrahlten circular polarisierten
 
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 38.4
 
 Methoden der Peptidsynthese
 
 813
 
 Lichts mit den Elektronen der Peptidcarbonyl-Gruppe hängt von der Lage der Carbonyl-Gruppe und damit der Konformation ab. CD-Banden werden als COTTON-Effekte bezeichnet.
 
 a
 
 b
 
 Abb. 38.11. (a) Circulardichroismus-Spektren von Polypeptiden in α-helikaler 1, β-Faltblatt 2 und "ungeordneter" ρ-Konformation 3; (b) CD-Spektrum von Pottwal-Myoglobin ( 70 % α-Helix; Kap. 38.8.3)
 
 Rechtsgängig α-helikale Polyaminosäuren liefern CD-Spektren (Abb. 38.11) mit einem negativen COTTON-Effekt bei λ = 223 nm (nπ*-Übergang), einer weiteren negativen CD-Bande bei 207 nm sowie einer positiven bei 193 nm. Die beiden kürzerwelligen CD-Banden gehören zum Carbonylππ*-Übergang, welcher infolge der Helix in zwei Komponenten aufspaltet ("exciton-splitting"). Polypeptide, die bei 215 - 220 nm ein Minimum (nπ*-Übergang) und bei 195 nm ein Maximum (ππ*-Übergang) besitzen, haben dagegen eine antiparallele β-Faltblatt-Konformation (Abb. 38.11 a). Auch die "ungeordnete" Konformation eines Peptids spiegelt sich in einem charakteristischen CD-Spektrum wider. Die Auswertung des CD-Spektrums eines Proteins erfolgt durch Vergleich mit Standards bekannter α, β, und ρ-Konformationen. Die Konformationsanteile in Prozent können berechnet werden. Sekundärstrukturen lassen sich – mit Einschränkungen – auch allein aus der Aminosäure-Sequenz mit speziellen Rechenprogrammen vorhersagen.
 
 38.4 Methoden der Peptidsynthese 38.4.1
 
 Knüpfung der Peptidbindung
 
 Eine Peptidbindung entsteht formal durch Kondensation der Carboxy-Gruppe einer Aminosäure mit Rest RA (= Carboxy-Komponente) und der Amino-Gruppe einer zweiten Aminosäure mit Rest
 
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 814
 
 38 Peptide und Proteine
 
 RB (= Amino-Komponente). Bringt man eine N-terminal geschützte Carboxy-Komponente und eine carboxygeschützte Amino-Komponente zusammen, so bildet sich nur ein Salz: CH 3
 
 O
 
 CH3
 
 O
 
 H 3C C NH CH 2 CO2 H 3N CH CO2CH 3
 
 H3C C NH CH2 CO2H + H2N CH CO2CH 3 H-Ala-OMe Alaninmethylester
 
 Ac-Gly-OH N-Acetylglycin
 
 − Ac-Gly -O / +H2-Ala-OMe
 
 Die als Peptidkupplung bezeichnete Knüpfung einer kovalenten Peptidbindung erfolgt immer durch nucleophilen Angriff der Amino-Gruppe mit ihrem freien Elektronenpaar am elektronenarmen, "aktivierten" Carboxy-C-Atom. Stark elektronenziehende Reste am Carboxy-C-Atom bewirken diese Aktivierung durch Lockerung der CO−Acyl-Bindung, z. B. in Aziden, Aktivestern, gemischten Anhydriden und Carbodiimid-Addukten (Abb. 38.12). Bei der Kupplung der C-terminal über das Säureazid aktivierten Carboxy-Komponente mit einer Amino-Komponente wird das Azid-Ion freigesetzt. Aus Carboxy-Komponente und einem Chlorkohlensäurealkylester entstehen in Gegenwart einer tertiären Base gemischte Anhydride; als Kohlensäure-Derivate setzen diese bei der Peptidkupplung mit der Amin-Komponente Kohlendioxid und Alkohol frei. 2-Nitrophenylester aktivieren (positivieren) die Carboxy-Gruppe wegen des (−)M-Effekts der Nitro-Gruppe unter Mitwirkung des Carbonyl-Sauerstoff-Atoms, so daß die AminoGruppe das Phenolat leicht substituiert.
 
 RA
 
 +
 
 C
 
 N
 
 O O
 
 Aminolyse des Esters ("Kupplung")
 
 H
 
 O
 
 RA
 
 RB
 
 H
 
 O
 
 H
 
 C
 
 N
 
 O
 
 H
 
 RB
 
 RA
 
 H
 
 C
 
 N
 
 O RB
 
 RA
 
 C
 
 OH
 
 N
 
 RB
 
 H
 
 − O2N
 
 O2N
 
 N
 
 O
 
 Peptid-Bindung
 
 O
 
 O a
 
 R
 
 + H2N−NH2
 
 C
 
 − R'−OH
 
 O R'
 
 O
 
 O
 
 + HO−N=O
 
 C
 
 R
 
 NH NH2
 
 R
 
 − 2 H2O
 
 Azid
 
 C N N N
 
 O O b
 
 R
 
 Cl
 
 [( H5C2) 3N ]
 
 + R1 O C
 
 C O H
 
 − HCl
 
 O
 
 R
 
 C
 
 O
 
 C
 
 gemischtes Anhydrid
 
 O R1
 
 O R2
 
 O c
 
 R
 
 +
 
 C O H
 
 N C N
 
 R
 
 O C F
 
 O H
 
 NH R 2
 
 F
 
 + HO
 
 C
 
 Carbodiimid-Addukt
 
 N R2
 
 C
 
 R2
 
 O d
 
 O R
 
 O F
 
 F
 
 F
 
 R
 
 C
 
 F
 
 F
 
 O
 
 Pentafluorphenylester F
 
 F
 
 F 1
 
 Abb. 38.12. Methoden der Carboxy-Aktivierung zur Peptidkupplung (R : geschützter Peptid-Rest; R = i-Butyl-; 2 R = i-Propyl-)
 
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 38.4
 
 Methoden der Peptidsynthese
 
 815
 
 Vorteilhaft ist die Kombination von N,N'-Diisopropylcarbodiimid (DIC) kombiniert mit äquimolaren Mengen N-Hydroxysuccinimid (Abb. 38.13) oder l-Hydroxybenzotriazol (HOBt). Aus der Ngeschützten Carboxy-Komponente bildet sich dabei zuerst der 1-Hydroxybenzotriazol-Aktivester, der dann nucleophil durch die Amino-Komponente angegriffen wird. Diese Kombination unterdrückt die Racemisierung und gibt nach kürzeren Kupplungszeiten bessere Ausbeuten. R X
 
 NH
 
 H7C3
 
 O
 
 CH
 
 +
 
 C O H
 
 HO
 
 +
 
 N N
 
 N
 
 N
 
 1-Hydroxybenzotriazol (HOBt)
 
 R
 
 N C
 
 X
 
 NH
 
 CH
 
 O +
 
 C O
 
 C3H7 HOBt-Ester
 
 DIC
 
 N N
 
 N
 
 O
 
 NH
 
 C3H7
 
 NH
 
 C3H7
 
 C
 
 Neue Kupplungsreagenzien auf der Basis von Uronium-Salzen wie 2-(1H-Benzotriazol-1-yl)1,1,3,3-tetramethyluronium-tetrafluoroborat (TBTU) reagieren ohne Zusatz von Carbodiimid direkt mit der N-geschützten Aminosäure zum HOBt-Aktivester und Tetramethylharnstoff. (H3C) 2N TBTU
 
 (H3C) 2N
 
 C
 
 O
 
 N
 
 N
 
 N
 
 BF4
 
 Aminosäuren sind di- bis trifunktionell; deshalb müssen alle Gruppen, die nicht an der chemischen Kupplungsreaktion teilnehmen dürfen, vorübergehend durch Schutzgruppen blockiert werden. Eine chemische Peptidsynthese umfaßt somit folgende Schritte (Abb. 38.13): Einführung von Schutzgruppen, Aktivierung und Kupplung, Abspaltung der Schutzgruppen. Bei der exemplarischen Dipeptidsynthese nach Abb. 38.13 werden die t-Butyloxycarbonyl-Gruppe (Amino-Schutzgruppe) und der Methylester (Carboxy-Schutzgruppe) eingesetzt. Die t-Butyloxycarbonyl-Schutzgruppe (Boc) hat den Vorteil, daß sie in sauerem Medium quantitativ unter Freisetzung von gasförmigem Isobuten (Methylpropen) und Kohlendioxid abspaltbar ist. Peptidmethylester lassen sich wie andere Carbonsäureester mit 1 N NaOH in Dioxan verseifen. Entfernt man auf der Stufe des vollgeschützten Dipeptids selektiv nur die Methylester-Gruppe durch Verseifung, so kann das entstandene N-terminal geschützte und C-terminal freie Dipeptid nach Aktivierung seiner Carboxy-Gruppe mit einem weiteren Aminosäureester zum Tripeptid gekuppelt werden. Nach selektiver acidolytischer Entfernung der t-Butyloxycarbonyl-Gruppe wäre andererseits eine N-terminale Kettenverlängerung möglich.
 
 38.4.2
 
 Schutzgruppen
 
 Die Herstellung eines größeren Peptids erfordert sorgfältige Überlegungen zur "Strategie" (Reihenfolge der Verknüpfungsstellen) und "Taktik" (Schutzgruppenkombinationen).
 
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 816
 
 38 Peptide und Proteine
 
 N -terminale Aminosäure
 
 C -terminale Aminosäure
 
 CH 3
 
 H 3N
 
 CH H 3N Einführung der Schutzgruppen
 
 +
 
 CO2
 
 CH
 
 CH(CH3)2
 
 (H3C) 3C O C O
 
 CO2
 
 − H2O
 
 + CH3OH [HCl]
 
 pH = 8 - 10
 
 (H3C) 3C O
 
 CH3
 
 H 3N
 
 CH (H 3C)3C O CO N
 
 CO2H
 
 CH
 
 CO2CH3
 
 CH(CH3)2
 
 H O
 
 Aktivierung
 
 + HO N
 
 − HCl
 
 DIPEA
 
 , DIC
 
 O
 
 CH3 CH (H 3C)3C O CO N
 
 C
 
 H
 
 O
 
 O
 
 O +
 
 N
 
 H 2N
 
 CH
 
 CO2CH3
 
 CH(CH3)2
 
 O
 
 N-Hydroxysuccinimidyl-Aktivester
 
 O − HO N
 
 Kupplung O
 
 CH3
 
 H
 
 CH
 
 N
 
 CO2CH3
 
 (H 3C)3C O CO N
 
 C
 
 CH
 
 H
 
 O
 
 CH(CH3)2
 
 N- und C- geschütztes Dipeptid
 
 Abspaltung der Schutzgruppen
 
 −
 
 a) Hydrolyse [ OH ] b) Acidolyse [H+]
 
 + H2O , − CH3OH − CO2 , − (H3C) 2C=CH2
 
 CH3
 
 H
 
 CH H3N
 
 N
 
 CO2
 
 C
 
 CH
 
 O
 
 CH(CH3)2
 
 Abb. 38.13. Schema der Synthese des Dipeptids Alanyl-valin unter Verwendung des t-Butyloxycarbonyl- und Methylester-Schutzes sowie der Hydroxysuccinimid/Carbodiimid-Aktivester-Kupplung (DIC = N,N'-Diisopropylcarbodiimid; DIPEA = Diisopropylethylamin)
 
 Die Amino-Funktion wird durch Urethan-Schutzgruppen wie t-Butyloxycarbonyl- (Boc), Benzyloxycarbonyl- (Z) und Fluorenylmethoxycarbonyl- (Fmoc), gelegentlich auch durch Acylierung (Trifluoracetyl, Tfa) geschützt (Tab. 38.1). Zum Schutz der Carboxy-Funktion bewährten sich die alkalisch verseifbaren Methyl- und besonders die Benzyl- (Bzl) und t-Butylester (tBu) (Tab. 38.2). Letztere sowie die Urethan-Schutzgruppen (Z und Boc) der Amino-Funktion lassen sich nach dem Peptidaufbau hydrogenolytisch (H2 / Pd) bzw. acidolytisch (HBr / CH3COOH oder HF) abspalten (Tab. 38.1 und 2); Piperidin eliminiert die Fmoc-Gruppe.
 
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 38.4
 
 Methoden der Peptidsynthese
 
 817
 
 Tab. 38.1. Die wichtigsten Schutzgruppen für die Amino-Funktion Reagenz zur Einführung
 
 geschützte Aminosäure
 
 Abspaltungsbedingungen starke Säuren
 
 O
 
 O F3 C
 
 F3 C
 
 O
 
 C
 
 NH
 
 O C (Tfa) 2O CF3
 
 CH2
 
 O
 
 O C6H5
 
 C
 
 Cl Benzyloxycarbonylchlorid , Z −Cl
 
 CH2
 
 O
 
 C
 
 O C O
 
 (H3C) 3C
 
 O
 
 C
 
 (H3C) 3C O
 
 NH
 
 Di-t-butylcarbonat, OC(OtBu)2
 
 O Fluorenyl
 
 O C
 
 −
 
 +
 
 −
 
 +
 
 +
 
 −
 
 −
 
 +
 
 +
 
 +
 
 +
 
 −
 
 −
 
 −
 
 −
 
 −
 
 +
 
 +
 
 +
 
 CO2H
 
 R CH
 
 CO2H
 
 t-Butyloxycarbonyl- , Boc-
 
 O CH2
 
 − CO2H
 
 R
 
 NH CH Benzyloxycarbonyl- , Z-
 
 (H3C) 3C O
 
 Fluorenyl
 
 CH
 
 Na / NH3
 
 Trifluoracetyl- , Tfa-
 
 O C6H5
 
 R
 
 C
 
 schwache Alkali- H2 / Kat. Säuren hydroxid
 
 CH2
 
 O
 
 C
 
 R
 
 NH CH CO2H Fluorenylmethoxycarbonylchlorid , Fmoc −Cl Fluorenylmethoxycarbonyl- , FmocCl
 
 Fluorenyl =
 
 Die Nα-Schutzgruppen (Tab. 38.1) können in schwach basischen Medien unter nucleophilem Angriff der α-Amino-Gruppe am Carbonyl-C-Atom der Reagenzien eingeführt werden. Die hydrogenolytische bzw. acidolytische Abspaltung der Schutzgruppen Z und Boc setzt flüchtige Produkte frei (Toluen bzw. Isobuten und CO2). Bei der Abspaltung in saueren Medien intermediär auftretende Kationen (t-Butyl und Benzyl) werden durch Zusatz von Scavengern (Thioanisol, Ethandithiol) abgefangen, damit sie nicht die Seitenketten von Tyr und Trp alkylieren. Die 3,4Dimethyl-2-nitrobenzyloxycarbonyl-Gruppe ist ein photolytisch abspaltbarer Schutz der αAmino-Funktion. Tab. 38.2. Carboxy-Schutzgruppen Reagenz zur Einführung
 
 geschützte Aminosäure
 
 Abspaltungsbedingungen starke schwache Alkali- H2 / Kat. Na / NH3 Säuren Säuren hydroxid
 
 O
 
 CH3OH / HCl oder SOCl2 CH2N 2
 
 R
 
 C2H5 OH / HCl oder SOCl2
 
 R
 
 C O
 
 OMe
 
 CH3
 
 O C O
 
 CH2
 
 CH3
 
 OEt
 
 CH2
 
 C6H5
 
 OBzl
 
 −
 
 −
 
 +
 
 −
 
 Amid
 
 −
 
 −
 
 +
 
 −
 
 Amid
 
 +
 
 −
 
 +
 
 +
 
 +
 
 +
 
 +
 
 −
 
 −
 
 −
 
 O
 
 C6H5 −CH2OH, p-Toluensulfonsäure, in Toluen, 120 °C
 
 R
 
 (H3C) 2C=CH2 / H2SO4
 
 R
 
 C O O C O
 
 C(CH 3) 3
 
 OBut
 
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 818
 
 38 Peptide und Proteine
 
 Zum Schutz trifunktioneller Aminosäuren mit Hydroxy-, Thiol- oder heterocyclischer AminoFunktion wie in Serin, Threonin, Tyrosin, Cystein und Histidin eignet sich die Benzyl-Gruppe [als Benzylether, -thioether, N-Benzylimidazolyl- (Nim-Bzl)]. Diese Seitenketten-Schutzgruppen (Tab. 38.3) müssen über viele Reaktionsschritte stabil bleiben. Andererseits sollen am Schluß der Synthese alle Schutzgruppen ohne Zerstörung des Peptids abspaltbar sein.
 
 Tab. 38.3. Schutzgruppen für Hydroxy-, Thiol-, Imidazolyl- und Guanidino-Funktionen
 
 Seitenketten-Funktion
 
 geschützte Seitenketten - Funktion CO2 CH3
 
 Ser , Thr , Tyr −OH
 
 H3N
 
 CH
 
 H3N
 
 CH
 
 H3N
 
 CH
 
 H3N
 
 CH
 
 CH
 
 O
 
 C6H5
 
 CH2
 
 CO2 CH2
 
 O
 
 C(CH3) 3
 
 CO2 O
 
 CH2
 
 CC(C6H5) 3
 
 CO2
 
 Cys −SH
 
 CH2
 
 S
 
 CH2
 
 C6H5
 
 CO2 H3N
 
 CH
 
 CH2
 
 S
 
 C(C6H5) 3
 
 CH2
 
 S
 
 CH2
 
 CO2 H3N
 
 CH
 
 O NH
 
 C CH3
 
 CO2 H3N
 
 CH
 
 H3N
 
 CH
 
 CO2 CH2
 
 S
 
 S
 
 CO2
 
 His
 
 N
 
 CH2
 
 CH2
 
 CH
 
 CH2
 
 C6H5
 
 N
 
 NH N
 
 CO2 H3N
 
 CH
 
 NO2
 
 N CO2 H3N
 
 CH
 
 H2 / Kat. oder HF oder HBr / CF3CO2H oder Na / NH3
 
 O-t-Butylserin Ser (tBu)
 
 CF3CO2H
 
 O-Trityltyrosin Tyr (Trt)
 
 CF3CO2H
 
 S-Benzylcystein Cys (Bzl)
 
 nur Na in flüss. NH3
 
 S-Tritylcystein Cys (Trt)
 
 HCl oder CF3CO2H
 
 S-Acetylaminomethylcystein Cys (Acm)
 
 (SCN) 2
 
 symmetrische Cystinpeptide
 
 Thiolyse mit HS CH2 CH2 OH oder Dithioerythrit
 
 Nim-Benzylhistidin His (Bzl)
 
 H2 / Pt oder Na / NH3
 
 Nim-Dinitrophenylhistidin His (Dnp)
 
 Thiolyse mit HS CH2 CH2 OH
 
 O N
 
 CH2
 
 O-Benzylthreonin Thr(Bzl)
 
 NO2 N
 
 CH2
 
 NH3
 
 Abspaltungsbedingungen
 
 C
 
 N
 
 Nim-Piperidinocarbonylhistidin
 
 OH , H2O oder N2H4
 
 NH
 
 Protonierung ( pK = 13.2) + Arg (H )
 
 entfällt
 
 −
 
 N CO2
 
 Arg
 
 H3N
 
 CH
 
 (CH2) 3
 
 NH
 
 C
 
 NH NH
 
 NH3
 
 C NH2
 
 CO2 H3N
 
 CH
 
 N (CH2) 3
 
 NH
 
 NO2
 
 C
 
 g
 
 N -Nitroarginin Arg (NO2)
 
 HF oder H2 / Pt
 
 NH2
 
 Nim: N-Atom des Imidazolyl-Restes; N g : N-Atom der Guanidinyl-Gruppe
 
 Schutzgruppen müssen folgende Bedingungen erfüllen:
 
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 38.4
 
 Methoden der Peptidsynthese
 
 819
 
 Die Synthese des geschützten, gut kristallisierbaren, lagerfähigen Aminosäure-Derivats muß racemisierungsfrei unter milden Bedingungen mit hoher Ausbeute und Reinheit ablaufen. Die Schutzgruppe muß unter Bedingungen abspaltbar sein, die keine Peptidbindungen spalten oder umlagern, oder die säureempfindliche Aminosäuren wie Tryptophan zerstören. Die Schutzgruppen für Seitenkettenfunktionen müssen die Bedingungen zur Abspaltung der α-Amino- und α-Carboxy-Schutzgruppen überstehen. Schließlich sollten Schutzgruppen nicht die Löslichkeit einer wachsenden Peptidkette in den bei der Synthese verwendeten Lösemitteln herabsetzen. In der Peptidsynthese stehen für die Seitenkettenfunktionen der Glutaminsäure und Asparaginsäure oder des Lysins brauchbare Carboxy- bzw. Amino-Schutzgruppenkombinationen zur Verfügung (Tab. 38.1 und 38.2). Die Drittfunktionen von Serin, Threonin, Histidin, Tyrosin, Cystein und Arginin müssen ebenfalls geschützt werden (Tab. 38.3). Wegen der besseren Löslichkeit und zur Vermeidung von Wasserabspaltungen werden auch die Amid-Gruppen der Seitenketten von Asparagin und Glutamin geschützt, z. B. mit dem Trityl-Rest. Die in Tab. 38.1 - 3 beschriebenen Schutzgruppen bewähren sich auch bei Total- und Partialsynthesen von Peptidmimetika und anderen Naturstoffen. Abb. 38.14 verdeutlicht an einem Octapeptid den Aufwand zur Synthese einer relativ kurzen Sequenz, wenn mehrere trifunktionelle Aminosäuren unter Schutz der Seitenkettenfunktionen eingesetzt werden müssen (Tab. 38.3). Schutz der Amino-Funktion
 
 Schutz der Imidazol-Funktion
 
 NH Z
 
 H
 
 CH 2
 
 O
 
 N
 
 N
 
 N CH 2
 
 O
 
 H
 
 H
 
 C
 
 H
 
 O
 
 CH 2
 
 O
 
 C
 
 H
 
 NH Trt
 
 H
 
 O
 
 Trt
 
 CH2
 
 O
 
 N
 
 N CH 2
 
 O
 
 CH 2 N
 
 S
 
 N
 
 CH 2
 
 Schutz der N-terminalen Amino-Funktion
 
 Schutz der C-terminalen Carboxy-Funktion
 
 Bzl
 
 N
 
 CH2
 
 H
 
 Schutz der Thiol-Funktion
 
 N
 
 CH2 CH2
 
 O
 
 Bzl
 
 CH2
 
 Boc
 
 Schutz der PhenolHydroxy-Funktion
 
 O
 
 H
 
 OtBu CH2
 
 O
 
 CH2
 
 t Bu O
 
 NH NO2
 
 O
 
 N
 
 N CH2
 
 H
 
 C
 
 Ot Bu
 
 HN Schutz der Guanidino-Funktion
 
 Schutz der Carboxamido-Funktion
 
 Schutz der Alkohol-Funktion
 
 Schutz der
 
 ω-Carboxy-Funktion
 
 Lysyl − Arginyl − Histidyl − Asparaginyl − Tyrosyl − Seryl − Cysteinyl − Glutaminsäure Abb. 38.14. Zu schützende funktionelle Gruppen der Aminosäuren zur Synthese eines Octapeptids t ( Bu = t-Butyl; Bzl = Benzyl; Trt = Trityl; Z = Benzyloxycarbonyl)
 
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 820
 
 38 Peptide und Proteine
 
 38.4.3
 
 Strategie und Taktik der Peptidsynthese
 
 Fragmentkondensation in Lösung Größere Polypeptide werden durch Fragmentkondensation aufgebaut, d. h. man verknüpft geeignet geschützte Oligopeptide an günstigen Kupplungsstellen der Sequenz. Die Oligopeptide mit je 3 - 10 Aminosäure-Resten werden durch schrittweisen Anbau von carboxyaktivierten N-geschützten Bausteinen an die jeweils freigesetzten Amino-Komponenten synthetisiert. Diese konventionelle Peptid-Synthese ist die am häufigsten benutzte Strategie bei der technischen Synthese hochreiner Peptidwirkstoffe, da jedes Zwischenprodukt isoliert, gereinigt und analysiert werden kann. Die Grenzen dieser Methode liegen in nicht vorhersehbaren Löslichkeitsänderungen der wachsenden, meist vollgeschützten Peptidketten. Dem versucht man durch geeignete Kombinationen von solubilisierenden hydrophilen oder lipophilen Schutzgruppen zu begegnen. Ligation ungeschützter Peptide zum Aufbau von Proteinen Die Synthese von Proteinen gelingt durch Verknüpfung (Ligation) ungeschützter Peptid-Teilsequenzen unter der Voraussetzung, daß eines der Fragmente (Peptid II) N-terminales Cystein enthält. Dabei wird der Thiolester des Peptids I mit dem N-terminalen Cystein des Peptids II als Thiolat-Nucleophil im Einfang-Schritt (1) zum Peptid-Thiolester umgeestert, der als Aktivester unter SiN-Acyl-Verschiebung (2) die Peptid-Bindung zwischen den Fragmenten I und II knüpft. O Carboxy-Komponente H2N Peptid I
 
 S + S
 
 R
 
 Amino-Komponente
 
 N
 
 CH2
 
 C6H5
 
 Peptid II CO2H
 
 NH 3 H
 
 − RSH
 
 (1) O H2N Peptid I
 
 R =
 
 O
 
 S
 
 SH H
 
 O
 
 O N
 
 NH 2 H Peptid-Thiolester
 
 Peptid II CO2H
 
 (2)
 
 H 2N Peptid I
 
 N
 
 N H
 
 Peptid II CO2H
 
 O
 
 Synthese von Peptiden unter Verwendung von Polymer-Trägern Zur Synthese von Peptiden an fester Phase (Festphasen-Peptid-Synthese nach MERRIFIELD, 1963) wird die C-terminale Aminosäure mit einem in allen Lösemitteln unlöslichen Polymer-Träger (hydroxymethyliertes Polystyren, mit 1 % Divinylbenzen zur Quervernetzung, Kap. 36.8.3) verestert. An diesen Aminosäure-Polymer-Ester wird eine Aminosäure nach der anderen geknüpft. Die schrittweise aufgebaute Peptidkette wird nach beendeter Synthese von dem polymeren Trägermaterial abgespalten (Abb. 38.15). Zwischen Träger und Peptid können Ankergruppen unterschiedlicher Reaktivität und Spezifität z. B. auch für eine Peptidamid-Synthese eingebaut werden. Eine Festphasen-Synthese bietet mehrere Vorteile: Die während der gesamten Synthese kovalent mit dem unlöslichen Polymer verbundene Peptidkette wird nach jedem Reaktionsschritt durch einfaches Abfiltrieren und Auswaschen von überschüssigen Reaktionskomponenten und Nebenprodukten befreit. Die Zugabe der Reagenzien und Lösemittel, das Schütteln der heterogenen Reaktionsmischung und das Abfiltrieren ist in einer automatischen Peptidsynthese-Apparatur programmier- und steuerbar.
 
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 38.4
 
 Methoden der Peptidsynthese
 
 821
 
 Unlöslicher Träger (Polystyren-Divinylbenzen-Copolymer, PS-DVB)
 
 Einführung der Ankergruppe
 
 Chlormethylierung
 
 R1 CH (H3C)3C O CO NH
 
 +
 
 CO2 Cs
 
 Veresterung der ersten Aminosäure mit dem Träger
 
 (1)
 
 Cl
 
 ClCH 2
 
 O CH 3 / SnCl4
 
 CH 2
 
 − CsCl
 
 R1 CH (H3C)3C O CO NH
 
 C
 
 O
 
 CH 2
 
 O Abspaltung der N-Schutzgruppe und Neutralisation
 
 (2)
 
 1.) + CF3CO2H , − CO2 , − (H3 C) 2C=CH2 2.) + N(C2H 5) 3 , − CF3CO2
 
 −+
 
 NH(C2H 5) 3
 
 R1 (H3C)3C O CO NH
 
 CH
 
 CH
 
 CO2H
 
 +
 
 H2N
 
 C
 
 Kupplung der zweiten Aminosäure
 
 (3)
 
 1.) + H7 C3− N=C=N−C3H 7(DIC) 2.) − H7 C3−NH−CO−NH−C 3H7
 
 R1
 
 O (H 3C)3C O CO NH
 
 C
 
 CH R2
 
 Aufbau der Sequenz durch Wiederholung der Schritte (2) und (3) mit jeweils neuer Aminosäure
 
 CH N
 
 C
 
 H
 
 O
 
 (H 3C)3C O CO NH
 
 C
 
 CH R2 - n
 
 gleichzeitige Entfernung der N-Schutzgruppen und Abspaltung vom Träger
 
 (4)
 
 +
 
 H NH CH R2 - n
 
 CH 2
 
 CH N
 
 C
 
 O
 
 CH 2
 
 nH
 
 O
 
 Br
 
 CH 2
 
 HBr / CF3CO2H
 
 R1
 
 O CO2
 
 O
 
 R1
 
 O
 
 +
 
 CH 2
 
 O
 
 R2
 
 CH 3 H2C C CH 3
 
 O
 
 CH
 
 C N
 
 CO2H
 
 +
 
 nH
 
 Abb. 38.15. Reaktionsschritte bei der Festphasen-Peptidsynthese nach MERRRIFIELD (1963). Ein Synthesezyklus zur Kettenverlängerung um eine Aminosäure (Reaktionsschritte 2 und 3) dauert etwa 20 min (PS-DVB = Polystyren, quervernetzt mit 1-2 % Divinylbenzen). Anstelle der Boc- werden zunehmend Fmoc-Aminosäuren bei Festphasen-Synthesen eingesetzt, da die Fmoc-Abspaltung mit Piperidin einen zusätzlichen Neutralisierungsschritt erspart und zuletzt mildere Abspaltungsbedingungen möglich sind.
 
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 822
 
 38 Peptide und Proteine
 
 Selbst bei einem Überschuß von Reagenzien sind quantitative Umsetzungen oft nicht erzielbar. Deshalb können durch unvollständige Kupplungsreaktionen laufend kürzere Fragmente entstehen; auch unkontrollierbare Nebenreaktionen an den Seitenketten spielen sich ab. Dies führt besonders beim Aufbau aggregierender und längerer Peptide (mehr als 40 Aminosäuren) zu einem nicht mehr zu reinigenden Peptidgemisch. Da die Synthesefehler zu sehr nahe verwandten Analoga der gewünschten Sequenz ("Fehlsequenzen") führen, ist ihre Detektion selbst mit HPLC-MS ausgesprochen schwierig. Hydrophile Polymerträger eignen sich sowohl für repetitive Synthesen als auch für Bioassays direkt am Harzkügelchen. Zur repetitiven Peptid-Synthese nach BAYER und RAPP wird Polyethylenglykol (PEG), H−[O−CH2−CH2−]nOH, am polymeren Träger Polystyren aufgepfropft, eingesetzt. Das in Wasser und fast allen organischen Lösemitteln, ausgenommen in Ether und Alkanen, lösliche PEG erfüllt die Funktion eines Peptid-Trägers mit solubilisierenden Eigenschaften auf die wachsende Peptidkette. Druckstabile Peptidträger dieser Art erlauben automatisierte Durchflußsynthesen von Peptiden und Oligonucleotiden mit Kupplungszeiten von nur wenigen Minuten. Das auf den ersten Blick überraschend einfache Festphasen-Syntheseprinzip bietet sich zur gleichzeitigen, automatisierten Herstellung von mehreren hundert definierten Peptiden an (simultane bzw. multiple, parallele und kombinatorische Synthese von Peptiden).
 
 38.4.4
 
 Kombinatorische Synthese
 
 Die Chance, ein neues als hochwirksames Medikament anwendbares Oligopeptid zu finden, ist gering; gleiches gilt für andere Wirkstoffklassen. Zahlreiche Varianten einer Leitstruktur müssen hierzu einzeln hergestellt, gereinigt und auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Dieses Vorgehen bei der Suche nach neuen Wirkstoffen ist ziemlich ineffizient. Eine zeitsparende Alternative ist die kombinatorische Synthese. Dieser Begriff steht für verschiedene Methoden zur simultanen Darstellung vieler Varianten eines Grundgerüstes ("Scaffolds"). Ziele solcher Synthesen sind kombinatorische "Verbindungsbibliotheken", die bezüglich ihrer Wirkungen auf ein biologisches Zielmolekül ("Target"), z. B. auf die Hemmung eines Enzyms, untersucht werden. Zeigt sich ein Test positiv, werden die wirksamen Verbindungen ("Hits") identifiziert und gezielt hergestellt. Die kombinatorische Synthese entwickelte sich aus der Festphasen-Synthese von Peptiden nach MERRIFIELD. Bei der "Split-Mix"-Methodik (Abb. 38.16) werden die Edukte A1, A2 und A3 in drei getrennten Reaktionen ("split") kovalent an ein Polymer ( ) gebunden. Es entstehen drei Produkte ( A1, A2, A3), die als Gemisch in drei getrennten Reaktionsgefäßen ("split") jeweils mit den Edukten B1, B2 und B3 zu neun neuen Produktvarianten des Typs AB reagieren. Diese werden erneut zusammengegeben ("mix") und in drei Reaktionsgefäßen in drei Reaktionen mit den Edukten C1, C2 und C3 zu 27 Produkten (neun pro Reaktionsgefäß) umgesetzt. Nach Abspaltung der Produkte vom Polymerträger erhält man eine "Bibliothek" von 27 Verbindungen. Die Durchführung einer kombinatorischen Festphasen-Peptid-Synthese würde z. B. aus neun Aminsäuren A1, A2, A3, B1, B2, B3 und C1, C2, C3 am Polystyren-Divinylbenzen-Träger nach kurzer Bearbeitungszeit (wenige Stunden) eine kombinatorische Bibliothek aus 27 Tripeptiden ergeben. Ein wichtiges Merkmal der Split-Mix-Methode ist, daß auf jedem Polymerkügelchen (engl. bead) nur ein Produkt entsteht ("one bead – one compound"), dessen Menge bereits für Tests und Analytik ausreicht. Somit können einzelne Polymerkügelchen auf ihre Wirksamkeit untersucht werden. Durch gleichzeitige Kupplung aller 20 Proteinaminosäuren in allen Positionen eines Hexapeptids sind 206 = 64 000 000 verschiedene Hexapeptide als Mischung herstellbar. Solche Mischungen
 
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 38.5
 
 Methoden der Peptid-Sequenzierung
 
 823
 
 sind für biologische Tests bereits zu komplex; deshalb wird mit kleineren Subbibliotheken und mit Peptidmimetika systematisch nach neuen Leitstrukturen für die Pharmaentwicklung gesucht. Polymer 3 Reaktionen mit A1, A2, A3 3 Produkte in drei Kölbchen
 
 A1
 
 A2
 
 A3
 
 3 Produkte in einem Kölbchen ("Mix")
 
 A1
 
 A2
 
 A3
 
 3 Reaktionen mit B1, B2, B3 ("Split") 9 Produkte in drei Kölbchen
 
 9 Produkte in einem Kölbchen ("Mix")
 
 A1B1 A2B1 A3B1
 
 A1B2 A2B2 A3B2
 
 A1B3 A2B3 A3B3
 
 A1B1 A2B1 A3B1
 
 A1B2 A2B2 A3B2
 
 A1B3 A2B3 A3B3
 
 3 Reaktionen mit C1, C2, C3 ("Split")
 
 27 Produkte in drei Kölbchen
 
 Abspaltung vom Polymerträger
 
 A1B1C1 A2B1C1 A3B1C1 A1B2C1 A2B2C1 A3B2C1 A1B3C1 A2B3C1 A3B3C1
 
 A1B1C2 A2B1C2 A3B1C2 A1B2C2 A2B2C2 A3B2C2 A1B3C2 A2B3C2 A3B3C2
 
 A1B1C3 A2B1C3 A3B1C3 A1B2C3 A2B2C3 A3B2C3 A1B3C3 A2B3C3 A3B3C3
 
 "Bibliothek aus 27 Verbindungen"
 
 Abb. 38.16. Split-Mix-Methode zur kombinatorischen Synthese einer Bibliothek von 27 Verbindungen des Typs ABC. Schwarze Punkte bedeuten die als Perlpolymerisate eingesetzten Polymerträger, Rechteck-Umrandungen die Reaktionsgefäße.
 
 38.5 Methoden der Peptid-Sequenzierung 38.5.1
 
 Reinigung von Peptiden
 
 Zur Aufklärung der Primärstruktur von Proteinen wurden spezielle Abbaumethoden und Endgruppenbestimmungen entwickelt. Vor jeder Sequenzierung müssen die Peptide mit verschiedenen Methoden gereinigt werden (Tab. 38.4). Der Erfolg der Reinigungsoperationen und die Detektion des Peptids in chromatographischen Fraktionen wird anhand seiner charakteristischen Eigenschaf-
 
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 824
 
 38 Peptide und Proteine
 
 ten verfolgt. Dazu eignen sich u. a. spezifische Seitengruppenreaktionen, die UV-Absorption, enzymatische oder andere biologische Eigenschaften, das Fragmentmuster nach der Hydrolyse, die Aminosäuren- und die Übergangsmetall-Analyse bei Metallproteinen, sowie die HochleistungsFlüssigkeits-Chromatographie kombiniert mit massenspektrometrischen Methoden (HPLC-MS).
 
 38.5.2
 
 Selektive Spaltungen von Peptidketten
 
 Die Sequenzierung von 10 - 100 pmol Peptid kann nur bis zu einer Kettenlänge von etwa 30 Aminosäuren mit genügender Sicherheit durchgeführt werden. Daher müssen größere Proteine vorher in einheitliche Spaltstücke, sog. Partialsequenzen bzw. Fragmente übergeführt werden. Diese sollten möglichst über einige Aminosäure-Reste in ihren Sequenzen überlappen. Zu dieser Fragmentierung werden proteolytische Enzyme, sog. Proteasen bzw. C−N-Hydrolasen herangezogen. Man unterscheidet Enzyme, die mittelständige Peptidbindungen spalten (Endopeptidasen), von solchen, die schrittweise nur vom N- oder C-Terminus her spalten (Exopeptidasen). Die Endopeptidase Trypsin spaltet z. B. nur hinter den basischen Aminosäuren Lysin und Arginin; Chymotrypsin spaltet bevorzugt hinter den aromatischen Aminosäuren Tyrosin und Phenylalanin, und Pepsin liefert Di- und Tripeptid-Fragmente. Carboxypeptidasen spalten als Exopeptidasen Cterminale CONH-Bindungen. Aminopeptidasen spalten als Exopeptidasen N-terminale CONHBindungen (mit Ausnahme des N-terminalen Prolins). Tab. 38.4. Die wichtigsten Methoden zur Isolierung und Reinigung von Peptiden und Proteinen M e t h o d e
 
 P r i n z i p
 
 Umfällen, Umkristallisieren
 
 Löslichkeitsunterschiede aufgrund von pH, Lösemittel u. a.
 
 Dialyse, Membranfiltration
 
 Diffusion durch Membranporen aufgrund unterschiedlicher Molekülgröße, als sog. Elektrodialyse aufgrund von Ladung und Molekülgröße
 
 Gelfiltration
 
 Chromatographische Trennung auf Säulen aufgrund der Molekülgröße (Molekularsiebe auf Polyacrylamid- oder Polyglucosid-Basis)
 
 Ionenaustauscher-Chromatographie
 
 Säulenchromatographische Trennung aufgrund unterschiedlicher Ladungen, Elution mit Puffern unterschiedlicher pH-Werte und Tonizität
 
 Elektrophorese
 
 Trennung im elektrischen Feld aufgrund unterschiedlicher Ladungen auf Polyamidgelen und in Glaskapillaren
 
 Multiplikative Gegenstromverteilung
 
 Automatische Vielfach-Extraktion in der CRAIG-Apparatur aufgrund unterschiedlicher Verteilungskoeffizienten in zwei nicht mischbaren Lösemittelsystemen
 
 Verteilungschromatographie
 
 Übertragung des Prinzips der multiplikativen Gegenstromverteilung auf Säulen; ein hydrophiles Säulenfüllmaterial aus Cellulose oder Silicagel umgibt sich mit einer Hydrathülle und bildet die stationäre, wäßrige Phase, welche die polaren Moleküle länger festhält; lipophilere Moleküle wandern mit dem organischen Lösemittel rascher durch die Säule
 
 Reversed Phase Chromatographie
 
 Prinzip der Verteilungschromatographie, jedoch mit lipophiler stationärer Phase (z. B. alkyliertes Kieselgel), in Form der HPLC (High Performance Liquid Chromatography) als wichtigster Trennmethode
 
 Ultrazentrifugation
 
 Trennung der Partikel kolloidaler Proteinlösungen bei Gravitationsbeschleunigungen von 10 4 g
 
 Affinitätschromatographie
 
 Adsorptionschromatographie aufgrund starker spezifischer Wechselwirkungen eines zu reinigenden Enzyms mit dem z. B. an einem unlöslichen Träger kovalent gebundenen Inhibitor oder Antikörper
 
 Chemische Partialhydrolysen unter saueren oder basischen Bedingungen liefern ein schwer trennbares Gemisch vieler Oligopeptide. Deshalb ist diese Art der Partialhydrolyse nur bei kurzen Peptiden erfolgreich. Größere Bedeutung haben einige nichtenzymatische, selektive chemische Frag-
 
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 38.5
 
 Methoden der Peptid-Sequenzierung
 
 825
 
 mentierungen an bestimmten Aminosäuren, wie die Spaltung der C-ständigen Peptidbindung des Methionins mit Bromcyan (BrCN). Der Sulfid-Schwefel des Methionins wird durch Bromcyan zum stark Elektronen anziehenden Sulfonium-Schwefel oxidiert. Dadurch wird das γ-C-Atom des Methionins positiviert und kann in einer nucleophilen Substitution mit dem Carbonyl-Sauerstoff cyclisieren. Die anschließende hydrolytische Spaltung liefert Fragmente, die an der Stelle des Methionins carboxyständiges Homoserin tragen. S H2C
 
 NC
 
 CH3
 
 CH 2 R
 
 O
 
 C NH CH C NH CH C O
 
 O
 
 Methionyl-Peptid
 
 H 2C
 
 + BrCN − Br
 
 CH3
 
 S
 
 CH2 R
 
 O
 
 C NH CH C NH CH C
 
 −
 
 O
 
 O
 
 − H3C S C N
 
 CH 2OH CH 2 C NH CH CO2H O
 
 38.5.3
 
 R +
 
 H 3N CH C O
 
 Homoserin
 
 R
 
 O
 
 + 2 H2O
 
 C NH CH C NH CH C
 
 PeptidSpaltung
 
 O
 
 O
 
 Endgruppenanalyse
 
 Zur Identifizierung der N-terminalen Aminosäure kann das Peptid mit 2,4-Dinitrofluorbenzen (DNFB) oder mit 5-(Dimethylamino)-1-naphthalensulfonsäurechlorid (Dansylchlorid) umgesetzt werden (Abb. 38.17). Nach Totalhydrolyse lassen sich die hydrolysestabilen gelben 2,4Dinitrophenyl- bzw. die fluoreszierenden Dansylaminosäuren im Aminosäuren-Gemisch durch chromatographischen Vergleich mit bekannten Derivaten identifizieren. H − Ala − Ser − Val − Gly − OH
 
 Dinitrophenylierung
 
 + DNFB
 
 − HF
 
 6 N HCl
 
 110 °C
 
 Dansylierung
 
 + Dansyl-Cl
 
 − HCl
 
 6 N HCl
 
 110 °C
 
 Hydrazinolyse
 
 + H2N−NH2
 
 Dnp−Ala−OH und Ser, Val, Gly
 
 Dansyl−Ala−OH und Ser, Val, Gly
 
 − H2O
 
 Veresterung und Reduktion
 
 + CH2N2 + LiBH4 6 N HCl
 
 Ala, Ser, Val−NHNH2 und Gly
 
 − N2
 
 110 °C
 
 Ala, Ser, Val und H 2N CH 2 CH 2 OH
 
 Abb. 38.17. Endgruppenbestimmungen am Beispiel eines Tetrapeptids
 
 C-terminale (Carboxy-ständige) Aminosäuren lassen sich dagegen durch Spaltung der Peptidbindungen mit wasserfreiem Hydrazin bestimmen. Diese Hydrazinolyse wandelt mit Ausnahme der C-terminalen alle Aminosäuren in Aminosäurehydrazide um (Abb. 38.17). Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung des C-Terminus besteht in der Methylierung des Peptids mit Diazomethan zum Peptidmethylester. Die Reduktion des Peptidmethylesters mit Lithiumborhydrid führt zum Cterminalen Aminoalkohol. Durch vergleichende Aminosäuren-Analysen von Totalhydrolysaten vor und nach der Reduktion kann dieser identifiziert werden.
 
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 826
 
 38.5.4
 
 38 Peptide und Proteine
 
 Schrittweiser Abbau nach EDMAN
 
 Zur schnellen Peptid- und Protein-Sequenzierung ("Proteomics") werden chromatographische Trennverfahren (Gelelektrophorese, HPLC) in Kombination mit massenspektrometrischen Methoden eingesetzt [HPLC-Tandem-Electrospray-MS, matrixunterstützte Laserdesorptions-FlugzeitMassenspektrometrie (MALDI-TOF-MS) sowie HPLC-Ionencyclotron-Resonanz-MS]. Diese Methoden verdrängen die chemische Sequenzierung der Proteine in vollautomatischen Sequenatoren nach dem von EDMAN 1950 entwickelten, schrittweisen, N-terminalen Abbau. Dabei wird das auf einer Glasmatrix fixierte Peptid zunächst mit Phenylisothiocyanat in das Phenylthiocarbamoylpeptid übergeführt. Die so modifizierte N-terminale Aminosäure spaltet durch Reaktion mit Trifluoressigsäure unter Cyclisierung ab. Das primär gebildete, instabile 2-Anilinothiazolin-5-on hydrolysiert in Trifluoressigsäure zur Phenylthiocarbamoylaminosäure, die zum 5-substituierten 3-Phenyl-2-thiohydantoin cyclisiert. Dieses von der N-terminalen Aminosäure abstammende Thiohydantoin wird extrahiert und chromatographisch identifiziert. Die nun um eine Aminosäure kürzere Peptidkette wird im nächsten Abbauschritt erneut mit Phenylisothiocyanat umgesetzt. R2
 
 H R1 R1 N
 
 C
 
 S + H2N
 
 CH
 
 R2 C
 
 NH
 
 CH
 
 Base
 
 C
 
 O
 
 N
 
 H
 
 N N
 
 Phenylisothiocyanat
 
 C O
 
 O C
 
 O
 
 CH
 
 C
 
 CH S
 
 Phenylthiocarbamoylpeptid H (Phenylaminothiocarbonylpeptid)
 
 Peptid-Spaltung
 
 CF3CO2 H
 
 R1
 
 N
 
 H
 
 S
 
 S NH
 
 R1 O 3-Phenyl-2-thiohydantoin aus der N-terminalen Aminosäure
 
 − H 2O
 
 C
 
 N
 
 R1
 
 N H HO
 
 C
 
 O
 
 Phenylthiocarbamoylaminosäure
 
 S
 
 +
 
 + H2O (H3O )
 
 R2 O
 
 N N
 
 +
 
 H3N
 
 CH
 
 C
 
 O verkürzte Peptid-Kette
 
 H 2-Anilinothiazolin-5-on
 
 38.6 Modifizierung von Seitenkettenfunktionen Um die Bedeutung einzelner Aminosäuren in der Sequenz eines Peptidhormons oder Enzyms bezüglich seiner Wirkung erkennen zu können, werden gentechnologisch Aminosäuren ausgetauscht oder trifunktionelle Aminosäuren chemisch modifiziert (Tab. 38.5). Bei der chemischen Modifikation versucht man, selektiv die Amino-Gruppe der Lysin-Seitenkette zu acylieren, Tyrosin zu nitrieren oder mit Diazonium-Salzen einer Azo-Kupplung zu unterziehen. Seitenkettenfunktionen können so in positiv oder negativ geladene, in neutrale oder lipophile Gruppen übergeführt werden. Danach mißt man die dadurch ausgelösten Veränderungen der Wirksamkeit. Bei Proteinen gelingt eine Unterscheidung der Aminosäure-Reste an der Oberfläche von solchen, die im Proteininnern verborgen sind. Dazu läßt man vor der Sequenzierung gruppenspezifische Reagenzien zur Markierung (engl. label) einwirken, die zu hydrolysestabilen Derivaten führen. Bei der Sequenzierung werden dann die leicht zugänglichen Aminosäuren markiert erscheinen. Von Bedeutung sind auch Markierungsreagenzien, die stabile Radikale für Elektronenspinresonanz-Experimente oder fluoreszierende Gruppen zu Fluoreszenzmessungen einführen. Schließlich
 
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 38.6
 
 Modifizierung von Seitenkettenfunktionen
 
 827
 
 können "Affinitätslabel" eingebaut werden, die aufgrund spezifischer Wechselwirkungen, z. B. mit bestimmten Chromatographiematerialien, selektivere Trennungen ermöglichen. Tab. 38.5. Modifizierung von Aminosäure-Seitenketten in Proteinen (Auswahl) Aminosäure-Seitenketten-Funktion
 
 Reagenz
 
 modifizierte Aminosäure
 
 NH2 Cl
 
 Ly s :
 
 (CH2) 4
 
 NH 2
 
 H5C 2
 
 O
 
 C
 
 − C2H 5OH , − HCl
 
 R' Imidoester O
 
 pH > 9.5 , − CH 3OH
 
 C
 
 O S
 
 C
 
 NH2 (CH 2) 4
 
 NH
 
 C
 
 NH2 Guanidino-Gruppe
 
 NH2 O-Methylisoharnstoff H5C 2
 
 NH
 
 R' Amidino-Gruppe
 
 NH2 H3C
 
 NH (CH 2) 4
 
 pH = 10 , − C 2H 5SH
 
 C
 
 O (CH 2) 4
 
 NH
 
 C
 
 CF3 Trifluoracetyl-Derivat
 
 CF3 Ethanthioltrifluoracetat
 
 O
 
 O
 
 H
 
 −
 
 + OH , − H2O
 
 O
 
 (CH 2) 4
 
 NH
 
 H
 
 H
 
 O
 
 C
 
 O2C H N-Maleinyl-Derivat
 
 Maleinsäureanhydrid H O C
 
 NH2
 
 Arg :
 
 (CH 2) 3
 
 NH
 
 1 m Na OH , − 2 H2O
 
 NO2
 
 C
 
 C
 
 N
 
 H Nitromalondialdehyd (Anion) (CH2) 2
 
 His :
 
 CH 2
 
 CH 2
 
 CO2H
 
 H2N
 
 CO2H
 
 CH 2
 
 5-Nitropyrimidinyl-Derivat EDC * , − 2 H 2O
 
 CONH 2
 
 Glycinamid
 
 I
 
 CH2
 
 (CH 2) 1,2
 
 CO NH
 
 CH2
 
 CONH2
 
 Glycinamidpeptid
 
 N NH
 
 NO2
 
 NH
 
 O C
 
 NH2
 
 Asp : Glu :
 
 N (CH 2) 4
 
 pH = 5 - 6 , − HI
 
 CO2
 
 N CH 2
 
 N CH 2 CO2 3-Carboxymethyl-Derivat
 
 Iodacetat
 
 O
 
 Met :
 
 (CH2) 2
 
 S CH 3
 
 H 2O2
 
 (CH 2) 2
 
 O CH3 und
 
 S
 
 Cy s :
 
 CH 2
 
 pH > 4
 
 CH2 CONH2 Iodacetamid
 
 SH
 
 pH = 8 - 9 pH = 8
 
 Na2SO3
 
 S
 
 CH 2
 
 S
 
 S
 
 S
 
 CH2
 
 CONH 2
 
 CH 2
 
 CH2
 
 NH2
 
 CH 2 S SO3 S-Sulfonat O
 
 O pH = 7
 
 C 2H5
 
 H O N-Ethylmaleinimid O2N
 
 CH3 (CH 2) 2
 
 S-2-Aminoethyl-Derivat
 
 Ethylenimin
 
 N
 
 CH 3
 
 Sulfonium-Salz
 
 NH
 
 H
 
 S
 
 S,S-Dioxid O
 
 S-Oxid
 
 I
 
 (CH2 ) 2
 
 CH 2
 
 N
 
 S
 
 C2H5
 
 O S-(1-Ethyl-3-succinyl)-Derivat
 
 NO2
 
 O2C CO2 Bis-(3-carboxy-4-nitrophenyl)-disulfan [3,3´-Dithiobis(6-nitrobenzoesäure), DTNB] ELLMAN-Reagenz
 
 pH = 8 − Thiophenolat
 
 CH 2
 
 S
 
 S
 
 NO2
 
 CO2 S-(3-Carboxy-4-nitrophenylthio)-Derivat
 
 * EDC : wasserlösliches 3-(3-Dimethylaminopropyl)-1-ethylcarbodiimid [ H5C2−N=C=N−(CH2)3−N(CH3)2 ] zur Knüpfung der Peptid-Bindung
 
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 828
 
 38 Peptide und Proteine
 
 Die SH-spezifischen Reagenzien N-Ethylmaleimid und 3,3'-Dithiobis-(6-nitrobenzoat) (Tab. 38.5) eignen sich zur quantitativen photometrischen Thiol-Titration von Cystein-Seitenketten. In der modernen Proteinchemie ergeben sich wichtige Informationen durch chemische Modifikation in Verbindung mit instrumentellen Methoden u. a. über substratspezifische Bereiche, Konformationsänderungen, sowie Energieübertragungen durch Photonen.
 
 38.7 Ausgewählte Peptidwirkstoffe Der synthetische Dipeptidmethylester Aspartam entfaltet in wäßriger Lösung die 160-fache Süßkraft der Saccharose (Kap. 40.8.1) und wird daher als Diät-Süßstoff verwendet. O Aspartam
 
 =
 
 Asp-Phe-OMe
 
 =
 
 O2C
 
 CO2CH 3 N
 
 C 6H 5
 
 NH 3 H
 
 Die folgenden Abschnitte geben Einblicke in pharmakologisch relevante Wirkungen einiger Peptide.
 
 38.7.1
 
 Peptidhormone
 
 Hormone sind hochaktive Regulatoren von Zellvorgängen, die aus endokrinen Drüsen (glanduläre Hormone, Drüsenhormone), von anderen Organen und aus Gewebeflüssigkeiten (Gewebshormone) abgegeben werden. Durch den Blutkreislauf werden sie ihrem Wirkort (Targetzelle) zugeführt. Dort lösen sie durch hochspezifische Wechselwirkungen mit Rezeptoren eine Veränderung der Permeabilität der Zellmembran aus oder können Enzymaktivitäten, z. B. eine Proteinphosphorylierung bewirken (Signaltransduktion). An der Zielzelle kann u. a. durch Hormon-RezeptorWechselwirkung das membrangebundene Adenylatcyclase-System aktiviert werden. Die Cyclisierung des AMP (Kap. 41.1) löst im Inneren der Zelle den Hormoneffekt, z. B. eine sekretorische Aktivität, aus. Hormone werden anschließend rasch abgebaut, ausgeschieden bzw. inaktiviert. Peptid- und Proteinhormone bilden sich im Hypothalamus, in der Hypophyse, Nebenschilddrüse, Schilddrüse, Placenta und dem Pankreas (Tab. 38.6). Oligo- und Polypeptidhormone mit bis zu 40 Aminosäuren werden durch chemische Peptidsynthesen aufgebaut und in ihrer Struktur abgewandelt. Zahlreiche Peptidhormone sind industriell für Anwendungen in der Human- und Tiermedizin synthetisch oder biotechnologisch zugänglich. Adrenocorticotropes Hormon (ACTH) Synthesen und Struktur-Aktivitätsuntersuchungen an einer großen Anzahl von ACTH-Analoga bestätigen, daß mindestens ein N-terminales Tridecapeptidamid-Fragment vorhanden sein muß, um noch ACTH-Aktivität auszulösen. Synthetische Präparate der Sequenz 1 - 24 sind im Handel. ̈
 
 1
 
 10
 
 20
 
 Ser−Tyr−Ser−Met−Glu−His−Phe−Arg−Trp− Gly−Lys−Pro−Val−Gly−Lys−Lys−Arg−Arg−Pro− Val−Lys−Val−Tyr− Pro−Asn−Gly−Ala−Glu−Asp−Glu−Ser−Ala−Glu−Ala−Phe−Pro−Leu−Glu−Phe (ACTH)
 
 Als essentiell gelten der Bereich 7 - 10 und der stark basische Abschnitt 15 - 18, da ein Aminosäure-Austausch hier zu erheblichen Aktivitätsverlusten führt. Aktivitätssteigerungen sind andererseits möglich, z. B. durch N-terminalen Einbau enzymatisch schwer abbaubarer Aminosäuren wie D-Serin, D-Alanin, β-Alanin oder 2-Methylalanin in Position 1.
 
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 38.7
 
 Ausgewählte Peptidwirkstoffe
 
 829
 
 Tab. 38.6. Ausgewählte Peptid- und Proteohormone Bezeichnung
 
 Bildungsort
 
 Wirkort : Wirkung
 
 Charakterisierung
 
 Follikelstimulierendes Hormon (FSH)
 
 HypophysenVorderlappen
 
 Ovar : Follikelwachstum Hoden : Spermatogenese
 
 Glycoprotein mit zwei Untereinheiten
 
 Prolactin Luteotropes Hormon (LTH)
 
 Hypophyse
 
 Milchdrüse : Wachstum und Milchsekretion
 
 Protein mit 198 Aminosäuren
 
 Somatotropin, Somatotropes Hormon (STH, Growth hormone)
 
 HypophysenVorderlappen
 
 Wachstum, Stimulation des zellulären Stoffwechsels, Nucleinsäure- und Protein-Biosynthese
 
 Protein mit 191 Aminosäuren und zwei S-S-Brücken
 
 Adrenocorticotropin (ACTH)
 
 HypophysenVorderlappen
 
 Nebenniere : Wachstum Glucocorticoid-Bildung
 
 lineares Peptid mit 35 Aminosäuren
 
 Oxytocin
 
 HypophysenHinterlappen
 
 Uterus und Milchdrüsen : Kontraktion
 
 Nonapeptid mit Disulfid-Brücke
 
 Vasopressin
 
 HypophysenHinterlappen
 
 Niere : antidiuretisch, blutdrucksteigernd
 
 Nonapeptid mit Disulfid-Brücke
 
 Releasing-Faktoren (RF) Hypothalamus FRF = FSH-RF; CRF = ACTH-RF u. a. Nervenzellen
 
 Hypophysen-Vorderlappen : Ausschüttung von FSH, ACTH
 
 Oligopeptide
 
 Releasing-Inhibiting-Faktoren (RIF, z. B. PIF = LTH-RIF)
 
 Hypothalamus
 
 Hypothalamus : Hemmung der LTH-Ausschüttung
 
 Peptid
 
 Insulin
 
 Pankreas als Preproinsulin
 
 Leber, Fettgewebe, Muskel : Senkung des Blutzuckerspiegels
 
 zwei durch S-S-Brücken verknüpfte Ketten A mit 21 und B mit 30 Aminosäuren
 
 Glucagon
 
 Pankreas
 
 Blutzuckerspiegel : Mobilisierung Adenylatcyclase-Aktivierung
 
 lineares Peptid mit 29 Aminosäuren
 
 Parathormon
 
 Nebenschilddrüse
 
 Osteoklasten : BlutCalciumspiegel
 
 lineares Peptid mit 84 Aminosäuren
 
 Oxytocin Das Nonapeptidhormon Oxytocin (Strukturaufklärung und Synthese als erstes Peptidhormon von V. DU VIGNEAUD, 1953) stimuliert die Kontraktion der glatten Muskulatur der Gebärmutter und wird bei der Geburtshilfe eingesetzt. Oxytocin besitzt eine essentielle 20-gliedrige cyclische Struktur mit einer intrachenaren (in der Kette befindlichen) Cystin-Disulfidbrücke. ̈
 
 S
 
 S
 
 H − Cy s − Ty r − Ile − Gln − Asn − Cy s − Pro − Leu − Gly − NH2
 
 Hypothalamische Releasing Faktoren Die Releasing Faktoren (auch Releasing Hormone) sind vom Hypothalamus abgegebene Kontrollsubstanzen, welche die Sekretion von Hormonen der Adenohypophyse steuern. Um 1 mg Thyreoliberin (Thyreotropin Releasing Faktor, TRF oder TRH) zur Strukturaufklärung zu erhalten, mußten 270 000 Hypothalami vom Schaf aufgearbeitet werden (SCHALY, GUILLEMIN, 1969). H
 
 O
 
 N
 
 N TRF
 
 H
 
 O
 
 O
 
 O N CH 2
 
 NH 2 LH - RH
 
 1Pyroglu
 
 − His − Trp − Ser − 5Tyr − Gly − Leu − Arg − Pro − 10Gly − NH2
 
 NH N
 
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 830
 
 38 Peptide und Proteine
 
 TRF ist Pyroglutamyl-histidyl-prolinamid (Pyroglu−His−Pro−NH2). Der Luteinisierungs-HormonReleasing-Faktor (= LH−RH, Gonadoliberin) ist ein Decapeptidamid mit TRF-gleichem N-Terminus. Insulin Unter den Hormonen des Pankreas kommt dem Insulin (Struktur von SANGER, 1955) größte Bedeutung zu, da viele Stoffwechselvorgänge (Kohlenhydrate, Fette, Proteine) insulinabhängig sind, und Patienten mit schwerer Diabetes Insulin zugeführt werden muß. Schematisch läßt sich die Insulin-Struktur (Abb. 38.18) anhand der beiden Peptidketten (A-Kette mit 21 und B-Kette mit 30 Aminosäuren) mit den Cystin-Disulfidbrücken skizzieren. 1
 
 S
 
 S
 
 21
 
 A -Kette H 2N
 
 B -Kette
 
 CO2H
 
 1
 
 H 2N
 
 S
 
 S
 
 S
 
 S
 
 30
 
 CO2H
 
 1
 
 Reduktion Oxidation
 
 SH
 
 SH
 
 SSO3
 
 21
 
 H2N
 
 CO2H
 
 1
 
 H2N
 
 SH
 
 SH
 
 SH
 
 SH
 
 Na2SO3 30
 
 CO2H
 
 getrennte Ketten (Thiol-Form)
 
 SSO3 CO2H
 
 H2N Oxidation H2N
 
 SSO3
 
 SSO3
 
 SSO3
 
 SSO3 CO2H
 
 getrennte Ketten (S-Sulfonat-Form)
 
 Abb. 38.18. Primärstruktur von menschlichem Präproinsulin (Sequenz –24 bis 86) und enzymatische Spaltstellen: Signalpeptid (Sequenz –24 bis –1), Proinsulin (Sequenz 1 bis 86 mit C-Peptid 31 bis 65) sowie Insulin (A-Kette 1 bis 21 bzw. 66 bis 86 und B-Kette 1 bis 30)
 
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 38.7
 
 Ausgewählte Peptidwirkstoffe
 
 831
 
 Nach Reduktion der Cystin-Reste zum Cystein (Thiol-SH) oder S-Sulfonat (−S−SO3−), Trennung der A- und B-Ketten und Resynthese durch nachfolgende Oxidation kann Insulin in geringer Ausbeute (10 %) zurückerhalten werden. Die Insulin-Biosynthese aus dem Präproinsulin (110 Aminosäure-Reste) verläuft nach Abspaltung des Signalpeptids (−24 bis −1, Abb. 38.18) über den einkettigen Insulin-Vorläufer Proinsulin (STEINER, 1968) mit 86 Aminosäuren. Aus Proinsulin wird ein die spätere A- und B-Kette verbindendes Fragment, das C-Peptid (C steht für connecting) mit 35 Aminosäuren, enzymatisch herausgeschnitten. Mehrere Insulin-Synthesen (erste Totalsynthese: ZAHN et al., 1963) sowie die biotechnologische Produktion des Insulins und verbesserter Analoga im Tonnenmaßstab durch genetisch veränderte Mikroorganismen (Colibakterien) belegen die Bedeutung dieses Peptidwirkstoffs. Gastrin Hormone, die den Verdauungsapparat steuern, werden im Magen-Darm-Trakt (gastrointestinale Hormone, Gewebshormone) und in den Schleimhäuten gebildet. Eines der wichtigsten ist Gastrin: Gastrin
 
 1Pyroglu
 
 − Gly − Pro − Trp − Leu − (Glu)5 − 11Ala − Tyr − Gly − Trp − Met − Asp − 17Phe − NH2
 
 Bereits das C-terminale Tetrapeptidamid entfaltet die physiologische Wirkung des Gastrins, d. h. eine Verstärkung der Magensäureproduktion, starke Enzymsekretion im Pankreas und Erhöhung der Magenmotilität. Aus der Schleimhaut des Zwölffingerdarms läßt sich Secretin, ein dem Glucagon sehr ähnliches Peptid isolieren, das die Produktion eines HCO3− -haltigen Pankreassekrets und des Gallenflusses stimuliert. Bradykinin Im Gegensatz zu Angiotensin II sorgen die Bradykinine u. a. für Blutdrucksenkung. Auch diese Wirkstoffe werden, wie offensichtlich die meisten niedermolekularen Peptidhormone, aus inaktiven Proteinvorstufen (Prohormonen) freigesetzt. Bradykinin
 
 H −1 Arg − Pro − Pro − Gly −5 Phe − Ser − Pro − Phe − 9 Arg − OH
 
 Angiotensine Aus einem Protein des Blutplasmas (Angiotensinogen in der α-Globulin-Fraktion) wird durch das Enzym Renin ein biologisch inaktiver Decapeptidhormon-Precursor, das Angiotensin I, abgespalten. Angiotensin wird durch enzymatische Abspaltung des Dipeptids His-Leu in das stark blutdrucksteigernde Angiotensin II umgewandelt. H −1 Asp − Arg − Val − Ty r − Ile − His − Pro − Phe − His −10 Leu − Leu − Val − Ty r − Ser . . . Angiotensinogen
 
 Renin
 
 H −1 Asp − Arg − Val − Ty r − Ile − His − Pro − Phe − His −10 Leu − OH Angiotensin I
 
 Angiotensin converting enzyme (ACE)
 
 H −1 Asp − Arg − Val − Ty r − Ile − His − Pro −8 Phe − OH Angiotensin II
 
 Angiotensinase inaktive Fragmente
 
 Inhibitoren dieses "Angiotensin Converting" Enzyms (ACE-Inhibitoren) sind als Blutdrucksenker im Handel. Das Hormon Angiotensin II wird andererseits zur Blutdruckregulation bei postoperati-
 
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 832
 
 38 Peptide und Proteine
 
 vem Kreislaufkollaps angewandt. Ein spezifisch Angiotensin II abbauendes Enzym (Angiotensinase) hydrolysiert zu inaktivem Material. Peptidanaloge Renin-Inhibitoren werden als Herz-Kreislauf-Therapeutika (Blutdrucksenker) entwickelt.
 
 38.7.2
 
 Peptidantibiotika
 
 Mikroorganismen produzieren nicht ribosomal mit Hilfe großer Multienzymkomplexe antibiotisch wirksame Oligo- und Polypeptide mit oft ungewöhnlichen Aminosäure-Resten. Häufig besitzen diese Peptidantibiotika cyclische Strukturen und D-Aminosäuren; daher können sie nicht enzymatisch abgebaut werden. Viele enthalten auch nichtpeptidische Komponenten wie Hydroxycarbonsäuren, Fettsäuren, Zucker, Heterocyclen, phosphorhaltige Gruppen. Aufgrund der nichtribosomalen und somit weniger streng kontrollierten Biosynthese tritt häufig ein AminosäureAustausch auf, so daß vom gleichen Stamm eines Bakteriums oder Pilzes meist eine Reihe eng verwandter Analoga produziert werden. Penicilline und Cephalosporine aus Kulturen verschiedener Pilze sowie synthetische Analoga dieser β-Lactame gehören zu den wichtigsten therapeutisch eingesetzten Antibiotika. H H R CO NH O
 
 N
 
 S
 
 H H CH 3 CH 3
 
 Penicilline
 
 Cephalosporine
 
 R1 CO NH O
 
 CO2H
 
 S
 
 N
 
 R2 CO2H
 
 Die Farbe der etwa 30 als Actinomycine bezeichneten Chromopeptide aus Strahlenpilzen (Actinomyceten) prägt eine Phenoxazon-Dicarbonsäure, das rote Actinocin. Es z. B. im Actinomycin D mit zwei identischen Pentapeptidlactonen verknüpft, die N-Methylaminosäuren (Sarkosin und NMethylvalin) enthalten. Actinomycine wirken antibakteriell und cytostatisch; sie hemmen durch Einschub (Intercalation) in die DNA die (DNA-abhängige) RNA-Synthese. Sar MeVal Actinomycin D Sar = Sarkosin (N-Methylglycin) MeVal = N-Methylvalin
 
 O
 
 Pro
 
 Pro D-Val
 
 D-Val Thr HN
 
 MeVal
 
 Thr
 
 C
 
 O
 
 O
 
 C
 
 O
 
 NH
 
 N
 
 NH2 O
 
 O H 3C
 
 Sar
 
 CH 3
 
 Beispiele für lineare Polypeptidantibiotika sind Gramicidin A (aus Bacillus brevis) und Alamethicin (aus Trichoderma viride). Gramicidin A
 
 Formyl-L-Val(L-Ile) − Gly − L-Ala − D-Leu − L-Ala − D-Val − L-Val − D-Val − L-Trp − D-Leu − L-Trp(L-Phe, L-Tyr) − D-Leu − L-Trp − D-Leu − L-Trp − Glycinol Alamethicin
 
 Acetyl-Aib − L-Pro − Aib − L-Ala(Aib) − Aib(L-Ala) − L-Ala(Aib) − L-Gln − Aib − L-Val(Aib) − Aib − Gly − L-Leu − Aib − L-Pro − L-Val − Aib(Val) − Aib(Val) − L-Glu(Gln) − L-Gln − Phenylalaninol ( Aib = α- Aminoisobuttersäure = 2-Methylalanin; eingeklammerte Aminosäuren kommen in natürlichen Analoga vor )
 
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 38.7
 
 Ausgewählte Peptidwirkstoffe
 
 833
 
 Beide Peptidantibiotika besitzen unterschiedliche helikale Konformationen und amphiphile Eigenschaften. Sie sind besonders wegen ihrer membranmodifizierenden Eigenschaften von Interesse, da sie in Lipid-Doppelschicht-Membranen spannungsabhängige, ionenleitende Strukturen in Form von K+-selektiven Kanälen (Gramicidin A) bzw. Poren variabler Größe (Alamethicin) ausbilden. Im Gegensatz dazu kann Valinomycin, ein cyclisches Peptidantibiotikum, hochselektiv KaliumKationen komplexieren und als Trägermolekül (Carrier) durch Lipidmembranen transportieren. Valinomycin ist ein aus L- und D-Valin, L-Milchsäure und D-α-Hydroxyvaleriansäure bestehendes Depsipeptid. Depsipeptide enthalten sowohl Peptid- als auch Esterbindungen und sind deshalb weniger hydrolysestabil als Peptide. Die Sauerstoff-Liganden des Valinomycins komplexieren Kalium-Ionen 50.000 mal stärker als Natrium-Ionen (Abb. 38.19). Valin
 
 Milchsäure
 
 CH3 H3C CH
 
 Valin
 
 CH3 CH3
 
 H3C CH
 
 α-Hydroxyisovaleriansäure
 
 CH 3 H 3C CH
 
 CH 3 H 3C CH
 
 CH 3
 
 HN CH CO O CH CO NH CH CO O CH CO NH CH CO Valinomycin
 
 D
 
 L
 
 L
 
 D
 
 L
 
 L
 
 OC CH O OC CH HN OC CH O H3C CH CH3
 
 H 3C CH CH 3
 
 CH3
 
 D
 
 D
 
 OC CH HN H 3C CH CH 3
 
 D D
 
 OC CH H 3C CH CH3
 
 O
 
 O
 
 CH
 
 OC
 
 CH
 
 L L
 
 CO
 
 NH
 
 H 3C CH CH 3
 
 Abb. 38.19. Konformation des Kalium-Valinomycin-Komplexes (nach V.T. IVANOV, et al. (1969) Biochem. Biophys. Res. Commun. 34, 810).
 
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 834
 
 38 Peptide und Proteine
 
 Gramicidin S aus Bacillus brevis ist ein Cyclodecapeptid-Antibiotikum, das keinerlei strukturelle Verwandtschaft mit Gramicidin A besitzt. Es setzt sich aus zwei identischen Pentapeptiden zusammen; vier intramolekulare Wasserstoffbrücken stabilisieren seine Konformation. Bei der enzymatischen Biosynthese des Gramicidin S erfolgt eine Cyclisierung aus den zwei identischen, antiparallel angeordneten Pentapeptiden, die bereits durch Wasserstoffbrücken konformativ fixiert sind. R
 
 O H2N CH
 
 H
 
 N O
 
 H
 
 R
 
 R
 
 O
 
 N
 
 H N
 
 N R
 
 O
 
 H
 
 CH CO 2H
 
 frei beweglich
 
 L-Val
 
 biosynthetische Cyclisierung
 
 R
 
 L-Orn
 
 L-Leu D-Phe
 
 L-Pro
 
 frei beweglich
 
 R HO 2C CH
 
 H
 
 O
 
 R
 
 N
 
 N H
 
 N O
 
 R
 
 H
 
 R
 
 N
 
 CH NH 2
 
 O
 
 H
 
 L- Pro
 
 D-Phe L-Leu
 
 L-Val
 
 Gramicidin-S
 
 O
 
 R
 
 L-Orn
 
 Das tricyclische Glycoheptapeptid Vancomycin aus dem Strahlenpilz Amycolatopsis orientalis mit fünf aromatischen Aminosäuren (A-E), L-Asparagin und N-Methyl-D-leucin sowie einem als Phenol-Glycosid verknüpften Disaccharid aus D-Glucose und Vancosamin wird als Notfall-Antibiotikum gegen Staphylokokken und weitere Gram-positive Bakterien eingesetzt, wenn andere Antibiotika wegen Resistenzentwicklung versagen. Vancomycin bindet reversibel an die Sequenz -Lys-D-Ala-D-Ala- des Peptidoglycans der Zellwand und stoppt infolgedessen das Wachstum der Bakterien. O
 
 Zucker
 
 O D
 
 H
 
 H CO2
 
 N
 
 HO
 
 38.7.3
 
 OH OH
 
 O O
 
 O
 
 H N
 
 N O
 
 B A
 
 O
 
 N
 
 N
 
 HO HO HO
 
 E
 
 Cl H
 
 O O
 
 D-Glucose
 
 O
 
 C
 
 HO
 
 Zucker =
 
 Cl
 
 H O
 
 N O
 
 H
 
 CH3 N H H
 
 Vancosamin
 
 H3C HO
 
 CH3 O NH2
 
 NH2
 
 Vancomycin
 
 Peptidtoxine
 
 Manche Schlangen, Unken, Skorpione und Insekten, ferner Pilze und Pflanzen produzieren Giftstoffe mit Peptid-Struktur und letaler Wirkung im Bereich von wenigen mg / kg Körpergewicht. Bis auf das Knollenblätterpilzgift sind sie oral unwirksam, da sie rasch hydrolysiert werden. Die aus Schlangengift isolierbaren Toxine sind Proteine mit neurotoxischer (Lähmung, Krämpfe, Blockierung des Atemzentrums) und cardiotoxischer Wirksamkeit (Kreislauf). Die komplexen Protein-Gemische entfalten zusätzlich hämolytische und enzymatische Aktivität. Auffallend ist ein hoher Vernetzungsgrad der Proteinketten über Disulfidbrücken. Aus dem grünen Knollenblätterpilz wurden von TH. WIELAND strukturell nahe verwandte bicyclische Peptidtoxine isoliert: Phallotoxine und Amatoxine. Die Giftwirkungen, z. B. der Toxinkomponenten Phalloidin und α-Amanitin, beginnen mit der Zerstörung des endoplasmatischen Reticulums der Leber (LD50 : 0.5 - 2 mg / kg Maus). Besonders interessant ist der ebenfalls im
 
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 38.8
 
 Proteine
 
 835
 
 grünen Knollenblätterpilz gefundene Peptidwirkstoff Antamanid. Dieses cyclische Decapeptid kann bei gleichzeitiger (!) Verabreichung die letale Wirkung von Phalloidin und α-Amanitin aufheben. Antamanid komplexiert auch Natrium-Ionen. CH 2OH CH 3 HC
 
 CO
 
 NH
 
 CO
 
 NH
 
 CH 2
 
 NH
 
 HO
 
 CH
 
 CO
 
 S
 
 CH
 
 CH 2
 
 N H
 
 CH 2OH
 
 HO CH
 
 CH2 C CH 3
 
 H3C CH
 
 CH
 
 OH
 
 HC
 
 CO
 
 NH
 
 NH
 
 CO
 
 CH CH 3
 
 N OC CH HN OC CH HN OC
 
 HO
 
 CO
 
 NH
 
 Phalloidin
 
 CO
 
 NH
 
 O S
 
 CH N
 
 CH 2
 
 OH CO
 
 H 2C
 
 NH CH 3
 
 NH
 
 CH CH C 2H 5 CO
 
 CH 2
 
 HO CH CH 3
 
 CH
 
 NH
 
 OC CH HN OC CH HN
 
 OC CH 2
 
 CH 2 CONH 2
 
 α-Amanitin
 
 L-Pro − L-Phe − L-Phe − L-Val − L-Pro L-Pro − L-Phe − L-Phe − L-Ala − L-Pro Antamanid
 
 Aus dem Bienengift sind neben Enzymen wie Hyaluronidase und Phospholipase B mehrere toxische Peptide isolierbar, darunter Melittin, ein helikales, amphiphiles und hämolytisch wirkendes Hexacosapeptid, Apamin, ein neurotoxisch wirkendes Octadecapeptid mit zwei Disulfid-Brücken sowie das Mastzellen degranulierende Peptid (MCD-Peptid). Melittin H − Gly − Ile − Gly − Ala − Val − Leu − Ly s − Val − Leu − Thr − Thr − Gly − Leu − Pro − Ala − Leu − Ile − Ser − Trp − Ile − Ly s − Arg − Ly s − Arg − Gln − Gln − NH 2 Apamin
 
 S
 
 S
 
 H − Cy s − Asn − Cy s − Ly s − Ala − Pro − Glu − Thr − Ala − Leu − Cy s − Ala − Arg − Arg − Cy s − Gln − Gln − His − NH 2 S S MCD-Peptid
 
 S
 
 S
 
 H − Ile − Ly s − Cy s − Asn − Cy s − Ly s − Arg − His − Val − Ile − Ly s − Pro − His − Ile − Cy s − Arg − Ly s − Ile − Cy s − Gly − Ly s − Asn − NH 2 S
 
 S
 
 38.8 Proteine 38.8.1
 
 Klassifizierung und Funktion von Proteinen
 
 Die herkömmliche Klassifizierung der Proteine anhand ihrer Löslichkeit und aufgrund ihrer zusätzlichen Strukturkomponenten hat sich bewährt, da sich die meisten Proteine damit einordnen und grob charakterisieren lassen (Tab. 38.7). Diese Klassifizierung sagt allerdings wenig über die biologische Funktion aus. Eine weiterführende Klassifizierung müßte Strukturmerkmale wie Molekülmasse, Aminosäuren-Zusammensetzung, Sekundärstruktur unter Einbeziehung der Funktion berücksichtigen (Gerüstproteine, Membranproteine, Enzyme, Antikörper, Hormone, Rezeptoren).
 
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 836
 
 38 Peptide und Proteine Tab. 38.7. Einteilung der Proteine Nichtkonjugierte Proteine : enthalten nur Aminosäuren werden klassifiziert nach Löslichkeit
 
 Konjugierte Proteine (Konjugate) : enthalten außer der Peptidkette z. B. Lipid, Kohlenhydrat , Heterocyclus
 
 Albumine : wasserlöslich Globuline : löslich in verd. Salzlösung Prolamine : unlöslich in Wasser, löslich in 50 % Ethanol Gluteline : nur in Säuren und Basen löslich Scleroproteine : unlöslich Protamine : reagieren basisch (enthalten viel Arg) Histone : reagieren basisch
 
 Nucleoproteine : Komplexe aus Nucleinsäuren und Protamine oder Histonen Lipoproteine : enthalten kovalent gebundene Lipide Glycoproteine : enthalten Kohlenhydrate Chromoproteine : enthalten Chromophore Metalloproteine : enthalten komplexierte Übergangsmetall-Kationen
 
 Enzyme werden nach den sechs Reaktionstypen, die sie katalysieren, klassifiziert (Tab. 38.8). Die Funktion eines Enzyms läßt sich aus seinem systematischen dreiteiligen Namen ablesen. Dieser enthält im ersten Teil die Substratbezeichnung, im zweiten Teil das Cosubstrat oder die neue Verbindung und im dritten Teil die katalysierte Reaktion. So ist z. B. das Polysaccaride spaltende Lysozym eine N-Acetylmuramid : Glucano-Hydrolase (Kap. 38.8.2), und eine peptidspaltende Exopeptidase wäre eine Peptid : Aminosäure-Hydrolase. Tab. 38.8. Enzyme und durch diese katalysierte Reaktionen Enzym
 
 Katalysierte Reaktion
 
 Oxidoreduktasen (Oxidasen, Reduktasen, Dehydrogenasen) Transferasen
 
 Redox-Reaktionen mit Coenzymen
 
 Hydrolasen Lyasen Isomerasen Ligasen (Synthetasen)
 
 38.8.2
 
 Gruppenübertragung von Donor auf Akzeptor, z. B. Transaminierung (Transaminasen), Transphosphorylierung (Kinasen) Hydrolyse von Estern (Esterasen), Peptiden (Peptidasen), Proteinen (Proteasen), Glycosiden (Glycosidasen) Addition an Doppelbindungen und Eliminierungen (Decarboxylasen, Dehydratasen) Intramolekulare Umlagerungen (Racemasen, Epimerasen) Bildung von CO- , CN- , CC-Bindungen durch Kondensation unter Mitwirkung des Energielieferanten ATP
 
 Enzymaktivitätsbestimmung
 
 Konzentration und Aktivität von Enzymen werden in biologischen Proben mit Hilfe empfindlicher, schneller und parallel durchführbarer Enzym-Reaktionen (Assays) über chromogene (farberzeugende) oder luminogene (lichtemittierende) Enzymsubstrate bestimmt. So spaltet das Enzym Luciferase die Protease Calpain unter Freisetzung von Aminoluciferin. Dabei wird der Peptidteil vom Substrat Succinyl-Leu-Leu-Val-Tyr-Aminoluciferin abgetrennt. Das freigesetzte Aminoluciferin reagiert sofort mit Luciferase unter Emission von Licht (Biolumineszenz, Kap. 29.7). Die gemessene Lichtintensität ist proportional zur Konzentration der Protease.
 
 Suc-LLVY
 
 N
 
 N
 
 N
 
 S
 
 S
 
 CO2H
 
 Protease Calpain
 
 H Suc-LLVY = HO2C −CH 2−CH2−CO−Leu−Leu−Val−Ty r
 
 H 2N
 
 N
 
 N
 
 S
 
 S
 
 Aminoluciferin
 
 CO2H
 
 + O2 + ATP
 
 Luciferase , Mg2+ − AMP , − H 4P2O7
 
 Lichtemission
 
 H 2N
 
 N
 
 N
 
 S
 
 S
 
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 O
 
 38.8
 
 Proteine
 
 837
 
 Oft wird die Protease-Aktivität durch Fluoreszenz-Resonanz-Energie-Transfer (FRET) von Peptid-Substraten gemessen, die an den Enden zwei Fluorophore FA und FB mit gegenseitiger Fluoreszenzlöschung tragen (z. B. FA-Lys-Glu-Val-Tyr-Gly-Met-Met-Lys-FB). Die Fluorophore entfernen sich nach enzymatischer Spaltung des verbindenden Peptids (Proteolyse), und ihre dann auftretende Fluoreszenz kann mit dem Fluorimeter quantitativ gemessen werden.
 
 38.8.3
 
 Struktur der Proteine Myoglobin und Hämoglobin
 
 Die RÖNTGEN-Strukturanalysen der Proteine Myoglobin, Hämoglobin, Cytochrom C sowie vieler Enzyme wie Lysozym, Ribonuclease A und S, α-Chymotrypsin, Papain und Carboxypeptidase A liefern Aussagen zur Erklärung der Funktion dieser Proteine bzw. der katalytischen Wirkung der Enzyme. Pottwal-Myoglobin mit 153 Aminosäuren war das erste Protein, dessen Struktur bestimmt wurde (KENDREW und PERUTZ, 1959). Es fungiert als Sauerstoff-Speicherprotein im Muskel und benutzt dazu eine Häm-Gruppe (Kap. 35.7.6). "Häm" ist eine prosthetische Gruppe (nichtpeptidische Strukturkomponente), die Sauerstoff unter Mitwirkung des Peptidteils reversibel binden kann. Myoglobin hat die kastenförmigen Dimensionen 4.4 x 4.4 x 2.5 nm; seine Sekundärstruktur liegt zu über 70 % in Form von acht α-Helices vor (Abb. 38.20). Die Faltung der Peptidketten im Raum (Myoglobin, Abb. 38.20, Hämoglobin, Abb. 38.21) führt zur Tertiärstruktur des Proteins. Manche Proteine wie Hämoglobin, der Sauerstoff-Träger in den roten Blutkörperchen, aggregieren zu größeren Einheiten. Diese Aggregate aus Oligomeren − bei Hämoglobin ist es ein Tetramer − bezeichnet man als Quartärstruktur eines Proteins (Abb. 38.21).
 
 a
 
 b
 
 Abb. 38.20. Faltung der Peptidkette des Myoglobins aus acht α-Helices; die Ansicht (a) und besser der vergrößerte Ausschnitt (b) zeigen die koordinative Bindung des Häms an das Imidazol-Stickstoff-Atom des proximalen Histidins (grüne Helix links); an die freie Koordinationsstelle des Eisen (II)-Ions bindet das O2-Molekül bei der Oxygenierung, die durch das distale Histidin (grüne Helix rechts) kontrolliert wird [nach F. YANG, G.N. PHILLIPS Jr, J. Mol. Biol (1996) 256, 762-774]
 
 Strukturmerkmale des Myoglobins charakterisieren auch andere globuläre Proteine: Polare Seitenketten der Aminosäuren befinden sich auf der Oberfläche. Nichtpolare Seitenketten sind im Innern des Proteins und nicht dem Wasser ausgesetzt. Es ist ein sehr kompaktes Molekül mit sehr wenig Wassermolekülen im Innern. Prolin-Reste und andere nicht helikogene (helixbildende) Aminosäuren kommen überwiegend an Knickstellen (β-Turns oder β-Bends) vor, welche die α-Helices und β-Faltblätter unterbrechen.
 
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 838
 
 38 Peptide und Proteine
 
 Sowohl beim Myoglobin als auch beim Hämoglobin haben die Peptidketten die Funktion, optimale Voraussetzungen für die sauerstoffbindende Funktion der Proteine zu schaffen. Die hydrophobe Tasche, in der die Häm-Gruppe (Kap. 35.7.6) sitzt, erlaubt reversible Oxygenierungen des Häms, ohne daß dieses wie in wäßriger Umgebung sofort zum Hämin oxidiert. Das Imidazol-Imino-NAtom des proximalen Histidins koordiniert hierzu das Eisen(II)-Ion des Häms (Abb. 38.20).
 
 86
 
 92
 
 A
 
 T
 
 L
 
 S
 
 E
 
 L
 
 H
 
 95
 
 C
 
 D
 
 K
 
 - Ala - Thr - Leu - Ser - Glu - Leu - His - Cys - Asp - Lys -
 
 NH 2 CH 2 CH 2
 
 OH
 
 CH 3
 
 CH(CH3)2
 
 SH
 
 CH 2
 
 H
 
 O
 
 CH OH H
 
 O
 
 CH 2
 
 H
 
 O
 
 CH2
 
 H
 
 O
 
 CH2
 
 H
 
 O
 
 CH 2
 
 N
 
 C
 
 CH
 
 C
 
 CH
 
 N
 
 C
 
 CH
 
 N
 
 C
 
 CH
 
 N
 
 C
 
 CH
 
 N
 
 CH
 
 N
 
 C
 
 CH
 
 N
 
 C
 
 CH
 
 N
 
 C
 
 CH
 
 N
 
 C
 
 CH
 
 N
 
 C
 
 CH 3
 
 H
 
 O
 
 CH 2
 
 H
 
 O
 
 CH 2
 
 H
 
 O
 
 CH2
 
 H
 
 O
 
 CH 2
 
 H
 
 O
 
 CH 2
 
 CH(CH 3)2
 
 CO2H
 
 NH
 
 CO2H
 
 N
 
 a
 
 c
 
 b
 
 d
 
 Abb. 38.21. Illustration der Begriffe Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärstruktur am Hämoglobin: (a) Primärstruktur-Ausschnitt (Aminosäure-Sequenz 86-95 mit dem proximalen Histidin); (b) Sekundärstruktur (Konformation des α-Helix-Segments der Aminosäuren 86-95); (c) Tertiärstruktur (Faltung des Proteins aus acht Helix-Segmenten); (d) Quartärstruktur (Tetramer mit verschiedenen Farben der Monomeren)
 
 Wechselwirkungen, welche die Konformation und Tertiärstruktur von Proteinen prägen, sind bereits in der Primärstruktur (und damit im genetischen Code auf DNA-Ebene, Genom) festgeschrieben und führen zu einer funktionsgerechten Anordnung der Ketten. Wasserstoffbrückenbindungen stabilisieren die Konformation von Peptidsegmenten (Protein-Teilstücke mit ausgeprägten Sekundärstrukturen wie α- und β-Konformation, Abb. 38.5 und 38.8).
 
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 38.8
 
 Proteine
 
 839
 
 Wasserstoffbrücken bilden sich außerdem zwischen polaren Seitengruppen aus. Sie sind besonders stabil, wenn sie sich in nicht-wäßriger Umgebung im Innern des Proteins befinden. VAN DER WAALS-Kräfte zwischen nicht kovalent miteinander verbundenen Atomen verursachen im Innern von Proteinen starke Wechselwirkungen zwischen apolaren Seitengruppen im Abstand von etwa 0.3 nm. Aliphatische Gruppen (z. B. von Leu, Ile, Val) finden sich häufig dicht gepackt im wasserarmen Innern der Proteine; dort wird außerdem die Faltung durch hydrophobe π-πWechselwirkung benzoider Ringe (Phe, Tyr, Trp) stabilisiert. Elektrostatische Wechselwirkungen zwischen geladenen Gruppen besitzen große Reichweiten. Die ionischen Carboxylat-, Ammonium- und Guanidinium-Gruppen liegen selten im hydrophoben Innern eines Proteins, sondern in dessen hydrophiler Hülle. Ladungsänderungen infolge der Phosphorylierung von Tyr, Thr oder Ser durch Kinasen bewirken Änderungen der Konformation und Funktion von Proteinen. Disulfid-Brücken des Cystins finden sich als kovalente Verknüpfung meist im Innern der Proteine. Ihr Einfluß auf die Konformation ist gering. Diese zusätzliche Stabilisierung des Proteingerüsts wird nicht bei Myoglobin, sondern vorwiegend bei den extrazellulären Plasmaproteinen oder Enzymen des Magen- und Darmtraktes benötigt. Von großer Bedeutung für die Ausprägung der Konformation und Faltung eines Proteins ist die Wechselwirkung des Proteins mit dem umgebenden Wasser. Auch Proteinkristalle enthalten oft bis zu 30 % Wasser. Somit muß eine relativ starke Hydrathülle um die hydrophilen Gruppen vorhanden sein, die ihrerseits wieder hydrophobe Gruppen zusammendrängt. Als treibende Kraft dieser Wasser/Protein-Wechselwirkungen wird die Zunahme der freien Energie angesehen, die beim Übertritt einer apolaren Seitenkette aus dem Wasser in das Proteininnere auftritt ("hydrophober Kollaps"). Dabei werden ca. 20 kJ/mol überwiegend als Entropiezunahme frei. Insgesamt wird bei einer globulären Auffaltung von Peptidketten deren Oberfläche erheblich kleiner. Damit vermindert sich der Ordnungsgrad des Solvens; vorher geordnete (Nahordnung durch fixierte Cluster) und solvatisierende Wassermoleküle werden von der Peptidkette abgedrängt.
 
 38.8.4
 
 Enzym-Substrat-Wechselwirkung
 
 Vergleicht man Myoglobin mit Enzymen, so fällt deren geringerer α-Helix- (< 30 %) und größerer β-Konformationsanteil auf. Ferner besitzen Enzyme eine Furche oder Vertiefung, in welche Substratmoleküle wie maßgeschneidert hineinpassen. Die Funktion der Enzyme beruht somit auf der Überführung des Substrats in eine relativ unpolare Umgebung, in der sehr spezifische Reaktionen durch wenige funktionelle Gruppen ermöglicht werden. Dabei bildet sich intermediär ein EnzymSubstrat-Komplex. Enzym + Substrat
 
 Enzym-Substrat-Komplex
 
 Enzym + Produkt
 
 Die räumliche Anordnung des Substrats in der Furche des Enzyms ("aktive Seite") konnte in vielen Fällen aufgeklärt werden. Substratanaloge Verbindungen (Inhibitoren), die sich mit relativ hoher Bindungskonstante an die aktive Seite anlagern, erlaubten die Darstellung kristalliner Inhibitor-Enzymkomplexe, deren RÖNTGEN-Strukturen untersucht wurden. Sowohl bei der Bindung des Substrats, der Reaktion und der Produktablösung treten partielle Konformationsänderungen der Peptidketten auf (Allosterie, "induced fit"). Pro Enzymmolekül und pro Minute können bis zu 106 Substratmoleküle umgesetzt werden (Beispiel: Katalase). Normalerweise liegt diese Wechselzahl (turnover number) jedoch bei 103 bis 104.
 
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 840
 
 38 Peptide und Proteine
 
 Abb. 38.22 zeigt exemplarisch die Wirkungsweise des Polysaccharide spaltenden Enzyms Lysozym aus Hühnereiweiß im Enzym-Substrat-Komplex. Da Kristalle und somit RÖNTGEN-Strukturen aktiver Enzym-Substrat-Komplexe nicht machbar sind, wird ein durch Mutation inaktiviertes Lysozym verwendet, ein übliches Vorgehen, das die Aussagekraft der Struktur nicht mindert. Man erkennt in der Proteinstruktur deutlich die Furche zur Aufnahme des Substrats, z. B. eines Tetrasaccharids aus dem Baustein N-Acetylglucosamin (abgekürzt GlcNAc mit den Ringen A-D, Abb. 38.22). Lysozym spaltet die β-glycosidischen Bindungen (Kap. 40.4.4) zwischen den PyranoseRingen von Polysacchariden (GlcNAc)n. O H 3C
 
 CH 2OH OH
 
 O
 
 HO HO
 
 HO
 
 NH NH
 
 NH
 
 CH2OH O
 
 OH
 
 COCH 3
 
 H 3C
 
 OH COCH3
 
 HO HO HO
 
 A
 
 O
 
 HO O HO
 
 O B
 
 NH H3C
 
 N-Acetylglucosamin (GlcNAc) (2-N-Acetylamino-2-deoxy-β-D-glucopyranose)
 
 HO O HO
 
 C
 
 O Spaltung durch Lysozym OH NH O O D HO OH O NH H 3C
 
 O Tetrasaccharid (GlcNAc) 4
 
 O
 
 a
 
 b
 
 c
 
 d
 
 Abb. 38.22. Bindung eines Tetrasaccharids (GlcNAc)4 im Substrat-Komplex des Lysozyms: (a) Enzym ohne Substrat; (b) Enzym mit Substrat, Seitenansicht der Kerbe mit Substrat; (c) Enzym mit Substrat von oben (blau: random coil, gelb: α-Helix; grün: β-Faltblatt); (d) Oberflächendarstellung der Ansicht c des Lysozyms mit StabModell des Substrats [nach A.T. HADFIELD et al., J. Mol. Biol. (1994) 243, 856-872]
 
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 38.8
 
 Proteine
 
 841
 
 Die Art der Wechselwirkungen bei der Substratbindung beruht vorwiegend auf Wasserstoffbrücken. Das Substrat wird "in die Zange genommen" und von dem kompakten Enzym zerlegt. Für die Bindung des Polysaccharids und die katalytische Wirkung wesentlich sind insbesondere die Seitenketten von Asp52 und Glu35. Die enzymkatalysierte Hydrolyse der glycosidischen Bindung zweier Pyranose-Ringe (Abb. 38.23) wird durch die γ-Carboxy-Gruppe von Glu35 induziert (a), indem sie das BrückenSauerstoff-Atom protoniert. Die protonierte und damit geschwächte glycosidische C−O-Bindung öffnet sich unter Bildung des Carboxonium-Ions an Ring D (Halbsessel-Konformer), das durch die benachbarte Carboxylat-Gruppe von Asp52 stabilisiert wird (b). Eine besondere Fixierung des Substrats erniedrigt die Aktivierungsenergie für diesen Schritt. Das Proton von Glu35-γ-COOH wird durch ein Wasserproton ersetzt, und das Hydroxid-Anion greift das Carboxonium-Ion an (b→c). Das in Nasenschleim, Speichel und Tränen vorkommende Lysozym kann durch diese Katalyse die Auflösung (Lyse von griech. λψσιζ = Auflösung, Lösung) der MucopolysaccharidStrukturen in der Zellwand von Bakterien herbeiführen, also antibakteriell bei Infektionen wirken. Asp52
 
 Asp52
 
 O C
 
 HO O
 
 Asp52
 
 O C
 
 O
 
 HO O
 
 H
 
 O C
 
 O
 
 HO O
 
 H D
 
 D H
 
 O
 
 D O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 H
 
 H O
 
 C
 
 O H
 
 OH
 
 Glu35
 
 O O
 
 H
 
 OH H O
 
 C
 
 OH
 
 Glu35
 
 O
 
 O
 
 C
 
 O
 
 O
 
 a
 
 b
 
 Glu35
 
 OH O
 
 c
 
 Abb. 38.23. Reaktionsfolge bei der Spaltung einer Polysaccharid-Bindung [zweier β-(1→ 4)-verknüpfter Pyranose-Ringe] durch Lysozym
 
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 842
 
 39 Alkaloide
 
 39 Alkaloide 39.1 Herkunft und Gewinnung der Alkaloide Als Alkaloide werden etwa 20 000 stickstoffhaltige Verbindungen pflanzlicher, seltener tierischer Herkunft bezeichnet, die häufig alkalisch reagieren, bereits in kleinen Dosen pharmakologisch vielseitig wirksam sind und teilweise als Rausch-, Betäubungs- und Genußmittel Anwendung finden. Diese Wirkungen beruhen u. a. auf der Besetzung von Bindungsstellen der Rezeptoren natürlicher Hormone oder der die Nervenreize weiterleitenden Ionenkanäle. Der Begriff "Alkaloide" steht für alkaliähnlich (von arabisch al qualja = Pflanzenasche und griechisch ειδοζ = Ähnlichkeit, Aussehen, Form). Dennoch reagieren keineswegs alle Alkaloide alkalisch, und nicht alle stickstoffhaltigen, teilweise basischen Naturstoffe, z. B. Purine, Pyrimidine, Aminosäuren, Peptide, Aminozucker sowie Antibiotika, gehören zu dieser Naturstoffklasse. Spezielle Peptide (Peptidalkaloide), einige Polyamine und mehrere Phenylethylamin-Derivate werden aufgrund ihrer berauschenden bis betäubenden Wirkung den Alkaloiden zugeordnet. Jedoch enthalten nicht alle Rausch- und Betäubungsmittel Stickstoff; Ethanol (Kap. 15.4.2) und die Tetrahydrocannabinole (Kap. 43.2.1) sind Beispiele. Die meisten Alkaloide enthalten einen Heterocyclus als Grundskelett. Man spricht von heterocyclischen Alkaloiden und unterteilt sie nach ihren Stammheterocyclen. Eine kleinere Gruppe bilden acyclische Amine, zu denen z. B. die Phenylethylamine gehören. Weitere durch ihr KohlenstoffGerüst ausgewiesene Klassen sind die Polyamin-, Peptid-, Diterpen- und Steroid-Alkaloide. Basische Alkaloide kommen in den Pflanzen selten als Glycoside, meist als Salze vor. Beteiligte Säuren sind häufig Essig-, Oxal-, Milch-, Äpfel-, Wein-, Citronen-, Aconit- und Chinasäure: CO2H HO C H CH2 CO2H
 
 CO2H CH 2 HO C CO2H CH 2 CO2H
 
 L-(−)-Äpfelsäure
 
 Citronensäure
 
 H HO2C
 
 C C
 
 CO2H CH 2 CO2H
 
 Aconitsäure
 
 HO HO
 
 CO2H OH
 
 OH
 
 Chinasäure
 
 Manche Alkaloide sind als Inhaltsstoffe für bestimmte Pflanzenfamilien so typisch, daß sie sich als Bestimmungskriterien in der systematischen Botanik eignen (Chemotaxonomie der Pflanzen). Zur Isolierung der Alkaloide werden die getrockneten Pflanzenteile (Blätter, Stiele, Rinde, Wurzeln, Samen) meist mit Methanol extrahiert. Der Methanol-Extrakt wird konzentriert. Das Konzentrat versetzt man mit einem Überschuß an wäßriger Säure. Aus der wäßrig sauren Lösung werden nicht basische organische Verbindungen durch Ether-Extraktion entfernt. Die verbleibende wäßrige Phase wird bis zur deutlich alkalischen Reaktion mit Natronlauge versetzt. Manchmal kristallisieren dabei die Alkaloide aus. Meistens muß man jedoch mit Chloroform oder Methylenchlorid extrahieren und den so erhaltenen Extrakt eindampfen. Die Auftrennung und Reinigung des Eindampf-Rückstandes erfolgt durch Gas-, Dünnschicht-, Säulen- sowie Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatographie (HPLC). Die direkte Detektion von Alkaloiden in Pflanzenextrakten gelingt durch Kombination von HPLC und Massenspektrometrie.
 
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 39.2
 
 Übersicht heterocyclischer Alkaloide
 
 843
 
 39.2 Übersicht heterocyclischer Alkaloide 39.2.1
 
 Pyrrolidin-, Piperidin- und Pyridin-Alkaloide
 
 Einfache Derivate des Pyrrolidins kommen in Form des 3-Methoxyzimtsäureamids im schwarzen Pfeffer (Piper nigrum), sowie als Hygrin in den Blättern des Cocastrauches (Erythroxylon coca) vor. Inhaltsstoff des früher als Mesembryanthemum bezeichneten Eiskrautgewächses Sceletium tortuosum, das im Südwesten Afrikas zur Zubereitung der halluzinogenen Droge Channa verwendet wird, ist das bicyclische Pyrrolidin-Alkaloid Mesembrin. OCH 3 OCH 3
 
 O H
 
 N
 
 OCH3
 
 O
 
 CH3
 
 N CH3
 
 N H3C H
 
 H 3-Methoxyzimtsäurepyrrolid
 
 (+)-Hygrin
 
 O
 
 (−)-Mesembrin
 
 (+)-Coniin [(S)-(+)-2-Propylpiperidin] als einfachstes Piperidin-Alkaloid ist der infolge zentraler Atemlähmung zum Tod führende Inhaltsstoff des Schierlings (Conium maculatum). (−)-Lobelin, ein Derivat des Ν-Methylpiperidins, wird aus Lobelia inflata isoliert und zur Atemanregung sowie Tabakentwöhnung verwendet. Piperin, das Hauptalkaloid und zugleich der scharfe Geschmackstoff des schwarzen Pfeffers (Piper nigrum), ist das Piperidid der Piperinsäure. OH
 
 O N
 
 N
 
 N
 
 H
 
 CH 3
 
 (+)-Coniin
 
 O
 
 O Piperin
 
 (−)-Lobelin
 
 O
 
 Nicotin und Anabasin sind die bekanntesten Pyridin-Alkaloide. Beide kommen in den Blättern und Wurzeln des Tabaks (Nicotiana tabacum) vor. Das linksdrehende (−)-Nicotin regt das Nervensystem an und steigert den Blutdruck; die für den Menschen tödliche Dosis liegt bei 100 mg. In großem Maßstab wird es aus Tabakabfällen isoliert und wie Anabasin zur Schädlingsbekämpfung verwendet. Das dem Nicotin und Anabasin ähnliche Epibatidin aus dem in Ecuador lebenden Giftfrosch Epipedobates tricolor wirkt viel stärker schmerzbetäubend als Morphin (Kap. 39.2.5). Der als Arecolin bezeichnete N-Methyltetrahydronicotinsäuremethylester ist Inhaltsstoff der Betelnuß Areca catechu. Ricinusöl aus Ricinus communis enthält N-Methylpyridone wie Ricinin. CO2CH 3
 
 NH N CH3
 
 N (−)-Nicotin
 
 39.2.2
 
 N N
 
 H
 
 (−)-Anabasin
 
 H Cl
 
 N (−)-Epibatidin
 
 OCH 3 CN
 
 N
 
 N
 
 CH 3
 
 CH3
 
 Arecolin
 
 Ricinin
 
 O
 
 Tropan-Alkaloide
 
 Tropan-Alkaloide sind Derivate des 8-Methyl-8-azabicyclo[3.2.1]octans (Tropan) und kommen als Inhaltsstoffe einiger Erythroxylum-Arten und Solanaceen vor. Man unterteilt sie in die Atropin-
 
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 844
 
 39 Alkaloide
 
 und Cocain-Gruppe. Die Bausteine der Atropin-Derivate sind Tropin (Tropan-3α-ol) und Tropasäure. H 3C N
 
 H3CN
 
 H 3C N
 
 H 3C N
 
 HO2C CH
 
 H
 
 OH
 
 OH Tropan
 
 CH 2OH
 
 H
 
 Tropan-3α-ol
 
 (R,S)-Tropasäure
 
 Tropan-3β -ol
 
 Atropin, das Alkaloid der Tollkirsche (Atropa belladonna), ist der Ester aus Tropin und racemischer Tropasäure. In (−)-Hyoscyamin aus Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) ist dagegen das (S)-(−)Enantiomer der Tropasäure mit Tropin verestert. Im Scopolamin (aus Scopolia-Arten) erweitert ein in 6,7-Stellung angeknüpfter Oxiran-Ring das Tropin-System des Atropins zum Heterobicyclus. Atropin wurde in der Augenheilkunde zur Pupillenerweiterung, Scopolamin wird als Beruhigungsmittel und Narkotikum verwendet. H 3C N
 
 H 3C N H O
 
 CH 2OH
 
 Atropin
 
 Scopolamin
 
 H
 
 O O
 
 O
 
 CH2OH
 
 O
 
 Ein Derivat des Tropan-3β-ols ist das als (−)-Cocain wohlbekannte (2R,3S)-2β-Methoxycarbonyl3β-benzoyloxytropan. Als Hauptkomponente des Alkaloid-Gemisches der Blätter des Cocastrauches Erythroxylon coca kommt es als Hydrochlorid in den Drogenhandel. (−)-Cocain wirkt als Lokalanästhetikum und (illegales) Rauschmittel mit hohem Suchtpotential. Seine Hydrolyse liefert Ecgonin (3β-Hydroxytropan-2β-carbonsäure), Methanol und Benzoesäure: CO2CH 3
 
 H3C N
 
 + 2 H2O (OH )
 
 O H
 
 OH
 
 +
 
 CH3OH
 
 +
 
 HO2C
 
 H
 
 O
 
 (−)-Cocain
 
 39.2.3
 
 CO2H
 
 H3C N
 
 −
 
 (−)-Ecgonin
 
 Pyrrolizidin-, Indolizidin- und Chinolizidin-Alkaloide
 
 Als teilweise krebserregende Naturstoffe verdienen die Pyrrolizidin-Alkaloide besondere Beachtung. Sie kommen in Asteraceen, Leguminosen, Boraginaceen und Orchideen vor. Substituierte Pyrrolizidine wie (−)-Tussilagin aus dem Huflattich Tussilago farfara treten selten auf. Viel häufiger sind Ester verschiedener 2-Hydroxymethylpyrrolizidine. Eines dieser Esteralkaloide ist Phalaenopsin aus der Orchidee Phalaenopsis amabilis, der Ester aus (−)-Trachelanthamidin und (R)2-Hydroxy-2-benzylbutandisäure. HO
 
 H N Pyrrolizidin
 
 N
 
 CO2CH 3 OH CH3
 
 (−)-Tussilagin
 
 H
 
 OH
 
 N (−)-Trachelanthamidin
 
 O
 
 HO2C CO2H (R)-2-Hydroxy-2benzylbutandisäure
 
 H
 
 HO
 
 O
 
 CO2CH3
 
 N Phalaenopsin
 
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 39.2
 
 Übersicht heterocyclischer Alkaloide
 
 845
 
 Einige Indolizidin-Alkaloide wurden bekannt, weil sie das Tumorwachstum hemmen. Beispiele sind Slaframin und Swainsonin, Metaboliten des phytopathogenen Pilzes Rhizoctonia leguminicola, sowie das zu den Hauptalkaloiden des Baumes Tylophora crebriflora gehörende Tylocebrin. OCH3
 
 O H N
 
 O C CH3
 
 H3CO
 
 OH
 
 H
 
 H OH
 
 N
 
 N
 
 Slaframin
 
 (−)-Swainsonin
 
 H2N
 
 Indolizidin
 
 HO
 
 H3CO
 
 N
 
 H3CO
 
 (−)-Tylocebrin
 
 Chinolizidin-Alkaloide sind toxische Inhaltsstoffe zahlreicher Leguminosen. Hierzu gehört (−)Lupinin aus der Lupine und das ähnlich wie Nicotin wirkende Cytisin aus dem früher als Cytisus laburnum bezeichneten Goldregen Laburnum anagyroides. OH
 
 N OH
 
 Chinolizidin
 
 38.2.4
 
 NH
 
 N
 
 N
 
 N
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 O
 
 (−)-Lupinin
 
 (−)-Cytisin
 
 Indol-Alkaloide
 
 Es gibt mehr als 3 000 Indol-Alkaloide. Sie leiten sich vom Indol und dessen teilhydrierten, hydroxylierten, benzo- und pyridokondensierten Derivaten ab. Zu den wichtigsten Indol-Alkaloiden gehören Tryptamine, β-Carboline und deren Tetrahydro-Derivate sowie die Ergoline. Tryptamine Von der Aminosäure Tryptophan über deren Decarboxylierungsprodukt Tryptamin stammen die als Tryptamine bezeichneten Indol-Alkaloide ab. Die 4-Hydroxytryptamin-Derivate Psilocin und dessen Phosphorsäureester Psilocybin sind die halluzinogenen Inhaltsstoffe des mexikanischen Zauberpilzes Psilocybe mexicana. Das als Serotonin bezeichnete 5-Hydroxytryptamin ist ein in Tieren und Pflanzen ubiquitär vorkommendes Gewebshormon. Es agiert u. a. als Überträgersubstanz von Nervenreizen (Neurotransmitter), verengt die Gefäße und steigert infolgedessen den Blutdruck. Sein Derivat Melatonin reguliert bei Säugetieren den Tag-Nacht-Rhythmus. N-MethylDerivate des Serotonins wirken halluzinogen, z. B. das als Bufotenin bekannte Hautabwehrsekret der Aga-Kröte Bufo marinus. ̈
 
 O NH3
 
 NH2
 
 O2C
 
 N(CH 3)2 OH
 
 N H L-Tryptophan
 
 N
 
 HO N
 
 H Tryptamin
 
 O
 
 H Psilocin
 
 O P
 
 NH(CH 3)2
 
 H 3C C
 
 NH 2
 
 N H
 
 N(CH 3)2
 
 O H3CO
 
 HO N H Psilocybin
 
 N H Serotonin
 
 HO N
 
 N H
 
 H Melatonin
 
 Bufotenin
 
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 846
 
 39 Alkaloide
 
 Carbazole Carbazol-Alkaloide mit intakten Benzen-Ringen gehören zu den Raritäten der Pflanzeninhaltsstoffe. Beispiele sind die tumorhemmend wirkenden Pyridocarbazole Olivacin aus der Rinde von Aspidosperma olivaceum und sein Konstitutionsisomer Ellipticin aus Ochrosia elliptica in der gleichen Pflanzenfamilie (Apocynaceae). ̈
 
 H 3C
 
 H3C
 
 N
 
 N
 
 Olivacin
 
 N H
 
 Ellipticin
 
 N H
 
 CH3
 
 CH3
 
 β-Carboline ̈ Pyrido[3,4-b]indol (β-Carbolin) ist das Stammgerüst der β-Carbolin-Alkaloide. 1-Methyl-β-carbolin (Harman) findet sich in mehreren Pflanzenfamilien, z. B. in der Passionsblume. Das halluzinogen wirkende 1-Methyl-7-methoxy-β-carbolin (Harmin) und seine Dihydro-Derivate Harmalol und Harmalin sind Inhaltsstoffe der Steppenraute Peganum harmala. N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 H 3CO
 
 N
 
 CH 3
 
 H
 
 H
 
 β-Carbolin
 
 Harman
 
 N
 
 RO N
 
 CH 3
 
 H
 
 CH 3
 
 H
 
 Harmin
 
 R = H : Harmalol R = CH3 : Harmalin
 
 Polycyclische Monoterpen-Indol-Alkaloide Viele polycyclische Indol-Alkaloide setzen sich, auch biogenetisch, aus Tryptamin und einer Monoterpen-Einheit (C10, Kap. 43.2.1) zusammen. Das gilt z. B. für die Alkaloide des Brechnußbaumes Strychnos nux vomica und anderer Strychnos-Arten wie das bitter schmeckende, in geringer Dosis euphorisierende, in höherer Dosis Muskelstarre erregende (−)-Strychnin (erste Totalsynthese 1954 von WOODWARD). Sein schwächer wirkendes Dimethoxy-Derivat (−)-Brucin dient zur Trennung racemischer Säuren über diastereomere Salze (Kap. 18.7.2). ̈
 
 H
 
 R R = H : (−) - Strychnin R = OCH3 : (−) - Brucin
 
 R N
 
 Monoterpen-Teilstrukturen fett
 
 H N
 
 NH H Tetrahydroβ-carbolin
 
 H 3CO2C
 
 OH
 
 (+)-Vincamin
 
 O
 
 N N
 
 N
 
 N
 
 CH 3
 
 H
 
 N H
 
 H
 
 H
 
 H H 3CO2C
 
 (+)-Yohimbin
 
 H
 
 H H
 
 O
 
 H 3CO
 
 H 3CO H3CO N H N H
 
 OH
 
 H
 
 H H3CO2C
 
 O
 
 OCH 3
 
 O
 
 OCH 3
 
 (−)-Reserpin
 
 Zu den polycyclischen monoterpenoiden Tryptaminen zählen auch Tetrahydro-β-carboline wie (+)-Vincamin, das Hauptalkaloid des Immergrüns Vinca minor; es wirkt blutdrucksenkend, regt die cerebrale Durchblutung an und findet entsprechende Anwendung. (+)-Yohimbin, ein Alkaloid
 
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 39.2
 
 Übersicht heterocyclischer Alkaloide
 
 847
 
 des Yohimehe-Baumes Coryanthe yohimbe, wird gegen Impotenz sowie als Aphrodisiakum in der Veterinärmedizin eingesetzt. (−)-Reserpin, eines der Alkaloide des Strauches Rauwolfia serpentina, wirkt blutdrucksenkend und beruhigend, allerdings auch depressiv verstimmend, potenzstörend und krebserregend. Ergoline Das als Mutterkorn bezeichnete Dauermycel des auf Getreide (Roggen) und Gräsern schmarotzenden Schlauchpilzes Claviceps purpurea enthält etwa 30 Alkaloide mit dem tetracyclischen Ergolin-Grundskelett, das auch biogenetisch vom Tryptamin und einer Isopren-Einheit abstammt. (−)-Ergotamin und (−)-Ergobasin sind die Hauptalkaloide des Mutterkorns, die in Form der Tartrate wegen ihrer wehenfördernden Wirkung in der Geburtshilfe und als Gefäßverenger gegen Migräneanfälle Verwendung finden. Beide Wirkstoffe werden industriell aus Mutterkorn gewonnen. (−)-Ergotamin ist ein Lysergsäurecyclotripeptidamid aus Phenylalanin, Prolin und α-Hydroxyalanin. Ergobasin ist das Amid aus Lysergsäure und L-2-Amino-1-propanol (L-Alaninol). (+)-Lysergsäure bildet sich bei der Hydrolyse des (−)-Ergotamins. Das unter dem Kürzel LSD bekannte (+)-Lysergsäure-N,N-diethylamid entsteht durch Amidierung der (+)-Lysergsäure mit Diethylamin. Es ist ein bereits in sehr geringer Dosis (0.05 mg LSD-Tartrat) intensiv und lange wirkendes, die Sinne verschmelzendes Halluzinogen. ̈
 
 Phe
 
 O
 
 N N
 
 CH3
 
 HO2C
 
 H
 
 N H
 
 Ergolin (Isopren-Teilstruktur fett)
 
 39.2.5
 
 N
 
 CH 3 H
 
 N H
 
 (+)-Lysergsäure
 
 O
 
 N
 
 CH3 H
 
 N H
 
 (+)-LysergsäureN,N-diethylamid (LSD)
 
 CH2OH H H N H3C O
 
 N HO N
 
 O
 
 Pro
 
 N
 
 CH 3 H
 
 N H
 
 (−)-Ergobasin (Ergometrin)
 
 N H O H3C O
 
 H
 
 (−)-Ergotamin
 
 N
 
 CH 3 H
 
 N H
 
 Isochinolin-Alkaloide
 
 Die meisten der etwa 3 000 bekannten Isochinolin-Alkaloide leiten sich vom 1,2,3,4-Tetrahydroisochinolin ab, sind N-methyliert und enthalten Methoxy-Gruppen oder 1,3-Dioxolan-(Methylendioxy-)Ringe. Zu den wichtigsten Vertretern gehören die 1-Benzylisochinolin-, Phthalidisochinolin-, Protoberberin-, Aporphin- und Proaporphin- sowie die Morphin-Alkaloide. Rohstoff vieler Isochinolin-Alkaloide ist die Droge Opium, das an der Luft verharzte Milchsaftkonzentrat, welches durch Anritzen unreifer Kapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnen wird. 1-Benzylisochinoline ̈ Vom 1-Benzylisochinolin leiten sich die meisten Isochinolin-Alkaloide ab. Das als Papaverin bekannte 3´,4´,6,7-Tetramethoxy-1-benzylisochinolin ist z. B. ein Inhaltsstoff des Opiums (Gehalt bis zu 1 %); es wirkt gefäßerweiternd und als Muskelrelaxans. Weniger prominente Opium-
 
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 848
 
 39 Alkaloide
 
 Alkaloide sind die N-Methyl-1,2,3,4-tetrahydroisochinolin-Derivate (+)-Laudanosin und (+)-Reticulin, die als Zwischenstufen bei der Alkaloid-Biogenese im Schlafmohn auftreten. H 3CO N
 
 H 3CO N
 
 H 3CO
 
 H3CO N
 
 H 3CO OCH 3
 
 Benzylisochinolin
 
 Papaverin
 
 OCH 3
 
 CH 3
 
 (S)-(+)-Laudanosin
 
 N
 
 HO OCH 3 OCH 3
 
 CH 3
 
 (S)-(+)-Reticulin
 
 OH OCH 3
 
 In den Bisbenzylisochinolin-Alkaloiden sind zwei Benzylisochinolin-Reste über Ether-Brücken miteinander verknüpft. Bezeichnet man die Tetrahydroisochinolin-Substruktur als "Kopf", den Benzyl-Rest als "Schwanz", so sind im (+)-Tubocurarinchlorid als bekanntestem Beispiel zwei Benzyltetrahydroisochinolin-Einheiten durch zwei Ether-Brücken Kopf-Schwanz- und SchwanzKopf-verknüpft. (+)-Tubocurarinchlorid blockiert den Rezeptor des Botenstoffs Acetylcholin als Stimulus für die Muskelzellen und ist der Wirkstoff des sirupösen Pfeilgiftes Curare, das südamerikanische Indianerstämme aus der Liane Chondodendron tomentosum gewinnen. Das vom Pfeil getroffene Opfer wird durch Muskel- und Atemlähmung fluchtunfähig. Bei chirurgischen Eingriffen wird Tubocurarinchlorid intravenös als Muskelrelaxans gespritzt. O
 
 N
 
 H 3CO
 
 Kopf
 
 CH 3
 
 Schwanz
 
 N(CH 3)2 Cl
 
 HO O H
 
 (+)-Tubocurarinchlorid
 
 O
 
 BisbenzylisochinolinAlkaloid (Bauprinzip)
 
 Cl (H3C)2N
 
 H HO
 
 O OCH 3
 
 Phthalidtetrahydroisochinoline In den Phthalidtetrahydroisochinolinen schließt sich ein Lacton-Ring zwischen Benzyl-Stellung und einer o-ständigen Carboxy-Funktion des Benzyltetrahydroisochinolins. Zwei Beispiele sind βHydrastin aus der Berberitze (Berberis vulgaris) und dem Hahnenfuß Hydrastis canadensis sowie das schmerzbetäubend und hustenstillend wirkende Opium-Alkaloid Narcotin (Noscapin). ̈
 
 O N O O Phthalidtetrahydroisochinolin
 
 O H
 
 O O
 
 N
 
 H
 
 CH 3
 
 H
 
 O H 3CO (−)-β-Hydrastin
 
 OCH 3
 
 O H 3CO
 
 O
 
 N
 
 CH 3
 
 H
 
 O H 3CO
 
 OCH 3
 
 (−)-Narcotin
 
 Protoberberine ̈ Schließt eine Methylen-Gruppe vom N-Atom zur o-Position des Phenyl-Restes im 1-Benzyl1,2,3,4-tetrahydroisochinolin einen zusätzlichen Sechsring, so entsteht formal das Grundskelett Tetrahydroprotoberberin der Protoberberin-Alkaloide. (−)-Canadin aus kanadischen Erdrauchgewächsen (Fumariaceae) gehört zu den Tetrahydroprotoberberinen. Das antibakteriell, antipyretisch und gegen Malaria-Erreger wirkende Berberin aus der Berberitze Berberis vulgaris sowie das
 
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 39.2
 
 Übersicht heterocyclischer Alkaloide
 
 849
 
 Hauptalkaloid Coptisin des Schöllkrauts Chelidonium majus sind Protoberberinium-Hydroxide, die als cyclisch konjugierte Immonium-Hydroxide durch ihre gelbe Farbe auffallen. O N
 
 O
 
 Tetrahydroprotoberberin
 
 O
 
 O N
 
 N OH
 
 H
 
 N OH
 
 O
 
 OCH3
 
 OCH3
 
 OCH3
 
 (−)-Canadin
 
 N OH
 
 O
 
 Protoberberinium -Hydroxid
 
 O O
 
 OCH3
 
 Berberin
 
 Coptisin
 
 ̈ Aporphine und Proaporphine Schließen beide benzoide Ringe des 1-Benzyl-1,2,3,4,-tetrahydroisochinolins durch eine Biphenyl-Bindung einen Sechsring, so entsteht formal das tetracyclische Grundskelett der AporphinAlkaloide. Wirkstoff der in Chile und Peru als "Boldo" gegen die Chagas-Infektion verwendeten Blätter von Peumus boldus ist das Aporphin-Alkaloid (+)-Boldin. (−)-Multifloramin aus einer Lilienart (Kreysigia) gehört zu den Homoaporphin-Alkaloiden mit zentralem Siebenring. H3CO
 
 HO NH
 
 N
 
 H3CO
 
 NH
 
 CH3
 
 HO H3CO
 
 N
 
 CH3
 
 HO H3CO OH (+)-Boldin
 
 Aporphin
 
 H3CO (−)-Multifloramin
 
 Homoaporphin
 
 In den Proaporphin-Alkaloiden ist der Phenyl-Ring des Benzyl-Restes entaromatisiert und spirocyclisch durch einen Fünfring mit beiden Ringen des Tetrahydroisochinolins verbunden. (+)-Pronuciferin, Inhaltsstoff einiger Wolfsmilch- und Mohnarten, verkörpert ein Proaporphin-Alkaloid. (+)-Bulbocodin aus Liliengewächsen gehört zu den Homoproaporphin-Alkaloiden mit homologisiertem Spirocyclus. H3CO
 
 H 3CO NH
 
 N
 
 H 3CO
 
 NH
 
 CH 3
 
 N
 
 HO
 
 CH 3
 
 O O
 
 Proaporphin
 
 (+)-Pronuciferin
 
 Homoproaporphin
 
 (+)-Bulbocodin
 
 Morphinane Eine 180°-Drehung des 1-Benzyldecahydroisochinolins um die C-1−C-8a-Bindung und Knüpfung einer zusätzlichen Bindung von C-4a nach C-2´ führt zum tetracyclischen Morphinan, dem Grundskelett des bekanntesten Alkaloids (−)-Morphin und seiner Derivate. ̈
 
 H '
 
 NH Hα
 
 ' '
 
 H
 
 ' α
 
 α
 
 NH
 
 ' '
 
 '
 
 α
 
 '
 
 N H H
 
 (1R)-1-Benzyldecahydroisochinolin
 
 N H
 
 H N
 
 Morphinan
 
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 39 Alkaloide
 
 Die Droge Opium aus Schlafmohn Papaver somniferum enthält bis zu 20 % (−)-Morphin als Hauptalkaloid. Der als (−)-Codein bekannte Monomethylphenylether des Morphins ist ein weiteres Opium-Alkaloid. Durch Acetylierung des (−)-Morphins entsteht das als (−)-Heroin bezeichnete, nicht genuine Diacetylmorphin. RO
 
 O
 
 OR H
 
 H H3C
 
 N
 
 CH3
 
 R'O
 
 R = OCH3 ; R' = H : (−) - Codein
 
 O
 
 N
 
 ROBINSON-Formel
 
 O
 
 R = R' = H : (−) - Morphin
 
 H CH3
 
 R = R' = COCH3 : (−) - Heroin
 
 OR'
 
 CH3 N(CH 3)2
 
 (R)-(−)-Methadon (6-N,N-Dimethylamino-4,4-diphenyl-3-heptanon)
 
 Stereoformel mit Ringbezifferung
 
 Das nach dem Boten MORPHEUS des Schlafes und der Träume (OVID) benannte (−)-Morphin war das erste, aus einer pflanzlichen Droge kristallisierte Alkaloid (SERTÜRNER 1806). Die übliche, von ROBINSON (1925) vorgeschlagene Strukturformel bringt die für die Wirkung wesentliche Molekülform nicht so deutlich zum Ausdruck wie die durch RÖNTGEN-Beugung bestätigte Stereoformel. (−)-Morphin (Jahresproduktion 230 Tonnen) und (−)-Codein sind die weltweit am häufigsten verschriebenen Wirkstoffe pflanzlicher Herkunft. Sie wirken schmerzbetäubend, verstopfend, euphorisierend, halluzinogen und hustenstillend wie (−)-Codein, bis atemlähmend bei höherer Dosierung wie (−)-Morphin. Schnell und intensiv schmerzbetäubend bis berauschend wirkt das auf dem illegalen Rauschgiftmarkt begehrte (−)-Heroin mit seinem ausgeprägten Suchtpotential. Zur Behandlung Heroin-Abhängiger wird (R)-(−)-Methadon eingesetzt, welches eine dem (−)Morphin ähnliche Affinität zum Opioid-Rezeptor besitzt.
 
 39.2.6
 
 Chinolin-Alkaloide
 
 Man kennt über 200 Alkaloide, die vom Chinolin und Furo[2,3-b]chinolin abstammen. Die pharmakologisch wichtigsten Chinolin-Alkaloide sind etwa 30 als China-Alkaloide bezeichnete Stereoisomere und Derivate des (−)-Chinins aus der Rinde des Cinchona-Baumes Cinchona officinals (Chinarinde).
 
 HO
 
 CO2H H3CO
 
 + N Chininsäure
 
 CrO3
 
 N HO2C
 
 H
 
 Merochinen
 
 H
 
 H
 
 RS
 
 N
 
 HO H
 
 N
 
 S
 
 R
 
 N
 
 N R = OCH3 : (−) - Chinin R = H : (−) - Cinchonidin
 
 H
 
 H3CO
 
 R
 
 R
 
 O
 
 H
 
 N R = OCH3 : (+) - Chinidin R = H : (+) - Cinchonin
 
 N (+) - Chinotoxin
 
 Chinin besteht aus einem 6-Methoxychinolin-Ring, der in 4-Stellung über ein asymmetrisches CAtom (sekundärer Alkohol) mit 3-Vinylchinuclidin verknüpft ist. Sein Chromsäure-Abbau liefert Chininsäure und das Piperidin-Derivat Merochinen, woraus sich die durch Totalsynthese bewiesene Konstitution ergab (WOODWARD, 1945). Als Chinuclidin bezeichnet man 1-Azabicyclo[2.2.2]octan, das in einigen China-Alkaloiden geöffnet vorliegt, z. B. im (+)-Chinotoxin. (+)-Chinidin und (+)-Cinchonin sind Diastereomere des (−)-Chinins bzw. des (−)-Cinchonins.
 
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 39.3
 
 Übersicht nicht heterocyclischer Alkaloide
 
 851
 
 Das blaugrün fluoreszierende Hauptalkaloid (−)-Chinin der Chinarinde (Gehalt bis zu 8 %) wirkt als Antipyreticum sowie gegen Malaria. Wegen seines angenehm bitteren Geschmacks wird es hauptsächlich zur Herstellung von Getränken (tonic water) verwendet.
 
 39.2.7
 
 Isoxazol und Oxazol-Alkaloide
 
 Der Fliegenpilz Amanita muscaria enthält die zwitterionischen Isoxazol-Derivate Ibotensäure und Muscimol, das als Muscazon bekannte 5α-Glycyl-2-oxo-4-oxazolin sowie Muscarin-chlorid und dessen Stereoisomere. Muscazon und stärker Muscimol wirken halluzinogen, die Muscarine mit exocyclischem Stickstoff-Atom erregen Brechreiz, Durchfall und Kreislaufkollaps. OH 3 51
 
 O2C H3N
 
 O
 
 HO
 
 O
 
 N H3N
 
 Ibotensäure
 
 O
 
 NH
 
 O2C
 
 N
 
 51
 
 3
 
 O
 
 H3N
 
 H3C
 
 O
 
 Muscazon
 
 Muscimol
 
 3 4 2 1 5
 
 O Cl
 
 N(CH3)3
 
 (+) - Muscarin-chlorid
 
 39.3 Übersicht nicht heterocyclischer Alkaloide Nicht heterocyclische Alkaloide leiten sich von den in Kap. 43 und 44 besprochenen Terpenen und Steroiden, von Cyclopeptiden und offenkettigen, von Aminosäuren abstammenden (biogenen) Aminen ab. Von letzteren sind die Phenylethylamine bedeutende Leitstrukturen.
 
 39.3.1
 
 Phenylethylamine
 
 Neben einigen Derivaten des Aminoethanols, die in Leguminosen vorkommen, spielen Phenylethylamine (Phenethylamine) aufgrund ihres Wirkungsspektrums eine herausragende Rolle. Ein Beispiel ist (−)-Ephedrin aus Meerträubel (Ephedra distachya) und anderen Ephedra-Arten, das antiasthmatisch, blutdrucksteigernd und stimulierend wirkt wie das in den Nebennieren gebildete (−)-Adrenalin, welches jedoch nicht als Alkaloid eingeordnet wird. Gleiches gilt für das Antibiotikum Chloramphenicol (Chloromycetin) aus dem Pilz Streptomyces venezuelae. OH
 
 OH
 
 HO
 
 OH CH 2OH
 
 CH3
 
 HO
 
 H
 
 N
 
 CH 3
 
 (R)-(−)-Adrenalin
 
 H
 
 N
 
 CH3
 
 (1R,2S)-(−)-Ephedrin
 
 H
 
 O2N
 
 N
 
 O
 
 CHCl2 (1R,2R)-(−)-Chloramphenicol
 
 Ein bekanntes Phenylethylamin pflanzlicher Herkunft ist das im Vergleich zu LSD schwach halluzinogen wirkende Mescalin aus dem in Mexico wachsenden und dort als "Peyotl" oder "Peyote" bezeichneten Kaktus Lophophora williamsii. Phenylethylamine sind durch einfache Synthesen gut zugänglich. Sie finden als suchterregende synthetische Weckamine, Appetitzügler und Halluzinogene ("Designer-Drogen" mit Phenylethylamin-Leitstruktur) illegale Anwendung. Bekannte Beispiele sind Amphetamin und seine als "Speed" und "Ecstasy" bekannten N-Methyl-Derivate. H3CO
 
 CH 3 NH 2
 
 H3CO OCH3
 
 Mescalin
 
 H
 
 N
 
 R
 
 R = H : rac. Amphetamin R = CH3 : rac. N-Methylamphetamin ("Speed")
 
 CH3
 
 O O
 
 N
 
 H CH3 rac. 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin ("Ecstasy")
 
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 852
 
 39 Alkaloide
 
 Zu den Alkaloiden mit exocyclischem Stickstoff zählen auch die Muscarine (S. 851) sowie das Tropolon-Derivat Colchicin (Kap. 30.13.1) aus der Herbstzeitlose Colchicum autumnale und anderen Liliengewächsen.
 
 39.3.2
 
 Amide und Lactame biogener Amine
 
 Offenkettige sowie cyclische Fett- und Zimtsäureamide der biogenen Amine Putrescin, Spermidin und Spermin, finden sich als Inhaltsstoffe einiger Pflanzenfamilien (Leguminosen, Apocynaceen). Sie werden als Alkaloide eingeordnet. Blätter, Stiele und Wurzeln des indischen Hanfs Cannabis sativa var. indica enthalten z. B. neben den bekannten terpenoiden Cannabinolen (Kap. 43) die bicyclischen Spermidin-Lactame (+)Cannabisativin und (+)-Anhydrocannabisativin. H N
 
 H 2N
 
 H 2N
 
 H
 
 H2N
 
 N
 
 H
 
 N N
 
 O
 
 NH2
 
 NH 2 Putrescin
 
 H
 
 Spermidin
 
 N
 
 NH 2
 
 Spermin
 
 R = HO C H H C OH C 5H11 (+)-Cannabisativin
 
 39.3.3
 
 N H
 
 H R
 
 R = CH 2 C O C 5H 11 (+)-Anhydrocannabisativin
 
 Cyclopeptid-Alkaloide
 
 Manche Mutterkornalkaloide, z. B. Ergotamin (Kap. 39.2.4) kann man als Indol- und PeptidAlkaloide betrachten. Einige makrocyclische Cyclopeptidalkaloide mit p-Hydroxystyrylaminoder Phenylethylamin-Untereinheiten sind schwach antibiotisch und fungizid wirkende Inhaltsstoffe der Rhamnaceen. Der Makrocyclus dieser Alkaloide bildet sich einerseits durch eine β-Phenoxy-Ether-Bindung zur N-terminalen β-Hydroxyaminosäure (z. B. β-Hydroxy-L-valin, β-Hydroxy-L-phenylalanin) eines Dipeptids. Die Carboxy-Funktion der C-terminalen Aminosäure schließt andererseits mit der Styryl- bzw. der Phenylethylamino-Funktion den vierzehngliedrigen Cyclodipeptid-Ring. Eine dritte Aminosäure (z. B. N,N-Dimethylisoleucin oder N,N-Dimethylvalin) verbindet über eine dritte Peptidbindung die Seitenkette. Beispiele sind Frangulanin und Integerrin aus dem New Jersey-Tee Ceanothus americanus.
 
 O
 
 (CH 3)2N
 
 β-Hydroxy-L-valin
 
 HN
 
 HN
 
 O O O
 
 L-Leucin
 
 O
 
 (CH 3)2N
 
 HN
 
 HN
 
 Frangulanin
 
 β-HydroxyL-phenylalanin
 
 N,N-Dimethyl-L-valin
 
 N,N-Dimethyl-L-isoleucin
 
 4-Hydroxystyrylamin
 
 HN HN
 
 O O O
 
 L-Tryptophan
 
 HN
 
 Integerrin
 
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 39.4
 
 Zur Biogenese der Alkaloide in Pflanzen
 
 853
 
 39.4 Zur Biogenese der Alkaloide in Pflanzen 39.4.1
 
 Aminosäuren als biogenetische Vorstufen der Alkaloide
 
 Unter Alkaloid-Biogenese versteht man den Aufbau von Alkaloiden im pflanzlichen oder tierischen Organismus. Biosynthesewege werden durch Verfütterung 14C-markierter Vorstufen ("Precursors") an Pflanze oder Tier und nachfolgende Analyse der Markierungspositionen im Alkaloid verfolgt ("Tracer"-Technik). Alternativ baut man stabile Isotope wie 13C und 15N in die Vorstufen ein und lokalisiert die Markierungen im Naturstoff durch 13C- oder 15N-NMR. Biogenetische Vorstufen der meisten heterocyclischen Alkaloide sowie vieler Phenylethylamine sind die Aminosäuren L-Ornithin, L-Lysin, L-Tyrosin und L-Tryptophan. Abb. 39.1 orientiert über die biogenetische Herkunft der besprochenen Alkaloide. L-Orn
 
 L-Lys
 
 CO2H
 
 AminosäureVorstufe
 
 L-Trp NH2 CO2H
 
 CO2H
 
 NH2 H2N
 
 L-Tyr
 
 NH 2
 
 O
 
 HO2C
 
 NH 2 N H
 
 NH 2
 
 N N
 
 N
 
 O
 
 N
 
 O Alkaloide
 
 PyrrolidinPyrrolizidinTropan-
 
 PiperidinPyridinIndolizidinChinolizidin-
 
 β -PhenylethylaminBenzylisochinolinPhthalidisochinolinBenzoisochinolinAporphinProapaorphinMorphinBisbenzylisochinolin-
 
 N H
 
 TryptaminDihydroindolMonoterpenindolCarbazolß-CarbolinTetrahydro-ß-carbolinErgolinChinolin- A l k a l o i d e
 
 Abb. 39.1. Aminosäure-Vorstufen heterocyclischer Alkaloide
 
 39.4.2
 
 Biogenese der Isochinolin-Alkaloide im Schlafmohn
 
 Durch Markierungsexperimente und auf enzymatischer Ebene fast vollständig aufgeklärt wurde die Biosynthese der Benzylisochinolin-Alkaloide (Abb. 39.2) und des Morphins (Abb. 39.3) aus Tyrosin im Schlafmohn Papaver somniferum. Demnach wird Tyrosin einerseits zum 4-Hydroxyphenylacetaldehyd desaminiert und decarboxyliert, andererseits nach Decarboxylierung über Tyramin zu Dopamin (3,4-Dihydroxyphenylethylamin) hydroxyliert. 4-Hydroxyphenylacetaldehyd und Dopamin cyclisieren enzymatisch in Analogie zur Isochinolin-Synthese nach PICTET-SPENGLER (Kap. 34.11.2) zum (S)-Norcoclaurin. Aus diesem entsteht nach drei Methylierungen und einer Hydroxylierung das (S)-(+)-Reticulin, die Vorstufe der bisher aufgeklärten Isochinolin-Alkaloide (Abb. 39.2).
 
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 854
 
 39 Alkaloide
 
 HO 4-Hydroxyphenylbrenztraubensäure
 
 HO
 
 O
 
 COOH
 
 4-Hydroxyphenylacetaldehyd O
 
 H HO
 
 HO
 
 NH2
 
 (S)-Tyrosin
 
 HO
 
 COOH H
 
 H
 
 NH
 
 HO (S)-Norcoclaurin HO
 
 NH2
 
 HO
 
 NH2
 
 HO Tyramin
 
 HO
 
 Dopamin
 
 HO H
 
 NH
 
 H3CO (S)-Coclaurin
 
 H3CO
 
 HO
 
 HO
 
 HO
 
 HO
 
 HO H
 
 N
 
 H3CO
 
 CH3
 
 HO H
 
 N
 
 H3CO (S)-Reticulin
 
 (S)-3'-HydroxyN-methylcoclaurin
 
 CH3
 
 HO H
 
 N
 
 CH3
 
 H3CO (S)-N-Methylcoclaurin
 
 Abb. 39.2. Biogenese des (S)-Reticulins als Vorstufe zahlreicher Isochinolin-Alkaloide
 
 Im Schlafmohn wird das (S)-Reticulin über sein Dehydro-Derivat zum (R)-Enantiomer isomerisiert. Ein Cytochrom-P-450-Enzym cyclisiert das (R)-Reticulin durch oxidative Phenol-Kupplung zum Salutaridin (Abb. 39.3). Das Redox-Coenzym NADH+H+ reduziert Salutaridin zum Salutaridinol, nach dessen Acetylierung (Acetyl-Coenzym A) die Ether-Brücke des Thebains geknüpft wird. Demethylierung des Thebains führt über Neopinon zum Codeinon, nach Reduktion (NADH+H+) zum Codein und nach weiterer Demethylierung zum Morphin (Abb. 39.3). Wesentliche Schritte der Morphin-Biosynthese gaben sich nach Verfütterung 14C-markierter Zwischenstufen an die Pflanze zu erkennen. So wurden zum Beweis der für den sterischen Ablauf der Biosynthese notwendigen Konfigurationsumkehr von (S)- nach (R)-Reticulin beide Enantiomere in 1-Stellung mit Tritium markiert und dann verfüttert. Dabei ergab sich, daß (R)-1-3H-Reticulin in ein Morphin übergeht, welches 60 % der ursprünglichen Tritium-Konzentration enthält, während aus dem (S)-1-T-Enantiomer tritiumfreies Morphin entsteht. (S)-(+)-Reticulin muß demnach über das Dehydro-Derivat zum (R)-(−)-Enantiomer isomerisieren (Abb. 39.3), bevor es durch das Enzym zum (+)-Salutaridin mit (−)-Morphin-Konfiguration oxidiert werden kann. Die Irreversibilität einiger Stufen wurde durch weitere Einbauexperimente abgesichert. So demethyliert die Pflanze markiertes Morphin zu Normorphin; dagegen unterbleibt eine Remethylierung zu Codein. Als O- und N-Methylierungsmittel wurde durch zusätzliche Markierungsversuche die Aminosäure L-Methionin erkannt. Füttert man der Mohnpflanze 2-14C-markiertes Dopa, so ist in den isolierten Thebain-, Codein- und Morphin-Präparaten nur die 16-Stellung (CH2 neben N)
 
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 39.5
 
 Exemplarische Alkaloid-Synthesen
 
 855
 
 markiert. Demnach kann die Pflanze das Dopa in den Tetrahydroisochinolin-Teil einbauen aber nicht zum Phenylacetaldehyd umsetzen. H3CO
 
 H3CO
 
 H3CO
 
 HO
 
 HO HO H
 
 N
 
 HO
 
 HO
 
 CH3
 
 N
 
 CH3
 
 HO H
 
 H3CO
 
 H3CO (S)-Reticulin
 
 (R)-Reticulin
 
 H3CO
 
 H3CO
 
 HO
 
 HO
 
 HO
 
 N CH3
 
 H
 
 H3CO
 
 N CH3
 
 (R)-Reticulin
 
 H3CO
 
 H3CO
 
 HO
 
 O
 
 O H
 
 N CH3
 
 H
 
 H3CO
 
 N CH3
 
 H
 
 Thebain
 
 HO
 
 Neopinon
 
 H3CO
 
 O
 
 H3CO
 
 O H
 
 O
 
 N CH3
 
 H
 
 HO
 
 N CH3
 
 H
 
 HO Morphin
 
 N CH3
 
 O
 
 H3CO
 
 H OCOCH3 Salutaridinol-7-O-acetat
 
 N CH3
 
 OH O Salutaridin
 
 H3CO
 
 H
 
 H3CO
 
 H3CO
 
 H OH Salutaridinol
 
 CH3
 
 H3CO
 
 1,2-Dehydroreticulin
 
 H3CO
 
 H
 
 N
 
 N CH3
 
 O Codein
 
 Codeinon
 
 Abb. 39.3. Morphin-Biogenese aus (S)-Reticulin im Schlafmohn
 
 39.5 Exemplarische Alkaloid-Synthesen 39.5.1
 
 Nicotin und Coniin
 
 Historisch von Bedeutung als erste Alkaloid-Synthese (LADENBURG, 1886) ist die Herstellung des racemischen Coniins durch KNOEVENAGEL-Kondensation von α-Picolin (2-Methylpyridin) mit Acetaldehyd zu 2-Propenylpyridin und dessen katalytische Hydrierung. − H2 O
 
 H N CH 3 2-Methylpyridin (α-Picolin)
 
 +
 
 O
 
 CH 3
 
 + 4 H2 (Kat.)
 
 N 2-Propenylpyridin
 
 N H
 
 rac. Coniin
 
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 856
 
 39 Alkaloide
 
 Die weitaus meisten Alkaloid-Synthesen dienten als Strukturbeweis. Sie gewannen infolge schlechter Gesamtausbeuten und schwieriger technischer Durchführbarkeit einzelner Stufen meist keine industrielle Bedeutung. So ist z. B. die Gewinnung des (−)-Nicotins aus Tabakabfällen viel wirtschaftlicher als alle bisher durchgeführten Synthesen. Das gilt auch für eine neuere biomimetische Synthese des racemischen Nicotins aus Glutardialdehyd, Ammoniak und N-Methyl-∆1pyrrolinium-iodid über 1,4-Dihydropyridin: L-Lysin
 
 CO2H
 
 − CO2
 
 +
 
 Biosynthese
 
 N
 
 N
 
 N
 
 (aus Prolin)
 
 H
 
 + NH3
 
 H
 
 N
 
 N
 
 N
 
 N
 
 H
 
 CH 3
 
 H
 
 CH 3
 
 (−)-Nicotin
 
 N CH 3
 
 +
 
 1,4-Dihydropyridin
 
 N
 
 H
 
 1,4-Dihydronicotinsäure
 
 biomimetische Synthese
 
 N-Methylierung, Dehydrierung
 
 N H
 
 − 3 [H+] , − 2 e0
 
 −
 
 N N
 
 CH 3
 
 rac. Nicotin
 
 − 2 H2O
 
 O O
 
 H
 
 Glutardialdehyd
 
 39.5.2
 
 Tropan
 
 Ein Beispiel zur Synthese eines Alkaloid-Grundskeletts unter Bedingungen, wie sie auch die Pflanzenzelle bietet, ist der Ringschluß durch doppelte MANNICH-Reaktion von Succindialdehyd, Methylamin und Acetondicarbonsäure zum Tropan-3-on bei pH = 5 - 6 und Zimmertemperatur (ROBINSON-SCHÖPF-Synthese). Die Reduktion des Tropinons mit komplexem Metallhydrid gibt Tropan-3α- und Tropan-3β-ol. H 3C H
 
 CO2H O O
 
 +
 
 H2N CH3
 
 H Succindialdehyd
 
 +
 
 O
 
 pH = 5-6
 
 CO2H Acetondicarbonsäure
 
 − 2 H2O − 2 CO2
 
 H 3C N
 
 LiAlH4
 
 O
 
 N
 
 HO Tropan-3α-ol
 
 H 3C N
 
 Tropan-3-on Tropan-3β-ol
 
 38.5.3
 
 OH
 
 Tryptamine
 
 Einige Indol-Alkaloide lassen sich nach dem Prinzip der FISCHER-Indol-Synthese (Kap. 34.6.3) darstellen. Ein reizvolles Beispiel ist die einstufige Synthese des Halluzinogens Bufoteninmethyl-
 
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 39.5
 
 Exemplarische Alkaloid-Synthesen
 
 857
 
 ether (5-Methoxy-N,N-dimethyltryptamin) aus 4-Methoxyphenylhydrazin und 4-(Dimethylamino)butanal-dimethylacetal: N(CH3)2 H 3CO N H
 
 39.5.4
 
 NH2
 
 +
 
 H 3CO
 
 N(CH 3)2
 
 OCH3
 
 H3CO
 
 − 2 CH 3OH , − NH 3
 
 N H 5-Methoxy-N,N-dimethyltryptamin
 
 Benzyltetrahydroisochinoline
 
 Zur Darstellung der zahlreichen Alkaloide mit Benzylisochinolin-Grundskelett eignen sich vor allem die Cyclisierungen von β-Phenylethylaminen (Phenethylaminen) mit Carbonsäure-Derivaten (Chloride, Ester) über die N-Acylamine nach BISCHLER-NAPIERALSKI (Kap. 34.11.2) oder biomimetisch (Abb. 39.2) mit Aldehyden über die N-Alkylimmonium-Salze nach PICTET-SPENGLER (Kap. 34.11.2). Die chirogenen Hydrierungs- und Deprotonierungsschritte führen zu racemischen 1,2,3,4-Tetrahydroisochinolinen. BISCHLERNAPIERALSKI
 
 NH
 
 PICTETSPENGLER
 
 N
 
 NH 2
 
 O
 
 β-Phenylethylamin
 
 N-Acyl-β-phenylethylamin
 
 β-Phenylethylimin R−X
 
 POCl 3 , RX ( X = Cl, Br, I ) H2 / Pd / C
 
 N
 
 NaBH4
 
 N
 
 R
 
 N
 
 R
 
 R
 
 N-Alkylimmonium-Ion
 
 1,2,3,4-Tetrahydroisochinolin
 
 Die enantioselektive Darstellung von Tetrahydroisochinolinen gelingt u. a. aus Phenylethylaminen, die am N-Atom durch eine chirale Hilfsgruppe alkyliert sind. Man erhält sie durch Acylierung von (R)- oder (S)-α-Phenylethylamin mit Phenylessigsäurechlorid und Reduktion des Amids mit Diboran. Die BISCHLER-NAPIERALSKI-Cyclisierung des (R)-N-(α-Phenylethylamino)-β-phenylethylamins führt zum Immmonium-Salz, das durch Borhydrid diastereoselektiv zum (R,R)-N-(αPhenylethylamino)-tetrahydroisochinolin reduziert wird. Katalytische Abhydrierung der Hilfsgruppe setzt das (R)-1-Alkyltetrahydroisochinolin frei. O
 
 CH3 C6 H5
 
 H 2N H
 
 Cl
 
 H
 
 N H
 
 Phenylacetylchlorid
 
 (R)-N-(α-Phenylethylamino)β-phenylethylamin
 
 O
 
 B2H6 / THF
 
 CH 3 C 6H 5
 
 H
 
 CH 3 C 6H 5
 
 N H
 
 chirales Phenylacetamid BISCHLER-NAPIERALSKI
 
 O
 
 Cl R
 
 H2 / Pd / C
 
 NH R
 
 (R)-1-Alkyltetrahydroisochinolin
 
 CH 3 C 6H 5
 
 N R
 
 H
 
 NaBH4
 
 N R Cl H
 
 CH 3 C 6H 5
 
 (R,R)-N-(α-Phenylethylamino)-tetrahydroisochinolin
 
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 858
 
 40 Kohlenhydrate
 
 40 Kohlenhydrate 40.1 Bedeutung, Klassifizierung und Nomenklatur der Zucker 40.1.1
 
 Bedeutung
 
 Die Traubenzucker genannte Glucose [C6H12O6 oder (CH2O)6] als Grundsubstanz der Kohlenhydrate wird in Pflanzen durch Photosynthese aus Kohlendioxid und Wasser unter Freisetzung von Sauerstoff aufgebaut (Kap. 29.6.2). Zu dieser enzymatischen Synthese wird Lichtenergie benötigt, die durch das Chlorophyll a (Kap. 35.7.6) absorbiert wird. Durch Abbau der Glucose bei der Atmung werden Energie, Kohlendioxid und Wasser frei. Die Verbrennung fossiler Energieträger (Erdgas, Erdöl, Kohle) verschiebt dieses "Gleichgewicht" seit 150 Jahren nach links. Photosynthese
 
 6 CO2 + 6 H 2O + Energie
 
 Atmung
 
 (CH2O)6 + 6 O2
 
 Aufgrund der Summenformel (CH2O)n wurde für die Zucker 1844 der Begriff "Kohlen-Hydrat" Cn(H2O)n geprägt, zumal Glucose mit konzentrierter Schwefelsäure tatsächlich zu "Kohle" dehydratisiert. Glucose C6H12O6 wurde 1747 aus Traubenmost und 1792 aus Honig kristallisiert. Saccharose C12H22O11 (griech. σαχχηαρον = Zucker) aus Zuckerrohr oder Rüben wurde bereits 640 v. Chr. in Ägypten beschrieben. D-Glucose dient der Pflanze überwiegend zur Produktion der Polysaccharide Stärke als Energiespeicher (Knollen, Samen) und Cellulose für den Strukturaufbau (Kap. 40.9.1, 40.9.3). Tiere speichern die D-Glucose als Polysaccharid Glykogen (Kap. 40.9.4). Das Polysaccharid Chitin ist das Strukturpolymer der Insekten und Crustaceen (Kap. 40.9.5). Zusammen mit Fetten und Proteinen bilden Kohlenhydrate (Zucker) die Grundlage unserer Nahrung.
 
 40.1.2
 
 Klassifizierung und Nomenklatur
 
 Kohlenhydrate sind aliphatische Polyhydroxycarbonyl-Verbindungen. Je nach Stellung der OxoGruppe unterscheidet man Aldosen (Aldehyd-Zucker, endständige Oxo-Funktion) und Ketosen (Keto-Zucker, mittelständige Oxo-Funktion). Aldosen und Ketosen mit gleicher Kohlenstoff-Zahl sind Konstitutionsisomere der Summenformel CnH2nOn, die formal durch Oxidation einer α- bzw. β-ständigen Hydroxy-Gruppe eines Polyols (Zuckeralkohol) CnH2n+2On entstehen. H
 
 C
 
 O
 
 CH2OH C O
 
 CH 2OH
 
 (HC OH) m
 
 (HC OH) m−1
 
 (HC OH) m
 
 CH2OH Aldose Polyhydroxyaldehyd
 
 CH 2OH
 
 CH2OH Polyol
 
 Ketose Polyhydroxyketon
 
 Je nach Anzahl der C-Atome in der Kette werden Aldosen und Ketosen als Triosen C3, Tetrosen C4, Pentosen C5, Hexosen C6 und Heptosen C7 bezeichnet. Glucose (Traubenzucker) und Fructose (Fruchtzucker) sind somit konstitutionsisomere Hexosen der Summenformel C6H12O6; Glucose ist
 
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 40.1
 
 Bedeutung, Klassifizierung und Nomenklatur der Zucker
 
 859
 
 demnach eine Aldohexose, Fructose dagegen eine Ketohexose. Die kürzeste Aldose ist der DGlyceraldehyd (frühere Bezeichnung Glycerinaldehyd), die kürzeste Ketose das 1,3-Dihydroxyaceton. H
 
 O
 
 C
 
 CH2OH
 
 H C OH H
 
 O
 
 C
 
 C O
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 CH 2OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 C O
 
 H C OH
 
 CH 2OH
 
 CH2OH
 
 CH 2OH D-Glyceraldehyd eine Aldotriose
 
 D-Glucose eine Aldohexose
 
 CH2OH
 
 1,3-Dihydroxyaceton eine Ketotriose
 
 D-Fructose eine Ketohexose
 
 Aus den Triosen können durch schrittweise CC-Verknüpfungen die Familien der Aldosen und Ketosen (Abb. 40.1 und 40.2) abgeleitet werden. Trivialnamen ausgenommen, tragen Aldosen die Endsilbe -osen und Ketosen die Endsilbe -ulosen. Eine systematische Nomenklatur wurde auch für Kohlenhydrate vorgeschlagen, doch werden mit wenigen Ausnahmen die traditionellen Trivialnamen nach Abb. 40.1 und 40.2 bevorzugt. H
 
 C
 
 O
 
 H
 
 H C OH
 
 C
 
 O
 
 H
 
 HO C H
 
 C
 
 O
 
 H
 
 H C OH
 
 O
 
 H
 
 H C OH H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 (+)-D-Allose H
 
 C
 
 (+)-D-Altrose
 
 CH2OH
 
 H
 
 C
 
 H
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 (−)-D-Ribose
 
 C
 
 H
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 C
 
 O
 
 HO C H HO C H
 
 HO C H
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 CH2OH
 
 H C OH
 
 CH2OH
 
 CH2OH
 
 (−)-D-Idose (+)-D-Galactose (+)-D-Talose 8 Hexosen
 
 C
 
 O
 
 H
 
 H C OH
 
 O
 
 HO C H H C OH
 
 CH2OH
 
 CH2OH
 
 (+)-D-Xylose
 
 (−)-D-Lyxose HO
 
 O
 
 C
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 (−)-D-Arabinose
 
 O
 
 HO C H
 
 HO C H
 
 CH2OH
 
 CH 2OH
 
 H
 
 HO C H
 
 CH2OH
 
 O
 
 O
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 CH2OH
 
 C
 
 HO C H
 
 HO C H
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 C
 
 H
 
 (+)-D-Glucose (+)-D-Mannose (−)-D-Gulose
 
 O
 
 H
 
 O
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 CH 2OH
 
 C
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 CH 2OH
 
 HO C H
 
 C
 
 C
 
 4 Pentosen
 
 O
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 CH2OH
 
 CH 2OH
 
 (−)-D-Erythrose
 
 (+)-D-Threose H
 
 C
 
 2 Tetrosen
 
 O
 
 H C OH CH2OH
 
 (+)-D-Glyceraldehyd (Glycerose)
 
 1 Triose
 
 Abb. 40.1. Stammbaum der diastereomeren D-Aldosen. Mnemotechnische Hilfe: Die Namen der Aldohexosen kann man sich durch folgenden (albernen) Satz einprägen: "ALLE ALTEN GÄNSE MÖCHTEN GERN IM GARTEN TANZEN". Die Stellung der OH-Gruppen der Glucose-Formel ist von oben nach unten durch "tatütata" einprägbar (ta: OHGruppe nach rechts, tü: OH-Gruppe nach links). (+)- bzw. (−)- geben die optische Drehung in H2O-Lösung
 
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 860
 
 40 Kohlenhydrate
 
 Triosen und Tetrosen treten nur als Metaboliten (Stoffwechsel-Abbauprodukte) auf. Heptosen sowie höhere Zucker sind seltene Bestandteile von Zellwänden in Bakterien. CH2OH
 
 CH 2OH
 
 CH2OH
 
 CH 2OH
 
 C O
 
 C O
 
 C O
 
 C O
 
 H C OH
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 CH2OH
 
 (+)-D-Psicose (D-Allulose)
 
 H C OH
 
 HO C H
 
 HO C H
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 CH 2OH
 
 H C OH
 
 CH2OH
 
 (−)-D-Fructose (Levulose)
 
 CH 2OH
 
 (+)-D-Sorbose
 
 (−)-D-Tagatose
 
 CH2OH
 
 CH2OH
 
 C O
 
 C O
 
 4 Hexulosen
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 CH2OH
 
 CH2OH
 
 D-Ribulose (D-erythro-Pentulose, Adonose)
 
 D-Xylulose (D-threo-Pentulose, D-Lyxulose)
 
 2 Pentulosen
 
 CH 2OH C O H C OH CH 2OH
 
 D-glycero-Tetrulose (D-Erythrulose, D-Threulose)
 
 1 Tetrulose
 
 CH 2OH C O CH2OH
 
 Dihydroxyaceton
 
 Abb. 40.2. Familien der D-Ketosen
 
 Wie andere Biopolymere teilt man Kohlenhydrate nach der Anzahl ihrer Bausteine ein: Monosaccharide sind freie Aldosen und Ketosen, die nicht weiter zu einfacheren Zuckern hydrolysieren; Oligosaccharide sind Di-, Tri-, Tetra-...-saccharide mit 2 bis 15 Zuckerbausteinen, die durch hydrolytische Spaltung frei werden; Polysaccharide sind Biopolymere mit über 15 bis zu mehreren Tausend Zuckerbausteinen; Homopolysaccharide enthalten eine Sorte von Monomeren, im Gegensatz zu Heteropolysacchariden mit verschiedenen Zuckerbausteinen. Glycoside enthalten acetalartig gebundene Nichtzucker-Komponenten; in Aminozuckern ersetzt eine Amino-Funktion eine Hydroxy-Gruppe.
 
 40.2 Konstitution, relative und absolute Konfiguration Aldosen (Abb. 40.1) und Ketosen (Abb. 40.2) mit gleicher Summenformel unterscheiden sich durch die Stellung ihrer Oxo-Gruppe; solche Aldosen und Ketosen sind daher Konstitutions- und
 
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 40.2
 
 Konstitution, relative und absolute Konfiguration
 
 861
 
 Funktionsisomere. Fructose (eine Ketose) ist z. B. ein Konstitutions- und Funktionsisomer der Glucose (eine Aldose). Wird die Kette eines Kohlenhydrats unter Erhaltung der Konstitution und Konfiguration des Edukts verlängert, so gehört das resultierende Produkt in dieselbe Kohlenhydrat-Familie. Die Pentose (−)-Arabinose und die Hexose (+)-Mannose sind z. B. stereochemisch miteinander verwandt; sie gehören beide zur Familie der D-Aldosen. Arabinose und Mannose sind somit homologe Aldosen (Abb. 40.1). Die Aldohexosen (Abb. 40.1) enthalten vier asymmetrische C-Atome. Daher gibt es 24 = 16 Stereoisomere; diese sind acht Diastereomere mit unterschiedlicher relativer Konfiguration; dabei existiert jedes Diastereomer als ein Enantiomerenpaar. Abb 40.1 zeigt jeweils das D-Enantiomer der acht diastereomeren Aldohexosen. Die Ketohexosen mit drei asymmetrischen C-Atomen bilden 23 = 8 Stereoisomere, d. h. vier Diastereomere als Enantiomerenpaare (Abb. 40.2). Die absolute Konfiguration der Kohlenhydrate läßt sich nach der CAHN-INGOLD-PRELOGKonvention angeben; die korrekte Bezeichnung der rechtsdrehenden D-Glucose (Abb. 40.1) wäre z. B. (+)-2R,3S,4R,5R-2,3,4,5,6-Pentahydroxyhexanal. Bei Aminosäuren und Kohlenhydraten üblich ist dennoch die FISCHER-Konvention (Kap. 18.3.2). Hierzu zeichnet man die FISCHERProjektionsformeln mit vertikaler Kohlenstoff-Kette so, daß die am höchsten oxidierten C-Atome (Aldehyd- oder Keto-Funktionen) oben liegen (Abb. 40.1, 40.2); alle horizontal gezeichneten Bindungen von den tetraedrischen C-Atomen zu OH und H ragen dann aus der Papierebene heraus. Die Bezifferung der C-Atome erfolgt von oben nach unten. Über die Zugehörigkeit zur D- bzw. L-Familie entscheidet allein die Konfiguration des letzten asymmetrischen C-Atoms der Kette (unten). Steht dort die Hydroxy-Gruppe nach rechts, gehört der Zucker zur D-Reihe (wie im D-Glyceraldehyd als Bezugssubstanz); steht die Hydroxy-Gruppe nach links, so ist es ein L-Monosaccharid. Abgesehen von wenigen Ausnahmen gehören alle natürlichen Zucker und ihre Derivate der D-Reihe an. H
 
 1C
 
 O
 
 HO C H H C OH
 
 HO C H 5 CH
 
 2OH
 
 (−)-L-Xylose
 
 H H
 
 1C
 
 O
 
 HO C H 3 CH
 
 2OH
 
 (−)-L-Glyceraldehyd
 
 H
 
 1C
 
 O
 
 1C
 
 O
 
 H C OH H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 3 CH
 
 5 CH
 
 2OH
 
 (+)-D-Glyceraldehyd
 
 2OH
 
 (−)-D-Ribose
 
 E. FISCHER setzte bereits 1891 willkürlich die Konfiguration des Traubenzuckers als (+)-D-Glucose fest. Die Korrelation der D- und L-Reihen der Monosaccharide mit D- und L-Glyceraldehyd (Abb. 40.1) wurde von ROSANOFF (1906) vorgeschlagen und später durch RÖNTGEN-Strukturanalyse bestätigt (J. M. BIJVOET et al. 1951; Kap. 18.4). In der D- und L-Reihe wird somit jeweils die Konfiguration am zweitletzten Kohlenstoff-Atom beibehalten. Entsprechend der Anzahl asymmetrischer C-Atome gibt es in der D-Reihe außer acht diastereomeren Hexosen vier diastereomere Pentosen und zwei diastereomere Tetrosen (Abb. 40.1). Vertauscht man zwei Substituenten an einem asymmetrischen C-Atom, so entspricht dies einer Konfigurationsumkehr (Epimerisierung). (+)-D-Glucose und (+)-D-Mannose sind z. B. 2-Epimere, weil sie durch Konfigurationsumkehr an C-2 (2-Epimerisierung) ineinander umwandelbar sind. DGlucose und D-Galactose sind dagegen 4-Epimere. Epimere sind Diastereomere mit mehreren
 
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 862
 
 40 Kohlenhydrate
 
 Asymmetriezentren, die sich durch die absolute Konfiguration nur eines asymmetrischen C-Atoms unterscheiden. H
 
 C
 
 O
 
 H
 
 1C
 
 H
 
 O
 
 2
 
 H C OH
 
 2
 
 HO C H
 
 4-Epimerisierung
 
 4
 
 HO C H
 
 2-Epimerisierung
 
 4
 
 HO C H
 
 O
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 HO C H
 
 C
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 CH2OH (+)-D-Galactose
 
 CH 2OH (+)-D-Glucose
 
 CH 2OH (+)-D-Mannose
 
 Von den Zuckernamen leiten sich einige Konfigurationskürzel ab (Tab. 40.1), die meist auf Zukkerderivate, aber auch auf andere Verbindungen übertragen werden. Die Konfiguration des "Mittelstücks" einer Aldose kann in Form eines Präfix vor die Bezeichnung der Verbindung gestellt werden. Oft benutzte Konfigurations-Präfices sind "erythro-" und "threo-". Tab. 40.1. Konfigurationsbezeichnungen von Polyol-Fragmenten, die sich aus der Aldose-Reihe ableiten C-Atome
 
 Formel und Präfix Y H C OH
 
 4
 
 Y
 
 Y
 
 Y
 
 H C OH
 
 HO C H
 
 HO C H
 
 Y
 
 H C OH
 
 H C OH H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 X
 
 D-gluco-
 
 Y
 
 H C OH
 
 Y
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 D-altro-
 
 HO C H
 
 Y
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 D-allo-
 
 H C OH
 
 HO C H
 
 D-manno-
 
 HO C H
 
 D-gulo-
 
 Y
 
 H C OH 3
 
 Y
 
 HO C H
 
 D-ido-
 
 HO C H X
 
 D-talo-
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 X
 
 X
 
 X
 
 HO C H
 
 HO C H
 
 D-arabino- (arabo)
 
 H C OH
 
 D-galacto- (gala)
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 HO C H H C OH X
 
 D-xylo-
 
 D-lyxo-
 
 Y
 
 Y
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 2
 
 HO C H
 
 HO C H
 
 Y
 
 H C OH
 
 D-ribo-
 
 HO C H
 
 Y
 
 HO C H
 
 HO C H
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 X
 
 X
 
 D-erythro-
 
 D-threo-
 
 Y
 
 1
 
 H C OH X
 
 D-glycero-
 
 Die absolute Konfiguration ist vor allem für enzymatische Umwandlungen von Bedeutung. So führt die enzymatische Phosphorylierung des prochiralen Triols Glycerol als Substrat zum chiralen Phosphorsäureester (−)-Glycerolphosphat. Nach Anheftung an das chirale Enzym wird selektiv eine der beiden Hydroxymethyl-Gruppen des symmetrischen Glycerols phosphoryliert. prochirales Glycerol
 
 ATP
 
 HO
 
 HOH2C
 
 ADP C
 
 HOH2C HO
 
 chirales Enzym
 
 HO
 
 H
 
 P
 
 O
 
 chirales Glycerolphosphat
 
 O H2C C HOH2C HO
 
 H
 
 chirales Enzym
 
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 40.3
 
 Cyclohalbacetal-Formen und Konformation
 
 863
 
 Ist auch das Substrat chiral, wie Glyceraldehyd, so setzt ein Enzym, hier Glycerin-Kinase, selektiv eines der beiden Enantiomeren um. In diesem Fall reagiert nur der Enzym/Substrat-Komplex des (+)-D-Glyceraldehyds, nicht jedoch der dazu diastereomere Komplex mit dem enantiomeren LGlyceraldehyd. O H
 
 ATP
 
 C
 
 C HOH2C
 
 O
 
 D-Glyceraldehyd
 
 H
 
 H
 
 O
 
 OH
 
 Kinase
 
 HO P O H 2C Enantiomere
 
 Diastereomere
 
 H
 
 ATP
 
 C
 
 H
 
 OH
 
 O
 
 Kinase-D-Substrat-Komplex
 
 C
 
 C
 
 OH L-Glyceraldehyd
 
 HOH2C C H O
 
 keine Phosphorylierung
 
 Kinase
 
 Kinase-L-Substrat-Komplex
 
 40.3 Cyclohalbacetal-Formen und Konformation 40.3.1
 
 Halbacetal-Bildung
 
 Zuckermoleküle enthalten sowohl eine Oxo-Funktion als auch alkoholische Hydroxy-Gruppen. Eine typische Reaktion beider Gruppierungen ist die nucleophile Addition des Alkohols an die Oxo-Gruppe zum Halb- oder Hemiacetal. Hemiacetale und Acetale [R1−CH(OR2)2] werden in wäßrig saurem Medium hydrolysiert und sind gegen Alkali stabil. OH
 
 O R1
 
 + 2 R2
 
 C
 
 R1
 
 OH
 
 H
 
 C
 
 OR2
 
 +
 
 R2
 
 − H2O
 
 OH
 
 OR2 R1
 
 C
 
 OR2
 
 H Acetal
 
 H Hemiacetal
 
 Im Kristall und in Lösungen cyclisieren alle freien Monosaccharide (Aldosen und Ketosen) überwiegend zu Halbacetalen. Die Cyclisierung bedeutet einen Gewinn an freier Energie gegenüber der acyclischen (nicht ringförmigen, offenkettigen) Form. So liegt Glucose in wäßriger Lösung nur zu 0.0026 % acyclisch vor. Je nach Ringgröße der Halbacetale (Hemiacetale) unterscheidet man Furanosen (Fünfring, von Furan abgeleitet) und Pyranosen (Sechsring, von Pyran abgeleitet). H
 
 1
 
 C
 
 OH
 
 H C OH HO C H 4
 
 H C
 
 1
 
 C
 
 O
 
 H C OH HO C H
 
 O
 
 H C OH 6
 
 CH2OH
 
 D-Glucofuranose mit TetrahydrofuranRing
 
 O
 
 H
 
 4
 
 H
 
 1
 
 C
 
 O
 
 H C OH HO C H
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 H C OH
 
 6
 
 CH 2OH
 
 D-Glucose Hemiacetal mit 4-OH
 
 5 6
 
 CH2OH
 
 D-Glucose Hemiacetal mit 5-OH
 
 H
 
 1
 
 C
 
 OH
 
 H C OH HO C H H C OH 5
 
 H C
 
 O
 
 6
 
 CH 2OH
 
 D-Glucopyranose mit TetrahydropyranRing
 
 O
 
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 864
 
 40 Kohlenhydrate
 
 Die Cyclohalbacetal-Formen der Glucose bilden sich durch intramolekulare nucleophile Addition der Hydroxy-Gruppe an C-5 bzw. C-4 an die Aldehyd-Funktion. Der Übergang von der offenkettigen "al-Form" (al von Aldehyd) kann durch zweimalige Substituentenvertauschung an C-5 bzw. C-4 korrekt formuliert werden (eine zweimalige Substituentenvertauschung an einem asymmetrischen C-Atom ändert dessen absolute Konfiguration nicht). H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 6
 
 CH2OH 5 O C1 OH OH H H
 
 HO HO
 
 1. Substituententausch an C-5
 
 H
 
 H
 
 HO HO
 
 5
 
 OH
 
 6
 
 H
 
 CH2 OH OH
 
 C1
 
 O
 
 H 6 HO CH2 H OH HO 5 O HO C1 H OH H H
 
 2. Substituententausch an C-5
 
 H
 
 Cyclisierung
 
 H
 
 1
 
 C
 
 H
 
 O
 
 HO HO HO
 
 H C OH HO C H 4
 
 H C OH
 
 H
 
 6
 
 CH2
 
 H
 
 5
 
 D-Glucose (al-Form)
 
 H
 
 H
 
 HO HO und HO
 
 O
 
 OH
 
 H
 
 1
 
 OH
 
 H
 
 5
 
 H
 
 α-D-Glucopyranose
 
 5
 
 H C OH
 
 6
 
 CH 2
 
 H
 
 O
 
 OH
 
 1
 
 OH
 
 H
 
 β-D-Glucopyranose
 
 6
 
 CH2OH 6
 
 HO HO
 
 4
 
 CH 2OH
 
 6
 
 CH2OH O C1 OH OH H
 
 1. Substituententausch an C-4
 
 4
 
 OH OH OH
 
 6
 
 CH 2OH
 
 O 1
 
 H
 
 HO
 
 2. Substituententausch an C-4
 
 4
 
 OH OH
 
 OH
 
 O H
 
 1
 
 OH Cyclisierung
 
 CH2OH HO
 
 CH2OH
 
 OH O
 
 und
 
 OH OH
 
 OH
 
 OH O
 
 HO
 
 OH
 
 α-D-Glucofuranose
 
 β-D-Glucofuranose
 
 Abb. 40.3. Cyclisierung der D-Glucose zu α- und β-D-Glucopyranosen sowie α- und β-D-Glucofuranosen
 
 Konformationsanalysen zeigen, daß die beiden D-Glucopyranosen als Sesselkonformere vorliegen, wie sie vom Cyclohexan bekannt sind (Abb. 40.3). Zur einfacheren Darstellung der Pyranosen werden anstelle der Sessel-Konformeren oft die HAWORTH-Projektionsformeln gezeichnet: α - D - Gl u c o p y r a n o s e
 
 HO HO
 
 5
 
 β-D-Glucopyranose
 
 CH 2OH
 
 CH2OH
 
 5
 
 O
 
 OH 1
 
 OH
 
 OH
 
 Sessel-Form
 
 OH
 
 O OH
 
 CH2OH
 
 CH 2OH 1
 
 OH
 
 HAWORTH-Projektion
 
 HO HO
 
 5
 
 5
 
 O OH
 
 1
 
 Sessel-Form
 
 OH
 
 OH OH
 
 O
 
 OH 1
 
 OH
 
 HAWORTH-Projektion
 
 Die Bildung des Cyclohalbacetals (Lactols) erzeugt am ehemaligen Carbonyl-C-Atom ein zusätzliches Asymmetriezentrum. Da die C-5−OH-Funktion von beiden Seiten an die prochirale Carbonyl-Gruppe addieren kann, entstehen zwei Diastereomere, die α-D-Glucopyranose mit axialer OH-Funktion an C-1 cis zur OH-Gruppe an C-2 und die β-D-Glucopyranose mit äquatorialer OHFunktion an C-1 trans zur OH-Gruppe an C-2 (Abb. 40.3). Die als Halbacetal maskierte CarbonylFunktion C-1 ist das "anomere Kohlenstoff-Atom"; α- und β-D-Pyranose-Paare können als Ano-
 
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 40.3
 
 Cyclohalbacetal-Formen und Konformation
 
 865
 
 mere bezeichnet werden. In dieser Terminologie ist die Konfigurationsumkehr an C-1 von der αzur β-D-Glucopyranose eine Anomerisierung oder 1-Epimerisierung. Tab. 40.2 stellt die Aldopyranosen und Aldofuranosen, Tab. 40.3 die Ketopyranosen und Ketofuranosen als Cyclohalbacetale bzw. -ketale der wichtigsten Monosaccharide zusammen. Gezeichnet sind die HAWORTH-Projektionsformeln ohne Festlegung der Konfiguration (α- oder β-) am anomeren C-Atom. Die beiden diastereomeren D-Glucopyranosen werden als α-D-Glucopyranose (anomere Hydroxy-Gruppe unterhalb der Ringebene, Abb. 40.3) und β-D-Glucopyranose (anomere Hydroxy-Gruppe oberhalb der Ringebene), die beiden weniger stabilen Furanosen als α- und βD-Glucofuranosen (Tab. 40.2) bezeichnet. Tab. 40.2. Cyclohalbacetal-Formen der D-Aldosen (Aldopyranosen und Aldofuranosen) D-Aldopyranosen O OH
 
 OH
 
 OH
 
 O HO
 
 OH OH
 
 OH OH D-Ribo-
 
 OH
 
 OH OH
 
 OH D-Arabino-
 
 O
 
 CH2OH
 
 CH2OH
 
 O
 
 O HO
 
 O
 
 OH
 
 OH OH D-AlloCH2OH O
 
 OH
 
 OH
 
 OH D-AltroCH2OH O HO
 
 OH
 
 OH OH D-Gulo-
 
 OH
 
 OH
 
 OH OH
 
 D-Lyxopyranose CH2OH O OH HO
 
 OH
 
 D-Mannopyranose
 
 CH2OH
 
 OH
 
 O
 
 OH
 
 OH D-Galacto-
 
 OH D-Ido-
 
 OH
 
 OH
 
 OH D-Gluco-
 
 OH
 
 OH
 
 OH
 
 OH D-Xylo-
 
 CH2OH OH
 
 O OH HO
 
 OH
 
 CH2OH O OH HO
 
 OH
 
 D-Talopyranose
 
 D-Aldofuranosen O
 
 O OH
 
 OH
 
 OH OH D-ErythroHOH2C
 
 OH D-Threofuranose HOH2C
 
 O
 
 OH
 
 HOH2C
 
 O HO
 
 OH
 
 OH D-Arabino-
 
 OH OH D-RiboHOH2C
 
 HO
 
 O
 
 OH
 
 OH OH D-AlloO
 
 O HO
 
 O HO
 
 OH
 
 D-Gulo-
 
 HO OH
 
 HOH2C OH D-Ido-
 
 HO
 
 O OH
 
 O OH HO
 
 OH
 
 O OH HOH2C
 
 OH
 
 D-Lyxofuranose
 
 OH D-GlucoOH
 
 O OH HO
 
 HOH2C
 
 O OH HO HO
 
 OH D-Galacto-
 
 OH
 
 D-Mannofuranose OH
 
 HO
 
 HO
 
 HOH2C OH
 
 OH
 
 HOH2C
 
 OH D-AltroOH
 
 HO
 
 HOH2C
 
 O OH OH D-Xylo-
 
 HOH2C
 
 HO
 
 OH
 
 HOH2C D-Talofuranose
 
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 OH
 
 866
 
 40 Kohlenhydrate
 
 Tab. 40.3. Cyclohalbketal-Formen der Ketohexosen und Ketopentosen (Ketopyranosen und Ketofuranosen) D-Ketopyranosen OH
 
 O OH
 
 OH
 
 O HO
 
 CH 2OH
 
 OH
 
 OH OH D-Psico-
 
 D-Ketofuranosen
 
 OH
 
 CH 2OH
 
 OH
 
 OH D-Fructo-
 
 OH
 
 O
 
 CH 2OH
 
 HOH2 C
 
 OH
 
 O
 
 CH 2OH OH OH D-Psico-
 
 40.3.2
 
 OH
 
 OH
 
 O OH HO
 
 CH 2OH
 
 CH 2OH
 
 OH
 
 OH D-SorboO OH
 
 OH OH D-RibuloHOH2 C
 
 O
 
 D-Tagatopyranose
 
 OH CH 2OH
 
 OH D-Xylulofuranose HOH2C
 
 OH
 
 O HO
 
 CH 2OH
 
 OH D-Fructo-
 
 O OH
 
 HOH2C
 
 OH CH 2OH
 
 OH D-Sorbo-
 
 OH
 
 O OH HO
 
 CH 2OH
 
 D-Tagatofuranose
 
 Gleichgewichte der Pyranosen und Furanosen
 
 Die acyclische al-Form der Glucose ist nicht isolierbar, tritt jedoch in wäßriger Lösung als Intermediat eines Gleichgewichts zwischen α- und β-D-Glucopyranose auf. Beide Stereoisomere sind kristallisierbar (α aus Wasser, β aus Pyridin), besitzen neben verschiedenen spezifischen Drehwerten (Abb. 40.4) auch unterschiedliche Schmelzpunkte (α: 146 °C, β: 150 °C) und Spektren, weil sie diastereomer sind.
 
 OH an C-1 unterhalb des Rings bzw. nach rechts in der FISCHER-Projektion H
 
 1
 
 C
 
 H
 
 C
 
 HO C H H
 
 4 5 6
 
 C
 
 OH an C-1 oberhalb des Rings bzw. nach links in der FISCHER-Projektion H 1 O C
 
 OH CH2OH
 
 OH H
 
 O
 
 OH
 
 OH OH
 
 H
 
 O
 
 OH
 
 C
 
 C
 
 HO C H
 
 OH
 
 H
 
 4 5 6
 
 CH2OH α-D-Glucopyranose ,
 
 H 6 CH2
 
 HO HO HO
 
 5
 
 H
 
 H
 
 20 [α] D = + 113°
 
 OH
 
 1
 
 H OH OH- an C-1 axial : weniger stabil
 
 H
 
 OH
 
 CH2OH
 
 H
 
 OH
 
 C
 
 OH
 
 C
 
 OH
 
 OH
 
 H 6 CH2
 
 HO HO
 
 5
 
 H H
 
 O
 
 H
 
 OH
 
 H
 
 H
 
 OH
 
 H
 
 β-D-Glucopyranose ,
 
 HO OH OH
 
 C1
 
 H
 
 O
 
 HO HO
 
 C
 
 HO C
 
 CH2OH
 
 D-Glucose (al-Form)
 
 HO O
 
 1
 
 HO C H
 
 H 6 CH2 5
 
 H
 
 H
 
 4 5
 
 C
 
 OH H
 
 O
 
 OH
 
 C
 
 6 CH2OH 20 [α] D = + 19°
 
 O OH
 
 1
 
 OH
 
 H H OH an C-1 äquatorial : stabile all-äquatorial-Konfiguration
 
 Abb. 40.4. Gleichgewicht zwischen der al-Form und der α- sowie β-D-Glucopyranose (FISCHER-TOLLENSRingformeln, HAWORTH-Projektionsformeln und Stereoformeln)
 
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 40.3
 
 Cyclohalbacetal-Formen und Konformation
 
 867
 
 Wie die Aldohexose Glucose liegt die Ketohexose (−)-D-Fructose in Lösung überwiegend als αund β-Anomerenmischung der Pyranose-Form vor (Abb. 40.5). Aus Lösungen kristallisiert nur die β-D-Fructopyranose. O HO OH
 
 CH2OH
 
 O HO CH2OH
 
 OH
 
 OH α-D-Fructopyranose
 
 HOH2C
 
 O HO
 
 CH2OH
 
 C
 
 O
 
 HO C
 
 H
 
 H
 
 C
 
 OH
 
 H
 
 C
 
 OH
 
 CH2OH OH β -D-Fructopyranose (stabilste Form, kristallisierbar) OH
 
 HOH2C
 
 CH2OH D-Fructose (instabile Keto-Form)
 
 OH
 
 OH
 
 O HO
 
 OH CH2OH
 
 OH α-D-Fructofuranose
 
 OH β -D-Fructofuranose
 
 Abb. 40.5. Gleichgewicht zwischen der Keto-Form und den anomeren Pyranosen und Furanosen der Ketohexose (−)-D-Fructose
 
 40.3.3
 
 Mutarotation
 
 Löst man Kristalle der α- und der β-D-Glucopyranose in getrennten Gefäßen in Wasser und mißt jeweils nach gleichen Zeiten die spezifische Drehung der Lösungen mit einem Polarimeter, so sinkt der Drehwert der α-Pyranose-Lösung von zunächst +113° auf den Endwert +52.5°, während er bei der β-Pyranose-Lösung von zunächst +19° auf ebenfalls +52.5° ansteigt. Die in wäßriger Lösung offensichtlich stabilere β-D-Glucopyranose dominiert im Gleichgewicht mit 62 % gegenüber der α-Form (38 %), unabhängig vom kristallinen Anomer, aus dem die Lösung hergestellt wird. Das über die offenkettige Polyhydroxycarbonyl-Zwischenstufe (Abb. 40.4) ablaufende Gleichgewicht zwischen α- und β-Glucopyranose ist als Mutarotation bekannt (lat. mutatio = Änderung, DUBRUNFANT 1846) und eine Variante der Oxo-Cyclo-Tautomerie. Die Mutarotation wird durch Temperaturerhöhung oder in alkalischen Lösungen (pH > 7) beschleunigt. Tab. 40.4 gibt Zusammensetzungen wäßriger Aldose-Lösungen nach Einstellung des Mutarotations-Gleichgewichts. Tab. 40.4. Gleichgewichtszusammensetzungen (Gew. %) wäßriger Aldose-Lösungen Monosaccarid
 
 α-Pyranose
 
 β-Pyranose
 
 α-Furanose
 
 β -Furanose
 
 Allose Altrose Glucose Mannose Gulose Idose Galactose Talose
 
 18 27 36 67 22 31 27 40
 
 70 40 64 33 78 37 73 29
 
 5 20
 
 7 13
 
 Ribose Arabinose Xylose Lyxose
 
 21.5 61 35 71
 
 58.5 35 65 29
 
 Furanosen insgesamt 
 
 Rib-5-P. Rib-5-P ist relativ labil aufgrund der erhöhten Nucleophilie an C-5 und geringerer sterischer Hinderung. Der hydrolytische Abbau von Ribonucleinsäuren mit konzentriertem, wäßrigem Ammoniak bei 180 °C liefert die vier Ribonucleoside Adenosin, Guanosin, Cytidin und Uridin. Unter diesen Bedingungen geben Deoxyribonucleinsäuren kein Hydrolysat; RNA ist also gegenüber Alkali weniger stabil als DNA. Bei Einwirkung von wäßriger Mineralsäure resultieren nur Pyrimidin-5'deoxyribotide. Alle anderen Nucleotide werden zerstört.
 
 41.2.2
 
 Enzymatische Spaltung von Polynucleotiden
 
 Bedeutender als chemische Abbaumethoden sind enzymatische Verfahren. Als Nucleasen bezeichnete Enzyme spalten in der DNA oder RNA innerhalb der Polynucleotid-Kette (Endonucleasen) oder an den Enden (Exonucleasen). Diese spezifisch spaltenden Enzyme ermöglichen Sequenzanalysen von Nucleinsäuren und molekularbiologische Arbeiten.
 
 41.3 Eigenschaften von Nucleosiden und Nucleotiden 41.3.1
 
 Eigenschaften der Phosphat-Gruppe
 
 Orthophosphat bildet schwerlösliche Metallkomplexe mit Ca2+, Fe3+, Al3+, während die Alkaliphosphate leicht löslich sind. Diese Tatsache nützt man auch bei der Isolierung und Reinigung von Nucleotiden aus. Durch ihre negativen Ladungen induzieren Phosphat-Gruppen starke elektrostatische Wechselwirkungen mit hochmolekularen, polaren Molekülen, z. B. mit positiv geladenen Proteinen (DNA-Bindeproteine). Eine der wesentlichen Eigenschaften der Phosphatgruppe ist ihr in Zusammenwirkung mit dem Zucker-Rest ausgeprägter hydrophilisierender Einfluß auf die nur wenig wasserlöslichen heterocyclischen Basen. Kaum ein Vorgang in der Zelle läuft ohne Phosphat-Umsetzungen ab. Unter den gruppenübertragenden Prozessen in der Biochemie hat deshalb das Phosphat-Gruppen-Transferpotential des ATP besondere Bedeutung. Der Wert ∆G = − 30 kJ / mol liegt im Vergleich zu Zuckerphosphaten (Glucose-6-phosphat: ∆G = − 6.6 kJ / mol) relativ hoch. Dieser Energiebetrag wird frei, wenn 1 mol der terminalen Gruppe des Donators ATP auf das Akzeptormolekül H2O (Standard-Akzeptor) übertragen wird. Er deckt gerade den Energiebedarf der Phosphorylierung des Kreatins, wie die folgende Energiebilanz zeigt: ATP + Kreatin +
 
 H 2O 2− HPO4
 
 ADP + ADP +
 
 ATP +
 
 Kreatin
 
 ADP +
 
 2−
 
 HPO4 2− HPO4 Kreatin-P
 
 ∆ G = − 30 kJ / mol ∆ G = + 30 kJ / mol ∆G =
 
 0 kJ / mol
 
 Die in ATP gespeicherten sogenannten Standard-Energiemengen sind je nach Art der PhosphatFreisetzung unterschiedlich: ATP + ATP + PP +
 
 H 2O H 2O H 2O
 
 2−
 
 ADP + HPO4 AMP + PP 2− 2 HPO4
 
 ∆ G = − 30 kJ / mol ∆ G = − 36 kJ / mol ∆ G = − 28 kJ / mol
 
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 900
 
 41 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
 
 41.3.2
 
 Löslichkeit
 
 Pyrimidin- und Purinbasen, Nucleoside und Nucleotide zeigen sehr unterschiedliche Löslichkeiten, deren Kenntnis bei Isolierungen, chromatographischen Trennungen und spektroskopischen Untersuchungen nützt. Die Stammheterocyclen Pyrimidin und Purin lösen sich sehr gut in Wasser, während alle Hydroxy- und Amino-Derivate zum Teil erheblich schlechter löslich sind. Alle schwer löslichen Purine oder Pyrimidine lösen sich nach Zusatz von verdünntem Alkalihydroxid oder Säure gut in Wasser und lassen sich durch Neutralisation wieder fällen. Zum Auflösen von 1 g Uracil werden 280 g, von 1 g Harnsäure 39 480 g Wasser benötigt.
 
 41.3.3
 
 Tautomerie-Gleichgewichte
 
 Soweit die Nucleobasen Hydroxyprimidine und Hydroxypurine sind, können sie als LactamLactim-Tautomere auftreten, wie die Beispiele Thymin und Guanin zeigen: OH N HO
 
 N
 
 O
 
 O
 
 O
 
 H2N
 
 Aminolactim
 
 N H
 
 Dilactam (Bislactam)
 
 N
 
 HN
 
 N H
 
 N
 
 O
 
 N H
 
 Tautomere des Thymins
 
 N
 
 CH3
 
 HN
 
 Lactim-Lactam
 
 OH
 
 H 2N
 
 CH 3
 
 N
 
 Dilactim (Bislactim)
 
 N
 
 O
 
 OH CH3
 
 N
 
 N
 
 HN
 
 N H
 
 HN
 
 Aminolactam
 
 N H
 
 N H
 
 Iminolactam
 
 Tautomere des Guanins
 
 Dagegen ist IR- und NMR-spektroskopisch erwiesen, daß die Amino-Gruppe in allen Nucleobasen als solche vorliegt, also kein Imino-Tautomer auftritt: NH
 
 NH 2 N
 
 N N
 
 N H
 
 Amino-
 
 N
 
 HN N des Adenins
 
 N H
 
 Imino-Tautomer
 
 Die Existenz der Hydroxy-Nucleobasen als Oxo-Tautomere ist u. a. entscheidend für die Wasserstoffbrücken-Bindung zwischen komplementären Nucleobasen (Kap. 41.3.5). Durch pH-Änderungen kann das Gleichgewicht stark beeinflußt werden. Der pK-Wert der Lactam-Gruppe von U, T und G liegt bei 9.5. Im alkalischen Bereich besteht somit ein Dissoziationsgleichgewicht, welches mit einem Tautomeriegleichgewicht gekoppelt ist. Im übrigen kann der elektronische Grundzustand des Strukturelements (−NHCO−) ähnlich wie bei Säureamiden und der Peptid-Bindung durch mesomere Grenzformeln beschrieben werden. O H
 
 N
 
 O H
 
 OH
 
 N
 
 Lactam, stabilisiert durch Amid-Mesomerie
 
 O
 
 Dissoziation
 
 O
 
 − [H+]
 
 Tautomerie
 
 N Lactim
 
 + [H+]
 
 N
 
 N
 
 mesomeriestabilisiertes Amid-Anion
 
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 41.3
 
 Eigenschaften von Nucleosiden und Nucleotiden
 
 41.3.4
 
 901
 
 Dissoziationsverhalten von Nucleotiden
 
 Durch Titrationsmethoden können die pK-Werte und Dissoziationskonstanten der polyfunktionellen Nucleotide ermittelt werden. So findet man für die Phosphat-Gruppe des 2'-AMP einen größeren pK-Wert als im 3'-AMP. Der Grund ist die kleinere Ladungsdichte des 2'-AMP und somit eine geringere Ladungstrennung; 3'-AMP besitzt eine größere Ladungsdichte und eine entsprechend weitergehende Ladungstrennung. Die pK-Werte der Amino-Gruppe in 6-Stellung des Adenins ändern sich deutlich beim Übergang zum Nucleosid und Nucleotid, was weniger durch induktive Effekte bei der Substitution an N-7 und mehr durch Änderungen der Hydrathülle ausgelöst wird. 4.15 NH 2
 
 N
 
 3N
 
 5 7
 
 pK-Werte 9.8
 
 3.45 NH 2
 
 N
 
 1
 
 N
 
 N
 
 H
 
 N
 
 HO
 
 O
 
 12.5
 
 41.3.5
 
 N
 
 1. 0.7 - 1.6 2. 6.2
 
 O
 
 HO
 
 N
 
 OH
 
 HO Adenin
 
 3.8 NH 2
 
 N
 
 OH
 
 P
 
 N
 
 O
 
 N
 
 O OH
 
 HO
 
 Adenosin
 
 N
 
 Adenosin-5´-monophosphorsäure
 
 Bildung von Basenpaaren und Komplementärprinzip
 
 Nucleobasen enthalten Amino- und Amido-Funktionen als Wasserstoffbrücken-Donoren sowie Carbonyl- und Imino-Gruppen als Akzeptoren, wie das Beispiel Cytosin zeigt. Daher gibt es drei Möglichkeiten zur Bildung von Wasserstoffbrücken:
 
 H
 
 Donor
 
 N
 
 H
 
 Akzeptor N Akzeptor O
 
 N H N H Donor
 
 Amino-Gruppe von A , G , C
 
 O C Oxo-Gruppe von T , C , G
 
 N Ring-IminoGruppe von A , C
 
 H N Ring-AminoGruppe von G , T
 
 N Ring-IminoGruppe von A , C
 
 +
 
 H N Ring-IminoGruppe von C
 
 Cytosin
 
 Je nach vorliegendem Tautomer kann dieselbe Stelle eines Moleküls als WasserstoffbrückenDonor und Akzeptor wirken. Ein Beispiel ist Cytosin, wobei Protonenakzeptor-Stellen einen zum Molekül hinführenden Pfeil, Donor-Stellen einen nach außen weisenden tragen. Ein solcher Wechsel der Cytosin-Affinität gegenüber Protonen spielt möglicherweise bei der Konformation der RNA eine Rolle. Abb. 41.4 illustriert die Ausbildung von Wasserstoffbrücken am Beispiel der Basenpaare A=T (zweifach) und G≡C (dreifach). Man nennt die Nucleobasen dieser Paare komplementär. Infolge dieser Basenpaarung lassen sich die Amino-Gruppen der Cytosin-Reste nicht mehr titrieren. Zusätzliche Wasserstoffbrücken existieren zwischen Zucker-Hydroxy- und Oxo-Gruppen bzw. Nhaltigen Akzeptoren, sowie zwischen Phosphat-Anionen und Ammonium-Kationen, wobei interionische Wechselwirkungen die Hauptrolle spielen.
 
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 902
 
 41 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
 
 Die Wasserstoffbrücken-Bildung zwischen den komplementären Nucleobasen (Abb. 41.4) hat folgende Konsequenzen: Es bildet sich ein ebenes Basenpaar; hydrophile Zucker- und Phosphat-Reste stehen nach außen ins wäßrige Medium ab (Abb. 41.4, 41.6). Es ergibt sich ein Energiegewinn von rund 3 bzw. 2 x 22 kJ/mol bei jeder Basenpaarung. Es resultiert eine Senkung der Entropie des Systems gegenüber den dissoziierten Basen.
 
 N R
 
 284
 
 O
 
 N
 
 N H N N H H
 
 H
 
 H H N
 
 284 284
 
 N
 
 N
 
 R
 
 N O
 
 H
 
 282
 
 291
 
 N
 
 H
 
 C
 
 O
 
 CH3
 
 N
 
 N
 
 N O
 
 R
 
 1085 pm
 
 G
 
 N
 
 N
 
 R
 
 1085 pm
 
 A
 
 T
 
 Abb. 41.4. oben: Basenpaare mit Wasserstoffbrücken in der DNA, unten: Stab-Modelle der Desoxyriboside mit eingezeichneten Wasserstoffbrücken der Nucleobasen. Die jeweils rechts gezeichneten Nucleoside C und T sind in den nach oben laufenden Strang der DNA (Abb. 40.5 b von unten) eingebaut, G und A befinden sich im nach unten führenden Strang (Atomabstände in pm; R = 2-Desoxyribosyl wie in den Modellen)
 
 41.3.6
 
 Die Doppelhelix der DNA
 
 Nach dem von WATSON und CRICK entwickelten Modell (Abb. 40.5) bildet die DNA eine Doppelhelix. Diese besteht aus zwei sequenzgleichen gegenläufig spiralig aufgewundenen PolynucleotidSträngen. Innerhalb der helikalen Struktur des Deoxy-D-ribosepolyphosphat-"Rückgrats" befinden sich die Nucleobasen. Dabei steht einem Adenin stets ein Thymin, einem Cytosin stets ein Guanin gegenüber. Diese innerhalb der Doppelhelix liegenden Basenpaare sind durch drei (C≡G) bzw. zwei (A=T) Wasserstoffbrücken-Bindungen verbunden und liegen jeweils auf einer Ebene. Die Polynucleotid-Stränge sind demnach in Bezug auf die Sequenzen ihrer Nucleobasen komplementär, damit sie durch die Basenpaare A=T und G≡C stabil zusammengehalten werden. Die Doppelhelix (Abb. 41.5, 41.6) hat einen konstanten Durchmesser von 2.2 nm, weil jeder Purin- eine Pyrimidin-Base gegenübersteht. In der DNA ist die Summe (A+G) gleich der Summe (C+T). Stets gilt A:T und G:C = 1:1. Dagegen kann das Verhältnis der komplementären Basen, (A+T) / (G+C), variieren. Stets bilden 10 Basen eine Umdrehung der Spirale, was in der Längsrichtung einen Abschnitt von 3.4 nm bedeutet. Die beiden (in allen Lebewesen der Erde rechts-
 
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 41.3
 
 Eigenschaften von Nucleosiden und Nucleotiden
 
 903
 
 händigen) Stränge der Doppelhelix laufen entgegengesetzt in der Spirale (Abb. 41.6) als stereochemische Folge der Komplementarität.
 
 Abb. 41.5. WATSON-CRICK-Modell: Schematische Darstellung der 3',5'-Internucleotid-Bindungen der DNADoppelhelix mit den Windungen der auf- und abwärts laufenden Zuckerphosphat-Stränge und den innerhalb der Helix liegenden aufeinandergeschichteten Basenpaaren (A, T, G, C = Nucleobasen; D = Deoxyribose; P = Phosphat). (a) bandförmige Darstellung der Zuckerphosphat-Helices mit dazwischen liegenden Basenpaaren, (b) Darstellung in Symbol-Schreibweise, (c) Skizze des Kalottenmodells [nach BENNETT (1966) in FRIEDEN, Modern Topics in Biochemistry, MacMillan Publishing Co. Inc., New York]
 
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 904
 
 41 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
 
 Abb. 41.6. Berechnete Stab- und Kalotten-Modelle der Sequenz ATGCATGCATGC, Stab-Modell mit eingezeichneten Helix-Bändern (C: schwarz; H: weiß; O: rot; N: blau; P: orange)
 
 An der Stabilisierung der Doppelhelix sind neben den zwei- und dreifachen Wasserstoffbrücken zwischen den Basen weitere Effekte beteiligt. Zum einen sind das hydrophobe Wechselwirkungen, die durch Stapelung der Heterocyclen (Basenstapelung, stacking) hervorgerufen werden; zum anderen ist es ein stabilisierendes Netzwerk, das durch Wasserstoffbrücken zwischen Wassermolekülen und den gegenläufigen Phosphat-Zucker-Ketten geknüpft wird. Die Stabilisierung durch Wassermoleküle soll aus der Schwächung der elektrostatischen Abstoßung zwischen den Phosphat-Anionen beider Ketten resultieren (dielektrische Abschirmung). Für diese Annahme spricht auch die Stabilisierung der DNA durch einen höheren Salzgehalt (ionische Abschirmung).
 
 41.3.7
 
 Detektion der DNA-Denaturierung durch UV-Spektroskopie
 
 HPLC und UV-Spektroskopie sind die wichtigsten Reinheitstests für Nucleotide. Sie ermöglichen eine schnelle quantitative Bestimmung. Die vier RNA-Basen zeigen im Bereich von 260 - 280 nm eine starke, pH-abhängige UV-Absorption.
 
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 41.3
 
 Eigenschaften von Nucleosiden und Nucleotiden
 
 905
 
 In der DNA-Doppelhelix (Abb. 41.5) liegen die Heterocyclen-Paare planar aufeinander (Basenstapelung). Daraus resultiert eine starke Hypochromie (Abnahme der Absorption, Kap. 28.2.5), welche bis zu 35 % betragen kann. Dieser Effekt ist erheblich größer als die Summe der molaren Absorptionen monomerer DNA-Stränge. Bricht die Basenstapelung infolge Zerstörung der Doppelhelix durch Erhitzen zusammen, so zeigt sich dies an einer Hyperchromie im UV-Spektrum (Absorptionserhöhung bei 260 nm, Abb. 41.7). Diese thermische Denaturierung kommt der Auflösung einer geordneten Struktur gleich (Abb. 41.8). Dabei werden ähnlich starke spektrale Änderungen innerhalb eines engen Temperaturbereichs beobachtet wie beim Schmelzen von Kristallen. Deshalb bezeichnet man Kurven wie in Abb. 41.7 als Schmelzkurven und den Wendepunkt bei dem steilen Anstieg der Absorption sinngemäß als Schmelzpunkt (ϑm, m für engl. melting).
 
 Abb. 41.7. Nachweis der thermischen Denaturierung einer DNA durch temperaturabhängige UVAbsorptionsmessungen bei 260 nm (Schmelzkurven). Kurve a resultiert beim Erwärmen. Beim anschließenden langsamen Abkühlen (Kurve b) läßt sich die Doppelhelix weitgehend renaturieren, während rasches Abkühlen (Kurve c) eine bleibende Denaturierung bewirkt.
 
 Abb. 41.8. Verschiedene Stufen der thermischen Denaturierung der DNA
 
 Ist dieser Konformationswechsel reversibel, so beobachtet man bei der Wiederbildung einer Doppelhelix Hypochromie (Abb. 41.7). Die Hypochromie bei der Stapelung wird als Folge von COULOMB-Wechselwirkungen zwischen Dipolen, die durch die Lichtabsorption induziert werden, erklärt. Das Ausmaß dieser Wechselwirkung hängt von der Orientierung der Dipole relativ zuein-
 
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 906
 
 41 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
 
 ander ab. Da bei "random coil"-Strukturen (statistisch verteilte Knäuel-Strukturen) nur eine zufällige Orientierung existiert, resultiert keine gerichtete Wechselwirkung und somit keine Hypochromie. Bei paralleler Orientierung der Dipole wie in der ursprünglichen, sogenannten nativen DNA erfolgt andererseits ein Abfall der molaren Extinktion. Der ϑm-Punkt in der Temperaturskala, bei dem der scharfe Übergang von der Doppelhelix in die random-coil-Struktur stattfindet, kann je nach Herkunft der DNA sehr unterschiedlich liegen. Die Schmelzpunkte ϑm verschiedener DNAs hängen linear vom Prozentgehalt an G≡C-Paaren ab, was sich als Folge der stärkeren Paarung durch eine dreifache Wasserstoffbrückenbindung zwischen G und C gegenüber der nur zweifachen der T=A-Paare erklären läßt. Ferner hängt ϑm vom pH, von zugesetzten organischen Lösemittel und von der Ionenstärke ab. Die Schmelzkurve verschiebt ihren Wendepunkt ϑm nach tieferen Temperaturen z. B. mit abnehmender Ionenstärke. Die Doppelhelix stabilisiert sich, wenn positiv geladene Gegenionen die anionischen Phosphat-Reste von außen neutralisieren. Bereits destilliertes Wasser führt bei Raumtemperatur zur irreversiblen Zerstörung der nativen DNA-Struktur.
 
 41.3.8
 
 Seltene Basen und RNA-Konformation
 
 Zur Aufklärung seltener Nucleotide trägt hauptsächlich die Gaschromatographie-Massenspektrometrie flüchtiger Trimethylsilylether (TMS) von Nucleinsäure-Hydrolysaten bei. In der t-RNA (t von transfer), aber auch im Intermediär-Metabolismus erfüllen diese seltenen Basen spezielle Funktionen. Wären nur die drei Pyrimidine Uracil, Thymin, Cytosin und die beiden Purine Adenin und Guanin als Nucleobasen einer RNA verfügbar, so würde nach dem WATSON-CRICK-Modell aufgrund des Komplementärprinzips ausschließlich die einheitliche Konformation einer Doppelhelix resultieren. t-RNAs sind jedoch so variabel und relativ komplex gebaut, weil sie seltenere Basen enthalten, welche die Tertiärstruktur und damit auch die Spezifität prägen (Abb. 41.9). Verbreitete Pyrimidin-Basen der RNA sind außer dem Schwefelanalogon 2-Thiouracil methylierte Pyrimidine wie 5-Methylcytosin und 5-Hydroxymethylcytosin (in DNA), 1-Methylcytosin, 1Acetylcytosin, 1-Methyluracil (in RNA), Dihydrouracil, das C-Glycosid Pseudouridin (ψ, in tRNA). NH2 H3C
 
 N N
 
 NH 2
 
 NH2
 
 N
 
 N
 
 HOH2C O
 
 N
 
 H
 
 N
 
 O
 
 H
 
 5-Methylcytosin
 
 5-Hydroxymethylcytosin
 
 O
 
 O NH
 
 NH
 
 O
 
 N
 
 O
 
 N
 
 CH3
 
 CH3
 
 1-Methylcytosin
 
 O NH
 
 O
 
 1-Methyluracil
 
 S
 
 N
 
 CH 3
 
 H
 
 Dihydrouracil
 
 Thiouracil
 
 Von den Purin-Basen sind neben Hypoxanthin wiederum methylierte Derivate wie 1-Methylhypoxanthin (in t-RNA), 1- und 7-Methylguanosin sowie 1-, 2- und 7-Methyladenosin bedeutende Komponenten der RNA. O
 
 O N
 
 HN N
 
 N H
 
 Hypoxanthin
 
 H3C
 
 N N
 
 O N
 
 H 3C
 
 N
 
 H 2N
 
 H 1-Methylhypoxanthin
 
 O N
 
 N N
 
 N H
 
 1-Methylguanin
 
 HN H2N
 
 NH2 N
 
 N
 
 N CH3
 
 7-Methylguanin
 
 N
 
 N N
 
 N CH 3
 
 7-Methyladenin
 
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 41.4
 
 Replikation der DNA
 
 907
 
 Methyl-Gruppen behindern die Ausbildung von Wasserstoffbrücken zwischen T=A-, U=A- und G≡C-Paaren, so daß sich nichthelikale, auch makrocyclische Bereiche in den RNA-Strängen bilden können (Abb. 41.9). Man bezeichnet makrocyclische Bereiche, die besonders in den t-RNAs auftreten, auch als Loops (Schleifen). Loops sind bevorzugte Angriffsstellen für abbauende oder modifizierende Enzyme sowie chemische Reagenzien.
 
 G
 
 A
 
 U
 
 G
 
 hU
 
 C
 
 G
 
 C
 
 C
 
 G C
 
 G
 
 G
 
 G hU
 
 G
 
 C
 
 G
 
 C
 
 G
 
 U
 
 C
 
 G
 
 Ala
 
 C
 
 G
 
 C
 
 A
 
 G
 
 G C
 
 C
 
 U
 
 C
 
 U
 
 C
 
 C
 
 G
 
 U U G
 
 A
 
 G T
 
 U*
 
 ψ
 
 C
 
 G A G
 
 U
 
 A
 
 Helix C
 
 G
 
 C
 
 G
 
 C
 
 G
 
 U
 
 A
 
 U
 
 C m2 G
 
 Loop
 
 C
 
 U
 
 C
 
 Abb. 41.9. Sequenz der Alanin-transfer-RNA mit ungewöhnlichen Basen in nicht helicalen Bereichen: m 1G = 1-Methylguanosin, hU = Dihydrouridin, m 2G = Dimethylguanosin, m 1 I = 1-Methylinosin, ψ = Pseudouridin, U* = Uridin und Dihydrouridin
 
 C
 
 G
 
 m1G G
 
 A
 
 A
 
 ψ
 
 m1 I
 
 U I
 
 G
 
 C
 
 41.4 Replikation der DNA Bei der enzymatisch gesteuerten Replikation (Verdoppelung) öffnet die DNA-Doppelhelix die Wasserstoffbrücken zwischen ihren Basenpaaren. Dabei bilden sich getrennte DNA-Stränge, die komplementäre Nucleotide durch Basenpaarung an sich heften und erneut über DiphosphatBindungen verknüpfen, so daß zwei neue, identische DNA-Doppelhelices entstehen (Abb. 41.10). T
 
 A
 
 T
 
 A
 
 T
 
 G
 
 C
 
 G
 
 C
 
 G
 
 T
 
 C
 
 G
 
 C
 
 G
 
 C
 
 C
 
 G
 
 A
 
 T
 
 A
 
 T
 
 A
 
 G
 
 C
 
 T
 
 A
 
 A
 
 DNA-Doppelhelix
 
 Trennung der Doppelhelix
 
 Bindung komplementärer Nucleotide
 
 Knüpfung der DiphosphatBindungen
 
 A
 
 T
 
 A
 
 T
 
 C
 
 C
 
 G
 
 C
 
 G
 
 G
 
 G
 
 C
 
 G
 
 C
 
 T
 
 T
 
 A
 
 T
 
 A
 
 A
 
 getrennte DNA-Stränge
 
 Stränge mit komplementären Nucleotiden
 
 duplizierte DNA (Doppelhelices)
 
 Abb. 41.10. Vereinfachtes Schema zur Replikation der DNA
 
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 908
 
 41 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
 
 Die fadenförmige, im Elektronenmikroskop auf den Chromosomen des Zellkerns sichtbare DNA trägt in Form von Teilsequenzen der Nucleobasen die als Gene bezeichneten Erbinformationen. Die biologische Funktion der DNA beruht auf ihrer einzigartigen Sekundärstruktur, der Doppelhelix, und ihrer damit verbundenen Fähigkeit zur Replikation (Abb. 41.10) bei der Zellteilung. Dadurch wird die genetische Information in völliger Identität auf die neue Zelle übertragen; Sequenzveränderungen durch Mutation oder Genmanipulation werden so auf neue Zellkerne vererbt. Von den an der Replikation beteiligten Enzymen spielt die DNA-Polymerase eine Hauptrolle bei der Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction nach MULLIS, abgek. PCR). PCR vervielfältigt enzymatisch in vitro selektiv und schnell eine bestimmte DNA-Sequenz, z. B. aus einem Haar oder Speichelrest, und macht sie dadurch der Gentechnologie und Analyse zugänglich, auch zur "genetischen Erkennung". Hierzu wird die DNA mit der gesuchten Sequenz thermisch (94 °C) in die beiden Einzelstränge zerlegt (1). Beim Abkühlen auf 50 °C blockieren zugesetzte synthetische Oligonucleotide (Primer) durch Basenpaarung Anfang und Ende der gewünschten Sequenz und unterbinden so die Reassoziation (2). Beim Erhitzen auf die optimale Wirkungstemperatur (72-75 °C) der DNA-Polymerase aus hitzeresistenten Bakterien, z. B. Thermus aquaticus, wird die zwischen den Primern liegende DNA-Sequenz dupliziert (3). Erneutes Erhitzen auf 94 °C startet einen neuen Verdoppelungscyclus (1-3). Automatisiert sind innerhalb kurzer Zeit im "Thermocycler" 20 Cyclen möglich, so daß die Sequenz um 220 vervielfacht wird.
 
 41.5 DNA, RNA und die Biosynthese der Proteine Die als Gene bezeichneten Teilsequenzen der DNA verschlüsseln u. a. die Aminosäure-Sequenzen der Proteine (genetischer Code). Spezifische Basentripletts (Codons, 43 = 64 pro Aminosäure) in der DNA legen dabei den Einbau einer bestimmten Aminosäure in der Sequenz fest. Zum Lesen des genetischen Codes wird die DNA-Sequenz nach Trennung der Doppelhelix durch Basenpaarung in eine komplementäre m-RNA-Sequenz (m steht für messenger = Bote) umgeschrieben (Transkription), wobei Adenin A durch Uracil U ersetzt wird (Abb. 41.11). Aus den die Aminosäure Phenylalanin codierenden DNA-Sequenzen AAA und AAC werden z. B. die m-RNACodons UUU und UUG. Die Codons der m-RNA steuern nach Übertritt in das Cytoplasma die Protein-Synthese in den Ribosomen durch Aufbau der t-RNA (t steht für transfer = übertragen), wobei jedes Aminosäurecodon der m-RNA in das komplementäre Anticodon der t-RNA übersetzt wird (Translation); aus UUG als Codon für Phenylalanin in der m-RNA wird z. B. das Anticodon AAC in der t-RNA (Abb. 41.11). DNA-Doppelhelix
 
 DNAEinzelstrang
 
 t-RNA auf Ribosom
 
 m-RNA mit Codons
 
 Zellkern
 
 Cytoplasma
 
 RibonucleotidMonomere
 
 A U
 
 Transport zum Cytoplasma
 
 U
 
 A
 
 A U
 
 U
 
 A
 
 C
 
 G
 
 C
 
 G
 
 aktivierte Aminosäuren Proteinbiosynthese
 
 Phe Phe
 
 komplementäre m-RNA mit Codons
 
 komplementäre t-RNA mit Anticodons
 
 Ribosom mit Phe-haltiger Proteinsequenz
 
 Phe-haltige Proteinsequenz
 
 Abb. 41.11. Sehr vereinfachtes Schema zur Biosynthese der Proteine
 
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 41.6
 
 Nucleosid- und Nucleotid-Synthesen
 
 909
 
 Die Proteinbiosynthese vollzieht sich in den Ribosomen als "Zellreaktoren". Dabei wird eine der 20 Proteinaminosäuren durch die hochspezifische Aminoacyl-t-RNA-Synthetase zunächst an die 5'-Phosphat-Gruppe des AMP gebunden. Die im gemischten Anhydrid aktivierte Aminosäure wird enzymatisch auf die 3'-Hydroxy-Gruppe der Transfer-Ribonucleinsäure (t-RNA) übertragen. In dieser Form spielt der Aminosäure-3'-ribosylester die Rolle des Aktivesters, welcher mit der Amino-Gruppe der wachsenden Peptid-Kette reagieren kann. Aminosäure-5´-AMP (gemischtes Anhydrid)
 
 H3 N
 
 R
 
 O
 
 O
 
 CH
 
 C
 
 O P
 
 O
 
 Adenyl
 
 CH2 O
 
 −
 
 O
 
 Aminosäure-3´-t-RNA (Aktivester)
 
 tRNA
 
 tRNA
 
 AMP
 
 CH2
 
 Adenyl O
 
 R
 
 Enzym HO
 
 O
 
 H3 N
 
 OH
 
 CH
 
 C
 
 O
 
 OH R'
 
 O ADP
 
 H2 N
 
 Peptid
 
 tRNA
 
 ATP R CH
 
 CO
 
 Enzym
 
 Enzym
 
 H2 N
 
 CH
 
 R'
 
 R H2N
 
 CO2H
 
 CH
 
 C
 
 NH
 
 CH
 
 CO
 
 Peptid
 
 O
 
 41.6 Nucleosid- und Nucleotid-Synthesen 41.6.1
 
 Synthese von Nucleosiden
 
 Wie das Beispiel Thymidin zeigt, gelingen N-Glycosidierungen nach dem Prinzip der KÖNIGSKNORR-Synthese aus Glycosylhalogeniden und Nucleobasen, deren zu glycosidierendes N-Atom aktiviert werden muß, weil die in den Basen oft vorliegenden Lactam-N-Atome nicht nucleophil sind. Bei Pyrimidin-Nucleobasen wie Thymin wird diese Aktivierung durch die QuecksilberKomplexe realisiert, welche das nucleophile Lactim-Tautomer stabilisieren. Nicht glycosidische OH-Funktionen müssen vor der Glycosidierung geschützt werden, z. B. durch Acylierung mit pToluoylchlorid. Nach der N-Glycosidierung läßt sich die Toluoyl-Schutzgruppe durch Alkalihydroxid abspalten. CH 3
 
 CH 3 O H3C
 
 O C
 
 Cl +
 
 O
 
 O
 
 C O
 
 N N
 
 O
 
 − 1/2 HgCl2
 
 N
 
 O
 
 O
 
 C O
 
 + 2 H2 O − ( OH )
 
 O
 
 CO2H −2
 
 O CH 3
 
 O
 
 H 3C
 
 NH
 
 O C
 
 Hg
 
 O
 
 O
 
 H 3C
 
 CH3
 
 NH N
 
 HO
 
 O HO
 
 CH3
 
 Thymidin
 
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 O
 
 910
 
 41 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
 
 Eleganter ist die VORBRÜGGEN-N-Glycosidierung peracylierter Furanosen und Pyranosen mit trimethylsilylierten Nucleobasen in Gegenwart von LEWIS-Säuren. 2-Desoxy-Zucker geben dabei wegen der fehlenden Nachbargruppen-Steuerung ein Gemisch der α- und β-Anomeren. O
 
 H3C
 
 NH
 
 OSi(CH3)3 AcO
 
 O AcO
 
 H3C
 
 OAc
 
 N
 
 + N
 
 OAc
 
 1.) LEWIS-Säure 2.) + 6 H 2O
 
 HO
 
 − 2 (H 3C)3SiOH − 4 H 3C−CO2H
 
 OSi(CH3)3
 
 N O HO
 
 O
 
 OH
 
 Aus dem mit Hexamethyldisilazan (Kap. 31.3.5) in situ dargestellten, trimethethylsilylierten Guanosin ist das synthetische Nucleosid-Analogon Acyclovir (Aciclovir) zugänglich; es inhibiert die DNA-Replikation (nicht nur) der Viren und wirkt daher antiviral, z. B. gegen Herpes simplex. OSi(CH 3)3 N
 
 N H
 
 N
 
 N
 
 Si(CH 3)3
 
 41.6.2
 
 N H
 
 O O
 
 +
 
 Cl
 
 O
 
 1.) N(C2H5) 3 2.) + 2 H2O
 
 C 6H 5
 
 O
 
 − HCl
 
 3.) + NH 3 (CH3OH)
 
 − 2 (H 3C)3SiOH
 
 − C6H5CONH2
 
 N
 
 HN H 2N
 
 N
 
 N O
 
 OH
 
 9-[(2-Hydroxyethoxy)methyl]guanin (Acyclovir, Aciclovir)
 
 Phosphorylierungen
 
 Zur chemischen Synthese von Nucleotiden in vitro müssen die Nucleobasen zu den Nucleosiden N-glycosidiert und die Nucleoside nach Einführung von Schutzgruppen zu den Nucleotiden phosphoryliert werden. Die zur Synthese von Nucleotiden notwendigen Veresterungen von Alkohol-Funktionen in Ribose und Deoxyribose mit Phosphorsäure-Derivaten bezeichnet man als Phosphorylierungen. Wegen ihrer Trifunktionalität kann Phosphorsäure mit Alkoholen Mono-, Di- und Triester bilden: O
 
 + ROH, − H2O
 
 HO P OH OH
 
 O HO P OR
 
 + ROH, − H2O
 
 O HO P OR
 
 OH
 
 + ROH, − H2O
 
 OR
 
 Monoester
 
 O RO P OR OR
 
 Diester
 
 Triester
 
 Daher ist der Einsatz von Chloriden, Anhydriden, gemischten Anhydriden und aktivierten Estern der Phosphorsäure als Reagenzien zur Veresterung komplizierter als bei Carbonsäuren. Gebräuchliche Phosphorylierungs-Reagenzien sind Phosphorsäureesterhalogenide, Phosphorsäureamidhalogenide sowie Carbodiimide und Triisopropylbenzensulfonsäurechlorid. Phosphorylierungen mit Phosphorsäureesterhalogeniden Aus Phosphoroxidchlorid (Phosphorylchlorid) und Phenol läßt sich eine destillativ trennbare Mischung der Phosphorsäureesterhalogenide Phenyldichlorphosphat und Diphenylchlorphosphat herstellen. O 3
 
 OH
 
 +
 
 Cl P Cl Cl
 
 (Base) − 3 HCl
 
 O C 6H 5O P Cl Cl
 
 O +
 
 C 6H 5O P Cl OC 6H 5
 
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 41.6
 
 Nucleosid- und Nucleotid-Synthesen
 
 911
 
 Beide reagieren mit Alkoholen zu Triestern, aus denen durch selektive Abspaltung des PhenylRestes (Hydrierung mit Pt/H2 oder alkalische Verseifung) Phosphorsäuremono- bzw. diester hervorgehen. O
 
 R
 
 C6H 5O P Cl
 
 +
 
 Pyridin
 
 H O
 
 − HCl
 
 OC 6H5 Diphenylchlorphosphat
 
 O HO P OR
 
 OC 6H5
 
 Pyridin
 
 + 2 HO R
 
 − 2 HCl
 
 Cl
 
 Phenyldichlorphosphat
 
 +
 
 2 C 6H5OH
 
 +
 
 C 6H5OH
 
 OH
 
 gemischter Triester
 
 O C6H 5O P Cl
 
 + H2 / Pt − oder OH
 
 O C6H 5O P OR
 
 Monoester
 
 O
 
 O
 
 + H2 / Pt
 
 C6H 5O P OR
 
 HO P OR
 
 OR
 
 OR
 
 gemischter Triester
 
 Diester
 
 Im Falle von Nucleosiden als Alkohol-Komponente reagiert aus sterischen Gründen selektiv die primäre 5'-Hydroxy-Gruppe. Monophosphate können auch über (4-Nitrophenyl)-dichlorphosphat durch Umsatz mit Alkoholen und anschließende Abspaltung von 4-Nitrophenolat durch Verseifung erhalten werden. Als geeignet erweist sich ferner Tetrakis-(4-nitrophenyl)-diphosphat [(Np)2P−P(Np)2], welches aus Bis-(4-nitrophenyl)-phosphat durch Kondensation mit Di-p-tolylcarbodiimid (DTC) zugänglich ist. Aufgrund des starken Elektronenzugs der Nitro-Gruppe reagiert dieser aktivierte Ester besonders leicht mit Alkoholen. O
 
 O O2N
 
 O2N
 
 O P Cl
 
 O
 
 O P O P O
 
 Cl
 
 O
 
 O
 
 NO2
 
 NO2
 
 NO2
 
 4-(Nitrophenyl)-dichlorphosphat Tetrakis-(4-nitrophenyl)diphosphat (Np)2P−P(Np)2
 
 Ein Vorteil der Phosphorsäurebenzylester ist die Abspaltbarkeit der Benzyl-Gruppe durch milde Hydrogenolyse (Pd/H2) nach erfolgter Phosphorylierung, wenn z. B. Phenylester nicht einsetzbar sind. Phosphorylierung mit Dimorpholinobromphosphat Der Einsatz von Phosphorsäurediamidhalogeniden wie Dimorpholinobromphosphat bietet eine weitere Variation zur Freisetzung bestimmter OH-Funktionen der Phosphat-Gruppe. Während sich Phenyl- und Benzyl-Gruppen nur durch basische Verseifung oder katalytische Hydrierung abspalten lassen, kann der Morpholin-Rest unter milden sauren Bedingungen hydrolytisch entfernt werden. Bei dieser acidolytischen Spaltung wird nach Protonierung eines Morpholin-Stickstoffs der Phosphor nucleophil durch Wasser angegriffen. O O
 
 N P Br
 
 + ROH
 
 − HBr
 
 N O
 
 Dimorpholinobromphosphat (Diamidohalogenid)
 
 O O
 
 N P OR N O
 
 HO
 
 +
 
 + H3O
 
 − H2O
 
 Dimorpholinophosphorsäureester (Diamidoester)
 
 O
 
 O
 
 N P OR + OH N O
 
 HO P OR −2O
 
 OH
 
 NH
 
 Phosphorsäuremonoester
 
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 912
 
 41 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
 
 Phosphorylierung mit Triisopropylbenzensulfonsäurechlorid Ein dem früher verwendeten N,N'-Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) mindestens ebenbürtiges Reagenz zur Phosphorylierung ist Triisopropylbenzensulfonylchlorid (TPS-Cl), welches ohne Ausbeuteverluste die Reaktionszeit erheblich verkürzt. TPS-Cl reagiert selektiv mit 5'-MonophosphatGruppen, da die ortho-ständigen sperrigen Isopropyl-Reste eine Reaktion mit 3'-Hydroxy-Gruppen von Nucleotiden verhindern. Bei dieser Aktivierung werden Metaphosphate als intermediäre Phosphorylierungsreagenzien erzeugt, an die Alkohol-Hydroxy-Gruppen nucleophil zu Phosphorsäurediestern addieren. O
 
 O
 
 S Cl
 
 +
 
 O P OR
 
 O
 
 − Cl
 
 O
 
 O
 
 −
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 TPS S O P OR
 
 TPS S O
 
 O
 
 +
 
 P
 
 OR
 
 O
 
 O
 
 Metaphosphat
 
 2,4,6-Triisopropylbenzensulfonylchlorid (TPS-Cl)
 
 + ROH
 
 O Phosphorsäurediester
 
 HO P OR OR
 
 41.6.3
 
 Synthese von Nucleotiden
 
 Zur Synthese von Nucleotiden müssen alle nicht zur Phosphorylierung vorgesehenen OHFunktionen geschützt werden. Soll z. B. 2'-Deoxycytidin-5'-phosphat dargestellt werden, so darf vor der Phosphorylierung nur die 5'-Hydroxy-Gruppe freiliegen. Dazu wird zuerst für die 5'Hydroxy-Gruppe selektiv und intermediär der Trityl- (Trt, Triphenylmethyl), besser noch der 4,4'Dimethoxy-substituierte Triphenylmethyl-Schutz verwendet. Die 3'-Hydroxy-Gruppe kann dann zusammen mit der Amino-Funktion durch Acylierung blockiert werden. Nach Phosphorylierung werden Benzyl- und Acetyl-Reste durch Hydrierung bzw. Verseifung entfernt. NH2
 
 NH 2
 
 N
 
 N N
 
 HO
 
 O
 
 NHAc
 
 (1) O
 
 TrtO
 
 N (2 )
 
 N
 
 TrtO
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 AcO
 
 HO
 
 HO
 
 N
 
 2´-Deoxycytidin
 
 (3 ) NHAc NH 2
 
 O
 
 O
 
 N
 
 P
 
 HO
 
 N
 
 O
 
 O
 
 O
 
 HO
 
 NHAc O P
 
 (5,6) C6H 5 CH 2 O
 
 O CH 2 C 6H 5
 
 N N
 
 O
 
 O
 
 N N
 
 HO
 
 (4)
 
 O
 
 O
 
 O
 
 AcO
 
 AcO
 
 2´-Deoxycytidin-5´-phosphat
 
 (1) + Trt Cl, − HCl; (2) + 2 (CH 3CO)2O / C 5H 5N, − 2 CH 3CO2H; (3) + H 2O (warme CH 3CO2H), − Trt OH; (4) + Cl
 
 −
 
 P (OCH 2C 6H 5)2, − HCl; (5) + 2 H 2 / Pt, - 2 C 6H 5CH 3; (6) + 2H 2O (OH ), − 2 CH 3CO2H O
 
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 41.6
 
 Nucleosid- und Nucleotid-Synthesen
 
 913
 
 Zur Herstellung von 3'-Mononucleotiden muß die 5'-Hydroxy-Gruppe ebenfalls trityliert werden. Nach Phosphorylierung mit (2-Cyanoethyl)-phosphat und Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) wird durch alkalische Hydrolyse die Cyanoethyl-Gruppe und acidolytisch der Trityl-Rest entfernt. CN CH 2
 
 NH 2 N N
 
 TrtO
 
 O
 
 NH2
 
 CH 2 O + HO
 
 P
 
 N
 
 O
 
 N
 
 TrtO
 
 OH
 
 O
 
 O
 
 DCC − H2O
 
 HO
 
 NH2 −
 
 O
 
 1.) + OH , − HOCH2 CH 2CN 2.) + H2O (CH 3CO2 H) − Trt−OH
 
 N N
 
 HO
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O P O CH2 CH 2 CN
 
 O P O
 
 OH
 
 OH 2´-Deoxycytidin-3´-phosphat
 
 Zur Synthese von 5'-Ribonucleotiden eignen sich die Isopropyliden- oder Benzyliden-Schutzgruppen, welche die 2',3'-Hydroxy-Gruppen gleichzeitig schützen und leicht abspaltbar sind. O OCH2 C6H 5
 
 Base
 
 HO
 
 O
 
 + Cl
 
 O H 3C H
 
 P
 
 O
 
 OBzl P
 
 BzlO
 
 O
 
 Base
 
 O
 
 O
 
 OCH2 C6H 5
 
 O
 
 O
 
 2,3-IsopropylidenCH 3 oder 2,3-Benzylidenribonucleosid C 6H 5
 
 O
 
 1.) + 2 H 2 / Pt , − 2 C 6H5 CH3 2.) + H2 O (CH 3CO2H), − (H3C) 2 CO
 
 OH P
 
 HO
 
 Base
 
 O
 
 O HO
 
 OH
 
 5´-Ribonucleotid
 
 H 3C CH 3 Bzl = CH2−C6H5
 
 2'- und 3'-Ribonucleotide sind relativ einfach als Gemisch durch Hydrolyse aus 2',3'-Cyclophosphaten herzustellen. Die Trennung gelingt durch Ionenaustauschchromatographie.
 
 41.6.4
 
 Synthese von Oligonucleotiden
 
 Zur Synthese eines 3',5'-Dinucleosidphosphats muß ein 5'-geschütztes Nucleosid mit einem 3'geschützten Mononucleotid verknüpft werden. Als Schutzgruppen sind z. B. Kombinationen der 5'Trityl- und 3'-Acetyl-Gruppe sinnvoll, da die Trityl-Gruppe selektiv acidolytisch abgespalten und die Acetyl-Gruppe selektiv durch Alkalihydroxid verseift werden kann. Somit könnte das 3',5'Dinucleosidphosphat sowohl an der 5'- als auch an der 3'-Position gezielt zum Trinucleotid verlängert werden. Zur Aktivierung der 5'-Phosphat-Gruppe wird häufig Triisopropylbenzensulfonsäurechlorid (TPS-Cl) verwendet (Kap. 41.6.2). Base 1
 
 TrtO
 
 O 3´
 
 O TrtO
 
 P
 
 Base 1
 
 5´
 
 O 3´
 
 HO 5´-geschütztes Mononucleosid
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O
 
 Base 2
 
 5´
 
 O
 
 +
 
 3´
 
 AcO 3´-geschütztes Mononucleotid
 
 O P
 
 + TPS−Cl
 
 O
 
 O
 
 Base 2
 
 5´
 
 O
 
 − TPS−OH
 
 AcO geschütztes 3´,5´-Dinucleosidphosphat
 
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 914
 
 41 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
 
 41.6.5
 
 Phosphorsäuretriester-Methode zur Synthese von Gen-Fragmenten
 
 Vollautomatische, der MERRIFIELD-Synthese von Peptiden analoge Verfahren unter Einsatz von polymeren Trägern werden in Oligonucleotid-Synthesizern eingesetzt, unter Anwendung der Triester-Methode mit einer zusätzlichen Schutzgruppe am Phosphorsäurediester der Hauptkette. Dazu werden u. a. die o- oder p-Chlorphenyl-Gruppen auf der Nucleosid-Stufe 1 eingeführt (Reagenz: 4-Chlorphenyldichlorphosphat). Gleichzeitig erfolgt die Phosphorylierung und die Umsetzung mit 2-Cyanoethanol in Pyridin zum Triester 2. Zur Verlängerung am 3'-Ende spaltet man die Cyanoethyl-Gruppe alkalisch ab (3). Zur Verlängerung am 5'-Ende wird die Bis-(4-methoxyphenyl)-phenylmethyl-Gruppe [(H3CO)2Tr] sauer entfernt (4). Die Verlängerung erfolgt meist mit geschützten 3'-Nucleotiden, wobei zur Triester-Kondensation Triisopropylbenzensulfonylchlorid (TPS-Cl) zusammen mit Tetrazol (oder TPS-Tetrazolid) verwendet wird (5). Gegenüber der Diester-Methode verlaufen die Umsetzungen schneller, mit höheren Ausbeuten und weniger Kettenbrüchen in der Oligonucleotid-Synthese. Base
 
 (H3CO)2TrO
 
 5'-partiell geschütztes oder polymer-gebundenes Nucleosid
 
 O HO
 
 1
 
 O
 
 Cl P
 
 Cl
 
 HO
 
 Base
 
 (H3CO)2TrO
 
 O
 
 (C 2H 5 ) 3 N Pyridin
 
 P Cl
 
 O
 
 CH2
 
 CN
 
 +
 
 H3O
 
 O
 
 − (H 3CO) 2 TrH
 
 O
 
 O
 
 Cl
 
 Base
 
 (H3CO)2TrO
 
 − H2 C=CH−CN
 
 O
 
 CH2
 
 O
 
 O
 
 Cl
 
 O
 
 O P
 
 O CH2 CH 2 CN
 
 Cl
 
 Triester
 
 3
 
 O
 
 O
 
 P O HN(C 2H5)3
 
 Base
 
 HO
 
 O
 
 O CH 2 CH 2 CN
 
 4
 
 2 TPS−Cl , Tetrazol Chromatographie (Kieselgel)
 
 Base
 
 (H3CO)2TrO
 
 O
 
 O geschütztes Dinucleotid
 
 5
 
 O P
 
 Cl
 
 O
 
 Base
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O P
 
 Cl
 
 O
 
 O CH2 CH2 CN
 
 Chemisch synthetisiert man Oligonucleotide mit bis zu acht Nucleosid-Bausteinen, die an Kieselgel in organischen Laufmitteln gereinigt werden. Zwei Octamere werden zu Hexadecameren kondensiert. Nach Abspaltung der Schutzgruppen werden die Blöcke enzymatisch mit PolynucleotidLigasen zum gewünschten Gen-Fragment gekuppelt. Diese chemisch-enzymatische Synthese öffnet den Weg zu Genen für Proteine mittlerer Größenordnung. Solche Oligonucleotide finden u.
 
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 41.6
 
 Nucleosid- und Nucleotid-Synthesen
 
 915
 
 a. bei der Herstellung von Plasmiden zur gezielten Aminosäure-Mutation in Proteinen (site directed mutagenesis) und für DNA-Bibliotheken zur zufälligen Mutation (random libraries) bestimmter Proteinbereiche Verwendung. Zunehmende Bedeutung gewinnen RNA-Synthesen zur Herstellung von Impfstoffen und in der Krebstherapie. Zur Partialsynthese größerer, künstlicher Gene spaltet man DNA mit spezifischen Restriktionsenzymen, verändert die freigelegten Enden der chromatographisch gereinigten Partialsequenzen und verknüpft die Polynucleotid-Stränge wieder enzymatisch durch Ligasen.
 
 41.6.6
 
 Phosphoramidit-Methode an der Festphase
 
 Aufgrund der höheren Reaktivität von Phosphor(III)- gegenüber Phosphor(V)-Verbindungen werden mit Nucleosidphosphiten P(OR)3, und besonders mit Nucleosid-phosphoramiditen (RO)2PNR2 kürzere Kupplungszeiten als mit der Phosphorsäuretriester-Methode erreicht. 5´-Geschützte 3´-Phosphoramidite [Dialkyl(dialkylamino)phosphite] sind hochaktiviert, jedoch stabil gegen Feuchtigkeit und Luft-Sauerstoff. Sie reagieren unter Tetrazol-Katalyse rasch mit der 5´OH-Gruppe von festphasen-gebundenem Nucleosid. Abb. 41.12 erläutert einen typischen Festphasen-Synthesecyclus, bestehend aus Kupplung mit einem Baustein, Iod-Oxidation von Phosphit zu Phosphat, Abspaltung der 5´-OH-Schutzgruppe und, bei Polynucleotiden am Ende aller Synthesecyclen, die Trennung vom polymeren Träger. "DNA-Synthesizer" machen kurze Synthesecyclen von 5 min und Kettenlängen mit über 100 Monomeren möglich. Die Schutzgruppe Cyanoethyl und die Acetylamino-Schutzgruppen der Basen A, G und C lassen sich gleichzeitig mit der Abspaltung des Oligonucleotids vom polymeren Träger entfernen. Base 2
 
 DMTO
 
 O + O
 
 Base 1
 
 HO
 
 P
 
 O
 
 Base 2
 
 DMTO
 
 O
 
 CN
 
 N
 
 P
 
 O
 
 O
 
 Base 1 O O
 
 O O
 
 N O
 
 H
 
 N
 
 N
 
 O
 
 NH , CH 3CN N
 
 O
 
 Kupplung
 
 O O
 
 CN
 
 O
 
 Base 2
 
 DMTO
 
 O
 
 P
 
 O
 
 CN Base 1
 
 O O
 
 I2 H2O, Pyridin, THF
 
 O O O
 
 N
 
 Iod-Oxidation
 
 H
 
 50 s
 
 N
 
 40 s
 
 Cl 3C CO2H in CH2Cl 2
 
 Abspaltung der Schutzgruppe 50 s
 
 Base 2
 
 HO
 
 O
 
 P
 
 O
 
 O O
 
 Base 1
 
 O O = polymerer Träger
 
 Base 2
 
 HO
 
 O
 
 O HO
 
 konz. NH3 Abspaltung vom Träger
 
 H
 
 O
 
 P
 
 O Base 1
 
 O O
 
 O O O
 
 N O
 
 H
 
 Abb. 41.12. Festphasen-Oligonucleotid-Synthese nach der Phosphoramidit-Methode (DMT = 4,4´Dimethoxytrityl-; polymerer Träger: makroporöses Polystyren oder Polyoxyethen-Polystyren). Die AminoFunktionen der Nucleobasen A, G und C werden intermediär acetyliert (Essigsäureanhydrid, Lutidin, 1Methylimidazol in Tetrahydrofuran, 30 s)
 
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 916
 
 41 Nucleoside, Nucleotide, Nucleinsäuren
 
 41.7 Telomere und Carcinogene Telomere (griech. τελοζ = Ende, Vollendung) sind Endstücke als Schutzkappen der DNA. Sie bestehen bei der Geburt (des Menschen) aus sehr langen Sequenzpolymeren (TTAGGG)1700. Mit jeder Zellteilung werden diese Schutzkappen kürzer, eine der wichtigsten Ursachen des Alterungsprozesses und von Krebserkrankungen. Existieren nur noch etwa 10 % der usprünglichen Telomerlänge, so kann die Erbinformation der DNA nicht mehr abgelesen werden, und weitere Zellteilungen unterbleiben. Krebszellen können sich jedoch unbegrenzt teilen, da bei ihnen eine Aktivierung des Enzyms Telomerase den Wiederaufbau der Telomere bewirkt. In der Gerontologie (Altersforschung) und Onkologie (Krebsforschung) wird die Rolle der Telomere schwerpunktsmäßig untersucht. Die Analytik mutierter DNA-Sequenzen und der Einfluß chemisch modifizierter Nucleobasen bei der Entstehung von Tumoren sowie deren Bekämpfung, z. B. mit synthetischen NucleosidAnaloga, sind Forschungsschwerpunkte der Medizinischen Chemie. Ein schon länger bekanntes Resultat ist, daß Carcinogenese (Krebsentstehung, Carcinom oder Karzinom von griech. καρκινοζ = Krebs) und Mutagenese (Änderungsprozesse der DNA) korrelieren. Manche Gefahrstoffe werden erst im Körper, z. B. durch Oxidation mit dem Stoffwechselenzym Cytochrom-P-450-Oxidase zu direkt wirkenden Carcinogenen, wie das Beispiel der zu den Mycotoxinen (Pilzgifte) gehörenden Aflatoxine aus dem u. a. auf feuchten Erdnüssen gedeihenden Schimmelpilz Aspergillus flavus zeigt. Die enzymatische Epoxidation der Enolether-Doppelbindung des Aflatoxins führt zu einem hochreaktiven Oxiran, an das die Imino-Funktion des Imidazol-Rings im Guanin der DNA als Stickstoff-Nucleophil addiert. Durch diese Veränderung der DNA und die damit einhergehende Mutation eines Tumorsuppressor-Gens induzieren Aflatoxine Tumore. OCH 3 O O
 
 N
 
 HN H 2N +... DNA OCH 3 O O H
 
 O H
 
 O
 
 O
 
 mit Cytochrom-P450 assoziierte Oxidasen + 1/2 O2
 
 OCH 3 O
 
 O
 
 O O O P O
 
 O H
 
 O
 
 O
 
 H
 
 O Aflatoxin B 1 - 2,3-epoxid
 
 OH N
 
 HN
 
 DNA ...
 
 H 2N ... DNA
 
 O
 
 O
 
 H
 
 O
 
 N
 
 OH
 
 O Aflatoxin B 1
 
 O
 
 O
 
 O H
 
 N
 
 N N O O
 
 DNA ...
 
 O P O O an Guanin der DNA gebundenes Aflatoxin B 1
 
 Weitere Studien belegen, daß auch die Carcinogenese durch Arene wie Benzo[a]pyren in Abgasen, Ruß und Tabakrauch auf der enzymatischen Bildung eines Oxirandiols beruht (Kap. 12.4.5), an das die nucleophile Amino- oder Imino-Funktion des Guanins in der DNA addiert.
 
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 42.1
 
 Klassifizierung der Lipide
 
 917
 
 42 Lipide 42.1 Klassifizierung der Lipide Gemeinsames Merkmal der Lipide ist ihre Wasserunlöslichkeit und gute Löslichkeit in organischen Lösemitteln wie z. B. Chloroform und Methanol. Ursache dieser Hydrophobie bzw. Lipophilie sind langkettige, aliphatische Reste. In diesem Kapitel werden nur Lipide (griech. λιποζ = Fett, Speck, Öl) im engeren Sinne, also Fettsäuren, Wachse, Glyceride und verwandte Verbindungen behandelt. Die oft bei den Lipiden eingeordneten Terpene und Steroide werden aufgrund ihres besonderen Bauprinzips aus IsoprenEinheiten (Isoprenoide) separat beschrieben (Kap. 43, 44). Die technisch und physiologisch dem Umsatz nach wichtigsten Lipide sind Fette, deren Bauprinzip in Gestalt der Glycerolester langkettiger Carbonsäuren schon seit 1813 bekannt ist. Verbindungen, die den Fetten ähnlich sind, bezeichnet man auch als Lipoide. Eine Übersicht der Lipide mit typischen Beispielen gibt Abb. 42.1.
 
 Lipide
 
 Biosynthese aus Acetyl-CoA über Malonyl-CoA
 
 Fettsäuren H3C (CH2)n CO2H
 
 Wachse R1
 
 CO OR2
 
 Glycolipide
 
 Aminolipide
 
 CH2 O CO R1
 
 Fette
 
 CH2 O CO R1
 
 Phosphatide
 
 CH2 O CO R1
 
 R1 CO NH
 
 CH O CO R2
 
 CH O CO R2 O
 
 CH O CO R2
 
 CH2 O CO R3
 
 CH2 O P O Cholin O
 
 Säuren, Ester, Amide gesättigt, ungesättigt unverzweigt, verzweigt hydroxyliert, C-Anzahl meist geradzahlig
 
 Wachsester aus Fettsäure und langkettigem Alkohol
 
 a Glycerolphosphatide
 
 Triglyceride
 
 (α-Lecithin)
 
 R1
 
 O
 
 2
 
 (Galactosyldiglycerid)
 
 CH2 O CO R2 Ornithinlipid
 
 R1 CH CH2 O NH
 
 Galactose
 
 CO
 
 CO
 
 R2
 
 R2 b Sphingoglycolipide (Cerebrosid)
 
 (Sphingomyelin)
 
 1
 
 Galactose
 
 a Glycerolglycolipide
 
 NH
 
 b Sphingophosphatide
 
 (CH2)3 CH CH2 O CO
 
 CH CH2 O P O Cholin O
 
 H3N
 
 CH2 O
 
 3
 
 Abb. 42.1. Einteilung der Lipide (R , R und R sind langkettige Alkyl- oder Alkenyl-Gruppen)
 
 Die systematische Nomenklatur der kurzkettigen Carbonsäuren und ihrer Derivate wurde bereits in Kap. 17.1 behandelt. Die wichtigsten Fettsäuren besitzen Trivialnamen wie Palmitin-, Stearin- oder Ölsäure. Die Stellung von CC-Doppelbindungen wurde bisher durch das Symbol ∆ mit hochgestellter Positionsangabe angezeigt. Substituentenpositionen werden wie üblich durch Zahlen oder griechische Buchstaben angegeben. Wie Aminosäuren und Nucleotide können Fettsäuren durch Kurzschreibweisen formuliert werden. Dabei werden tiefgestellt die Zahl der C-Atome (z. B.
 
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 918
 
 42 Lipide
 
 16) sowie Anzahl (z. B. 0, 1, 2, ...), Lage (z. B. 9) und Isomerie von Mehrfachbindungen (c für cis, t für trans) sowie Verzweigungen (br für engl. branched = verzweigt) angegeben. Palmitinsäure (Hexadecansäure) wird abgekürzt als C16:0 , da sie 16 C-Atome und keine Doppelbindungen besitzt. C18:2(9c,12c) bezeichnet eine Octadecadiensäure (Linolsäure) mit 2 Doppelbindungen zwischen C-9 und C-10 (cis-Konfiguration) sowie C-12 und C-13 (ebenfalls cis-Konfiguration). 8
 
 H3C (CH2)14 CO2H
 
 H 3C (CH 2)16 CO2H
 
 Hexadecansäure, C16:0 (Palmitinsäure)
 
 Octadecansäure, C18:0 (Stearinsäure)
 
 7-Methyloctansäure, C8:br (Isononansäure, Isopelargonsäure, im Antibiotikum Polymyxin B1)
 
 1
 
 13 18
 
 1
 
 CO2H
 
 7
 
 CO2H
 
 12 9 10
 
 ∆9,12-Octadecadiensäure, C18:2(9c,12c) (Linolsäure)
 
 H 3C (CH2)21 CH CO2H OH 2-Hydroxytetracosansäure (α-Hydroxytetracosansäure, Cerebronsäure)
 
 42.2 Vorkommen und Isolierung 42.2.1
 
 Vorkommen
 
 In Pflanzensamen und im tierischen Fettgewebe kann der Lipid-Gehalt bis über 50% der Trockenmasse betragen. Außer in diesen speziellen Reservestoffspeichern (Lipid-Speicher) kommen Lipide in jeder normalen Zelle vor. Sie bilden neben Proteinen und Polysacchariden den Hauptbestandteil der biologischen Zellmembranen (Mitochondrien, endoplasmatisches Retikulum, cytoplasmatische Membran). Außer in Milch, Blutplasma und Galle finden sich nur wenig Lipide in extrazellulären Körperflüssigkeiten. Unveresterte Fettsäuren im Blutplasma haben die kurze Halbwertszeit von 2 - 4 Minuten.
 
 42.2.2
 
 Isolierung und Identifizierung
 
 Lipide lassen sich durch Extraktion mit Methanol/Chloroform oder Ethanol/Diethylether aus biologischem Material isolieren. Fette werden industriell durch Ausschmelzen, Auspressen oder Auskochen gewonnen. Natürliche Lipide besitzen große Bedeutung zur Herstellung von Nahrungsfetten, Seifen, Kerzen, Linoleum, Lacken, Farben, Putzmitteln, Ölen, Arzneimitteln und Kosmetika. Die Reinigung der Rohlipid-Extrakte kann durch Gelchromatographie an Sephadex G-25 mit Chloroform/Methanol/Wasser erfolgen. Eine Feinreinigung unter Abtrennung der Neutrallipide von den polaren Lipiden wird meist säulenchromatographisch an Kieselgel (Adsorptions-Chromatographie) mit Chloroform, gefolgt von Methanol, als Elutionsmittel durchgeführt. Der Nachweis einzelner Lipide kann nach Dünnschichtchromatographie durch Ansprühen der Platten mit Wasser (Fettfleck!) oder Anfärbung mit Ioddampf (Gelbfärbung) geführt werden. Die quantitative Bestimmung gelingt nach Hydrolyse bzw. Umesterung (Methanol, Chlorwasserstoff) durch Gaschromatographie der Fettsäuren, Fettsäureester, Fettalkohole bzw. anderer Lipid-Bestandteile. Zur Aufklärung der Struktur unbekannter Lipide bewährt sich die Gaschromatographie in Kombination mit Massenspektrometrie.
 
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 42.3
 
 Wechselwirkungen von Lipiden mit Wasser
 
 919
 
 42.3 Wechselwirkungen von Lipiden mit Wasser Je nach ihrem chemischen Aufbau aus lipophilen und hydrophilen Gruppen können Lipide unterschiedliche Wechselwirkungen mit Wasser zeigen. Man unterscheidet drei Arten: nicht-spreitende Lipide bilden mit Wasser zwei getrennte Phasen; die Oberflächenspannung des Wassers bleibt unverändert; diese wasserunlöslichen Lipide besitzen keine polaren bzw. ionischen Gruppierungen (Beispiele: Wachse, Paraffine, Carotine). spreitende, wasserunlösliche Lipide bilden auf der Wasseroberfläche stabile monomolekulare Filme (Monoschichten); sie zeigen amphiphiles Verhalten, sind also infolge ihres langen Alkyl-Restes lipophil; aufgrund polarer bzw. dissoziabler Gruppen sind sie gleichzeitig hydrophil. Spreitende Lipide senken die Oberflächenspannung des Wassers drastisch (Beispiele: Di- und Triglyceride, Fettalkohole, Fettsäuren, Sterole). spreitende wasserlösliche Lipide bilden zuerst instabile Oberflächenfilme, aus denen Micellen (Aggregate von Lipiden) oder echte Lösungen in Wasser entstehen; diese Lipide enthalten stark hydrophile Gruppierungen. Zur Erniedrigung der Oberflächenspannung werden größere Konzentrationen als von spreitenden wasserunlöslichen Lipiden benötigt (Beispiele: Phosphatide, Detergentien wie Alkansulfonate). Die Fähigkeit eines Lipids, die Oberflächenspannung des Wassers zu erniedrigen, bezeichnet man als Oberflächenaktivität oder Tensid-Wirkung (lat. tendere = spannen). Natürliche oberflächenaktive Verbindungen (Tenside) besitzen einen hydrophoben Alkyl-Rest und einen ionischen hydrophilen Teil mit Carboxy-Gruppen (Fettsäuren), Ammonium- bzw. Phosphat-Gruppen (Phosphatide, Aminolipide) oder eine neutrale hydrophile Komponente wie bei den Glycolipiden (Abb. 42.1). Synthetische oberflächenaktive Verbindungen (Detergentien) enthalten oft Ammonium- oder Sulfonat-Gruppen. Je nach positiver oder negativer Ladung bzw. Neutralität der hydrophilen Gruppen teilt man in anionaktive, kationaktive und neutrale grenzflächenaktive Stoffe ein. Alle Tenside reichern sich an der Wasseroberfläche (Phasengrenzfläche) an, weil ihr hydrophober Teil aus dem Wasser gedrängt wird und durch VAN DER WAALS-Kräfte mit den Nachbarn parallel geordnete Strukturen bildet. Da eine teilweise und nur monomolekulare Bedeckung der Phasengrenzfläche genügt, sind minimale Mengen Tensid erforderlich, um die Oberflächenspannung drastisch zu erniedrigen. Grundsätzlich richten sich Moleküle an Phasengrenzflächen so aus, daß insgesamt größtmögliche zwischenmolekulare Wechselwirkung resultiert. Dabei treten immer strukturell ähnliche Gruppen bevorzugt miteinander in Kontakt, sofern keine elektrostatische Abstoßung wirkt (gleichsinnige Ladungen wie bei Fettsäure-Carboxy-Gruppen). Spreitungsexperimente (Spreitungsdruck-Messungen mit der LANGMUIR-Waage) mit langkettigen Alkoholen, Carbonsäuren und Sulfonsäuren zeigten, daß jedes Molekül unabhängig von seiner Kettenlänge stets ein Oberflächenstück von 0.21 nm2 bedeckt. Da der Querschnitt durch eine n-Alkan-Kette etwa 0.2 nm2 beträgt, kann dies als Beweis für eine parallele Lagerung der Alkyl-Reste in Monoschichten gelten. Tenside mit verzweigten oder olefinischen Alkyl-Resten benötigen erheblich größere Flächen. Amphiphile Lipide mit besonders starker hydrophiler Gruppe werden nach anfänglicher Monoschichtbildung in die wäßrige Phase gezogen und formen im Wasser (Subphase) neue geordnete Strukturen. Diese hängen stark von der Temperatur und Konzentration der Lipid/WasserMischung ab. Man unterscheidet: kristallin unlösliche Lipid-Phasen flüssige Kristalle mit lamellaren (schichtartigen) und hexagonal stabartigen Aggregationen von Lipiden
 
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 920
 
 42 Lipide
 
 Lösungen aggregierter Lipid-Moleküle enthalten hohlkugelförmige Doppelschichten (Micellen, Vesikel, Liposomen), in denen polare Lipid-Regionen nach außen und innen zum Wasser gerichtet sind, und Alkyl-Ketten zweier Monoschichten Kopf an Kopf stehen. Die Vesikel-Bildung ist u. a. deshalb interessant, weil Vesikel mikroskopische, einfache Zellen mit Lipid-Membranen darstellen (Kompartimente) und somit als Biomembranmodelle (Kap. 42.7.2) dienen können. Amphiphile Lipide finden als Wasch-, Netz-, Dispergier- und Emulgiermittel Verwendung. Ihre Wirkung beruht auf der monomolekularen Umhüllung des zu netzenden oder zu dispergierenden Stoffes. Die Waschwirkung beruht auf der Aufnahme des Schmutzes in Lipid-Micellen und LipidDoppelschichten. Auch die Schaumblasen wirken bei der Schmutzablösung mit, da sie aus LipidDoppelschichten bestehen. Zu den technisch genutzten, wasserlöslichen, micellenbildenden Lipiden gehören vier Typen von Detergentien: anionogene Detergentien wie Seifen (R−CO2− Na+), Alkansulfonate (R−SO3− Na+), O-Alkylsulfate (R−OSO3− Na+) kationogene Detergentien: Ammoniumalkyl-Verbindungen wie Cetyltrimethylammoniumbromid (H3C−(CH2)15N+(CH3)3 Br− ). amphotere Detergentien wie Zwitterionen (Betaine) des Typs −O2C−(CH2)n−N+(R)3 nicht ionogene Detergentien wie Saponine (Kap. 43, 44) und Glycolipide.
 
 42.4 Fettsäuren 42.4.1
 
 Vorkommen und Struktur wichtiger Fettsäuren
 
 Gesättigte Fettsäuren Von den über 300 verschiedenen in der Natur vorkommenden Fettsäuren sind die häufigsten langkettige, unverzweigte, gesättigte und ungesättigte Säuren mit gerader Anzahl von C-Atomen (meist C14 , C16 , C18 ; Tab. 42.1). Fettsäuren mit ungerader Anzahl von C-Atomen sind in natürlichen Lipiden sehr selten (weniger als 1 % aller Fettsäuren). Das wesentlich häufigere Vorkommen geradzahliger Vertreter ist eine Folge ihrer Biosynthese aus C2-Einheiten über Acetyl-CoA und Malonyl-CoA vom Methyl-Ende her. Tab. 42.1. Ausgewählte unverzweigte, gesättigte Fettsäuren Formel gerade C-Zahl:
 
 H 3C H 3C H 3C H 3C H 3C H 3C H 3C
 
 (CH 2)10 (CH 2)12 (CH 2)14 (CH 2)16 (CH 2)18 (CH 2)20 (CH 2)22
 
 CO2H CO2H CO2H CO2H CO2H CO2H CO2H
 
 ungerade C-Zahl: H 3C (CH 2)7 CO2H H 3C (CH 2)15 CO2H
 
 IUPACBezeichnung
 
 Trivialname
 
 Kurzform
 
 Schmelzpunkt [°C, 1011 mbar]
 
 Dodecansäure Tetradecansäure Hexadecansäure Octadecansäure Eicosansäure Docosansäure Tetracosansäure
 
 Laurinsäure Myristinsäure Palmitinsäure Stearinsäure Arachinsäure Behensäure Lignocerinsäure
 
 C12:0 C14:0 C16:0 C18:0 C20:0 C22:0 C24:0
 
 45 54 62 70 76 80 84
 
 Nonansäure Heptadecansäure
 
 Pelargonsäure Margarinsäure
 
 C9:0 C17:0
 
 12 61
 
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 42.4
 
 Fettsäuren
 
 921
 
 Fettsäuren mit Methyl-Verzweigungen am vorletzten C-Atom, wie z. B. 7-Methyloctansäure (Kap. 42.1), kommen in Antibiotika, Bakterien, im Wollfett und der Baldrianwurzel (Isovaleriansäure = 3-Methylbutansäure aus Valeriana officinalis) vor. Methyl-Verzweigungen in Fettsäuren werden oft am drittletzten C-Atom aber auch an anderen Positionen beobachtet: 1
 
 D-(−)-10-Methylstearinsäure (C19H38O2) (Tuberkulostearinsäure in Tuberkelbakterien)
 
 CO2H
 
 10
 
 Ungesättigte Fettsäuren Auch unter den ungesättigten Fettsäuren überwiegen solche mit C16, C18, C20, C22 . Man teilt sie in Monoen- und Polyensäuren ein. Am häufigsten stehen CC-Doppelbindungen am siebenten und neunten C-Atom (ω7- und ω9-Stellung) von der endständigen Methyl-Gruppe (sog. ω-Stellung) aus gesehen. Die Biosynthese erfolgt vom ω-Ende her in C2-Schritten bis zum Carboxy-Ende. Am häufigsten sind Polyenfettsäuren mit isolierten Doppelbindungen, seltener solche mit konjugierten, kumulierten oder Alkin-Mehrfachbindungen. Auch Cyclopropan-, Cyclopropen- und CyclopentenRinge werden in Fettsäure-Ketten gebildet. Tab. 42.2. Bedeutende ungesättigte Fettsäuren Formel 18
 
 Bezeichnung 1
 
 9
 
 CO2H
 
 9
 
 CO2H
 
 9
 
 CO2H
 
 9
 
 CO2H
 
 1
 
 Kurzform
 
 Familie
 
 Schmp. [°C]
 
 Ölsäure
 
 C18:1(9c)
 
 ω9
 
 12
 
 Elaidinsäure
 
 C18:1(9t)
 
 ω9
 
 46
 
 Palmitoleinsäure C16:1(9c)
 
 ω7
 
 Linolsäure
 
 C18:2(9c,12c)
 
 ω6
 
 −5
 
 Arachidonsäure
 
 C20:4(5c,8c,11c,14c)
 
 ω6
 
 −49
 
 α-Linolensäure
 
 C18:3(9c,12c,15c)
 
 ω3
 
 −14
 
 18 16
 
 12
 
 1
 
 1
 
 18 11
 
 14
 
 8
 
 20 18
 
 15
 
 12
 
 9
 
 5
 
 1
 
 CO2H 1
 
 CO2H
 
 0.5
 
 Zu den ungesättigten Fettsäuren gehören die weit verbreitete Ölsäure (ω9), die seltenere Palmitoleinsäure (ω7) und die für Säugetiere essentielle Linolsäure (ω6, Tab. 42.2). Linolsäure kommt im kalt gepreßten Öl der Sonnenblumen-, der Sesam- und Baumwollsamen vor. Linolensäure ist die Hauptfettsäure des Leinsamenöls. Essentielle Fettsäuren sind in der Nahrung notwendige ungesättigte Fettsäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann und deren Fehlen Mangelerscheinungen hervorruft. Sie besitzen hypolipämische Wirkung (Herabsetzung des Cholesterol- und Triglycerid-Spiegels im Blut) und haben eine stabilisierende Funktion als Strukturbestandteil in Biomembranen. Die biogentisch in mehreren Schritten aus Linolsäure (Tab. 42.2) entstehende Arachidonsäure ist ein Baustein der Phosphatide und die Biosynthese-Vorstufe der Prostaglandine (z. B. PG E2) und
 
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 922
 
 42 Lipide
 
 Leukotriene (z. B. LT B4). Prostagladine sind ungesättigte Hydroxy- und Oxocarbonsäuren mit 20 C-Atomen (Eicosanoide, C20) mit dem Gundgerüst der Prostansäure. Sie entstehen neben anderen Eicosanoiden bei Entzündungen vermehrt über das Cyclooxygenase-1-Enzym (COX-1). Entzündungshemmer wie Aspirin, Ibuprofen und Naproxen verhindern als COX-Inhibitoren die Biosynthese der Prostaglandine. Leukotriene sind ungesättigte, offenkettige C20-Hydroxycarbonsäuren; sie bewirken u. a. die Aggregation der Leukocyten und ihre Adhäsion an den Blutgefäßwänden. 1
 
 1
 
 CO2H
 
 8
 
 CO2H
 
 O 8
 
 20 12
 
 8
 
 5
 
 HO
 
 OH
 
 1
 
 HO H Prostaglandin E 2
 
 1
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 20 12
 
 H OH Prostansäure
 
 5
 
 20 11
 
 14
 
 Arachidonsäure (5,8,11,14-Eicosantetraensäure)
 
 Leukotrien B4
 
 Hydroxyfettsäuren Zu den zahlreichen Hydroxyfettsäuren tierischer, pflanzlicher und bakterieller Herkunft gehört die Cerebronsäure in Cerebrosiden, die Ricinolsäure aus Ricinusöl sowie die in Myko- und Corynebakterien vorkommenden Mykolsäuren als verzweigte α-Hydroxycarbonsäuren. Unter den Lipoiden des Futtersaftes der Weiselzellen ("Gelee royale") spielt neben verschiedenen C10-Dicarbonsäuren und Duftstoffen besonders die Königinnensubstanz (E)-9-Oxo-2-decensäure eine dominierende Rolle im Leben eines Bienenstockes. 1
 
 CO2H
 
 OH 18
 
 12
 
 1
 
 9
 
 CO2H
 
 24
 
 2-Hydroxytetracosansäure, C24H48O3 , (Cerebronsäure in Cerebrosiden und Triglyceriden)
 
 OH
 
 OH
 
 (R)-(+)-12-Hydroxy-(Z)-9-octadecensäure , C18H34O3 , ω9 (Ricinolsäure in Ricinusöl aus Ricinus communis)
 
 O 9
 
 CO2H (+)-Corynemykolsäure , C32H66O3 , (aus Corynebacterium diphtheriae)
 
 1
 
 CO2H 2
 
 (E)-9-Oxo-2-decensäure (Königinnensubstanz)
 
 Viele andere Lock- und Abwehrstoffe von Insekten sind Derivate höherer Carbonsäuren und Alkohole mit Terpen-Grundskeletten (Kap. 43).
 
 42.4.2
 
 Physikalische Eigenschaften
 
 Zwischen Schmelzpunkt und Kettenlänge der Fettsäuren gilt die bereits bei Alkanen (Kap. 2.2) und anderen langkettigen Verbindungen diskutierte Beziehung. Fettsäuren mit gerader Zahl von C-Atomen schmelzen höher als solche mit ungerader Kohlenstoff-Anzahl. Dies ist auf eine dichtere und somit stabilere Packung in Kristallen der Fettsäuren mit gerader C-Anzahl zurückzuführen. Fettsäuren mit CC-Doppelbindungen schmelzen wesentlich tiefer (vgl. Tab. 42.1 und 42.2) als gesättigte. Unter den ungesättigten Fettsäuren schmelzen cis-Säuren (Ölsäure, C18:1(9c) ) tiefer als trans-Säuren (Elaidinsäure C18:1(9t) , Tab. 42.2). Cis- und trans-Fettsäuren können IR-spektroskopisch unterschieden werden. Vergleicht man Monoenfettsäuren gleicher Kettenlänge, aber verschiedener Stellung der Doppelbindung, so findet man die tiefsten Schmelzpunkte für Säuren mit mittelständigen cis-CC-Doppelbindungen (Tab. 42.2). Die cis-Konfiguration in der Kettenmitte
 
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 42.4
 
 Fettsäuren
 
 923
 
 beansprucht im Kristall offensichtlich den größten Raum und erniedrigt somit die intermolekulare VAN DER WAALS-Wechselwirkung, wie die Formeln zeigen: geringer Raumbedarf, kompakte Packung im Kristallgitter, hohe Schmelzpunkte CO2H Stearinsäure (gesättigte Fettsäure)
 
 CO2H Elaidinsäure (trans-Monoenfettsäure)
 
 großer Raumbedarf, lockere Packung im Kristallgitter, tiefe Schmelzpunkte CO2H
 
 CO2H
 
 Ölsäure (cis-Monoenfettsäure) Lactobacillussäure (cis-Cyclopropanfettsäure)
 
 CO2H Arachidonsäure (all-cis-Polyenfettsäure)
 
 Während Alkinfettsäuren aufgrund ihres linearen Baus gegenüber n-Alkansäuren wenig geänderte Schmelzpunkte aufweisen, schmelzen verzweigte Fettsäuren wieder erheblich tiefer. Auch Fettsäureester und Fettsäureglyceride schmelzen tiefer als die zugehörigen freien Säuren. Diese Beziehungen sind von großer Bedeutung für die Eigenschaften und Zusammensetzung von Speisefetten, Pflanzenölen sowie von biologischen Lipid-Membranen. Ein Fett mit Triglyceriden aus überwiegend gesättigten Fettsäuren ist bei Raumtemperatur fest (z. B. Talg), während Triglyceride mit ungesättigten Fettsäuren Öle sind. Langkettige n-Alkansäuren wie Stearinsäure C18:0 können je nach Lösemittel, aus dem umkristallisiert wird, verschiedene Kristallformen annehmen (Polymorphie). Eine Fettsäure kann somit auch verschiedene Phasenumwandlungen vor dem eigentlichen Schmelzpunkt erfahren. Diese lassen sich durch kalorimetrische Messungen mit Hilfe der Differential-Thermoanalyse (DTA) ermitteln. n-Alkansäuren über C6 sind praktisch wasserunlöslich. Gute Lösemittel für C10:0 bis C15:0 sind Benzen, Methanol, Ethanol, Aceton und Chloroform. Ab C15:0 nimmt die Löslichkeit auch in organischen Lösemitteln nach und nach ab. Löslichkeit und Schmelzpunkte zeigen analoge Beziehungen bezüglich Ungesättigtheitsgrad und Konfiguration der Fettsäuren; so sind cis-Monoensäuren leichter löslich als trans-Säuren.
 
 42.4.3
 
 Chemische Eigenschaften
 
 Fettsäuren zeigen an ihrer Carboxy-Gruppe die in Kap. 17 dargelegten Reaktionen der Carbonsäuren. Gesättigte Fettsäuren können typische Alkan-Reaktionen und ungesättigte typische AlkenReaktionen eingehen. Da Hydroxysäuren bereits in Kap. 19.4 behandelt wurden, werden hier nur die mit der Lipid-Chemie zusammenhängenden Reaktionen und technischen Prozesse besprochen. Ausgeschmolzene tierische und ausgepreßte pflanzliche Fette werden, sofern sie nicht als Nahrungs- und Futtermittel dienen, weiterverarbeitet durch Verseifung, Umesterung oder Fetthärtung.
 
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 924
 
 42 Lipide
 
 Verseifung der Triglyceride Die Verseifung wasserunlöslicher Fettsäureester, z. B. der Triglyceride, erfolgt meist in Ethanol oder Methanol (0.3 bis 1.0 normale methanolische Kalilauge mit etwas Wasser, Erhitzen), wobei die wasserlöslichen Seifen (Kalium- oder Natrium-Salze der Fettsäuren) entstehen (Kap. 17.9.1). Nach Ansäuern können die freien Fettsäuren mit Ether extrahiert werden. Bei der technischen Fettspaltung werden die Ester-Bindungen zum Glycerol hydrolysiert durch basische Verseifung (H2O, Druck, 170 °C, 8 h, CaO-Katalyse) oder saure Verseifung (H2SO4 / H2O, 100 °C, 24 h, Emulgatoren zur besseren Benetzung, TWITCHELL-Verfahren) sowie enzymatische Spaltung mit Lipase (40 °C). Handelsübliche Seifen sind meist aus Talg hergestellte Natrium-Salze der Fettsäuren (Natronseifen, Kernseifen). Diese fallen nach dem Verseifungspozeß auf Kochsalz-Zusatz aus (Aussalzen) und können so vom Wasser und Glycerol getrennt werden. Seifen erniedrigen nur dann die Oberflächenspannung und zeigen gute Wascheigenschaften, wenn sie gut löslich sind (Kap. 42.3). So sind Salze von Alkansäuren über C22 unlöslich, während Salze der Laurin- und Myristinsäure (C12 und C14) selbst in Meerwasser gut geeignet sind. Meerwasser und "hartes" Wasser enthalten zweiwertige Kationen wie Ca2+ , Mg2+. Diese bilden mit Palmitinund Stearinsäure schwer lösliche Salze. Um trotzdem genügend Waschwirkung zu erreichen, muß daher im harten Wasser mehr Seife verwendet werden. Alternativen sind synthetische Tenside (Kap. 42.8.2), deren Ca- und Mg-Salze nicht ausflocken, oder der Zusatz von Komplexbildnern, welche Ca2+ und Mg2+ in Lösung halten. Die als Komplexbildner meist verwendeten Meta- und Polyphosphate bezeichnet man als Enthärter. ̈
 
 Umesterung Die säurekatalysierte Umesterung der aus Rapsöl gewonnenen Glyceride führt zu Rapsölmethylestern ("RME"), die als Ersatz oder Zusatz zu Dieselkraftstoffen ("Bio-Diesel" als "nachwachsender" Treibstoff) eingesetzt werden. ̈
 
 H3C
 
 (CH 2)16
 
 CO O CH2
 
 H3C
 
 (CH 2)14
 
 CO O CH
 
 H3C
 
 (CH 2)14
 
 CO O CH2
 
 [H +]
 
 +
 
 3 CH3OH
 
 HO CH2 HO CH + 2 H 3C HO CH2
 
 (CH2)14
 
 CO2CH3 + H3C (CH 2)16 Palmitin- und Stearinsäuremethylester (Komponenten der Rapsölmethylester)
 
 CO2CH3
 
 Fetthärtung Durch Hydrierung unter Nickel-Katalyse kann man ungesättigte Fettsäuren, wie Ölsäure C18:1(9c) (Schmp. 12 °C) in feste Fettsäuren, wie Stearinsäure C18:0 (Schmp. 69.5 °C), überführen. CO2H
 
 + H2 Ni, 180 °C, 5 bar
 
 CO2H
 
 Diesen Prozeß bezeichnet man als Fetthärtung. Triglyceride ungesättigter Fettsäuren in Pflanzenölen (Erdnuß, Baumwollsamen, Sojabohne) und Tranen werden nach Hydrierung zu festen Produkten wie Seifen, Kochfetten (Margarine), Kerzenwachs u. a. verarbeitet. Die Hydrierung führt zu haltbareren Produkten; dabei verschwindet der oft ranzige Geruch.
 
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 42.4
 
 Fettsäuren
 
 925
 
 Autoxidation und Polymerisation ungesättigter Fettsäuren Ungesättigte Fettsäuren autoxidieren (mit Triplett-Sauerstoff) an der Luft über Hydroperoxide zu bräunlichen viskosen Oxidationsprodukten. Diese Autoxidation ist die Ursache des Ranzigwerdens von Speiseölen und -fetten, die einen hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren enthalten. Ungesättigte Fettsäuren sind auch in den sogenannten "trockenen" Ölen und Firnissen für Anstrichfarben enthalten. Die Trocknung (besser Härtung) von Ölfarben ist eine oxidierende Polymerisation, wobei cis- eher als trans-Doppelbindungen reagieren. Man kann den Härtungsprozeß durch Sikkative (Trockner) wie Cobalt-, Mangan- und Blei-Salze beschleunigen. Die Sikkative wirken dabei als Sauerstoff-Überträger (Prooxidantien). So verläuft die Autoxidation von Ölsäure über ein mesomeriestabilisiertes Allyl-Radikal durch Abspaltung eines H-Atoms an einer der zur Doppelbindung α-ständigen Methylen-Gruppen. H 3C
 
 (CH2)7 CH CH CH2
 
 (CH 2)6 CO2H
 
 hν , Radikalbildner −H
 
 + O2 +R H −R
 
 H 3C
 
 (CH2)7 CH CH CH
 
 (CH 2)6 CO2H
 
 H 3C
 
 (CH2)7 CH CH CH
 
 (CH 2)6 CO2H
 
 H 3C
 
 O O (CH2)7 CH CH CH (CH 2)6 CO2H O OH
 
 Linolsäure C18:2 (9c,12c) wird wesentlich rascher autoxidiert als Ölsäure C18:1 (9c), da der Primärschritt aufgrund der besseren Mesomeriestabilisierung eine geringere Aktivierungsenergie erfordert. Unter den Folgeprodukten der instabilen Hydroperoxide findet man Epoxide, Mono-, Dihydroxyund Oxosäuren mit gleicher und kürzerer Kettenlänge sowie Polymerisationsprodukte. Polymerisate können auch ohne Sauerstoff beim langen Erhitzen von Polyensäuren auf hohe Temperatur (300 °C) entstehen. Deshalb sollte nur bis 200 °C und mit frischem Speiseöl fritiert werden. Die Autoxidation von Lipiden der Zellmembran soll mit ein Grund für Alterungsprozesse von Zellen sein. Durch Antioxidantien (Kap. 2.7.3) kann die Autoxidation gehemmt werden. Antioxidantien sind Metallkomplexbildner oder Radikalfänger, die eine Kettenreaktion dadurch verhindern (Inhibitoren), daß sie Schwermetall-Katalysen unterbinden oder stabilere, weniger reaktive Radikale bilden. Zu diesem Zweck können Speisefetten Phenole wie 2,6-Di-t-butyl-4-methylphenol oder Vitamin E zugesetzt werden. Die Wirkung derartiger Antioxidantien wird durch Phosphorsäure, Zitronensäure und Ascorbinsäure verstärkt (synergistische Wirkung).
 
 42.4.4
 
 Analytik der Fettsäuren
 
 Quantitative Bestimmungen von Fettsäuren und Fettsäure-Mustern werden in der Lebensmittelchemie, Biochemie und Medizin durchgeführt. Ständig werden neue Lipid-Moleküle aufgeklärt. Dazu müssen sowohl chemische als auch instrumentelle Methoden herangezogen werden. Chemische Analytik Der Gehalt an freien Fettsäuren kann nach Titration durch die Säurezahl (mg verbrauchtes KOH / g Lipid) angegeben werden. Esterartig gebundene Fettsäuren werden nach quantitativer Verseifung durch die Verseifungszahl (mg verbrauchtes KOH / g Lipid) identifiziert. Verseifungszahl abzüglich Säurezahl ergibt die Esterzahl. ̈
 
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 926
 
 42 Lipide
 
 Der Gehalt an Doppelbindungen wird durch die Iodzahl (g addiertes Iod / 100 g Lipid) bestimmt. Dazu wird das Lipid in Chloroform-Lösung mit einem Überschuß an Brom titriert, unverbrauchtes Brom iodometrisch bestimmt und das Ergebnis auf addiertes Iod umgerechnet. Auch die Hydrierzahl (mg verbrauchter Wasserstoff / 10 g Lipid bei katalytischer Hydrierung) charakterisiert den Ungesättigtheitsgrad. Polyenfettsäuren des Divinylmethan-Typs (−CH=CH−CH2−CH=CH−), wie Linolsäure oder Linolensäure, können durch UV-Absorptionsspektroskopie nach Isomerisierung in alkalischem Medium erfaßt werden, da konjugierte Polyensäuren längerwellig absorbieren. isolierte Diensäure (Linolsäure)
 
 H 3C
 
 (CH 2)4 CH CH CH 2 CH CH (CH 2)7 CO2H + 2 KOH , − 2 H2O
 
 H 3C
 
 −
 
 (CH 2)4 CH CH CH CH CH (CH 2)7 CO2
 
 λmax < 200 nm
 
 20 % KOH , HO−CH2−CH2−OH 180 °C , 30 min
 
 H 3C
 
 (CH 2)4 CH CH CH CH CH (CH 2)7 CO2
 
 2K
 
 + 2 HCl , − 2 KCl
 
 H 3C
 
 konjugierte Diensäure
 
 (CH 2)4 CH 2 CH CH CH CH (CH 2)7 CO2H
 
 λmax > 250 nm
 
 Ölsäure C18:1(9c) kann als (Z)-Alken in Gegenwart von Stickstoffoxiden zur Elaidinsäure C18:1(9t) mit (E)-Konfiguration isomerisieren. Diese cis-trans-Isomerisierung führt, gleichgültig von welcher der beiden Säuren man ausgeht, zu Gleichgewichtkonzentrationen von 34 % Ölsäure (thermodynamisch labiler) und 66 % Elaidinsäure (stabiler). CO2H
 
 CO2H
 
 34 % Ölsäure (Schmp. 12 °C)
 
 66 % Elaidinsäure (Schmp. 46 °C)
 
 Zur Lokalisierung einer CC-Doppelbindung kann eine oxidative Spaltung mit Kaliumpermanganat (Kap. 4.5.7) oder eine Ozonolyse (Kap. 4.5.9) durchgeführt werden. Die Spaltprodukte lassen sich gaschromatographisch und massenspektrometrisch identifizieren. Arbeitet man bei der Permanganat-Oxidation mit wenig KMnO4 und reoxidiert entstandenes Manganat durch viel gleichzeitig zugesetztes Natriumperiodat laufend zu KMnO4, so entstehen vorwiegend α-Hydroxyketone und wenig 1,2-Diole. Beide werden in Folgeschritten durch NaIO4 oxidativ gespalten und mit KMnO4 schließlich zu Carbonsäuren oxidiert: R2 R1 R1
 
 R2 C
 
 H
 
 C
 
 KMnO4
 
 R1 C
 
 H
 
 O
 
 R1 = H3C−(CH2) 7−
 
 R1
 
 R2
 
 = −(CH2) 7−CO2H
 
 CH OH
 
 R1
 
 C O NaIO4
 
 CH R 2
 
 R1
 
 OH CH
 
 CH
 
 OH
 
 OH
 
 R2
 
 R1
 
 CHO
 
 a
 
 + HO2C
 
 b
 
 R2
 
 CO2H +
 
 OHC
 
 R2
 
 +
 
 OHC
 
 R2
 
 c
 
 CHO
 
 a
 
 d
 
 d
 
 KMnO4
 
 R1
 
 CO2H + HO2C
 
 c
 
 b
 
 R2
 
 Aus Ölsäure entstehen so primär 9,10-Hydroxy- und Oxostearinsäuren. Deren Spaltung mit Periodat ergibt Pelargonaldehyd (H3C−(CH2)7−CHO) a, Nonandisäure b, Nonansäure c sowie Azelainaldehydsäure (OHC−(CH2)7−COOH) d. Weiteroxidation dieser Mischung mit Permanganat ergibt nur noch Nonansäure c und Nonandisäure b.
 
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 42.4
 
 Fettsäuren
 
 927
 
 Durch Ozonolyse einer ungesättigten Fettsäure entsteht ein Ozonid, das reduktiv (LiAlH4 oder NaBH4; Zn / HCl; H2 / Pd) oder oxidativ (H2O2 / HCOOH; Ag2O) spaltbar ist. Ölsäuremethylester liefert dabei die in Abb. 42.2 aufgeführten C9-Spaltprodukte. H
 
 H CO2CH3 O3
 
 H
 
 O O
 
 H
 
 CO2CH 3
 
 O CH2OH HOH 2C
 
 H2O2 , HCO2H oder Ag 2O
 
 CH2OH CH2OH
 
 HOH2C
 
 LiAlH4
 
 CO2CH 3
 
 CO2H HO2C
 
 NaBH4
 
 Zn / HCl oder H2 / Pt
 
 CO2H CHO
 
 OHC
 
 CO2CH3
 
 Abb. 42.2. Reduktive und oxidative Ozonolyse des Ölsäuremethylesters C18:1(9c)
 
 Gaschromatographie und Massenspektrometrie Die wichtigste quantitative und qualitative Analysenmethode für Lipide und insbesondere Fettsäuren ist die Gaschromatographie (GC). Fettsäuren werden dabei als Methylester chromatographiert, die durch saure Methanolyse (1 normale methanolische Salzsäure, 1-2 h Rückfluß) oder Methylierung mit Diazomethan in Diethylether oder Veresterung mit 7 % Bortrifluorid in Methanol gewonnen werden. Günstige Bedingungen zur GC-Trennung von Fettsäuren bieten Kapillarsäulen mit − −
 
 polaren stationären Phasen, wie Polyester von Diolen mit Dicarbonsäuren und Temperaturen bis 170 - 195 °C unpolaren stationären Phasen, wie Apiezon L (Kohlenwasserstoff) oder Silicon SR-30 und Temperaturprogramm bis 240 °C.
 
 Polare Säulen trennen z. B. die ungesättigten Methylester C18:1 , C18:2 und C18:3 gut (Abb. 42.3a); diese erscheinen dabei nach den C18:0 und C16:0-Methylestern. Bei unpolaren Säulen werden die ungesättigten Derivate ohne Trennung vor den C18:0-Estern eluiert (Abb. 42.3b). Eine Anwendung von Kapillarsäulen zur Trennung der Komponenten von Heringsöl zeigt Abb. 42.3c. In den Massenspektren erkennt man gesättigte Fettsäuren und ihre Ester an α-Spaltungen unter Bildung stabiler Fragmentionen des Typs R−C≡O+ sowie an MCLAFFERTY-Umlagerungen (βSpaltungen) unter Beteiligung der Carbonyl-Doppelbindung (Kap. 28.7.5). Ungesättigte Fettsäuren gehen zusätzlich Allyl-Spaltungen und MCLAFFERTY-Umlagerungen unter Beteiligung der CC-Doppelbindungen ein.
 
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 928
 
 42 Lipide
 
 Abb. 42.3. GC-Trennung eines Fettsäuregemisches (a) an einer polaren Säule (DEGS), (b) an einer unpolaren Säule (Apiezon L; LM = Lösemittel); (c) GC-Analyse von Heringsöl (Probenmenge 1 µl) an einer Kapillarsäule; aufgegeben wurden jeweils die mit Diazomethan hergestellten Methylester
 
 42.5 Wachse Fettsäuren C16 - C36 , die mit langkettigen primären einwertigen Alkoholen C16 - C36 verestert sind, kommen als Wachse in verschiedenen tierischen und pflanzlichen Produkten vor. O O Myricylpalmitat (Palmitinsäuremyricylester)
 
 Bienenwachs besteht zu 75 % aus Myricylpalmitat (C15H31CO2C30H61); weitere Komponenten sind 10 % Myricylcerotinat (C25H51CO2C30H61) (lat. cera = Wachs), Paraffin (15 %) sowie Myricylalkohol [H3C−(CH2)28−CH2OH]. Cetylpalmitat (C15H31CO2C16H33) kommt im Walrat vor. Auf den Blättern der brasilianischen Wachspalme entstehen schuppenartige Absonderungen von Myricylcerotinat.
 
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 42.6
 
 Phosphatide, Glycolipide, Aminolipide
 
 929
 
 42.6 Phosphatide, Glycolipide, Aminolipide Phosphatide, Glyco- und Aminolipide sind Triglyceride, die esterartig zwei Fettsäuren sowie einen polaren Rest an Glycerol gebunden tragen (Abb. 42.1). Die Fettsäuren dieser Lipide unterscheiden sich und werden daher in Formeln vereinfacht mit Stearinsäure in α-Stellung und der ungesättigten Ölsäure in ß-Stellung wiedergegeben, eine der häufigsten Kombinationen.
 
 42.6.1
 
 Phosphatide
 
 Phosphatide sind Triglyceride, in denen anstelle einer Fettsäure ein Ethanolamin über eine Phosphorsäurediester-Brücke mit Glycerol verbunden ist. Die Amino-Funktion ist protoniert oder permethyliert und damit positiv geladen. Da ein Sauerstoff-Atom des Phosphat-Restes negativ geladen ist, besitzt der polare Kopf Zwitterionenstruktur und stark hydrophilen Charakter, während die langen Fettsäure-Reste einen Molekülschwanz mit stark lipophilen Eigenschaften bilden (Abb. 42.4). lipophiler Schwanz polarer Kopf
 
 O O O CH2 O CH
 
 Fettsäuren
 
 Glycerol Cholin O
 
 CH3 CH 3
 
 CH2 O P O CH 2 CH2 N O
 
 CH3
 
 Phosphorsäureester
 
 Abb. 42.4. Phosphatidylcholin (L-α-Lecithin), ein typisches Phosphatid mit polarem Kopf aus Cholin und Phosphorsäurediester-Brücke mit lipophilem Fettsäure-Schwanz
 
 Die bekanntesten Glycerollipide sind das in Pflanzen und Tieren verbreitete Phosphatidylcholin (Lecithin), Phosphatidylethanolamin (Colaminkephalin) und Phosphatidylserin (Serinkephalin) (Tab. 42.3). Alle drei besitzen als gemeinsamen Grundkörper Diacyl-L-α-glycerolphosphorsäure (Phosphatidsäure) als Zwischenprodukt der Biosynthese. Cardiolipin ist ein höhermolekulares Phospholipid, das u. a. im Herzmuskel vorkommt. Die Lysolecithine entstehen aus Lecithin durch enzymatische Abspaltung (Phosphatidasen aus Schlangen- und Bienengift) von Acyl-Resten. Sie lysieren die Zellmembran von Erythrocyten, so daß Hämoglobin austritt (Hämolyse). Phosphatide (Phospholipide, Phospholipoide) sind die wesentlichen Bausteine der Lipid-Doppelschichten von Biomembranen; sie können daher aus allen Zellen isoliert werden. Angereichert findet man sie in Nervengewebe, Gehirn, Herz, Leber, Eidotter und Sojabohnen.
 
 42.6.2
 
 Sphingolipide und Glycolipide
 
 Unter den Sphingolipiden (Tab. 42.4) verkörpert das Fettsäureamid Ceramid die Kernstruktur, welche sich von dem langkettigen Aminoalkohol Sphingosin ableitet. Vom Ceramid leiten sich
 
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 930
 
 42 Lipide
 
 alle komplexeren Sphingolipide wie Sphingomyeline (Sphingophosphatide) und Cerebroside (Sphingoglycolipide) ab. Trägt der Zucker-Rest des Cerebrosids noch eine Schwefelsäuremonoester-Gruppe, so liegt ein sogenanntes Sulfatid vor.
 
 Tab. 42.3. Bedeutende Phosphatide und ihre Alkohol-Komponenten (R = Fettsäurealkyl-Reste) Phosphatid
 
 Alkohol-Komponente Phosphatidylcholin (L-α-Lecithin)
 
 R CO O CH2 R CO O CH
 
 O
 
 CH2 O P O CH2 CH2 N(CH3)3
 
 HO CH2 CH2 N(CH3)3
 
 Cholin
 
 HO CH2 CH2 N(CH3)3
 
 Cholin
 
 HO CH2 CH2 NH3
 
 Ethanolamin (Colamin)
 
 HO CH2 CH2 NH3
 
 Ethanolamin (Colamin)
 
 HO CH2 CH NH3
 
 L-Serin
 
 O Lysophosphatidylcholin (Lysolecithin)
 
 R CO O CH2 HO CH
 
 O
 
 CH2 O P O CH2 CH2 N(CH3)3 O Phosphatidylethanolamin (Colaminkephalin)
 
 R CO O CH2 R CO O CH
 
 O
 
 CH2 O P O CH2 CH2 NH3 O Plasmalogen (Enoletherphosphatid)
 
 R CH CH O CH2 R CO O CH
 
 O
 
 CH2 O P O CH2 CH2 NH3 O R CO O CH2 R CO O CH
 
 Phosphatidylserin (Serinkephalin)
 
 O
 
 CH2 O P O CH2 CH NH3 O
 
 CO2
 
 O
 
 OH OH
 
 CO2 Phosphatidylinosit (Inositphosphatid)
 
 R CO O CH2 R CO O CH
 
 HO
 
 CH2 O P O
 
 OH OH HO
 
 OH OH
 
 OH OH
 
 HO
 
 myo-Inosit
 
 O Cardiolipin (Diphosphatidylglycerol)
 
 R CO O CH2 R CO O CH
 
 O
 
 CH2 O P O CH2 O HO CH
 
 O
 
 CH2 O CO R
 
 HO CH2
 
 CH O CO R
 
 HO CH
 
 CH2 O CO R O
 
 CH O CO R
 
 CH2 O P O CH2
 
 CH2 O P O CH2
 
 O
 
 O
 
 Phosphatidylglycerol
 
 Sphingolipide kommen in Tieren und Pflanzen vor. Bei verschiedenen Gehirnkrankheiten werden bestimmte Sphingolipide im Gehirn vermehrt gespeichert. Das Bauprinzip der Sphingoglycolipide ist auch in den Gangliosiden vorhanden. Die aus dem Gehirn und der Erythrocytenmembran isolierbaren wichtigsten Ganglioside können anhand ihrer an Ceramid gebundenen Sialinsäure- (N-Acetylneuraminsäure) und Zucker-Reste charakterisiert werden. Man unterscheidet zahlreiche Mono- bis Trisialoganglioside. Ganglioside spielen eine
 
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 42.6
 
 Phosphatide, Glycolipide, Aminolipide
 
 931
 
 wichtige Rolle bei interzellulären und Zell-Virus-Wechselwirkungen sowie bei der synaptischen Reizübertragung. CH OH C NH
 
 CH
 
 O
 
 CH2 O Glucose Galactose-N-acetylneuraminsäure
 
 Gangliosid, ein Ceramidpolyhexosid
 
 N-Acetylgalactosamin Galactose-N-acetylneuraminsäure
 
 Tab. 42.3. Sphingo- und Glycolipide CH OH H2N
 
 Sphingosin (ungesättigter Aminoalkohol C 18)
 
 CH CH 2 OH CH OH
 
 C
 
 NH
 
 O
 
 Ceramid (N-Acylsphingosin)
 
 CH CH 2 OH CH OH
 
 C
 
 NH
 
 O
 
 CH
 
 Sphingomyelin (Sphingosinphosphatid)
 
 O
 
 CH 2 O P O CH2 CH2 N(CH 3)3 O CH OH
 
 C O
 
 NH
 
 CH CH 2 O
 
 OH OH
 
 HO
 
 O
 
 Cerebrosid (Sphingoglycolipid mit D-Galactose-Rest)
 
 CH2 OH
 
 Glycolipide tragen ebenfalls einen hydrophilen, jedoch ungeladenen Kopf aus einem Zucker-Rest. Aminolipide sind dagegen wiederum geladen und besitzen anstelle des dreiwertigen Alkohols Glycerol den mit einer basischen Aminosäure und einer Fettsäure veresterten zweiwertigen Alkohol Ethylenglykol (Abb. 42.1).
 
 42.6.3
 
 Lipopolysaccharide und Lipoproteine
 
 Lipopolysaccharide (LPS) wie Lipid A (Endotoxin) sind im Gegensatz zu den Phospholipiden in der äußeren Lipidmembran am Peptidoglycan Murein der Zellwand Gram-negativer Bakterien befestigt. Zwei β(1i6)-verknüpfte Glucosamin-Reste, deren funktionelle Gruppen in 2,3-Stellung mit Fettsäuren der Kettenlänge C12-C16 acyliert sind, bilden das Gerüst; die den Stickstoff acylierende 3-Hydroxytetradecansäure (3-Hydroxymyristinsäure) ist ihrerseits O-acyliert. Lipid A kann bei bakteriellen Infektionen, z. B. durch Salmonellen, noch in Konzentrationen von 1 ng/kg hohes Fieber verursachen.
 
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 42 Lipide
 
 Lipoproteine sind ebenfalls über Murein in der äußeren Lipidmembran von Bakterien verankert. Kopfgruppe ist das (RR)-Diastereomer der durch zwei oder drei Fettsäuren acylierten Aminosäure S-(2,3-Dihydroxypropyl)cystein. H3N
 
 OH O
 
 HO OH
 
 O
 
 O O
 
 P O O
 
 HO
 
 O O
 
 O
 
 NH O O
 
 O O
 
 O
 
 O O
 
 NH 3
 
 O
 
 O
 
 O O
 
 NH O
 
 HO
 
 O
 
 O
 
 P O
 
 P
 
 O
 
 O
 
 O
 
 O O
 
 O CH 2 O O *CH C16:0 C18:1(11c)
 
 45 % 24 %
 
 CH 2
 
 O
 
 S CH 2
 
 O C16:0 C16:1(9c) C18:1(11c)
 
 Lipopolysaccharid (LipidA , Endotoxin) aus Salmonella minnesota
 
 65 % 11 % 11 %
 
 P r o t e i n Murein * (58 Aminosäuren) H O H (RR) N
 
 Lipoprotein aus Escherichia coli
 
 Lipopolysaccharide und Lipoproteine wirken als Liganden bestimmter Rezeptoren auf das adaptive Immunsystem. Sie sind daher starke Immunstimulatoren (Adjuvantien). Kurze synthetische Analoga des nicht toxischen Lipoproteins aus Escherichia coli sind hochwirksame Komponenten synthetischer Impfstoffe. Diese Lipopeptide aktivieren schnell Makrophagen und Antikörper produzierende Zellen. Sie können als Transmembrantransporter Peptide in die Zelle schleusen, die dann eine zelluläre Immunantwort auslösen. Im Blut transportiert das LDL (low density lipoprotein) Cholesterol (Kap. 44.2) und andere Lipide. Stören Stoffwechsel-Defekte die Biogenese der LDL-Rezeptorproteine in der Gefäßmembran, so erhöht sich die LDL-Konzentration im Blutplasma. Infolgedessen lagert sich u. a. Cholesterol an den Blutgefäßwänden ab (Arteriosklerose). HDL (high density lipoprotein) befördert dagegen Lipide und Cholesterol in die Leber.
 
 42.7 Lipid-Membranen Die amphiphilen Eigenschaften polarer Lipide führen in wäßriger Umgebung zur Ausbildung von geordneten Strukturen, die man als Lipid-Doppelschichten (engl. Bilayer) bezeichnet. Diese können je nach Präparation planare oder kugelförmige Gestalt besitzen (Abb. 42.5). Kugelförmige Aggregate nennt man Micellen, Vesikel und Liposomen; sie entstehen bei der Ultraschall-Behandlung einer wäßrigen Suspension von polaren Lipiden. In das Innere von Liposomen werden Wirkstoffe zur besseren Bioverfügbarkeit eingeschlossen.
 
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 42.7
 
 Lipid-Membranen
 
 933
 
 Planare Doppelschichten entstehen spontan unter Wasser beim Überpinseln einer etwa 1 mm großen Durchbohrung mit einer Lipid-Lösung in Chloroform. Die so erzeugte Lipid-Membran kann z. B. zur Abtrennung von Elektrolytzellen für biophysikalische Untersuchungen dienen. Derartige polare Lipid-Strukturen (Abb. 42.5) verkörpern neben Proteinen und Polysacchariden das Bauprinzip der Lipid-Membran jeder lebenden Zelle.
 
 Abb. 42.5. Schnitt durch dreidimensionale Doppelschicht-Strukturen, zu denen sich amphiphile Lipid-Moleküle zusammenlagern können
 
 42.7.1
 
 Lipid-Doppelschichten
 
 Aufgrund der intermolekularen VAN DER WAALS-Kräfte resultieren in den Aggregaten langkettiger LipidMoleküle in wäßriger Umgebung bevorzugte Konformationen. Die molekulare Packung von polaren Lipiden mit Alkyl-Resten besteht aus parallel nebeneinander liegenden, zick-zack-förmigen Kohlenwasserstoff-Ketten. Alle CC-Bindungen haben dabei die energetisch günstige gestaffelte antiperiplanare Konformation (Kap. 2.4), welche gegenüber der synclinalen Konformation bevorzugt ist. Die Kohlenwasserstoff-Ketten orientieren sich dabei so, daß sie möglichst wenig mit Wasser wechselwirken und sich "ineinander lösen". Somit wird die thermische Bewegung der Lipide gedämpft. Die Entropie des ungebundenen Wassers nimmt dabei zu durch die Freisetzung von solchen Wassermolekülen, welche sich ansonsten um die Kohlenwassserstoff-Ketten in geordneter Struktur organisieren würden. Diese Entropiezunahme ist aus thermodynamischer Sicht die Hauptursache der Aggregatbildung. Phospholipide "binden" andererseits durch Ionen-Dipol-Wechselwirkung auch erhebliche Mengen Wasser, z. B. 1,2-Dipalmitoylphosphatidylcholin bis zu 20 %. Dieses "gebundene" Wasser wird zur Erhaltung organisierter Strukturen und Funktionen der natürlichen Membran benötigt. Die Länge einer Fettsäure wie Palmitinsäure C16:0 beträgt im "gestreckten" Zustand (sog. all-trans-Form, zick-zack-förmig) etwa 2.1 nm. Für Lipid-Doppelschichten, wie sie auch für natürliche Membranen angenommen werden, ergibt sich damit unter Einbeziehung des Phosphoglycerol-Restes eine Mindestdicke von etwa 5 nm. Bei den dünnsten Membranen (Mitochondrien) wurden 5 - 6 nm, bei den dicksten (Plasma) 9 - 10 nm Dicke gemessen. Natürliche Lipide kommen stets als Mischungen vor. Die Fettsäuren von Phospholipiden zeigen meist verschiedene Kettenlängen und eine wechselnde Anzahl von CC-Doppelbindungen. Besonders in Bakterien-
 
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 934
 
 42 Lipide
 
 membranen können auch verzweigte Fettsäuren auftreten. Somit führt bereits die Lipid-Zusammensetzung zur Vielfalt der Membran-Bausteine. Das Ausmaß intermolekularer Wechselwirkung ist andererseits am größten bei einheitlicher Zusammensetzung eines Lipids. Bei Zumischung anderer ähnlicher Komponenten erfolgt z. B. stets eine Schmelzpunktserniedrigung. Die Schmelzpunkte hochreiner Phospholipide liegen extrem hoch (200 bis 230 °C). Reine Fettsäuren mit gleichen Kohlenwasserstoff-Ketten schmelzen wesentlich niedriger (Tab. 42.1). Andererseits liegt der Schmelzpunkt des Salzes Natriumstearat bei 300 °C; Phospholipide liegen also in ihrem Schmelzverhalten zwischen den Fettsäuren und den Fettsäure-Salzen. Die relativ hohen Schmelzpunkte der Phospholipide sind mit der Wirkung starker ionischer Kräfte zwischen den polaren Köpfen der Lipide erklärbar. In den Salzen der Fettsäuren sind diese Ionen-Bindungen noch wesentlich ausgeprägter. Lipid-Strukturen zeigen bereits unterhalb ihres Schmelzpunktes eine gewisse Beweglichkeit. Erwärmt man Lipide langsam, so können mit verschiedenen instrumentellen Methoden Umordnungen der Struktur beobachtet werden. Diese bezeichnet man als Phasenübergänge, und die Temperatur, bei der eine derartige Umwandlung eintritt, nennt man Übergangstemperatur. Die Beweglichkeit der Phospholipide nimmt mit steigender Temperatur stetig zu, bis bei der Übergangstemperatur plötzlich eine sehr starke Mobilität (Fluidität) eintritt. Die Kohlenwasserstoff-Kette des Lipids "schmilzt", jedoch ohne daß dadurch die gesamte "Kristall"Struktur mit einbezogen wird. Man spricht daher von flüssigen Kristallen. Bei der Übergangstemperatur werden die Kohlenwasserstoff-Ketten flexibler, und die vorher durchgehend trans-planare Anordnung der Ketten wird teilweise unterbrochen (Abb. 42.6).
 
 a
 
 b
 
 c
 
 d
 
 Abb. 42.6. Schematische Darstellung der Konformationen von Kohlenwasserstoff-Ketten eines Lipids (nur Monoschicht) (a) perfekte Packung im Kristall, (b) erhöhte Beweglichkeit kurz unterhalb des Phasenübergangs, (c) und (d) hohe Beweglichkeit und geringere Membrandicke beim Phasenübergang
 
 Enthalten Phospholipide kurze Alkyl-Ketten oder Doppelbindungen, so beobachtet man eine Verschiebung des Phasenübergangs nach niedrigerer Temperatur. Interessanterweise verhalten sich die Phasenübergangstemperaturen etwa wie die Schmelzpunkte entsprechender Fettsäuren. Somit liegen die Übergangstemperaturen hoch bei gesättigten langkettigen Phospholipiden, niedriger bei trans-Doppelbindungen und noch niedriger bei cis-Doppelbindungen. Natürliche Phospholipid-Mischungen, z. B. aus Erythrocyten-Membranen, enthalten viel Fettsäuren mit cis-Doppelbindungen. Deshalb zeigen sie Phasenübergänge bei oder unterhalb der Raumtemperatur. Beim Phasenübergang hat das Lipid die geringste Dichte, und durch die vermehrte "Schlangen-Struktur" verkürzt sich die Dicke der Lipid-Schicht gegenüber dem kristallinen Zustand (Abb. 42.6). Experimentell läßt sich zeigen, daß der gesamte Raumbedarf eines Lipids durch den Phasenübergang nicht zunimmt. Oberhalb, bei und unterhalb der Phasenübergangstemperatur von Phospholipiden werden unterschiedliche Permeabilitätseigenschaften z. B. für Elektrolyte beobachtet. Cholesterol und zweiwertige Kationen (Mg2+, Ca2+) stabilisieren Phosphatid-Doppelschichten oberhalb der Übergangstemperatur; unterhalb dieser Temperatur wirkt ein Cholesterol-Zusatz fluidisierend. Cholesterol baut sich idealer in die KohlenwasserstoffRegion ein.
 
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 42.7
 
 Lipid-Membranen
 
 42.7.2
 
 935
 
 Aufbau biologischer Lipid-Membranen
 
 Bereits 1925 wurden aus Erythrozyten-Membranen Lipide extrahiert und eine Lipid-Doppelschicht als Zellumhüllung vermutet (GORTER und GRENDEL). Diese Vorstellung wurde von DANIELLI und DAVSON (1935) unter Einbeziehung angelagerter Proteine erweitert. Von ROBERTSON (1959) wurde durch Elektronenmikroskopie ein lamellarer Membranaufbau gezeigt. Erst auf der Grundlage des von SINGER und NICOLSON (1965) vorgestellten Mosaikmodells konnte sich ab 1972 das heute akzeptierte "fluid-mosaic"-Modell entwickeln (Abb. 42.7).
 
 Abb. 42.7. Aufbau einer biologischen Membran ("fluid mosaic model") aus einer Lipid-Doppelschicht mit intrinsischen und extrinsischen Membran-Proteinen. Innerhalb einer Lipid-Doppelschicht "schwimmen" einzelne oder aggregierte Proteinmoleküle. An einige der Lipid- bzw. Proteinmoleküle sind Zucker-Ketten geknüpft, die nach außen in die Umgebung der Zelle ragen
 
 Eine biologische Membran besteht aus einer Lipid-Doppelschicht mit angelagerten (peripheren) und eingelagerten (integralen) globulären Proteinen sowie aus Polysacchariden und einem wechselnden Wasseranteil von etwa 20 %. Biologische Membranen enthalten ohne Wasser in Gewichtsprozent: Lipide 45 %; Proteine 45 %, integrale und periphere; Kohlenhydrate 10 %, peripher, nur außerhalb der Zelle; Ionen (Ca2+, Mg 2+). Das Verhältnis integraler und peripherer Proteine beträgt etwa 60 : 40. Biomembranen sind asymmetrisch aufgebaut, da u. a. die Verteilung der Phosphatid-Typen der äußeren und inneren Monoschicht ungleich ist.
 
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 936
 
 42 Lipide
 
 Die Biomembran ist in einem quasifluiden Zustand, der eine schnelle laterale Bewegung der Proteine innerhalb der Lipid-Schicht ermöglicht. Die Membran-Proteine sind aufgrund ihrer besonderen Aminosäuren-Zusammensetzung und Konformation (hoher Helix- und Knäuelstrukturanteil, wenig Faltblattstruktur) zu intensiven Wechselwirkungen mit der polaren Region und der Kohlenwasserstoff-Schicht der Doppelschicht befähigt. Etwa 50 % der Aminosäuren von Membran-Proteinen sind Glu, Leu, Asp, Ala, Val. Die membrangebundenen Proteine sind die eigentlichen Träger der wichtigen Funktionen einer Biomembran: Erkennen von Verbindungen durch LigandRezeptor-Wechselwirkungen, aktiver und passiver Transport von Molekülen durch Transportproteine sowie Umwandlung von Molekülen durch Enzyme. Integrale Membran-Proteine können mit Detergentien wie Natriumdodecylsulfat aus der Lipid-Doppelschicht herausgelöst werden. Auf diese Weise isolierte MembranEnzyme verlieren dabei aber meist irreversibel ihre enzymatische Aktivität, da deren Konformation durch Lipide stabilisiert ist. Zellmembranen dienen somit nicht nur als Barrieren zur Abgrenzung extrazellulären Raums oder zur Unterteilung innerhalb der Zelle in Kompartimente (Reaktionsräume). Zellmembranen sind auch Enzym- und Antigenitätsträger. Ferner sind sie in Verbindung mit Energieträgern und Enzymen äußerst wirkungsvolle Pumpen, die einen Transport von Molekülen und Ionen entgegen ihrem Konzentrationsgefälle bewirken. Ein derartiger aktiver Transport ist bei der Na+-Pumpe der Nervenzellmembranen verwirklicht und bei der synaptischen Übertragung von Nervenimpulsen wesentlich. Die besonderen Eigenschaften einer Biomembran lassen sich kurz zusammenfassen: selektive Permeabilität (semipermeabel) für kleinere Moleküle und Ionen sehr gute Permeabilität für Gase: Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid gute Permeabilität für Wasser geringe Permeabilität für Ionen, Elektrolyte, Kohlenhydrate impermeabel für Biopolymere (nur durch Endozytose möglich) hohe Oberflächenspannung, etwa 103 - 105 N / m hoher elektrischer Widerstand, etwa 103 - 105 W cm2 Aufrechterhaltung einer Zellkapazität von 0.5 - 1 F/cm2.
 
 42.8 Industrielle Synthese von Detergentien 42.8.1
 
 Alkylbenzensulfonate
 
 Lineare Alkylbenzensulfonate (LAS) sind die am meisten produzierten synthetischen Tenside. Ihre industrielle Synthese umfaßt drei Schritte: − Alkylierung von Benzen mit Alkenen oder chlorierten Alkane, − Sulfonierung des Benzen-Kerns der Alkylbenzene, − Neutralisation der Alkylbenzensulfonsäure mit Natronlauge zum Sulfonat. Abb. 42.8 informiert über zwei Verfahren (A und B) zur Herstellung von n-Alkylbenzenen aus Erdöl. Verfahren A: Nach Chlorierung langkettiger n-Alkane C10 - C14 aus Erdöl +
 
 Cl2 Unterschuß
 
 100 °C − HCl
 
 Cl
 
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 42.8
 
 Industrielle Synthese von Detergentien
 
 937
 
 können die resultierenden Chloralkane das Benzen nach FRIEDEL-CRAFTS (Kap. 10.6.1) alkylieren. AlCl3
 
 +
 
 − HCl
 
 Cl
 
 Verfahren B: Die Chloralkane werden katalytisch dehydrohalogeniert. Fe (Kat.) − HCl
 
 Cl
 
 Die gebildeten Alkene alkylieren Benzen zu Alkylbenzenen. Der exotherme Prozeß wird mit zehnfachem Überschuß an Benzen gefahren. HF (Kat.)
 
 +
 
 Bei beiden Verfahren erfolgt eine kontinuierliche Reaktionsführung unter Rückgewinnung überschüssiger Edukte (Jahresproduktion linearer Alkylbenzene 3.5 x 106 t weltweit). Erdöl Kerosin-Fraktion
 
 Paraffinwachse C20 - C40
 
 Ethen
 
 Molekularsieb-Verfahren n-Paraffine C10 - C14 Chlorierung + Cl2
 
 − HCl
 
 Chlorparaffine C10 - C14 Verfahren A + Benzen (AlCl3)
 
 ZIEGLERVerfahren
 
 Cracking − H2
 
 Dehydrierung − HCl (Fe als Kat.)
 
 Dehydrochlorierung n-Alkylbenzen
 
 Alkene C10 - C14 + Benzen (HF) Verfahren B
 
 Abb. 42.8. Möglichkeiten zur Herstellung von n-Alkylbenzen, ein Zwischenprodukt der Tensid-Fabrikation
 
 Die Sulfonierung des Benzen-Kerns der n-Alkylbenzene erfolgt mit einem Schwefeltrioxid / LuftGemisch (2 - 6 % SO3). Die n-Alkylbenzensulfonsäure wird mit Natronlauge zum Endprodukt nAlkylbenzensulfonat neutralisiert. SO3 / Luft
 
 + NaOH − H2O
 
 SO3H
 
 SO3 Na
 
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 938
 
 42 Lipide
 
 Die gegenwärtig produzierten, anionaktiven linearen n-Alkylbenzensulfonate (LAS) zeichnen sich durch wesentlich bessere biologische Abbauraten (90 - 95 %) in Abwässern aus als das früher verbreitete Tensid Tetrapropylenbenzensulfonat (TPS). CH 3
 
 CH3
 
 (H 3C)2CH CH 2 CH CH CH CH(CH 3)2
 
 Tetrapropylenbenzensulfonat (TPS) [4(2,3,5,7-Tetramethyl-5-octyl)-benzensulfonat]
 
 SO3 Na
 
 Nach dem deutschen Waschmittelgesetz von 1975 müssen alle anionischen und nicht anionischen Tenside zu mindestens 80 % abbaubar sein. Synthetischen Waschmitteln werden Bleichmittel wie Perborat oder Percarbonat, optische Aufheller und andere Textilhilfsmittel wie Faserschutzstoffe aus Metasilikat zugesetzt.
 
 42.8.2
 
 Langkettige Alkylsulfate und andere Tenside
 
 Tab. 42.5 orientiert über verschiedene Tensid-Typen und ihre Anwendungsgebiete. Zur Herstellung der n-Alkylsulfate geht man von primären Fettalkoholen aus, die durch Hydrierung von Fettsäuren und Fettsäuremethylestern oder durch Oligomerisierung von Ethen (nach ZIEGLER, Kap. 36.2.4) gewonnen werden. CO2H
 
 CO2CH3
 
 Fettsäuren
 
 Fettsäuremethylester (aus Talg und Kokosfett)
 
 (aus Fetten oder durch Oxidation von Paraffinen) + 2 H2 / CuO / Cr2O3
 
 − H2 O
 
 + 2 H2 / Ni , 200 °C, 300 bar
 
 − CH3OH + 1.5 H2SO4
 
 CH2OH
 
 − 0.5 Al2(SO4)3
 
 Fettalkohole
 
 Al[O (CH2
 
 CH 2)n C2H5] 3 Aluminiumalkoholate O2
 
 1.) + H2SO4 (konz.) , − H2O 2.) + NaOH , − H2O
 
 O
 
 CH2 O S O Na
 
 Al[(CH 2
 
 CH2)n C2H5] 3
 
 Trialkylaluminium Al(C 2H5) 3
 
 O
 
 Natrium-n-alkylsulfat
 
 H2C CH 2
 
 Tenside vom Typ der sek-Alkylsufate stellt man aus Monoalkenen der Erdöl-Crackung durch Addition von Schwefelsäure (Kap. 4.5.5) und Neutralisation der Alkylhydrogensulfate her. + H2SO4
 
 + NaOH
 
 − H 2O
 
 OSO3 Na
 
 Die als Textilhilfsmittel verwendeten, anionaktiven Alkylsulfonate (Mersolate) werden weniger über Alkylsulfochloride als vielmehr durch Sulfoxidation von Alkanen hergestellt (Kap. 24.12.1). Kationenaktive Tenside (Invertseifen) sind durch Alkylierung tertiärer Amine zugänglich. Sie finden vielseitige Anwendung in der Textilchemie. N(CH3)2
 
 +
 
 Cl CH 2
 
 H3C CH3 N Cl
 
 Zephirol (kationenaktives Tensid)
 
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 42.8
 
 Industrielle Synthese von Detergentien
 
 939
 
 Tab. 42.5. Ausgewählte synthetische Tenside Bezeichnung anionenaktive Tenside
 
 F o r m e l
 
 n-Alkylbenzensulfonate
 
 H3C
 
 sek-Alkansulfonate
 
 H3C
 
 Anwendungen
 
 (CH 2)n CH
 
 (CH2)m CH3 Waschmittelrohstoffe, Geschirrspülmittel, industrielle Reinigungsmittel, Textilhilfsmittel, Erzflotation, Galvanotechnik
 
 SO3 Na (CH 2)n CH
 
 (CH2)m CH3
 
 SO3 Na Alkensulfonate
 
 H3C
 
 (CH 2)n CH CH CH2 SO3 Na
 
 flüssige Geschirrspülmittel, Waschmittelrohstoff
 
 Fettalkoholsulfate
 
 H3C
 
 (CH 2)n CH2 O SO3 Na
 
 Schaumbäder, Haarschampoos, Spülmittel
 
 Carboxylate (Seifen)
 
 H3C
 
 (CH 2)n CO2 Na (oder K )
 
 Körperpflege
 
 kationenaktive Tenside quartäre AlkylammoniumSalze
 
 Weichspüler, Desinfektionsmittel, Antistatika, Flotationsmittel, Korrosionsinhibitoren, Asphaltzusätze
 
 (H 3C)2NR 1R2 Cl (R1 und R2 langkettig)
 
 N-Alkylpyridinium-Salze
 
 N
 
 (R langkettig)
 
 R Cl
 
 nichtionische Tenside Alkylpolyglykolether
 
 H3C
 
 (CH 2)n
 
 Alkylphenolpolyglykolether
 
 H3C
 
 (CH 2)n
 
 PolypropylenoxidPolyethylenoxidBlockpolymerisate
 
 HO (CH 2 CH 2 O)x
 
 Waschmittelrohstoffe, Textilhilfsmittel, Erzflotation, Metallbearbeitung, Emulgatoren für Pflanzenschutzmittel, Fotographie, Kautschukindustrie
 
 O (CH 2 CH 2 O)m H O (CH 2 CH 2 O)m H CH 3 [CH CH 2 O] y
 
 (CH 2 CH 2 O)z H
 
 Ampholyte Alkylammoniumalkancarboxylate
 
 H3C
 
 (CH 2)n NH2 CH 2 CH 2 CO2
 
 Alkylbetaine
 
 H3C
 
 (CH 2)n N(CH3)2 CH 2 CO2
 
 Fluortenside
 
 O
 
 (F 5C 2)3C
 
 Körperpflege
 
 SO3 Na
 
 Galvanotechnik
 
 C C F 5C2
 
 C2F 5 CH3
 
 Silicontenside
 
 ]n
 
 H5C 2 Si{ O [Si O
 
 (CH2 CH 2 O)y
 
 (CH 2 CH 2 CH 2 O)z C 4H9}3 Feuerlöschmittel
 
 CH3
 
 Unter den nicht ionogenen Tensiden sind besonders die durch Polymerisation von Ethylenoxid (Oxiran) zugänglichen Polyethylenglykole (Polyethylenoxide, Polyoxyethylene) von Bedeutung. Polyethylenglykole lösen sich sowohl in Wasser als auch in den meisten organischen Lösemitteln genügend gut. Ihre Addukte mit Fettalkoholen, Alkylphenolen und Fettsäuren (Tab. 42.5) finden vielfältigen Einsatz. n
 
 O
 
 +
 
 HO (CH2)m CH 3
 
 OH
 
 nichtionisches Tensid
 
 −
 
 HO CH2 CH2
 
 (O CH2 CH2)n O CH2 CH2 O (CH2)m CH3 1.) + H2SO4 2.) + NaOH
 
 Na
 
 O3S O CH2 CH2
 
 − H2O − H 2O
 
 (O CH2 CH2)n O CH2 CH2 O (CH2)m CH3 anionenaktives Tensid
 
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 940
 
 43 Terpene
 
 43 Terpene 43.1 Herkunft, Bauprinzip und Biogenese der Terpene 43.1.1
 
 Begriff, Bauprinzip, Klassifizierung
 
 Der Begriff Terpene stammt von der Bezeichnung Balsamum terebinthinae für Terpentin. Terpentin ist der zähflüssige Balsam, der beim Anschneiden oder Einkerben aus der Rinde und dem jungen Holz der Kiefern fließt ("Kiefernharz") und u. a. einige wohlriechende, ungesättigte Kohlenwasserstoffe (= Terpene) ausströmt. Traditionell sind Terpene Naturstoffe (Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Ether, Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren, Ester, Amine) überwiegend pflanzlicher Herkunft, die sich durchweg aus Isopren-Einheiten zusammensetzen und daher auch als Isoprenoide bezeichnet werden (Isopren-Regel nach RUZICKA und WALLACH). Genau genommen ist nicht Isopren (= 2-Methyl-1,3-butadien), sondern 2-Methylbutan die Untereinheit der Terpene (Tab. 43.1). Um die etwa 30 000 bekannten Terpene zu klassifizieren, unterscheidet man je nach Anzahl n der 2-Methylbutan-Einheiten (C5)n zwischen Hemi- (C5), Mono- (C10), Sesqui- (C15), Di- (C20), Sester(C25), Tri- (C30), Tetra- (C40) und Polyterpenen (C5)n>8 (Tab. 43.1). Tab. 43.1. Stammkohlenwasserstoffe der Terpene (2-Methylbutan- bzw. Isopren-Einheiten fett gedruckt)
 
 C5 Hemi-
 
 C10
 
 Mono-
 
 C15
 
 Sesqui-
 
 C20 Di-
 
 Kopf
 
 Schwanz
 
 2-Methylbutan
 
 2,6-Dimethyloctan
 
 2,6,10-Trimethyldodecan (Farnesan)
 
 2,6,10,14-Tetramethylhexadecan (Phytan) Schwanz
 
 C25 Sester-
 
 Kopf
 
 2,6,10,14,18-Pentamethylicosan
 
 Schwanz
 
 C30 Tri-
 
 2-Methyl-1,3-butadien (Isopren)
 
 Schwanz
 
 2,6,10,15,19,23-Hexamethyltetracosan (Squalan) Schwanz
 
 C40 Tetra-
 
 (C5)n Polyterpene
 
 ψ,ψ-Caroten
 
 Schwanz
 
 n all-trans-Polyisopren (Guttapercha)
 
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 43.1
 
 Herkunft, Bauprinzip und Biogenese der Terpene
 
 941
 
 Definiert man im 2-Methylbutan die Isopropyl-Gruppe als "Kopf", die Ethyl-Gruppe als "Schwanz", so sind Tri- und Tetraterpene in der Mitte Schwanz-Schwanz-, alle anderen Terpene durchweg Kopf-Schwanz-verknüpft (Tab. 43.1). Umlagerungen und Abbaureaktionen (Abspaltungen von C-Atomen) bewirken gelegentlich Abweichungen von der Isopren-Regel. Zwei Isopren-Einheiten können durch eine, zwei oder mehr Bindungen miteinander verknüpft sein. Dementsprechend gibt es acyclische sowie mono-, di-, tri-, tetra-, pentacyclische (polycyclische) Terpene. Einfache Beispiele sind die Grundskelette vieler mono- und bicyclischer Monoterpene: acyclisch
 
 2,6-Dimethyloctan
 
 monocyclisch
 
 p-Menthan
 
 Eucarvan
 
 bicyclisch
 
 Thujan
 
 Camphan (Bornan)
 
 Die Nomenklatur der Terpene und ihrer Kohlenwasserstoff-Grundskelette orientiert sich oft an der natürlichen Herkunft. Camphan, Stammkohlenwasserstoff des Camphers, stammt von der botanischen Bezeichnung Cinnamomum camphora (Lauraceae) des Campherbaums; p-Menthan, Grundskelett der Inhaltsstoffe des Pfefferminzöls, entspringt dem botanischen Namen der Pfefferminze, Mentha piperita (Labiatae).
 
 43.1.2
 
 Vorkommen, Bedeutung
 
 Terpene spielen als Duft- und Geschmackstoffe in etherischen Ölen eine wichtige Rolle. Etherische Öle werden durch Auspressen, Extraktion oder Wasserdampfdestillation von Pflanzen oder Pflanzenteilen (Blüten, Blätter, Wurzeln) gewonnen. Sie finden als Duftstoffe in der Parfümerie, oder als Aromen zur Geruchs- und Geschmackverbesserung von Speisen vielseitige Verwendung. Neben etherischen Ölen dienen Bitterstoffe und andere terpenoide Wirkstoffe zur Herstellung pflanzlicher Arzneimittel (Phytopharmaka). Darunter finden sich auch Antibiotika, Entzündungsund Tumorhemmer sowie insektizid und fungizid wirkende Terpene für den Pflanzenschutz. Zu den Prenylchinonen gehören redoxaktive Vitamine (E und K). Die Carotenoide als Tetraterpene sind Vorstufen des Vitamins A, kommen als gelbe, orange und rote tetraterpenoide Polyenfarbstoffe in Blättern, Blüten, Früchten (Tomaten), Wurzeln (Karotte) vor und nützen als Lebensmittelfarbstoffe und Antioxidantien. Das Polyterpen Naturkautschuk war der Rohstoff zur Herstellung von Gummi, bevor das Naturprodukt durch den identischen Synthesekautschuk ersetzt wurde. Terpene sind Komponenten der Harze und Balsame (in etherischen Ölen gelöste Harze) verletzter Bäume wie Weihrauch (ein Harz) und Terpentin (ein Balsam). Wird aus dem Balsam Terpentin der wasserdampfflüchtige Anteil (das Terpentinöl als etherisches Öl) entfernt, so verbleibt als Rückstand das Harz Kolophonium. Insekten verbreiten flüchtige Monoterpene und deren Stoffwechselprodukte als Pheromone (griech. ϕερω = tragen) zur Kommunikation, z. B. zur Versammlung (Aggregationspheromone), Markierung von Wegen (Spurpheromone), Warnung (Alarmpheromone) und Paarung (Sexualpheromone), die sich im umweltfreundlichen Pflanzenschutz einsetzen lassen.
 
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 942
 
 43 Terpene
 
 Die Pflanzen selbst nutzen Terpene als Signalstoffe zur Kommunikation untereinander, als Lockstoffe für Insekten zwecks Bestäubung, als Phytohormone (Wachstumsregulatoren) sowie zur Abwehr von Fraßfeinden. Tab. 43.2 faßt Herkunft, Inhaltsstoffe und Wirkung dieser pflanzlichen Produkte zusammen. Tab. 43.2. Terpene in pflanzlichen Produkten, ihre Eigenschaften und Wirkungen Stoffgruppe
 
 Herkunft
 
 Inhaltsstoffe, Eigenschaften, Verwendung
 
 Etherische Öle
 
 höhere Pflanzen (Blütendüfte)
 
 Mono- und Sesquiterpene (Gemische) intensiver, charakteristischer Geruch Duftstoffe für die Riechstoffindustrie Duft- und Geschmackstoffe für Lebensmittel
 
 Bitterstoffe
 
 höhere Pflanzen wie Enzian (Wurzel) Tausendgüldenkraut, Bitterklee
 
 Mono- und Sesquiterpenlactone bitterer Geschmack, Arzneimittel zur Anregung von Magen- und Speichelsekretion
 
 Pheromone
 
 Drüsen von Insekten; Vorstufen pflanzlicher Herkunft (Wirtsplanzen)
 
 meist flüchtige Monoterpene (Alkohole, Aldehyde, Carbonsäuren, Ester) Aggregations-, Alarm-, Sexual- und Spurpheromone
 
 Phytohormone
 
 Pflanzen
 
 Hemi-, Mono- und Diterpene Signalstoffe, Wachstumsregulatoren
 
 Phytopharmaka
 
 Pflanzen, Pilze, Insekten
 
 Mono-, Sesqui-, Di- und Triterpene Insektizide und Fungizide, Vitamine (A) Antibiotika, Entzündungs- und Tumorhemmer
 
 Prenylchinone
 
 ubiquitär in Prokaryonten und Eukaryonten
 
 Chinone mit Isoprenoid-Kette, Redox-Systeme Vitamine (E und K), biologische Funktion in Atmungskette und oxidativer Phosphorylierung
 
 Carotenoide
 
 Pflanzen, Bakterien
 
 Tetraterpene (Gemische), gelb bis rot, licht- und oxidationsempfindlich, lichtabsorbierend bei der Photosynthese, Schutz vor Singulett-Sauerstoff, Vitamin A-Vorstufen, Lack- und Lebensmittelfarben
 
 Harze und Balsame
 
 Sekrete verletzter Bäume (Weihrauch, Terpentin)
 
 Harze: Di- und Triterpene (Gemische), Harzsäuren transparente, amorphe, spröde-, oft geruch- und geschmacklose, lipophile Verbindungen, Balsame: Lösungen der Harze in etherischen Ölen
 
 Polyterpene
 
 als Kautschuk im Milchsaft (Latex) des Gummibaums Hevea brasiliensis Guttapercha im Milchsaft von Sapotaceae
 
 Polyisoprene aus bis zu 5000 C 5-Einheiten Kautschuk: klebrig, nach Vulkanisation elastisch Guttapercha: hart und unelastisch, weich ab 50 °C
 
 43.1.3
 
 Biogenese
 
 Terpene sind sekundäre Stoffwechselprodukte (Sekundärmetabolite) der Pflanzen, die biosynthetisch von Kohlenhydraten, Fetten und Aminosäuren abstammen. Die Herkunft ihrer C-Atome wurde durch Isotopenmarkierung mit 14C und 13C ermittelt. Als biogenetische Vorstufe der Terpene entpuppte sich der Thiolsäureester Acetyl-Coenzym A, die aktivierte Essigsäure (Abb. 43.1). Nach einer Art CLAISEN-Kondensation zweier Äquivalente Acetyl-CoA entsteht Acetoacetyl-CoA, eine biologische Version des Acetessigesters. Acetoacetyl-CoA reagiert mit einem weiteren Äqui-
 
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 43.1
 
 Herkunft, Bauprinzip und Biogenese der Terpene
 
 943
 
 valent Acetyl-CoA als C-Nucleophil in Analogie zur Aldol-Reaktion zum β-Hydroxy-β-methylglutaryl-CoA weiter, bevor eine enzymatische Reduktion in Gegenwart von Wasser die (R)Mevalonsäure ergibt. Deren Phosphorylierung (mit ATP) führt über Mevalonsäuremono- und diphosphat (= pyrophosphat) unter Decarboxylierung und Dehydratisierung zum Isopentenyldiphosphat (IDP), das durch eine SH-Gruppen enthaltende Isomerase zum γ,γ-Dimethylallyldiphosphat (DMADP, Prenyldiphosphat) isomerisiert. Verknüpfung der elektrophilen Allyl-CH2-Gruppe des γ,γ-Dimethylallyldiphosphats mit der nucleophilen Methylen-Gruppe des Isopentenyldiphosphats führt zum Geranyldiphosphat als Monoterpen. Dessen Weiterreaktion mit einem Äquivalent Isopentenyldiphosphat liefert Farnesyldiphosphat als Sesquiterpen (Abb. 43.1). aktivierte Essigsäure
 
 CH 2−H + CoAS
 
 CoAS
 
 Acetoacetyl-CoA HSCoA
 
 CH3
 
 O
 
 C-Nucleophil
 
 C
 
 O
 
 O
 
 CoAS
 
 CH 3
 
 β-Hydroxy-β-methyl-glutaryl-CoA
 
 O H
 
 SCoA , H2 O
 
 HO CH3O HO2C
 
 O HSCoA
 
 C-Elektrophil
 
 SCoA
 
 (NADPH + H+) HSCoA
 
 HO CH 3 Pantothensäure Pantoinsäure β-Alanin O O O O P
 
 O
 
 O
 
 P
 
 HO H
 
 O H 3C CH 3 O
 
 (R)-Mevalonsäure HO2C Cysteamin
 
 H
 
 H
 
 N
 
 N
 
 OH
 
 (ATP) CH 3
 
 S
 
 O
 
 O
 
 O
 
 (R)-MevalonsäureHO2C diphosphat
 
 HO Acetyl-Coenzym A (aktivierte Essigsäure) N
 
 OH
 
 OH
 
 CO2, H2O
 
 N
 
 N
 
 O
 
 P O P OH
 
 OPP
 
 O HO
 
 PP =
 
 HO CH 3
 
 1
 
 NH 2 N
 
 DMADP
 
 OPP
 
 IDP
 
 2
 
 Monoterpene C10
 
 OPP
 
 OPP
 
 Geranyldiphosphat
 
 3 [H+] , Kopf-Schwanz HOPP
 
 Sesquiterpene C15
 
 OPP
 
 Farnesyldiphosphat
 
 Steroide
 
 Triterpene C30
 
 +
 
 4 [H ] , Kopf-Schwanz
 
 Schwanz-Schwanz HOPP
 
 Diterpene C20 Geranylgeranyldiphosphat
 
 Tetraterpene C40
 
 OPP
 
 4 ( [H+] , Kopf-Schwanz )n
 
 Schwanz-Schwanz HOPP
 
 Polyterpene C5n
 
 n Polyprenyldiphosphat
 
 OPP
 
 Abb. 43.1. Biosynthese der Terpene mit den wichtigsten Zwischenstufen; Abkürzungen: CoA = Coenzym A; DMADP = γ,γ-Dimethylallyldiphosphat, IDP = Isopentenyldiphosphat, 1 = Isopentenyldiphosphat-D-Isomerase, 2 - 4 = Dimethylallyl-Transferasen
 
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 944
 
 43 Terpene
 
 43.2 Übersicht der Terpene 43.2.1
 
 Hemi- und Monoterpene
 
 Hemiterpene Neben Isopentenyldiphosphat als Intermediat der Terpen-Biosynthese kommen etwa 30 Hemiterpene (C5) natürlich vor. Dazu gehören die Säurekomponenten zahlreicher natürlicher Ester wie Isovalerian-, Senecio-, sowie die cis-trans-Isomeren Tiglin- und Angelicasäure, 2-Methyl-3buten-2-ol aus dem Sexualpheromon-Cocktail des Borkenkäfers und das übel riechende Methyl(3-methyl-3-butenyl)sulfid, welches der Rotfuchs zur Paarungszeit im Herbst renal ausscheidet. ̈
 
 CO2H
 
 CO2H
 
 HO 2-Methyl-3-buten-2-ol
 
 Isovaleriansäure
 
 Seneciosäure
 
 HO2C Tiglinsäure
 
 HO2C
 
 S
 
 Angelicasäure
 
 CH 3
 
 Methyl-(3-methyl-3-butenyl)sulfid
 
 Acylische Monoterpene Viele acyclische Monoterpene (C10) sind Inhaltsstoffe etherischer Öle. Citrus-, Lorbeer- und Hopfenöl enthalten Konstitutionsisomere (α- und β-) des Myrcens und Ocimens. Die Ocimene treten zusätzlich als (E)- und (Z)-Isomere auf. ̈
 
 9 4 5
 
 3
 
 2
 
 1
 
 6 7 10
 
 α-
 
 8
 
 Myrcen
 
 β-
 
 (Z)-α-
 
 Ocimen
 
 (E)-α-
 
 (Z)-β-
 
 Ocimen
 
 (E)-β -
 
 Die konstitutionsisomeren Terpenole Linalool und Geraniol (C10H18O) sowie dessen (Z)-Isomer Nerol sind blumig duftende Komponenten des Rosen-, Palmarosa- und Lavendelöls. Das in der Parfümerie als Träger von Citrusdüften verwendete Citral ist ein Gemisch der (E)- und (Z)isomeren Aldehyde Geranial und Neral. (+)-Citronellol ist ein weiterer Inhaltsstoff des Rosenöls; Melissenöl enthält den entsprechenden Aldehyd (+)-Citronellal. Geranial ist ein Spur- und Abwehrpheromon der Honigbiene, Citronellal ein Alarmpheromon einiger Ameisenarten. OH OH
 
 O OH
 
 rac. Linalool
 
 Geraniol (E)
 
 Nerol (Z)
 
 O
 
 Geranial (E)
 
 Neral (Z)
 
 OH (R)-(+)Citronellol
 
 O (R)-(+)Citronellal
 
 Monocylische Monoterpene Kleine Ringe sind seltene Teilstrukturen der Monoterpene. Cyclopropan-Monoterpene wie Chrysanthemumsäure und Chrysanthemol kommen in Chrysanthemen und anderen Korbblütlern (Asteraceae) vor. Ester der Chrysanthemumsäure finden als Insektizide Verwendung. ̈
 
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 43.2
 
 Übersicht der Terpene
 
 945
 
 Chrysanthemumsäure
 
 (+)-Chrysanthemol
 
 OH
 
 CO2H
 
 Die meisten monocyclischen Terpene stammen vom p-Menthan ab, dessen trans-Isomer im Terpentinöl vorkommt. Von den ungesättigten monocyclischen Terpenkohlenwasserstoffen sind die Enantiomeren des Limonens, DIELS-ALDER-Addukt von Isopren, bekannte Aroma- und Duftstoffe. (R)-(+)-Limonen ist der duftprägende Hauptbestandteil des Orangen- und Mandarinenöls; das nach Tannennadeln duftende (S)-(−)-Enantiomer überwiegt im Edeltannenzapfenöl. Vom pMenthan-3-ol mit drei asymmetrischen C-Atomen gibt es 23 = 8 Stereoisomere; das sind die vier als Menthol, Isomenthol, Neomenthol und Neoisomenthol bezeichneten Enantiomerenpaare. Unter diesen hat das (−)-Menthol genannte (1R,3R,4S)-Enantiomer als Hauptkomponente des Pfefferminzöls (aus Mentha piperita und Mentha arvensis, Labiatae) die größte Bedeutung. Es duftet und schmeckt süß-minzig-frisch, stark kühlend im Gegensatz zum herb-krautig-minzig riechenden, weniger kühlenden (+)-Enantiomer, findet daher als Aroma- und Duftstoff (Pfefferminzkonfekt, Parfümerie) Verwendung. (−)-Menthol wirkt auch schleimhautabschwellend (Inhalationsmittel), leicht schmerzbetäubend (mildes Lokalanästhetikum und Analgetikum), juckreizmildernd (antipruritisch) und blähungstreibend (carminativ). (+)-Neomenthol findet sich im japanischen Pfefferminzöl, (−)-Neoisomenthol im Geraniumöl. 7 6 5
 
 1 4
 
 S
 
 R
 
 2 3
 
 R
 
 S
 
 R
 
 S
 
 OH
 
 S
 
 R R
 
 S
 
 OH
 
 S
 
 S
 
 OH
 
 S
 
 OH
 
 8 9
 
 10
 
 OH
 
 OH OH
 
 trans-p-Menthan
 
 (+) - Limonen
 
 (−) - Menthol
 
 (−) - Isomenthol
 
 OH (−) - Neoisomenthol
 
 (+) - Neomenthol
 
 Cymene Benzoide Menthane werden als Cymene bezeichnet. Während das o-Isomer als Naturstoff unbekannt ist, kommt m-Cymen im etherischen Öl der schwarzen Johannisbeere (Ribes nigrum, Saxifragaceae) vor, und p-Cymen findet sich im Eucalytus-, Terpentin-, Thymian-, Zimt-, und Zypressen-Öl; beide Isomere werden in der Parfümerie verwendet. Carvacrol aus den etherischen Ölen von Majoran, Origanum, Salbei und Thymian ist ein angenehm riechendes Desinfizienz. Thymol aus Thymian-Öl (Thymus vulgaris, Labiatae) wirkt antiseptisch und antihelmintisch. Cuminaldehyd aus Eucalyptus- und Myrrhen-Öl findet in der Parfümerie als Duftstoff Verwendung. ̈
 
 H
 
 C
 
 O
 
 OH OH m-Cymen
 
 p-Cymen
 
 p-Cymen-2-ol (Carvacrol)
 
 p-Cymen-3-ol (Thymol)
 
 Cuminaldehyd
 
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 946
 
 43 Terpene
 
 Bicylische Monoterpene Der Cyclobutan-Bicyclus Pinan sowie die Bicyclo[2.2.1]heptane Camphan und Fenchan sind die Grundskelette der bekanntesten, natürlich vorkommenden bicyclischen Monoterpene. Die Regioisomeren α- und β-Pinen finden sich verbreitet in Nadelbäumen (Pinaceae) und bilden die Hauptkomponenten des in der Holzindustrie anfallenden Terpentinöls. Das ebenfalls im Terpentinöl vorkommende (+)-Verbenol ist ein Sexualpheromon der Borkenkäfer. Spanisches Verbena-Öl enthält (+)-Verbenon; dessen Regioisomer (−)-Pinocarvon kommt in verschiedenen Eucalyptusölen vor und gehört zu den Sexualpheromonen des Kiefernspanners. ̈
 
 10 9 1 7
 
 O
 
 3
 
 OH
 
 5
 
 Pinan
 
 O
 
 (+)-Verbenol
 
 (+)-α-Pinen
 
 (+)-Verbenon
 
 (+)-β-Pinen
 
 (−)-Pinocarvon
 
 Camphane natürlicher Herkunft sind die Borneole mit endo-OH-Gruppe, die Isoborneole mit exoOH-Gruppe und die als Campher bezeichneten enantiomeren Camphan-2-one (2-Bornanone). 10 1 9 7
 
 5
 
 O
 
 O
 
 HO
 
 OH
 
 3
 
 OH
 
 HO (+)-
 
 (−)Campher
 
 Camphan (Bornan)
 
 (1R,2S)-(+)(1S,2R)-(−)Borneol
 
 (1R,2R)-(−)(1S,2S)-(+)Isoborneol
 
 (+)-Borneol aus dem in Ostasien wachsenden Campherbaum und der Curcuma-Wurzel ist als Borneo-Campher bekannt. (−)-Isoborneol läßt sich aus einigen Korbblütlern isolieren. (+)-Campher (Japancampher) ist Hauptinhaltsstoff des Campherbaumes, kommt auch in anderen Pflanzenfamilien vor, z. B. in den Blättern des Rosmarins und Salbeis, hat den typischen (campherartigen) Geruch kugelförmiger Moleküle, wirkt analeptisch, lokalanästhetisch, atmungsanregend, antipruritisch, antirheumatisch und findet vielseitige Anwendung, u. a. als Weichmacher für Celluloid. Zur technischen Gewinnung wird das zerkleinerte Holz älterer Campherbäume wasserdampfdestilliert, wobei der (+)-Campher teilweise aus dem Destillat kristallisiert. Fenchane treten als Fenchone und Fenchole in mehreren etherischen Ölen auf. Fenchelöl aus Fenchel enthält neben den Monoterpenen Limonen und α-Pinen bis zu 20 % (+)-Fenchon; (−)Fenchon wird aus dem als Heckenthuja kultivierten abendländischen Lebensbaum isoliert. Die in der Parfümerie begehrten Enantiomeren des α-Fenchols mit endo-OH-Funktion finden sich im frischen Saft der Zitronen und im Terpentin. 10 1
 
 5
 
 7
 
 O
 
 O
 
 3
 
 OH
 
 9
 
 Fenchan
 
 (+)-
 
 Fenchon
 
 (−)-
 
 HO
 
 (1R,2R,4S)-(+)(1S,2S,4R)-(−)α-Fenchol
 
 Cannabinoide Cannabinoide sind Benzopyran-Derivate, die biogenetisch von einem Monoterpen und einem Phenol abstammen. Im (−)-∆9-Tetrahydrocannabinol schließen die C-Atome C-3 und C-8 des p̈
 
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 43.2
 
 Übersicht der Terpene
 
 947
 
 Menth-1-ens (S. 941) mit dem Polyketid 5-n-Pentylresorcin (Olivetol) einen DihydrobenzopyranRing. Cannabinoide finden sich im indischen Hanf (Cannabis sativa var. indica), aus dem die Drogen Marihuana (tabakartiges, fermentiertes Gemisch getrockneter Blätter und Blüten) und Hashisch (Harzsekret aus den Drüsenschuppen in den Blattachseln der Blütenstände) gewonnen werden. Die Halluzinogene ∆8- und ∆9-Tetrahydrocannabinol ("THC"-Regioisomere mit unterschiedlicher Position der Alken-CC-Doppelbindung), bilden sich beim Altern und Trocknen (Rauchen) der Drogen durch Decarboxylierung der genuinen Tetrahydrocannabinolcarbonsäuren. OH
 
 H
 
 OH
 
 H
 
 CO2H
 
 − CO2
 
 6a
 
 H
 
 H
 
 O
 
 O
 
 (−) - ∆9 - Tetrahydrocannabinolcarbonsäure
 
 43.2.2
 
 OH
 
 9 10 8 H 10a 7
 
 1 2 4 3
 
 H
 
 6 5
 
 O
 
 (−) - ∆9 - THC
 
 (−) - ∆8 - THC
 
 Tetrahydrocannabinole (THC)
 
 Sesquiterpene
 
 Acylische Sesquiterpene ̈ Stammverbindung der über 10 000 bekannten Sesquiterpene (C15) ist das im Ölschiefer vorkommende Farnesan, von dem sich u. a. die in der Parfümerie benötigten, offenkettigen Terpenole (S)-(+)-Nerolidol aus Orangenblüten sowie das nach Maiglöckchenblüten duftende Farnesol aus Bergamott-, Jasmin- und Rosenöl ableiten lassen. 13
 
 HO
 
 15 11
 
 9
 
 7
 
 5
 
 3
 
 1
 
 OH Farnesan
 
 (S)-(+)-Nerolidol
 
 Farnesol
 
 ̈ Monocylische Sesquiterpene Eine kleine Auswahl der Vielfalt monocyclischer, vom Farnesan abgeleiteter SesquiterpenGrundskelette sind (6,11-)Cyclofarnesan und die Isomeren Bisabolan (= 1,6-), Humulan (= 1,11-) und Germacran (= 1,10-Cyclofarnesan). OH 11
 
 H
 
 6
 
 HO
 
 OH
 
 H
 
 6
 
 CO2H
 
 O Cyclofarnesan
 
 1
 
 (+)-Abscisinsäure Bisabolan
 
 (−)-Zingiberen
 
 (+)-α-Bisabolol
 
 O
 
 1
 
 10
 
 O
 
 (+)-β-Bisabolol
 
 O
 
 O O
 
 1 11
 
 Humulan
 
 α-Humulen
 
 β-Humulen
 
 Germacran
 
 Periplanon A
 
 Periplanon B
 
 Die vom Cyclofarnesan abgeleitete (+)-Abscisinsäure ist ein in vielen jungen Pflanzen (Rosen, Kohl, Kartoffeln, Baumwolle) vorkommender Wachstumsregulator. Bekannte Bisabolan-Derivate
 
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 948
 
 43 Terpene
 
 sind (−)-Zingiberen aus Ingwer (Zingiber officinalis) sowie α- und β-Bisabolol aus Bergamottöl. Monocyclische Sesquiterpene der Humulan-Reihe wie α- und β-Humulen sowie von diesen abstammende Epoxide, Alkohole und Ketone finden sich als Inhaltsstoffe des Hopfens (Humulus lupulus). Bemerkenswerte Vertreter der Germacran-Sesquiterpene sind die als Periplanone bekannten Sexualpheromone der amerikanischen Küchenschabe (Periplaneta americana). Bi- und polycylische Sesquiterpene In der großen Vielfalt bicyclischer Sesquiterpene ragen die Eudesmane und Guajane als häufig auftretende Grundskelette heraus. Eudesman (= Selinan) und Guajan resultieren formal aus Germacran durch zusätzliche Ringschlüsse zum Bicyclo[4.4.0]decan (Decalin) bzw. Bicyclo[5.3.0]decan; 1,2-Methyl-Verschiebungen führen vom Eudesman zum Eremophilan und vom Guajan zum Pseudoguajan. ̈
 
 14 14 1 3 14
 
 10 5
 
 7
 
 15
 
 9
 
 1
 
 3
 
 5
 
 11
 
 7 11
 
 15
 
 13
 
 15
 
 13
 
 Eremophilan
 
 Eudesman (Selinan)
 
 Germacran
 
 Guajan
 
 Pseudoguajan
 
 Als Aroma- und Riechstoffe besonders bekannte Eudesmane sind α- und β-Selinen aus Sellerie-, Hanf- und Hopfenöl sowie (+)-α- und (+)-β-Eudesmol aus einigen Eucalyptusölen. (+)-Valerianol aus der Baldrianwurzel ist nur ein Beispiel der über 150 Eremophilane in höheren Pflanzen und einigen Pilzen.
 
 H (−)-α-Eudesmen (α-Selinen)
 
 H (−)-β-Eudesmen (β-Selinen)
 
 H
 
 OH
 
 (+)-α-Eudesmol (3-Selinen-11-ol)
 
 H
 
 OH
 
 OH
 
 (+)-1(10)-Eremophilen-11-ol (Valerianol)
 
 (+)-β-Eudesmol (4(15)-Selinen-11-ol)
 
 Interessante Vertreter der zahlreichen Guajane sind das antibiotisch wirksame, purpurrote AzulenDerivat Lactaroviolin aus dem als echter Reizker bekannten Speisepilz Lactarius deliciosus, verschiedene Guajadiene wie α-Guajen aus Guajakholz- und Patchouliöl, sowie die variationsreich in Korbblütlern auftretenden, als Guajanolide bezeichneten Sesquiterpenlactone, z. B. Artabsin aus Wermutkraut (Absinth), Achillicin aus der Schafgarbe (Achillea millefolium), Matricin aus der Kamille (Matricaria chamomilla) und als Pseudoguajan-Derivat das entzündungshemmende Helenalin aus Arnika-Blütenständen. H
 
 OH
 
 H R
 
 8
 
 6
 
 H
 
 H O (−)-1(5),11-Guajadien (α-Guajen)
 
 8
 
 6
 
 O 12 O
 
 Lactaroviolin
 
 H O
 
 OH
 
 R=OH: 8,10-Dihydroxy-1,4guajadien-12,6-olid (Achillicin) R=H , 10β-OH: (−)-Artabsin
 
 HO
 
 H
 
 12
 
 O 12
 
 O
 
 HO
 
 H
 
 O
 
 O (−)-4,8-Dihydroxy-1(10),2guajadien-12,6-olid (8-O-Acetyl-Derivat: Matricin)
 
 (−)-6-Hydroxy-4-oxo-2,11(13)pseudoguajadien-12,8-olid (Helenalin)
 
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 43.2
 
 Übersicht der Terpene
 
 949
 
 Beispiele der zahlreichen polycyclischen Sesquiterpene sind die als Aromadendrane und Patchoulane bezeichneten 6,11- und 1,11-Cycloguajane. Salbeiöl enthält u. a. (+)-1(10)-Aromadendren-4ol; α-Patchoulen und (−)-Patchoulenon sind Komponenten des Zypressenöls; weitere, auch umgelagerte Patchoulan-Derivate finden sich im Wasserdampfdestillat der fermentierten Blätter des Patchoulistrauchs, das als Patchouliöl zur Herstellung von Parfüms Verwendung findet. 14
 
 3
 
 1
 
 7
 
 6
 
 11
 
 15
 
 11
 
 43.2.3
 
 11
 
 5
 
 7
 
 15
 
 H
 
 O
 
 13
 
 13
 
 (+)-1(10)-Aromadendren4-ol (Isospathulenol)
 
 1
 
 3
 
 5
 
 7
 
 15
 
 14 9
 
 1
 
 3
 
 5 6
 
 H
 
 HO
 
 14 9
 
 Guajan
 
 Aromadendran
 
 Patchoulan
 
 α-Patchoulen
 
 (−)-Patchoulenon
 
 Diterpene
 
 ̈ Acyclische Diterpene Die über 5 000 bekannten Diterpene leiten sich vom Stammkohlenwasserstoff Phytan ab, dessen (3R,7R,11R)-Enantiomer in Meteoriten, in Sedimenten wie Ölschiefer und in der menschlichen Leber vorkommt. Chlorophyll (Kap. 35.7.6) in den Chloroplasten der Pflanzen ist ein Ester des als Phytol bezeichneten (+)-(2E,7R,11R)-2-Phyten-1-ols. 17 15
 
 18 13
 
 11
 
 19 9
 
 20 5
 
 7
 
 3
 
 11
 
 1
 
 7
 
 1
 
 OH
 
 (+)-(2E,7R,11R)-2-Phyten-1-ol (Phytol)
 
 (3R,7R,11R)-Phytan
 
 Monocyclische Diterpene Vom 10,15-Cyclophytan leiten sich die bekanntesten Vertreter monocyclischer Diterpene ab, die Vitamine der A-Reihe. Dazu gehören die konjugierten Pentaene Axerophthen, Retinol (Vitamin AAlkohol, Vitamin A1), das beim Sehvorgang (Kap. 29.6.1) isomerisierende Retinal (Vitamin AAldehyd) und Tretinoin (Vitamin-A-Säure). Vitamin-A-Mangel in der Nahrung hat Nachtblindheit, Gewichtsabnahme, Hautschäden, Knochenwachstumsstörungen und Schleimhautaustrocknung der Augenepithelien (Xerophthalmie) zur Folge. ̈
 
 20
 
 17 15
 
 10
 
 19
 
 17 1
 
 1 3
 
 Phytan
 
 7 5 18
 
 9
 
 20 11
 
 13
 
 15
 
 10,15-Cyclophytan
 
 Axerophthen
 
 H OH Retinol (Vitamin A-Alkohol)
 
 OH O
 
 Retinal (Vitamin A-Aldehyd)
 
 O Tretinoin (Vitamin A-Säure)
 
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 950
 
 43 Terpene
 
 Polycyclische Diterpene Aus der Vielfalt polycyclischer Diterpene geben die vom Phytan ableitbaren bicyclischen Labdane, sowie die vom Labdan durch weiteren Ringschluß und durch Methyl-Verschiebung entstehenden Pimarane und Abietane eine kleine Auswahl. ̈
 
 10
 
 20
 
 15 17
 
 1
 
 11 15
 
 11
 
 20
 
 1
 
 6
 
 10
 
 19
 
 11 13
 
 15
 
 16
 
 14
 
 1
 
 5
 
 Phytan
 
 17
 
 17
 
 16
 
 10 5
 
 Labdan (mit neuer Bezifferung)
 
 Abietan
 
 Pimaran (mit neuer Bezifferung)
 
 CO2H
 
 OH
 
 H CO2H (+)-Pimarsäure
 
 H (−)-Labdanolsäure
 
 H CO2H (−)-Abietinsäure
 
 Labdane wie die Labdanolsäure sind Inhaltsstoffe des Labdanumöls und -harzes aus dem mediterranen Zistrosenstrauch (Cistus labdaniferus) und verschiedenen Nadelgehölzen, in denen auch Pimarane und Abietane mit vielen Substitutionsmustern auftreten. Beispiele sind die Harzsäuren Pimarsäure aus Kiefern (Pinus-Arten) und Abietinsäure aus Tannen (Abies-Arten). Grundskelett der als Gibberelline bezeichneten pflanzlichen Wachstumshormone ist das Tetracyclophytan Gibberellan. Unreife Samen des Hasenklees enthalten z. B. (−)-Gibberellin A18. Prominentester Vertreter ist die aus Kulturen des Pilzes Gibberella fujikuroi in größeren Mengen isolierbare Gibberellinsäure; diese gehört, wie die meisten Gibberelline, zu den C-20-Norditerpenen, in denen C-20 fehlt. 20
 
 20
 
 1 3 19
 
 11 13
 
 9 8
 
 5 18
 
 7
 
 15
 
 O
 
 H
 
 O
 
 HO 17
 
 HO
 
 OH
 
 HO2C
 
 H
 
 Gibberellan
 
 OH H
 
 CO2H
 
 (−)-Gibberellin A 18
 
 H
 
 CO2H
 
 (+)-Gibberellin A 3 (Gibberellinsäure)
 
 Taxan verkörpert das tricyclische Diterpen-Grundskelett einiger Inhaltsstoffe der Eiben (Taxaceae). Beispiele sind (−)-10-Desacetylbaccatin aus der europäischen Eibe (Taxus baccata) sowie das gegen Leukämie und verschiedene Krebserkrankungen wirkende, dementsprechend angewendete Diterpen-Alkaloid (−)-Taxol aus den pazifischen Eiben (Taxus brevifolia und T. cuspidata). HO
 
 19 10
 
 18 12 14
 
 15 1
 
 16 17 2
 
 O
 
 O OH
 
 O 8
 
 6
 
 O
 
 4 20
 
 Taxan
 
 H 3C
 
 O OH
 
 HO
 
 H OH O O H 5C 6
 
 O CH3
 
 O O
 
 (−)-10-Desacetylbaccatin
 
 HO H O
 
 N
 
 O C 6H 5 C 6H 5
 
 H OH O O H 5C 6 O O
 
 O CH 3
 
 (−)-Taxol
 
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 43.2
 
 Übersicht der Terpene
 
 43.2.4
 
 951
 
 Sesterterpene
 
 Etwa 200 Sesterterpene sind bisher bekannt. Formal stammen sie vom Pentamethylicosan C25H52 (Tab. 43.1), biogenetisch vom Geranylfarnesylpyrophosphat ab. In höheren Pflanzen kommen sie nur vereinzelt vor. Die Blätter der Kartoffel Solanum tuberosum (Solanaceae) enthalten z. B. (2Z,6E)-3,7,11,15,19-Pentamethylicosa-2,6-dien-1-ol. Die meisten der bisher isolierten Sesterterpene finden sich in Meeresorganismen. So produzieren die Schwämme Cacospongia scalaris und Ircina oros nicht nur das antibakteriell wirkende Furan-Sesterterpen (−)-Ircinin und sein (+)8,9-Dehydro-Derivat, das die Teilung befruchteter Seestern-Eier inhibiert, sondern auch das formal vom tetracyclischen Scalaran abgeleitete (+)-Scalarin. 1
 
 OH
 
 1 19
 
 15
 
 11
 
 21
 
 7
 
 23
 
 22 15
 
 23
 
 23
 
 25 3
 
 22 1
 
 11
 
 21
 
 O
 
 23
 
 (−)-Ircinin HO OH
 
 20
 
 21
 
 24 13
 
 O O
 
 17
 
 H
 
 10
 
 3
 
 7
 
 9
 
 25
 
 1
 
 Pentamethylicosan (Bezifferung acyclischer Sesterterpene)
 
 43.2.5
 
 O
 
 O
 
 19 20
 
 11
 
 15
 
 19
 
 25
 
 7
 
 3
 
 21
 
 (2Z,6E)-3,7,11,15,19-Pentamethyl-2,6-icosadien-1-ol 24
 
 25
 
 HO
 
 3
 
 O
 
 H
 
 7
 
 H
 
 H
 
 19
 
 Scalaran (Ring-Bezifferung des Scalarans)
 
 (+)-Scalarin
 
 Triterpene
 
 Acyclische Triterpene Die über 5 000 bekannten Triterpene stammen überwiegend vom Squalen ab. Es ist das wichtigste der wenigen acyclischen Triterpene, geht biogenetisch aus der Schwanz-Schwanz-Verknüpfung zweier Farnesen-Einheiten hervor und kommt im Fischlebertran sowie in vielen pflanzlichen Ölen wie Raps- und Baumwollsamenöl vor. ̈
 
 25
 
 26 2
 
 27 6
 
 10
 
 Schwanz
 
 15
 
 19
 
 23
 
 Schwanz 28
 
 29
 
 30
 
 Squalen (2,6,10,15,19,24-Hexamethyl-2,6,10,14,18,22-tetracosahexaen)
 
 2,3-Epoxysqualen ist die Biosynthese-Vorstufe der zahlreichen polycylischen Triterpene. Seine konzertierte, enzymatische Tetracyclisierung durch Squalen-Cyclase führt zum Dammaran-Kation mit dem tetracyclischen Grundskelett des vom Cyclopentanoperhydrophenanthren abgeleiteteten Gonans (Tab. 43.3), das in vielen Triterpenen sowie in den Steroiden (Kap. 44) präsent ist. 2,3-Epoxysqualen (protoniert)
 
 O H
 
 HO
 
 HO 3β-Hydroxydammaran-20-Kation
 
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 952
 
 43 Terpene
 
 Polycyclische Triterpene Von der großen Vielfalt der weit verbreiteten tetra- und pentacyclischen Triterpene skizziert Tab. 43.3 nur wenige, besonders häufig auftretende Grundskelette. Dies sind zunächst tetracyclische Dammarane mit Gonan-Kernstruktur, aus denen durch zweifache Methyl-Verschiebung das Lanostan hervorgeht. ̈
 
 Tab. 43.3. Bedeutende Grundskelette tetra- und pentacyclischer Triterpene und deren Ringbezifferung 21
 
 21 20 23 19 1 3
 
 11 13
 
 19 1
 
 18
 
 7
 
 3
 
 Dammaran
 
 28
 
 18
 
 27 25 26
 
 10 5
 
 29
 
 17
 
 11 13 30
 
 29
 
 21 20 25
 
 10
 
 1
 
 30
 
 7
 
 28
 
 25 26
 
 10
 
 3
 
 7
 
 5
 
 Lanostan
 
 23 17
 
 11 13
 
 19
 
 26
 
 5
 
 20
 
 18
 
 27
 
 23 17
 
 Cholestan und andere Steroide 30
 
 29 20
 
 30
 
 20
 
 29
 
 19 21 23
 
 18 14
 
 24
 
 1
 
 6 3
 
 2 25
 
 Squalan
 
 1
 
 11 13 26
 
 25
 
 30
 
 11
 
 21
 
 19
 
 Gonan-Skelett
 
 24
 
 5
 
 10
 
 7
 
 17
 
 25
 
 28
 
 15
 
 1
 
 27
 
 10
 
 3
 
 Oleanan
 
 23
 
 11 13 26
 
 5
 
 24
 
 7
 
 17 15
 
 28
 
 27
 
 Ursan
 
 23
 
 Durch Verlust dreier C-Atome (28 - 30) geht Lanostan in Cholestan über, dessen weiterer Abbau (formal) zu den anderen Steroiden führt. Oleanan und das durch Methyl-Verschiebung daraus resultierende Ursan sind zwei weitere pentacylische Triterpen-Grundskelette. Viele polycyclische Triterpene sind Aglyca schaumbildender Glycoside pflanzlicher Herkunft; man nennt solche Glycoside Saponine (lat. sapo = Seife) und ihre Aglyca Sapogenine. Dammarane treten u. a. in Form der Ginseng-Sapogenine auf; das sind die Aglyca der Ginseng-Saponine (Ginsenoside oder Panaxoside) aus den Wurzeln der hauptsächlich in Ostasien heimischen "Kraftwurz" Panax Ginseng (Araliaceae). Hierzu gehören das als Protopanaxatriol bekannte Dammar-24-en-3β,6α,12β,20R-tetrol als Sapogenin und sein 6,20-Diglucopyranosid als Saponin. HO OH
 
 OH
 
 OH
 
 OH HO
 
 O
 
 HO OH
 
 OH H HO
 
 OH H 12
 
 12 20
 
 17
 
 H
 
 HO
 
 24
 
 6
 
 (+)-Dammar-24-en-3β,6α,12β, 20R-tetrol (Protopanaxatriol, ein Ginseng-Sapogenin)
 
 20
 
 H
 
 3
 
 HO
 
 OH
 
 H
 
 1
 
 24
 
 H H
 
 20 17
 
 19
 
 1 3
 
 O
 
 12
 
 6
 
 H
 
 OHO
 
 1
 
 OH
 
 O
 
 24
 
 17
 
 8
 
 3
 
 OH OH
 
 (+)-Dammar-24-en-3β,6α,12β, 20Rtetrol-6,20-Di-O-ß-D-glucopyranosid (Panaxosid A, ein Ginseng-Saponin)
 
 HO
 
 H (+)-Lanosta-8,24-dien-3β-ol (Lanosterol)
 
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 43.2
 
 Übersicht der Terpene
 
 953
 
 Zubereitungen, meist Teeaufgüsse aus der zerkleinerten, getrockneten Ginseng-Wurzel werden zur Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeit und Schwäche sowie zur Steigerung der körperlichen Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit verabreicht. Lanostane findet man in vielen Pilzen und höheren Pflanzen. Prominentester Vertreter ist Lanosterol aus Wollfett (Adeps lanae), Wolfsmilchgewächsen und anderen Pflanzenfamilien; es ist die Biogenese-Vorstufe der Steroide und Herzglycoside (Kap. 44). Oleanan-Triterpene (Tab. 43.3, 43.4) sind als Sapogenine weit verbreitet. Oleanolsäure ist das Aglycon der Saponine in Olivenblättern, Zuckerrüben, Ginseng und der Mistel. Kommerzielle Bedeutung haben die Quillaja-Saponine aus Rinde und Holz des chilenischen Seifenbaums (Quillaja saponaria) zur Herstellung von Shampoos, Schaumbädern, Schaumlöschmitteln, Zahnpasta sowie als Fettemulgatoren für die Lebensmittel- und pharmazeutische Technologie. Die Hydrolyse der Quillaja-Saponine setzt die Quillajasäure mit Oleanan-Skelett frei, das auch der α-Boswellinsäure aus dem (entzündungshemmend wirkenden) Weihrauch (Boswellia serrata) zugrunde liegt. Ursan (Tab. 43.3, 43.4) ist das pentacyclische Triterpen-Grundskelett der Ursolsäure aus dem Schalenwachs verschiedener Früchte, der Pomolsäure aus Apfelschalen sowie der β- und Ketoboswellinsäure aus dem Weihrauch. Ursol- und Pomolsäure finden als Emulgatoren Verwendung. Glycoside der Ursolsäure sind Bitterstoffe des in Südamerika aus dem Maté-Teestrauch Ilex paraguariensis (Aquifoliaceae) gewonnenen, coffeinhaltigen Maté, der als Teeaufguß getrunken wird. Tab. 43.4. Pentacyclische Triterpene mit Oleanan- und Ursan-Skelett 29
 
 30
 
 Oleanane
 
 20
 
 12 26
 
 28
 
 12 26
 
 CO 2H
 
 H
 
 H
 
 3
 
 HO
 
 23
 
 23
 
 Ursane
 
 30
 
 29
 
 12 26
 
 25
 
 H
 
 28
 
 3 24
 
 5
 
 H
 
 3
 
 7
 
 H
 
 (+)-3β-Hydroxy-12-ursen-28-säure (Ursolsäure)
 
 HO 24
 
 H
 
 7
 
 H
 
 30
 
 29
 
 20
 
 H
 
 28
 
 (+)-3α-Hydroxy-12-oleanen-24-säure (α-Boswellinsäure)
 
 20
 
 X
 
 28
 
 25
 
 CO 2H
 
 1
 
 1
 
 HO
 
 12 26
 
 25
 
 CO 2H
 
 5
 
 30
 
 29
 
 HO
 
 20
 
 H
 
 1 3
 
 (+)-Quillaja-Säure
 
 12 26
 
 25
 
 HO HO2 C
 
 H O
 
 H
 
 (+)-3β-Hydroxy-12-oleanen-28-säure [(+)-Oleanolsäure]
 
 28
 
 CO 2H OH
 
 H
 
 3
 
 HO
 
 H
 
 24
 
 H16
 
 11
 
 26
 
 H
 
 28
 
 1 5
 
 H
 
 7
 
 H
 
 (+)-3β,19α-Dihydroxy-12-ursen-28-säure (Pomolsäure)
 
 3
 
 HO HO2 C
 
 5
 
 H
 
 7
 
 H
 
 X = H2 : (+)-3α-Hydroxy-12-ursen-24-säure (β-Boswellinsäure) X = O : (+)-3α-Hydroxy-11-oxo-12-ursen-24-säure (Ketoboswellinsäure)
 
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 954
 
 43 Terpene
 
 Tab. 43.5. Struktur, Bezeichnung, Eigenschaften und Vorkommen ausgewählter Carotenoide 17 16
 
 18
 
 1
 
 3
 
 19 7
 
 5
 
 9
 
 20 11
 
 13
 
 15
 
 15'
 
 13'
 
 11'
 
 7'
 
 9'
 
 20'
 
 5'
 
 3'
 
 18'
 
 19'
 
 16'
 
 1'
 
 rote Kristalle Tomate
 
 17 '
 
 ψ,ψ-Caroten (Lycopen, früher Lycopin) 18' 16
 
 17 1 3
 
 19 7
 
 9
 
 20 11
 
 13
 
 5' 15
 
 15'
 
 5
 
 13'
 
 11'
 
 9'
 
 20' 18
 
 7'
 
 19'
 
 3' 1'
 
 17 '
 
 16'
 
 rote Kristalle Karottenwurzel
 
 β,β-Caroten (β-Caroten, früher β-Carotin) 8'
 
 β,ψ-Caroten (γ-Caroten, früher γ-Carotin)
 
 7'
 
 rote Kristalle Karottenwurzel
 
 OH OH rote Kristalle Arctodiaptomus salinus und andere Crustaceae
 
 HO
 
 3β,3β',4α,4α'-Tetrahydroxy-β,β-caroten (Crustaxanthin)
 
 OH
 
 O OH violette metallisch glänzende Kristalle Crustaceae
 
 HO
 
 3β,3β'-Dihydroxy-β,β-caroten-4,4'-dion (Astaxanthin)
 
 O violette Kristalle weit verbreitet, Vitamin A-aktiv
 
 H (+)-β,ε-Caroten (α-Caroten)
 
 OH kupferrote Kristalle Eidotter, Blätter höherer Pflanzen Staphylococcus aureus
 
 H HO
 
 (+)-3α,3α'-Dihydroxy-β,ε-caroten (Lutein, Xanthophyll)
 
 O 1
 
 1'
 
 3'
 
 OH
 
 rote Kristalle Paprika, Capsicum annuum
 
 1'
 
 3'
 
 OH
 
 rote Kristalle Paprika, Capsicum annuum
 
 6'
 
 3
 
 HO
 
 (−)-3β,3β'-Dihydroxy-β,κ-caroten-6'-on (Capsanthin)
 
 O 1
 
 6'
 
 O
 
 3
 
 HO (+)-5α,6α-Epoxy-3β,3β'-dihydroxy-β,κ-caroten-6'-on (Capsanthin-5,6-epoxid)
 
 HO
 
 3
 
 O
 
 1 6
 
 6' 1'
 
 O
 
 3'
 
 OH
 
 violettrote Kristalle Paprika, Capsicum annuum, Lilium bulbiferum und andere Lilien
 
 3β,3β'-Dihydroxy-κ,κ-caroten-6,6'-on (Capsorubin)
 
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 43.2
 
 Übersicht der Terpene
 
 43.2.6
 
 955
 
 Tetraterpene (Carotenoide)
 
 Die etwa 200 bekannten Tetraterpene natürlicher Herkunft werden als Carotenoide bezeichnet, weil sie durchweg Strukturvarianten des β-Carotens aus der Karotte Daucus carota (Umbelliferae) mit meist 11 konjugierten CC-Doppelbindungen sind (Tab. 43.5). Carotin und Carotinoide sind traditionelle, wegen der Alkin-Endsilbe in jedoch inkonsequente Bezeichnungen. Stammbezeichnung ist "Caroten" (Carotin); zwei griechische Buchstaben (β, γ, ε, ϕ, κ, χ und ψ) definieren die insgesamt sieben bekannten Endgruppen, wie Tab. 43.5 an Beispielen erläutert.
 
 β-
 
 γ-
 
 ε-
 
 ϕ-
 
 χ-
 
 κ-
 
 ψ-
 
 Das offenkettige, rote Tetraterpen Lycopen aus der Tomate (Lycopersicon esculantum, Solanaceae), anderen Früchten (Hagebutten, Rosaceae), Pilzen und Bakterien wird demnach als ψ,ψCaroten, das orangerote β-Caroten aus der Karotte als β,β-Caroten bezeichnet. Weit verbreitet in Pflanzen ist auch das als β,ψ-Caroten zu benennende rote γ-Caroten aus der Karotte und sein orangegelbes 7´,8´-Dihydro-Derivat aus Mais mit verschiedenen Endgruppen (Tab. 43.5). Carotenoide kommen in Blättern, Früchten, Sprossen und Wurzeln aller höheren Pflanzen vor (bis zu 0.1 % des getrockneten Pflanzenmaterials). Sie bewirken u. a. im Herbst die Gelb- bis Rotfärbung der Blätter, weil sie langsamer abgebaut werden als das grüne Chlorophyll. Viele Früchte enthalten Carotenoide, z. B. Paprika (Capsicum annuum, Solanaceae, Tab. 43.5). Als Blütenfarbstoffe spielen sie im Vergleich zu den Anthocyanidinen und Flavonoiden eine Nebenrolle; in Rosen und Lilien tragen sie zu Gelb- und Rottönen der Blüten und Früchte bei. Der tierische Organismus metabolisiert die mit der Nahrung aufgenommenen Carotenoide; zur de novo-Synthese ist er nicht in der Lage. Carotenoide und ihre Metaboliten finden sich u. a. als Chromoproteine im Blutplasma, im Eidotter, in Forellenhaut sowie im Fleisch mancher Fische (Lachse, Lachsforellen) und in den Panzern der Crustaceen. So färbt sich der Hummer beim Kochen rot, weil durch Denaturierung eines dunkelgrünen Chromoproteins das rote β,β-Carotenoid Astaxanthin (Tab. 43.5) freigesetzt wird. Einige Carotenoide, darunter β,β-Caroten, sind Vitamin A-aktiv (Tab. 43.5), indem sie in den Mucosa-Zellen des menschlichen und Säugetier-Darms enzymatisch-oxidativ zu dem für den Sehvorgang bedeutenden Vitamin A-Aldehyd abgebaut werden. Sie können Zellschädigungen durch Abfangen von Singulett-Sauerstoff (1O2 ) verhindern.
 
 43.2.7
 
 Prenylchinone
 
 Prenylchinone enthalten Terpenyl-Reste mit bis zu zehn Isopren-Einheiten, gehen durch Reduktion in Hydrochinone über und können zu Chromenolen und Chromanolen cyclisieren. Einige biogenetisch von den Aminosäuren Phenylalanin und Tyrosin abstammende Prenylchinone kommen in allen pflanzlichen und tierischen Zellen vor und werden daher als Ubichinone bezeichnet (lat. ubique = überall). Der Einfachheit halber nennt man sie der Anzahl ihrer Isopren-Einheiten entsprechend Ubichinone UQ-n oder Coenzyme CoQn , wie das als Coenzym Q10 bekannte Ubichinon UQ-10 exemplifiziert. Ihr Chinon-Hydrochinon-Redox-Gleichgewicht befähigt sie, als
 
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 956
 
 43 Terpene
 
 Enzym-Cofaktoren in den Mitochondrien eukaryontischer Zellen den Elektronentransport zu bewirken, ein lebenswichtiger Vorgang bei der Atmung: OH
 
 O CH 3
 
 H 3CO
 
 + 2 [H+], + 2 e0 −
 
 H 3CO
 
 CH 3
 
 H 3CO H 3CO
 
 9
 
 9
 
 O
 
 OH
 
 Ubichinon-10 (UQ-10, Coenzym Q10, CoQ10)
 
 OH H 3CO
 
 Ubihydrochinon
 
 OH H 3CO
 
 CH 3
 
 H 3CO
 
 CH 3
 
 H 3CO O
 
 O 8
 
 Ubichromenol-10
 
 Ubichromanol-10
 
 8
 
 Die Chloroplasten höherer Pflanzen und Algen enthalten die mit den Ubichinonen verwandten Plastochinone (PQ). Wie die Ubichinone bei der Atmung wirken die Plastochinone bei der Photosynthese als Elektronenüberträger. Vitamine der K-Reihe (Koagulationsvitamine) sind als Prenyl1,4-naphthochinone einzuordnen Sie werden mit der Nahrung aus allen grünen Pflanzen aufgenommen, wirken bei oxidativen Phosphorylierungen in der Atmungskette mit und sind zur Biosynthese der als Gerinnungsfaktoren des Blutes bezeichneten Glycoproteine in der Leber notwendig. Ihr Mangel stört die Blutgerinnung. O H 3C
 
 O CH 3
 
 H 3C
 
 O CH3
 
 CH 3
 
 8
 
 n
 
 2
 
 O
 
 O Plastochinon A
 
 O
 
 Vitamin K 1 (2-Methyl-3-phytyl-1,4-naphthochinon)
 
 Vitamine K 2 (35) (n=5) und K 2 (30) (n=4)
 
 Das besonders in Weizenkeimen und Pflanzenölen angereicherte, auch als (+)-α-Tocopherol bekannte Vitamin E ist ein Prenylchromanol: OH H3C
 
 O H3C
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 Oxidation
 
 H3C
 
 Reduktion
 
 O
 
 H3C
 
 2
 
 O
 
 HO
 
 2
 
 (+)-α-Tocopherol (Vitamin E)
 
 Tocochinon
 
 Aufgrund seiner Oxidierbarkeit zum Tocochinon schützt Vitamin E Carotenoide und Polyenlipide in Biomembranen sowie die SH-Gruppen des Cysteins in Enzymproteinen vor Oxidation durch Peroxide. Manchen Lebensmitteln wird Vitamin E daher als Antioxidans zugesetzt. Es wirkt zudem entzündungshemmend, antirheumatisch und fungiert als Fruchtbarkeitsvitamin; so ist bei Mangel an Vitamin E in der Nahrung die Ratte steril, und die Honigbiene kann sich nicht zur Königin entwickeln.
 
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 43.3
 
 Exemplarische Terpen-Synthesen
 
 43.2.8
 
 957
 
 Polyterpene
 
 Isoprenoide mit mehr als acht Isopren-Einheiten werden als Polyterpene bezeichnet. Bekannt und bedeutend für die Gummiindustrie war der im wesentlichen aus cis-Polyisopren bestehende Naturkautschuk aus dem Milchsaft (Latex) des im Amazonas-Gebiet Brasiliens heimischen Kautschuk-Baums Hevea brasiliensis (Euphorbiaceae). Gummi wurde durch Vulkanisation (Kap. 36.2.8) des Naturkautschuks mit Schwefel hergestellt; dabei werden die Polymer-Ketten des cisPolyisoprens durch Addition von Schwefel unter Bildung von Disulfid-Brücken vernetzt (GOODYEAR 1838). Zur Herstellung von Gummi wird heute der mit dem Naturprodukt identische Synthesekautschuk vulkanisiert; Synthesekautschuk wird durch Dien-Polymerisation (Kap. 36.2.1) des Isoprens hergestellt. Trans-Polyisopren ist Hauptbestandteil des als Werkstoff weniger bedeutenden, unelastischen, harten, gegen aggressive Chemikalien wie Flußsäure beständigen Guttapercha, das sich beim Eintrocknen des Milchsafts tropischer Palaquium-Arten (Sapotaceae) bildet. H n cis-Polyisopren (Natur- und Synthesekautschuk)
 
 n trans-Polyisopren (Guttapercha)
 
 OH
 
 n
 
 Betulaprenole n = 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13)
 
 Betulaprenole sind eine Reihe von trans-Oligoterpenolen aus der Birke Betula verrucosa (Betulaceae), die man entsprechend der Anzahl ihrer Isopren-Einheiten kennzeichnet. Betulaprenol-9 kommt auch im Tabak vor. Betulaprenol-11 und -12 finden sich in den Blättern des Maulbeerbaums Morus nigra (Moraceae) und in den Faeces des die Blätter fressenden Seidenspinners Bombyx mori. Ähnliche Polyprenole existieren in den Geweben endokriner Organe der Säugetiere und in Bakterien, wo sie neben anderen Funktionen die Zellwände stabilisieren.
 
 43.3 Exemplarische Terpen-Synthesen 43.3.1
 
 Acyclische Mono- und Sesquiterpene
 
 Acyclische Mono- und Sesquiterpene sind begehrte Riech- und Aromastoffe. Industriell gewinnt man sie u. a. in repetitiven Syntheseschritten aus Aceton und Ethin nach Abb. 43.2. Die Ethinylierung des Acetons liefert zunächst das auch als Vorstufe zur industriellen Synthese des Isoprens verwertbare 3-Butin-2-ol. Dessen partielle Hydrierung mit gebremstem Katalysator führt zum 3-Buten-2-ol, aus dem das Zwischenprodukt 6-Methyl-5-hepten-2-on (C8) auf zwei Wegen hergestellt werden kann, entweder durch Umetherung mit Methylpropenylether und anschließende Oxa-COPE-Umlagerung oder durch Umesterung mit Acetessigsäuremethylester und anschließende CARROL-Reaktion. Die Ethinylierung des 6-Methyl-5-hepten-2-ons führt über Dehydrolinalool (C10) durch Hydrierung mit gebremstem Katalysator (LINDLAR-Kat.) zum Riechstoff Linalool, aus dem Geraniol durch säurekatalysierte Allyl-Umlagerung hergestellt wird. Die Umesterung des Linalools mit Acetessigsäuremethylester und nachfolgende CARROLLReaktion liefert 6,10-Dimethylundeca-5,9-dien-2-on (C13). Die Ethinylierung dieses Ketons ergibt
 
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 958
 
 43 Terpene
 
 Dehydronerolidol (C15), aus dem die Sesquiterpene Nerolidol (durch Hydrierung) und Farnesol (anschließende Allyl-Umlagerung) hergestellt werden.
 
 O +
 
 H C C H
 
 NH3 (flüssig), KOH
 
 3-Butin-2-ol
 
 HO
 
 + H2 (LINDLAR-Katalysator) + H3CO
 
 + H3CO
 
 O − CH3OH
 
 O
 
 O
 
 − CH3OH
 
 HO
 
 O O
 
 O
 
 CARROLL-Reaktion − CO2
 
 Oxa-COPE-Umlagerung
 
 O 6-Methyl-5-hepten-2-on + H
 
 rac. Dehydrolinalool
 
 C
 
 C
 
 H (R−NH2 / Na2CO3)
 
 HO + H2 (LINDLAR-Katalysator) (H3O+) rac. Linalool
 
 AllylUmlagerung
 
 HO + H3CO
 
 OH
 
 Geraniol
 
 , − CH3OH
 
 O
 
 O
 
 O O CARROLL-Reaktion
 
 O
 
 − CO2
 
 O + H
 
 C
 
 C
 
 6,10-Dimethylundeca-5,9-dien-2-on H (R−NH2 / Na2CO3)
 
 rac. Dehydronerolidol
 
 HO + H2 (LINDLAR-Katalysator) (H3O+)
 
 rac. Nerolidol
 
 HO
 
 AllylUmlagerung
 
 OH Farnesol
 
 Abb. 43.2. Industrielle Synthesen offenkettiger Mono- und Sesquiterpene
 
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 43.3
 
 Exemplarische Terpen-Synthesen
 
 959
 
 Edukt einer enantioselektiven Synthese des (R)-Citronellals ist das in der Holzindustrie anfallende β-Pinen, dessen thermische Cycloreversion zum Myrcen führt. Das durch Lithiierung des Myrcens
 
 mit Butyllithium und Diethylamin über das Lithium-Chelat entstehende Allylamin wird in Gegenwart eines chiralen Rhodium(I)-Komplexes [Ligand: (S)-2,2´-Bis-(diphenylphosphino)-1,1´-binaphthyl = (S)-BINAP, Kap. 18.9.3] als Katalysator enantioselektiv zum (R)-Enamin umgelagert, dessen Hydrolyse mit verdünnter Schwefelsäure (R)-(+)-Citronellal freisetzt. Li n-C4H9Li , (C2H5)2NH
 
 ∆
 
 N(C2H5) 2
 
 Myrcen
 
 (+)-β -Pinen
 
 N(C 2 H 5)2 H2O / H2SO4
 
 O
 
 N(CH 3 )2 (3R)-1(E)-1-Dimethylamino3,7-dimethyl-1,6-octadien
 
 (R)-(+)-Citronellal 98 % ee
 
 43.3.2
 
 Kat. 100 °C
 
 N,N-Diethylgeranylamin
 
 Cyclische Monoterpene
 
 Eine enantiospezifische Synthese des (1R,3R,4S)-(−)-Menthols als Hauptkomponente der Pfefferminzöle gelingt aus dem nach Kap. 43.3.1 synthetisierten (R)-(+)-Citronellal durch eine LEWISSäure-katalysierte intramolekulare Carbonyl-En-Reaktion (Kap. 27.4.5). Deren Primärprodukt (−)Isopulegol wird katalytisch zum (−)-Menthol hydriert. OH (R)-(+)-Citronellal
 
 O
 
 OH
 
 H + H2 / Ni
 
 + ZnBr 2
 
 Br2Zn
 
 H O
 
 H
 
 CarbonylEn-Reaktion − ZnBr 2
 
 O H (1R,3R,4S)-(−)-Isopulegol
 
 OH
 
 Racemischer Campher ist aus α-Pinen zugänglich. Nach Protonierung der CC-Doppelbindung unter MARKOWNIKOW-Orientierung zum Carbenium-Ion und dessen WAGNER-MEERWEIN-Um-
 
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 960
 
 43 Terpene
 
 lagerungen zum nichtklassischen Bornyl-Kation (Carbonium-Ion) addiert letzteres Acetat. Die Hydrolyse des gebildeten Isobornylacetats gibt Isoborneol, dessen Oxidation zu Campher führt. Das als Zwischenprodukt der Campher-Synthese auftretende Camphen ist technisch durch Isomerisierung von α-Pinen mit Titandioxid bei 180 °C zugänglich. WAGNERMEERWEINUmlagerung
 
 + [H+]
 
 Camphen
 
 Carbonium Ion −
 
 + [H+]
 
 + CH3CO2 (CH3CO2H)
 
 O
 
 + 1/2 O2
 
 (−)-α-Pinen
 
 Campher
 
 + H2O
 
 OH
 
 − H2O
 
 O
 
 C
 
 − CH3CO2H
 
 Isoborneol
 
 CH3
 
 O Isobornylacetat
 
 DL-Campher kann nach Racemattrennung und Sulfonierung in (+)-Campher-10-sulfonsäure übergeführt werden. Diese wird häufig als Hilfsverbindung zur Racemattrennung chiraler Amine über diastereomere Salze eingesetzt. Die Reduktion der Oxo-Gruppe des (+)-Camphers führt zu den natürlich vorkommenden bicyclischen Terpenolen (+)-Borneol (Lavendel, Rosmarin, Campherbaum) und (−)-Isoborneol.
 
 43.3.3
 
 Hexahydrocannabinol
 
 Synthesen plant man rückwärts, d. h. vom Produkt zum Edukt (Retrosynthese), indem "strategische" Bindungen gedanklich so zerlegt werden, daß diese Bindungen mit machbaren Reaktionen und verfügbaren Edukten knüpfbar sind. Produkt
 
 retrosynthetische Zerlegung
 
 Zwischenprodukt
 
 retrosynthetische Zerlegung
 
 Edukt
 
 Hexahydrocannabinol ist ein reizvolles Beispiel. Seine retrosynthetische Zerlegung führt nach dem Prinzip der intramolekularen Hetero-DIELS-ALDER-Reaktion zum o-Chinomethid als elektronenarmem Hetero-1,3-Dien, das aus einer KNOEVENAGEL-Alkenylierung (oder Aldol-Reaktion und Kondensation) des Citronellals durch die CH-acide Methylen-Gruppe der Oxo-Form des als Olivetol bekannten 5-Pentylresorcins hervorgeht:
 
 H
 
 OH
 
 OH
 
 OH O +
 
 H O Hexahydrocannabinol
 
 O
 
 O o-Chinomethid
 
 Citronellal
 
 Olivetol (Oxo-Tautomer)
 
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 43.3
 
 Exemplarische Terpen-Synthesen
 
 961
 
 Als Edukt einer nach diesem Konzept durchgeführten Synthese bewährt sich Olivetol-bismethoxymethylether ("MOM"-Schutzgruppe). Nach Metallierung in o-Stellung zu beiden OAlkyl-Gruppen durch n-Butyllithium erfolgt eine Aldol-Reaktion mit Citronellal. Abspaltung der MOM-Schutzgruppen des Aldols durch Rückflußerhitzen in Methanol bei Gegenwart von pToluensulfonsäure liefert das Hexahydrocannabinol. Wahrscheinlich dehydratisiert die Oxo-Form des α-Hydroxyalkylresorcins in einer Aldol-Kondensation zum intermediären o-Chinomethid, das intramolekular durch Hetero-DIELS-ALDER-Reaktion zur Zielverbindung cycloaddiert. Die Reaktionsfolge verkörpert eine Domino- oder Tandem-Reaktion, bei der eine Reaktion durch die vorhergehende, andere ermöglicht und "angestoßen" wird. Im vorliegenden Synthesebeispiel "stößt" eine Aldol-Kondensation die intramolekulare Hetero-DIELS-ALDER-Cycloaddition an. MOM = CH 2OCH 3 OMOM O
 
 O OH n-C4H9Li
 
 + MOMO
 
 Citronellal
 
 MOM
 
 O MOM
 
 Olivetol-bis-methoxymethylether
 
 p-Toluensulfonsäure , CH3OH , Rückfluß
 
 H
 
 OH OH
 
 OH
 
 OH
 
 − H2O
 
 H O Hexahydrocannabinol
 
 43.3.4
 
 O
 
 O
 
 o-Chinomethid
 
 H
 
 Industrielle Synthese des Diterpens Vitamin A
 
 Intensive Tierhaltung und moderne Nahrungsmitteltechnologie entfachten einen hohen Bedarf an Vitamin-A (80 % für Futtermittel und 20 % für Humannahrung), der durch eine in Planung und Durchführung gut nachvollziehbare, industrielle Synthese gedeckt wurde. Bei komplexeren Zielverbindungen strebt man konvergente Synthesen mit zwei oder mehr Synthesezweigen an, da diese höhere Gesamtausbeuten erzielen als lineare Synthesen mit gleicher Anzahl von Stufen. Das theoretische Beispiel einer insgesamt fünfstufigen konvergenten und linearen Synthese von X aus A mit einer Ausbeute von 80 % je Stufe macht dies deutlich:
 
 lineare Synthese:
 
 A
 
 80 %
 
 B
 
 64 %
 
 C
 
 51 %
 
 D
 
 41 %
 
 E
 
 33 %
 
 X
 
 A konvergente Synthese:
 
 H
 
 80 % 80 %
 
 F I
 
 64 % 64 %
 
 G
 
 51 %
 
 X
 
 J
 
 Die retrosynthetische Zerlegung der C-11−C-12-Doppelbindung des Diterpens Retinolacetat nach einer WITTIG-Reaktion führt zum C15-WITTIG-Salz und zum C5-Acetat (Abb. 43.3). Das C15-Salz ist über β-Ionylidenethanol, Vinylionol, Ethinylionol, β-Ionon, Pseudoionon aus Dehydrolinalool nach den bei der industriellen Synthese von Monoterpenen (Kap. 43.3.1, Abb. 43.2) besprochenen Methoden zugänglich.
 
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 962
 
 43 Terpene
 
 Das C5-Acetat bildet sich durch eine Allyl-Umlagerung des 4,4-Dialkoxy-3-methyl-1-buten-3-ols. Letzteres ist das Hydrierungsprodukt des 4,4-Dialkoxy-3-methyl-1-butin-3-ols, welches bei der Ethinylierung des durch Oxidation des Acetonketals zugänglichen Dialkoxyacetons entsteht. Dies ist das Prinzip einer konvergenten industriellen Synthese des Retinolacetats nach POMMER. O H
 
 O 12
 
 11
 
 P(C 6 H 5)3 Br
 
 WITTIGReaktion
 
 O
 
 +
 
 O
 
 O H
 
 H Retinolacetat
 
 C5-Acetat
 
 C15-Salz
 
 OH RO OH OR
 
 HO β-Ionylidenethanol
 
 Vinylionol
 
 4,4-Dialkoxy-3-methyl-1-buten-3-ol
 
 RO
 
 O
 
 HO β-Ionon
 
 Ethinylionol
 
 O
 
 OH OR
 
 4,4-Dialkoxy- 3-methyl-1-butin-3-ol
 
 O
 
 RO
 
 O OR
 
 Dialkoxyaceton
 
 Pseudoionon CARROLL-Reaktion
 
 O OH
 
 Dehydrolinalool
 
 Aceton
 
 Abb. 43.3. Retrosynthetische Zerlegung des Retinolacetats
 
 Zur praktischen Durchführung (Abb. 43.4) wird racemisches Dehydrolinalool mit Acetessigsäuremethylester umgeestert und das resultierende Dehydrolinaloylacetoacetat der CARROLL-Decarboxylierung zu Pseudoionon unterzogen. Pseudoionon cyclisiert unter Säurekatalyse zu dem als Veilchen-Riechstoff attraktiven β-Ionon. In Gegenwart von Natronlauge als Base ethinyliert Ethin zum Ethinylionol. Das nach partieller katalytischer Hydrierung mit gebremstem Katalysator entstehende Vinylionol wird nach Allyl-Umlagerung in Bromwasserstoffsäure über das β-Ionylidenbromethan mit Triphenylphosphan in das auskristallisierende C15-WITTIG-Salz übergeführt. Zur Synthese des C5-Acetats (Abb. 43.4) wird das durch Oxidation des Acetons zugängliche Dimethoxyaceton in Gegenwart von Natronlauge als Base zum 4,4-Dimethoxy-3-methyl-1-butin-3ol ethinyliert. Nach katalytischer Partialhydrierung bildet sich 4,4-Dimethoxy-3-methyl-1-buten-3ol als C5-Alkohol, der in Acetanhydrid zum C5-Acetalester umlagert. Die Freisetzung der Aldehyd-Funktion vor der WITTIG-Reaktion gelingt thermisch unter Kupfer(II)-Salz-Katalyse.
 
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 43.3
 
 Exemplarische Terpen-Synthesen
 
 963
 
 CARROLLReaktion 150-190 °C
 
 + H3CO O
 
 O
 
 O
 
 − CH 3OH
 
 HO rac. Dehydrolinalool
 
 C
 
 − CO2
 
 O
 
 O
 
 O
 
 Dehydrolinaloylacetoacetat H 2 / Pd / C / CaCO3 + H
 
 HO
 
 C C H (NaOH)
 
 O
 
 H 2SO4
 
 O Pseudoionon
 
 β-Ionon
 
 Ethinylionol H2 / Pd / C / CaCO3
 
 O
 
 1.) + HBr, − H2O 2.) + P(C6H5)3
 
 O
 
 P(C6 H5)3 Br
 
 HO
 
 O H
 
 Vinylionol
 
 C15-Salz
 
 C5-Acetat 2+
 
 120 °C , Cu
 
 H 3C O
 
 + H C C H (NaOH)
 
 H O
 
 H 3C O
 
 H 3C O
 
 H 2 / Pd / C / CaCO3
 
 H
 
 H 3C O
 
 Dimethoxyaceton
 
 OH
 
 H 3C O
 
 H
 
 H 3C O
 
 + (CH3CO) 2O − CH3CO2H
 
 OH
 
 H 3C O
 
 H
 
 H 3C O
 
 C5-Alkohol
 
 4,4-Dimethoxy-3-methyl-1-butin-3-ol
 
 − 2 CH3OH
 
 O O
 
 C5-Ester
 
 Abb. 43.4. Synthese des C15-Salzes und des C5-Acetats
 
 Die WITTIG-Alkenylierung des C5-Acetats [(E)-4-Acetoxy-2-methylbut-2-enal] mit dem C15-Salz in Gegenwart einer Base zur Erzeugung des Ylids verläuft nahezu quantitativ. Das im Verleich zu Vitamin A-Alkohol (Retinol) stabilere Retinolacetat wird durch Umkristallisieren aus n-Hexan gereinigt. Das cis-Isomer verbleibt in der Mutterlauge und wird mit Iod in die gewünschte alltrans-Verbindung isomerisiert. O P(C 6 H5 )3 Br
 
 +
 
 O
 
 O H
 
 C15-Salz
 
 H
 
 (Base) − HBr
 
 O
 
 − O=P(C6 H5 ) 3
 
 H
 
 C5-Acetat
 
 Vitamin-A-acetat (Retinolacetat)
 
 O
 
 Eine intermolekulare MCMURRY-Reaktion (Kap. 20.11.5) des durch Oxidation von Retinol zugänglichen Retinals (Vitamin-A-Aldehyd) ergibt β-Caroten. H
 
 H O
 
 2
 
 TiCl3, LiAlH4
 
 H Vitamin-A-aldehyd (Retinal)
 
 β-Caroten
 
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 964
 
 44 Steroide
 
 44 Steroide 44.1 Stammgerüste und Nomenklatur der Steroide Steroide sind aufgrund ihrer Biogenese Isoprenoide; ihre biogenetische Vorstufe ist das durch Cyclisierung des 2,3-Epoxysqualens über 3β-Hydroxydammar-24-en entstehende Triterpen Lanosterol, das zum bedeutendsten Steroid Cholesterol abgebaut wird (Kap. 43.1.3 und 43.2.5). Tetracyclische Kernstruktur aller Steroide (Tab. 44.1) ist das Gonan (Kap. 43.2.5, Tab. 43.3). Je nach Art der funktionellen Gruppen am Steroid-Gerüst (meist Ring A und D) unterscheidet man zwischen Sterolen (mit Hydroxy-Gruppen), Steronen (mit Oxo-Gruppen) und Gallensäuren (mit Carboxy-Gruppen). CC-Doppelbindungen können an verschiedenen Positionen auftreten. Tab. 44.1. Stammgerüste der Steroide R3
 
 R2 R1
 
 H
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 R2
 
 R3 R1
 
 H
 
 H
 
 R2
 
 H
 
 R1
 
 R2
 
 H
 
 R1 H
 
 H
 
 H
 
 5α-Reihe
 
 H
 
 H H
 
 H
 
 R3
 
 H
 
 R3
 
 H
 
 5β-Reihe
 
 R1
 
 R2
 
 R3
 
 5α-Gonan (früher Steran) 5β-Gonan
 
 H
 
 H
 
 H
 
 5α-Estran (früher Östran) 5β-Estran
 
 H
 
 CH3
 
 H
 
 5α-Androstan (früher Testan) 5β-Androstan (früher Ätiocholan)
 
 CH3
 
 CH3
 
 H
 
 5α-Pregnan (früher Allopregnan) 5β-Pregnan
 
 CH3
 
 CH3
 
 C2H5
 
 5α-Cholan (früher Allocholan) 5β-Cholan
 
 CH3
 
 CH3
 
 CH(CH 3)
 
 CH 2 CH 2 CH 3
 
 5α-Cholestan 5β-Cholestan (früher Koprostan)
 
 CH3
 
 CH3
 
 CH(CH 3)
 
 CH 2 CH 2 CH 2 CH(CH3)2
 
 5α-Ergostan 5β-Ergostan
 
 CH3
 
 CH3
 
 CH(CH 3)
 
 CH 2 CH 2 CH(CH 3) CH(CH3)2
 
 5α-Stigmastan 5β-Stigmastan
 
 CH3
 
 CH3
 
 CH(CH 3)
 
 CH 2 CH 2 CH(C 2H 5) CH(CH3)2
 
 29 21 18 19 1 3
 
 A 5
 
 10
 
 11 C 9
 
 B
 
 20 17
 
 13
 
 28
 
 22
 
 D
 
 15
 
 23
 
 27
 
 *
 
 26
 
 24 25
 
 *
 
 7
 
 Ringbezifferung des Stigmastans
 
 HO
 
 H
 
 * * *
 
 *H * asymmetrische C-Atome 5-Cholesten-3β-ol (Cholesterol) *
 
 *
 
 H
 
 5
 
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 44.1
 
 Stammgerüste und Nomenklatur der Steroide
 
 965
 
 Tab. 44.2. Ringverknüpfungen der Steroide Verknüpfung zwischen den Ringen A/B
 
 B/C
 
 Stereoformel
 
 C/D
 
 Projektionsformeln
 
 H
 
 trans
 
 trans
 
 A
 
 trans
 
 C
 
 B H
 
 H B
 
 A
 
 H
 
 H
 
 C H
 
 D
 
 D H
 
 C A
 
 D
 
 B
 
 H H H
 
 cis
 
 trans
 
 trans
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 trans
 
 cis
 
 H
 
 trans
 
 H
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 H H H
 
 trans
 
 trans
 
 H
 
 cis
 
 H
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 cis
 
 cis
 
 trans
 
 H
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H H H
 
 cis
 
 trans
 
 cis
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 trans
 
 cis
 
 cis
 
 H H
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 cis
 
 cis
 
 cis
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H H
 
 In Estranen (C18) mit meist benzoidem Ring A fehlt die Methyl-Gruppe C-19 an C-10, in Androstanen (C19) ist sie vorhanden. Der Präfix "nor" steht für ein fehlendes C-Atom; Estrane
 
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 966
 
 44 Steroide
 
 können demgemäß auch als 19-Norandrostane bezeichnet werden. Je nach Länge der Seitenkette an C-17 unterscheidet man zwischen Pregnanen (C21), Cholanen (C24), Cholestanen (C27), Ergostanen (C28) und Stigmastanen (C29, Tab. 44.1). Über die Zugehörigkeit zur 5α- oder 5β-Reihe entscheidet die Art der Verknüpfung, cis- oder trans-, zwischen den Ringen A und B (Tab. 44.2, Modell: cis- und trans-Decalin, Kap. 8.4.3). Grundsätzlich ist für jedes Ringpaar AB, BC und CD der gesättigten Steroide entweder eine trans- oder cis-Verknüpfung möglich. Tab. 44.2 skizziert die ingesamt 23 = 8 Verknüpfungsmöglichkeiten. In den meisten natürlichen Steroiden sind die Ringe trans-trans-trans-verknüpft. Gallensäuren enthalten cis-trans-trans- und Cardenolide cis-trans-cis-verknüpfte Ringe. Gemeinsam ist allen natürlichen Steroiden die BC-trans-Konfiguration. Oberhalb des Steroid-Ringsystems stehende angulare (lat. angulus = Winkel, Ecke) MethylGruppen, meist in 10- und 13-Stellung, bezeichnet man als β-ständig (ausgezogene Bindungsstriche, Keilstriche), unterhalb angeordnete als α-ständig (gestrichelte Bindungsstriche). Bezugspunkt ist die angulare Methyl-Gruppe an C-10, d. h. Substituenten auf derselben Seite wie diese MethylGruppe sind β-, die anderen α-ständig. Die Bezifferung der C-Atome wird am Stigmastan-Skelett erläutert (Tab. 44.1), die Nomenklatur exemplarisch am Cholesterol. Cholesterol mit der systematischen Bezeichnung 5-Cholesten-3β-ol besitzt acht Asymmetriezentren und könnte theoretisch 28 = 256 Stereoisomere (128 Enantiomerenpaare) bilden.
 
 44.2 Sterole Sterole sind Hydroxysteroide, die früher als Sterine bezeichnet wurden. Stigmasterol (Tab. 44.3) ist z. B. ein Inhaltsstoff der Sojabohnen; von diesem auch in anderen Pflanzen auftretenden Phytosterol gehen die Partialsynthesen einiger Steroid-Hormone aus. Das in der Hefe vorkommende Ergosterol (Tab. 44.3) isomerisiert bei UV-Bestrahlung unter Öffnung seines Ringes A zum antirachitisch wirkenden Vitamin D2. Cholesterol (Tab. 44.3) wurde bereits 1769 in Gallensteinen entdeckt. Dies führte zu den Bezeichnungen Cholesterol (früher Cholesterin) für die Verbindung und Steroide für die Stoffklasse (griech. χολε = Galle, στερεοζ = fest, ειδοζ = Aussehen, Form). Es findet sich in den Gefäßablagerungen bei Arteriosklerose und kommt in Eigelb, Butter, Gehirn sowie Rückenmark in besonders großer Menge vor. Der menschliche Körper enthält durchschnittlich 250 g Cholesterol und nutzt es als Vorstufe aller Steroidhormone. Cholesterol ist zusammen mit den Phospholipiden ein Strukturbildner der Membran; es lagert sich fast ideal in die Monoschichten der Phospholipide ein.
 
 44.3 Gallensäuren Cholesterol ist auch die Vorstufe der Gallensäuren. Prominenteste Vertreter dieser Steroidcarbonsäuren mit 5β-Cholan-Grundskelett und cis-trans-trans-Verknüpfungen der Ringe sind Cholsäure, Deoxycholsäure, Chenodeoxycholsäure und Lithocholsäure. Sie werden in der Leber gebildet, in der menschlichen Gallenblase gepeichert und in den Zwöffingerdarm ausgeschieden.
 
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 44.3 Gallensäuren
 
 967
 
 Tab. 44.3. Biologisch wirksame Steroide: Sterole Klasse Sterole
 
 Ringverknüpfung
 
 Projektionsformel
 
 transtranstrans H H
 
 Trivialname (syst. Bezeichnung)
 
 Vorkommen
 
 Funktion, Wirkung
 
 Stigmasterol (5,22-Stigmastadien3β -ol)
 
 Sojabohne, Mohrrübe, viele Pflanzen
 
 Phytosterol
 
 Ergosterol (5,7,22-Ergostatrien3β -ol, Provitamin D 2)
 
 Hefe
 
 Vitamin-D 2-Vorstufe
 
 Vitamin D 2
 
 Hefe
 
 antirachitisch
 
 Cholesterol (5-Cholesten-3 β -ol)
 
 Hirn, Eidotter, alle Gewebe, Gallensteine
 
 ZellmembranBaustein, SteroidhormonVorstufe
 
 α-Ecdyson
 
 Insekten (Seidenspinner)
 
 Häutungshormon
 
 H
 
 HO
 
 H
 
 H
 
 HO hν (UV)
 
 H HO
 
 H H
 
 H
 
 HO
 
 OH
 
 OH
 
 HO H HO
 
 H
 
 OH
 
 O
 
 Cholsäure, Deoxycholsäure und Chenodeoxycholsäure sind, neben wenig Lithocholsäure, im Verhältnis von etwa 1:2:2 die Hauptkomponenten der menschlichen Galle; darin knüpfen die Gallensäuren Amid-Bindungen mit Glycin und der als Taurin bekannten 2-Aminoethansulfonsäure (Taurocholsäuren, Kap. 37.8.6). Gallensäuren wirken wie Tenside oberflächenaktiv, bilden Micellen und emulgieren auf diese Weise Fette. Sie spielen daher eine wichtige Rolle bei der Verdauung (Lipase-Aktivierung und Resorption). R2
 
 CO2H
 
 12
 
 H
 
 3
 
 HO
 
 5
 
 H
 
 H
 
 7
 
 H R1
 
 R1 = R2 = OH : Cholsäure (3α,7α,12α-Trihydroxy-5β-cholansäure) R1 = H , R2 = OH : Deoxycholsäure (3α,12α-Dihydroxy-5β -cholansäure) R1 = OH , R2 = H : Chenodeoxycholsäure (3α,7α-Dihydroxy-5β-cholansäure) R1 = R2 = H : Lithocholsäure (3α-Hydroxy-5β -cholansäure)
 
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 968
 
 44 Steroide
 
 44.4 Steroidhormone 44.4.1
 
 Corticosteroide (Pregnan-Derivate)
 
 Die als Corticoide (lat. cortex = Rinde) bekannten Nebennierenrinden-Hormone mit PregnanGrundskelett C21 entstehen biosynthetisch aus Cholesterol C27 durch oxidative Abspaltung der Seitenkette an Ring D. Dabei bildet sich über Pregnenolon (3β-Hydroxy-5-pregnen-20-on) Progesteron, die Vorstufe vieler Hormone wie Corticosteron. Besondere Merkmale dieser lebenswichtigen C21-Steroide sind die Oxo-Gruppe an der C2-Kette am Fünfring D und die konjugierte OxoGruppe im Ring A. O
 
 O
 
 O OH
 
 HO
 
 H H
 
 H
 
 biosynthetisch
 
 H
 
 H
 
 HO
 
 H
 
 H
 
 H
 
 O
 
 O 4-Pregnen-3,20-dion (Progesteron)
 
 3β-Hydroxy-5-pregnen-20-on (Pregnenolon)
 
 H
 
 biosynthetisch
 
 11β,21-Dihydroxy-4-pregnen-3,20-dion (Corticosteron)
 
 Cortison (Tab. 44.4, Abb. 44.1) ist das (formale) Oxidationsprodukt der sekundären AlkoholFunktion an C-11 des Corticosterons; es kann u. a. in vielstufiger Partialsynthese aus dem billigen Ausgangssteroid Deoxycholsäure (aus tierischer Galle) hergestellt werden. Zur industriellen Herstellung nutzt man häufig mikrobielle Umwandlungen. O
 
 O OH OH
 
 HO H H
 
 O OH OH
 
 O Reduktion der OxoGruppe an C-11
 
 H H
 
 H
 
 H
 
 Cortison
 
 Einführung der CCDoppelbindung an C-1/C-2
 
 Prednison
 
 Fluorierung an C-9, Hydroxylierung an C-16
 
 O
 
 O OH OH H H
 
 O OH OH
 
 HO Fluorierung an C-6
 
 H
 
 H H O
 
 Prednisolon
 
 F 6α-Fluorprednisolon
 
 Methylierung an C-5
 
 HO H
 
 H
 
 O OH OH
 
 H H
 
 OH OH CH 3
 
 HO H
 
 CH3 H
 
 O CH3 Methylprednisolon
 
 Methylierung an C-16
 
 O OH OH
 
 H
 
 9α-Fluor-16α-hydroxyprednisolon (Triamcinolon)
 
 Methylierung an C-16
 
 O
 
 O
 
 H
 
 F
 
 O
 
 O
 
 OH OH OH
 
 HO
 
 H
 
 H
 
 HO
 
 H
 
 O
 
 Hydrocortison
 
 HO
 
 H
 
 H
 
 O
 
 O
 
 OH OH
 
 O
 
 Einführung der CC-Doppelbildung an C-1/C-2
 
 F
 
 H
 
 O F 6α-Fluor-16α-methylprednisolon
 
 9α-Fluor-16α-methylprednisolon (Dexamethason) 9α-Fluor-16β-methylprednisolon (Betamethason)
 
 Abb. 44.1. Cortison und seine partialsynthetischen Derivate
 
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 44.4 Steroidhormone
 
 969
 
 Durch selektive Hydroxylierung und Dehydrierung sind Cortison, Cortisol und Prednison aus Progesteron zugänglich. Cortison und seine industriell nach Abb. 44.1 hergestellten Derivate wirken entzündungshemmend und werden zur Therapie von Rheuma, Arthritis, Allergien, Asthma und Hautentzündungen eingesetzt.
 
 44.4.2
 
 Sexualhormone (Pregnan-, Androstan- und Estran-Derivate)
 
 Steroid-Sexualhormone umfassen die weiblichen Gestagene mit Pregnan- (C21), die Estrogene mit Estran- (C18) sowie die männlichen Androgene mit 5α-Androstan-Grundskelett (C19). Peptidhormone regulieren Biosynthese und Sekretion der Steroidhormone. Estradiol ist neben Estron und Estriol (Tab. 44.4) der wichtigste Vertreter der Estrogene (Follikelhormone). Besonderes Merkmal der Estrogene ist der benzoide Ring A mit phenolischer und daher sauerer Hydroxy-Gruppe an C-3 (Tab. 44.4). Tab. 44.4. Biologisch wirksame Steroide: Steroidhormone (Pregnan-, Androstan- und Estran-Derivate) Klasse Sterone (PregnanSkelett)
 
 Ringverknüpfung
 
 Projektionsformel
 
 transtranstrans
 
 18
 
 O
 
 H
 
 Vorkommen
 
 Funktion, Wirkung
 
 Progesteron 4-Pregnen-3,20-dion
 
 Gelbkörper, Placenta bei Schwangerschaft
 
 Gestagen (Antagonist der Estrogene)
 
 Cortison 17α,21-Dihydroxy-4pregnen-3,11,20-trion
 
 Nebennierenrinde, Blut, Urin
 
 Glykogenspeicherung, Blutzuckererhöhung, entzündungshemmend, antiallergisch, antirheumatisch
 
 Androsteron 3α-Hydroxy-5αandrostan-17-on
 
 Hoden, Urin
 
 Androgen, männliches Sexualhormon
 
 Testosteron 17β-Hydroxy4-androsten-3-on
 
 Hoden, Urin
 
 Androgen, männliches Sexualhormon
 
 Estron 3-Hydroxy-1,3,5(10)estratrien-17-on
 
 Ovarien, Urin
 
 Estrogen, weibliches Sexualhormon
 
 R = H : Estradiol 3,17β-Dihydroxy1,3,5(10)-estratrien
 
 Ovarien, Urin
 
 Estrogene, weibliche Sexualhormone
 
 21 20
 
 H
 
 19
 
 Trivialname und syst. Bezeichnung
 
 H
 
 O
 
 O O
 
 OH
 
 OH
 
 H H
 
 H
 
 O
 
 Sterone (AndrostanSkelett)
 
 transtranstrans
 
 18
 
 H
 
 19
 
 H HO
 
 O
 
 H
 
 H
 
 OH H H
 
 H
 
 O
 
 Sterone (EstranSkelett)
 
 transtrans-
 
 18
 
 O
 
 H H
 
 H
 
 HO
 
 OH H H
 
 HO
 
 R H
 
 R = OH : Estriol 3,16α,17β-Trihydroxy1,3,5(10)-estratrien
 
 Während der Schwangerschaft verhindern die Gestagene (Schwangerschaftshormone) den Eisprung. Wichtigstes Gestagen ist Progesteron. Progesteron selbst ist allerdings als Ovulationshem-
 
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 970
 
 44 Steroide
 
 mer per os appliziert unwirksam. Oral wirksame Ovulationshemmer (hormonale Kontrazeptiva) sind meist Kombinationspräparate aus synthetisch modifizierten Estrogenen und Gestagenen, z. B. 17α-Ethinylestradiol und Norgestrel.
 
 OH C C H H
 
 A
 
 H
 
 OH
 
 C
 
 C
 
 O
 
 H
 
 O H
 
 H
 
 D
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 17 α-Ethinylestradiol (chemisch modifiziertes Estrogen)
 
 H
 
 O
 
 O
 
 HO
 
 H
 
 Norgestrel (chemisch modifiziertes Gestagen)
 
 19-Nortestosteron decanoat (Anabolicum)
 
 Progesteron ist auch die biogenetische Vorstufe der männlichen Sexualhormone (Androgene) Androsteron und Testosteron (Tab. 44.4). Einige Ester des 19-Nortestosterons wie das Decanoat (Nandrolon) wirken als Anabolika. Diese fördern die Protein-Bildung zum Muskelaufbau und steigern die sportliche Leistungsfähigkeit ("Doping"), allerdings mit nachhaltigen Nebenwirkungen (Virilisierung der Frau, Störung der Spermatogenese des Mannes). Die Konzentration der Steroidhormone im Blut ist sehr gering, und die Halbwertszeiten im Organismus sind kurz. Man weist sie durch biologische Methoden, gaschromatographisch oder durch Radioimmunoassay im Serum und Urin nach, woraus die Steroide auch isoliert werden können. Zwecks renaler Ausscheidung über die Niere werden sie zu den wasserlöslichen Steroid-3glucuroniden und 3-Hydrogensulfaten (Steroid-Konjugate) metabolisiert. Auch in Insekten können Steroide zusammen mit dem Juvenilhormon eine Hormonwirkung in Form der Metamorphose entfalten. Als erstes Häutungshormon wurde das α-Ecdyson (Tab. 44.3, S. 967) aus dem Seidenspinner Bombyx mori aufgeklärt (BUTENANDT u. KARLSON, 1954). Insekten biosynthetisieren Steroide nicht de novo, sondern überführen mit der Nahrung aufgenommene Sterole enzymatisch in α-Ecdyson.
 
 44.4.3
 
 Steroid-Duftstoffe (Androst-16-en-Derivate)
 
 (+)-5α-Androst-16-en-3-on gehört zu den wenigen Steroiden, die einen charakteristischen Geruch verströmen. Es wurde als Sexualpheromon im Fettgewebe und Speichel des Ebers identifiziert, erregt bei "heißen" Säuen die Duldungsstarre zur Kopulation, wird daher in der Schweinezucht zur Erleichterung der Besamung eingesetzt und stört mit seinem "Ebergeruch" mitunter den Genuß von gebratenem Schweinefleisch. Menschlicher Urin und Achselschweiß enthalten Spuren des Eberpheromons sowie des ähnlich riechenden Androsta-4,16-dien-3-ons.
 
 H O
 
 H
 
 H 5α-Androst-16-en-3-on
 
 H
 
 H
 
 O Androsta-4,16-dien-3-on
 
 H HO
 
 H
 
 H
 
 5α-Androst-16-en-3 α-ol
 
 Die als Speisepilze begehrten, unterirdisch meist in Symbiose mit Eichen wachsenden Trüffel (Tuber melanosporum) biosynthetisieren das Reduktionsprodukt des Eberpheromons, (+)-5α-And-
 
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 44.5 Herzglycoside
 
 971
 
 rost-16-en-3α-ol. Mit dessen moschusähnlichem Duft locken die Pilze Säue an, um von diesen ausgegraben und gefressen zu werden, damit sich ihre Sporen, unversehrt nach der Magen-DarmPassage, verbreiten können. Der Trüffel-Duftstoff läßt sich nicht nur im Speichel des Ebers, sondern auch (als Glucuronid) im menschlichen Urin nachweisen, wobei Männer deutlich mehr ausscheiden. Möglicherweise wirken die Steroid-Riechstoffe beim Menschen als Pheromone. Im Einklang mit der bekannten Enantioselektivität des Geruchsinns sind die synthetischen, unnatürlichen Enantiomeren der Steroid-Riechstoffe geruchlos.
 
 44.5 Herzglycoside Einige herzaktive Steroid-Wirkstoffe wurden als Glycoside (Saponine) bzw. Aglyca (Sapogenine, Genine) aus Digitalis-Arten wie dem roten Fingerhut (Digitalis purpurea) bzw. aus StrophanthusArten oder Maiglöckchen (Convallaria) isoliert. Beispiele sind Digitoxigenin und Strophantidin (Tab. 44.5). Diese Aglyca gehören zur Untergruppe der 5β-Cardenolide C23 mit einfach ungesättigtem γ-Lacton-Ring an C-17; die gesättigten Lactone werden als 5β-Cardanolide bezeichnet. Zur Isolierung der als Phytopharmaka eingesetzten Inhaltsstoffe werden die Pflanzen mit Petrolether entfettet, anschließend mit 50 - 70 proz. Ethanol oder Essigester extrahiert und die Wirkstoffe durch Säulen-Chromatographie an SiO2 bzw. Al2O3 getrennt. Cardenolide wirken positiv inotrop, d. h. sie stärken die Kontraktionskraft des insuffizienten Herzmuskels. Die toxische Wirkung überwiegt bereits ab 1.5-facher Überdosierung. Bufadienolide (Tab. 44.5) sind C24-Steroide mit zweifach ungesättigtem δ-Lacton-Ring an C-17. Sie kommen teilweise verestert in Krötengift (lat. bufo = Kröte) und in den Rhizomen der Christrosen (Helleborus niger) vor. Cardenolide und Bufadienolide stammen biosynthetisch vom Pregnenolon und Progesteron ab. Tab. 44.5. Biologisch wirksame Steroide: Cardenolide und Bufadienolide Klasse Cardenolide
 
 Ringverknüpfung
 
 Trivialname (syst. Bezeichnung)
 
 Projektionsformel
 
 R1
 
 R1 = CH3 : Digitoxigenin R2 = H
 
 als 3-Glycosid in Digitalis purpurea
 
 Cardenolide, Regulierung der Herztätigkeit
 
 R1 = CH=O : Strophantidin R2 = OH
 
 als 3-Glycosid in Strophanthus-Arten
 
 R1 = CH3 , R2 = OCOCH3 : Bufotalin
 
 Hautdrüsen von Kröten
 
 R1 = CH=O, R2 = H : Hellebrigenin
 
 Rhizom von Helleborus niger (Christrose)
 
 H H
 
 HO
 
 Funktion, Wirkung
 
 O
 
 O
 
 cistranscis
 
 Vorkommen
 
 OH
 
 R2 O
 
 Bufadienolide
 
 O
 
 R1
 
 H H
 
 HO
 
 H
 
 Hautabwehrsekret
 
 R2 OH
 
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 972
 
 44 Steroide
 
 44.6 Steroidsaponine Wie alle Saponine entfalten die als sekundäre Pflanzeninhaltststoffe vorkommenden Steroid-Saponine eine stark oberflächenaktive Wirkung. Sie destabilisieren, im Gegensatz zum Cholesterol, die Lipidschichten und zerstören die Membranen der roten Blutkörperchen (Hämolyse). Viele Saponine wirken antibiotisch, antimykotisch und insektizid. Saponin-haltige Pflanzenteile wurden als Waschmittel und zum Fischfang benutzt, weil Saponine "fischgiftig" (ichthyotoxisch) sind. Gemeinsames Strukturmerkmal der meisten C27-Steroid-Sapogenine ist eine mit C-16 und C-17 verbundene Spiroketal-Gruppe (Ringe E und F) sowie eine 3β-Hydroxy-Funktion, die eine Zukker-Kette bindet (Monodesmoside). Seltener als diese hexacyclischen Spirostane sind die pentacyclischen Furostane, die einen zusätzlichen Zucker-Rest binden können (Bisdesmoside). Diosgenin, das Sapogenin (Hydrolysat) des Saponins Dioscin aus mexikanischen DioscoreaArten, dient als Rohstoff zur Partialsynthese von Progesteron und anderen Steroid-Hormonen. Tigonin, das 5,6-Dihydro-Derivat des Diosgenins, ist ein Aglycon der Digitalis-Saponine. Das u. a. zu Steroid-Fällungen angewandte Saponin-Gemisch "Digitonin" aus den Samen des roten Fingerhuts Digitalis purpurea enthält etwa 40 % Digitonin. Digitonin ist ein stark schaumbildendes Pentasaccharid-Glycosid mit Digitogenin als Aglycon. Es ist im Gegensatz zu den Cardenoliden aus Digitalis nicht herzwirksam. Dioscin (Saponin, Glycosid)
 
 HO CH3 HO
 
 O
 
 α-L-Rhamnopyranose
 
 HO
 
 E
 
 OH
 
 4
 
 O HO
 
 H O
 
 β-D-Glucopyranose
 
 A
 
 2 1
 
 α-L-Rhamnopyranose
 
 O
 
 OH OH
 
 H
 
 D
 
 O
 
 H
 
 H
 
 O
 
 H
 
 F
 
 17
 
 Hydrolyse
 
 H
 
 − 2 α-L-Rhamnose − β-D-Glucose 3
 
 H
 
 16
 
 O
 
 H
 
 H
 
 HO
 
 O
 
 Diosgenin (Sapogenin, Aglycon) Kurzschreibweise:
 
 O H3 C HO
 
 O
 
 H
 
 1
 
 1−3
 
 1−4
 
 α-L-Rha−β-D −Glc −Diosgenin
 
 O
 
 H
 
 2−1
 
 α-L-Rha
 
 H HO
 
 O
 
 H
 
 HO
 
 H
 
 OH
 
 H Digitogenin (Aglycon des Digitonins)
 
 44.7 Steroidalkaloide Steroidalkaloide sind biogenetisch vom Cholesterol abstammende, sekundäre Inhaltsstoffe einiger Pflanzen und Abwehrstoffe einiger Fische und Reptilien mit Cholestan-(C27)- oder Pregnan-(C21)Grundskelett. Man unterscheidet die Aminosteroide mit Amino-Funktionen und die Azasteroide mit Stickstoff-Heterocyclen (Pyrrolidin, Piperidin, Indolizidin), welche die terpenoide Seitenkette an Ring D des Gonan-Grundskeletts enthalten. So ist Squalamin, die antibakteriell und antifungal wirkende Abwehrsubstanz im Magengewebe des Dornhais Squalus acanthias, ein Aminosterol, in welchem das biogene Amin Spermidin an die 3-Stellung des 5α-Cholestan-Skeletts bindet; es wird als Antibiotikum und Antimykoticum sowie zum Einsatz gegen HIV und Gehirntumoren untersucht. Holarrhimin aus Holarrhena-Arten ist ein
 
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 44.7 Steroidalkaloide
 
 973
 
 weiteres Aminosteroid, exakt 3β,20-Diamino-5-pregnen, während das gegen Amöben wirksame Conessin aus derselben Pflanzenfamilie zugleich ein Amino- und Azasteroid der Pregnen-Reihe verkörpert. 22 18
 
 1
 
 H3N
 
 N H
 
 N H
 
 3
 
 13
 
 H
 
 19 10 5
 
 H
 
 7
 
 20 17
 
 OSO3 HO
 
 24
 
 H 3C
 
 H 2N
 
 N H
 
 27
 
 H H
 
 H
 
 OH
 
 H
 
 H H
 
 H
 
 H 2N
 
 H
 
 (H 3C)2N (−)-Holarrhimin
 
 Squalamin
 
 (−)-Conessin
 
 Zu den Steroid-Heterocyclen mit 5β-Pregnan-Grundskelett gehört (−)-Batrachotoxin aus dem atemlähmenden, von den Indianern als Pfeilgift verwendeten Hautsekret des in den Küstenprovinzen Kolumbiens lebenden, grünen Frosches Phyllobates aurotaenia und einiger anderer Farbfrösche (Dendrobatidae). Mit (+)-Samandarin und Samanin in ihrem toxischen Hautdrüsensekret wehren sich die Salamander (Feuersalamander, Salamandra maculosa, und Alpensalamander, S. atra) gegen Bakterien, Pilze und Fraßfeinde. Samandarin enthält eine Aminoacetal-Brücke im 5βAndrostan-Grundskelett (C19). O
 
 H HO
 
 H
 
 N
 
 OR R = CH3
 
 CH3
 
 C
 
 H 3C
 
 H
 
 HN
 
 O
 
 HO
 
 H
 
 H
 
 O
 
 (−) - Batrachotoxin
 
 HN
 
 H
 
 H
 
 CH3
 
 CH3
 
 OH
 
 N
 
 OH
 
 O
 
 (+) - Samandarin Samanin (ohne Aminoacetal-Brücke)
 
 Indolizidin- und Piperidin-Ringe im Cholestan-Skelett treten als Glycoside in Kartoffeln und Tomaten (Nachtschattengewächse, Solanaceae) auf. (−)-Solanidin (Sapogenin, Aglycon) H
 
 HO β-D-Glucopyranose
 
 N
 
 1
 
 OH
 
 H
 
 H
 
 β-D-Galactopyranose OH OH
 
 O
 
 H H
 
 (−)-Solanin (Saponin, Glycosid)
 
 OH
 
 HO
 
 H
 
 2 1
 
 H H
 
 α-L-Rhamnopyranose
 
 N H
 
 1
 
 O
 
 H3C HO
 
 H
 
 (−)-Demissidin
 
 H
 
 Kurzschreibweise:
 
 HO
 
 OH
 
 (−)-Solasodin
 
 1−3
 
 1−3
 
 β-D-Glc−β-D−Gal−Solanidin 2−1
 
 α-L-Rha
 
 H
 
 O H
 
 H
 
 N
 
 H
 
 H H
 
 H
 
 3
 
 H
 
 O
 
 O OH
 
 H
 
 HO
 
 O
 
 3
 
 H
 
 N
 
 H
 
 O
 
 HO H
 
 H
 
 H
 
 N O H
 
 H
 
 H
 
 H HO
 
 H
 
 H
 
 H (−)-Tomatidin
 
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 974
 
 44 Steroide
 
 Blätter sowie unreife Früchte der Tomate und Kartoffel enthalten z. B. das insektizid wirkende Solanin (Saponin, Glycosid), während das zugehörige Aglycon Solanidin (Sapogenin) in den Kartoffelknollen und Trieben vorkommt. Dessen Dihydro-Derivat Demissidin soll die Wildkartoffel vor dem Kartoffelkäfer als Fraßfeind schützen. Solasodin und sein Dihydroderivat Tomatidin sind spirocyclische Aglyca der Saponine in den Blättern und unreifen Früchten der Wildtomate Solanum marginatum, die zwecks Gewinnung des Solasodins als Alternativ-Edukt zur Partialsynthese von Steroidwirkstoffen kultiviert wird.
 
 44.8 Exemplarische Steroidsynthese Viele natürliche Steroide wurden wegen ihrer Wirkungen durch Partial- oder Totalsynthesen hergestellt. Dabei war Estron als Edukt zur Herstellung von Hormonpräparaten und Ovulationshemmern ein attraktives Syntheseziel, auch zur Erprobung neuer Synthesemethoden.
 
 44.8.1
 
 Retrosynthetische Zerlegung des Estrons
 
 Mit dem Ziel einer möglichst kurzen Synthese des Estronmethylethers 1 sticht bei einer retrosynthetischen Zerlegung der fett konturierte Sechsring C ins Auge, denn dieser schließt sich am besten durch eine [4+2]-Cycloaddition von Dien 4 und Cyclopentenon 5. Die Vorstufe 2 entspricht der Absicht, die Methyl-Gruppe 18 erst zum Schluß einzuführen (z. B. durch Metallierung α zur Carbonyl-Gruppe und Methylierung durch Iodmethan), um Regioisomere beim Ringschluß zu vermeiden. Vorstufe 2 resultiert aus der katalytischen Hydrierung des Cyclohexens 3, das im Schlüsselschritt der Synthese einer [4+2]-Cycloaddition des Diens 4 und des Cyclopentenons 5 entspringt. Dien 4 entsteht durch Dehydratisierung des Allylalkohols 6; dieser bildet sich durch partielle Hydrierung des Alkinols 7, das Produkt der Ethinylierung des kommerziellen 6-Methoxytetralons 8. 18
 
 O
 
 H
 
 H
 
 1
 
 H
 
 H
 
 H
 
 H 3CO
 
 O
 
 H
 
 H H3CO
 
 44.8.2
 
 +
 
 H H
 
 2
 
 H H 3CO
 
 8
 
 5 H 3CO
 
 3
 
 O
 
 H3CO
 
 O
 
 O
 
 4
 
 OH
 
 H 3CO
 
 7
 
 OH
 
 H 3CO
 
 6
 
 Synthese des Estronmethylethers
 
 Abb. 44.2 skizziert eine der retrosynthetischen Zerlegung (Kap. 44.8.1) in wesentlichen Schritten folgende Totalsynthese des racemischen Estronmethylethers 1 aus 6-Methoxytetralon 8, das in der ersten Stufe ethinyliert wird. Katalytische Hydrierung des Alkinols 7 mit gebremstem Katalysator ergibt den Allylalkohol 6. Erhitzen in Chinolin dehydratisiert zum 1,3-Dien 4. Cycloadditionsver-
 
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 44.8
 
 Exemplarische Steroidsynthese
 
 975
 
 suche mit Cyclopentenon 5 führen zu Produktgemischen. Das 1,3-Dien cycloaddiert jedoch pBenzochinon als Dienophil zum einheitlichen tetracyclischen Cyclohexen-1,4-dion 9. Nach Reduktion der elektronenarmen CC-Doppelbindung und Schutz einer Carbonyl-Funktion als Dimethylketal wird die in 10 ungeschützte Keto-Funktion durch WOLFF-KISHNER-Reduktion beseitigt und die geschützte Keto-Funktion wieder freigelegt. Die KNOEVENAGEL-Alkenylierung des resultierenden Monoketons 11 mit Furan-2-aldehyd führt zum Enon 12, das anschließend am aciden CH in α-Stellung zur Carbonyl-Funktion methyliert wird. Die Oxidation spaltet das methylierte Enon 13 zur tricyclischen Dicarbonsäure 14, die thermisch nach dem Prinzip der DIECKMANN-Kondensation zum racemischen Estronmethylether 1 cyclodehydratisiert und decarboxyliert. Die Racemattrennung gelingt nach Spaltung des Methylethers über diastereomere Ester mit (+)-Menthoxyacetylchlorid. H
 
 HO
 
 O
 
 HO
 
 a
 
 H
 
 b H 3CO
 
 H 3CO
 
 c H3CO
 
 8
 
 d H3CO
 
 7
 
 O
 
 H H3CO
 
 6
 
 4
 
 O
 
 9 e
 
 H
 
 O
 
 O H H
 
 H
 
 H
 
 H
 
 g
 
 H H 3CO
 
 H3CO OCH3
 
 O
 
 H
 
 f
 
 H H3CO
 
 12
 
 H H3CO
 
 11
 
 O
 
 10
 
 h
 
 O
 
 O
 
 O H
 
 H
 
 H
 
 i
 
 H H 3CO
 
 H H3CO
 
 13
 
 O OH
 
 H
 
 H
 
 j
 
 CO2H
 
 H H3CO
 
 14
 
 H
 
 1
 
 O
 
 a) Li , H C C H
 
 b ) H 2 / Pd / C / BaSO4
 
 c) Chinolin, Hitze
 
 d)
 
 e) 1. Zn / CH3CO2H ; 2. CH3OH / CH 3CO2H O
 
 −
 
 +
 
 f) N2H4 , OH , Hitze, H3O
 
 H , OH
 
 g) O
 
 −
 
 h ) CH 3I / (CH3)2CO
 
 −
 
 i ) 1. H 2O2 / OH ; 2. H 2 / Pd / C
 
 +
 
 −
 
 j ) PbCO3, 300°C ,C 6H 5NH 3 Cl
 
 O
 
 Abb. 44.2. Totalsynthese des racemischen Estronmethylethers
 
 44.8 Exemplarische Steroidsynthese Bibliographie
 
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 976
 
 Bibliographie
 
 Bibliographie Alkaloide E. BREITMAIER, Alkaloide − Betäubungsmittel, Halluzinogene und andere Wirkstoffe, Leitstrukturen aus der Natur, 3. Aufl., Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2008 M. HESSE, Alkaloide − Fluch oder Segen der Natur, Wiley-VCh, Weinheim, 2000 J. W. SOUTHON, J. BUCKINGHAM (Hrsg.), Dictionary of Alkaloids, Chapmann & Hall, London, New York, Tokyo, Melbourne, Madras, 1988
 
 Aminosäuren G. C. BARRETT, Amino Acid Derivatives, Oxford University Press, 1999
 
 Analytische Methoden H. NAUMER, W. HELLER (Hrsg.), Untersuchungsmethoden in der Chemie − Einführung in die moderne Analytik, 3. Aufl., Georg Thieme, Stuttgart, 1997
 
 Aromatizität P. J. GARATT, P. VOLHARDT, Aromatizität, Georg Thieme, Stuttgart, 1973
 
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 frei zugängliche Internet-Quellen Organische Verbindungen nach NAMEN, Summen- und Strukturformel, Molekülmasse sowie CAS-Registry-Nr. durchsuchbare Datenbank http://chembiofinderbeta.cambridgesoft.com Produkte der Chemischen Industrie in Europa Akronymdatei, Chemie-Wörterbuch, Periodensystem, Produktverzeichnis http://www.chemie.de Reaktionen Datenbank relevanter NAMEN-Reaktionen, auch nach Art der zu knüpfenden Bindung durchsuchbar http://www.organische-chemie.ch Spektrensammlungen Referenzspektren und Spektrendatenbanken http://riodb.ibase.aist.go.jp, http://webbook.nist.gov/chemistry Syntheseplanung sorgfältig geprüfte Syntheseprotokolle aus Organic Syntheses http://www.orgsyn.org kommerziell verfügbare Edukte für Synthesen, nach Strukturformeln durchsuchbar http://www.chemexper.com, http//www.emolecules.com, http//www.molport.com Virtuelle Bibliothek der Chemie, durchsuchbar nach Themenbereichen und Literatur http://www.vlib.org, http://www.liv.ac.uk/Chemistry/Links Vorlesungen Kurzvideos und längere Vorlesungen http://scitalks.com
 
 lizenzpflichtige Internet-Quellen Beilstein CrossFire Datenbanken Zugang mit der in vielen Universitätsnetzen bereitgestellten Software "MDL Crossfire Commander" http://www.info.crossfirecommander.com, http//www.info.crossfiredatabases.com Chemical Abstracts Datenbanken (CAS, täglich aktualisierte, bibliographische Einträge) Zugang mit der in vielen Universitätsnetzen bereitgestellten Software "SciFinder Scholar" http://www.cas.org RÖMPP Online, RÖMPP-Lexika aus fünf Fachgebieten der Chemie in deutscher Sprache http://www.roempp.com
 
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 980
 
 Sachregister
 
 Sachregister
 
 Sachregister A Abbruchreaktionen der Photohalogenierung 42
 
 Abgangsgruppe (Nucleofug) 71, 198 Abgas-Entgiftung durch Katalysatoren 33
 
 Abietan(e) 950 Abietinsäure 950 Abschirmung(s) (NMR) 501 feld 501, 503
 
 Abscisinsäure 947 Absorption(s) 481 banden 481 koeffizient 481
 
 Abwehrsekrete Frösche 843, 973 Kröten 845, 971 pflanzliche 435 Salamander 973
 
 Acetaldehyd 93, 310 Synthese 239
 
 Acetale 323, 863 Darstellung 316 Massenspektren 547
 
 Acetamid 262 N,N-Dimethyl- 388 NMR, 1H- 509
 
 Acetanhydrid 256 Trifluor- 256 zur PERKIN-Reaktion 250
 
 Acetanilid 392 Acetat-Seide 891 Acetessigester aus Diketen 303 Darstellung 267 Enol-Gehalt 307 Hydrierung enantioselektive 290 Keto-Enol-Tautomerie 267 Natrium-Salz 305 Oxo-Enol-Tautomerie 306 Spaltung 306
 
 Acetoacetyl-CoA 942 Acetolyse 198
 
 Aceton 310 Dihydroxy- 860 dinitrophenylhydrazon, -2,4- 326 Enol-Gehalt 307 HOCK-Synthese 350 Pyrolyse 303 UV-Spektrum 481
 
 Acetonitril 258 Acetonylaceton 310 Acetophenon 310 Acetylamino-, p- 392 Dihydroxy-, 2,4- 321 Herstellung 159 HydroxyoWasserstoffbrücke 349 p- 356
 
 Acetylaceton 310 Enol-Gehalt 307, 503 Hexafluor- 632 NMR, 1H- 507 Keto-Enol-Tautomerie 344 Metallchelate 629 NMR, 1H- 503
 
 Acetylacetonate 345 Acetyl-CoA Siehe AcetylCoenzym A Acetyl-Coenzym A 421, 942 Acetylen Siehe Ethin -dicarbonsäurediester 112 Heterocyclisierung 663
 
 Acetylessigsäureethylester Siehe Acetessigester Acetylnaphthalen, 1- und 2- 179 Acetylsalicylsäure (ASS) 355 Acidität, CH-
 
 Acridiniumgelb 740 Acridon(e) 695 Farbstoffe 748
 
 Acrolein 310 3-Amino- 679 NMR, 1H- 528 Synthesereagenz 687 3-Ethoxy-2-methylNMR, 1H- und 13C- 536 Dimerisierung 639
 
 Acrylamide zur Reaktiv-Färbung 730
 
 Acrylnitril 94 aus Oxiran 239 NMR, 1H- 527 Poly- 782
 
 Acrylsäure 242 Acylamino- 796 chlorid 256 ester 94
 
 ACTH 828 Actinocin 832 Actinomycin(e) 741, 832 Acyclovir (Aciclovir) 910 AcylGruppe 159, 244 Schutzgruppe 816, 879
 
 Acylcarbene 446, 449 Acylhalogenide 255 Acylharnstoffe Siehe Ureide Acylierung des Benzens 141, 159 des Naphtalens 178 primärer und sekundärer Amine 388 von Malonsäurediestern 305
 
 des Cyclopentadiens 578 terminaler Alkine 91 Acidität, α-CHvon Carbonsäureestern 265 von Malonsäurestern 265 von Methyl-Gruppen 679, 706, 711, 718
 
 Acylium-Ionen 159 Acylnitrene 379, 447 Acyloin(e)
 
 Aconitsäure 842 Acridin(e) 695
 
 Acylphenole, o- und p- 454
 
 Heterocyclisierung 662 Kondensation 264 intramolekulare 115 Synthese 115, 642
 
 Farbstoffe 740
 
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 Sachregister
 
 Adamantan 1-Chlor- 203 Synthese 118
 
 AdamantoylSchutzgruppe 879
 
 Additionen, elektrophile 187 an 1,3-Diene 1,2- und 1,4- 87, 188 an Alkene 64, 78 an Alkenylbenzene 147 an Alkine 93, 188
 
 Additionen, nucleophile 266, 374 an benzokondensierte Sechsring-Heteroaromaten 708 an Carbonyl-Verbindungen 329, 334 an Pteridine 717
 
 Additionen, oxidative 623 Additionen, radikalische 66, 88 an Alkenylbenzene 148
 
 Adenin 895 pK-Werte 901 Synthese 714
 
 Adenosin 895, 899 -diphosphat 896 Methyl-, 1-, 2- und 7- 906 -monophosphat 895 -triphosphat 572, 574, 899
 
 Adipinsäure 242, 247 aus Cyclohexanon 247 -polyamide 766
 
 Adjuvantien 932 ADP 896 Adrenalin 851 Aflatoxine 697 Präcarcinogene 916
 
 Aglykon, Aglyka 875, 952 Aktivester 815 der Proteinbiosynthese 909 HOBt- 815
 
 Aktivierungsenergie 43, 154, 160, 162 bei enantioselektiven Reaktionen 291 Senkung durch Katalyse 61
 
 Aktivierungsenthalpie freie molare aus NMR-Daten 511
 
 Alamethicin 832 Alanin 297, 786, 789 absolute Konfiguration 786 Racemattrennung 284, 797
 
 Alaninol 847 Alanylvalin Dipeptid-Synthese 815
 
 981
 
 Aldarsäuren Siehe Arsäuren Aldehyde 308 Acetalisierung 323 Alkenylierung 60, 330 Alkinylierung 336 Alkylierung 329 aus Acetalen 315 aus Alkenen 315 aus Carbonsäurehalogeniden 260 aus Diolen 315 aus Halogenalkanen 619 aus α-Hydroxycarbonsäuren 300 aus α-Oxosäuren 304 Bildung von Iminen 325 Bisulfit-Addition 324 Darstellung 312 Disproportionierung 328 durch Formylierung 315 durch NEF-Reaktion 313 durch Oxidation 312 mit DMSO 424 durch Reduktion 314 Homologisierung 337, 397 Hydrate 311 Hydratisierung 322 Hydroxy-, αdurch Cyanhydrin-Synthese 334 NMR, 1H-Verschiebung 504 Nomenklatur 308 Oxidation 340 Photoadditionen 566 physikalische Eigenschaften 310 Reaktionen 322 Reduktion 328, 342
 
 Aldehyd-Keton-Isomerisierung 448 Alditole Siehe Polyole Aldofuranosen 865 Aldohexosen 859 Konfiguration 861
 
 Aldol-Kondensation 332 Aldol-Reaktion 331, 340, 961 gerichtete 333 MUKAIYAMA-Variante 602
 
 Aldonsäuren Siehe Onsäuren Aldopyranosen 865 Aldopyranosylamine AMADORI-Umlagerung 878
 
 Aldosen 858 Alizarin 746, 747 Alkaloide 842 Amid- und Lactam- 852 Aporphin- und Proaporphin- 849 Bisbenzylisochinolin- 848
 
 Carbazol- 846 Carbolin-, β- 846 China- 850 Chinolin- 850 Chinolizidin-, Indolizidin-, Pyrrolizidin- 845 Cyclopeptid- 852 Definition 842 Diterpen- 950 Indol- 845 IsochinolinBenzyl- 847 Isolierung 842 Isoxazol- und Oxazol- 851 Morphinan- 849 Mutterkorn- 847 nicht heterocyclische 851 Phenylethylamin- 851 Phthalidisochinolin- 848 Piperidin-, Pyrrolidin- 843 Protoberberin- 848 Pyridin- 843 Steroid- 972 Strychnos- 846 Synthesen 856 Tropan- 843 Tryptamin- 845
 
 Alkane 24 als Energieträger 37 aus Alkenen 34 aus Erdgas, Erdöl, Kohle 32 aus GRIGNARD-Verbindungen 36 aus Halogenalkanen 34 Cracking 85 durch KOLBE-Elektrolyse 36 Fluorierung 190 Formelschreibweise 24 Herstellung 34 homologe Reihe 24 industrielle Gewinnung 33 IUPAC-Nomenklatur 27 Konstitutionsisomere 26 Löslichkeit 30 Massenspektren 545 Molekülbau 30 n- und iso- 26 Trennung 30 Nitrierung 40 Photosulfochlorierung 40 physikalische Eigenschaften 29 Reaktionen 36 Schmelz- und Siedepunkte 29 Verbrennung 37 Verbrennungswärmen 37 verzweigte, Autoxidation 38 verzweigte, unverzweigte 26 WURTZ-Synthese 35
 
 Alkanolate 221 Alkansäuren 240
 
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 982
 
 Alkansulfonsäurechloride 51 Herstellung 40
 
 Alkene 53 Additionen 61 aus 1,2-Dihalogenalkanen 59 aus 1,2-Diolen 443 aus Alkanen 57 aus Alkinen 57 aus Alkoholen 58 aus Carbonyl-Verbindungen 60 aus Halogenalkanen 59 aus Sulfonen 426 aus Thioethern 419 Cycloaddition, [2+2]- 68 Darstellung 57 Dihalogen-, 1,2- 286 Dihydroxylierungen cis- und trans- 65 Dimerisierung 69 Dipolmomente 56 durch HOFMANN-Eliminierung 391 durch TSCHUGAJEFF-Reaktion 414 durch WITTIG-Alkenylierung 330 durch β-Eliminierungen 58 Halogenierung 63 homologe Reihe 53 Hydratisierung 64, 214 Hydrierwärmen 62 Hydroborierung 63, 215 Hydrohalogenierung 64 IR-Absorption 493, 494 Isomere (Z)- / (E)-, cis- / trans- 56 IUPAC-Nomenklatur 53 katalytische Hydrierung 34 Konfigurationsisomere 55 Beispiele 56 Konstitutionsisomere 53 Kopplungskonstanten, HH- 520 Metathese 69, 114, 636, 761 Molekülgeometrie 54 Molekülorbital-Modell 54 NMR, 1H-Verschiebung 504 Ozonolyse 66 PATERNO-BÜCHI-Reaktion 567, 639 Photohydrierung 571 Polymerisation 70 radikalische Addition 66 radikalische Substitution 67 Reaktionen 61 Schmelz- und Siedepunkte 56 substituierte durch HECK-Reaktion 68 Übergangsmetall-Komplexe 621
 
 Alkensäuren 240
 
 Sachregister
 
 Alkenylallylether Oxa-COPE-Umlagerung 237
 
 Alkenylbenzene 146 Reaktionen 147 Reduktion 142 ringsubstituierte Synthese 148 Synthese 146, 147
 
 Alkenylether Herstellung 234
 
 Alkenyl-Gruppen 54 Alkenylsilane 597 Alkine 89 aus Dihalogenalkanen 90 aus Tetrahalogenalkanen, 1,1,2,2- 91 cis-Hydrierung 57 Cyclotetramerisierung 95 Cyclotrimerisierung 95, 142 Eigenschaften 89 Halogenierung 92 homologe Reihe 89 Hydroborierung 92 Hydrocyanierung 94 Hydrohalogenierung 93 IR- und RAMAN-Spektren 498 IUPAC-Nomenklatur 89 Konstitutionsisomere 89 Molekülgeometrie 89 Naturstoffe 97 partielle Hydrierung 92 Reduktion 92 Synthesen 90 terminale als CH-Säuren 91 NMR, 1H-Verschiebung 504 oxidative Kupplung 97 oxidative Spaltung 97 Trimethylsilyl- 598 Übergangsmetall-Komplexe 622
 
 Alkinole 94, 336, 974 Alkinsäuren 240 Herstellung 246
 
 Alkinylbenzene Synthese 148
 
 Alkinylide 91, 336 Alkinylierung von Carbonyl-Verbindungen 336, 974 von Halogenalkanen 91
 
 Alkoholate 221 Alkohole 210 Acidität 354 als LEWIS-Basen 220 als Säuren 221 aus Alkenen 64, 214 aus Carbonyl-Verbindungen 217
 
 aus GRIGNARD-Verbindungen 217 aus Halogenalkanen 218 aus Oxiranen (Epoxiden) 218 aus Trialkylboranen 216 Dehydratisierung 58, 225 Dehydratisierungstendenz 226 Dinitrobenzoate, 3,5- 223, 259 Enantiomere 273 Inversion 401 Identifizierung 437 IUPAC-Nomenklatur 210 Nitroso-, γ- 561 nucleophile Substitutionen 223 Oxidation 221 primäre aus Aldehyden 216 aus Carbonsäure-Derivaten 255 aus Carbonsäureestern 263 Oxidation 221, 247, 313 primäre, sekundäre, tertiäre 210 aus Aldehyden und Ketonen 329 aus Alkylmagnesiumhalogeniden 329 racemische Trennung 284 sekundäre aus Ketonen 217, 328 Oxidation 222, 318 Siedepunkte 212 tertiäre aus Carbonsäureestern 263 Veresterung 222 Wasserlöslichkeit 212 Wasserstoffbrücken 212
 
 Alkoholintoxikation 214 alkoholische Gärung 214 Alkoxide 221 Alkylammonium-Salze 385 Alkylarylketone WILLGERODT- und WILLGERODTKINDLERReaktion 341
 
 Alkylbenzene 138 aus Alkinen 142 aus Halogenbenzenen 142 Darstellung 142 Hydrierung 145 Kern-Substitution 143 Seitenketten-Oxidation 145 Seitenketten-Substitution 143 Synthesen 138 WURTZ-FITTIG-Synthese 153
 
 Alkylbenzensulfonate lineare (LAS) 938
 
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 Sachregister
 
 Alkyl-Gruppen Beispiele 28 Nomenklatur 28 primäre, sekundäre, tertiäre 27
 
 Alkylhalogenide Siehe Halogenalkane Alkylhydrogensulfate 64 Alkylhydroperoxide 38 Alkyliden-Komplexe (Carben-Komplexe) 69
 
 Alkylierung C- 266, 305, 345 diastereospezifische 804 Nerschöpfende 389 O- 232 S- 417
 
 Alkylierungsmittel 158 Alkyllithium-Verbindungen 614 Carboxylierung 616
 
 Alkylmagnesiumhalogenide 34, 195, 316, 329 Carboxylierung 246 Komplexierung durch Ether 236 Reaktion mit Estern 263 zur Darst. von Alkoholen 217 zur Darst. von Thiolen 412
 
 Alkyloxonium-Salze 221 Alkyl-Radikale relative Stabilität 49
 
 Alkylsilane 597 Alkylsulfate n- und sekals Detergentien 938
 
 Alkylsulfonate als Detergentien 938
 
 Alkyl-Verschiebungen anionotrope 1,2- 75, 446 kationotrope 1,2- 452
 
 Alkylzinkhalogenide 298 REFORMATSKY-Reaktion 617
 
 Allen(e) Enantiomere 280 Synthese 86
 
 Allicin 419 Allose 859 aus Glucose 882
 
 Allosterie 839 Allylalkohol(e) 208, 974 enantioselektive Epoxidation 291
 
 Allylbromide 189 Allylchlorid(e) 1-Chlor-2-propen Hydrolyse 208 Dimethyl-, α,α-
 
 983
 
 Solvolyse 208
 
 Allyl-Gruppe 54, 419 Allylhalogenide 67, 186 Allyl-Kation 208 Allylphenol, o- 237, 457 Allylphenylether CLAISEN-Umlagerung 237, 457
 
 Allyl-Radikale 67, 456, 471 mesomeriestabilisierte 189
 
 Allylsilane SAKURAI-Reaktion 604
 
 Allylvinylether Oxa-COPE-Umlagerung 457
 
 Allyl-π-Komplexe 621 Aloe 749 Alterungsprozeß 916 Altrose 859 AMADORI-Umlagerung 878 Amanitin, α- 834 Amberlite 776 ambidente Reaktionen 299 Ameisen Alarmpheromone 603, 804
 
 Ameisensäure 242 als Reduktionsmittel 378 Herstellung 244
 
 Amide 244 Amid-Mesomerie 509, 655 transannulare 645
 
 Amidrazon(e) 725 Amine 372 aus Alkenen 374 aus Ammoniak 372 aus Carbonsäureamiden 377 aus Carbonyl-Verbindungen 377 aus Halogenalkanen 372 aus Nitro-Verbindungen 375 aus Oxiranen 374 Basizität 370, 382 Substituenteneinflüsse 384 biogene 852 cyclische 634 Synthese 638 Darstellung 372 Di-, Tri-, Poly- 366 Diazotierung 385 durch Additionen 374 durch reduktive Aminierung 377 Enantiomere 369 Geruch 372 Inversion 369 Konstitutionsbestimmung 391 Molekülgeometrie 368 Molekülorbital-Modell 368 N-Alkylierung 389 N-Halogenierung 387 Nomenklatur 366
 
 N-Oxide 386, 391 Phthaloyl- 373 physikalische Eigenschaften 370 Pikrate 385 primäre aus Nitrilen 376 aus Oximen 376 durch DELÉPINE-Reaktion 372 durch GABRIEL-Synthese 373 durch Reduktion 375 durch Umlagerungen 378 IR-Absorption 492 Phosgenierung 435 primäre und sekundäre N-Acylierung 388 primäre, sekundäre, tertiäre 366 durch reduktive Aminierung 377 Reaktionen 385 tertiäre N-Oxidation 386 Wasserstoffbrücken 370
 
 Aminierung nucleophile 703
 
 Amin-N-oxide 386 COPE-Eliminierung 391 Enantiomere 279, 370
 
 Aminoacylasen. zur Racemattrennung 797
 
 Aminoalkohole 803 Aminoalkylierung, βCH-acider Verbindungen 339
 
 Aminoethanol aus Oxiran 239
 
 Amino-Gruppe
 
 (+)-M-Effekt 135
 
 Aminoguanidin 441 Aminolipide 917 Aminolyse 198 Aminonaphtholrot 727 Aminoplaste 767 Aminosäuren 410 Abbaureaktionen 803 absolute Konfiguration 786 -Analyse 789 Dansyl- 791, 825 Derivate als chirale Auxiliare 804 Dinitrophenyl-, 2,4- 791, 825 Dissoziationsgleichgewichte 787 enantioselektive Synthese 290 essentielle 786 in Peptid-Alkaloiden 852 Komplexierung 800 mehrfunktionelle 789 N-Acylierung 802
 
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 984
 
 Aminosäuren N-Alkylierung und Arylierung 801 N-Trifluoracetyl- 791 n-butylester 792 physikalische Eigenschaften 789 Protein- 784 Racemattrennungen 284, 797 Reaktionen 799 Reduktion 803 ribosylester, -3´- 909 Schutzgruppen 816 Sequenz 805 Synthesen 792 enantioselektive 796 Trennung 789 Veresterung 800 Zwitterionen 788
 
 Aminosteroide 972 Aminozucker 860, 877, 882, 884 Ammoniak Alkylierung 373 Molekülgeometrie 18
 
 Ammonium-iodid Diethyldimethyl- 389
 
 Ammonium-Ionen quartäre 389 Umlagerungen 453, 455, 1038
 
 Ammonolyse 198 amorph 22 AMP Siehe Adenosinmonophosphat Amphetamine 851 amphi- 175 Ampholyte 784, 939 Amygdalin 888 Amylopektin Struktur 892
 
 Amylose Struktur 892
 
 Anabasin 843 Anabolika 970 Analgetika 240, 355, 850, 875 Analytik Aldehyde und Ketone 327 Amine 385 Aminosäuren 789 Carbonsäuren 260 Chromatographie 285, 792, 927 Fettsäuren 925, 927 Kohlenhydrate 886 Molekülspektroskopie 478 Nucleinsäuren 908 Photometrie 486 Polarimetrie 271 Polymere 768
 
 Sachregister
 
 Proteine 812
 
 Androgene 969, 970 Androst-16-en(e) Duftstoffe 970
 
 Androstan(e) 965 Androsteron 970 Angelicasäure 944 Angiotensine 831 Anilin(e) 367, 371
 
 (+)-M-Effekt 135 Alkyl-, N- 625 aus Halogenaromaten 168, 373, 374 aus Nitrobenzen 376 Azo-Kupplung 407 Basizität 371 Brom-, p- 432 Desaminierung 151 Dialkyl-, N,N- 625 Diazotierung 402 Dimethyl-, N,N- 371 Azo-Kupplung 408 Nitrosierung 386 elektrophile Substitutionen 392 Ethoxy-2-nitro-, 41H-NMR 525 Fluor-, m- 376 Mesomerie und Basizität 383 Methyl-, N- 371 Methyl-N-nitroso-, N- 386 Nitrierung 161 Nitro-, o-, m-, p- 161, 392 Nitroso-, p- 455 zur Chinolin-Synthese 693
 
 Anilinium-Salze 385 Anionen-Aktivierung 645 Anionenaustauscher 776 Anionotropie 75, 446 Anisol 232 m-Amino- 174
 
 Anisotropieeffekte (NMR) 504 Annulen(e) 126 [10]- 588 1,6-Methano- 588 überbrückte 588 [14]Dihydrotetraaza- 631 Pyren-und Anthracen-Typ 589 überbrückte 589 [16]Tetrabenzotetraaza- 631 [18]- 591 Diaza- 750 NMR, 1H-Verschiebung 505 Polyaza- 750 [n]- 587
 
 Aza[10]-, überbrückte 722 Aza[17]- 721 heteroüberbrückte 592 on-Dianionen 577 Oxa[17]- 721 Anomere, α- und β- 865
 
 anomerer Effekt 868 Anomerisierungen 865, 876 Ansa-Verbindungen 233 Antamanid 835 antarafacial 466, 471 Anthanthron 748 Anthocyanidine 698, 735 Anthracen 126, 175 Benzo[b]- 175 Brom-, 9- 181 Cycloadditionen, [4+2]- 182 Diphenyl-,9,10- 574 -epidioxide 570 Photodimerisierung 568 Reaktionen 180
 
 Anthrachinon(e), 9,10- 181, 361 Amino- 746 Farbstoffe 742 Lichtabsorption 742 Synthesen 744 natürlicher Herkunft 749 Polyhydroxy- 746 substituierte Synthesen 746 Synthese 182, 363, 744
 
 Anthracycline 749 Anthranilsäure 376 Antiaromatizität 594 Antibiotika 851, 972 Peptid- 832
 
 Anticodon(s) 908 Antiklopfmittel 33, 610 anti-MARKOWNIKOW-Produkte 187 Antioxidantien 38, 925, 956 Apamin 835 Äpfelsäure 293, 842 Äpfelsäure, L-(−)- 283 Apiose 885 äquatoriale Substituenten am Cyclohexan 104
 
 Äquivalenz chemische und magnetische 522
 
 Arabinose 859 Homologisierung 871
 
 Arachidonsäure 921 Arachinsäure 920 Aramide 781
 
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 Sachregister
 
 ARBUZOV-MICHAELISReaktion 331
 
 Arecolin 843 Arenamine Siehe Aniline Arencarbonsäuren 240 Arene 128 aus Alkanen 130 aus Erdöl 129 aus Steinkohlenteer 129 Lichtabsorption 484 polycyclische 126, 175 Sulfochlorierung 430
 
 Arenoxide 130, 182 Arginin 786 Arine Abfangreaktionen 173 Zwischenstufen 172, 560
 
 Arin-Mechanismus nucleophiler Substitutionen 172, 174, 351
 
 ARNDT-EISTERT-Homologisierung der Carbonsäuren 249, 399
 
 Aromadendran(e) 949 Aromastoffe Hopfen 948 Pfefferminz 945
 
 Aromaten Aza- 646 benzoide 126, 128 Nomenklatur 128 Umlagerungen 454 Hetero- 127, 646 kondensierte 126, 175 aus Erdöl 178 aus Steinkohlenteer 178 carcinogene 178 Reaktionen 178 nicht benzoide 126, 575 Verschiebungen 1H- und 13C- 585 polycyclische 126
 
 Aromatisierung Photo- 569
 
 Aromatizität 122, 575 Aromatizitätskriterien 126 NMR, 1H- 505
 
 Aroxyl-Radikale 357 ARRHENIUS-Gleichung 46 Arsäuren 873, 874, 881 Lactone 874
 
 Artabsin 948 Arylazide aus Aryldiazonium-Salzen 405
 
 Arylazo-Gruppe 402 Arylcyanide 432
 
 985
 
 Aryldiazonium-Halogenide Mercurierung 403 SANDMEYER-Reaktion 402
 
 Aryldiazonium-Ionen als Elektrophile 406 Mesomerie 402
 
 Aryldiazonium-Salze Azo-Kupplung 406, 725 durch Diazotierung 402 ionische Spaltung 404 radikalische Spaltung 402 Reduktion 405 Verkochung 404
 
 Arylendiamine 367 Arylhalogenide 185 Aminierung 373 Eigenschaften 149
 
 Arylhydrazine aus Aryldiazonium-Salzen 406
 
 Aryl-Kationen 404 Arylmagnesiumhalogenide 153 Arylmethyl-Radikale 145 Aryl-Radikale 404 Arylsilane 597 Ascaridol Darstellung 570
 
 Ascorbinsäure 885 Synthese 886
 
 Asparagin 786 -säure 786
 
 Aspartam 828 Asphalt 33 Aspirin (ASS) 355 Astaxanthin 955 Asteran 118 Astraphloxin 732, 733 Astrazonrot 732 asymmetrische C-Atome 271 in Polymeren 771
 
 asymmetrische Heteroatome 279 ataktisch 770 ätherische Öle Siehe etherische Öle Atomabstände 8, 529 Atomorbitale 2 Besetzung 4 entartete 4 Hybridisierung 9 Überlappung 5
 
 ATP 572, 899, 943 Atropin 844 Atropisomerie 281 Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons 2
 
 Aufheller, optische 726 Aufspaltungsregeln (NMR) 515 Auramin T 738 Aureomycin 749 Autoxidation verzweigter Alkane 38 von Ethern 236
 
 Auxiliare chirale 291, 804, 857
 
 Auxochrome 482, 724 Verteilungssatz der 743
 
 Axerophthen 949 axiale Substituenten am Cyclohexan 104
 
 Azaferrocen 672 Azasteroide 972 Azelainsäure 242 Azepan(e) 636 Azepin(e) Darstellung 719 Tetrahydro-7H- 640
 
 Azet Tri-t-butyl- 640
 
 Azetan(e) 636 Azide 410 Cycloadditionen 1,3-dipolare 663
 
 Azidoameisensäureester Siehe Azidokohlensäureester Azidokohlensäureester 442 Azine 326, 646 Mesomerie 658
 
 Aziran(e) 370, 375, 636, 639 Reaktionen 641 Synthese 638
 
 Aziridin Siehe Aziran Azirine 451 1H- und 2H- 718
 
 Azlactone 794 Azoalkane als Radikal-Vorstufen 400 Synthese 400
 
 Azo-Aromaten (Azo-Arene) 406
 
 Azobenzen Amino-, p- 408 Dialkylamino-4´-nitro-, 4-N,N727 Dimethylamino-, 4-N,N- 724 4´-nitro- 724 4´-sulfonsäure 408 Herstellung 410 Isomere cis- und trans- 406
 
 Azobisisobutyronitril 400 Radikalstarter 756
 
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 986
 
 Azocin(e) 722 Azodicarbonsäurediester Siehe Diethylazodicarboxylat Azo-Farbstoffe 406 chelatbildende 728 Entwicklungs- 728 Tautomerie 725
 
 Azo-Gruppe 406 Azo-Kupplung 406, 725 nucleophile Kupplungsreagenzien 727 oxidative 725
 
 Azole 646 1,2Synthese 668 1,3Synthese 669 durch 1,3-dipolare Cycloaddition 663
 
 Azomethine 325 Azonin 721 Azoxybenzene WALLACH-Umlagerung 456
 
 Azulen(e) 585 Isomerisierung 587 natürlicher Herkunft 593, 948 NMR, 13C- 586 Reaktionen 587 Synthese 586
 
 B Backprozeß 392 BAEYER-VILLIGER-Oxidation 341, 452 Bakelite 358, 766 Baldrian 921, 948 Balsame 941 BALZ-SCHIEMANN-Reaktion 152, 405 BAMFORD-STEVENS-Reaktion 343 Bananen-Bindung des Cyclopropans 100
 
 BARAKAT-Dehydrierung 270, 318 Barbiturate 439 Barbitursäure 690 Tautomere 439
 
 BARTON-Reaktion 561 Basen 23 Basenpaare, Basenpaarung in Nucleinsäuren 901
 
 Basenstapelung in Nucleinsäuren 904
 
 Basenstärke 76 Basentripletts 908 Basketan 118
 
 Sachregister
 
 bathochrom 483 Batrachotoxin, (−)- 973 Baumwolle 890 Färbung 729, 748
 
 BAYLIS-HILLMANHydroxyalkylierung 339 BECKMANN-Umlagerung 380, 451 BEILSTEIN-Probe 194 Benzaldehyd 310 Amino-, 2- 403 Benzoin- und STETTER-Reaktion 335 cyanhydrin 889 Cyano-, 4- 313 Hydroxyo-, m-, p- 347 Hydroxy-5-methyl-, 2- 317 industr. Synthese 318 Methoxy-, 4- 316 Nitro-, 2- 313 Nitro-, 3NMR, 1H- 522 -semicarbazon 326 Thiocyanato-, 2- 403
 
 Benzamide 259 Benzanthron -Farbstoffe 748
 
 Benzaurin 738 Benzen Allyl- 226 Di-π-Methan-Umlagerung 563 Arsa- 688 aus Ethin 95 aus n-Hexan 129 Bisma- 688 Bromierung, Chlorierung 157 Butyl-, n- 342 -Derivate nucleophile Substitutionen 167 Dinitro-, m- 137 Eigenschaften 130 elektrophile Substitution 154 Ethinyl- 148 Fluorierung 158 FRIEDEL-CRAFTSAlkylierungen 139 Hexastyryl- 624 Hydrierwärme 121 Iodierung 158 mesomere Grenzformeln 122 Mesomerieenergie 122 Molekülgeometrie 119 Molekülmodelle 119 Molekülorbital-Modell 120, 123 Monohalogen- 150
 
 Nitrierung 155 NMR, 1H-Verschiebung 505 oxid 719 Phospha- 688 Photocycloaddition 568 Stiba- 688 Sulfonierung 156 -sulfonsäure 157 Toxizität 130 Trimethylsilyl- 597
 
 Benzene AlkylHalogen-, o-, m-, pDarstellung 151 Massenspektren 548 Kopplungskonstanten, HH- 520 mehrfach substituierte Darstellung 167 n-Alkylzur Synthese von Detergentien 937 substituierte Dipolmomente 131 durch BERGMAN-Cyclisierung 95 durch elektrophile Substitution 130 IR-Spektren 494 Lichtabsorption 482 NMR-Spektren, 1H- 520, 525 Nomenklatur 128 RAMAN-Spektren 498 Unterscheidung durch IR 494
 
 Benzensulfinsäure 427 Benzensulfonate n-AlkylDetergentien 938
 
 Benzensulfonsäure 2,3,4,5-Tetramethyl- 454 -chlorid, Triisopropyl- 912
 
 Benzhydrole 570 Benzidine 455 Benzidin-Umlagerung 382, 455 Benzil 310, 335 Dimethoxy-, 4,4´NMR, 1H- 522
 
 Benzil-BenzilsäureUmlagerung 449
 
 Benzimidazol(e) Synthese 669
 
 Benzin, Kfz- 33 Benzo[a]pyren 175, 178 Präcarcinogen 182, 916
 
 Benzo[b]furan(e) Siehe Cumaron(e) Benzo[b]pyrrol(e) Siehe Indol(e)
 
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 Sachregister
 
 Benzo[b]thiophen(e) Siehe Thionaphthen(e) Benzochinon o- und p- 361 Herstellung 362 pDichlor-5,6-dicyano-, 2,3752 -dioxim 364 Tetrachlor- 752
 
 Benzodiazepine 720 Benzodiazine elektrophile Substitutionen 710
 
 Benzoesäure(n) 145, 240, 242, 844 amide 259 azid 260 Chlor-, 4- 247 Chlorperoxy-, m- 235 durch Oxidation 247 Hydroxy-, 2- und 4- 253 Nitrierung 166 Nitro-, 2- und 4- 253 Trihydroxy-, 3,4,5- Siehe Gallussäure
 
 Benzoin 335 -Reaktion 335
 
 Benzol Siehe Benzen Benzonitril 2,4,6-Trimethyl- 257
 
 Benzophenanthren, 3,4- 175 Benzophenon(e) 261, 310 als Photosensibilisator 559 Brom-, 4Massenspektrum 552 Photoreduktion 570
 
 Benzopyrylium-Salze Siehe Flavylium-Salze Benzothiazol(e) 669, 703 2-Methyl- 733
 
 Benzotriazol(e) 669 1-HydroxyAktivester 815
 
 Benzoxazol(e) 669 Benzoylchlorid 256, 259 3,5-Dinitro- 259
 
 Benzylalkohol 167, 213 4-Hydroxy- 217 aus Benzylbromid 218
 
 Benzylamin 2-Methyl- 376 N,N-Dialkyl- 456 N,N-Dimethyl- 378
 
 Benzylbromid Siehe Bromtoluen, αBenzylether 238
 
 987
 
 Benzylhalogenide 186 BenzylidenSchutzgruppe für OH 879
 
 Benzylisochinolin(e) Alkaloide Biosynthese 853 Synthese 857
 
 Benzyl-Kation im Massenspektrum 548 Mesomerie 147
 
 Benzyl-Radikal Mesomerie 144 Molekülorbital-Modell 144
 
 Berberin 848 Bergamottöl 948 BERGIUS-Verfahren 32 BERGMAN-Cyclisierung 95 Bernsteinsäure 242 anhydrid 256 (R,S)-Allyl- 270 imid Siehe Succinimid
 
 Betaine 801 Betulaprenole 957 Biacetyl (Butandion) 310 Biaryle durch GOMBERG-BACHMANNReaktion 403 durch STILLE- und SUZUKIKupplung 197 durch ULLMANN-Reaktion 153
 
 Bicyclen 98 Bicyclo[3.3.0]octan-3,7-dion Dialkyl-, 1,9- 332
 
 Bicyclo[4.4.0]decan Siehe Decalin Bicyclo[5.3.0]decan 113 Bicycloalkanole 211 Bienengift 835, 929 Bienenhonig 888 Bienenwachs 928 Biere 214 BINAP 959 Enantiomere und Komplexe 290
 
 BINDSCHEDLERs Grün 738 Bindungen CCNachweis durch NMR 535 CC-Doppel- 12 CC-Dreifach- 14 CC-Einfach- 12 CH- 12 Nachweis durch NMR 534 π- 13, 15, 54 cyclisch konjugierte 120 delokalisierte 120 σ- 11, 12
 
 Bindungsenergie Messung 8
 
 Bindungslänge Messung 8
 
 Bindungswinkel Messung 8
 
 BINOL Enantiomere 281
 
 Bio-Diesel 924 Biolumineszenz 574, 836 Biomembran 936 Biopolymere 890 Biotin, (+)- 634 Biphenyl(e) -carbonsäure, 2- 174 Dinitro-, 2,2´- 153 Enantiomere 281 Methoxy-, 3- 197
 
 Biphenylen 560 Bipyridin, 2,2´- 686 Chelatligand 632, 700
 
 BIRCH-Reduktion 112, 180, 588 Bisabolan(e) 947 Bisabolol 948 BISCHLER-NAPIERALSKI-Synthese der Isochinoline 694, 857
 
 Bisdesmoside 972 Bislactimether 796 Bisulfit-Addukte der Aldehyde 324
 
 Bis-π-allyl-nickel 621 Bitropyl 583 Bitterstoffe 941 BLANC-Chlormethylierung 131 Blausäure aus Amygdalin 889
 
 Bleitetraacetat 227 zur Glycol-Spaltung 883
 
 Blitzlicht-Photolyse 560 Blütenfarbstoffe 735, 955 Boc-Anhydrid 803 Boc-Schutzgruppe 816 Boldin 849 Bombykol 625 Boot-Konformer des Cyclohexans 102
 
 Bornan Siehe Camphan Borneol 960 Borneol, endo-, exoEnantiomere 946
 
 Boronsäure(n) 197 ester 880 Phenyl- 880
 
 Bortrifluorid-etherat 235 BÖSEKEN-Reaktion 886
 
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 988
 
 Boswellinsäuren 953 Bradykinine 831 BREDERECK-GOMPPER-Synthese der Pyrimidine 690
 
 BREDERECK-Synthese der Imidazole 662
 
 BREDTsche Regel 74, 644 Breitbandentkopplung Protonen- (NMR) 531
 
 Brenzcatechin 347 Brenzschleimsäure Siehe Furan-2-carbonsäure Brenztraubensäure 293, 302 Briefumschlag-Konformer des Cyclopentans 102
 
 Bromalkane Darstellung 193
 
 Brombenzen Aminierung 172 elektrophile Substitutionen 165
 
 Bromcyan-Abbau von Peptiden 825
 
 Bromcyclohexen, 3Darstellung 189
 
 Bromdesulfonierung 432 Bromethan 64 Bromethen 188 Bromfluorbenzen, 2Dehydrobenzen-Vorstufe 181
 
 Bromierung des Benzens 157 des Naphthalens 178 in Allyl-Stellung 189
 
 Brommethan 201 Bromnaphthalen, α- 179 Bromonium-Ion 63, 81 Brompropan 1 und 2- 66
 
 Bromsuccinimid, Nzur Bromierung 189 Bromtoluen, αSynthese 189
 
 Brosylate 198, 204 Brucin 282, 846 BUCHERER-Reaktion 352, 360 BUCHERER-Synthese der Aminosäuren 793
 
 BUCHWALD-HARTWIG-Reaktion 373, 625 Bufadienolide 971 Bufotenin 845 methylether 857
 
 Bulbocodin 849 Bullvalen 118, 457 Darstellung 569
 
 Sachregister
 
 BUNTE-Salze 412 Butadien, 1,3Addition, 1,2- und 1,4- 87 aus Acetaldehyd 332 aus Ethin 86 Bindungsdaten 82 chirales 292 Cycloaddition, [4+2]- 88 Cyclooligomerisierungen 623 Elektrocyclisierung 558 Elektronenzustände 459 Konformere s-cis- und s-trans- 84 mesomere Grenzformeln 83 Mesomerie 83 Methoxy-, 1trimethylsilyloxy-, 3- 599 Methyl-, 2- 86 Molekülorbital-Modell 82, 459 Photoreaktionen 559 UV-Absorption 484
 
 Butadiin Diphenyl- 149
 
 Butan 2-Amino- 376 2-Brom-2-methyl- 202 2-Chlor-2-methyl- 192 2-MethylTerpen-Untereinheit 940 Konstitutionsisomere 26 n- 24 Konformere 32 n- und isoMolekülmodelle 26
 
 Butan-2,3-diol 2,3-DimethylDarstellung 220 Pinakol-Umlagerung 228
 
 Butanal 310 (2S)-2-MethylCyanhydrin-Reaktion 334
 
 Butandial 310 Synthese 315
 
 Butandiol, 1,3- 65 Butandion (2,3-) 310 dioxim Metallchelate 629, 632 UV-Spektrum 480
 
 Butanol 1- 213 3-Methyl- 218 2- 213 2-Methyl- 213 3,3-Dimethyl- 75 3-BromKonfigurationsisomere 276 3-Methyl-2-phenyl- 218
 
 Enantiomere 271, 272, 273, 289 t- Siehe Propanol, 2-Methyl-2-
 
 Butanon 310 1-Phenyl-2- 320 3,3-Dimethyl-2- 228
 
 Butansäureethylester, 4-OxoSiehe Acetessigester Butanthiol, 1- 412 Buten 1- 226 3-Brom- 189 1- und 2- 53, 73, 86, 391 22,3-Dimethyl- 75 2-Methyl- 76 cis- und trans- 57, 62
 
 Buten-1-ol, 2- 213 Buten-2-ol, 2-Methyl-3- 944 Buten-2-on, 3- 310 Butenal, (E)-2- 310 Butenolide aus γ-Oxosäuren 304 Butin, 1- und 2- 89 Butterfly-Mechanismus 235 Buttersäure 242 Brom-, β- 296 Chlorα-,β-, γ- 253 Chlor-, γ- 294 Methyl-, α- 247
 
 Butylalkohol Siehe Butanol, 1Butylalkohol, t- Siehe Propanol, 2-Methyl-2Butylazidocarbonat, t- 442 Butylbenzen n- 141 t- 139
 
 Butylbromid, t- Siehe Butan:2Brom-2-methylButylether, tHerstellung 234
 
 Butylhalogenide, t- 186 Butylhydrazinocarbonat, t- 442 Butylhydroperoxid, tSynthese 38
 
 Butyl-n-propylether, n- 234 Butylphenylcarbonat, t- 436 Butylphenylether, t- 171 Butyraldehyd 310 Butyrolactam, γ- 257, 302 Butyrolacton, γ- 255, 301 Butyrophenon 141
 
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 Sachregister
 
 C CAHN-INGOLD-PRELOGKonvention 272, 286 Calciumcyclamat Herstellung 432
 
 CALVIN-Cyclus Photosynthese 572
 
 Camphan(e) 941, 946 Camphen 960 Campher Enantiomere 946 sulfonsäure, -10- 960
 
 Campher-10-sulfonsäure, (+)283 Canadin 848 Cannabinoide 947 Cannabinol HexahydroSynthese 960 Tetrahydro- 947
 
 Cannabisativin 852 CANNIZZARO-Disproportionierung 329 Caprolactam, ε- 380, 561, 640, 765, 801 Capronaldehyd 310 Capronsäure 241, 242 Caprylsäure 242 Capsanthin 955 Capsarubin 955 Carbamidsäure 436 -hydrazide 441 N-Alkyl- 379
 
 Carbamidsäureester Siehe Urethan(e) Carbanionen 16, 173, 238, 265, 324 mesomeriestabilisierte 169, 599
 
 Carbazol(e) Alkaloide 846 durch Photodehydrocyclisierung 565 partiell hydrierte 571 Synthese 669
 
 Carben(e) Cycloadditionen [2+1]- 194, 395, 677 Dichlor- 194 Singulett- und Triplett- 17 Vorstufen 51, 108
 
 Carben-Einschiebungen 395 Carbenium-Immonium-Ionen 339 Carbenium-Ionen 16, 58, 65, 228, 288, 350, 446
 
 989
 
 aus Alkoholen 223 bei SN1-Reaktionen 202 mesomeriestabilisierte 87, 147, 208, 680 Molekülorbital-Modell 72 nichtklassische 16, 960 relative Stabilität 72, 79, 203, 224
 
 Carben-Komplexe (Alkyliden-Komplexe) 69 ÜbergangsmetallFISCHER-Typ 626 SCHROCK-Typ 626
 
 Carbide Hydrolyse 90
 
 Carbin-Komplexe Übergangsmetall- 627
 
 Carbinole 211 Carbodiimide 815, 911 Darstellung 445 zur Phosphorylierung 910
 
 Carbokationen 16, 140 Carbolin, βAlkaloide 846 Synthese 625
 
 Carbonium-Ionen 16, 960 Carbonsäureamide 244, 257, 388 aus Carbonsäureestern 262 aus Carbonsäurehalogeniden 259 durch WILLGERODT-Reaktion 341 HOFMANN-Abbau 378 Reduktion 314
 
 Carbonsäureanhydride 244 cyclische 256, 268 gemischte 256
 
 Carbonsäureazide 244 aus Carbonsäurehalogeniden 260 CURTIUS-Abbau 379
 
 Carbonsäure-Derivate 244 Hydrolyse 248 Reduktion 255
 
 Carbonsäureester 222, 244, 396 Acidität, α-CH- 265 Acyloin-Kondensation 264 Ammonolyse, Aminolyse 262 aus Carbonsäurehalogeniden 259 durch BAEYER-VILLIGEROxidation 341 durch MITSUNOBU-Reaktion 401 Halogen-, ω- 296 Reduktion 263 Thiierung 422 ungesättigte α,β- 300
 
 Verseifung 261
 
 Carbonsäurehalogenide 244, 256 Alkoholyse 259 Ammonolyse, Aminolyse 259 Hydrazinolyse 260 Hydrolyse 258 nucleophile Substitutionen 258 ROSENMUND-Reduktion 260, 314 zur FRIEDEL-CRAFTS-Acylierung 261
 
 Carbonsäurehydrazide 244 aus Carbonsäurehalogeniden 260
 
 Carbonsäuren Acidität 251 Substituenteneinflüsse 252 Aciditätskonstanten 251, 253 Allylester 603 Amino-, 2- 297 Amino-, γ- und δLactambildung 257 aus Carbonsäure-Derivaten 248 aus Carbonsäurehalogeniden 258 aus GRIGNARD-Verbindungen 246 aus Malonsäurediestern 249 aus Nitrilen 248 aus primären Alkoholen 221, 247 Cyano-, 2- 297 Darstellung 244 Decarboxylierung 257 durch Carbonylierung 244 durch Carboxylierung 246 durch Oxidation 247 Geruch 243 Halogen-, α-, β-, γ- 296 Halogenierung 256 Homologisierung 248 Hydroxy-, 2- 297, 298 Hydroxy-, αdurch Cyanhydrin-Synthese 334 Hydroxy-, α-, β-, γ- 299 Hydroxy-, γ- und δLactonbildung 255 Mono- und Di- 240 natürliche Herkunft 240 NMR, 1H- 502 Nomenklatur 240 Peroxy- 65 physikalische Eigenschaften 243 Reaktionen 254 Reduktion 255 Salze Nomenklatur 251 SCHMIDT-Reaktion 379
 
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 990
 
 Carbonsäuren substituierte 293 α- 297 Substitution am α-C 295 Synthesen 145 ungesättigte α,β- 297, 300 durch KNOEVENAGELAlkenylierung 250 γ,δ- 251, 603 Veresterung 254 Wasserstoffbrücken-Dimere 243
 
 Carbonsäurethioamide 342 Carbonyl-Alkenylierungen 330 PO-aktivierte 331 zur Monosaccharid-Synthese 872
 
 Carbonyl-En-Reaktion 477, 959 Carbonyl-Farbstoffe 742 anellierte 748 natürliche 749
 
 Carbonyl-Gruppe 308 Bindungsdaten 309 Mesomerie 309, 321 Molekülorbital-Modell 309 Prochiralität 286 Reaktivität 321 Schutz 324, 641 Umpolung 324
 
 Carbonylierung 244 Carbonyl-Umpolung 324, 335, 642 Carbonyl-Verbindungen 308, 550 Alkenylierungen 60, 330, 338 durch BARTON-Reaktion 561 durch Glykolspaltung 227 durch Ozonolyse 66 Enolisierung 307 Massenspektren 550 PETERSON-Alkenylierung 605 reduktive Kupplung 60 ungesättigte, γ,δ- 457
 
 Carboxamide Siehe Carbonsäureamide Carboxy-Gruppe 240 Bindungsdaten 243 Mesomerie 243 Molekülmodelle 243 Molekülorbital-Modell 243 Schutz 816
 
 Carboxylat(e) 251 Anion Bindungsdaten 252 Mesomerie 252
 
 Carboxylierung 246, 616 Carboxypeptidasen 824
 
 Sachregister
 
 Carcinogene 182, 916 Cardenolide, 5β- 971 Caroten (Carotin) α- 955 β-, β,β- 955 Lichtabsorption 484 Synthese 963 β,ψ- 955 ψ,ψ- 955
 
 Carotenoide (Carotinoide) Vitamin A-Vorstufen 955
 
 CARROLL-Reaktion 957, 962 Carvacrol 945 Catapinanden, Catapinate 645 Catechin Siehe Catechol Catechol 735 CD Siehe Circulardichroismus Cellithonscharlach 727 Cellobiose 887 Cellophan 891 Cellulose Acetyl- 891 DEAE- und CM- 891 Struktur 890 technische Gewinnung 890 -trinitrat 891 -xanthogenat 891
 
 Cephalosporine 832 Ceramid 929 Cerebronsäure 922 Cerebroside 930 Channa 843 Charge-Transfer-Komplexe 154, 363 Chelat-Effekt 630 Chelat-Liganden makromolekulare 778 mehrzähnige 629, 630 Beispiele 632 N4- 631, 750
 
 cheletrope Reaktionen 88, 109, 426 chemische Verschiebung NMR 501 13C- 536 1H- 504 Messung, Standard 501 Skala, δ- 501 Struktureinflüsse 504, 536
 
 Chemolumineszenz (Chemilumineszenz) 573 sensibilisierte 574
 
 Chemotaxonomie der Pflanzen 842
 
 Chenodeoxycholsäure 966
 
 Chinacridon 748 Chinarinde 850 Chinasäure 842 Chinazolin(e) Synthesen 696
 
 Chinhydron 363 Chinin 282, 850 Chinizarin 746 Chinodimethen 711 Chinolin(e) Alkaloide 850 Alkyl-, 2- 325 Basizität 708 elektrophile Substitutionen 710 FRIEDLÄNDER-Synthese 694 Hydrierung 708 Methyl-, 2- und 4- 733 N-Oxide 710 nucelophile Substitutionen 709 nucleophile Additionen 708 SKRAUP-Synthese 693 Synthesen 693 Tetrahydro- 708
 
 Chinolizidin(e) 712 Alkaloide 845
 
 Chinolizin(e) 9aH- 713
 
 Chinolizinium-Ionen und Salze Dehydro- 712 Ringöffnung 716 Synthese 713
 
 Chinolperoxide 357 Chinomethid, o- 960 Chinone 356 Additionen 364 als Dienophile 364 als Oxidationsmittel 752 aus Anilinen 362 aus Arenen 180, 362 aus Phenolen 361 Carbonyl-Reaktionen 364 Cycloadditionen 364 Diimine 740 durch FRIEDEL-CRAFTSAcylierung 363 durch Oxidation 361 HOOKER-Oxidation 365 natürlicher Herkunft 749 Nomenklatur 360 Photoadditionen 566 Reaktionen 363 Reduktion 363 Terphenyl- 749 zur Photodehydrierung 569
 
 Chinonimin-Farbstoffe 739 Chinoxalin(e) 697 2,3-Dimethyl- 711
 
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 Sachregister
 
 Chinucliden 644 Chinuclidin 205, 850 chirale Hilfsreagenzien 291 Chiralität 271 axiale 280, 593 Detektion durch NMR 509 planare 281
 
 chirogene Reaktionen 289 Chitin 893 Chitosan 893 Chloralhydrat 311 Chloralkane Herstellung 40 langkettige 937
 
 Chlorameisensäureester Siehe Kohlensäureesterchloride Chloramphenicol 851 Chloranil 752 Chloranilin, o-, m-, p- 371 Chloranisol o- und m-, Aminierung 173
 
 Chlorbenzen 149, 157, 171 (+)-M-Effekt 134 3-Fluor- 405 Hydrolyse 350 Nitroo- und p- 152 o-, m-, p- 162
 
 Chlorethan 149 Chlorethen 149 Herstellung 93, 188 Polymerisation 70
 
 Chlorethin 149 Chlorierung des Benzens 157
 
 Chlorin 754 Chlorkohlenwasserstoffe (CKWs) 39 Chlormethylierung elektrophile 131, 780
 
 Chloroform Siehe Trichlormethan Chlorophyll a und b 754 Chloroplastin 754 Chloropren 95 Chlorphenol m- 405 o-, m-, p- 347
 
 Chlorsulfinsäureester 192 Chlortrimethylsilan Herstellung 597 nucleophile Substitutionen 598
 
 Cholan(e) 966 Cholestan(e) 966 Cholesterin Siehe Cholesterol
 
 991
 
 Cholesterol 966 HDL- und LDL- 932 Cholsäure 966 Chondroitinsulfate 894 Chromen(e) 2H-, spirocyclische 734 4H- 735
 
 Chromogen 724 Chromon(e) Synthese 697
 
 Chromophore 482 Nachweis 485
 
 Chromoproteine 955 Chromosaccharide 735 Chromosomen 908 Chrysanthemol 944 Chrysanthemumsäure 944 Chrysen 175 Chrysoidin 729 Chrysophenin 726 Cinchonidin 282 Cinchonin 850 cine-Substitutionen 174 Cinnolin(e) 696 Benzo[c]- 565
 
 CIP Siehe CAHN-INGOLDPRELOG-Konvention Circulardichroismus (CD) 479, 812 cis- oder (Z)- 55 cisoid Siehe s-cisCitral 944 Citronellal 622, 944 (R)-(+)-, Synthese 959 En-Reaktion 477
 
 Citronellol 944 Citronensäure 842 Citrusdüfte 944 CKWs 39 CLAISEN-Esterkondensation 267 CLAISEN-Umlagerung 237, 457, 470 CLAR-Regel 127, 177 CLEMMENSEN-Reduktion 141, 183, 342 Click-Reaktionen 664, 775 Cluster 21 Cocain 844 Cocastrauch 844 Codein 850 Biosynthese 854
 
 Codeinon 854 Codon 908 Coenzym Q10 955
 
 Coffein 714 Colaminkephalin 929 Colchicin 593, 852 Collidin 686 Conessin 973 Congressan 118 Coniin 843 Synthese 855
 
 COPE-Eliminierung 391 COPE-Umlagerung 113, 117, 395, 457 Diaza- 667 entartete 457 Oxa- 457
 
 Copolymere Block-, Pfropf-, vernetzte 762 Polystyren-Divinylbenzen- 780
 
 Copolymerisationen 763 Coptisin 849 Cordycepose 885 COREY-WINTERFragmentierung 443
 
 Coronen 175 Corrin 754 Corrol 754 Corticoid(e) 968 Corticosteron 968 Cortisol 969 Cortison 968 COSY (NMR) CH-, HC- 534 HH- 530
 
 COTTON-Effekt(e) 813 COULOMB-Kraft 20 Cracken 57 katalytisches 34 thermisches 34
 
 CRAMsche Regel 334 CRIEGEE-Spaltung der 1,2-Diole 227
 
 Crotonaldehyd 310 Crotonsäure 242 -nitril, β-Amino- 665
 
 Crustaxanthin 955 Cryptanden, Cryptate 645 Cuban 118 Cumarin(e) Ringverengung 666 Synthese 697
 
 Cumaron(e) 648 Nitrierung 682 Synthese 666
 
 Cumen 128, 139 Hydroperoxid 349
 
 Cuminaldehyd 945
 
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 992
 
 Cumol Siehe Cumen Curare 848 CURTIUS-Abbau (Umlagerung) der Carbonsäureazide 379, 450, 601
 
 Cyanamid 441 Cyanessigsäure 248 ethylester NMR, 13C- 540
 
 Cyanhydrin(e) 298, 871 -Reaktion 333 Diastereoselektivität 334 -Synthese der Kohlenhydrate 871
 
 Cyanide Siehe Nitrile Cyanidin 735 Cyanine 731 Cyanurchlorid Siehe Triazin, 2,4,6-TrichlorCycl[3.2.2.]azin 712 Cyclanone 308 Synthese 115
 
 Cycloadditionen 65 [2+1]- 108, 395, 638 an Fünfring-Heteroaromaten 677 [2+2]- 68, 110, 465, 639 [2+2+1]- 95 [2+2+2]- 95 [3+2]- 639 [4+1]- 88, 639 [4+2]- 88, 111, 181, 465, 599, 639, 681, 711 von Fünfring-Heteroaromaten 673 [5+2]- 113 [π2 + π2]- 465 [π2s + π2s] 466 [π4 + π2]- 465 [π4s + π2s] 466 1,3-dipolare 66, 397, 398 zur Synthese von Azolen 663 1,4-dipolare 713 symmetrie-erlaubte 466 symmetrie-verbotene 466 WOODWARD-HOFFMANNRegeln 466
 
 Cycloalkancarbonsäuren 241 Cycloalkandiole cis- und trans- 65
 
 Cycloalkane Bildungstendenzen 108 Enantiomere 278, 279 IR-Absorption 495
 
 Sachregister
 
 Isomere cis- und trans- 105, 278, 279 Konfigurationsisomere 105, 278 Konformation 99 meso-Formen 279 mittlere und große 105 Nomenklatur 98 physikalische Eigenschaften 99 Reaktionen 115 Ringatmungsschwingung (IR) 498 Synthesen 108
 
 Cycloalkanole 211 Cycloalkanone 308 Photocyclisierung 564 Photodecarbonylierung 562 Synthese 642
 
 Cycloalkene 98 durch Ringschluß-Metathese 114 Kopplungskonstanten, HH- 520 Ringöffnungs-Metathese 761
 
 Cycloalkenine 469 Cycloalkine 98 Cycloaromatisierungen 95 Cyclobutadien 125, 594 AzaTri-t-butyl- 640 Komplex, π- 621
 
 Cyclobutan(e) Cycloreversionen 469 Dicyano-, 1,2- 110 Divinyl-, 1,2- 558 Ethenyl- (Vinyl-) 390 Hydroxymethyl- 449 Konformation 100 Methylen- 449 Molekülgeometrie 100 Molekülmodelle 100 Synthesen 110, 566
 
 Cyclobutanol 116 Cyclobutanon 642 Cyclobuten(e) 558 Benzo- 562 bicyclische 564 Cycloreversionen 460, 469 durch Elektrocyclisierung 461, 463
 
 Cyclodecan 105 Cyclodextrine 889 Cyclodiene, Cyclotriene durch Elektrocyclisierung 460
 
 Cyclodiine, 1,3- 114 Cyclododecatrien, 1,5,9all-trans- 114 Nickel(0)-Komplex 622
 
 Cyclofarnesan(e) 947 Cyclohalbacetal-Formen der Glucose 864
 
 Cyclohalbketale der Ketosen 865
 
 Cycloheptadien, 1,4Synthese 113
 
 Cycloheptadienon, 3,5Photofragmentierung 562
 
 Cycloheptanol 117 Cycloheptanon 113, 310, 337 Cycloheptatrien, 1,3,5- 395 1,6-dialdehyd 722 Synthese 113
 
 Cycloheptatrienid-Anion 594 Cycloheptatrienium-Kation 125 Darstellung 580 Reaktionen 582
 
 Cycloheptatrieniumoxid 581 Cyclohepten 113 Cyclohexa-2,5-dienone 4-4-Dialkyl- 450
 
 Cyclohexadien(e) 1,4- 112 5-Methylen-1,3- 474 durch Elektrocyclisierung 463
 
 Cyclohexan(e) aus substituierten Benzenen 112 Boot- (Wannen-) Konformere 102 Brom- 115, 192, 223 Darstellung 111, 145 Dibrom-, 1,2-trans- 105, 115 disubstituierte 1,2-, 1,3-, 1,4- 106 Halbsessel-Konformere 103 Isomere cis-(Z)- und trans-(E)- 106 Konformation 102 Kopplungskonstanten, HH- 519 Methoxy- 233 Molekülmodelle 103 Photooximierung 561 Ringinversion 104, 511 Sessel-Konformere 102 Twist-Boot-Konformere 103
 
 Cyclohexan-1,3,5-trion trioxim 356
 
 Cyclohexandiol cis-und trans-1,2- 219
 
 Cyclohexandion 1,2- 319 1,42,3,5,6-Tetrabrom- 364
 
 Cyclohexanol 213 1-Ethinyl- 336
 
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 Sachregister
 
 Cyclohexanon 310 Allyl-, 2- 327, 602 Chlor-, α- 453 Dimethyl-, 2,2- 228 -oxim 326, 380 Trimethylsilylenolether 602
 
 Cyclohexen(e) Alkoxy-4-aldehyd, 3- 292 Bromierung 115 Dimethyl-, 1,2- 226 Massenspektren 549 oxid 219 Piperidino-, 1- 327 Synthese 88, 111 Trimethylsilyloxy- 599 Trimethylsilyloxy-, 1- 602 Vinyl-, 3- 558
 
 Cyclohexenon, 2Massenspektrum 549
 
 Cyclohexin Platin-Komplex 622
 
 Cyclohexylamine primäre, sekundäre, tertiäre 377
 
 Cyclohexylbenzen 139 Cyclononan Aza- 721
 
 Cyclononatetraenid-Anion 584 Cyclooctadien, 1,5- 113 Cyclooctan 105 Cyclooctandiol cis-1,4- 117 trans-1,2- 117
 
 Cyclooctanon 117 Cyclooctatetraen 125, 583 aus Ethin 95 -diid, Dianion 125, 583 Dimere 721
 
 Cyclooctatrien 1,3,5- 118, 474
 
 Cyclooctin 173 Cyclooligomerisierungen 113 Cyclopentadien DIELS-ALDER-Reaktion 112 Dimer 118 Methyl-, 1- und 2- 456
 
 Cyclopentadienid-Anion 125 Darstellung, Reaktionen 578 Hetero-Analoga 656
 
 Cyclopentadienylide 579 Cyclopentan Briefumschlag-Konformere 102 carbonsäureester 453 Ethyliden- 343 Molekülgeometrie 102 Phenyl- 197 Synthesen 111
 
 993
 
 Cyclopentanol 213, 449 Ethyl-, cis- und trans-3- 203 Methyl-, trans-2NMR 13C- 535 1H- 529
 
 Cyclopentanon 310 Synthese 268
 
 Cyclopenten 449 Synthese 111
 
 Cyclopentenon(e) durch NAZAROVCyclisierung 340 durch PAUSON-KHANDReaktion 95
 
 Cyclophane Enantiomere 281
 
 Cyclopolyene antiaromatische 593 cyclisch konjugierte Aromatizität 125 Komplexe, π- 621
 
 Cyclopropan 1-Brom-2-methyl- 278 carbonsäure 110 Molekülgeometrie 99 Molekülmodelle 99 NMR-Daten 13C- 539 1H- 511 Synthesen 108, 615 Vinyl- 111, 113, 563 WALSH-Modell 100
 
 Cyclopropanierung 194 Cyclopropen(e) Metalla- 622 Synthese 109 Tetrachlor- 112
 
 Cyclopropenium-Kation 125, 576 Struktur 576
 
 Cyclopropyl-Allyl-Umlagerung 116 Cycloreversionen 460, 465, 469, 959 [π4s + π2s] 470
 
 Cyclotetradeca-1,3-diin 114 Cymen(e) m- und p- 945
 
 Cystein 412, 786 absolute Konfiguration 787 Acetyl-, N- 802 -säure 791, 804
 
 Cystin 787, 789, 810, 839 absolute Konfiguration 787 in Insulin 831
 
 Cytidin 899
 
 Cytisin 845 Cytosin 896 1-Acetyl-, 1-Methyl- 906
 
 D DABCO 339 Dammar-24-en tetrol, (−)-3β,6α-,12β,20R- 952 triol, (−)-3β,12β,20S- 952 Dammaran(e) 952 DANISHEFSKY-Dien 599 Dansylchlorid 791, 825 DARZENS-Reaktion 636 Davidstern-Schwingung (IR) 498
 
 DCC 445 DDQ 752 DDT Synthese 141
 
 DEAD 401 Decalin, cis- und trans- 98 aus Naphthalen 178, 180 Molekülmodelle 107
 
 Decan Methyl-, 2- 35 n- 24
 
 Decanol 1- 213
 
 Decarboxylierung 249, 296, 303 HUNSDIECKER- 193, 258
 
 Decensäure (E)-9-Oxo-2- 922
 
 Deformationsschwingungen (IR) 488 Dehydratisierung 71 bimolekulare 231 E1-Mechanismus 71 monomolekulare 71 von 1-Phenylalkanolen 146 von Alkoholen 58, 225
 
 Dehydratisierungstendenz von Alkoholen 58
 
 Dehydrierungen aromatisierende 178
 
 Dehydrobenzen [4+2]-Cycloadditionen 181 Zwischenstufe 172, 560
 
 Dehydrohalogenierung 71 basenkatalysierte 59 Regioselektivität 76 Stereoselektivität 78 von 1-Phenylhaloalkanen 146 von Alkenen 76 von Halogenalkanen 59
 
 Dehydromatricariasäure methylester 97
 
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 994
 
 DELÉPINE-Reaktion 372 Delphinidin 735 Demissidin 974 DEMJANOW-TIFFENEAUUmlagerung 117 DEMJANOW-Umlagerung 116, 449 Dendrimere 778 Deoxycholsäure 966 Deoxycytidin-5'-phosphat Synthese 912
 
 Deoxy-D-ribose, 2- 884, 895 polyphosphatDNA-Rückgrat 902
 
 Deoxyribonucleinsäuren 896 Denaturierung 905 Doppelhelix 902 Knäuel-Strukturen 906 Replikation 908 Schmelzpunkte 906 UV-Spektroskopie 905
 
 Deoxyzucker 882, 884 Depolymerisationen 774 Depsipeptide 833 DEPT (NMR) 534 Designer-Drogen 851 Desilylierung 600 Deskriptoren (aR)- und (aS)- 280 (E)- = trans- und (Z)- = cis- 55 (P)- und (M)- 280 (R)- und (S)- 272 D- und L- 274
 
 Destillation, fraktionierte 33 Detergentien 430, 919, 920 industr. Synthese 936
 
 Deuterium-Austausch 707 NMR 527, 869
 
 Deuterium-Markierung 75, 613 DEWAR-Benzen 594 Synthese 123
 
 DEWAR-Formeln des Benzens 122
 
 Dextrane 893 Dextrine 892 Diacetyl (Butandion) 310 Diacylperoxide 51, 244, 258 Radikalstarter 756
 
 Dialdehyde 310, 344 Dialkylcarbonate Siehe Kohlensäureester Dialkylmagnesium 195 Dialkylmalonat-Anion mesomere Grenzformeln 265
 
 Dialkylnitrenium-Ionen 381
 
 Sachregister
 
 Dialkylphosphonate 331 Dialkylsulfate als Alkylierungsmittel 232, 417
 
 Dialkylsulfide Siehe Thioether Diamine aus Aziran 375
 
 Diaminobiaryle, 4,4'- 381 Diaminoethan, 1,2- 370 Diaminohexan, 1,6- 370 Diaminopropan, 1,3- 370 Diarylhydrazine, 1,2- 381 Diaryltriazen(e) 407 -Azobenzen-Umlagerung 408
 
 Diastase 887 Diastereomere 276, 861 Diastereomerenüberschuß 292 Diastereoselektivität 292, 334 Diastereotopie 286, 509 Diaza-COPE-Umlagerung 457 Diazen 62 Diazepam 720 Diazepine 1,2-, 1,3-, 1,4-, Benzo- 720
 
 Diazine Basizität 700 nucleophile Substitutionen 704 Synthesen 690
 
 Diazirine 393 Diazoalkane als 1,3-Dipole 663 als Alkylierungsmittel 395 aus Harnstoff-Derivaten 393 Cycloadditionen 1,3-dipolare 397, 663 Mesomerie 393 Reaktionen 394 Synthese 393
 
 Diazocarbonsäureester 397 Diazoessigsäureethylester 398, 693, 803 Dimerisierung 398
 
 Diazohydroxide 407 Diazoketone 249, 449 Synthese 399
 
 Diazomethan 17, 393 Darstellung 394 Thermolyse 51 zur Homologisierung 248, 337, 397 zur N-Methylierung 389 zur O-Methylierung 233, 355, 396
 
 Diazonium-Hydroxide 407 Diazonium-Salze 152, 172, 385 Diazotate 407
 
 Diazotierung 385, 402 Diazo-Verbindungen Carben-Vorstufen 108
 
 Dibenzenchrom Elektronenkonfiguration 619
 
 Dibenzoylperoxid 258 Dibenzyl 139 Dibrombenzen o-, m-, p- 166
 
 Dibrommethan 194 Dibutylether, -t- 233 Dibutylpyrocarbonat, -t- 802 Dicarbonsäureimide cyclische 269 NH-Acidität 269
 
 Dicarbonsäuren Acidität 254 Decarboxylierung 268 intramolekulare Dehydratisierung 268
 
 Dicarbonyl-Verbindungen 1,2Heterocyclisierung 661, 691, 697, 716 1,3Heterocyclisierung 661, 687, 688, 690, 694 Oxo-Enol-Tautomerie 345 1,4Heterocyclisierung 660, 662 1,5- 603
 
 Dichlordifluormethan 190 Dichlorethan, 1,2aus Oxiran 239
 
 Dichlorethen 1,2-, Konfigurationsisomere 56
 
 Dichlormethan 39 Dicyanamid 441 Dicyclohexylcarbodiimid 424, 445 DIECKMANN-Esterkondensation 111, 268 Diederwinkel Siehe Interplanarwinkel DIELS-ALDER-Reaktionen 88, 111, 173, 465 enantioselektive 292 Heterointramolekulare 960 mit Chinonen 364, 975 mit inversem Elektronenbedarf 112, 469 mit Maleinsäure-Derivaten 270 neutrale, normale 468 Regioselektivität 600
 
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 Sachregister Retro- 470 im Massenspektrum 549 Stereospezifität 289, 468
 
 Diene 1,2- (Allene) 82 Enantiomere 280 Synthese 86 1,3- 82 Additionen, 1,2- und 1,4- 87 aus Alkanen 85 aus Diolen 86 Cycloadditionen 88 elektronenreiche 599 IR-Absorption 494 Konformere 84 Photocyclisierung 463 Photodimerisierung 568 Polymerisation 88 1,4-, 3,3-DialkylDi-π-Methan-Umlagerung 563, 1027 1,5COPE-Umlagerung 456 isolierte 82 konjugierte (1,3-) 82 Herstellung 85 kumulierte (1,2-) 82 Synthese 86 terminale Metathese 114, 761
 
 Dienon-Phenol-Umlagerung 352, 450 Dienophile elektronenarme 112, 270
 
 Dien-Polymere 88 Dieselkraftstoff 33 Diethylacetale Diastereotopie 286
 
 Diethylamin 370 Diethylazodicarboxylat zur MITSUNOBU-Reaktion 401
 
 Diethylenglykol aus Oxiran 239
 
 Diethylether Dichlor-, β,β'- 231 Herstellung 231 Konstitutionsisomere 230
 
 Diethylsulfoxid 422 Difluormethan 186 Digitalis-Saponine. 972 Digitonin, Digitogenin 972 Digitoxigenin 971 Digitoxose 884 Dihalogenalkane, 1,2Herstellung 187
 
 Dihalogenalkene, 1,2Darstellung 188
 
 995
 
 Dihalogenbenzene Herstellung 150
 
 Dihalogencarbene Bildung 194
 
 Dihalogencyclohexane trans-1,2Konformere 105
 
 Dihalogenmethane Herstellung 194
 
 Dihydronaphthalen aus Naphthalen 180
 
 Dihydropyran Konstitutionsisomere 229
 
 Dihydroxyaceton 878 Dihydroxylierungen von Alkenen 65
 
 Diimine Diaza-COPE-Umlagerung 457
 
 Diine 1,3Heterocyclisierung 665 Synthese 149 α,ω- 97
 
 Diiodmethan 194 Diisopropylcarbodiimid, N,N'815 Diketen 303 Diketone 310 1,2- 97, 319, 333 1,3- 344 1,5- 603
 
 Dimethylallylpyrophosphat, γ,γ943 Dimethylamin 370 N-Nitroso- 386
 
 Dimethylether 212 Molekülmodelle 230
 
 Dimethylsulfat 222 zur O-Methylierung 355
 
 Dimethylsulfoxid 422 als Oxidationsmittel 424
 
 Dinitrobenzen o-, m-, p- 164
 
 Dinitrofluorbenzen 2,4- 170
 
 Dinitrophenol, 2,4- 347, 351 Dinitrophenylhydrazin 2,4- 168
 
 Dinitrophenylhydrazone 2,4- 326
 
 Di-n-propylamin 370 Diole 210 1,2aus Alkenen 219 aus Carbonyl-Verbindungen 220
 
 aus Halohydrinen 219 aus Oxiranen (Epoxiden) 219 COREY-WINTERFragmentierung 443 Pinakol-Umlagerung 228 Spaltung 227 1,3- 65 doppelte Dehydratisierung 86
 
 Dioscin, Diosgenin 972 Dioxan, 1,4Herstellung 232 Konstitutionsisomere 229
 
 Dioxetandion, 1,2- 574 Dioxin Seveso- 174
 
 Dioxin, 1,4- 636 -Derivate durch Photocycloaddition 569 Dibenzo[b,e]- 229
 
 Dioxolan(e), 1,3- 641 Dipeptide 286 Synthese 815
 
 Diphenole 765, 768 Diphenylcarbazid 442 Diphenylethan, 1,1- 139 Diphenylmethan 139 -Farbstoffe 736 Synthese 143
 
 Dipolarophile 663 Dipol-Dipol-Wechselwirkung 20 Dipolmoleküle 20 Dipolmoment 19 der Pyranosen 868
 
 Dipyrrylmethan(e), 2,2´- 680, 752 Disaccharide 887 Disproportionierung CANNIZZARO- 328 von Makroradikalen 757 von Radikalen 42
 
 disrotatorisch 462 Dissymmetrie Siehe Chiralität Disulfid(e) 415 Aromen 419 -Brücken in Polypeptiden 810 Reaktionen 420 Synthese 419
 
 Disulfone 416 Diterpene acyclische 949 monocyclische 949 polycyclische 950 Synthesen 961
 
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 996
 
 Dithian(e), 1,3- 324, 641 als Synthesereagenzien 642 Metallierung 642
 
 Dithian, 1,3-, 2-yl-aldopyranosen 877
 
 Dithiocarbonsäuren 421 aus Alkylmagnesiumhalogeniden 421
 
 Dithiokohlensäure-Derivate 444 Dithiolan(e), 1,3- 641 Divinylether 231 Divinylketon(e) 310 NAZAROW-Cyclisierung 340
 
 Di-π-Methan-Umlagerung 563 DMA 388 DMAP Acylierungskatalysator 699
 
 DMF 388 DMSO 422 DNA, DNS 896 Dodecahedran 118 Dodecan n- 24
 
 Dopa 796 Dopamin 853 Doping 970 Doppelbindungen CCMolekülorbital-Modell 13 isolierte 82 konjugierte 82 kumulierte 82 partielle 82
 
 Doppelbindungsäquivalent 524 Doppelhelix der DNA 902
 
 Doppelresonanz (NMR) 528 Dornhai 972 DÖTZ-Reaktion 183, 627 Doxorubicin 749 Drehung, spezifische 271 DREIDING-Stabmodelle 25 Dreiecksäure 577 Dreifachbindung CCin Arinen 173 Molekülorbital-Modell 15
 
 Dreiringe heterocyclische Synthese 638 Synthesen 109, 395
 
 Dreizentren-Bindung 608 Duftstoffe 941 Blüten 947 Citrus 944
 
 Sachregister
 
 Maiglöckchen 947 Makrolide 301 Moschus- 637 Orange 945 Pfefferminz 945 Rosen 944 Steroid- 970 Synthesen 957 Tannennadeln 945 Trüffel- 971 Veilchen 962
 
 Dynamit 223 E E1 und E2 Siehe Reaktionsmechanismen Ebergeruch 970 Ecdyson, α- 970 Ecgonin 844 Ecstasy 851 EDA-Komplexe 363 EDMAN-Abbau der Peptide 826 EDTA 630, 800 Eicosan 24 Eicosanoide 922 Einbrennlacke 768 Einfachbindungen CCfreie Drehbarkeit 30 Molekülorbital-Modell 12
 
 Einschlußverbindungen 645 Eisen(II)-Ion in Häm 838
 
 ekliptisch (verdeckt) 31 Elaidinsäure 921 Elastomere 774 ELBS-Reaktion 183 Elektrocyclisierungen 460 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln 462
 
 Elektrolumineszenz 777 Elektronegativität 18 Elektronen(-) Anregung 481, 555 nπ*- 481, 724 nσ*- 481 ππ*- 459, 481, 724 σσ*- 7, 482 austauscher 777 konfiguration 4 Spektroskopie 479 spin 4 Übergänge 481, 556 zustände im Atom 1
 
 ElektronenpaarAkzeptoren und Donoren 131
 
 Elektronenspin-Resonanz 479 Elektrophile 23, 154 harte und weiche 195
 
 Eliminierungen, α- 194 reduktive 624, 625
 
 Eliminierungen, β- 59, 71 alkenbildende 58 basenkatalysierte 76 bimolekulare 76 E1-Mechanismus 71 E2-Mechanismus 76 Ei-Mechanismus 391 konzertierte 76 Regioselektivität 74 Stereoselektivität 77
 
 Ellipticin 846 Emodine 749 Emulsin 889 Enamine 327 cyclische 644
 
 enantiofaciale Seiten 289 Enantiomere 271 der Amin-N-oxide 279 der Cycloalkane 278 der Silane 279 der Sulfinsäuren 428 der Sulfoxide 422 der Tetraalkylammonium-Salze 279 der Trialkylsulfonium-Salze 418 mit mehreren Asymmetriezentren 276, 277 ohne Asymmetriezentren 279 Trennung 282
 
 Enantiomeren-Überschuß 290 enantiomeric excess, e.e. Siehe Enantiomeren-Überschuß enantiomorphe Kristalle 282 Enantioselektivität 289 Enantiotopie 286 Endiine BERGMAN-Cyclisierung 95
 
 Endiol(e) 885 Endopeptidasen 824 endotherme Reaktion 43 Energieeigenwerte 2 Energiegewinnung 37 Energieträger fossile 32
 
 Enine 86, 93, 94 Enol(e) 92, 210 -Tautomer 267 chemischer Nachweis 307 NMR-Nachweis 503
 
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 Sachregister
 
 Enolat(e) Silyl- 603
 
 Enolat-Anionen 265, 599 Enolether 331, 396 cyclische 229 Herstellung 234 Silyl- 599
 
 Enone 568 Hydroxy-, α- 602
 
 Enophil 68, 477 En-Reaktion 68, 270, 476 intramolekulare 477 Stereospezifität 477
 
 Enterobactin 802 Entschirmung (NMR) 503 Entschwefelung von Thiophen-Derivaten 678
 
 Entwickler zur Fotographie 357
 
 Entzündungshemmer 953, 969 Enzyme aktive Seite 839 Aktivitätsbestimmung 836 Klassifizierung 836 Wirkung 839
 
 Enzym-Substrat-Komplex(e) 839, 863 Eosin 738, 741 EPC-Synthese 291 Ephedrin 851 Epibatidin 843 Epidioxide 570 Epimere 277, 861 Epimerisierungen 861, 882 Episulfide Siehe Thiirane Epoxide Siehe Oxirane Epoxidharze 768 Erdgas 33 Erdöl 32 -Fraktionen 33
 
 Eremophilane 948 Ergobasin 847 Ergolin-Alkaloide 847 Ergostan(e) 966 Ergosterol 966 Ergotamin 847 ERLENMEYER-Synthese der Aminosäuren 793
 
 Erstsubstituenten am Benzen aktivierende und desaktivierende 136 dirigierende Wirkung 136
 
 erythro- und threo- 276, 862 Erythrogensäure 97 Erythromycin A 885
 
 997
 
 Erythrose 276, 859 Erythrulose(Threulose) 860 ESR 479 Essigester Siehe Essigsäureethylester Essigsäure 242 aktivierte 942 Alkyl- 249, 258 amid 262 anhydrid 256 Brom- 294 Chlor- 294, 295 Dichlor- 294 Fluor- 294 hydrazid 260 Iod- 294 N-Methylguanidyl- Siehe Kreatin PhenylNMR, 1H- 501, 502 Trichlor- 294 Trifluoranhydrid 256
 
 Essigsäureethylester 222 CLAISEN-Esterkondensation 267
 
 Ester 222, 244 durch BAEYER-VILLIGEROxidation 341 Kondensationen 265 Poly- 764
 
 Estradiol 969 Ethinyl-, 17α- 970
 
 Estran(e) 965 Estriol 969 Estrogene 969 Estron 969 Retrosynthese 974 Synthese 974
 
 ETARD-Oxidation 312 Ethan 24 Bindungsdaten 12 Konformere 31 Molekülmodelle 12 Molekülorbital-Modell 12 Verbrennung 37
 
 Ethanal 310 Ethandial 310 Ethandiol, 1,2- 213 aus Oxiran 239
 
 Ethandion, Diphenyl- 310 Ethanol 212, 213 Amino-, 2- 374 Brom-, 2- 64 durch alkoholische Gärung 214, 891 Hydroxyphenyl-, p-, 1- 217 industr. Synthese 214 IR-Spektren 496
 
 Molekülmodelle 230 Phenyl-, 1Enantiomere 288 Phenyl-, 1-, (R)- und (S)- 401 Prochiralität 285
 
 Ethanolyse 198 Ethen 53, 57 Dichlor-, 1,2-, cis- und trans- 57 Elektronenzustände 458 Herstellung 57, 58 Molekülgeometrie 13, 54 Molekülmodelle 13, 54 Molekülorbital-Modell 13, 54, 458 Polymerisation 70 Tetrafluor- 70 Tetra-i-propyl- 60
 
 Ether 229 Alkylaryl-, t- 626 als LEWIS-Basen 235 als Schutzgruppen 238 aus Alkoholaten 232 aus Alkoholen 231 aus Halogenalkanen 232, 233 Autoxidation 236 cyclische 229, 634 Darstellung 64 durch MITSUNOBU-Reaktion 401 Eigenschaften 230 IR-Absorption 492 Nomenklatur 229 Reaktionen 235 Spaltung 236 Umlagerungen 237 WILLIAMSON-Synthese 232
 
 Etherhydroperoxide (Etherperoxide) 236
 
 etherische Öle 941, 945 Ethin 89 Carboxylierung 94 Dimerisierung 86, 94 Halogenierung 188 Hydratisierung 93 Hydrochlorierung 93 Hydrohalogenierung 188 industr. Synthese 38, 90 Molekülgeometrie 14 Molekülmodelle 14 Molekülorbital-Modell 14 Molekülschwingungen 489
 
 Ethinylethylether 234 Ethinylierung von Carbonyl-Verbindungen 94, 962
 
 Ethyl-1-butenylether 234 Ethylacetat 222 Ethylalkohol Siehe Ethanol Ethylamin 370
 
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 998
 
 Ethylbenzen 139 Herstellung 159 Seitenketten-Halogenierung 143
 
 Ethylen Siehe Ethen Ethylendiamin 370 Metallchelate 629 -tetraessigsäure 800
 
 Ethylenimin Siehe Aziran Ethyliden-Gruppe 54 Ethylmethylketon 310 Ethylmethylsulfid 417 Ethyloxonium-chlorid 220 Ethylxanthogenat 444 Eudesmane 948 Eudesmol (+)-α-, (+)-β- und (+)-γ- 948 epi-γ- 948
 
 Evolution 787 Exaltolid 301 Exopeptidasen 824 exotherme Reaktion 43 Extinktion Siehe Absorption EYRING-Gleichung 510 F Faltblattstruktur von Peptiden und Proteinen 811
 
 Farbe und Lichtabsorption 723
 
 Farbindikatoren 408, 739, 741 Farblacke 729, 747 Farbphotographie 734 Farbstoffe 723 Acridin- 740 Azin- 740 Azo- 406, 725 Bauprinzip 723 Beizen- 729, 747 Carbonyl- 742 Chinon- 742 Chinonimin- 739 Cyanin- 731 Diphenylmethan- 736 Dispersions- 726 Entwicklungs- 728 Ionenaustausch- 727 Küpen- 747 Phenoxazon- 741 Phenyloge Methinund Azamethin- 736 Anwendungen 740 Phthalein- 739 Polyaza[18]annulen- 750 Polymethin- 731 Reaktiv- 729 Substantiv- 726
 
 Sachregister
 
 Triphenylmethan- 736 Xanthen- 739
 
 Farnesan(e) 947 Farnesol 947 Synthese 958
 
 Farnesylpyrophosphat 943 Faulbaumrinde 749 FAVORSKII-Umlagerung 452 FCKWs 190 FEHLING-Reagenz 341 FEIST-BENARY-Synthese der Furane 662
 
 Fenchan 946 Fenchol, Fenchon Enantiomere 946
 
 Ferrocen Aza- 672 Elektronenkonfiguration 619 elektrophile Substitutionen 580 Molekülorbital-Modell 608 Sandwich-Struktur 579
 
 Festphasen-Synthese kombinatorische 822 von Peptiden 820 von Pyrazolen 780
 
 Fettblau 738 Fette 262, 917 Härtung 924 Verdauung 967
 
 Fettsäuren 262, 917 Analytik 925 essentielle 921 gaschromatographische Trennung 927 gesättigte unverzweigte 920, 923 verzweigte 921, 923 Hydroxy- 922 Kurzschreibweisen 917 Länge 933 physikalische Eigenschaften 922 Polyen- 921 ungesättigte Autoxidation 925 cis- und trans- 922 cis-trans-Isomerisierung 926 Kurzschreibweise 921 oxidative Spaltung 926 Ozonolyse 927
 
 Feuchthaltemittel 429 Fingerabdruck-Bereich (IR) 490 FINKELSTEIN-Reaktion 191 FISCHER-Base 732 FISCHER-HEPP-Umlagerung 455 FISCHER-Konvention 273 für Aminosäuren 786 für Kohlenhydrate 276, 861
 
 FISCHER-Projektion 273 FISCHER-Synthese der Glycoside 875 des Indols 667, 732, 796, 856
 
 FISCHER-TROPSCH-Verfahren 32 Flavon(e) Synthese 698
 
 Flavonole Tautomere 735
 
 Flavylium-Ionen und Salze 735 nucleophile Additionen 709 Synthese 698
 
 Flechten Inhaltsstoffe 893
 
 Flechtenfarbstoffe 749 Flügelpigmente 741 fluktuierende σ,π-Systeme 118, 457 Fluoralkane Bindungsdaten 186 Darstellung 190
 
 Fluorbenzen(e) 158 aus Diazonium-Salzen 151, 405 Dinitro-, 2,4- 791, 802, 825 Reaktionen vom Arin-Typ 174
 
 Fluoren 175, 404 Fluorescein 738, 741 Fluoreszenz 557, 573, 726, 837 Fluorierung der Alkane 190 des Benzens 158
 
 Fluorierungsmittel 190 Fluormethan 186, 190 Fluortenside 939 Fmoc-Schutzgruppe 815 Follikelhormone 969 Folsäure 715 Formaldehyd 310 -hydrat 322 Protonierung 65
 
 Formamid(e) Alkyl-, Nzur Synthese von Isonitrilen 410 Dimethyl-, N,N- 388 Photoadditionen 566
 
 Formanilide zur VILSMEIER-Formylierung 316
 
 Formolyse 198 Formylierung 315 FOURIER-Transformation NMR 501
 
 Fragmentierungen im Massenspektrum 544
 
 FRANCK-CONDON-Prinzip 556
 
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 Sachregister
 
 Frangulanin 852 Fraßhemmer 973 Freon-12 190 FRIEDEL-CRAFTS-Acylierungen 141, 158, 159, 182, 246, 261, 317, 320 FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen 139, 140, 146, 147, 158, 349 FRIEDLÄNDER-PECHMANNSynthese der Cumarine 697
 
 FRIEDLÄNDER-Synthese der Chinoline 325, 694
 
 FRIES-Umlagerung (Verschiebung) 356, 454
 
 FROST-MUSULINDiagramme 125
 
 Fruchtbarkeitsvitamin 956 Fructofuranose 894 Fructopyranose α- und β-D- 867
 
 Fructosan 894 Fructose 859, 860 Reduktion 873
 
 Fucose 884 Fullerene (C20, C60, C70 und C80) 184 Fulven(e) 578, 586 Fumarsäure 242 Fünfring-Synthesen 95, 452 funktionelle Gruppen 1 Identifizierung durch 13C-NMR 536 durch 1H-NMR 511 durch IR 492 durch MS 551
 
 Funktionsisomere 230, 312, 861 Furan(e) 127, 646 aldehyd, -2- 664 als 1,3-Diene 672, 673, 675 Bindungsdaten 658 carbonsäure, -2- 664 elektrophile Substitution 674 Mesomerie 656 Nitrierung 675 NMR, Verschiebungen 658 Protonierung 670 Synthesen 660, 662, 664
 
 Furanosen 863 Furfural Siehe Furan-2-aldehyd Furostane 972 Fusion, 1,2- und 2,3von Benzen-Ringen 175
 
 999
 
 G GABRIEL-Synthese primärer Amine 269
 
 Galactane 894 Galactosamin 884, 893 Galactose 859 Galacturonsäure 894 Galle 967 Gallensäuren 964, 966 Gallocyanin 738 Gallussäure 729 Ganglioside 930 Gastrin 831 GATTERMANNFormylierung 317
 
 GATTERMANN-KOCHFormylierung 317
 
 Gelee royale 922 Gene 908 genetischer Code 908 Gen-Fragmente Synthese 915
 
 Gentiobiose 889 Geranial 944 Geraniol 944 Synthese 957
 
 Geranylpyrophosphat 943 Gerbstoffe 735 Germacran(e) 948 Germane 611 Geruch der Amine 372 der Carbonsäuren 243 der Thiole 412
 
 Geschmackstoffe 941 Geschwindigkeitskonstante 46 gestaffelt (auf Lücke) 31 Gestagene 969 Getreidestärke 892 Gibberelline 950 Gießharze 768 GILMAN-MOORE-Synthese der Phenoxazine 699
 
 Gin 214 Ginseng Saponine und Sapogenine 952
 
 Ginseng-Sapogenine 952 Ginsenoside 952 GLASER-Kupplung 97, 114, 149, 591 Gleichgewichte Untersuchung durch UV 487
 
 Glucagon 828 Glucarsäure 873
 
 Glucit, D- 872 Glucofuranose α- und β-D- 865
 
 Gluconolacton 873 Gluconsäure 873 Glucopyranose α- und β-D- 864, 866 Konformation 868
 
 Glucopyranosid(e) Kopplungskonstanten, HH- 519 Methyl-α- und β-D- 876
 
 Glucosamin 893 N-Acetyl- 840, 884, 893 N-Methyl-L- 885
 
 Glucosane 890 Glucose 858, 859 Acetobrom- 876 Acylierung, selektive 880 Cyclohalbacetal-Form 864 D-, absolute Konfiguration 861 Epimerisierungen 861 Mutarotation 867 NMR, 13C- 869 Glucosidase, β-D- 888
 
 Glucuronide, Glycuronide 874 Glucuronsäure 873, 893 Glühwürmchen 574 Glutamin 786 säure 786 Synthese 792
 
 Glutarsäure 242 anhydrid 268 diester, Keto-, 3- 333
 
 Glycane (Glykane) 890 Glycarsäuren Siehe Arsäuren Glyceraldehyd 859, 878 (R)-(+)- und (S)-(−)- 273, 275 Bezugssubstanz 786, 861 Enantiomere 273 -monophosphat 572
 
 Glyceride 262, 917 Glycerin Siehe Glycerol Glycerinaldehyd Siehe Glyceraldehyd Glycerinsäure 293 Glycerol 213 -phosphat 862 Synthese 220 -trinitrat 223
 
 Glycidester 636 Glycin 786, 789, 967 Acetyl-, N- 794 Benzoyl-, N- 802 Kupfer(II)-Komplex 800 Methyl-, N- 784 Titrationskurve 788
 
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 1000
 
 Glycolipide 917, 931 Glyconsäuren Siehe Onsäuren Glycopeptide 834 Glycoside 860, 972 cyanogene 888 Metallchelate 735 N- 877, 898 Oxidation 881
 
 Glycosidierungen 875 N- 909
 
 Glycosylamine 877 Glycosylhalogenide 876 Glycuronsäuren Siehe Uronsäuren Glykogen 892 Glykolether aus Oxiran 239
 
 Glykolsäure 300 Glykol-Spaltung 227, 315 der Kohlenhydrate 883
 
 Glyoxal 310 Glyoxalin 661 GOMBERG-BACHMANN-Reaktion 403 Gonan 951, 952, 964 GRAEBE-ULLMANN-Synthese der Carbazole 669
 
 Gramicidin A 832 S 834
 
 Graphen 184 Graphit 184 Grevilline 749 GRIGNARD-Reaktion 195, 616 GRIGNARD-Verbindungen 34, 153, 195 Komplexierung durch Ether 236, 609 präparative Anwendungen 616 Reaktion mit Estern 263 SCHLENK-Gleichgewicht 609 zur CC-Verknüpfung 618
 
 GROB-Fragmentierung 114 Guajane 948 Guajanolide 948 Guajen, α- 948 Guanidin(e) Basizität 440 industr. Synthese 440
 
 Guanidinium-Kation Mesomerie 440
 
 Guanidylaminosäuren 784 Guanin 714, 896 Synthese 714 Tautomere 900
 
 Sachregister
 
 Guanosin 899 1- und 7-Methyl- 906
 
 Guanylhydrazone 441 GUARESCHI-Synthese der Pyridine 687
 
 Gulit, L- 872 Gulose 859 Gummi 763, 957 GUSTAFSON-Synthese des Cyclopropans 109
 
 Guttapercha 957 gyromagnetisches Verhältnis 499 H HABERsches Reduktionsschema des Nitrobenzens 376
 
 Halbacetale 323, 863 Halbaminale 325 Halbketale 350 Halbsandwich-Komplex 621 Halbsessel-Konformer des Cyclohexans 103
 
 Halluzinogene 845, 847, 850, 851, 947 Haloform-Reaktion 193 Halogenalkane 185 Alkinylierung 91 aus Alkoholen 191, 223 Bindungsdaten 186 Darstellung 186, 258 durch Photohalogenierung 39, 186, 560 Eigenschaften 185 GRIGNARD-Reaktion 195 Metallierung 610 nucleophile Substitutionen Übersicht 194 PerPhotoadditionen 565 primäre, sekundäre, tertiäre 185 Reaktionen 194 Reduktion 34
 
 Halogenalkene 209 Bindungsdaten 186
 
 Halogenalkine 209 Bindungsdaten 186
 
 Halogenamine, N- 387 Halogenaromaten durch SANDMEYER-Reaktion 403 elektrophile Zweitsubstitution 152 Metallierung 152 Nitrierung 162 nucleophile Substitutionen 167
 
 Halogenbenzene
 
 (+)-M-Effekt 134 Synthese 150
 
 Halogene
 
 induktiver Effekt, (−)-I- 194 Photodissoziation 40, 44 Reaktivität 48 Selektivität 48
 
 Halogenierung von Alkenen 63
 
 Halogen-Metall-Austausch 611 Halogennitrobenzene Synthese 150
 
 Halogenonium-Ionen 64, 81, 93 Halogensilane Darstellung 596 nucleophile Substitutionen 597, 598
 
 Halogenwasserstoffe zur Halogenierung 192
 
 Halohydrine 64, 219 Halomethyl-Gruppen Oxidation 313
 
 Halothan 185 Häm in Hämoglobin 754, 838 in Myoglobin 837
 
 Hämin aus Hämoglobin 754
 
 Hämoglobin 754 Struktur und Funktion 838
 
 Hämolyse 929, 972 Hanf, indischer 852, 947 HANTZSCH-Synthese der Pyridine 687 der Pyrrole 662
 
 HANTZSCH-WIDMAN-System 634 Harmalin, Harmalol 846 Harnsäure 714 Ringöffnung 717
 
 Harnstoff(e) -Addukte 438 aus Carbodiimiden 445 Basizität 438 Dialkyl- 439 Einschlußverbindungen 30 Herstellung 437 Hydrolyse 438 Poly- 764 Tetraalkyl- 439 VAN-SLYKE-Reaktion 438
 
 HARRIS-Ozonolyse 66, 315, 927 HARTWIG-SCHÖLLKOPF-Synthese enantiomerenreiner Aminosäuren 796
 
 Harze 941
 
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 Sachregister
 
 Harzsäuren 950 Hashisch 947 Hauptquantenzahlen 2 Hausan 118 HAWORTH-Projektionsformeln 864 HAWORTH-Synthese kondensierter Aromaten 183
 
 HECK-Reaktion 68, 623 enantioselektive 624 intramolekulare 624 mehrfache 624
 
 Heizöl (Gasöl) 33 Helenalin 948 HELFFERICH-Synthese der Glycoside 876
 
 Helicene 175 Enantiomere 281
 
 Helix 772 Doppel- (DNA) 902 Tripel- 810 αder Polypeptide 808 Nachweis 813
 
 HELL-VOLHARD-ZELINSKIIHalogenierung 295 Hemiacetale Siehe Halbacetale Hemicellulosen 890, 894 Hemicyanine 731 photochrome 734
 
 Hemiterpene 944 HENRY-Reaktion 333 Heparin 893 HeptamethylphenoniumSalz 139
 
 Heptan, n- 24 Heptanol 1- 213 4-i-propyl-4- 263
 
 Heptanon 4-Methyl-3-, (S)Synthese 804
 
 Heptosen 858 Herbstfärbung der Blätter 955
 
 Heroin 850 Herzglycoside 971 Heteroalicyclen Darstellung 637 durch Carbonyl-Derivatisierung 641 Nomenklatur 634 Reaktionen 641 ringöffnende Ringerweiterungen 643
 
 1001
 
 Ringöffnungen 642 Sauerstoff- 229 Stickstoff- 366 ungesättigte Additionen 644
 
 Heteroaromaten benzokondensierte 646 benzokondensierte FünfringCycloadditionen 682 Reaktionen 680 Synthese 666 Tautomerie 683 benzokondensierte SechsringReaktionen 708 Synthese 693 FünfringAromatizität 658 elektrophile Substitutionen 673 mesoionische 684 Molekülorbital-Modelle 657 nucleophile Substitutionen 677 Ringöffnungen 678 Ringvinyloge 718 Substituenteneffekte mesomere 675 Tautomerie 653 heterokondensierte Bezifferung 651 Darstellung 712 Nomenklatur 649 Reaktionen 716 Mesomerie 127, 656, 658 monocyclische 646 SechsringAromatizität 658 elektrophile Substitutionen 704 Reaktionen 699 Synthesen 686 Tautomerie 654 π-Elektronenmangel- 658 π-Elektronenüberschuß- 657
 
 Heteroatome asymmetrische 279
 
 Heterobicyclen aromatische 712
 
 Heterocumulene 445 HEUMANN-Synthesen von Indigo-Derivaten 746
 
 Hexadiene, 1,5- 457 2,5-Diaza- 457
 
 Hexafluoraceton-Hydrat 311 Hexahelicen 175 Enantiomere 281
 
 Hexakontan 24
 
 Hexamethylendiamin 370 Hexamethylentetramin 326, 372 Hexan Chlor-2,3-dimethyl-, 2- 224 n- 24 sulfonsäure, 1- 429
 
 Hexanal 310 Hexandion, 2,5- 310 Hexanol 1- 213 NMR, 1H- 526
 
 Hexatrien(e) 1,3,5- 562 Elektrocyclisierung 460
 
 Hexen 1-, 2- und 3- 53 2-Methyl-2- 66 3,4-Dimethyl-3- 69
 
 Hexen-1-ol, cis-3NMR, 1H- 530
 
 Hexin 1-, 2- und 3- 89
 
 Hexosen 858 Hexulosen 860 HINSBERG-Synthese der Thiophene 661
 
 HINSBERG-Trennung der Amine 388, 431
 
 Hippursäure 802 Histidin 786 distal und proximal 838
 
 HOBt-Aktivester 815 HOCK-Synthese des Acetons und Phenols 349, 451
 
 HOFMANN-Abbau der Carbonsäureamide 378, 450
 
 HOFMANN-Eliminierung 390 HOFMANN-MARTIUS-Umlagerung 455 Holarrhimin 972 Holz 890 Verzuckerung 891
 
 HOMO 469 Homochiralität 787 Homoglycane 890 Homologisierung der Alkane 51 der Carbonsäuren 249 der Cycloalkanone 337 durch Diazoalkane 395
 
 Homotopie 286 Homotropiliden 118, 457, 511 Honig 888 HOOKER-Oxidation 365
 
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 1002
 
 Hormon(e) gastrointestinale 831 Nebennierenrinden- 968 Pankreas- 830 Peptid- 828 Protein- 828 Releasing- 829 Steroid- 968
 
 HORNER-EMMONS-WADSWORTHAlkenylierung 331
 
 HOUBEN-HOESCH-Reaktion 321 HPLC 791 HSAB-Prinzip 194, 205 HÜCKEL-Regel 124, 575 Humulene 948 HUND-Regel 4, 124 HUNSDIECKER-Decarboxylierung 193, 258 Hyaluronsäure 894 Hybridisierung Beziehung zu CH-Kopplungen 539 von Atomorbitalen 9
 
 Hybridorbitale Eigenschaften 10 sp- 9 sp2- 10 sp3- 10, 24
 
 Hydantoine 794 Hydrastin 848 Hydratation 21 Hydratisierung von Aldehyden und Ketonen 322 von Alkenen 64
 
 Hydrazine, Alkyl- 685 Hydrazobenzene 381 Hydrazone 304, 326 Aryl- 326, 409 Dinitrophenyl-, 2,4- 326 RAMP- und SAMP- 804 Tosylzur Alken-Synthese 343
 
 Hydrid-Anion als Nucleophil 263, 328
 
 Hydrid-Verschiebungen 74 Hydrierungen enantioselektive 290 heterogene 61 homogene 62 katalytische 61
 
 Hydrierwärmen 84 von Alkenen 62
 
 Hydrierzahl 926 Hydroborierung von Alkenen 63, 215 von Alkinen 92
 
 Sachregister
 
 Hydrochinon 347 als Stabilisator 757 -dimethylether 355
 
 Hydrohalogenierung von Alkenen 64
 
 Hydrolyse 198 Hydroperoxide 38, 570 Hydroxamsäuren 244 aus Carbonsäurehalogeniden 260 O-AcylLOSSEN-Abbau 378 Tautomerie 260
 
 Hydroxyalkylierung elektronenarmer Alkene 339
 
 Hydroxybenzotriazol, 1- 815 Hydroxycarbonsäuren 298 Hydroxyester, βREFORMATSKY-Synthese 617
 
 Hydroxylamin(e) 410 N,N-Dialkyl- 387 durch COPE-Eliminierung 391 N,N-Dimethyl- 391 N-Alkyl- 387 Phenyl- 410
 
 Hygrin 843 Hyoscyamin 844 Hyperkonjugation 50, 72 Hypostrophen 457 Hypoxanthin 1-Methyl- 906
 
 hypsochrom 483 I Ibotensäure 851 Ibuprofen 240 Icosan Pentamethyl- 951
 
 Identitätsprüfung durch IR 492
 
 Idose 859 Imidazo[4,5-d]pyrimidine Siehe Purine Imidazol(e) Acidität 672 Basizität 670 in Hämo- und Myoglobin 838 Nitrierung 676 Ring-Vinyloge 720 Synthese 660, 661, 662, 663 Tautomerie 652 Trimethylsilyl-, 1- 600
 
 Imidochlorid(e) 729 Imine 325
 
 Iminozucker 877 Immunstimulatoren 932 INADEQUATE (NMR) CC- 535
 
 Indanilin 739 Indanone Photofragmentierung 562
 
 Indazol(e) Synthese 668
 
 Inden 175 Indican 749 Indigo Dibrom-, 6,6´- 749 Farbstoffe 742 Lichtabsorption 742 Isomer 683 Synthesen 746
 
 Indikatorfarbstoffe 408 Indirubin 683 Indol(e) 648 Alkaloide 845 Basizität 681 Carben-Cycloaddition 682 Dihydro-2-methylen-, 2,3- 732 elektrophile Substitutionen 681 HydroxyTautomerie 653 Synthese 667
 
 Indolium-Salze 732 Indolizidin(e) 712 Alkaloide 845
 
 Indolizin(e) 712 2-Alkyl- 712
 
 Indophenol 738, 739 Indoxyl 683, 746 induktiver Effekt
 
 (+)-I- 51, 72 (−)-I- 51, 212, 253 Detektion durch NMR 504, 537
 
 Infrarot (IR-) Spektroskopie 479, 487 Meßmethodik 487
 
 Inhibierung der Photohalogenierung 43
 
 innere Rückkehr 208 Inosite 280 Insekten Flügelpigmente Schmetterlinge 715 Hormone Seidenspinner 970 Inhaltsstoffe Ameisen 240 Honigbiene 835, 922 Leuchtkäfer 574
 
 Photoreduktion 571
 
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 Sachregister
 
 Pheromone Ameisen 603, 804, 944 Borkenkäfer 944, 946 Honigbiene 944 Kiefernspanner 946 Küchenschabe, amerikanische 948 Seidenspinner 625
 
 Insektizide 944 Insulin 830 Präpro- und Pro- 831
 
 Integerrin 852 interionische Wechselwirkung 20 Interplanarwinkel von Bindungen 31, 518
 
 Intersystem Crossing 556 Intraannular-Spannung 105 Inulin 894 Inversion 475 der absoluten Konfiguration 287
 
 Invertseifen 938 Invertzucker 888 Iodalkane Darstellung 191
 
 Iodbenzen 151, 158 Iodethan 223 Iodierung des Benzens 158
 
 Iodmethan Darstellung 191
 
 Iodoform-Test 193 Iod-Stärke-Reaktion 892 Iodzahl 926 Ionenaustauscher 390, 776, 891 Ionenbindung 5 Ionen-Dipol-Wechselwirkung 21 Ionon, βSynthese 962
 
 IR-aktiv, -inaktiv 489 IRELAND-CLAISEN-Umlagerung 251, 603 Isatin 683, 694 Isoalloxazin(e) 716 Isoborneol 960 endo-, exoEnantiomere 946 Synthese 960
 
 Isobutylalkohol Siehe Butanol, 2Isochinolin(e) Alkaloide 847 Synthese 857 Basizität 708 elektrophile Substitutionen 710
 
 1003
 
 Hydrierung 708 N-Oxide 711 nucleophile Additionen 708 nucleophile Substitutionen 709 Styryl-, 1- 711 Synthesen 694 Tetrahydro- 708 enantioselektive Synthese 857
 
 Isocyanate 440, 445, 447 Darstellung 435, 601 Di- 763
 
 Isocyanide Siehe Isonitrile isoelektrischer Punkt 788 Isoflavon(e) Synthese 698
 
 Isoindol(e) 752 Isoleucin 786 Isomenthol 945 Isomere, Isomerie Atrop- 281 Funktions- 230, 312 Konfigurations- 55, 105, 272 Konstitutions- 27, 53, 82, 89 Spiegelbild- 271
 
 Isomerisierungen contrathermodynamische 96
 
 Isonitril(e) UGI-Reaktion 337
 
 Isonitrile 410 PASSERINI-Reaktion 336
 
 Isooctan Darstellung 70
 
 Isopentenylpyrophosphat 943 Isophthalsäure 242 Isopinocampheol NMR, 13C- 531
 
 Isopren Herstellung 86 maskiertes 639 Polymerisation 957 -Regel 940
 
 Isoprenoide 940 Isopropanol Siehe Propanol, 2Isopropylalkohol Siehe Propanol, 2IsopropylidenSchutzgruppe für OH 880
 
 Isopulegol 959 durch En-Reaktion 477
 
 isosbestischer Punkt 487 isotaktisch 770 Isotetralin aus Naphthalen 180
 
 Isothiazol(e) Benzo- 668 Synthese 666
 
 Isothiocyanate 445 IR-Absorption 490 Senföle 435
 
 Isothioharnstoff 443 Isothiuronium-Salze S-Alkyl- 443
 
 Isotope(n) Markierung 853
 
 Isotopie-Effekt kinetischer 173
 
 Isovaleriansäure 944 Isoxazol(e) Alkaloide 851 Benzo- 668 Ringöffnungen 678 Synthese 661, 663, 665
 
 J JABLONSKI-Diagramm 556 JACOBSEN-Umlagerung 141, 454 JAPP-KLINGEMANN-Reaktion 409 Jog 772 Juglon 749 K Kaffee-Aroma 412 Kalignost 614 Kalium-t-butylat 221 KARPLUS-CONROY-Beziehung 518, 869 Kartoffel -stärke 892
 
 Katalysatoren 61 Edelmetall- 33
 
 Katalyse enantioselektive 290
 
 katalytische Hydrierungen 61 Kationenaustauscher 776 Kationotropie 452 Kautschuk Ersatzstoffe 88 Synthese- 763
 
 Keilstrich-Projektion 25, 273 KEKULÉ-Formeln des Benzens 122
 
 Kephaline 929 Keratine 810 Kerninduktion 500 Kernmagnetische Resonanz (NMR) 479, 499 Kern-OVERHAUSER-Effekt NOE (NMR) 529
 
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 1004
 
 Kernpräzession 499 Kernseife 262 Kernspin(-) 499 Präzessionsfrequenz 499 Quantenzahl 500 Zustände 500
 
 Kerosin 33 Ketale 323 Keten(e) 303, 446, 449 Dimerisierung 110 durch WOLFF-Umlagerung 249, 399 Photolyse 51
 
 Keto-Enol-Tautomerie 93, 267, 344 Analyse 307 durch NMR 503 Ketoester, βdurch CLAISENEsterkondensation 267 Heterocyclisierung 687, 689
 
 Ketofuranosen 865 Ketohexosen 859 Ketone 308 Alkenylierung 60, 330 Alkinylierung 336 Alkylierung 329 Alkylierung, α-tert- 602 Amino-, α- 451 aus Alkinen 92 aus Carbonsäuren 319 aus Nitrilen 319, 617 aus Organometall-Verbindungen 320 aus sekundären Alkoholen 270 aus β-Oxosäuren 304 BAEYER-VILLIGER-Oxidation 341 Bildung von Iminen 325 Chlor-, β- 320 Darstellung 318 durch Acylierung 320 durch FRIEDEL-CRAFTSAcylierung 321 durch NEF-Reaktion 313 durch Oxidation 319 Homologisierung 337, 397 Hydrate 311 Hydratisierung 322 Hydroxyα- 264 β- 602 IR-Absorption 494 Ketalisierung 323 Massenspektren 550 Methylen-, α- 602 Nomenklatur 308
 
 Sachregister
 
 PATERNO-BÜCHI-Reaktion 639 Photofragmentierung 562 physikalische Eigenschaften 310 Reaktionen 322 Reduktion 328, 342 SCHMIDT-Reaktion 380 ungesättigte, α,β- 568
 
 Ketopyranosen 865 Ketosen 858 Kettenabbrüche 42, 757, 760 Kettenreaktionen der Photohalogenierung 41 der Polymerisation 757
 
 Kettenübertragungen 757 Kfz-Benzin 33 Kiefernharz 940 KILIANI-Synthese der Kohlenhydrate 334, 871
 
 Kinetik 1. Ordnung 202 2. Ordnung 200 pseudo 1. Ordnung 200
 
 Kinke 772 KKK-Reaktion 143, 148 Klebstoffe 768 Kleie 894 Klopfen von Treibstoffen 33
 
 KLYNE-PRELOG-Konvention 31 Knoblauch-Geruch 419 KNOEVENAGEL-Alkenylierung 60, 250, 266, 305, 338, 345, 423, 426, 706, 711, 975 Knorpel 894 KNORR-Synthese der Pyrrole 664
 
 Knoten von Orbitalen 3
 
 Koaleszenztemperatur 510 Kohäsivkräfte 22 Kohle 32 Kohlendioxid Assimilation 572 Heteroanaloga 445 zur Carboxylierung 246
 
 Kohlenhydrate 858 Abbaureaktionen 883 Carbonyl-Reaktionen 870 Cycloacetale, Cycloketale 879 Cylohalbacetal-Formen 864 Glykolspaltung 883 O-Acylierung 879 O-Methylierungen 880 Oxidation 881
 
 Polyol-Reaktionen 879 Schutzgruppen für OH 879
 
 Kohlenmonoxid 38 zur Carbonylierung 244
 
 Kohlensäure 433 -benzylesterchlorid 435 -dichlorid Siehe Phosgen -dihydrazide 441 Dissoziationsgleichgewicht 433 -ester Herstellung 436 -esterchloride Darstellung 435 -esterhydrazide 441, 442
 
 Kohlenstoff-13-Verschiebung (NMR) Bereiche, Übersicht 536 induktive Effekte 536 Mesomerieeffekte 537, 538 sterische Effekte 537
 
 Kohlenstoff-Modifikationen 184 Kohlenwasserstoffe 1 Alkane 24 Alkene 53 Alkine 89 Arene 128 Benzen, Aromaten 119 Cycloalkane 98 gesättigte 24 kondensierte Aromaten 175 polycyclische 98, 118 ungesättigte 53, 89
 
 Kohleverflüssigung 32 KOLBE-Elektrolyse 36 KOLBE-SCHMITT-Synthese der Salicylsäure 246
 
 KOLBE-Synthese der Nitrile 248
 
 Kollagen 810 Kolophonium 941 Kolorimetrie 486 kombinatorische Synthese 780, 822 Komplementärfarbe 723 Komplementarität der Nucleobasen 901, 903
 
 Komplex σ-, π- 131
 
 Konfiguration, absolute axial chiraler Verbindungen 280 Bestimmung 275, 285 Bezeichnung nach CIP 272 Bezeichnung nach FISCHER 272 der Aminosäuren 786 der Cycloalkane 278 der Kohlenhydrate 861
 
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 Sachregister
 
 Deskriptoren aR- und aS- 280 D- und L- 274 D,L- und R,S- 274 M- und P- 280 R- und S- 273 mehrerer asymmetrischer CAtome 276 WALDEN-Umkehr 201, 261, 287, 289
 
 Konfiguration, relative 55 aus HH-Kopplungskonstanten 518 aus IR-Spektren 493 aus NOE-Messungen 529 der Alkene 55 der Cycloalkane 105, 107, 278 der Kohlenhydrate 861 Deskriptoren (E)- = trans-, (Z)- = cis- 55 α- und β- 865 erythro- und threo- 276 Inversion bei SN2-Reaktionen 203 Präfices 862
 
 Konfigurationsisomere (Z)- und (E)-, cis- und trans- 55 Unterscheidung durch IR 493 der Alkene 55 der Cycloalkane 105 des Decalins 107 disubstituierter Cyclohexane 106 ungesättigter Fettsäuren 921 α- und β- 865
 
 Konformation 30 Boot- (Wanne-) 102 Briefumschlag (envelope) 102 der Peptide Sekundärstruktur 808 der Proteine Sekundärstruktur 837, 839 der Pyranosen 864, 868 Halbsessel-, Sessel- 103
 
 Konformere C - und 1C4der Pyranosen 868 a- und e- 104 der Alkane 30 der Cycloalkane 101 der Diene 84 des Cyclohexans 102 ekliptische, gestaffelte, windschiefe 31 Population 31, 518 s-cis- und s-trans- 84 von Polymeren 772 4 1
 
 Kongorot 726
 
 1005
 
 Königinnensubstanz 922 KÖNIGS-KNORR-Synthese der Glycoside 876 der N-Glycoside 909
 
 Konjugation Nachweis IR 494 UV 485
 
 Konnektivitäten CC- 535 CH- 534 HH- 530
 
 konrotatorisch 462 Konstitutionsaufklärung durch 13C-NMR 535, 539 durch 1H-NMR 524, 530 durch IR 494 durch Massenspektrometrie 551 von Alkenen 66
 
 Konstitutionsisomere 26 der Aldosen und Ketosen 860 der Alkane 26 der Alkene 53 der Alkine 89 der Alkylbenzene 128 der Ether 230 des Pentans 27 von Polymeren 769
 
 Konstitutionsisomerie 26 Kontrazeptiva hormonale 970
 
 Kopf-Schwanz-Verknüpfung der Terpene 941
 
 Kopplungskonstanten (NMR) 515 CHunmittelbare 538 vicinale 539 HHbenzoide 520 geminale, vicinale 517 Konstitutionsisomerie 520 Struktureinflüsse 517 und Konformation 518 und relative Konfiguration 518, 520 und Ringgröße 520
 
 Korrelationsspektroskopie (NMR), zweidimensionale CC- 535 CH-, HC- 534 HH- 530
 
 kovalente Bindung 5 in organischen Molekülen 11 Polarität 18
 
 Kreatin 784, 899 Kreatinin 784
 
 Krebsentstehung 916 Kresol, o-, m-, p- 174, 347 Kreuzsignale (NMR) CC- 535 CH- 534 HH- 530
 
 Kristalle, flüssige 934 kristallin 22 Kristallviolett 738, 740 KRÖHNKE-Reaktion 313 Krone-6, [18]Dibenzo- 637 Kalium-Komplex 644 Kalium-Komplex 207
 
 Kronenether 207, 637 als Komplexliganden 644 Darstellung 637
 
 Kryomagnet (NMR) 500 Kumulene aus Alkinen 96 Enantiomere 280 Nachweis durch IR 495
 
 Kunsthonig 888 Küpenfärbung 747 Kupfer-Seide 891 L Labdan(e) 950 Labdanolsäure 950 Lactame 257, 302, 900 β- 832 Synthese 639 γ- und δ- 801
 
 Lactaroviolin 948 Lactat 298 Lactide 300 Lactime 654, 900 Lactole 304 Lactone 255, 301, 971 Aldo- 874 durch MITSUNOBU-Reaktion 401 Peroxy-, α- 574 Ringöffnung 296 Sesquiterpen- 948 ungesättigte 304
 
 Lactose 887, 888 LADENBURG-Synthese des Coniins 855
 
 LAMBERT-BEERsches Gesetz 481, 485 Laminarin 893 Lanostan(e) 952 Lanosterol 953, 964 Laudanosin 848 Laurinsäure 920
 
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 1006
 
 Lävulat 293 Lävulinsäure 293, 303 LAWESSONSReagenz 420, 422, 689
 
 LDA 617 Lebertran 951 Lecithin 929 Leitfähigkeit, elektrische des Graphits 184
 
 Leucin 297, 786 LEUCKART-WALLACHReaktion 378
 
 Leukotriene 922 Leukoverbindungen 747 LEWIS-Basen 23 LEWIS-Säuren 23 als Katalysatoren 158 zur Ether-Spaltung 237
 
 Licht sichtbares und UV 480
 
 Lichtabsorption(s) Maxima 480 spektren 479 spektrometer 480 und Farbe 484, 723
 
 Lichtstäbe 574 Ligation ungeschützter Peptide 820
 
 Lignin 890 Lilien 849 Limonen 945 Linalool 944 Dehydro- 957 Synthese 957
 
 LINDLAR-Katalysatoren 57, 92 Linker 781 Linolensäure, α- 921 Linolsäure 918, 921, 925 Lipide 917 amphiphile 919 Analytik 918 Doppelschichten 920, 932 Glyco- 931 Monoschichten 919 Sphingo- 929 spreitende 919 Vorkommen 918 Wechselwirkung mit Wasser 919
 
 Lipid-Membran biologische Mosaikmodell 935
 
 Lipopolysaccharide 931 Lipoproteine 932 HDL und LDL 932 Liposomen 920, 932
 
 Sachregister
 
 Lithiumdialkylcuprate 614 Lithocholsäure 966 Lobelin 843 LOBRY-DE-BRUYN-VAN-EKENSTEINUmlagerung 878
 
 Loops in RNA 907
 
 Lösemittel als Nucleophil 198
 
 Löslichkeit 22 LOSSEN-Abbau der Hydroxamsäuren 378, 450
 
 LSD 847 Luciferase(n) 574, 836 Luciferin(e) 574 Amino- 836
 
 Luminol Chemolumineszenz 573
 
 Lumiriboflavin 716 LUMO 469 Lupinin 845 Lutidin, 2,4-, 2,6- 686 Lycopen 955 Lyse 841 Lysergsäure 847 N,N-diethylamid 847
 
 Lysin 786 Kupfer(II)-Komplex 800 Racemattrennung 797
 
 Lysozym Struktur und Funktion 840
 
 Lyxose 859 M MADELUNG-Synthese des Indols 667
 
 MAILLARD-Reaktion 879 Makro- und Mikrofibrillen 810 Makroanionen 759 Makrokationen 759 Makrolide 301, 885 Makrolon 765 Makroradikale 757 Malachitgrün 738, 740 MALAPRADE-Spaltung der 1,2-Diole 227
 
 Maleinsäure 242 -anhydrid 112, 268 als Dienophil 112, 270 als Enophil 270, 477 Photocycloaddtionen 568 -imid als Dienophil 270
 
 Malodinitril 248
 
 Malondialdehyd Keto-Enol-Tautomerie 344 tetraacetale 687 tetraethylacetal, PentylMassenspektrum 547
 
 Malonester-Synthesen 265 Malonsäure 242, 296 Herstellung 248
 
 Malonsäurediester AcetylaminoNMR, 1H- 513 Acidität, α-CH- 265 Alkyliden- 266 Azo-Kupplung 409 C-Alkylierung 249, 266 Cyanoethyl-, β- 266 KNOEVENAGEL-Alkenylierung 266 MICHAEL-Addition 266 N,N-Dimethylaminomethyl- 339 N-Acylaminozur Aminosäure-Synthese 795 Phenylazo- 409
 
 Maltase 887 Maltose 887 -Typ 887
 
 Mandelsäure D-(−)- 283 DL- 298 nitril 889
 
 Manicon, (+)Synthese 603
 
 Mannan 894 MANNICH-Reaktion 338, 795, 856 Mannit 873 Mannopyranosid Methyl-α- und β-D- 875
 
 Mannosamin 885 Mannose 859 Margarinsäure 920 Marihuana 947 Markierung, 14C- 173, 853 MARKOWNIKOFF-Regel 80, 187, 215 Massenspektrometrie 541 Allyl-Spaltung 548 Basispeak, Basis-Ion 543 Benzyl-Spaltung 548 EI-, ESI-, FAB-, MALDI- 542 Fragmentierungen 545 Fragment-Ionen 545 Isotopenpeaks 543, 551 MCLAFFERTY-Umlagerung 549 Meßmethodik 541 metastabile Ionen 545 Molekül-Ion 544
 
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 Sachregister Retro-DIELS-ALDERFragmentierung 549 Spaltung von Einfachbindungen 545 α- 546
 
 Massenwirkungsgesetz 254 Maté 953 Matricin 948 MAXWELL-Geschwindigkeitsverteilung 46
 
 MCDONALD-Synthese der Porphyrine 752
 
 MCDONNALD-H.O.L. FISCHERAbbau der Kohlenhydrate 884
 
 MCD-Peptid 835 MCLAFFERTY-Umlagerung 549 MCMURRY-Reaktion 60, 342, 752, 963 Meeresschwämme 951 MEERWEIN-PONNDORF-VERLEYReduktion 328 MEERWEIN-Salz 796 Melamin 656, 779 harze 767
 
 Melatonin 845 MELDRUM-Säure 265 Melittin 835 Menadion 749 Menthan(e), p- 941, 945 Menthol (1R,3R,4S)-(−)Synthese 959 Konfigurationsisomere 945
 
 Menthoxyacetylchlorid zur Racemattrennung 975
 
 Mercaptane Siehe Thiole Mercaptide Siehe Thiolate Mercaptoethanol aus Oxiran 239
 
 Merocyanine 732 MERRIFIELD-FestphasenSynthese der Peptide 780, 820
 
 Mersolate 938 Mescalin 851 Mesembrin 843 Mesitylen 128 aus Aceton 142
 
 mesoionische Fünfring-Heteroaromaten 684
 
 meso-Isomere (Formen) 277
 
 1007
 
 mesomere Effekte
 
 (+)-M-, (−)-M- 253 NMR, Verschiebung 13C- 537 1H- 505
 
 Mesomerie 83 des 1,3-Butadiens 83 des Benzens 122
 
 Mesomerieenergie des 1,3-Butadiens 84 des Benzens 121 polycyclischer Aromaten 177 von FünfringHeteroaromaten 658
 
 Mesomeriestabilisierung 84, 156 Mesoxalsäure -diethylester Phenylhydrazon 409
 
 Metallacyclopropene 622 Metall-Carben-Komplexe 183, 628 Metallcarbonyle für Synthesen 95, 183
 
 Metallchelate 606, 629 Chelat-Effekt 630 der 1,3-Diketone 345 Komplexbildungskonstante 630 Salcomine (Cosalene) 633 zur Metallanalytik 632
 
 Metallhydride, komplexe Reduktionsmittel 35, 217, 328
 
 Metallierung 195 von CH-Säuren 614 von Halogenalkanen 610 von Halogenbenzenen 152
 
 Metallkomplexe als Katalysatoren 632
 
 Metall-Metall-Austausch 611, 614 Metallocene 579, 620 Metallorganische Verbindungen 35, 606 Metalltemplate-Effekt 752 Metalltemplat-Effekt 631 Metall-Ylide 628 Metall-π-Komplexe 579, 583, 606, 619 des Benzens 620 Molekülorbital-Modelle 608 präparative Anwendungen 622 zur koordinativen Polymerisation 759
 
 Metamerie 230 Metaphosphate intermediäre 912
 
 Metathese Alken- 68 Katalysecyclus 628 Kreuz- 69 Ringöffnungs- 761 Ringschluß- 114, 636 Alkin- 778
 
 Methadon, (R)-(−)- 850 Methan 24, 57 Bindungsdaten 8 Molekülmodelle 8 Molekülorbital-Modell 11 NMR, 1H-Verschiebung 511 partielle Oxidation 38 Photochlorierung 39, 41, 193 Verbrennung 37 Verbrennungswärme 37
 
 Methanal 310 -hydrat 322
 
 Methanol 213 aus Brommethan 201 Diphenyl- 213 industr. Synthese 214 Molekülgeometrie 211 NMR-, 1H- 507 Triphenyl- 213
 
 Methanolyse 198 Methionin 786 Synthese 793 Transmethylierung 854
 
 Methoxy-Gruppen
 
 (−)-I-Effekt 173 quant. Bestimmung 236
 
 Methylalkohol Siehe Methanol Methylamin 370 Methyl-Anion 16 Methylenblau 738, 741 Methylen-Gruppe 54 Methylether aus Diazomethan 233
 
 Methyl-Gruppen diastereotope 286 enantiotope 286
 
 Methylierung erschöpfende von Aminen 389 Omit Diazomethan 233, 355 mit Dimethylsulfat 355
 
 Methyl-i-propylether 232 Methyl-Kation 16 Methylketone 93, 319 Haloform-Reaktion 193
 
 Methylorange 408 Methylphenylsulfid 417
 
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 1008
 
 Methylpropan Molekülmodelle 26
 
 Methylpropen Dimerisierung 69
 
 Methylpropylketon 310 Methyl-Radikal 15, 41 Methylthiophenium-Ion 671 Methylvinylether 234 Synthesen mit 239
 
 Methylvinylketon 310 Methyl-β-naphthylether 355 Mevalonsäure 943 Micellen 920, 932 MICHAEL-Addition 266, 305, 340, 345, 374, 641, 665, 707, 731, 779 MUKAIYAMA-Variante 603
 
 MICHLER-Hydrol und Keton 738 Milchsäure 293, 297 Racemattrennung 282
 
 Mineralsäureester 222 MITSUNOBU-Reaktion 301, 401, 637 Mohn 847 molecular modelling 25 Moleküldynamik 31 Molekülmasse, relative 544 Molekülmodelle Kalotten-, Kugel-Stab-, Stab- 8, 12, 14, 25, 26, 55, 85, 100, 102, 107, 119, 176, 230, 243, 271, 312, 368
 
 Molekülorbitale antibindende 6 bindende 6 des Benzens 123 σ- und π- 7
 
 Molekülschwingungen (IR) 487 asymmetrische und symmetrische 492 Bereiche 489
 
 Molekülspektren 478 Monochlormethan 39 Monodesmoside 972 Monohalogenbenzene Eigenschaften 149
 
 Monomere 70, 755 Monosaccharide 860 Borsäureester 886 Cyanhydrin-Synthese 871 Cyclohalbacetale 865 Konstitutionsbestimmung 883 O-Trimethylsilyl-Derivate 886 Reduktion 872 tosyloxy-aktivierte 882
 
 Sachregister
 
 Monoterpene acyclische 944 bicyclische 946 Biosynthese 943 monocyclische 944 Synthesen 957
 
 MONSANTO-Prozeß 796 Morphin 850 Biosynthese 854
 
 Morphinan 849 Morpholin 692 MUKAIYAMA-Aldol-Reaktion 602 MUKAIYAMA-MICHAELAddition 603
 
 MÜLLER-ROCHOW-Synthese der Halogensilane 597
 
 Multifloramin 849 Multipletts (NMR) 513 Multiplizität (NMR) 515 CH- 534 HH- 513
 
 Münchnone 685 Murexid 732 Muscarin(e) 851 Muscazon 851 Muscimol 851 Muskeladenylsäure 895 Mutarotation 867 Kinetik (13C-NMR) 870
 
 Mutterkorn 847 Mycomycin 97 Mycotoxine 916 Myoglobin Struktur und Funktion 837
 
 Myrcen(e) 944 Synthese 959
 
 Myricylalkohol Wachskomponente 928
 
 Myricylpalmitat 928 Myristinsäure 920 Myrrhe 945 N Nachbargruppen-Effekt 876 Nachweisreaktionen Aldehyde 340 Aldehyde und Ketone 327 Alkene 63 Alkohole 259 Amine 385, 430 primäre 385 primäre und sekundäre 388 Aminosäuren 803 Aminosäuren 800 Carbonsäuren 260 Diole, 1,2-cis- 886
 
 Halogenalkane 194, 444 Methylketone 193 Sulfonsäuren 430 Thiole 415 Zucker 878
 
 NADPH + H+ 943 NADPH+H+ 572 Nandrolon 970 Nanometer 479 Nanoröhren carbon nanotubes (CNTs) 184
 
 Naphthacen 175 Tetraphenyl-, 5,6,11,12- 574
 
 Naphthaldehyd, α- 316 Naphthalen(e) 126, 175 Acetyl-, 1- und 2- 179 carbonsäuren 241 Dimethylamino1- und 2-N,N- 174 elektrophile Substitutionen 178 mesomere Grenzformeln 176 Molekülmodelle 176 Nitro-, α- 179 NMR, 13C- 586 Oxidation 180 Reduktion (Hydrierung) 180 sulfonsäurechlorid, 5Dimethylamino 791 sulfonsäuren, α- und β- 179 Synthese 183 Zweitsubstitution elektrophile 179
 
 Naphthochinon(e) 1,2-, 1,4-, 2,6- 361 1,4- 749 4a,5,8,8a-Tetrahydro- 364 aus Naphthalenen 180 HOOKER-Oxidation 365 2,6- 362
 
 Naphthol α- 351, 360 BUCHERER-Reaktion 358 α-, β- 346 β- 352 Azo-Kupplung 409
 
 Naphthol-AS-Farbstoffe 728 Naphthonium-Ionen 178 Naphthylamin α- 179, 358, 360, 376 durch BUCHERER-Reaktion 360 β- 352 Naphthylorange, β- 409
 
 Naphthyridin(e) 649 Naproxen, (S)-(−)- 290 Narcotin 848 Natriumethanolat 221
 
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 Sachregister
 
 Natrium-Rubidium-tartrat 275 Naturkautschuk 957 NAZAROW-Cyclisierung 340 NBS Siehe Succinimid, N-BromNEBER-Umlagerung 451 NEF-Reaktion 313 zur Monosaccharid-Synthese 872
 
 Neoisomenthol 945 Neolanblau 729 Neomenthol 945 Neopinon 854 Neral 944 Nerolidol 947 Dehydro- 958 Synthese 958
 
 NESMEJANOW-Reaktion 403 Neuraminsäure N-Acetyl- 885, 930
 
 NEWMAN-Projektion 30, 277 Nicotin 843 Synthese 856
 
 Nicotinamid-adenin-dinucleotid Redox-Coenzym 572
 
 NIEWLAND-Katalysator 94 Ninhydrin-Reaktion 790 Nitrene Acyl- 379
 
 Nitrenium-Ionen 381, 447 Nitridotriessigsäure 800 Nitriersäure 155 Nitrierung der Alkane 51 des Anilins 161 des Benzens 155 des Naphthalens 178 des Nitrobenzens 163 monosubstituierter Benzene 166 von Alkanen 40 von Halogenbenzenen 162
 
 Nitrile 410 aus Carbonsäureamiden 257 Cycloadditionen 691 durchPhotocyanierung 561 IR-Absorption 492 Reduktion zu Aldehyden 314
 
 Nitriloxide als 1,3-Dipole 663
 
 Nitroaldol(e) Reaktion (Kondensation) 333
 
 Nitroalkane 51 Darstellung 40 zur NEF-Reaktion 313, 872
 
 Nitroalken(e) 333 Nitroanilin, o-, m-, p- 371
 
 1009
 
 Nitrobenzen 156
 
 (+)-M-Effekt 135 Nitrierung 137, 163 Reduktionsschema 410
 
 Nitroglycerin Siehe Glyceroltrinitrat Nitro-Gruppe
 
 Norcaradien Diaza- 720
 
 Norcaran 98 Darstellung 109
 
 Normorphin 854 NORRISH-Typ-I- und IIReaktionen 562
 
 (−)-M- und (−)-I-Effekt 135
 
 Noscapin Siehe Narcotin Novolacke 767 NOYORI-Hydrierung 290 Nucleasen
 
 Nachweisreagenz für Salpetersäure 685
 
 Nucleinsäuren 895
 
 Nitroguanidin 441 Nitrolacke 891 Nitromethan 40, 258 Nitron Nitrone 313 Nitronium-Ion als Elektrophil 155
 
 Nitronium-Salze 156 Nitrophenol, o-, m-, p- 168, 347 Acidität 354 Wasserstoffbrücken 349
 
 Nitrosamine, N- 386 Nitrosierung N- 386 nucleophiler Aromaten 386
 
 Nitrosoaniline, N- 455 Nitrosonium-Ion als Elektrophil 386
 
 Nitroso-Verbindungen [4+2]-Cycloaddition 640
 
 Nitro-Verbindungen IR-Absorption 492
 
 NMR(-) 479, 499 C- 531 H- 501 dynamische Effekte 511 FT- 501 Hochfeld- 527 Integral 503 Kreuzsignale 530 Signal 500 Signalzuordnung 526 Spektren 501 erster Ordnung 516 höherer Ordnung 516 temperaturabhängige 511 Spektrometer 500 Subspektren 534 zweidimensionale 530, 534
 
 13 1
 
 NOE (NMR) 529, 534, 812 -Differenzspektroskopie 529
 
 Nonan n- 24
 
 Norbornan 98 Norbornyltosylat 74
 
 Endo- und Exo- 899 Abbau 899 Basenpaarung, Basenstapelung 901 biologische Funktion 908 Fragmente 895 Klassifizierung 897 Sequenz 896
 
 Nucleobasen 713, 895 komplementäre 901 seltene 906 Tautomerie 900 Wasserstoffbrücken 901
 
 Nucleophil und Nucleofug 198 Nucleophile 23 harte und weiche 195 nackte 644 Übersicht 194
 
 Nucleophilie 160, 205 Aktivierung durch Komplexierung 207 des Benzen-Rings 136 Lösungsmitteleinflüsse 206
 
 Nucleoside 895 Synthese 909
 
 Nucleotide 895 Dissoziationsverhalten 901 Formulierung 896 Mono-, Oligo-, Poly- 897 Synthese 912
 
 NYLANDER-Reagenz 341 Nylon 766, 783 O Oberflächenaktivitität 919 Ocimen(e) 944 Octan Dimethyl-, 2,3- 34 n- 24
 
 Octanol (S)-(+)-2- 287 1- 213
 
 Octanzahl 33
 
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 1010
 
 Octatetraene, 1,3,5,7Elektrocyclisierung 460
 
 Octylsulfosuccinat Natriumdi-n- 429
 
 Öle aus Ölsaaten 921 etherische 941, 945
 
 Oleanan(e) 952 Oleanolsäure 953 OLED 777 Ölfarben Härtung 925
 
 Oligomere 755 Oligonucleotide Synthese 913, 914, 915
 
 Oligopeptide 805 Synthese 813
 
 Oligoradikale 757 Oligosaccharide 860, 887 Hydrolyse enzymkatalysierte 841
 
 Olivacin 846 Olivetol 960 Ölsäure 242, 262, 921, 925 Autoxidation 925 Hydrierung 924 -methylester Ozonolyse 927
 
 Onium-Ionen 198 Onium-Reaktion im Massenspektrum 547
 
 Onsäuren 873 Opium 847, 850 OPPENAUER-Oxidation 318, 328 Opsin 571 optische Aktivität 271 Orbitale Hybrid- 9 nicht bindende 7 p- 3 Endüberlappung 7 Phasenbeziehung 458 seitliche Überlappung 7 relative Radialausdehnung 3 s- 2
 
 Orbitalsymmetrie bei konzertierten Reaktionen 458
 
 Organocadmium-Verbindungen 320 Organometall-Verbindungen 606 Addition an Alkene 615 als Nucleophile 615 aus GRIGNARD-Reagenzien 610 Bindungszustand 607
 
 Sachregister
 
 Darstellung 609 Hydrolyse 613 Molekülorbital-Modelle 607 Reaktionen 612
 
 Organoschwefel-Verbindungen 412 Organosilicium-Verbindungen 595 Organostickstoff-Verbindungen 393 Organozinn-Verbindungen 197 Osazone 878 Osmiumtetroxid 65 Osotriazole 878 Östrogene Siehe Estrogene Ovulationshemmer 970 Oxa-COPE-Umlagerung 457 IRELAND-CLAISEN-Variante 603
 
 Oxadiazole, 1,2,3mesoionische 684
 
 Oxalsäure 242 Acidität 254 diarylester Chemolumineszenz 574 Herstellung 248
 
 Oxaphosphetan 330 Oxazan, 1,4- Siehe Morpholin Oxazin(e) Synthesen 691
 
 Oxazinium-Salze, 1,3- 691 Oxazol(e) Alkaloide 851 als 1,3-Diene 673 mesoionische 685 Synthese 660, 662, 663
 
 Oxazolin(e) 643 Oxazolon(e) mesoionische 685
 
 Oxenium-Ionen 350, 447 Oxepan(e) 229, 401, 636 Oxepin(e) Synthese 643, 719
 
 Oxetan(e) 229, 634 durch PATERNO-BÜCHI-Reaktion 567, 568 nucleophile Ringöffnung 618 Synthese 639
 
 Oxidation von Alkanen 37
 
 Oxime 326 BECKMANN-Umlagerung 380 durch Photooximierung 561 NEBER-Umlagerung 451
 
 Oxiran(e) 65, 182, 229, 397, 634, 643 aus Peroxysäuren 235
 
 Carbonsäureester, 2- 636 Hydroxyalkyl Enantiomere 291 nucleophile Ringöffnung 618 Ringöffnungen 642 Synthese 235, 638 Synthesen mit 239
 
 Oxiren 718 Oxocarbonsäuren durch FRIEDEL-CRAFTSAcylierung 246
 
 Oxo-Enol-Tautomerie 93, 267, 344 Analyse 307 durch NMR 503
 
 Oxoester Siehe Ketoester Oxokohlenstoff-Dianionen 577 Oxonin 720 Oxonium-Ionen und Salze 58, 221, 235 Carbenium-Ionen-Vorstufen 236
 
 Oxonole 732 Oxosäuren 299 α- 642, 795 α-, β-, γ- 302
 
 Oxygenierung des Häms 838
 
 Oxytocin 829 Ozon 66 loch 190
 
 Ozonide 66, 315 Ozonolyse 66, 315 ungesättigter Fettsäuren 927 von Alkenen 66, 315 von Alkinen 97
 
 P PAAL-KNORR-Synthese der Fünfring-Heteroaromaten 660 Umkehrung 678
 
 Palladium(0)-Komplexe 623 als Katalysatoren 68, 197
 
 Palladium-Komplexe zur BUCHWALD-HARTWIGReaktion 374, 625 zur HECK-Reaktion 623 zur STILLE-Kupplung 197 zur SUZUKI-Kupplung 197
 
 Palmitinsäure 262, 918, 920 -ester 928
 
 Palmitoleinsäure 921 Panaxoside Siehe Ginsenoside Papaverin 847 Papier 891 Paraffine 36
 
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 Sachregister
 
 Paraffinwachs 33 PASSERINI-Reaktion 336 Patchoulane 949 Patchoulen, α- 949 Patchoulenon 949 Patchouliöl 949 PATERNO-BÜCHI-Reaktion 567, 639 PAULING-Elektronegativität 18 PAULI-Prinzip 4, 515 PAUSON-KHAND-Reaktion 95 PCP 174 PCR 908 Pektine 892, 894 Pelargonidin 735 Pelargonsäure 920 Penicilline 832 Pentacen(e) 177 Synthese 183
 
 Pentadecan n- 24
 
 Pentadien-3-on, 1,4- 310 Pentadiene 1,2-, 1,3-, 1,4- 82 1,3- 474
 
 Pentakontan 24 Pentan 1-Brom- 223 Konstitutionsisomere 27 Methyl-, 2- und 3- 35 n- 24 Trimethyl-, 2,2,4- 70
 
 Pentan-1,4-dion 1-Phenyl- 335
 
 Pentanal 310 Pentandion, 2,4- 310, 344 NMR, 1H- 503
 
 Pentanol, 1- 213 Pentanon, 2- 310 Massenspektrum 550
 
 Penten 1durch En-Reaktion 68 1- und 2- 53 2- 76
 
 Pentenal, 5- 604 Pentensäure, 4Dimethyl-, 2,3anti- und syn- 604
 
 Pentin, 1- und 2- 89 Pentin-2-on, 3- 310 Pentosen 858 Pentulosen 860 PeptidAntibiotika 832
 
 1011
 
 Bindung 806 Konfiguration 806 Hormone 828 Kupplung 814 Sequenzierung 823 Synthese 813 exemplarische 819 Festphasen- 780, 820 Fragmentkondensation 820 MERRIFIELD- 820 Schutzgruppen 815 Strategie und Taktik 815 Toxine 834
 
 Peptide 410 chemische Modifikation 826 Depsi- 833 Konformation 806 Nomenklatur 805 Oligo- und Poly- 805 Reinigung 823 Primärstruktur 805 RÖNTGEN-Struktur 806, 812 Sekundärstruktur 806
 
 peri- 175 pericyclische Reaktionen 460 Periodat zur Glykol-Spaltung 883
 
 Periplanone 948 PERKIN-Reaktion 250, 338 Perlon 380, 765, 783 Permanganat 65, 97 Peroxide Chemolumineszenz 573 stabile 145
 
 Peroxycarbonsäuren 244 PETERSON-Alkenylierung 605 Petrolkoks 33 Pfefferminzöl 959 Pfeilgifte 848, 973 PFITZNER-MOFFATT-Oxidation 424, 881 Pflanzengummen 894 Pflanzeninhaltsstoffe Alant 894 Arnika 948 Artischocken 894 Baldrian 240, 948 Berberitze 848 Betelnuß 843 Bilsenkraut 844 Birke 957 Brechnußbaum 846 Campherbaum 946 Chrysanthemen 944 Cinchona-Baum 850 Cocastrauch 843, 844 Eibe 950
 
 Erdrauchgewächse 848 Eucalyptus 945, 946, 948 Fenchel 946 Fingerhut, roter 971, 972 Geranien 945 Ginseng 952 Goldregen 845 Hagebutte 955 Hanf, indischer 852, 947 Herbstzeitlose 852 Hopfen 944, 948 Huflattich 844 Immergrün 846 Ingwer 948 Jasmin 947 Johannisbeere, schwarze 945 Kaffee 714 Kakao 714 Kamille 948 Karotte 955 Kartoffel 951, 973 Kautschuk-Baum 957 Knoblauch 419 Lavendel 944 Liliengewächse 849 Lupine 845 Maiglöckchen 971 Mais 955 Mandarinen 945 Mandeln, bittere 888 Maté 714, 953 Maulbeerbaum 957 Meerträubel 851 Melisse 944 Mohn 849, 850 Myrrhe 945 Nachtschattengewächse 973 Nadelbäume 946 Orangen 945 Orchideen 844 Paprika 955 Passionsblume 846 Patchoulistrauch 949 Petersilie 885 Peyotl-Kaktus 851 Pfeffer 843 Pfefferminze 945 Ricinus 843 Rosen 944, 947 Rosmarin 946 Salbei 946, 949 Schierling 843 Schlafmohn 847, 850 Schöllkraut 849 Seifenbaum, chilenischer 953 Sellerie 885, 948 Senf 875 Soja 966 Steppenraute 846 Tabak 843, 957
 
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 1012
 
 Pflanzeninhaltsstoffe Tannen 945, 950 Tee 714 Thuja 946 Thymian 945 Tollkirsche 844 Tomate 955, 973 Weide 240, 875 Weihrauch 953 Wermut 948 Wolfsmilchgewächse 953 Yohimbehe-Baum 847 Zitronen 946 Zuckerrohr 887 Zuckerrübe 889 Zwiebel 412, 419 Zypresse 949
 
 Pflanzenöle 923, 924, 951, 956 Pflanzenschutz 941 Phalaenopsin 844 Phalloidin 834 Phasentransfer-Katalyse 207 Phenalenon, 1- 571 Phenanthren 126, 175, 564 Benzo[c]- 175 Brom-, 9- 181 Reaktionen 180 Synthese 183
 
 Phenanthrenchinon 9,10- 181, 361 Synthese 362
 
 Phenanthridin 695 Phenanthrolin(e) 649 Phenazin(e) Farbstoffe 740 Synthesen 697
 
 Phenol(e) 210, 347 Acidität Substituenteinflüsse 354 Acyl-, o- und p- 454 Alkyl-, p- 238 als Antioxidantien 925 als Enole 356 Amino-, o- 376 aus Anilinen 352 aus Aryldiazonium-Salzen 404 aus Chlorbenzenen 351 aus Halogenaromaten 168 aus Sulfonaten 351 Azo-Kupplung 409 Dialkyl-, 3,4- 352 durch Oxidation 351 elektrophile Substitutionen 358 -Formaldehyd-Harze 358 HOCK-Synthese 349 Kupplung, oxidative 854 Mesomerie und Acidität 352
 
 Sachregister
 
 Nitro-, oNMR, 1H- 522 Nomenklatur 346 Oxidation 356 physikalische Eigenschaften 347 Reaktionen 355 substituierte Darstellung 358 Tri-t-butyl-, 2,4,6- 357 Veresterung 355 Veretherung 355
 
 Phenolat-Anion Mesomerie 353
 
 Phenolester 355 Phenolether 229, 355, 396 Darstellung 232
 
 Phenolphthalein 739 Phenone 309 o- und p-Hydroxy- 454
 
 Phenonium-Ionen 131, 154, 157, 159, 161, 447 mesomeriestabilisierte 350
 
 Phenonium-Salze 139 Phenoplaste 766 Phenothiazin(e) 699 Farbstoffe 740
 
 Phenoxazin(e) 699 Farbstoffe 740
 
 Phenoxazon -Farbstoffe 741
 
 Phenoxyl-Radikal 2,4,6-Tri-t-butyl- 357
 
 Phenylalanin 786 Anticodon, Codon 908 Dihydroxy- 796 Synthese 794
 
 Phenylalkane 129 Phenylalkene 129 Phenylalkine 129 Phenylboronsäure 197 Phenyldiazonium-Salze 172 Phenyldiazonium-tetrafluorborat 402 Phenylendiamin, o-, m-, p- 367, 371 Phenylessigsäure 242 NMR, 1H- 501, 502
 
 Phenylethylamin(e) 1- 378 Alkaloide 851
 
 Phenylglyoxal Darstellung 313
 
 Phenylhydrazine aus Halogenaromaten 168
 
 Phenyllithium Bildung 152
 
 Phenylmagnesiumbromid 197 p-Chlor- 152
 
 Phenylquecksilberchlorid 403 Pheromone 941, 944 Alarm- 603, 804 Sexual- 625, 946, 948, 970
 
 Phloroglucin 356 Phosgen Herstellung 433 Reaktionen 434
 
 Phosphabenzen(e) 688, 703 Phosphatide 917, 929 Sphingo- 930
 
 Phosphite zur Nucleotid-Synthese] 915
 
 Phosphonsäurediester 331 Phosphoramidite zur Nucleotid-Synthese 915
 
 Phosphoreszenz 557 Phosphorsäure -ester 910, 911 -esterhalogenide 910
 
 Phosphortrihalogenide zur Halogenierung 191
 
 Phosphorylierungen 910 Reagenzien 912
 
 Photochlorierung geschwindigkeitsbestimmender Schritt 47
 
 Photochromie 734 Photocyclisierungen Orientierungen 465
 
 Photodissoziation 556 Photohalogenierung von Alkanen 39, 560
 
 Photolyse des Wassers 572
 
 Photometrie 486, 632 Photoreaktionen Addition 565 Anregung 555 Cyanierung 561 Cyclisierung 564 Cycloaddition 68, 467, 566 Cycloreversion 569 Dehydrierung 569 Dehydrocyclisierung 564 Dimerisierung 568 Di-π-Methan-Umlagerung 563, 1027 Fragmentierungen 562 Halogenierung 560 Hydrierung 571 Hydroperoxidation 569 Isomerisierungen trans-cis- 563 Nitrosierung 561
 
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 Sachregister
 
 Oximierung 561 Reduktion 570 Sulfoxidation 562 Transannular-Peroxidation 570 Valenztautomerisierung 564
 
 Photosensibilisierung 558 Photosulfochlorierung von Alkanen 40
 
 Photosynthese 858, 891 Licht- und Dunkelreaktion 572
 
 Phthalazin(e) 696 -1,4-dion 573
 
 Phthaldialdehyd, o- 310 Phthaleine 739 Phthalimid 752 als N-Nucleophil 269, 373 Tetrahydro- 270
 
 Phthalocyanin(e) 750 Metallchelate 753 Synthesen 752
 
 Phthalodinitril 752 Phthalsäure 242 -anhydrid 257, 268, 752 aus Naphthalen 180 Tetrahydro- 270 -ester Weichmacher 781 -halbester-Methode zur Racemattrennung 284 Herstellung 247 hydrazid 3-Amino- 573
 
 Phytan(e) 949 Phytohormone 713, 942, 950 Phytol 754, 949 Picolin, α-, β-, γ- 686 PICTET-SPENGLER-Synthese der Isochinoline 695, 857
 
 Pigmente 723 Pikrate 385 Pikrinsäure 347, 385 Pilzfarbstoffe 749 Pilzinhaltsstoffe 834, 845, 851 Fliegenpilz 851 Gibberella fujikuroi 950 Hefe 966 Knollenblätterpilz 834 Mutterkorn 847 Reizker, echter 948 Schimmelpilze 697, 916 Streptomyces 885 Trüffel 970 Zauberpilz, mexikanischer 845
 
 Pilztoxine 834 Pimaran(e) 950 Pimarsäure 950
 
 1013
 
 Pimelinsäure 242 Pinacyanol 731, 733 PinakolReaktion von CarbonylVerbindungen 220 Umlagerung 228, 448
 
 Pinen αHC-Korrelation (NMR) 534 α- und β- 946
 
 Pinocarvon 946 Piperazine Dioxo- 794, 796, 801
 
 Piperidin(e) 257, 370 Alkaloide 843 aus Pyridinen 640 Inversion 636
 
 Piperidinocyclohexen, 1- 327 Piperin 843 Piperinsäure 843 Pivalinsäure Siehe Propansäure, 2,2-DimethylPivaloylSchutzgruppe 879
 
 Plastochinone (PQ) 956 Platforming-Prozeß 130 Platinmetalle Alken-Komplexe 621 Alkin-Komplexe 622 Katalysatoren 61
 
 Plexiglas (Acrylglas) 782 Polarimeter 271 Polarität chemischer Verbindungen 19
 
 Polyacrylnitril 94 Polyacylierung 765 Polyadditionen 763 Polyalkane Konformere 772
 
 Polyalkene cis-trans-Isomerie 770
 
 Polyamid(e) 765 -Fasern Färbung 727
 
 Polyamine Metallchelate 630
 
 Polyarylenethene (PAVs) 777 Polyarylenethine (PAEs) 777 Polycarbonate 765 Polychloropren 95 Polychlorphenole 174 Polycyclen Nomenklatur 98
 
 Polydialkylsiloxane Silicone 605
 
 Polydiene Vulkanisation 763
 
 Polyene Lichtabsorption 484
 
 Polyenfettsäuren 921 UV-Absorption 926
 
 Polyester 764, 783 durch Umesterung 262
 
 Polyethen 755, 782 Idealstruktur 773
 
 Polyether 239 Polyethylen Siehe Polyethen Polyethylenglykol als Polymerträger 822 aus Oxiran 239 sulfate als Tenside 939
 
 Polyfluoralkane 70, 191, 782 Polyharnstoffe 764 Polyinsertion 760 Polyisopren cis- 782, 957 trans- 957
 
 Polyketide 749 Polykondensation 764, 766 Polymerase-Kettenreaktion 908 Polymere 70, 755 Bio- 890 Co- und Uni- 762 Diaden, Triaden 770 Dien- 763 Elastizität und Plastizität 774 elektrolumineszente 777 Hetero- und Homo- 762 Konstitutionsisomerie 769 Kristallinität 772 lebende 761 Quellbarkeit 774 Reaktionen 774 synthetische 755 Taktizität 770 Träger 780 ungesättigte 755 Vernetzung 762 Verzweigung 769
 
 Polymerisationen 67, 70, 755 acylische Dien-Metathese 761 anionische 759 Dien-, 1,3- 755 Epoxid- 761 Fällungs-, Massen-, Perl- 758 kationische 758 koordinative 759 radikalische 756 Regler und Inhibitoren 757
 
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 1014
 
 Polymerisationen RingöffnungsMetathese 761 Starter-Radikale 259 Vinyl- 755
 
 Polymerträger 822 Polymethin-Farbstoffe 731 Anwendungen 733 photochrome 734 Synthese 732
 
 Polymorphie 923 Polynucleotide 895 Homo- 896
 
 Polyole 210, 858, 872 Polypentofuranose-3´,5´phosphat in Nucleinsäuren 895
 
 Polyporsäure 749 Polypropen 70, 782 Polypropylen Siehe Polypropen Polysaccharide 890 Hetero- und Homo- 860 Muco- 893
 
 Polystyren 782 Azido- 775 Chlormethyl- 776 elektrophile Substitution 776 NMR-Spektren, 13C- 770 Taktizität 770
 
 Polystyren-Divinylbenzen -Copolymer 782 Chlormethylierung 780 -Perlpolymerisate 776
 
 Polystyrol Siehe Polystyren Polyterpene 957 Polytetrafluorethen 70, 190, 782 Polyumesterung 765 Polyurethane 764, 783 Schaumstoffe 781
 
 Polyvinylalkohol 775 Polyvinylchlorid (PVC) 70, 93, 188, 782
 
 POMERANZ-FRITSCH-Synthese der Isochinoline 695
 
 Pomolsäure 953 Porphin 674, 750 Porphycene 752 Porphyrin(e) 750 Aromatizität 750 Chelatliganden 750 Hexahydro- 674 Isomere 752 Synthesen 751
 
 Porphyrinoide natürliche 754
 
 Prednison 969
 
 Sachregister
 
 Pregnan(e) 966 Pregnenolon 968 PRELOG-STOLLAcyloin-Synthese 115
 
 Prenylchinone 955 PRILEZHAEV-Epoxidation 235, 638 Primärstruktur der Peptide und Proteine 805, 838
 
 Primin 749 PRINS-Reaktion 65 Prioritätenfolge zur CAHN-INGOLD-PRELOGKonvention 273
 
 Prisman 118 Prochiralität 285 Progesteron 968, 969 Prolactin 828 Prolin 786, 804 Promotion von Elektronen 8
 
 Pronuciferin 849 Propan 24 Molekülmodelle 25 sulfonsäure, 1-, 2-Methyl- 428
 
 Propan-2-thiol 2-Methyl- 414
 
 Propanal 310 Propandial Siehe Malondialdehyd Propandiol 1,2- 213
 
 Propanol 1- 213 2-Methyl- 216, 217, 264 2-Methyl-1-phenyl- 217 2- 64, 213, 215 1-PhenylEnantiomere 287 nucleophile Substitutionen 287 2-Methyl- 64, 202, 213, 215
 
 Propanon 310 Propansäure 2,2-Dimethyl- 246
 
 Propanthiol, 1- 412 Propantriol 1,2,3- 213
 
 Propellan 118 Propen 53, 57, 59 1,1-Diphenyl- 330 1,2-Diphenyl-1-, (E)- und (Z)- 78 En-Reaktion 270 Methyl- 58, 225 Polymerisation 70
 
 Propen-1-ol 2- 213
 
 Propenal 310 Propensäure 242 chlorid 256 Diphenyl-, 3,3- 338 ester 94, 339
 
 Propenyl-Gruppe 54 Propin 89 Propinal 310 Propiolacton, β- 301 Propiolaldehyd 310 Propionaldehyd 310 β-Bromdiethylacetal 323
 
 Propionitril Dimethylamino-, β-N,N- 374
 
 Propionsäure 242 Benzoyl-, β- 246 Chlor-, α- und β- 294 Herstellung 245 Phenyl-, β- 249
 
 Propiophenon 310 Propylalkohol Siehe Propanol, 1Propylamin, n- 370 Propylendiamin 370 pro-R -, pro-S- 285 Prostaglandine 921 prosthetische Gruppe 837 Proteine 805 Biosynthese 909 Klassifizierung 835 konjugierte, nicht konjugierte 835 Membran- 936 Partialsequenzen 824 Primärstruktur 838 Quartärstruktur 837 Sekundärstruktur 837 Struktur 812 Tertiärstruktur 837
 
 Proteinfasern Färbung 727 Seide 812
 
 Proteomics 826 Protonen-Verschiebung (NMR) Anisotropieeffekte 504 Bereiche, Übersicht 511 Chiralitätseffekte 509 induktive Effekte 504 Mesomerieeffekte 506 Ringstromeffekt 505 sterische Effekte 507 Temperatureffekte 509 Wasserstoffbrücken-Effekte 507
 
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 Sachregister
 
 PSCHORR-Variante der GOMBERG-BACHMANNReaktion 404
 
 Pseudoionon 961 Psicose 860 Psilocin, Psilocybin 845 Pteridin(e) 715 nucleophile Additionen 717 Ringöffnung 717 Synthese 716
 
 Pterin(e) 715 PUMMERER-Umlagerung 424 Purin(e) 713 Acidität 716 Alkylierung 716 elektrophile Substitutionen 718 Nucleobasen 896, 906 nucleophile Substitutionen 718 Ringöffnung 717 Stimulantien 714 Synthesen 713 Tautomerie 900
 
 Purpur, antiker 749 Purpurogallin 593 Putrescin 852 PVC Siehe Polyvinylchlorid Pyran 2,3-Dihydro-4H- 639, 643 2H- und 4-H- 636 Benzo-, -Derivate 946 Konstitutionsisomere 229
 
 Pyranosen 863 NMR-Daten 869 Sessel-Konformere 4C1 und 1C4 868
 
 Pyrazin(e) Synthesen 691
 
 Pyrazino[2,3-d]pyrimidin Siehe Pteridin Pyrazol(e) aus Diazoalkanen 397 aus Diazoestern 398 Nitrierung 676 Ring-Vinyloge 720 Synthese 661, 663, 665, 684 Festphasen- 780 Tautomerie 652
 
 Pyrazolin(e) 639 Pyrazolon(e), 5- 304 NMR-Spektren, 13C- 654 Synthesen 661 Tautomerie 653
 
 Pyren 175 Benzo[a]- 175
 
 1015
 
 Pyridazin(e) 6-on 4,5-Dichlor-1,6-dihydro- 729 Synthesen 690
 
 Pyridin(e) 127, 646 aldehyd, 2Darstellung 312 Alkaloide 843 Alkylierungen, Phenylierungen 619, 703 Amino- 703 aus Alkinen und Nitrilen 686 Basizität 699 -carbonsäuren 241 Cyano- 704 Dehydro- 704 dicarbonsäure, 2,3- 247, 708 Dihydro1,2- 702 Dimethylamino-, 4Acylierungskatalysator 699 elektrophile Substitutionen 704 HANTZSCH-Synthese 687 Hetero-Analoge 688 katalytische Hydrierung 640 Ladungsdichte-Verteilung 658 Mesomerie 658 Molekülorbital-Modell 659 NMR, Verschiebungen 659 N-Oxide 386, 701 elektrophile Substitution 705 nucleophile Substitutionen 703 Ringvinyloge 721 Stickstoff-Nucleophile 700 substituierte Tautomerie 655 Synthesen 673, 686
 
 Pyridinium-Salze 701 Reaktionen 702 zur Etherspaltung 237
 
 Pyridon(e), 2- 654, 702, 843 Pyridyn(e) 704 Pyrimidin(e) Basizität 700 elektrophile Substitution 705 HydroxyTautomerie 655 Nucleobasen 896, 906 substituierte Tautomerie 656 Synthesen 690, 703 Tautomerie 900 Triamino- 714
 
 Pyrokohlensäure -di-t-butylester 802
 
 Pyrone 659 Cycloadditionen 701 γ- 707 Aromatizität 705 Synthese 689
 
 Pyrrol(e) 127, 646 Acidität 671 aldehyd, -2- 317, 678, 680 Bindungsdaten 658 elektrophile Substitution 674 KNORR-Synthese 664 Mesomerie 656 Metallierung 671 NMR, Verschiebungen 658 Protonierung 670 REIMER-THIEMANNFormylierung 678 Synthesen 660, 662, 664, 685
 
 Pyrrolidin(e) 257 Alkaloide 843 Dimethyl-, 1,2- 391 Methyl-, N- 389
 
 Pyrrolin(e) 643 Pyrrolizidin(e) 712 Alkaloide 844
 
 Pyrrolizin(e) 3H- 712
 
 Pyrrylmagnesiumhalogenide 672 Pyruvat 293 PyryliumIonen und Salze 646, 659 Reaktionen 702 Synthese 688
 
 Q Quadratsäure 577 Quantelung der Energie 2
 
 Quantenausbeute 42, 559 quantitative Analyse IR 497 NMR 503 UV-Vis (Photometrie) 486
 
 Quartärstruktur der Proteine 837
 
 Quaternisierung heterocyclischer Imine 679 tertiärer Amine 389
 
 Quellung von Polymeren 774
 
 Quencher 559 Quench-Reaktion 558 Quercetin 735 Quillaja säure und -Saponine 953
 
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 1016
 
 R Racemat 275 Trennung 282, 797, 960, 975 chromatographische 285, 799 enzymatische 284, 799 gaschromatographische 889
 
 racemische Basen Trennung 283
 
 racemische Säuren Trennung 282
 
 Racemisierung 288 Radialen 118 Radikale 15, 479 Allyl- 189 Benzyl- 144 Initiator- 400, 756 mesomeriestabilisierte 87, 144, 357 Methyl- 15 Paare 454 relative Stabilität 49 sterisch stabilisierte 49 Triphenylmethyl- 144
 
 radikalische Substitutionen 41 Mechanismen 51
 
 RADZISZEWSKI-Synthese der Imidazole 661
 
 Raffinose 889 RAMACHANDRAN-Diagramm 808 RAMAN-aktiv 497 RAMAN-Spektroskopie 497 RAMBERG-BÄCKLUND-Reaktion 426 RAMP, SAMP 804 RANEY-Nickel 61 -Entschwefelung 420
 
 Rapsölmethylester 924 RASCHIG-Prozeß 351 Rausch- und Suchtstoffe 214, 844, 850, 851, 947 Reaktionen elektrocyclische 460 WOODWARD-HOFFMANNRegeln 462 sigmatrope WOODWARD-HOFFMANNRegeln 471
 
 Reaktionsgeschwindigkeit 46 Reaktionsmechanismen 41 E1- 72 E2- 76 Ei- 391 SN1- 201, 231, 237 Racemisierung 288 stereochem. Verlauf 202
 
 Sachregister
 
 SN1- und SN2 199 Konkurrenz 207 SN2- 231, 237, 882 stereochem. Verlauf 200 Übergangszustände 199 WALDEN-Umkehr 287, 401 SN2'- 208 SNAr1- 171 SNAr2- 169 SNi- 209 SR- 41
 
 Reaktionswärme 1, 43 Reaktiv-Farbstoffe 730 Reaktiv-Gruppen zur Textilfärbung 729
 
 Reaktivität bei nucleophilen Substitutionen 203 relative der Alkene bei Additionen 79 und Selektivität 49
 
 Rearomatisierung 131, 155, 162, 164 Redoxite 777 reduktive Aminierung 377, 795 REFORMATSKY-Reaktion 299, 617 Regioselektivität 48 der Dehydratisierung 73 elektrophiler Additionen 80 elektrophiler Zweitsubstitutionen 136, 161, 165, 179, 675 Lösemitteleinflüsse 166 Substituenteffekte 138 Temperatureinflüsse 166
 
 REIMER-TIEMANNFormylierung 318 von Pyrrol 678
 
 Rekombination von Radikalen 42
 
 Remazolgoldgelb 731 Replikation der DNA 907
 
 REPPE-Synthesen 94 Re-Seite 286 Reserpin 847 Resite 767 Resonanz Siehe Mesomerie Resonanzenergie Siehe Mesomerieenergie Resorcin 347 Pentyl-, 5- 960
 
 Retention 287, 475 Reticulin 848, 854 biogenetische MorphinVorstufe 853
 
 Biosynthese 853
 
 Retinal 949, 963 11-cis- und 11-trans- 571
 
 Retinol 949 -acetat Retrosynthese 961 Synthese 963
 
 Retro-DIELS-ALDERReaktion 470 im Massenspektrum 549
 
 Retrosynthese 960, 974 Rhamnose 884 Rhodopsin 571 Riboflavin 715 Ribonucleinsäuren 896 messenger (m-RNA) 908 Struktur 907 transfer (t-RNA) 908
 
 Ribonucleotide 913 Ribopyranosid Methyl-β-DOxidation 881
 
 Ribose 859, 895 D- 861
 
 Ribosomen 909 Ribulose 860 -diphosphat, 1,5- 572
 
 Richtungsquantelung 500 Ricinin 843 Ricinolsäure 922 Ricinusöl 843, 922 Riechstoffe Synthesen 301, 637, 957
 
 RILEY-Oxidation 313, 319 Ringatmungs-Schwingung (IR) 498
 
 Ringe benzoide und chinoide 177 große und mittlere Synthese 115 reizvolle 118
 
 Ringerweiterung 449, 640 Ring-Homologisierung 113 Ringinversion des Cyclohexans 103
 
 Ringöffnungen 116 Ringöffnungs-Metathese 761 Ringschluß-Metathese 114 Ringspannung 99, 113, 116 Einfluß auf CHKopplungskonstante 539 Nachweis durch IR 495
 
 Ringstrom-Modell (NMR) 505 Ringverengung 449, 452, 562, 582
 
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 Sachregister
 
 RNA, RNS 896 ROBINSON-Anellierung 340 ROBINSON-SCHÖPF-Synthese von Tropan-3-on 856
 
 ROBINSON-Synthese der Flavylium-Salze 698
 
 Rohr- und Rübenzucker Siehe Saccharose ROSENMUND-Reduktion 260, 314 Rotation, behinderte 511 Rotationsbarriere 31 Rotationsdispersion optische (ORD) 479
 
 ROTHEMUND-TREIBS-Synthese der Porphyrine 751
 
 Rubren 574 RUGGLI-ZIEGLERVerdünnungsprinzip 115, 233
 
 Rutheniumtetroxid 97 S Saccharin Herstellung 431
 
 Saccharose 858, 887, 888 Safranin T 740 Sägebock-Projektion 30 SAKURAI-Reaktion 604 Salcomine 633 Salicin 875 Salicylaldehyd 310, 347 5-Nitro- 734 Wasserstoffbrücke 349
 
 Salicylaldimin N-Cyclohexyl- 325
 
 Salicylalkohol 875 Salicylsäure 241, 242, 253, 347 Acetyl- (Aspirin) 347, 355 -methylester 347 Kinetik der Verseifung 487 Phenylazo- 728 Synthese 246
 
 Salpetersäureester (Nitrate) 410 Salpetrigsäureester (Nitrite) 410 Salutaridin 854 Samandarin, (+ )- 973 SAMP-Hydrazone 804 SANDMEYER-Reaktion 152, 171, 402 Sandwich-π-Komplexe 584, 620 SANGER-Reagenz 170, 791 Sapogenine 952, 972 Saponine 952, 972 Sarkosin 784, 832
 
 1017
 
 SAUERMILCH-Oxidation 312 des 2-Methylpyridins 707
 
 Sauerstoff Fixierung durch Häm 837
 
 Säure-Base-Reaktionen 23 Säuren 23 CH- 91, 265
 
 Säurezahl 925 SAYTZEFF-Regel 74, 226 Scaffold 822 Scalaran, Scalarin 951 Scavenger 817 Schaumgummi 781 Schaumstoffe 781 Schießbaumwolle 891 SCHIFF-Basen 325 Schlafmohn 850 Schlangengift 834, 929 SCHLENK-Gleichgewicht 195 Schlepper 254 Schmelzpunkt 22 Schmetterlinge Flügelpigmente 715
 
 SCHMIDT (K.F.) -Reaktion der Carbonsäuren 379, 450 der Ketone 380, 451
 
 SCHMIDT (R.R.) -Synthese der Glycoside 876
 
 SCHMIDT-STAUDINGER-Regel 85 Schmierseife 262 SCHOTTEN-BAUMANNBenzoylierung 259
 
 SCHRÖDINGER-Gleichung 2 Schutzgruppen für Amino- 816 für Aminosäuren 816 für Carbonyl- 324, 641 für Carboxy- 816 für Hydroxyin Alkoholen 238 in Nucleosiden 909 Urethan- 816
 
 Schwangerschaftshormone 969 Schwefelkohlenstoff 444 Schwefeltrioxid als Elektrophil 156
 
 SCHWEIZERs Reagenz 891 Schwingungsspektroskopie 487 s-cis- 85 Scopolamin 844 Sebacinsäure 242 Sechsring-Synthesen 88, 111, 463 Sedoheptulose 872
 
 Seetang Inhaltsstoffe 893
 
 Sehpurpur 571 Sehvorgang 571 Seide, Natur- 812 Seidenspinner 957 Seifen 262, 924 Seitendifferenzierung 290, 292, 796 Seitenketten-Schutzgruppen 818 Sekundärstruktur der Peptide und Proteine 806, 837
 
 Selenazol 646 Selenophen 646 Selinen, α-, β- 948 Semicarbazid 442 Semicarbazone 326, 442 Semichinon-Radikal-Anion 364 Seneciosäure 944 Senföle 435 Sensibilisatoren zur Photographie 734
 
 Sequenz Peptid-, Protein- 805, 838
 
 Serin 786 Synthese 796
 
 Serinkephalin 929 Serotonin 845 Sesquiterpen(e) acyclische 947 bi- und polycyclische 948 lactone 948 monocyclische 947 Synthesen 957
 
 Sessel-Konformer des Cyclohexans 102
 
 Sesterterpene 951 Seveso-Dioxin 174 Sexualhormone 969 SHAPIRO-Reaktion 344 SHARPLESS-Epoxidation der Allylalkohole 291
 
 SHOOLERY-Regel (NMR) 511 Sialinsäure 885, 930 Siderophore 802 Siebenring-Synthesen 113 Siedepunkt 22 sigmatrope Reaktionen (Verschiebungen) 111, 117, 470, 667
 
 Signalaufspaltung (NMR) 514 Signalfarben 741
 
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 1018
 
 Silabenzen(e) 596 Silan(e) 595 AlkinylDarstellung 598 Spaltung 600 AllylDarstellung 597 SAKURAI-Reaktion 604 ArylDarstellung 597 Spaltung 600 DichlorDialkyl- und Diaryl- 605 Enantiomere 279 Halogen- 596 Tetraalkyl- 598 Trialkyl- 598
 
 Silanol(e) Trimethyl- 598
 
 Silazan(e) Hexamethyldi- 600
 
 Sildenafil (Viagra) 652 Silene, Disilene 596 Silicone Polydialkylsiloxane 605
 
 Silicontenside 939 Siline, Disiline 596 Siloxan(e) Hexamethyldi- 598
 
 Siloxyalkene 601 Silylenolether 264, 599 als Synthesereagenzien 601
 
 SIMMONS-SMITHReaktion 109, 615
 
 SIMONIS-Synthese der Flavone 698
 
 Singulett -Sauerstoff 477 -Zustand 556
 
 Sinigrin 875 Si-Seite 286 SKRAUP-Synthese der Chinoline 693
 
 Skunk-Sekret 412 Slaframin 845 SN1 und SN2 Siehe Reaktionsmechanismen Sojabohnen 929, 966 Solanin 974 Solasodin 974 Solvatation 21 Solvatochromie 483 Solvolysen 198, 208 SOMMELET-HAUSERUmlagerung 455
 
 SONOGASHIRA-Reaktion 96, 624
 
 Sachregister
 
 Sorbit, D- 873 Sorbose 860, 873 SORET-Bande 750 Speed 851 Speisefette 923 Spermidin 852, 972 Spermin 852 Sphingo -glycolipide 930 -lipide 929 -myeline 930
 
 Sphingosin 929 Spiegelbildisomere 271 SpinEntkopplung (NMR) 528 Spin-Kopplung (NMR) 514 Systeme (NMR) A3X2 516 AA´XX´ 522 AB 516 ABC 528 AX 515
 
 Spirocyclen Enantiomere 280 Nomenklatur 98
 
 Spirostane 972 Split-Mix-Methodik der kombinatorischen Synthese 822
 
 Squalamin 972 Squalen 951 SSS-Reaktion 143, 148 Stannane 197, 611 Stärke 891 enzymatische Spaltung 887 lösliche 892 Nachweis 892
 
 Startreaktion der Photohalogenierung 41, 43 der Polymerisation 756
 
 Stearinsäure 262, 918, 920 Tuberkulo- 921
 
 Steinkohle Verkokung 129
 
 Steinkohlenteer 686 Stereoisomere Diastereomere und Enantiomere 277
 
 stereokonservative Reaktionen 287
 
 stereoselektive Reaktionen 57
 
 Stereoselektivität 65 Beispiele 289 von Additionen 81 von β-Eliminierungen 78
 
 Stereospezifität Beispiele 289 der SN2-Reaktion 201 elektrocyclischer Reaktionen 460 von DIELS-ALDER-Reaktionen 468
 
 Sterine Siehe Sterole sterische Effekte auf die Konformation 31 bei nucleophilen Substitutionen 203
 
 Sternpolymere 775 Steroid(e) Alkaloide 972 Amino- 973 Biosynthese 951 cis- und trans-Verknüpfung 966 Duftstoffe 970 Grundskelette 964 Hormone 968 Saponine 972 Stereoisomere 966 Synthese 974
 
 Sterole 964, 966 Sterone 964 STETTER-Reaktion 335 STEVENS-Umlagerung 453 Stigmastan(e) 966 Stigmasterol 966 Stilben(e) cis- und trans- 129 UV-Maxima 485 Diamino-, 4,4´- 726 2,2´-disulfonsäure 726 Photodehydrocyclisierung 564 Photoisomerisierung 563
 
 STILLE-Kupplung 197, 624 Stipitatsäure 593 Stoffklasse 1 STORK-Enamin-Alkylierung 327 s-trans 85 STRECKER-Synthese der Aminosäuren 792
 
 Streptocyanine 731 Streptomycin 885 Streptose 881 Stroh 890 Strophantidin 971 Strychnin 282, 846 STUART-BRIEGLEBKalottenmodelle 25 Styren 129 4-Chlor- 148 Nitro-, β-, (E)- 333
 
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 Sachregister
 
 Synthese 146 Trimethylsilyloxy-, α- 599
 
 Styrol Siehe Styren Suberinsäure 242 Substituenten aktivierende und desaktivierende 136, 160
 
 Substituenteneffekte
 
 (+)-I- und (−)-I- 51, 72, 133, 212 (+)-M- 327 (+)-M- und (−)-M- 131, 134 (+)-M, (−)-M, (−)-I- 160, 163, 179 an Heteroaromaten Fünfring- 675 Sechsring 705 auf die Lichtabsorption 483 auf die Regioselektivität 138 mesomere 136 NMR 13C- 537 1H- 506
 
 Substitutionen, elektrophile an Aromaten 131 Beispiele 150, 178 an Heteroaromaten Fünfring- 673 benzokondensierten 681 Sechsring- 704 benzokondensierten 710 an Polymeren 775 Azo-Kupplung 406 der Metallocene 580 der Phenole 358 der Purine 718 des Anilins 392 des Anthracens 181 des Naphthalens 178 des Phenanthrens 181 Mechanismus 154, 675 Regioselektivität 161, 675
 
 Substitutionen, nucleophile an Heteroaromaten Fünfring- 677 Sechsring- 703 benzokondensierten 709 an Kohlenhydraten 882 bimolekulare 169, 199 des Tropylium-Ions 582 Einfluß der Abgangsgruppe 204 elektronische Einflüsse 204 Eliminierungs-AdditionsMechanismus 172 Lösemitteleinflüsse 206 Mechanismen 167, 199 monomolekulare 172, 201 Stoß- und Zugmechanismus 642 Substituenteneffekte 170
 
 1019
 
 Übersicht 199 von Glycosylhalogeniden 876 von Halogenalkanen 91, 195, 198 Mechanismen 199 von Halogenaromaten 167 Mechanismen 167 von Halogenpurinen 718 von Halogensilanen 598
 
 Substitutionen, radikalische in Allyl-Stellung 189 in Benzyl-Stellung 143, 189 in der Seitenkette von Aromaten 143 Mechanismen 51 von Alkanen 40, 41, 186 von Alkenen 67
 
 Succinanhydrid Siehe Bernsteinsäureanhydrid Succindialdehyd 310 Succinimid 269 N-Brom- 269, 560 N-HydroxyAktivester 815
 
 Sulfaguanidin 389 Sulfanilsäure 392 diazotierte 408, 409
 
 Sulfathiazol 389 Sulfat-Verfahren zur Cellulose-Gewinnung 891 Sulfensäure 415, 426 -amide 427 -chloride Darstellung 426 Reaktionen 427 -ester 427
 
 Sulfenylchlorid(e) 426 Dinitrophenyl-, 2,4- 427
 
 Sulfhydrazide 431 Sulfhydroxamsäuren 431 Sulfinsäuren 416, 570 Acidität 428 Enantiomere 428 Reaktionen 428 Synthese aus Sulfonsäuren 427 mit Schwefeldioxid 427
 
 Sulfit-Verfahren zur Cellulose-Gewinnung 890 Sulfochlorierung der Alkane 51, 429 von Arenen 430
 
 Sulfolan(e) 88 Sulfonamide 431 Siehe Sulfonsäureamide Sulfone 419, 423, 570 Alkenyl- 426
 
 aus Sulfinaten 425 aus Sulfonsäurechloriden 425 Darstellung 425 Halogenα- 426 βaus Alkenen 425 Oxidation und Reduktion 426 Reaktionen 426
 
 Sulfonierung des Anilins 392 des Benzens 156 des Naphthalens 178 von Arenen 429
 
 Sulfonierungsreagenzien 430 Sulfonium-Salze Enantiomere 279
 
 Sulfonpyrolyse 643 Sulfonsäure(n) 416, 428 Acidität 430 -amide 388 aus Arenen 429 -chloride Derivatisierungen 431 -ester 431 nucleophile Austauschreaktionen 432 Synthese 428 aus Alkanen 40, 429 aus Alkenen 429 aus Halogenalkanen 429 durch Photosulfoxidation 562
 
 Sulfoxidation der Alkane 429
 
 Sulfoxide 419 Alkenyl- 423 Darstellung 422 Enantiomere 422 KNOEVENAGEL-Alkenylierung 423 Oxidation 423 Photoxidation 570 physikalische Eigenschaften 422 Reaktionen 422 Reduktion 423 Spaltung 422
 
 Sulfurylchlorid 40, 51 Superbasen 96 Supersäuren 430 suprafacial 466, 471 Süßstoffe Aspartam 828 Calciumcyclamat 432 Glucit, D- 872 Saccharin 431
 
 SUZUKI-Kupplung 197, 624 Swainsonin 845 SWERN-Oxidation 221, 424
 
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 1020
 
 Sydnone 684 syndiotaktisch 770 Synthesekautschuk 957 Synthesen diastereo- und enantioselektive 291, 797, 804, 857 kombinatorische 780, 822 konvergente und lineare 961
 
 T Tabak 957 Alkaloide 843
 
 Tagatose 860 Taktizität von Polymeren 770
 
 Talg 923 Talose 859 Tandem-Reaktion 961 Taurin 804, 967 Tautomerie, Tautomere Carbodiimid-Cyanamid- 445 der Azole 652 der Flavonole 735 der Nucleobasen 900 der Purine 713 des 1,2-Diazepins 720 Hydroxamsäure-Oximino- 260 Hydroxyindol-Oxindol- 683 Keto-Enol- 93, 267, 306, 683 Lactam-Lactim- 655, 900 Oxo-Cyclo- 698, 867 Oxo-Enol- Siehe Keto-EnolPhenylazo-Phenylhydrazon- 409 Thiolsäure-Thionsäure- 421
 
 Taxan(e) 950 Taxol 950 TCDD 174 TEBBE-Alkenylierung 331, 628 Teer-Destillation 129 Teflon 70, 190, 782 Telomere 916 Tenside 919, 939 industr. Synthese 936 nicht ionogene 939
 
 Terephthaldialdehyd 310 Terephthalsäure 242 -polyester 262, 765
 
 Terminus, N- und C- 805 Terpene Bauprinzip 940 Biosynthese 942 Di- 949 Hemi- 944 Alkaloid-Substruktur 847 Mono- 944 Alkaloid-Substruktur 846
 
 Sachregister
 
 Nomenklatur 941 Poly- 957 Sesqui- 947 Sester- 951 Stammkohlenwasserstoffe 940 Tetra- 955 Tri- 951 Vorkommen 941
 
 Terpentin 940, 941 -öl 946
 
 Terramycin 749 Tertiärstruktur der Proteine 837
 
 Testosteron 970 Tetraalkylammonium-hydroxide HOFMANN-Eliminierung 390
 
 Tetraalkylammonium-Salze 389 Enantiomere 279, 369 PhasentransferKatalysatoren 207
 
 Tetraalkylsilane 605 Tetrabrommethan zur Bromierung 191
 
 Tetracen 175 Tetrachlorethan, 1,1,2,2- 188 Tetrachlorkohlenstoff Siehe Tetrachlormethan Tetrachlormethan 39, 193 zur Chlorierung 191
 
 Tetracyanoethen 112 Tetracycline 749 Tetradec-1-in 96 Tetradecan n- 24
 
 Tetraederwinkel 10, 30 Tetrafluorethen industr. Synthese 190 Polymerisation 70
 
 Tetrahalogenalkane, 1,1,2,2Herstellung 188
 
 Tetrahedran 118 Tetrahydrocannabinol 947 Tetrahydrofuran 229, 237, 634 Tetrahydropyran 229 Tetrahydropyranyl- (Thp-) Schutzgruppe 644
 
 Tetrakontan 24 Tetralin 178 aus Naphthalen 180
 
 Tetralon 6-Methoxy- 974
 
 Tetramethylbenzen, 1,2,3,4Synthese 141
 
 Tetraterpene Carotenoide 955
 
 Tetrazin(e) 646
 
 1,2,4,5- 693
 
 Tetrazol(e) Synthese 663, 666 Tautomerie 652
 
 Tetrosen 858 Tetrulosen 860 Textilfärbung Beizen- 729 Direkt- 726 Dispersions- 726 durch Komplexbildung 728 Entwicklungs- 728 Ionenaustausch- 727 Küpen- 747 Phthalogen- 753 Reaktiv- 729
 
 Tfa-Schutzgruppe 816 THC 947 Thebain 854 Theobromin 714 Theophyllin 714 Thermoelastizität 774 Thermoplastizität 774 THF 229 Thiapyrone 659 γ- 689
 
 ThiapyryliumIonen und Salze 646, 659, 689 Reaktionen 702
 
 Thiazin(e) 691 5,6-Dihydro, 4H- 643
 
 Thiazinium-Salze, 1,3- 691 Thiazol(e) 574 mesoionische 685 Synthese 660, 663
 
 Thiepan(e) 636 Thiepin(e) Darstellung 719
 
 Thietan(e) 635 Reaktionen 641
 
 Thiierung 421, 422 Thiiran(e) 636 aus Oxiranen 418 Darstellung 418 Reaktionen 419 Synthese 638
 
 Thiiren 718 Thioacetale 324, 421 Thioaldehyde 420 Thiobenzophenon 421 Thioether Acetoxy-, α- 424 Alkylierung 418 aus Alkenen 417 aus Aryldiazonium-Salzen 418 aus Halogenalkanen 417
 
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 Sachregister
 
 aus Schwefeldichlorid 417 aus Sulfoxiden 417 aus Thiolaten 417 aus Thiophenolaten 417 Chlor-, β- 427 cyclische 634 Darstellung 418, 637 Hemiterpen- 944 Oxidation 419 Reaktionen 418 Synthese 417
 
 Thioglykol 419 Thioharnstoff(e) als Schwefel-Nucleophil 443 Tautomerie 443
 
 Thiohydantoine 794, 826 Thioindigo 746 Thioketale 324, 421 Thioketone 420 Thiolate 415 Thiole 412, 414, 415, 416, 419 Acidität 414 als Kettenüberträger 757 als Regler 757 aus Alkenen 414 aus Aziran 414 aus Halogenalkanen 412 aus Oxiran 414 Darstellung 412 durch TSCHUGAJEFF-Reaktion 414 Oxidation 415 physikalische Eigenschaften 414 Reaktionen 415
 
 Thiolessigsäure 421 Thiolglycoside 877 Thiolsäure(n) 421 ester 421, 820
 
 Thiomorpholin 692 Thionaphthen(e) 648 dioxid, -S,S- 681 Nitrierung 682 Synthese 667
 
 Thionocarbonate 443 Thionsäuren 421 Ester 422
 
 Thionylchlorid zur Halogenierung 192
 
 Thiophen(e) 127, 646 Bindungsdaten 658 dioxid, 1,1- 671, 673 2,5-Dihydro- 639 elektrophile Substitution 674 Entschwefelung 678 Mesomerie 656 NMR, Verschiebungen 658 Synthesen 660, 665
 
 1021
 
 Tetrahydro- 418
 
 Thiophenol(e) Amino-, o- 416 aus Aryldiazonium-Salzen 416 aus Diaryldisulfiden 416 aus Halogenaromaten 168 aus Sulfonsäurechloriden 416 Reaktionen 416 Synthese 416
 
 Thiophenolate 416 Thiophosgen 443 THORPE-ZIEGLERCyclisierung 115
 
 THP 229 threo- und erythro- 276 Threonin 786 Threose 276, 859 Thujaplicine 593 Thymidin Synthese 909
 
 Thymin 896 Tautomere 900
 
 Thymol 945 Thyreoliberin 829 Tiglinsäure 944 Tigonin 972 TISCHTSCHENKODisproportionierung 329
 
 Titan Komplexe, πzur koordinativen Polymerisation 759 tetra-i-propylat zur SHARPLESSEpoxidation 291
 
 Titrationskurven von Aminosäuren 788
 
 TMS 501 Herstellung 598
 
 Tocopherol, (+)-α- 956 TODD-Synthese des Adenins 714
 
 Tolan (Diphenylethin) 129 TOLLENS-Reaktion 340 Tollkirsche 844 Toluen aus n-Heptan 130 Nitrierung 137 Nitro-, o- und p- 137
 
 Toluensulfonamid, pN-Methyl-N-nitroso- 394
 
 Toluensulfonsäure, pchlorid 430 ester Siehe Tosylate
 
 Toluidin o-, m-, p- 174, 367, 371
 
 Toluidinium-sulfonate p- 430
 
 Tomatidin 974 Topie, Topizität 285 Torsionsspannung 99, 100, 103 Tosylate 77, 198, 204, 882 TPS 938 Tracer-Technik 853 Träger, polymere 780 trans- oder (E)- 55 Transalkylierungen 139 Transaminierung 795 transannulare Reaktionen 117 Transglycosidierung 876 Transkription 908 Translation 908 Transmetallierung 611 transoid Siehe s-transTraubensäure 302 Traubenzucker Siehe Glucose TRAUBE-Synthese des Guanins 714
 
 Trehalose 887 -Typ 887
 
 Treibstoffe Herstellung 33
 
 Tretinoin 949 Triacontan 24 Trialkybenzene, 1,2,3Synthese 141
 
 Trialkylammonium-Salze 368 Trialkylborane 63, 612 Trialkylsilylether 601 TrialkylsulfoniumHydroxide 419 Salze Enantiomere 418
 
 Triazen(e) 407 Diphenyl- 407
 
 Triazin(e), 1,3,5- 656, 692, 703 2,4,6-Triamino- 767 Dendrimere 779 2,4,6-Trichlorzur Reaktiv-Färbung 729 Hexahydro- 326
 
 Triazol(e) 1,2,3- 775 Synthese 601, 663 Tautomerie 652
 
 Triazol(e) 1,2,4mesoionische 685 Synthese 666 Tautomerie 652
 
 Triazolin(e) 639
 
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 1022
 
 Sachregister
 
 Tribrombenzen, 1,3,5-
 
 Triphenylmethan 139
 
 Darstellung 151
 
 -Farbstoffe 736 Oxidation 146
 
 Tribrommethan durch Haloform-Reaktion 193
 
 Tribromphenol, 2,4,6Darstellung 150
 
 Trichloracetaldehyd-Hydrat 311 Trichloracetimidate zur Glycosid-Synthese 876
 
 Trichloracetonitril zur Halogenierung 192
 
 Trichlorethen Herstellung 189
 
 Trichlorethylen Siehe Trichlorethen Trichlorfluormethan 190 Trichlormethan 39, 258 durch Haloform-Reaktion 193
 
 Trichlorphenol, 2,4,5- 174 Tridecan n- 24
 
 Triene 1,2,3aus 2-Alkin-1,4-diolen 86 1,3,5Elektrocyclisierung 463 Molekülorbitale 463
 
 Triethylamin 205, 370 Triethylbenzen, 1,3,5- 140 Triflate 204 Triglyceride Verseifung 924
 
 Trihalogenmethyl-Gruppen Einführung 565
 
 Trimethylamin 370 TrimethylsilylSchutzgruppe 601
 
 Trimethylsilylazid 379 Darstellung 600 Synthesereagenz 601
 
 Trimethylsilylchlorid Siehe Chlortrimethylsilan Trimethylsilylcyanid 598 Trimethylsilylether 238, 599 Trimethylsilylierungen 599 Trimethylsilyloxycyclohexen 599 Tri-n-propylamin 370 Triole 210 Triosen 858 Trioxane 323 Tripeldecker-SandwichKomplexe 620 Triphenylcarbinol 146 Triphenylchlormethan 139 Triphenylen 175
 
 Triphenylmethyl-Radikal 144 Triphenylphosphan 330 zur Halogenierung von Alkoholen 191 zur MITSUNOBU-Reaktion 401 zur WITTIG-Alkenylierung 330
 
 Triplett -Sauerstoff 477 -Zustand 556
 
 Triptycen Darstellung 181
 
 Triptycylchlorid 181, 203 Tripyrran(e) 752 Trisaccharide 889 Triterpene acyclische 951 Biosynthese 951 polycyclische 952
 
 Trithiocarbonat Monoethyl- 444
 
 Trithiokohlensäure 444 TritylSchutzgruppe für OH 238, 881, 912
 
 TRÖGER-Basen 369 Enantiomere 279
 
 Tropan -3-on Synthese 856 -Alkaloide 843
 
 Tropasäure 844 Tropin 844 Tropinon Siehe Tropan-3-on Tropolon(e) 581 natürlicher Herkunft 593 Synthese 582
 
 Tropylium-Ion 580 im Massenspektrum 548
 
 Tropyliumoxid 581 Trüffel Duftstoff 970
 
 Trypsin 824 Tryptamin(e) 845 Synthese 857
 
 Tryptophan 786 Synthese 795
 
 TSCHITSCHIBABIN-Reaktion 703 TSCHUGAJEFF-Reaktion 414 Tubocurarinchlorid, (+)- 848 Tussilagin 844 Twistan 118 Twist-Boot-Konformere des Cyclohexans 103
 
 TWITCHELL-Verfahren der Verseifung 924
 
 Tylocebrin 845 Tyrosin 786 biogenet. Alkaloid-Vorstufe 853
 
 U Übergangsmetall(e) Carben- (Alkyliden)Komplexe 69, 626, 627 Carbin-Komplexe 627 π-Komplexe Katalysatoren 622
 
 Übergangszustände 76 cyclische 75, 81 der En-Reaktion 477 radikalischer Substitutionen 44 sigmatroper Reaktionen 473 SN2-Mechanismus 199
 
 Ubichinone UQ-n 955 UGI-Reaktion 337 ULLMANN-Reaktion 153 Ultrazentrifugation 768 Umalkylidenierungen 69 Umesterung 262 Poly- 765 von Triglyceriden 924
 
 Umheterocyclisierungen 702 Umlagerungen 446 Aldehyd-Keton- 448 Allyl- 957, 962 AMADORI- 878 anionotrope 446 BAEYER-VILLIGER-Oxidation 452 BECKMANN- 380, 451, 640, 765 bei Additionen 80 bei Dehydratisierungen 74 Benzidin- 382, 455 Benzil-Benzilsäure- 449 CLAISEN- 237, 457 COPE- 117, 395, 457 Diaza- 457, 667 Oxa- 237, 457, 957 CURTIUS- 450, 640 DEMJANOW- 116, 449 DEMJANOW-TIFFENEAU- 117 Diaryltriazen-Azobenzen- 408, 455 Dienon-Phenol- 352, 450 FAVORSKII- 452 FISCHER-HEPP- 455 FRIES- 356, 454 HOFMANN-Abbau 450 HOFMANN-MARTIUS- 455 IRELAND-CLAISEN- 251, 603 JACOBSEN- 454 kationotrope 452
 
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 Sachregister
 
 Umlagerungen LOBRY-DE-BRUYN-VANEKENSTEIN- 878 LOSSEN- 450 MCLAFFERTY- 550 NEBER- 451 Phenolether- 454 Pinakol- 228, 448 PUMMERER- 424 radikalische 453 SCHMIDT-Reaktion 450 Sextett- 446 sigmatrope 456 SOMMELET-HAUSER- 455 STEVENS- 453 WAGNER-MEERWEIN- 75, 224, 448, 960 WALLACH- 456 WITTIG- 238, 453 WOLFF- 249, 399, 449
 
 Umpolung 195, 335, 701 COREY-SEEBACH- 324, 642
 
 Undecan n- 24
 
 Undecansäure 11-Hydroxy- 401
 
 Uracil 896 1-Methyl- 906
 
 Ureide 439 Urethan(e) Alkyl- und Aryl-, N- 437 Ethyl- 436 Herstellung 436 Poly- 764 -Schutzgruppen 437, 442, 803, 816
 
 Uridin 899 Ur-Indigo 743 Uronsäuren 873, 874, 881 Urotropin 326, 372 Ursan(e) 952 Ursolsäure 953 Urzeugung 787 UV-Vis-Spektroskopie 479 Lösemittel- und pH-Effekte 483
 
 V Valenzschwingungen (IR) 488 Valenztautomere 118, 457, 511, 719 Valeraldehyd 310 Valerianol 948 Valeriansäure 241, 242 Valerolactam, δ- 257 Valerolacton, δ- 255, 301 Valin 786, 789
 
 1023 N-Methyl- 832
 
 Valinomycin 833 VAN SLYKE-Reaktion der Aminosäuren 803 des Harnstoffs 439 primärer Amine 385
 
 Vancomycin 834 VAN-DER-WAALSSpannung 103, 104 Wechselwirkungen 21, 29, 31, 186, 919 in Proteinen 839 Nachweis durch NMR 507
 
 Vanillin 310 Variaminblau 728 Vaseline 33 Vasopressin 828 Verbenol 946 Verbenon 946 Verbrennung Mechanismus 37 von Alkanen 37, 38
 
 Verbrennungswärmen der Cycloalkane 108
 
 verdeckt (ekliptisch) 31 Verdünnungsprinzip RUGGLI-ZIEGLER- 115, 233
 
 Veresterung(en) 222 säurekatalysierte Mechanismus 254
 
 Verküpung 748 Vernetzung von Polymeren 762
 
 Verschiebung, chemische NMR 501
 
 Verschiebungen sigmatrope [1,3]- 470, 476 [1,5]- 456, 470 [3,3]- 117, 456, 470, 603 symmetrie-erlaubte 472 symmetrie-verbotene 472 WOODWARD-HOFFMANNRegeln 471
 
 VerschiebungsInkremente (NMR) 511, 538 Reagenzien (NMR) 526
 
 Verseifung 222, 261 von Triglyceriden (Fetten) 924
 
 Verseifungszahl 925 Verzweigung von Polymeren 769
 
 Vesikel 920, 932 Viagra (Sildenafil) 652 Vierring-Synthesen 110, 463 Vierzentren-Reaktionen 81
 
 VILSMEIER-Formylierung 316 Vincamin 846 Vinylalkohol 93 Vinylchlorid Siehe Chlorethen Vinylester 94 Vinylether 94 Siehe Alkenylether Vinyl-Gruppe 54 Vinylierungen 94 Vinylogie 680, 706, 718 Vinylsulfone zur Reaktiv-Färbung 730
 
 Virostatika (Virustatika) 910 Viscose-Seide 891 Vitamine A 949 Synthese 961 B 715 B12 754 C 885 D2 966 E 956 H 634 K1, K2 956
 
 Vogelkäfig (Polycycloalkan) 118 Vollentsalzung des Wassers 777
 
 VORBRÜGGENN-Glycosidierung 910
 
 Vulkanisation 763 W Wachse 917, 928 Wachstumsregulatoren 947 WAGNER-MEERWEINUmlagerungen 75, 224, 448 WALDEN-Umkehr 201, 261, 287, 289 WALLACH-Umlagerung 456 WALSH-Modell des Cyclobutans 101 des Cyclopropans 100
 
 Wannen-Konformer des Cyclohexans 102
 
 Wärmedämmung 781 Wasser Molekülgeometrie 18
 
 Wasserenthärtung 800, 924 Wasserstoffbrücken 21 der Alkohole 212 der Amine 370 der Carbonsäuren 243 der Nucleobasen 901 der Phenole 349 in Proteinen 838
 
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 1024
 
 Wasserstoffbrücken inter- und intramolekulare 496, 507 Nachweis durch IR 496 Nachweis durch NMR 507
 
 Wasserstoff-MetallAustausch 612
 
 Wasserstoff-Molekül 6 WATSON-CRICK-Modell der DNA 902
 
 Watte 891 Wechselwirkungen 1,3-diaxiale 104 Dipol-Dipol- 20, 186 elektrostatische in Proteinen 839 interionische 20 Ionen-Dipol- 21 sterische Nachweis 485 VAN-DER-WAALS- 21, 29, 31, 186, 919
 
 Weichmacher 781 Weihrauch 953 Weine 214 Weinsäure 293 (+)- und (−)- 275 zur Racemattrennung 283 D-, L-, DL- 275, 277, 278, 302 Ester, Enantiomere zur SHARPLESSEpoxidation 291 Konfiguration, absolute Bestimmung 275 Konformere 277 meso- 277, 278
 
 WEISS-Synthese (Reaktion) 332 Wellenfunktionen 2 Linearkombination 6
 
 Wellenlänge Einheit 479
 
 Wellenzahl 487 Wermut 948 Whisky 214 WILKINSON-Katalysator 62, 632 WILLGERODT-KINDLERReaktion 341
 
 WILLGERODT-Reaktion 341
 
 Sachregister
 
 WILLIAMSON-Synthese der Ether 232, 637 der Thioether 417
 
 Winkelspannung 99, 101 Wirkstoffbibliotheken kombinatorische 822
 
 WITTIG-Alkenylierung 60, 330, 961, 962 WITTIG-Umlagerung 238, 453 Wodka 214 Wofatite 776 WOHL-Abbau der Kohlenhydrate 884
 
 WÖHLER-Synthese des Harnstoffs 438
 
 WOHL-ZIEGLER-Bromierung 189, 270, 296 WOLFF-KISHNER-Reduktion 141, 343, 975 WOLFF-Umlagerung 249, 399, 449 Wolfsmilch-Gewächse 849 Wollfett 953 WOODWARD-HOFFMANN-Regeln Cycloadditionen 466 elektrocyclische Reaktionen 464 sigmatrope Verschiebungen 472
 
 WURTZ-FITTIG-Synthese der Alkylbenzene 142, 153
 
 WURTZ-Reaktion 35, 610 X Xanthen-Farbstoffe 739 Xanthin 714 9-Methyl-8-nitro- 718
 
 Xanthogenate 444, 891 Xanthogensäure 444 Xanthommatin 741 Xanthophyll 955 Xylane 894 Xylen, o-, m-, p- 128, 140 Xylopyranose α- und β-D- 886
 
 Xylose 859 D- 861
 
 Xylulose 860
 
 Y Ylen Metall- 626 Phosphor- 330 Schwefel- 443, 660
 
 Ylid Metall- 626 Phosphor- 330 Schwefel- 443, 660 Stickstoff- 453
 
 Ylid-YlenMesomerie 330, 443, 626, 660
 
 Yohimbin 846 Y-Stabilisierung 440 Z Zauberpilz mexikanischer 845
 
 ZEISE-Salz 621 Zellstoff, Zellwolle 891 Zellteilung 908 Zephirol 938 ZEREWITINOFF-Verfahren 613 Zerlegung retrosynthetische 961
 
 ZIEGLER-NATTAVerfahren (Katalyse) 759
 
 Zimtsäure cis-
 
 4-Methoxy- 563 ethylester Dibromdihydro, threo1H-NMR 518 trans- 299 trans- 242 Darstellung 250, 338 -pyrrolid, 3-Methoxy- 843
 
 ZINCKE-Aldehyd 586 Zingiberen 948 Zitronensäure Siehe Citronensäure Zucker Siehe Kohlenhydrate rohr, -rübe 888
 
 Zuckeralkohole Siehe Polyole Zuckersäuren Siehe Arsäuren Zwiebel-Geruch 412, 419 Zwischenstufen, reaktive 17
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
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 Verzeichnis der Reaktionen
 
 1025
 
 Verzeichnis der Reaktionen nach NAMEN- und Begriffen Unter mehreren Seitenangaben verweist die fett gedruckte Seitenzahl auf eine genauere Beschreibung der Reaktion.
 
 B BAEYER-VILLIGER-Oxidation 341, 452
 
 A Acyloin-Kondensation 115, 264
 
 von Ketonen mit Peroxycarbonsäuren zu Carbonsäureestern
 
 von (Di-) Carbonsäureestern durch reduktive Kupplung mit Natrium zu (cyclischen) α-Hydroxyketonen (Acyloinen) O 2 R C OR'
 
 NaO
 
 ONa C C R R
 
 + 4 Na − 2 NaOR'
 
 HO
 
 + 2 H2O
 
 H
 
 − 2 NaOH
 
 O
 
 O C C
 
 R
 
 Aldol-Reaktion 331, 340, 961
 
 R
 
 H C C
 
 +
 
 H C
 
 O
 
 OH
 
 C O
 
 R
 
 −
 
 H C
 
 C C OH
 
 R
 
 O C
 
 O
 
 O
 
 O
 
 H
 
 R
 
 − R'CO2H
 
 O R
 
 von Aryldiazoniumtetrafluorboraten zu Fluorarenen Ar
 
 R C O
 
 N 2 [BF4]
 
 Ar
 
 von Tosylhydrazonen zu Alkenen H
 
 AMADORI-Umlagerung 878
 
 Base
 
 C C
 
 H
 
 H O NHR
 
 H
 
 OH
 
 H
 
 HO HO
 
 NHR H
 
 H
 
 H OH
 
 OH
 
 O
 
 + [H ] HO
 
 o
 
 HO H
 
 H
 
 OH H
 
 sekundärer Alkohole zu Ketonen mit N-Bromsuccinimid
 
 H
 
 +
 
 X CH2 R´
 
 − RX
 
 OR
 
 RO P CH2 R´
 
 − HBr
 
 O
 
 C O
 
 +
 
 R1
 
 N H O
 
 BARTON-Reaktion 561
 
 OR
 
 von Alkylnitriten zu γ-Nitrosoalkanolen N
 
 von Carbonsäuren über Ketene, die durch WOLFFUmlagerung aus den Diazoketonen entstehen
 
 Cl
 
 N Br
 
 H
 
 ARNDT-EISTERT-Homologisierung 249, 399
 
 O
 
 O R2
 
 +
 
 O
 
 OR
 
 R C
 
 O
 
 R2
 
 von Trialkylphosphiten zu Alkylphosphonaten RO P
 
 H
 
 BARAKAT-Dehydrierung 270, 318 NHR
 
 R1 C OH
 
 ARBUZOV-MICHAELIS-Reaktion 331
 
 + HO2S Ar + N 2
 
 C C
 
 N NH SO2 Ar
 
 von Aldopyranosylaminen (α-Hydroxyiminen) in 1-Amino1-desoxketosen H
 
 F + BF3 + N 2
 
 BAMFORD-STEVENS-Reaktion 343
 
 gerichtete 333
 
 HO HO
 
 C
 
 BALZ-SCHIEMANN-Reaktion 152, 405
 
 von zwei Äquivalenten eines Aldehyds oder Ketons zu βHydroxyaldehyden (Aldolen) bzw. β-Hydroxyketonen R
 
 C
 
 R
 
 R
 
 + R'
 
 + CH2N2 − HCl
 
 O
 
 O OH O N
 
 hν
 
 H
 
 R
 
 R
 
 O R C CH N2 _
 
 − N2
 
 R
 
 CH C O
 
 Y = −OH Y = −OR' Y = −NR'2 Y = −SR'
 
 : Carbonsäuren : Carbonsäureester : Carbonsäureamide : Thiolsäureester
 
 BAYLIS-HILLMAN-Hydroxyalkylierung 339 elektronenarmer Alkene zu Hydroxyalkylalkenen
 
 + YH
 
 O
 
 O O R
 
 CH 2
 
 R1
 
 C Y
 
 R2 +
 
 OR
 
 NR' 3
 
 OH R1 R2
 
 O OR
 
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 1026
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 BLANC-Chlormethylierung 132
 
 BECKMANN-Umlagerung 380, 451
 
 von Arenen mit Formaldehyd und Chlorwasserstoff
 
 von Ketoximen in N-Alkylcarbonsäureamide R
 
 O
 
 [H+]
 
 o
 
 R C
 
 Ar
 
 R C
 
 N OH
 
 ZnCl2
 
 H + CH 2O + HCl
 
 Ar CH2Cl + H 2O
 
 NH R
 
 BÖSEKEN-Reaktion 886 von cis-Diolen mit Borsäure zu saueren Cycloboraten
 
 Benzidin-Umlagerung 382, 455 von Hydrazobenzenen (1,2-Diphenylhydrazinen) in 4,4´Diaminobiphenyle (Benzidine), säurekatalysiert +
 
 [H3O ]
 
 o
 
 NH NH
 
 H2N
 
 BREDERECK-GOMPPER-Synthese 690
 
 von Benzil (1,2-Diketon) zu Benzilsäure durch 1,2anionotrope Phenyl-Verschiebung, basenkatalysiert Ar
 
 + OH
 
 o
 
 C C O
 
 _ IO _
 
 −
 
 Ar
 
 von Pyrimidinen aus Enaminocarbonyl-Verb. u. Amidinen R R R
 
 O
 
 OH
 
 NH 2
 
 HN
 
 C
 
 − H 2O , − NH 3
 
 X
 
 N
 
 R
 
 N
 
 X
 
 von Imidazolen aus Acyloinen und Formamid
 
 von Arenaldehyden zu Benzoinen (Aryl-substituierte αHydroxycarbonyl-Verb.), Cyanid-katalysiert C O
 
 H
 
 CHO R1
 
 O
 
 O
 
 H
 
 BERGMAN-Cyclisierung 95 von Endiinen zu Benzenen über benzoide 1,4-Diradikale +
 
 R R
 
 − HCO2H
 
 N
 
 R2
 
 N H
 
 −
 
 NH 2 (NH4)2SO3, H2O
 
 BUCHERER-Synthese 793 von Aminosäuren über Hydantoine H H R C O
 
 R
 
 von Arenen mit Natrium (Reduktionsmittel) in flüss. Ammoniak zu nicht konjugierten Dihydro-Derivaten
 
 N
 
 R
 
 (NH 4)2CO3 , NaCN
 
 O
 
 NH 3
 
 H 2O
 
 R
 
 NH O
 
 von Arylhalogeniden oder Triflaten mit primären (R2 = H) und sekundären Aminen zu Arylaminen in Ggw. v. Palladium(II)-Komplexen als Katalysatoren und Basen R1
 
 R
 
 X
 
 +
 
 [L2PdCl 2] Base
 
 HN
 
 R1
 
 R
 
 N
 
 R2
 
 H
 
 CH CO2
 
 BUCHWALD-HARTWIG-Reaktion 373, 625
 
 H
 
 Na , NH3
 
 H
 
 NH CHO
 
 R2
 
 OH
 
 R
 
 BIRCH-Reduktion 112, 180, 588 H
 
 − 2 H 2O
 
 R1
 
 von Naphtholen zu Naphthylaminen und umgekehrt
 
 zur Herstellung von Kohlenwasserstoffen durch katalytische Hochdruck-Hydrierung von Braunkohle
 
 R
 
 NH 2
 
 OH
 
 NH
 
 BUCHERER-Reaktion 352, 360
 
 BERGIUS-Verfahren 32
 
 Hitze
 
 R1
 
 O + 2H C
 
 R2
 
 H C Ar
 
 Ar KCN
 
 R
 
 +
 
 BREDERECK-Synthese 662
 
 Benzoin -Reaktion 335
 
 2 Ar
 
 R R
 
 NH2
 
 O
 
 C C Ar
 
 O
 
 H C O
 
 O O H3O (HO)2B
 
 NH 2
 
 Benzil-Benzilsäure-Umlagerung 449
 
 Ar
 
 O
 
 O OH OH + B(OH) 3
 
 +
 
 HX
 
 R2
 
 R = o-, m-, p-Alkyl, Alkoxy-, Amino- ; X = Br, I, OSO2CF3 L = P(C6H5)3 und andere Triarylphosphane
 
 BISCHLER-NAPIERALSKI-Synthese 694, 857 von Isochinolinen aus N-Acylphenylethylaminen
 
 C CANNIZZARO-Disproportionierung 329
 
 NH 2 R
 
 NH O
 
 von Arenaldehyden zu Carboxylaten und prim. Alkoholen
 
 COCl
 
 R
 
 PCl 5
 
 Oxidationsmittel
 
 N R
 
 N R
 
 2 Ar
 
 O + C H
 
 OH
 
 Ar CO2
 
 +
 
 Ar CH2 OH
 
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 Verzeichnis der Reaktionen
 
 1027
 
 COREY-WINTER-Fragmentierung 443
 
 CARROLL-Reaktion 957, 962 von Allylacetoacetaten zu γ,δ-ungesättigten Ketonen
 
 cyclischer Thionocarbonate zu (cis-)Alkenen OH
 
 O
 
 − CO2
 
 O
 
 O
 
 Cl 2 C=S
 
 S
 
 O
 
 P(OR)3
 
 + S=P(OR)3 + CO2
 
 O
 
 OH O
 
 CRIEGEE-Spaltung 227
 
 CLAISEN-Esterkondensation 267
 
 von 1,2-Diolen in Carbonyl-Verbindungen
 
 α-CH-acider Ester zu β-Ketoestern OR' R CH2 C
 
 O CH2
 
 +
 
 C
 
 R
 
 O
 
 R' R" R CH 2 C CH CO2R'
 
 − R-OH
 
 OR'
 
 R'
 
 HIO4 oder (CH3 CO2 )4 Pb
 
 R C C R*
 
 R'O
 
 R
 
 HO OH
 
 C
 
 R" +
 
 O
 
 O
 
 C
 
 R*
 
 O R
 
 CURTIUS-Umlagerung (Abbau) 379, 450, 601 von Carbonsäureaziden in Isocyanate über Acylnitrene
 
 CLAISEN-Umlagerung 237, 457, 470 von Allylphenylethern in o-Allylphenole OH
 
 O
 
 O C N3
 
 R
 
 o
 
 R
 
 O R C _
 
 − N2
 
 o
 
 O
 
 C N
 
 N_
 
 Cyanhydrin-Reaktion 333 von Aldehyden oder Ketonen mit Blausäure zu αHydroxynitrilen (Cyanhydrinen)
 
 CLEMMENSEN-Reduktion 141, 183, 342 von Ketonen (Phenonen) zu Methylen-Verbindungen Ar
 
 R
 
 C
 
 Ar
 
 Zn(Hg) , HCl
 
 H
 
 O
 
 R
 
 C
 
 _ C OI
 
 _ C OI _
 
 +
 
 H
 
 IC NI
 
 C OH CN
 
 H
 
 COPE-Eliminierung 391 von Amin-N-oxiden in Alkene und Hydroxylamine C
 
 Hitze
 
 C
 
 C C
 
 +
 
 N
 
 OH
 
 N _ H _ OI
 
 COPE-Umlagerung 113, 117, 395, 457 [3,3]-sigmatrope Verschiebung (der Doppelbindungen) von 1,5-Dienen
 
 von Carbonyl-Verb. mit α-Halogencarbonsäureestern zu Oxirancarbonsäureestern R1
 
 R2
 
 +
 
 O
 
 Cl CH 2 CO2R
 
 R2
 
 RO
 
 R1
 
 − HCl
 
 H O
 
 CO2R
 
 DELÉPINE-Reaktion 372
 
 R
 
 R
 
 D DARZENS-Reaktion 636
 
 von Halogenalkanen zu primären Aminen mit Urotropin
 
 o
 
 N
 
 Diaza- 667 Reaktionsschritt der FISCHER-Synthese des Indols R3
 
 H
 
 R2
 
 R1
 
 N H
 
 NH
 
 o R1
 
 N
 
 R CH2
 
 X
 
 N N
 
 R CH2 NH2
 
 X = Cl, Br
 
 R3 R2 NH NH
 
 entartete 457 Edukt und Produkt sind identisch (Fluktuation)
 
 DEMJANOW-TIFFENEAU-Umlagerung 117 von α-Aminomethylcycloalkanolen zu expandierten Cycloalkanonen CH 2 NH2
 
 HNO2 o
 
 OH
 
 O
 
 DEMJANOW-Umlagerung 116, 449 Oxa- 457 von Allylvinylethern in γ,δ-ungesättigte Carbonyl-Verb. R
 
 R O
 
 Hitze
 
 o
 
 Deaminierung primärer Amine zu umgelagerten Alkoholen (mit expandierten oder kontrahierten Ringen) CH 2 NH2
 
 OH HNO2 o
 
 NH2
 
 HNO2 o
 
 O
 
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 CH2 OH
 
 1028
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 ELBS-Reaktion 183
 
 DIECKMANN-Esterkondensation 111, 268 von Dicarbonsäurediestern zu 2-Alkoxycarbonylcycloalkanonen
 
 von o-Methylphenonen zu kondensierten Arenen H3C
 
 > 400 °C Zn oder Cu
 
 CH 3
 
 CO2R CH 2 OR C O
 
 − 2 H2O, − H2
 
 CO2R
 
 NaOR
 
 O
 
 − ROH
 
 O
 
 En-Reaktion 68, 270, 476, 477 von Alkenen mit H-Atom in Allyl-Stellung ("Ene") mit Alkenen oder Heteroalkenen ("Enophile") zu verlängerten Alkenen mit terminaler Doppelbindung
 
 DIELS-ALDER-Reaktionen 88, 111, 173, 465 [4+2]-Cycloaddition von 1,3-Dienen ("Diene") und Alkenen ("Dienophile") zu Cyclohexenen
 
 H
 
 DIELS-ALDER-Reaktion
 
 + 4π -
 
 O
 
 2π -
 
 H +
 
 Retro-DIELS-ALDER-Reaktion
 
 Elektronen
 
 ERLENMEYER-Synthese 793
 
 enantioselektive 292 Hetero-, intramolekulare 960 mit Chinonen 364, 975 mit inversem Elektronenbedarf 112, 469 mit Maleinsäure-Derivaten 270 neutrale, normale 468 Retro- 470, 549 Stereospezifität 289, 468
 
 von Aminosäuren durch Alkylierung von Glycin-Derivaten mit Carbonyl-Verb. (Aldehyden) H C
 
 O
 
 + H2 / Kat.
 
 Ar
 
 + H2 O
 
 CH 2 CH C
 
 X
 
 N
 
 N
 
 − HX
 
 X
 
 Ar
 
 CH 2 CH CO2 N
 
 H
 
 Kat.
 
 O
 
 H Ar
 
 C
 
 + H 2C
 
 O
 
 Dienon-Phenol-Umlagerung 352, 450 von 4,4-Dialkylcyclohexa-2,5-dienonen zu 3,4Dialkylphenolen in Ggw. v. Säuren
 
 X
 
 N
 
 ETARD-Oxidation 312 von Methylarenen zu Arenaldehyden durch Chrom(VI)Verb.
 
 OH
 
 O
 
 O
 
 C
 
 Ar
 
 [H +]
 
 o
 
 R R R
 
 CrO2Cl2
 
 Ar CH3
 
 R
 
 Ar CH=O
 
 Di-π-Methan-Umlagerung 563 Photoisomerisierung von 3,3-Dialkyl-1,4-dienen zu Vinylcyclopropanen
 
 F FAVORSKII-Umlagerung 452 von α-Halogenketonen zu Carbonsäureestern
 
 hν
 
 R
 
 DÖTZ-Reaktion 183, 627
 
 R
 
 Benzoanellierung von Aren-Chrom-Carben-Komplexen mit Alkinen CO OC
 
 Cr
 
 OC
 
 C
 
 CO CO OCH 3
 
 +
 
 H R C
 
 R 1 C C R2
 
 − CO
 
 C
 
 C
 
 O
 
 R
 
 R'O
 
 R
 
 o
 
 Cl
 
 R
 
 R
 
 − HCl
 
 R
 
 R
 
 + R'OH
 
 o
 
 R C H
 
 O
 
 R C R CO2R'
 
 FEHLING-Reaktion 341 von Aldehyden mit Kupfer(II) in alkalischer Lösung zu Carboxylaten und Kupfer(I)oxid (rotbrauner Niederschlag, Nachweis v. Aldehyden)
 
 OCH3 R1 Cr(CO)3 R2
 
 H
 
 OH
 
 + 2 Cu2
 
 R C
 
 + Na + 5 OH
 
 R CO2 Na + 3 H 2O + Cu 2O
 
 O
 
 E EDMAN-Abbau 826
 
 FEIST-BENARY-Synthese 662 von Furanen aus α-Halogenketonen und 1,3-DicarbonylVerb.
 
 von Peptiden mit Phenylisothiocyanat zu 3-Phenyl-2thiohydantoinen der N-terminalen Aminosäuren R1 N Ph
 
 C
 
 S + H 2N
 
 CH
 
 S
 
 R2 C O
 
 NH
 
 CH
 
 C
 
 Ph N
 
 R1
 
 O
 
 H
 
 O
 
 R1
 
 +
 
 NH
 
 R2
 
 H
 
 Cl
 
 H O
 
 COR3 R4
 
 COR 3
 
 R1 Base − HCl , − H 2O
 
 R2
 
 O
 
 R4
 
 O
 
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 Verzeichnis der Reaktionen
 
 1029
 
 FINKELSTEIN-Reaktion 191
 
 FRIEDLÄNDER-Synthese 325, 694 von Chinolinen aus o-Aminophenonen und α-MethylenCarbonyl-Verb.
 
 von Brom- und Chloralkanen mit Iodid zu Iodalkanen (SN) R X
 
 +
 
 R
 
 I
 
 +
 
 I
 
 X
 
 ( X = Cl, Br )
 
 R1
 
 FISCHER-HEPP-Umlagerung 455 von sekundären Arylnitrosaminen zu p-Nitrosoarylaminen R N
 
 [ H +]
 
 O
 
 N
 
 o
 
 O
 
 +
 
 NH 2
 
 R
 
 N
 
 R1 O
 
 R2
 
 H 2C O
 
 − 2 H2O
 
 R3
 
 O
 
 C
 
 R
 
 OH
 
 LEWIS-Säure
 
 o
 
 der Glycoside aus Aldosen und Alkoholen in Gegenwart von Chlorwasserstoff 875 − H2O
 
 HOH 2C HO O HO HO
 
 und
 
 HOH 2C HO O HO HO
 
 OCH 3
 
 OCH 3
 
 R3 N H
 
 R1
 
 H2C
 
 NH2 +
 
 C
 
 H2C
 
 R2 − H2O
 
 O
 
 N H
 
 R1
 
 C N
 
 R1
 
 INI
 
 O H
 
 +
 
 Ar
 
 − HX
 
 R
 
 +
 
 Ar
 
 − HX
 
 +
 
 OH
 
 RO
 
 + HCl
 
 H Cl H 3N
 
 N − H2O, − NH4Cl
 
 HO
 
 O
 
 GLASER-Kupplung 97, 114, 149, 591 terminaler Alkine zu α,γ-Diinen 2 R C C H
 
 O
 
 C H
 
 +
 
 [H ] , ∆
 
 O R
 
 von Phenoxazinen aus o-Aminophenolen NH2
 
 +
 
 O
 
 AlCl3 , CuCl
 
 C
 
 GILMAN-MOORE-Synthese 699
 
 OH
 
 − 2 ROH
 
 Cl
 
 H
 
 R
 
 von Cumarinen aus Phenolen und Malonsäurediestern RO
 
 O C H
 
 RO
 
 Alkyl-substituierter Arene mit Kohlenmonoxid und Chlorwasserstoff
 
 OH
 
 +
 
 + H2O − NH4Cl
 
 GATTERMANN-KOCH-Formylierung 317
 
 R
 
 FRIEDLÄNDER-PECHMANN-Synthese 697 O
 
 NH2 Cl C H
 
 RO
 
 O
 
 R
 
 LEWIS-Säure
 
 X R
 
 + H2N R CO2H
 
 HCl + CO
 
 von Arenen zu Alkylarenen mit Halogenalkanen in Ggw. v. LEWIS-Säuren H
 
 + HCN , + HCl ZnCl2
 
 RO
 
 C
 
 FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierungen 138, 140, 146, 147, 158, 349
 
 Ar
 
 CO2H
 
 + 2 H2 O
 
 O
 
 O
 
 LEWIS-Säure
 
 X C
 
 N R
 
 − KX
 
 Donor-substituierter Arene mit Blausäure und Chlorwasserstoff
 
 von Arenen zu Phenonen mit Carbonsäure-Derivaten in Ggw. v. LEWIS-Säuren Ar
 
 X
 
 GATTERMANN-Formylierung 317
 
 FISCHER-TROPSCH-Verfahren 32
 
 FRIEDEL-CRAFTS-Acylierungen 141, 158, 159, 182, 246, 261, 317, 320
 
 O
 
 O +R K
 
 O
 
 N H
 
 katalytische Niederdruck-Hydrierung von Kohlenmonoxid zu Kohlenwasserstoffen, Alkoholen u.Carbonyl-Verb.
 
 R
 
 O
 
 R2 − NH 3
 
 C
 
 O
 
 primärer Amine aus Kaliumphthalimid und Halogenalkanen
 
 R3 R2
 
 C
 
 G GABRIEL-Synthese 269
 
 des Indols aus Phenylhydrazin und α-Methylen-CarbonylVerbindungen 667, 732, 796, 856 R3
 
 OH sowie
 
 R
 
 O
 
 OH
 
 R3
 
 von Phenolestern in p- und o-Acylphenole
 
 N
 
 + CH3 OH [H+]
 
 N
 
 FRIES-Umlagerung (Verschiebung) 356, 454
 
 H
 
 FISCHER-Synthese
 
 HOH 2C HO O HO HO
 
 R2
 
 +
 
 [H ]
 
 O
 
 CuCl, Base +
 
 −
 
 − 2 [H ] , − 2 e0
 
 R C C
 
 C C R
 
 GOMBERG-BACHMANN-Reaktion 403 von Aryldiazonium-Salzen mit Arenen zu Biarylen Ar
 
 N2 X
 
 X = Cl , Br
 
 + H Ar´
 
 HO
 
 −
 
 − HX
 
 Ar
 
 Ar´ + N 2
 
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 1030
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 HANTZSCH-Synthese
 
 GRAEBE-ULLMANN-Synthese 669 von Carbazolen durch Photo-Dediazotierung von Benzotriazolen R1
 
 R1
 
 R1
 
 NH 2
 
 R2
 
 NH
 
 von (1,4-Dihydro-) Pyridinen aus 1,3-Carbonyl-Verb., Aldehyden und Ammoniak 687
 
 + HNO2
 
 N
 
 − 2 H 2O
 
 N
 
 N
 
 R3
 
 R2
 
 hν
 
 R 2O2C
 
 − N2
 
 N H
 
 R1
 
 C
 
 CH + H C
 
 O + H 2C
 
 OH + NH 3 + O
 
 C
 
 H
 
 CO2R 2 − 3 H2O
 
 R1
 
 R3
 
 R 2O2C
 
 CO2R 2
 
 R1
 
 N
 
 R1
 
 H
 
 R2
 
 − 2 [H +] , − 2 e 0−
 
 HNO3 R3 R 2O2C
 
 GRIGNARD-Reaktion von Halogenalkanen mit Magnesium zu Alkylmagnesiumhalogeniden (GRIGNARD-Verbindungen), die sich im SCHLENK-Gleichgewicht mit DialkylmagnesiumVerbindungen befinden 34, 153, 195, 609 δ+ δ−
 
 δ− δ++
 
 Ether
 
 2 R X + 2 Mg
 
 δ−
 
 δ−
 
 H2 O
 
 C O MgX R
 
 C
 
 C
 
 Y
 
 X
 
 CO2R 3
 
 R1
 
 H
 
 O
 
 R4
 
 + NH3
 
 − H 2O
 
 H
 
 Cl
 
 − H 2O , − HCl
 
 R4
 
 H 2N
 
 O
 
 CO2R 3
 
 R1
 
 CO2R 3
 
 +
 
 R2
 
 R4
 
 N H
 
 HARTWIG-SCHÖLLKOPF-Synthese 796
 
 von 3-Hydroxytosylaten bzw. Halogeniden zu CarbonylVerb., Alkenen und Tosylat- bzw. Halogenid-Anion in Ggw. v. Basen C
 
 R1
 
 R
 
 GROB-Fragmentierung 114
 
 Y
 
 H H
 
 R2
 
 C OH
 
 N
 
 von Pyrrolen aus α-Chlormethylketonen, β-Ketoestern und Ammoniak oder primären Aminen 662
 
 R Mg R + MgX2
 
 sowie die nucleophile Addition der Alkylmagnesiumhalogenide an Carbonyl-Verb. u. andere Elektrophile 34, 263, 618 C O + RMgX
 
 R1
 
 δ− δ++ δ−
 
 2 R Mg X
 
 CO2R 2
 
 C
 
 +
 
 C
 
 C
 
 enantiomerenreiner Aminosäuren durch diastereoselektive Alkylierung des Bislactimethers aus Glycin und L- bzw. D-Valin OCH3
 
 +
 
 X
 
 N
 
 OCH3
 
 1.) + Base 2.) + R−X , − HX
 
 N
 
 + 3 H 2O (H 3O+)
 
 N N
 
 CH 2 OCH3
 
 − 2 CH3OH − L-Valin
 
 R
 
 NH3 O2C
 
 OCH3
 
 H
 
 Y = OH, NR2 ; X = OTs, Cl, Br, I
 
 HAWORTH-Synthese 183
 
 GUARESCHI-Synthese 687 von 2-Pyridonen (Pyridinen) aus 1,3-Dicarbonyl-Verb. (Enol-Form) und Cyanacetamid R
 
 R O
 
 R
 
 kondensierter Aromaten durch Anellierung mit Bernsteinsäureanhydrid
 
 OH
 
 +
 
 H2C H 2N
 
 CN O
 
 +
 
 N
 
 R
 
 O
 
 CO2H
 
 AlCl3
 
 O O
 
 H
 
 HECK-Reaktion 68, 623
 
 GUSTAFSON-Synthese 109 von Cyclopropan(en) aus 1,3-Dihalogenalkanen mit Zink H2C
 
 O
 
 O
 
 CN
 
 − 2 H 2O
 
 CH2Br
 
 + Zn
 
 BrH2C
 
 CH2Cl
 
 − ZnBrCl
 
 BrH2C
 
 C
 
 CH 2Br
 
 + 2 Zn
 
 CH 2Br
 
 − 2 ZnBr2
 
 Pd-katalysierte Alkenylierung oder Arylierung von Alkenen mit Halogenalkenen bzw. Halogenarenen H R X
 
 +
 
 R
 
 [ Pd ]
 
 C C
 
 C C
 
 − HX
 
 R = Alkenyl , Aryl , Benzyl , X = I , Br , OSO2CF3
 
 enantioselektive, intramolekulare, mehrfache 624
 
 H Haloform-Reaktion 193
 
 HELFFERICH-Synthese 876
 
 von Methylketonen mit Halogen zu Carboxylat und Trihalogenmethan (Haloform) O R C CH3
 
 −
 
 + 3 OH , + 3 X2 −
 
 − 3 H2O , − 3 X
 
 O
 
 + NaOH
 
 R CO2 Na
 
 R C CX3
 
 + HCX3 X = Cl, Br, I
 
 β-Glycosylierung von Peracetylhexosen mit Alkoholen und Phenolen in Ggw. v. Zinkchlorid AcO AcO
 
 CH2OAc O
 
 + R'OH ZnCl2
 
 OAc OAc
 
 − CH3CO2H
 
 AcO AcO
 
 CH2OAc O OR' OAc
 
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 R
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 1031
 
 HOFMANN-MARTIUS-Umlagerung 455
 
 HELL-VOLHARD-ZELINSKII-Halogenierung 295 von α-Methylencarbonsäuren zu α-Halogencarbonsäuren R CH2 CO2H
 
 +
 
 PX3 oder P
 
 X2
 
 R CH CO2H
 
 +
 
 von N-Alkylanilinen zu p-Alkylanilinen R
 
 HX
 
 N
 
 X
 
 X = Cl , Br
 
 NH2
 
 [ H +]
 
 H
 
 o
 
 R
 
 HENRY-Reaktion 333 HOOKER-Oxidation 365
 
 von Aldehyden (R2 = H) oder Ketonen mit α-CH-aciden Nitroalkanen zu Nitroaldolen oder Nitroketolen, die zu Nitroalkenen dehydratisieren können H
 
 R2
 
 + H C NO2
 
 R1 C O
 
 Base
 
 R2 H HO R 3
 
 R3
 
 O
 
 R2
 
 +
 
 R 1 C C NO2
 
 von Alkyl-1,4-naphthochinonen unter Umlagerung und Verkürzung der Seitenkette
 
 [H 3O ] − H 2O
 
 R3
 
 O
 
 H2 SO4 , CuSO4 oder KMnO4 , O2 + 3/2 O2, − CO2, − H2O
 
 OH
 
 NO2
 
 R1
 
 R
 
 CH2 R
 
 OH
 
 O
 
 HINSBERG-Synthese 661
 
 HORNER-EMMONS-WADSWORTH-Alkenylierung 331
 
 von Thiophen-2,6-dicarbonsäureestern aus α-Diketonen und 3-Thiaglutarsäurediestern R1 O
 
 R3O2C
 
 R'
 
 + NaH
 
 R''
 
 − H2
 
 (C 2H 5O)2 P CH 2 R + O C
 
 Base − 2 H2O
 
 CH2 CO2R3
 
 S
 
 R2
 
 R1
 
 O
 
 +
 
 von Aldehyden oder Ketonen mit Phosphonsäurediestern O
 
 R2
 
 R3 O2C H 2C
 
 O
 
 R' C C
 
 H
 
 CO2R3
 
 S
 
 R
 
 O + (C 2H 5O)2 P O−Na+
 
 R''
 
 HOUBEN-HOESCH-Reaktion 321 von Phenolen oder Phenolethern mit Nitrilen, Zinkchlorid und Chlorwasserstoff zu Acylphenolen
 
 HINSBERG-Trennung 388, 431 primärer und sekundärer Amine über die NAlkylsulfonamide
 
 + RCN , + HCl ZnCl 2
 
 HO
 
 NH 2 Cl + H O 2 C − NH4Cl R
 
 HO
 
 HOCK-Synthese 349, 451 des Acetons und Phenols aus Cumen durch Umlagerung (1,2-Anionotropie der Phenyl-Gruppe) des Cumenhydroperoxids zum Halbketal der Produkte
 
 HUNSDIECKER-Decarboxylierung 193, 258 von Silbercarboxylaten mit Brom zu Bromalkanen R CO2 Ag
 
 +
 
 + O2
 
 [H ]
 
 OH H 3C C O
 
 H 3C C H
 
 o
 
 H3C
 
 C
 
 H3C
 
 O O
 
 H3C
 
 H
 
 C
 
 O
 
 +
 
 O
 
 H
 
 [3,3]sigmatrope Umlagerung der t-Butyldimethylsilylether von Carbonsäureallylestern in γ,δ-ungesättigte Carbonsäuren
 
 von Carbonsäureamiden zu primären Aminen mit Brom in alkalischer Lösung über Acylnitrene und Isocyanate (1,2-Anionotropie) O R C N Br H
 
 Br2 − HBr
 
 OH
 
 −
 
 − HBr
 
 R
 
 O C_ N _
 
 O C N + H2O
 
 C
 
 + H
 
 α
 
 C
 
 Hitze
 
 β
 
 C
 
 α
 
 C
 
 + H2O + NR3
 
 O
 
 − HCl
 
 OSiR3 o
 
 OH + H2O
 
 O
 
 − R3SiOH
 
 NH2
 
 von Trialkylaminen über Tetraalkylamnonium-Salze und Hydroxide unter Bildung von Alkenen β
 
 OSiR 3
 
 Base + R3SiCl
 
 O
 
 − CO2
 
 HOFMANN-Eliminierung 390
 
 _ H OI _
 
 O
 
 R
 
 o
 
 R
 
 NR3
 
 R Br + CO2 + AgBr
 
 I IRELAND-CLAISEN-Umlagerung 251, 603
 
 HOFMANN-Abbau 378, 450
 
 O R C NH2
 
 CCl 4 , Hitze
 
 + Br2
 
 CH 3
 
 CH3
 
 CH3
 
 O C R
 
 HO
 
 J JACOBSEN-Umlagerung 141, 454 von Polymethylbenzenen bei der elektrophilen Sulfonierung SO3H H 3C
 
 CH 3
 
 H 3C
 
 CH 3
 
 CH 3
 
 + SO3 o H 3C
 
 CH 3 CH 3
 
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 O
 
 1032
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 JAPP-KLINGEMANN-Reaktion 409
 
 KOLBE-SCHMITT-Synthese 246
 
 von Diazonium-Salzen mit 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen zu Arylhydrazonen CO2C2H5
 
 Ar +
 
 N _ N _
 
 N N H
 
 E E = CO2 C2 H5 , COCH3 , CN
 
 Cl
 
 _ IOl
 
 Ar
 
 −
 
 OH
 
 H C R
 
 von Aren-o-hydroxycarbonsäuren (Salicylsäure) durch elektrophile Carboxylierung der Phenolate
 
 + C O2
 
 R
 
 O
 
 CN
 
 O
 
 HO C H
 
 + HCN
 
 H C OH HO C H
 
 von β-Glycosiden aus peracetylierten α-Glycosylhalogeniden und Alkoholen oder Phenolen in Ggw. v. Silber-Salzen (übertragbar auf N-Glycoside)
 
 + 2 H2 O − NH3
 
 CH 2OAc O
 
 AcO AcO
 
 OH C
 
 O
 
 H C OH HO C H
 
 H C
 
 −
 
 + 2 [H+] , + 2 e0 Nax Hg
 
 O
 
 + AgOH (oder Ag-Salz) − AgBr, − H2O
 
 H
 
 +
 
 H 2C
 
 Base
 
 OR OAc
 
 primärer Halogenalkane zu Aldehyden über NAlkylpyridinium-Halogenide, die mit p-Nitroso-N,Ndimethylanilin Nitrone als Aldehyd-Vorstufen ergeben N(CH3) 2
 
 N(CH 3)2
 
 +
 
 CO2R
 
 +
 
 C C
 
 − H2O E E = CO2 R' , COCH3 , CN , Aryl
 
 CH 2OAc O
 
 KRÖHNKE-Reaktion 313
 
 von Aldehyden oder Ketonen mit CH-aciden MethylenVerbindungen C O
 
 AcO AcO
 
 O
 
 H C OH HO C H
 
 R + O
 
 O Br
 
 H 3C
 
 KNOEVENAGEL-Alkenylierung 60, 250, 266, 305, 338, 345, 423, 426, 706, 711, 975
 
 CO2R
 
 CO2H
 
 − NaOH
 
 KÖNIGS-KNORR-Synthese 876, 909
 
 der Kohlenhydrate durch Cyanhydrin-Reaktion von Aldosen, Hydrolyse der Cyanhydrine zu Lactonen und Reduktion der Lactone zu homologisierten Aldosen
 
 C
 
 OH
 
 H3O+ + H2O
 
 CO2 Na
 
 K KILIANI-Synthese 334, 871
 
 H
 
 OH
 
 Na
 
 C E
 
 E
 
 R CH2
 
 X
 
 N
 
 R
 
 O
 
 N X CH 2
 
 O
 
 N − HX
 
 R = Aryl, Alkenyl, Acyl
 
 R
 
 N C
 
 H3 O
 
 H
 
 O
 
 +
 
 R
 
 C
 
 KNORR-Synthese 664 von Pyrrolen aus (in situ hergestellten) α-Aminoketonen und α-Methylen-Carbonyl-Verbindungen O + HNO2 R 2 O2C
 
 L LADENBURG-Synthese 856
 
 R1
 
 R1 CH 2
 
 − H2O
 
 O R 2 O2C
 
 N
 
 des racemischen Coniins aus α-Picolin und Acetaldehyd
 
 OH −
 
 + 4 [H+] , + 4 e0 , − H2O
 
 Zn, CH3 CO2 H
 
 H R 2 O2C
 
 CO2R 2
 
 N
 
 O + H 2C NH 2
 
 O
 
 − 2 H2O
 
 R 2 O2C
 
 R R
 
 +
 
 N H
 
 von Nitrilen aus Halogenalkanen und Cyanid (nucleophile Substitution von Halogenid durch Cyanid) +
 
 C N
 
 X = Cl , Br , I
 
 N
 
 N
 
 LEUCKART-WALLACH-Reaktion 378 von Aldehyden oder Ketonen mit Ammonium-formiaten zu alkylierten Aminen (reduktive Alkylierung) R
 
 O C
 
 + HCO2
 
 R C N + X
 
 + CO2 + H2 O
 
 C N
 
 NH2RR'
 
 2 CO2
 
 KOLBE-Synthese 248
 
 R X
 
 − H2O
 
 R1
 
 anodische Oxidation von Carboxylaten zu symmetrischen Alkanen über Alkyl-Radikale 2 R CO2
 
 CH3
 
 H R1
 
 KOLBE-Elektrolyse 36 Anode
 
 CH 3 + O
 
 + H2 (Kat.)
 
 Base
 
 H R1
 
 CO2R 2
 
 R1
 
 H
 
 R'
 
 LOBRY-DE-BRUYN-VAN-EKENSTEIN-Umlagerung 878 von Aldosen zu Ketosen in alkalischer Lösung H
 
 C
 
 O
 
 H C OH CH 2OH
 
 H H 2C OH
 
 C C
 
 OH OH
 
 CH 2OH C O CH 2OH
 
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 H
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 1033
 
 MCDONNALD-H.O.L. FISCHER-Abbau 884
 
 LOSSEN-Abbau 378, 450
 
 von Aldohexosen zu Aldopentosen über Diethylmercaptale und Disulfone
 
 von Hydroxamsäuren über Acylnitrene und Isocyanate zu primären Aminen (1,2-Anionotropie) O
 
 R
 
 O
 
 R C NH OH
 
 o
 
 R C _ N _
 
 − H2O
 
 O C N
 
 + H2O
 
 R
 
 − CO2
 
 NH 2
 
 H
 
 C
 
 H C S C2H 5
 
 (1)
 
 H C OH
 
 C
 
 H C SO2 C 2H5
 
 (2)
 
 H C OH
 
 R H
 
 SO2 C 2H5
 
 S C2H 5
 
 O
 
 H C O H R
 
 R O
 
 (3)
 
 SO2 C 2H 5 + H2C SO2 C2H 5
 
 R
 
 +
 
 (1) C2 H5 SH [H ] ; (2) C2 H5 CO3 H ; (3) NH3 , H2 O
 
 M MADELUNG-Synthese 667
 
 MCMURRY-Reaktion 60, 342, 752, 963
 
 von Indolen aus o-Alkyl-N-acylanilinen Base + RCOX
 
 CH3
 
 CH3 O
 
 − HX
 
 NH2
 
 reduktive Kupplung von Aldehyden oder Ketonen zu Alkenen mit niedervalentem Titan
 
 Base
 
 N H
 
 R
 
 − H2O
 
 R
 
 N H
 
 von 1,2-Diolen in Carbonyl-Verbindungen mit Periodsäure R'
 
 HIO4 −
 
 +
 
 − 2 [H ] , − 2 e0
 
 HO OH
 
 C
 
 R
 
 R" +
 
 O
 
 O
 
 C
 
 Aminoalkylierung CH-acider Carbonyl-Verbindungen mit Formaldehyd und Ammoniak, prim. oder sek. Aminen NH
 
 +
 
 C
 
 +
 
 O
 
 CH C O
 
 N CH2
 
 − H2O
 
 R
 
 von Ketonen mit 2-Propanol und Aluminium-2-propanolat zu sekundären Alkoholen C
 
 CH 3
 
 R
 
 R
 
 Al[OCH(CH3)2]3
 
 + H C CH3
 
 R C H
 
 NH2
 
 Pol O
 
 C C
 
 O
 
 NHBoc O
 
 O
 
 R
 
 H +
 
 + X
 
 von Dipyrrylmethandialdehyd und Dipyrrylmethan zu Porphyrinen in Gegenwart eines Chinons als Oxidationsmittel H
 
 R
 
 N
 
 + O
 
 R
 
 nächste Boc-Aminosäure
 
 NH2
 
 Kupplung
 
 H H
 
 N N
 
 Oxidationsmittel − 2 H2 O
 
 − 2 [H+] , − 2 e0
 
 NHBoc O
 
 1.) CF3CO2H ; 2.) N(C2H5)3
 
 Pol−T r i p e p t i d
 
 O
 
 von Alkenen in Ggw. v. Übergangsmetall-Katalysatoren (Oxide oder Carben-Komplexe) zu umsubstituierten Alkenen (Kreuzmetathese mit zwei verschiedenen Alkenen, Selbstmetathese mit einem Alken) 68 +
 
 Kat.
 
 +
 
 Ringöffnungs-Metathese zur Polymerisation 761
 
 O H H
 
 N
 
 R
 
 Metathese(-Reaktion) 68, 628
 
 MCDONALD-Cyclisierung 752
 
 N
 
 R
 
 H
 
 Pol O
 
 H N
 
 Pol O
 
 Kupplung
 
 R
 
 O
 
 der Radikal-Kationen von CC-Doppelbindungen und Heteroanaloga mit γ-ständigem H-Atom in Alken und und (Enol-)Radikal-Kation (MS-Fragmentierung) + X
 
 CH3
 
 O
 
 R HO
 
 O
 
 MCLAFFERTY-Umlagerung 549
 
 H
 
 C
 
 von Peptiden durch Ester-Bindung der C-terminalen Aminosäure an ein Träger-Polymer Pol und repetitive Knüpfung der Peptid-Bindungen an diesem Träger mit N-geschützten Aminosäuren (Boc-Aminosäuren)
 
 Abspaltung der Boc-Schutzgruppe mit
 
 R
 
 H3C
 
 +
 
 OH
 
 OH
 
 O
 
 R
 
 R
 
 H
 
 R
 
 MERRIFIELD-Festphasen-Synthese 780, 820 R*
 
 MANNICH-Reaktion 338, 795, 856
 
 H
 
 R
 
 R C C
 
 − 2 TiO
 
 MEERWEIN-PONNDORF-VERLEY-Reduktion 328
 
 R
 
 MALAPRADE-Spaltung 227
 
 R
 
 + 2 Ti (0) [TiCl 3 , LiAlH4 ]
 
 O C
 
 R
 
 von Amino-Gruppen in Peptiden und Proteinen mit glycosidischen Hydroxy-Funktionen der Zucker unter Bildung brauner Polymerer beim Backvorgang
 
 R' R"
 
 R +
 
 C O
 
 MAILLARD-Reaktion 879
 
 R C C R*
 
 R
 
 −
 
 N N
 
 H
 
 H
 
 N
 
 Ringschluß-Metathese 114, 636
 
 N
 
 Alkin- 778
 
 H
 
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 1034
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 MICHAEL-Addition 266, 305, 340, 345, 374, 641, 665, 707, 731, 779
 
 N NAZAROW-Cyclisierung 340 von Dialkenylketonen zu 2-Cyclopentenonen
 
 von C-Nucleophilen (α-CH-acide Carbonyl- und NitroVerb., Nitrile, Sulfoxide, Sulfone) an elektrophile Alkene (α,β-ungesättigte Carbonyl- und Nitro-Verb., Nitrile, Sulfoxide, Sulfone)
 
 R
 
 +
 
 O
 
 H H
 
 DEAD, (C6H5)3P
 
 + R3 CO2 H
 
 R1
 
 R2
 
 DEAD, (C6H5)3P
 
 +
 
 R'
 
 − 78 °C
 
 OSi(CH 3)3
 
 R
 
 R'
 
 OH
 
 + H2O − TMSOH R
 
 − 78 °C
 
 − HNO
 
 R2
 
 + HgCl2
 
 − TMSOH
 
 O
 
 C
 
 H
 
 H
 
 C
 
 .
 
 C
 
 +
 
 O C
 
 C
 
 O + H
 
 C
 
 H
 
 Hg Cl
 
 O
 
 2 (H3C)2SiCl2
 
 (H3C)3SiCl
 
 +
 
 C
 
 C
 
 Typ 2: intramolekulare Verschiebung eines γ-ständigen HAtoms in Carbonyl-Verb. über Biradikale zu Enolen und Alkenen (oder Cyclobutanolen) O
 
 H
 
 hν
 
 O R
 
 R
 
 .
 
 H
 
 .
 
 O
 
 R
 
 (Cu-Pulver, 300 - 400 °C)
 
 − CuCl2 − N2
 
 − CO
 
 H3CSiCl3
 
 H +
 
 R
 
 von Halogensilanen aus Chlormethan und Silicium 2 Si
 
 R2
 
 .C
 
 O
 
 hν
 
 OH
 
 +
 
 C
 
 + Cu
 
 N2 [ HgCl3 ]
 
 C
 
 R'
 
 MÜLLER-ROCHOW-Synthese 597 4 CH3Cl
 
 R1
 
 Typ 1: homolytische Spaltung von Carbonyl-Verb. zu Ketenen und Alkanen
 
 R
 
 TiCl4, CH2Cl 2 + H2O
 
 OSi(CH3)3
 
 O
 
 O
 
 N
 
 NORRISH-Reaktionen 562
 
 H NHCOR 2
 
 von Silylenolethern als C-Nucleophile an elektrophile Alkene (α,β-ungesättigte Carbonyl-Verb.) zu 1,5Dicarbonyl-Verb. R
 
 R2 O
 
 NH2
 
 O
 
 R1 C R2 = H , Alkyl
 
 N2 Cl
 
 MUKAIYAMA-MICHAEL-Addition 603
 
 +
 
 OH
 
 Base , H2O
 
 O
 
 O
 
 TiCl 4, CH2Cl 2
 
 2
 
 1
 
 C
 
 von Aryldiazonium-Salzen mit Quecksilber(II)chlorid in Ggw. v. Kupfer-Pulver zu Arylquecksilberchloriden
 
 von Aldehyden mit Silylenolethern zu β-Hydroxyketonen OSi(CH 3)3
 
 CH
 
 N2
 
 C NO2
 
 MUKAIYAMA-Aldol-Reaktion 602 +
 
 R1
 
 CO2H R1 CH2 C
 
 NHCOR 2
 
 H
 
 + H2O
 
 R2
 
 1
 
 NESMEJANOW-Reaktion 403
 
 chiraler Kat., 1 bar, Raumtemp. Ethanol
 
 H2
 
 R1
 
 zur Monosaccharid-Synthese 872
 
 zur Herstellung von (S)-Dihydroxyphenylalanin = 3,4Dihydroxyphenyl) durch katalytische Hydrierung mit chiralem Katalysator CO2H
 
 −
 
 RO o − TosOH
 
 O
 
 R2
 
 (CH2)n O
 
 − H2O
 
 R2
 
 H R1
 
 (R1
 
 O
 
 R'
 
 von Nitroalkanen zu Aldehyden bzw. Ketonen
 
 O
 
 MONSANTO-Prozeß 796
 
 R
 
 R
 
 NEF-Reaktion 313
 
 n=2-6
 
 R1
 
 R'
 
 SO2C6H4CH3
 
 von Alkoholen (Diolen), Dialkylazodicarboxylaten (DEAD) sowie Triphenylphosphan zu (cyclischen) Ethern 637 HO (CH2)n OH
 
 1
 
 C N2
 
 H O
 
 − H2O
 
 C
 
 R1
 
 R3
 
 H
 
 R
 
 von Ketoximtosylaten zu α-Aminoketonen über Azirene
 
 von Alkoholen mit Carbonsäuren und Dialkylazodicarboxylaten (DEAD) sowie Triphenylphosphan zu Estern nach SN2, daher WALDEN-Umkehr der abs. Konfiguration 301, 401
 
 R2
 
 R'
 
 NEBER-Umlagerung 451
 
 E
 
 E
 
 MITSUNOBU-Reaktion
 
 R1
 
 sowie
 
 Base
 
 E = CO2R' , COCH3 , CN , Aryl
 
 HO H
 
 O
 
 [H+]
 
 CO2R
 
 CO2R
 
 O
 
 O
 
 O
 
 NOYORI-Hydrierung 290 prochiraler Alkene und Carbonyl-Verbindungen mit koordinationsfähigen funktionellen Gruppen in Ggw. von (aR)- oder (aS)-BINAP-Ru(II)-Komplexen
 
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 Verzeichnis der Reaktionen
 
 1035
 
 PATERNO-BÜCHI-Reaktion 567, 638
 
 NYLANDER-Reaktion 341
 
 von Alkenen und Carbonyl-Verb. zu Oxetanen durch [2+2]-Photocycloaddition
 
 von Aldehyden mit Bismut(III)-Salzen in alkalischer Lösung zu Carboxylaten und Bismut (schwarzer Niederschlag, Nachweis v. Aldehyden) H + 2 Bi3
 
 3R C
 
 hν
 
 + + 9 OH
 
 3 R CO2
 
 O
 
 O
 
 + 6 H 2O + 2 Bi
 
 O
 
 PAUSON-KHAND-Reaktion 95 von Alkenen, Alkinen und Kohlenmonoxid aus Metallcarbonylen zu 2-Cyclopentenonen durch [2+2+1]-Cycloaddition
 
 O OPPENAUER-Oxidation 318, 328
 
 O
 
 von sekundären Alkoholen zu Ketonen mit Aceton und Aluminiumalkoholaten R R C OH
 
 CH3 O C CH3
 
 +
 
 H
 
 CH3
 
 R
 
 Al [OC(CH3 )3 ]3
 
 C O
 
 +
 
 HO C CH3 H
 
 R
 
 PERKIN-Reaktion 250, 338 von Arenaldehyden mit Acetanhydrid zu α,βungesättigten Carbonsäuren (Zimtsäuren) als Folge einer Aldol-Reaktion
 
 Ozonolyse (HARRIS-Ozonolyse) 66, 97, 315, 927 von Alkenen über Ozonide, die unter reduzierenden Bedingungen zu Carbonyl-Verbindungen hydrolysiert werden; das Substitutionsmuster des Alkens bestimmt die Konstitution der Carbonyl-Verb. (Aldehyde oder Ketone) O R1
 
 O +
 
 O R3
 
 R1
 
 C C R2
 
 R2
 
 R4
 
 + H2O
 
 O O C
 
 C
 
 O
 
 +
 
 (Zn, H3O )
 
 R3 R4
 
 − Co2 (CO)6 , − CO
 
 + Co2(CO)8 +
 
 − H2O2
 
 R3
 
 R1 C O +
 
 H O H + CH2 C C O O H 3C C O
 
 Ar
 
 H Ar
 
 O CO2H H CH 2 C C C − CH3CO2H O Ar H OH H3C C O C
 
 PETERSON-Alkenylierung 605 von Aldehyden oder Ketonen mit α-CH-aciden Silanen über Silyl-Carbanionen
 
 O C R4
 
 R2
 
 Base
 
 R3 R4 C H Si(CH 3)3 + C4H9Li
 
 P PAAL-KNORR-Synthese 660
 
 R4
 
 von Fünfring-Heteroaromaten aus 1,4-Dicarbonyl-Verb.
 
 R3 R1 R4 C C R2 (H 3C)3Si Li O
 
 R1 + O C R2
 
 + H2O (H3O+) − LiOH − (H3C)3SiOH
 
 R3
 
 R1 C C
 
 R4
 
 R2
 
 von prim. und sek. Alkoholen zu Aldehyden bzw. Ketonen mit Dimethylsulfoxid (DMSO) und Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) über Alkoxysulfonium-Ionen
 
 R
 
 [H+]
 
 R3 Li
 
 PFITZNER-MOFFATT-Oxidation 424, 881 N
 
 O O
 
 C
 
 Si(CH 3)3
 
 R NH2
 
 P4S7 S
 
 − C4H10
 
 H
 
 O O
 
 Umkehrung 678
 
 (H3C)2SO, DCC
 
 S(CH3)2 O
 
 CHR1R2
 
 CR 1R 2
 
 R1 − [H+]
 
 O C
 
 + S(CH3)2 R2
 
 H
 
 PASSERINI-Reaktion 336 von Carbonsäuren mit Isocyaniden und Aldehyden (oder Ketonen) zu α-Hydroxycarbonsäureamiden O R1
 
 O H C O +C N R2
 
 O C R3 H
 
 O C
 
 O
 
 HO
 
 C
 
 R1
 
 C
 
 R3 H
 
 N R2
 
 C R1
 
 O R3 C H O C N R2 H − R1−CO2H
 
 + H2O HO
 
 C O C
 
 PICTET-SPENGLER-Synthese 695, 857 von Tetrahydroisochinolinen (und Isochinolinen) aus βPhenylethylaminen und Aldehyden durch Cyclisierung der intermediären Imine NH 2
 
 +
 
 H
 
 O R
 
 [H+] N
 
 − H2O
 
 R
 
 R3 H
 
 N R2 H
 
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 NH R
 
 1036
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 PUMMERER-Umlagerung 424
 
 Pinakol-Reaktion 220
 
 von Sulfoxiden zu α-Acyloxythioethern in Ggw. v. Acetanhydrid
 
 von Carbonyl-Verbindungen zu α,β-Diolen durch reduktive Kupplung mit Magnesium R
 
 C
 
 R
 
 R' + Mg +
 
 O
 
 C
 
 R'
 
 in Benzen
 
 R'
 
 O
 
 R
 
 R
 
 C C O
 
 Mg
 
 R'
 
 R R
 
 + 2 H2O
 
 O
 
 R
 
 R' C C R'
 
 − Mg(OH) 2
 
 HO OH
 
 S
 
 + (CH3CO)2O
 
 CH 2 R'
 
 − CH3COOH
 
 R
 
 S
 
 CH
 
 R'
 
 R
 
 von α,β-Diolen in Aldehyde oder Ketone in Ggw. v. Säuren (1,2-Anionotropie) o
 
 C C
 
 − H2 O
 
 OH
 
 R
 
 R
 
 + [H+]
 
 C C
 
 H
 
 − [H ]
 
 O
 
 R1
 
 O
 
 [H ] R
 
 − 2 C2H5OH
 
 R2
 
 N − H2O
 
 2 NH3
 
 C
 
 O
 
 C
 
 R
 
 C C
 
 O
 
 H
 
 O O
 
 X
 
 H
 
 R
 
 C
 
 O
 
 C
 
 CH2
 
 O O + H
 
 C
 
 R
 
 O
 
 Base
 
 SO2 CH R'
 
 − HX
 
 +
 
 H
 
 C
 
 + [H+]
 
 H
 
 R C CH 2 CH 2OH H
 
 + H2O +
 
 − [H ]
 
 OH R C CH 2 CH 2OH H
 
 Cl N2
 
 Hitze
 
 _ Ol _ Na
 
 360 °C , 300 bar , Cu
 
 + NaCl + H 2O
 
 von Aldehyden oder Ketonen mit in situ aus α-Halogencarbonsäureestern hergestellten Alkoxycarbonylalkylzinkhalogeniden zu β-Hydroxyestern Zn + Br
 
 C CO2R H O
 
 + H2O
 
 C O + Br Zn C CO2R H
 
 C BrZnO
 
 C CO2R
 
 C
 
 −
 
 − OH 2+ − Zn − − Br
 
 H
 
 −
 
 (OH ) − HCl , − N2
 
 R CH CH R' (E) + (Z)
 
 − SO2
 
 REFORMATSKY-Reaktion 299, 617
 
 PSCHORR-Variante 404 der GOMBERG-BACHMANN-Reaktion zur Synthese kondensierter Aromaten aus DiazoniumSalzen (intramolekulare G.-B.-Reaktion)
 
 H H R C C R' S O O
 
 industrielle Herstellung von Phenol durch Hydrolyse des Chlorbenzens Cl + 2 NaOH
 
 von Formaldehyd mit Alkenen zu 1,3-Diolen (auch Allylalkoholen und 1,3-Dioxanen) in Ggw. v. Säuren O
 
 R3
 
 N H
 
 RASCHIG-Prozeß 351
 
 PRINS-Reaktion 65
 
 R
 
 R2
 
 von α-Halogensulfonen zu Alkenen über Episulfone R
 
 C
 
 − 3 H2O
 
 R3
 
 O
 
 von Alkenen mit Peroxycarbonsäuren (meist mChlorperoxybenzoesäure) O
 
 N
 
 + O
 
 RAMBERG-BÄCKLUND-Reaktion 426
 
 N
 
 PRILEZHAEV-Epoxidation 235, 638
 
 +
 
 R1
 
 H +
 
 O
 
 +
 
 R
 
 C
 
 R'
 
 von Imidazolen aus 1,2-Dicarbonyl-Verb., Ammoniak und Aldehyden H
 
 H
 
 CH
 
 R RADZISZEWSKI-Synthese 661
 
 OC 2H5
 
 R
 
 S
 
 O
 
 von Isochinolinen aus Arenaldehyden und α-Aminoacetalen H
 
 CH 3CO2
 
 C C
 
 +
 
 POMERANZ-FRITSCH-Synthese 695
 
 O + H2N
 
 R'
 
 R
 
 C C
 
 OH
 
 OC 2H 5
 
 CH
 
 S
 
 OCOCH 3
 
 Pinakol-Umlagerung 228, 448
 
 R OH
 
 R
 
 O
 
 HO
 
 C C OR
 
 H
 
 REIMER-TIEMANN-Formylierung 318, 678 von Donor-substituierten Aromaten (meist Phenolen) CHCl3 + OH O
 
 − H2 O ,
 
 − Cl
 
 −
 
 O
 
 OH CHCl2
 
 + R
 
 ICCl2
 
 − 2 HCl R
 
 O C
 
 + H3 O+
 
 R
 
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 H
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 1037
 
 REPPE-Synthesen 94
 
 S SAKURAI-Reaktion 604
 
 Ethinylierungen, Vinylierungen, Carbonylierungen und Cyclooligomerisierungen mit Ethin
 
 von Allylsilanen (Nucleophile) an Enone (Elektrophile) zu δ,ε-ungesättigten Ketonen in Ggw. v. LEWIS-Säuren
 
 RILEY-Oxidation 313, 319
 
 + TiCl4
 
 von α-Methylen-Carbonyl-Verbindungen zu α,βDicarbonyl-Verbindungen O
 
 O
 
 C
 
 C
 
 CH 3
 
 1,4-Dioxan
 
 + SeO2
 
 C
 
 TiCl4
 
 O
 
 O
 
 Si(CH3)3
 
 Si(CH3)3
 
 O
 
 + 3 H2O
 
 +
 
 − TiO2, − HOSi(CH3)3, − 4 HCl
 
 H + Se + H 2O
 
 O
 
 SANDMEYER-Reaktion 152, 171, 402 von Aryldiazonium-Salzen mit Kupfer(I)-halogeniden zu Halogenarenen über Aryl-Radikale
 
 ROBINSON-Anellierung 340 von Cycloalkanonen durch Methylvinylketone in Ggw. v. Basen durch MICHAEL-Addition und Aldol-Reaktion + O
 
 Ar
 
 O
 
 O
 
 O
 
 OH
 
 H
 
 O O
 
 pH = 5-6
 
 + H2N CH3 +
 
 O
 
 N
 
 − 2 CO2
 
 OH
 
 H 3CO
 
 +
 
 O
 
 CH 3
 
 − 2 H2 O
 
 H3CO
 
 Cl
 
 OCH3
 
 R
 
 OH
 
 ROSENMUND-Reduktion 260, 314 von Carbonsäurehalogeniden, deren katalytische Hydrierung mit durch Bariumsulfat "gebremstem" Palladium als Katalysator O
 
 + Pd (BaSO4 )
 
 Cl
 
 PdCl
 
 R
 
 R C
 
 − Pd , − HCl
 
 H2O
 
 δ− δ++ δ−
 
 SCHLENK-
 
 R Mg R
 
 +
 
 MgX2
 
 R 1 O C2 NI H
 
 − H2 O , − N2
 
 1
 
 o
 
 2
 
 R
 
 O C N H
 
 + H2O − CO2
 
 H3N
 
 R
 
 der Ketone mit Stickstoffwasserstoffsäure über Dialkylnitrenium-Ionen zu N-Alkylcarbonsäureamiden 380, 451
 
 O
 
 + H2
 
 R C
 
 +
 
 Gleichgewicht
 
 + HN3 , + [H+]
 
 O C
 
 O
 
 O
 
 der Carbonsäuren mit Stickstoffwasserstoffsäure über protonierte Acylnitrene zu primären Aminen 379, 450
 
 O
 
 OCH 3
 
 R C
 
 C
 
 SCHMIDT (K.F.)-Reaktion
 
 OCH3
 
 + HCl
 
 C
 
 N
 
 δ−
 
 2 R Mg X ( X = Cl , Br , I )
 
 OCH3
 
 OCH 3
 
 V2 O5 , MoO3
 
 + O2
 
 von Alkylmagnesiumhalogeniden mit DialkylmagnesiumVerb. (bei GRIGNARD-Reaktionen) δ− δ++
 
 H H2C
 
 N2
 
 SCHLENK-Gleichgewicht 196
 
 O
 
 von Flavylium-Salzen aus Salicylaldehyden und αMethoxyacetophenonen O
 
 +
 
 H3C N
 
 ROBINSON-Synthese 698
 
 H 3CO
 
 X
 
 H
 
 − 2 H2O
 
 CO2H
 
 H
 
 Ar
 
 von Methylaromaten oder Methylheteroaromaten zu Aldehyden mit Sauerstoff in Ggw. v. MetalloxidKatalysatoren
 
 von Tropan-3-on aus Succindialdehyd, Methylamin und Acetondicarbonsäure durch doppelte MANNICHReaktion CO2H
 
 Cu X
 
 SAUERMILCH-Oxidation 312, 707
 
 ROBINSON-SCHÖPF-Synthese 856
 
 H
 
 N2 X X = Cl , Br
 
 − H2O
 
 Base
 
 R C
 
 H
 
 O
 
 + HN3 , + [H+]
 
 1
 
 R o
 
 R C
 
 − H2 O , − N2
 
 2
 
 N
 
 + 2 H2 O
 
 1
 
 R C
 
 − H3 O
 
 2
 
 N R
 
 +
 
 O
 
 1
 
 R C
 
 2
 
 N R H
 
 ROTHEMUND-TREIBS-Cyclisierung 751 von 2,5-unsubstituierten Pyrrolen und Arenaldehyden zu Porphyrinen in Ggw. v. Oxidationsmitteln
 
 SCHMIDT (R.R.)-Synthese 876 von β-Glycosiden aus Trichloracetimidaten
 
 Ar
 
 Ar 4
 
 N H
 
 + 4
 
 H
 
 Oxidationsmittel O
 
 − 4 H2O +
 
 − 4 [H ] − 4 e0
 
 N Ar N
 
 H
 
 RO RO
 
 N H
 
 Ar N
 
 CH 2OR O ORO
 
 NH
 
 CH2 Cl 2 ,
 
 R'
 
 BF 3 . O(C2 H5 )2
 
 H
 
 − 40 ° C
 
 + O
 
 RO RO
 
 CH 2OR O OR
 
 CCl3
 
 −
 
 Ar
 
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 OR' +
 
 O
 
 NH 2 CCl3
 
 1038
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 SCHOTTEN-BAUMANN-Benzoylierung 259
 
 SKRAUP-Synthese 693
 
 primärer und sekundärer Amine (und Alkohole) mit Benzoylchlorid in Ggw. v. Basen R
 
 O C
 
 + Cl
 
 O C N R R'
 
 Pyridin
 
 H N
 
 − HCl
 
 R'
 
 von Chinolinen aus Anilinen und Enonen in Ggw. v. LEWIS-Säuren und Oxidationsmitteln (unsubst. Chinolin aus Anilin und Glycerol über Acrolein) R3
 
 R3 R2
 
 O
 
 + NH2
 
 SHAPIRO-Reaktion 344
 
 − H2 O
 
 R1
 
 + 2 RLi
 
 C C
 
 − 2 RH
 
 N NH SO2 Ar
 
 Li
 
 −
 
 − Ar−SO2 Li + − N2
 
 H
 
 N
 
 C
 
 Re
 
 H
 
 + [O]
 
 Si
 
 von quartären Benzylammonium-Ionen zu o-Alkyl-N,Ndialkylbenzylaminen in Ggw. v. Basen −
 
 CH 2
 
 + H2 N o − NH3
 
 NR 2
 
 R C C H
 
 [1,5]- 456 benachbarter Einfach- und Doppelbindungen von Dienen in einer Einschritt-Reaktion o
 
 1 3
 
 1
 
 CH3
 
 2
 
 CH3
 
 CN H 5C6 CI OH
 
 [3,3]siehe COPE-Umlagerungen
 
 Ether
 
 H
 
 C
 
 + H2C R
 
 R
 
 ZnI Ι
 
 H
 
 C C
 
 H
 
 ZnI
 
 R
 
 I
 
 H
 
 CH2 R
 
 CH2
 
 C
 
 CH 3
 
 O + OH
 
 HO
 
 C O
 
 C O
 
 R
 
 R
 
 + ZnI2
 
 2
 
 E
 
 CH2
 
 E = R
 
 von Flavonen aus Phenolen und Benzoylessigsäureestern (Enol-Tautomer) O H
 
 CH3
 
 CH2
 
 1
 
 E
 
 N R
 
 CH _
 
 1
 
 N R
 
 o
 
 E
 
 2
 
 CH
 
 2
 
 R
 
 1
 
 N _ R
 
 R
 
 R
 
 O
 
 SIMONIS-Synthese 698
 
 C
 
 CH 2
 
 O
 
 R
 
 H5C2O
 
 C O
 
 von quartären Ammonium-Ionen über Stickstoff-Ylide zu tertiären Aminen unter kationotroper 1,2-AlkylVerschiebung
 
 H
 
 R
 
 −
 
 − CN
 
 STEVENS-Umlagerung 453, 454
 
 CH2I2 + Zn (Cu) H
 
 C
 
 H H 5C6
 
 C
 
 CH 2 H
 
 + CN
 
 SIMMONS-SMITH-Reaktion 109, 615
 
 R
 
 H 5C6 +
 
 −
 
 von Alkenen mit Diiodmethan in Ggw. v. Zink und Kupfer zu Cyclopropanen (stereospezifisch)
 
 R C C
 
 − HX
 
 von Arenaldehyden mit Enonen in Ggw. von Cyanid zu 1,4-Diketonen
 
 5
 
 Hitze
 
 H
 
 Pd(0) , CuI , Base
 
 X
 
 +
 
 STETTER-Reaktion 335
 
 H 5
 
 CH 2 NR 2
 
 terminaler Alkine mit Halogeniden (Alkenyl- und Aryl) in Ggw. v. Palladium(0), Kupfer(I)iodid und Basen
 
 sigmatrope Verschiebungen 111, 117, 470
 
 4
 
 H CH 2 NR 2
 
 SONOGASHIRA-Kupplung 96, 624
 
 R (S)-
 
 R = CH2OH
 
 CH 3
 
 CH 2
 
 O
 
 H
 
 H R
 
 R1
 
 SOMMELET-HAUSER-Umlagerung 455
 
 CH 3
 
 R (R)-
 
 −
 
 R2
 
 C C
 
 − LiOH
 
 von Allylalkoholen mit t-Butylhydroperoxid in Ggw. v. (+)bzw. (−)-Diethyltartrat und Titan(IV)-isopropylat zu Enantiomeren der Oxirane (ee > 90 %) + [O]
 
 +
 
 − 2 [H ] , − 2 e0
 
 R3
 
 SHARPLESS-Epoxidation 291
 
 O
 
 H FeCl 3 oder C6 H5 NO2
 
 + H2O
 
 C C
 
 R1
 
 N
 
 R1 = R2 = R3 = H , Alkyl , Aryl
 
 von Tosylhydrazonen mit Alkyllithium zu Alkenen H
 
 R2
 
 ZnCl 2 / FeCl 3
 
 P2O5 − H2 O , − C2 H5 OH
 
 O
 
 C , RO2C− , N
 
 C−
 
 R = −CH2−CH=CH2 (Allyl) , −CH2−C6H5 (Benzyl) , −CH(C6H5)2 (Benzhydryl)
 
 STILLE-Kuppplung 197, 624 von Halogeniden (Allyl-, Alkenyl-, Aryl-, Benzyl-) mit Alkyl-, Alkenyl-, Allyl-, Alkinyl-, Benzyl- und Arylstannanen in Ggw. v. Palladium (0)-Komplexen R1
 
 X
 
 +
 
 R2 SnR3
 
 Pd(0)-Komplex
 
 R1 R 2
 
 +
 
 XSnR3
 
 X = I , Br , OSO2CF3 R2 = Alkyl-, Alkenyl-, Alkinyl-, Aryl-
 
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 Verzeichnis der Reaktionen
 
 1039
 
 TODD-Synthese 714
 
 STORK-Enamin-Alkylierung 327
 
 von Adenin aus Formamidin und Phenylazomalodinitril über 4,5,6-Triaminopyrimidin
 
 mit Halogenalkanen über Immonium-Salze zu α-AlkylCarbonyl-Verb. C C
 
 R
 
 δ+ δ−
 
 +
 
 R X
 
 NR' _ 2
 
 R
 
 + H2 O
 
 C C
 
 −
 
 − R2 NH+ X
 
 NR'2 X
 
 N
 
 C C O
 
 +
 
 NH H
 
 C
 
 C
 
 H C
 
 NH2 N
 
 N
 
 C6H5
 
 −
 
 C4 H9 O
 
 C
 
 N
 
 NH2 N
 
 STRECKER-Synthese 792
 
 + H2 / Ni
 
 von Aminosäuren durch Cyanhydrin-Reaktion von Aldiminen und Hydrolyse der α-Aminonitrile H R C O
 
 H
 
 H + HCN R C NH
 
 + NH3 − H2O
 
 R C CN
 
 + 2 H2 O − NH3
 
 NH2
 
 +
 
 R C CO2 NH3
 
 +
 
 − 2 [H ] , − 2 e0
 
 R1 R2
 
 +
 
 XB(OH)2
 
 C O R
 
 NH H2N
 
 C
 
 C
 
 − H2O − 3 NH3
 
 − ClAl(CH3 )2
 
 + O
 
 Cp2 Ti
 
 +
 
 C
 
 NaOC2 H5 − C2 H5 OH
 
 NH 2 N
 
 O
 
 O
 
 H2N
 
 NH 2
 
 N
 
 NO
 
 HN
 
 + [NO+] , − [H+]
 
 H2N
 
 O
 
 + 4 [H+] , + 4 e0
 
 H2N
 
 H2C C
 
 N
 
 (CH3 CO)2 O
 
 N H
 
 − 2 H2 O
 
 − 4 H2 O
 
 O
 
 + HCO2 H
 
 N
 
 NH 2
 
 N
 
 NH4 SH oder Na2 S2 O4
 
 OR'
 
 R − Cp2 Ti
 
 NH4 + 2 Ag
 
 NaNO2
 
 HN
 
 HN
 
 C
 
 CH 2
 
 in situ
 
 Cl
 
 R CO2
 
 O CH 2
 
 OR'
 
 H Al(CH 3) 2
 
 Cp2Ti
 
 + 2 OH
 
 O H 5C 2O
 
 von Carbonyl-Verb. einschl. Estern zu terminalen Alkenen mit Titan-Carben-π-Komplexen C
 
 + 2 [Ag(NH3)2]
 
 R C
 
 des Guanins aus Guanidin und Cyanessigsäureethylester über 2,4-Diamino-6-oxo-1,6-dihydropyrimidin und 6Oxo-2,4,5-triamino-1,6-dihydropyrimidin nach Nitrosierung und Reduktion
 
 T TEBBE-Alkenylierung 331, 628
 
 H
 
 N H
 
 N
 
 TRAUBE-Synthese 714
 
 R
 
 −
 
 − NaSH − H2 S
 
 von Aldehyden und Aldosen mit ammoniakalischer Silbersalz-Lösung zu Ammoniumcarboxylaten und Silber (Nachweis v. Aldehyden durch Silberspiegel)
 
 O
 
 (CH3)2SO, (COCl)2
 
 N
 
 N
 
 TOLLENS-Reaktion 340
 
 von sekundären Alkoholen zu Ketonen mit Dimethylsulfoxid und Oxalylchlorid CH OH
 
 NH2
 
 C S Na
 
 NH2
 
 N
 
 SWERN-Oxidation 221, 424
 
 R
 
 S + H
 
 NH2
 
 H
 
 X = I , Br , OSO2CF3
 
 R
 
 NH2
 
 H
 
 Pd(0)-Komplex
 
 R 2 B(OH)2
 
 C6H5
 
 NH2
 
 von Halogeniden (Alkyl-, Alkenyl-, Aryl-) mit Alkyl-, Alkenyl- und Arylboronsäuren X
 
 N
 
 − C6 H5 NH2
 
 N
 
 SUZUKI-Kupplung 197, 624
 
 R1
 
 N
 
 N
 
 NH 2
 
 HN H2N
 
 N
 
 NH 2
 
 R
 
 Cp =
 
 TSCHITSCHIBABIN-Reaktion 703 von Pyridin mit Natriumamid zu 2-Aminopyridin
 
 THORPE-ZIEGLER-Cyclisierung 115 von α,ω-Dinitrilen in Ggw. starker Basen zu cyclischen Iminonitrilen, aus denen über Cyclanon-2carbonsäuren Cyclanone zugänglich sind CH C N (CH2) n C NH CH2
 
 + H2 O (H3 O+) − NH3
 
 CH C N (CH 2) n C O CH2
 
 + 2 H2 O (H3 O+) − 2 NH3
 
 CH CO2H (CH 2) n C O CH2
 
 CH2
 
 (CH2) n
 
 (CH 2) n C O
 
 CH2 C N
 
 N
 
 CH2
 
 NH2
 
 − H2
 
 + H2 O
 
 H
 
 N
 
 NH Na
 
 − NaOH
 
 von aliphatischen Aldehyden zu Carbonsäureestern in Ggw. starker Basen O 2 R C H
 
 Al(OC2 H5 )3
 
 O
 
 C
 
 + R−I
 
 C O
 
 C
 
 S
 
 − NaI
 
 H C
 
 100 - 250 °C
 
 C O
 
 S Na
 
 C
 
 S
 
 O
 
 − C C
 
 C
 
 SH
 
 SR
 
 SR +
 
 TWITCHELL-Verfahren 924 zur industriellen Verseifung von Triglyceriden mit Schwefelsäure
 
 R C O CH 2 R
 
 NH2
 
 von Natriumxanthogenaten mit Iodalkanen über Alkylxanthogenate zu Alkenen
 
 O C S
 
 TISCHTSCHENKO-Disproportionierung 329
 
 N
 
 TSCHUGAJEFF-Reaktion 414
 
 H
 
 − CO2 (Hitze)
 
 starke Base in Ether CH2 C N
 
 + Na
 
 R = Alkyl
 
 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Breitmaier, E., G. Jung: Organische Chemie (ISBN 9783135415062) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart
 
 R SH
 
 −
 
 1040
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 VORBRÜGGEN-N-Glycosidierung 910
 
 U UGI-Reaktion 337 von Carbonsäuren mit in situ erzeugten Iminen aus Aldehyden oder Ketonen und primären Aminen (oder Ammoniak) und Isocyaniden zu Bisamiden (VierKomponenten-Kondensation, engl. abgek. „4CC“) H
 
 H
 
 O R1
 
 N
 
 R4
 
 R4
 
 O
 
 C
 
 C R3 OH + C
 
 H
 
 H
 
 O C
 
 R1
 
 − H2O
 
 O C R1
 
 N C R3
 
 O + C N
 
 R2
 
 R2
 
 N
 
 O
 
 N
 
 OAc
 
 R3 C H O C N R2 H
 
 R1
 
 +
 
 R1
 
 + HS
 
 − H2 O
 
 SH
 
 S
 
 C
 
 R
 
 R3
 
 R3
 
 S _ S C R
 
 S
 
 S
 
 S
 
 R
 
 R N N
 
 C
 
 H3C
 
 C
 
 X
 
 Nu
 
 C
 
 X
 
 C
 
 Nu
 
 + X
 
 von Azoxybenzenen in p-Hydroxyazobenzene in Ggw. v. Säuren
 
 X
 
 + H2O
 
 _ OI _ N N Ar
 
 H 3 O+
 
 o
 
 N
 
 HO
 
 N Ar
 
 N 2 + HX + R OH
 
 WEISS-Synthese (Reaktion) 332
 
 O N CH3
 
 umgelagertes Alken
 
 WALLACH-Umlagerung 456
 
 von Donor-substituierten Aromaten mit Formamiden in Ggw. v. Phosphorylchlorid o- und oder p- zum Donor H C
 
 R3
 
 R3
 
 umgelagerter Alkohol
 
 +
 
 Nu
 
 von α,β-Dicarbonyl-Verb. mit 3-Oxoglutarsäurediester zu Bicyclo[3.3.0]octan-3,7-dionen in wäßrig saurem Puffer durch doppelte Aldol-Reaktion und doppelte MICHAEL-Addition
 
 VILSMEIER-Formylierung 316
 
 +
 
 C
 
 S Li
 
 R
 
 der Aminosäuren 803 des Harnstoffs 438
 
 H3CO
 
 C C
 
 der absoluten Konfiguration bei bimolekularen nucleophilen Substitutionen (SN2)
 
 primärer aliphatischer Amine 385 mit salpetriger Säure über instabile Diazonium-Salze in Stickstoff und Alkohole sowie deren Oxidationsprodukte R NH2
 
 OH R 1 C C C R2
 
 WALDEN-Umkehr 201, 261, 287, 289
 
 V VAN SLYKE-Reaktion
 
 + H NO2 , + HX
 
 − [H+]
 
 R1
 
 R 1 OH R3
 
 S
 
 R2 = H
 
 C C C R2
 
 − RH
 
 C
 
 β-Eliminierung
 
 − [H+]
 
 + H2 O
 
 H
 
 + RLi
 
 C C C R2
 
 Substitution
 
 des Aldehyd-C-Atoms vom Elektrophil zum Nucleophil durch Thioacetalisierung der Aldehyde mit Propan1,3-dithiol und Deprotonierung der 1,3-Dithiane H
 
 o
 
 C C C R2
 
 − H2 O
 
 Umpolung (nach COREY-SEEBACH) 324, 642
 
 C
 
 OH
 
 von weniger stabilen in stabilere (höher alkylierte) Carbenium-Ionen durch 1,2-Anionotropie von AlkylGruppen; Folgereaktionen sind Substitutionen oder βEliminierungen zu den Umlagerungsprodukten
 
 O2N
 
 R
 
 HO
 
 W WAGNER-MEERWEIN-Umlagerungen 75, 224, 448
 
 + 2 CuI
 
 O
 
 O
 
 O
 
 − 2 (H3C)3SiOH OSi(CH3)3 − 4 H C−CO H 3 2
 
 R4
 
 NO2 + 2 Cu
 
 N
 
 N
 
 + [H ]
 
 I
 
 N
 
 +
 
 AcO
 
 von Aryliodiden zu Biphenylen in Ggw. v. Kupfer 2
 
 NH 1.) LEWIS-Säure HO 2.) + 6 H2 O
 
 H
 
 ULLMANN-Reaktion 153 NO2
 
 OAc H 3C
 
 C N R2
 
 O C R1
 
 AcO
 
 R3
 
 C
 
 O
 
 H 3C OSi(CH 3)3
 
 R4
 
 HO
 
 H
 
 N
 
 von peracetylierten Furanosen oder Pyranosen mit silylierten Nucleobasen in Ggw. v. LEWIS-Säuren
 
 (POCl 3)
 
 O H 3CO
 
 H +
 
 C H
 
 N CH 3 H 3C
 
 R R
 
 C C
 
 H 2C + 2
 
 O
 
 R'O2 C
 
 CO2 R'
 
 O
 
 C O H 2C CO2 R'
 
 − 2 H2O
 
 R
 
 O R'O2 C
 
 CO2 R' O
 
 R
 
 CO2 R'
 
 R
 
 (H3O+)
 
 + 4 H2O
 
 O
 
 − 4 R'OH − 4 CO2
 
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 O R
 
 Verzeichnis der Reaktionen
 
 1041
 
 WOHL-ZIEGLER-Bromierung 189, 270, 296
 
 WILLGERODT-Reaktion 341 von Alkylarylketonen zu ω-Arylalkancarbonsäureamiden mit Ammoniumpolysulfid O Ar
 
 Ar
 
 − 2 H2 Sx
 
 (CH 2)n CH 3
 
 (CH 2)n+1 C
 
 CH2
 
 O
 
 Ar
 
 HS
 
 + R2 NH , + S
 
 OH
 
 − H2 O
 
 S
 
 NR 2
 
 C
 
 +
 
 Ar
 
 Ar
 
 O R
 
 C
 
 N
 
 + H2 N NH2
 
 R'
 
 R
 
 − H2 O
 
 C
 
 X R'
 
 R O R'
 
 +
 
 Na X
 
 R
 
 der Thioether 417 aus Thiolaten bzw. Thiophenolaten und Halogenalkanen +
 
 X R'
 
 R S R'
 
 _ C CH
 
 +
 
 Na X
 
 R
 
 − N2
 
 N NI
 
 von Aldehyden oder Ketonen mit Alkylidenphosphoranen (Phosphonium-Yliden) R
 
 R´ +
 
 C O
 
 (C 6 H 5)3P C
 
 R´ C C
 
 − (C6 H5 )3 P=O
 
 R´
 
 R
 
 2
 
 1
 
 Base , − [H+]
 
 1
 
 o
 
 _ CH O
 
 R
 
 2
 
 R' R = Alkenyl oder Aryl
 
 R
 
 R'
 
 _1 2 CH OI _ R'
 
 C
 
 H (1)
 
 H
 
 C
 
 C
 
 N
 
 NOH (2)
 
 H C OH
 
 R
 
 C H C OCOCH3 R
 
 R CH(NHCOCH3)2
 
 (4)
 
 O
 
 H C OCOCH3
 
 R
 
 R
 
 o
 
 O C C H
 
 + Br R
 
 Na
 
 R
 
 − NaBr
 
 von Halogenalkanen R−X mit Natrium über Alkylnatrium zu symmetrischen Alkanen +
 
 2 Na
 
 R Na + NaX
 
 + R X
 
 R R
 
 + NaX
 
 zur quantitativen Bestimmung von "aktivem" Wasserstoff durch Reaktion mit Methylmagnesiumiodid zu Methan und dessen gasvolumetrische Messung R XMg I + CH4
 
 X = O , S , NH , NR
 
 von Aldo-(x)-osen zu Aldo-(x−1)-osen H C OH
 
 _ C CH
 
 − NaBr
 
 R XH + CH3 Mg I
 
 O
 
 R'
 
 X,Y,Z ZEREWITINOFF-Verfahren 613
 
 WOHL-Abbau 884 H
 
 CH 2
 
 WURTZ-Reaktion 35, 610
 
 R Na
 
 von Ethern zu Alkoholaten in Ggw. starker Basen (kationotrope 1,2-Verschiebung) CH 2 O
 
 R
 
 von Alkylbenzenen aus Halogenbenzenen mit Natrium
 
 R X
 
 R´
 
 WITTIG-Umlagerung 238, 453
 
 R
 
 − N2
 
 WURTZ-FITTIG-Synthese 142, 153 Br + 2 Na
 
 WITTIG-Alkenylierung 60, 330, 961, 962
 
 R
 
 −
 
 (OH )
 
 R'
 
 O
 
 X = Cl , Br , I , O-SO2 -OR'
 
 R
 
 NH2
 
 von Diazoketonen über Acylcarbene durch 1,2-Anionotropie zu Ketenen (Schlüsselschritt der ARNDTEISTERT-Homologisierung v. Carbonsäuren) O
 
 Na
 
 N H O
 
 WOLFF-Umlagerung 249, 399, 449
 
 X = Cl , Br , I , O-SO2 -OR'
 
 _ R SI _
 
 +
 
 H
 
 von Aldehyden bzw.Ketonen über Hydrazone zu Methylbzw. Methylen-Gruppen
 
 der Ether 232, 637 aus Alkoholaten bzw. Phenolaten und Halogenalkanen Na
 
 N Br
 
 Br
 
 WOLFF-KISHNER-Reduktion 141, 343, 975
 
 NR2
 
 WILLIAMSON-Synthese
 
 _ R OI _
 
 O CCl4 , Rückfluß
 
 O
 
 von Alkylarylketonen zu ω-Arylalkancarbonsäure-N,N-dialkylthioamiden mit sekundären Aminen und Schwefel CH 3
 
 CH 2 +
 
 (CH 2)n+1 CO2 NH 4
 
 sowie Ar
 
 NH 2
 
 WILLGERODT-KINDLER-Reaktion 341
 
 Ar
 
 O
 
 O
 
 + (NH4 )2 Sx
 
 C
 
 in Allyl- oder Benzyl-Stellung mit N-Bromsuccinmid
 
 ZIEGLER-NATTA-Verfahren (Katalyse) 759 zur koordinativen Polymerisation (Polyinsertion) von Alkenen über Titan-σ-Komplexe mit alternierenden Koordinationsstellen in aufeinanderfolgenden Schritten zu (isotaktischen) Polyalkenen
 
 (3)
 
 R
 
 Ti
 
 CH 2
 
 CH 3
 
 (1) NH2OH ; (2) (CH3CO) 2O , Pyridin ; (3) AgOH, NH3 , CH3CO2H ; (4) H3O+
 
 WÖHLER-Synthese 438 von Harnstoff (organisch) durch thermische Umlagerung des Ammonium-isocyanats (anorganisch) _ _ O C N
 
 NH 4
 
 Hitze
 
 + Ti
 
 C2H5
 
 Ti
 
 NH 2 O C NH 2
 
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 C2H5