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Pages 461 Page size 198.48 x 282.72 pts Year 2010
Springer-Lehrbuch
Carolin Kröner Berthold Koletzko
Basiswissen Pädiatrie Mit 112 farbigen Abbildungen und 163 Tabellen
123
Dr. med. Carolin Kröner Klinikum der Universität München Dr. von Haunersches Kinderspital Lindwurmstraße 4 80337 München
Univ.-Prof. Dr. med. Berthold Koletzko Klinikum der Universität München Dr. von Haunersches Kinderspital Lindwurmstraße 4 80337 München
ISBN 978-3-540-75457-2 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. SpringerMedizin Springer-Verlag GmbH Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Renate Scheddin, Peter Bergmann, Heidelberg Projektmanagement: Sigrid Janke, Heidelberg Lektorat: Dr. Susanne Meinrenken, Bremen Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin Titelbild: www.imagesource.com Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg SPIN: 12123698 Gedruckt auf säurefreiem Papier
15/2117 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort Die Kinder- und Jugendmedizin ist gemeinsam mit Innerer Medizin, Chirurgie und Frauenheilkunde eines der vier Kernfächer der klinischen Medizin. Die große Breite des Faches Pädiatrie, das ganz unterschiedliche Lebensphasen vom kleinsten Frühgeborenen bis zum heranwachsenden jungen Erwachsenen und nahezu das gesamte Spektrum der Medizin von der psychosozialen Entwicklung bis zu molekularen Aspekten spezifischer Organerkrankungen umfasst, stellt für lernende Studierende eine besondere Herausforderung dar. Dieses Buch stellt die wichtigsten Fakten im Sinne des notwendigen Basiswissens in klar strukturierter Form dar und soll insbesondere zur raschen Rekapitulation und zur Prüfungsvorbereitung dienen und so die ausführlicheren Lehrbücher ergänzen. Unser besonderer Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen, die bei der Entstehung dieses Buches wesentlich mitgeholfen haben. Das Kapitel Nephrologie wurde von Dr. Marcus Benz und PD Dr. Lutz Weber erstellt. Dr. Regina Ensenauer trug grundlegend zu dem Kapitel Stoffwechselstörungen bei, PD Dr. Markus Loeff und PD Dr. Robert Dalla-Pozza zu dem Kapitel Herz- und Kreislauferkrankungen (alle: Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Universität München). Darüber hinaus danken wir den folgenden Kolleginnen und Kollegen für Ihre engagierte Hilfe bei der Erstellung dieses Buches: Dr. Roland Böhm Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 20 A 04103 Leipzig PD Dr. Philipp Bufler Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Klinikum der Universität München Lindwurmstr. 4 80337 München Prof. Dr. Jutta Gärtner Zentrum Kinderheilkunde und Jugendmedizin Schwerpunkt Neuropädiatrie Universitätsmedizin Göttingen Robert-Koch-Str. 40 37075 Göttingen Prof. Dr. Orsolya Genzel-Boroviczeny Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Klinikum der Universität München Lindwurmstr. 4 80337 München Prof. Dr. Matthias Griese Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Klinikum der Universität München Lindwurmstr. 4 80337 München
VI
Vorwort
Prof. Dr. Tiemo Grimm Institut für Humangenetik Klinikum der Universität Würzburg Am Hubland 97074 Würzburg Prof. Dr. Peter Höger Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift gGmbH Liliencronstr. 130 22149 Hamburg Dr. Antonia Kienast Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift gGmbH Liliencronstr. 130 22149 Hamburg Dr. Ingrid Krüger-Stollfuß Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Klinikum der Universität München Lindwurmstr. 4 80337 München PD Dr. Irene Schmid Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Klinikum der Universität München Lindwurmstr. 4 80337 München Prof. Dr. Heinrich Schmidt Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Klinikum der Universität München Lindwurmstr. 4 80337 München Prof. Dr. Karl Schneider Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Klinikum der Universität München Lindwurmstr. 4 80337 München Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Klinikum der Universität München Pettenkoferstr. 8a 80336 München
VII Vorwort
Dr. Nina Sellerer Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Klinikum der Universität München Lindwurmstr. 4 80337 München Prof. Dr. Michael Weiss Kliniken der Stadt Köln Kinderkrankenhaus (Riehl) Amsterdamer Str. 59 50735 Köln Prof. Dr. Uwe Wintergerst Krankenhaus St. Josef Braunau Ringstr. 60 5280 Braunau Österreich
München, Oktober 2009 Carolin Kröner Berthold Koletzko
IX
Die Autoren Carolin Kröner Geboren 1979 in München, studierte zunächst Medizin und Politikwissenschaften an der Yale University, Connecticut. Nach ihrem Abschluss als Bachelor of Arts wurde das Medizinstudium an den Universitäten München und Lausanne, Schweiz fortgesetzt. Sie promovierte an der Universität München und arbeitet seit 2005 als Ärztin im Dr. von Haunerschen Kinderspital in München. Nebenberuflich engagiert sie sich in verschiedenen Stiftungen für medizinisch-humanitäre Hilfsprojekte v. a. in Entwicklungsländern.
Berthold Koletzko Leiter der Abteilung Stoffwechselkrankheiten und Ernährungsmedizin am Dr. von Haunerschen Kinderspital, Klinikum der Ludwig Maximilians-Universität München. Pädiatrische Ausbildung an Kinderkliniken in Südafrika, Tanzania und den Kinderkliniken der Universitäten Düsseldorf und Toronto, Kanada. Wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Stoffwechsels und der Biochemie der Ernährung, mit mehr als 600 Veröffentlichungen, Koordinator nationaler und internationaler Forschungs-Verbundprojekte. Träger zahlreicher wissenschaftlicher Auszeichnungen und Preise. Mitarbeit in der Schriftleitung nationaler und internationaler Fachzeitschriften und in zahlreichen wissenschaftlichen Fachgesellschaften und -kommissionen. Gründer und Vorsitzender der gemeinnützigen Stiftung Kindergesundheit.
Das Layout: Basiswissen Pädiatrie
Inhaltliche Struktur: klare Gliederung durch alle Kapitel
Leitsystem: schnelle Orientierung über alle Kapitel und den Anhang
Aufzählungen: Lerninhalte übersichtlich präsentiert
Schlüsselbegriffe: sind fett hervorgehoben
Cave: Vorsicht! Bei falschem Vorgehen Gefahr für den Patienten!
Übersichten: Fakten kompakt und lernfreundlich zusammengefasst
Navigation: Farbleitsystem, Seitenzahl und Kapitelnummer für die schnelle Orientierung
Verweise auf Kapitel, Abbildungen und Tabellen: deutlich herausgestellt und leicht zu finden
Wichtig: Kernaussagen bringen das Wichtigste auf den Punkt
112 größtenteils farbige Abbildungen: veranschaulichen komplexe Sachverhalte
Tabelle: klare Übersicht der wichtigsten Fakten
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Liebe Leserin und lieber Leser, Sie wo llen gute l.ehrbucher lesen, w ir wo llen gute t.ehrbucher machen : dabei ki:innen Sie uns helfen!
Lob und Kritik, Verbesserungsvorschläge und neue Ideen können Sie auf unserem Feedback-Fragebogen unter www.lehrbuch-medizin.de gleich online loswerden. Als Dankeschön verlosen wir jedes Jahr Buchgutscheine für unsere Lehrbücher im Gesamtwert von 500 Euro.
Wir sind gespannt auf Ihre Antworten! Ihr Lektorat Lehrbuch Medizin
XIII
Inhaltsverzeichnis 1
Entwicklung und Vorsorgeuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1 1.2 1.3 1.4
Vorsorgeuntersuchungen . . . . . . . Reflexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meilensteine kindlicher Entwicklung Pubertätsentwicklung . . . . . . . . .
2
Pädiatrische Genetik und teratogene Fruchtschädigung . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1 2.2 2.3
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
Chromosomenanalysen in der Pädiatrie . . Übersicht genetische Diagnostik . . . . . . . Übersicht über genetische Beratung und Pränataldiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . Nummerische Chromosomenaberrationen Strukturelle Chromosomenaberrationen . . Uniparentale Disomie und Genomic Imprinting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gonosomale Chromosomenaberrationen . Mitochondriale Gene . . . . . . . . . . . . . . Monogene Vererbung . . . . . . . . . . . . . . Multifaktorielle (polygene) Vererbung . . . Embryo- und Fetopathien durch exogene Noxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. .
1 2 4 5 6
7 8 8
5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9
82
Infektionskrankheiten . . . . . . . . . . . . . 106
7.1 7.2 7.3 7.4 7.5
Bakterielle Infektionskrankheiten Virale Infektionskrankheiten . . . . Infektionen durch Protozoen . . . Infektionen durch Pilze . . . . . . . Impfungen . . . . . . . . . . . . . . .
8
Erkrankungen des Immunsystems . . . . 141
8.1
Einteilung und Funktion menschlicher Abwehrmechanismen . . . . . . . . . . Allergische Erkrankungen . . . . . . . . Autoimmunerkrankungen . . . . . . . . Juvenile rheumatische Arthritis, rheumatisches Fieber . . . . . . . . . . .
16
3
Neonatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologie der Neonatalzeit . . . . . . . . Perinatale Schäden und ihre Folgen . . . . Reanimation beim Neugeborenen . . . . . Frühgeborene . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungenerkrankungen des Neugeborenen Bluterkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . Gastrointestinale Erkrankungen . . . . . . Fetale und neonatale Infektionen . . . . . Neugeborenenkrämpfe . . . . . . . . . . . . Metabolische Störungen . . . . . . . . . . . Maternale Drogenabhängigkeit und neonatale Entzugssymptomatik . . . . . .
. . . . . . . . . . .
18 20 20 21 23 24 28 32 37 40 48 48
. .
50
4
Ernährung und Ernährungsstörungen . .
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Ernährung des gesunden Säuglings . . . Ernährung im Kleinkind und Schulalter . Untergewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . Vitaminmangel und Hypervitaminosen
51 52 55 55 56 57
9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6
5
Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . .
5.1 5.2
Aminosäurenstoffwechsel . . . . . . . . . . . . Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels .
61 62 70
9.7 9.8
8.2 8.3 8.4
9 . . . . .
. . .
7
.
. . . . .
77 80 80 81 82 82
Definitionen und Grundlagen . . . . . . Hypothalamus und Hypophyse . . . . . Wachstumsstörungen . . . . . . . . . . . Schilddrüsenerkrankungen . . . . . . . Epithelkörperchen und Parathormon . Erkrankungen der Nebenniere . . . . . Erkrankungen des Nebennierenmarks Störungen der Pubertätsentwicklung . Hypogonadismus . . . . . . . . . . . . . Hodenhochstand . . . . . . . . . . . . . . Störung der sexuellen Differenzierung
11 11 13 13 15
. . . . .
. . . . . .
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11
. . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . .
Endokrinologie – Erkrankungen des hormonproduzierenden Systems . . . . .
8 8 10
2.7 2.8 2.9 2.10 2.11
. . . . . .
6
. . .
2.4 2.5 2.6
Fettstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . Sterolstoffwechselstörungen . . . . . . . Sphingolipidosen . . . . . . . . . . . . . . Peroxisomale Störungen . . . . . . . . . . Purin-/Pyrimidinstoffwechselstörungen Kongenitale Defekte der Glykosylierung Störungen im Abbau komplexer Kohlenhydrate (Heteroglykanosen) . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . .
84 85 86 89 91 94 96 100 100 103 103 104
107 120 135 135 137
. . . . 142 . . . . 147 . . . . 151 . . . . 153
Hämatologische Erkrankungen . . . . . . Physiologie der Blutbildung und Normwerte Basisdiagnostik und Einteilung der Anämien Mikrozytäre Anämien . . . . . . . . . . . . . . . Megaloblastäre Anämien . . . . . . . . . . . . . Hyporegenerative Anämien . . . . . . . . . . . Hämolytische Anämie bei Membrandefekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämolytische Anämie bei Enzymdefekten . . Mechanisch und toxisch bedingte Hämolysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
162 164 164 165 170 172 173 173 174
XIV
9.9 9.10 9.11 9.12 9.13 9.14 9.15 9.16 9.17 9.18 9.19
10
Inhaltsverzeichnis
Immunhämolytische Anämien . . Sichelzellerkrankung und andere Hämoglobinopathien . . . . . . . . Methämoglobinämie . . . . . . . . Angeborene Erkrankungen mit Knochenmarkversagen . . . . . . . Erworbene aplastische Anämie . . Polyglobulie (Erythrozytose) . . . Erkrankungen der Granulozyten . Erkrankungen der Thrombozyten Gerinnungsstörungen . . . . . . . Thrombophilie . . . . . . . . . . . . Vasopathien . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . 174 . . . . . . . 175 . . . . . . . 176 . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
Krebserkrankungen . . . . . . . . . . . . Grundlagen und allgemeine Prinzipien onkologischer Therapie . . . . . . . . . . . 10.2 Leukämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Non-Hodgkin-Lymphome . . . . . . . . . 10.4 Hodgkin-Lymphome (Lymphogranulomatose) . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Tumoren des ZNS . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Weichteilsarkome . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Maligne Knochentumoren . . . . . . . . . 10.8 Nierentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . 10.9 Keimzelltumoren . . . . . . . . . . . . . . . 10.10 Lebertumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.11 Histiozytosen . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.12 Seltene Tumoren im Kindesalter . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
177 178 178 179 180 182 185 185
. . . 188
12.6 12.7 12.8
Erkrankungen der Lunge . . . . . . . . . . . . . 254 Erkrankungen der Pleura . . . . . . . . . . . . . 258 Erkrankungen des Mediastinums . . . . . . . 260
13
Erkrankungen des Verdauungstrakts . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Fehlbildungen des Gastrointestinaltrakts . . . . . . . . . . . . . . Motilitätsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . Akut entzündliche Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts . . . . . . . . . . . . . . Chronisch-entzündliche Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts . . . . . . . . . . . . . . Nichtentzündliche Darmerkrankungen . . . Erkrankungen der Gallenwege und Gallenblase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Leber . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse . . .
13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7
10.1
11
. . . 189 . . . 190 . . . 193 . . . . . . . . .
Herz- und Kreislauferkrankungen . . . Herzinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Herzfehler mit Links-RechtsShunt (azyanotische Shuntvitien) . . . . . 11.3 Angeborene Herzfehler mit Rechts-LinksShunt (zyanotische Shuntvitien) . . . . . . 11.4 Funktionell univentrikuläre Herzen – komplexe angeborene Herzfehler . . . . . 11.5 Herzfehler ohne Shunt . . . . . . . . . . . . 11.6 Kardiomyopathien . . . . . . . . . . . . . . . 11.7 Erworbene Herzerkrankungen . . . . . . . 11.8 Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . 11.9 Funktionelle Störungen . . . . . . . . . . . . 11.10 Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 11.2
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
195 195 199 200 202 204 204 205 206
. . 207 . . 208 . . 208 . . 212 . . . . . . .
. . . . . . .
216 217 222 224 227 232 232
12
Erkrankungen des Respirationstrakts . . 234
12.1 12.2 12.3
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Fehlbildungen . . . . . . . . . . . Infekt der oberen Luftwege (»Atemwegsinfekt«) . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen von Nase, Rachen und Ohren Erkrankungen von Kehlkopf, Trachea und Bronchien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.4 12.5
235 235 236 237 243
13.8 13.9
. 261 . 263 . 265 . 271 . 275 . 278 . 284 . 286 . 288 . 292
14
Erkrankungen der Niere und ableitenden Harnwege . . . . . . . . . . . . 294
14.1
Kongenitale Fehlbildungen der Niere und der ableitenden Harnwege . . . . . . . . . Zystische Nierenerkrankungen . . . . . . . Glomerulopathien . . . . . . . . . . . . . . . Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) Tubulointerstitielle Nephritis (TIN) . . . . . Tubulopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . Arterielle Hypertonie . . . . . . . . . . . . . Urolithiasis und Nephrokalzinose . . . . . Harnwegsinfektionen (HWI) . . . . . . . . . Enuresis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Niereninsuffizienz (ANI) . . . . . . . Chronische Niereninsuffizienz (CNI) . . . . Nierenvenenthrombose (NVT) . . . . . . . Das äußere Genitale . . . . . . . . . . . . . . Tumoren im Bereich der Nieren und ableitenden Harnwegen . . . . . . . . . . . Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts . . . . . . . . . . . .
14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8 14.9 14.10 14.11 14.12 14.13 14.14 14.15 14.16
15 15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 15.6 15.7 15.8 15.9
Knochen und Gelenke . . . . . . . . . Angeborene Skelettanomalien . . . . . Wirbelsäulenerkrankungen . . . . . . . Hüfterkrankungen . . . . . . . . . . . . . Kniegelenkserkrankungen . . . . . . . . Fußdeformitäten . . . . . . . . . . . . . . Trichterbrust – Pectus excavatum . . . Osteomyelitis . . . . . . . . . . . . . . . . Knochentumoren . . . . . . . . . . . . . Kalzium-, Phosphat- und Magnesiumstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
296 301 303 314 315 316 320 321 323 324 325 326 328 328
. . 331 . . 331 . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
336 337 340 343 346 347 347 348 349
. . . . 351
XV Inhaltsverzeichnis
16
Pädiatrische Dermatologie . . . . . . . . . . 358
16.1 16.2 16.3 16.4 16.5 16.6 16.7 16.8 16.9
Erbliche Hauterkrankungen . . . . . . . . . . . Nävuszellnävi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viruserkrankungen der Haut . . . . . . . . . . Bakterielle Hauterkrankungen (Pyodermien) Pilzinfektionen der Haut . . . . . . . . . . . . . Parasitosen der Haut . . . . . . . . . . . . . . . Dermatitis und Ekzem . . . . . . . . . . . . . . . Urtikaria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arzneimittelexantheme und infektallergische Exantheme . . . . . . . . . . . . . . 16.10 Psoriasis vulgaris . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.11 Acne vulgaris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.12 Keloid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 17.1 17.2
359 361 364 365 367 368 369 371 371 373 374 375
Erkrankungen des Nervensystems . . . . 376
Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . Infantile Zerebralparese (Morbus Little, cerebral palsy, CP) . . . . . . . . . . . . . . 17.3 Neurometabolische Erkrankungen . . . 17.4 Neuromuskuläre Erkrankungen . . . . . 17.5 Neurokutane Erkrankungen . . . . . . . . 17.6 Zerebrovaskuläre Erkrankungen . . . . . 17.7 Epilepsie und zerebrale Krampfanfälle . 17.8 Entzündliche Erkrankungen des ZNS . . 17.9 Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.10 Gehirntumoren . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . 378 . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
381 383 385 396 399 403 410 414 416
18
Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . 417
19
Wichtige psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen . . . . . . . 420
19.1 19.2 19.3 19.4 19.5 19.6 19.7 19.8
Essstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Ausscheidungsfunktionen Bewegungsstereotypien . . . . . . . . . . . Störungen des Sprechablaufs . . . . . . . . Teilleistungsstörungen . . . . . . . . . . . . Tic-Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hyperkinetisches Syndrom (HKS) . . . . . Tiefgreifende Entwicklungsstörungen . .
20
Unfälle und akzidentelle Vergiftungen . 427
20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6
Verbrühungen und Verbrennungen . . . . . . . Ertrinkungsunfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . Verätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdkörperingestion . . . . . . . . . . . . . . »Sudden infant death« und »apparent life threatening event« . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
421 422 423 423 424 424 425 425
428 429 430 430 433 433
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
1 1 Entwicklung und Vorsorgeuntersuchungen 1.1
Vorsorgeuntersuchungen – 2
1.2
Reflexe
1.3
Meilensteine kindlicher Entwicklung
1.4
Pubertätsentwicklung – 6
–4 –5
1
2
Kapitel 1 · Entwicklung und Vorsorgeuntersuchungen
1.1
Vorsorgeuntersuchungen
In Deutschland gibt es gesetzlich garantierte Angebote für Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten und Entwicklungsstörungen. Vorsorgeuntersuchungen beinhalten: 4 Messung von Größe, Gewicht und Kopfumfang und Eintragen in die Perzentilenkurven 4 Gezielte Anamnese und ausführliche körperliche Untersuchung 4 Dokumentation der Befunde im gelben Untersuchungsheft 4 Überprüfung des Impfstatus und ggf. Impfung (nicht in der eigentlichen Vorsorgeuntersuchung enthalten) U1 Unmittelbar nach der Geburt: 4 Beurteilung des Vitalzustandes des Kindes: Bestimmung des APGAR 1, 5 und 10 min nach der Geburt (7 Kap. 3) 4 Bestimmung des Nabelschnur-pH 4 Beurteilung von Reifezeichen und -grad (Gestationsalter) des Kindes (7 Kap. 3) 4 Verabreichung der Blutungsprophylaxe: 2 mg Vitamin K p. o. U2 Am 3.–10. Lebenstag: 4 Klinische Untersuchung 4 Abnahme des erweiterten Neugeborenen-Screenings (nicht vor der 36., nicht nach der 72. Lebensstunde abnehmen): kapilläre Blutentnahme an der Ferse oder venöse Abnahme, Auftragen auf spezielle Filterpapierkarten zum Ausschluss zahlreicher angeborener Erkrankungen: Hypothyreose, Phenylketonurie (PKU), Galaktosämie und andere angeborene Stoffwechselerkrankungen, 7 Kap. 5 4 Besprechung der Vitamin-D und Fluoridprophylaxe mit den Eltern (. Tab. 1.1) 4 Sonographie der Hüfte: Ausschluss Hüftgelenksdysplasie (Inzidenz: 3% aller Neugeborenen, w>m) 4 Hörtest (OAE) 4 Verabreichung der 2. Dosis der Blutungsprophylaxe: 2 mg Vitamin K p. o. > Im 1. Lebensjahr und im 2. Lebenswinter müssen tgl. 500 IE Vitamin D zur Rachitisprophylaxe verabreicht werden.
. Tab. 1.1. Fluoridprophylaxe mit Tabletten* (bis zum 2. erlebten Frühjahr kombiniert mit Vit. D) Alter
Menge
1.–2. Lebensjahr
0,25 mg/Tag
2.–3. Lebensjahr
0,50 mg/Tag
3.–6. Lebensjahr
0,75 mg/Tag
* Werte gelten bei einer Fluoridkonzentration im Trinkwasser 35 Jahre, Vater >45 Jahre 4 Ein von einer genetischen Erkrankung betroffener Elternteil oder ein betroffenes Kind gesunder Eltern
4 Pränatale Infektionen oder Exposition teratogener Noxen 4 Rezidivierende Aborte ohne andere Ursache 4 Konsanguine Eltern 4 Auffälliger Triple-Test 4 Sonographischer Verdacht auf Fehlbildungen oder Dysplasien (z. B. Nackenödem in der 12. SSW) Diagnostik. Pränataldiagnostik: 4 nichtinvasiv: 5 Ultraschalluntersuchung des Feten 4 invasiv: 5 Chorionzottenbiopsie (ab 9.–10. SSW) ermöglicht eine Chromosomenanalyse, DNA-Analyse oder biochemische Untersuchungen (Abortrisiko 1%) 5 Amniozentese (16. SSW, Frühamniozentese 12. SSW) ermöglicht eine Chromosomenanalyse, biochemische Untersuchungen, die Bestimmung von α1-Fetoprotein, Insulin, Bilirubin u. a. (Abortrisiko 0,5–1%) 5 Chordozentese: fetale Blutentnahme aus der Nabelschnur, ermöglicht die Bestimmung von Hb, Bilirubin u. a. (Abortrisiko 2%)
2.4
Nummerische Chromosomenaberrationen
Definition. Veränderte Chromosomenzahl. Epidemiologie. Häufigkeit: 1:200 Lebendgeburten. Die Häufigkeit steigt mit dem Alter der Mutter. Meist treten nummerische Chromosomenaberrationen sporadisch auf, durch Fehlverteilung einzelner Chromosomen (Non-disjunction) in der Meiose oder Mitose.
Down-Syndrom (Trisomie 21) Definition. Syndromatische Erkrankung durch ein zusätzliches Chromosom 21. Epidemiologie. Häufigkeit: 1:650–700 Geburten; die Häufigkeit steigt mit dem Alter der Mutter: 30 Jahre: 0,1%, 35 Jahre: 0,5%, 40 Jahre: 1%, 45 Jahre: 3%. Ätiopathogenese.
4 Freie Trisomie 21(47+21; >90% der Fälle: zusätzliches, frei vorliegendes Chromosom 21) 4 Translokationstrisomie 21 (5% der Fälle: auf ein anderes Chromosom transloziertes Chromosom 21) 4 Mosaike (2% der Fälle: neben einer Zelllinie mit freier Trisomie 21 liegt eine Zelllinie mit normalem Chromosomensatz vor, häufig mildere Klinik)
9 2.4 · Nummerische Chromosomenaberrationen
2
4 Pränatal ist in der 12. SSW sonographisch häufig eine vergrößerte Nackenfalte nachweisbar, in 50% der Fälle ist der Femur verlängert. Symptomatik. . Abb. 2.1. 4 Kraniofaziale Dysmorphien: Brachyzephalie, breite Nasenwurzel, offener Mund, gefurchte und hervortretende Zunge, Makroglossie, tiefer Ohransatz, rundliche Ohren, hoher, schmaler Gaumen, kurzer Hals 4 Augen: lateral ansteigende (»mongoloide«) Lidachsen, Epikanthus (zarte Hautfalte am inneren Augenwinkel), Hypertelorismus (weiter Augenabstand), »Brushfieldspots« der Iris (helle, weiße Flecken) 4 Extremitäten: kurze, breite Hände, Brachy-/Klinodaktylie D5 (Einwärtskrümmung und Verkürzung der Kleinfinger), Vierfingerfurche, Sandalenlücke (vergrößerter Abstand zwischen 1. und 2. Zehe) 4 Skelett: Kleinwuchs, Gelenkhyperflexibilität, Hüftdysplasie, Coxa valgae 4 ZNS: geistige Behinderung, v. a. des abstrakten Denkens, muskuläre Hypotonie 4 Innere Organe: Herzfehler in fast 50% (v. a. AV-Kanal, VSD, ASD), Stenosen und Atresien im Verdauungstrakt (z. B. Duodenalatresie), urogenitale Fehlbildungen, Hypogonadismus 4 Sonstiges: erhöhte Infektanfälligkeit, 10- bis 20-fach erhöhte Leukämieinzidenz, erhöhte Inzidenz der präsenilen Demenz, Infertilität bei Männern Prognose. Die Lebenserwartung liegt in 45% >60 Jahre.
Meist können die Patienten einfache Arbeiten verrichten. Das Wiederholungsrisiko liegt bei freier Trisomie 21 bei ca. 1–2% und steigt mit dem mütterlichen Alter. Edwards-Syndrom (Trisomie 18) Definition. Syndromatische Erkrankung durch ein zu-
sätzliches Chromosom 18. Epidemiologie. Zweithäufigste Trisomie, Häufigkeit: 1:6 000–1:8 000; w:m=4:1. Meist freie Trisomie 18, selten Mosaik (20%).
. Abb. 2.1. Trisomie 21. Kleinkind mit Trisomie 21: lateral ansteigende Lidachsen, Epikanthus, Hypertelorismus, eingesunkene Nasenwurzel, Makroglossie
4 Extremitäten: Beugekontrakturen der Finger mit Überlagerung II über III und V über IV, Pes calcaneovarus (»Tintenlöscherfuß«): dorsalflektierter Hallux und hervorspringende Ferse 4 Thorax/Abdomen: kurzes Sternum, kleine Mamillen mit weitem Abstand, Inguinal- oder Umbilikalhernien, Rektusdiastase 4 Organe: Herzfehler (95%), Nierenanomalien, Ösophagusatresien, Malrotationen 4 Genitale: Kryptorchismus 4 Sonstiges: niedriges Geburtsgewicht, Gedeihstörung, Ateminsuffizienz, Krampfanfälle, schwere psychomotorische Entwicklungsverzögerung Prognose. 90% der betroffenen Kinder versterben im 1. Lebensjahr; die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 2–10 Monate.
Symptomatik.
4 Kraniofaziale Dysmorphien: Mikrozephalus, ausladender Hinterkopf, kleiner Gesichtsschädel, Dreiecksstirn, Hypertelorismus, Epikanthus, kleine Nase, hoher Gaumen oder Gaumenspalte, tief ansetzende, dysmorphe Ohren (»Faunenohren«), Mikroretrognathie, Katarakt, Lippen-Kiefer-GaumenSpalte
Pätau-Syndrom (Trisomie 13) Definition. Syndromatische Erkrankung durch ein zusätzliches Chromosom 13. Epidemiologie. Häufigkeit: 1:10 000. Meist freie Trisomie 13 (80% der Fälle), Translokationstrisomie oder Mosaik.
10
Kapitel 2 · Pädiatrische Genetik und teratogene Fruchtschädigung
2.5.1 Deletionen und Mikrodeletionen
Symptomatik.
2
4 Klinische Trias: An-/Mikrophthalmie, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, ulnare Polydaktylie 4 Kraniofaziale Dysmorphien: Mikrozephalie, Kopfhautdefekte (narbige Skalpdefekte entlang der Sagittalnaht), Mikrophthalmie, Iriskolobom, LippenKiefer-Gaumen-Spalte, tiefer Ohransatz, dysmorphe Ohren 4 Extremitäten: Hexadaktylie 4 Gehirn und innere Organe: Holoprosenzephalie (Fehlbildungssyndrom mit Arhinenzephalie, Mittellinienfehlbildungen, schwerste geistige Schädigung), Herzfehler, Zystennieren, Omphalozele, Malrotation des Darms, Kryptorchismus 4 Sonstiges: niedriges Geburtsgewicht, Anfallsleiden Prognose. 90% der Kinder versterben im 1. Lebensjahr, die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 1 Monat.
2.5
Strukturelle Chromosomenaberrationen
Strukturelle Chromosomenaberrationen entstehen durch Umbauten innerhalb eines Chromosoms (z. B. Deletionen) oder zwischen verschiedenen Chromosomen (z. B. Translokationen). Diese können zum Verlust oder Zugewinn von genetischem Material (unbalancierte Genverhältnisse) oder zu Umbauten ohne Verlust oder Zugewinn von genetischem Material (balancierte Genverhältnisse) führen. Balancierte Aberrationen sind in der Regel phänotypisch unauffällig, unbalancierte Aberrationen führen zu genetischen Syndromen.
Definition. Als Deletion bezeichnet man das Fehlen größerer Chromosomenstücke; dies ist im Karyogramm sichtbar – das jeweils homologe Chromsom ist intakt. Eine Mikrodeletion ist der Verlust kleinerer Chromosomenstücke; sie kann mehrere Gene oder größere Abschnitte eines Gens umfassen und zu verschiedenen Varianten genetischer Syndrome führen (contiguous gene-syndromes) (. Tab. 2.1). Der diagnostische Nachweis erfolgt mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH, 7 Kap. 2.2).
2.5.2 Translokationen Definition.
4 Reziproke Translokation: Stückaustausch zwischen 2 Chromosomen 4 Balancierte Translokation: Stückaustausch ohne Gewinn oder Verlust von genetischem Material 4 Robertson-Translokation: die langen Arme von 2 akrozentrischen Chromosomen (13, 14, 15, 21, 22) verschmelzen im Zentromerbereich unter Verlust der kurzen Arme Ätiopathogenese. Eine balancierte Translokation hat in der Regel keine pathologische Bedeutung für den Träger und kann über mehrere Generationen vererbt werden. Bei Trägern einer balancierten Translokation können jedoch in der Meiose Keimzellen entstehen, in denen ein Chromosomabschnitt fehlt und/oder ein anderer doppelt vorhanden ist. Dies führt dann in der nachfolgenden Generation zu einer unbalancierten
. Tab. 2.1. Wichtige Mikrodeletionen und Syndrome Syndrom
Deletion
Symptome
Katzenschrei-Syndrom (Cri-du-chat-Syndrom)1
5p15
LKG-Spalte, faziale Dysmorphien, Kopfhautdefekte, Organdefekte, geistige Retardierung
Prader-Willi-Syndrom
15q12(pat)2
Neonatale Hypotonie, anfangs Gedeihstörung, Adipositas, Minderwuchs, Hypogenitalismus, geistige Retardierung
Angelman-Syndrom
15q12(mat)2
Schwere geistige Behinderung, Epilepsie, Ataxie, Lachanfälle
DiGeorge-Syndrom (Velokardiofaziales Syndrom, Shprintzen-Syndrom
22q11
Entwicklungsstörungen von Thymus, Nebenschilddrüse und Aortenbogen
1 2
Die Mehrheit der Patienten hat größere, lichtmikroskopisch sichtbare Deletionen. Neben Mikrodeletionen können z. B. auch Punktmutationen oder Isodisomie entsprechende Krankheitsbilder verursachen (vgl. Tab 2.2).
11 2.7 · Gonosomale Chromosomenaberrationen
Translokation (wichtige Ursache für Minderwuchs, Dysmorphien, geistige Behinderung, Fehl- und Totgeburten). Jedes der 23 homologen Chromosomen kann an verschiedenen Stellen brechen und sich mit anderen gebrochenen Chromosomen verbinden; es ist also eine große Vielfalt an Translokationen möglich. 2.6
Uniparentale Disomie und Genomic Imprinting
2.6.1 Uniparenterale Disomie Definition/Ätiopathogenese. Bei der Bildung der Zy-
gote (Befruchtung) werden die 23 Chromosomen der Eizelle und die 23 Chromosomen des Spermiums zu einem Chromosomensatz vereint (46 Chromosomen), d. h. von den 46 Chromosomen (22 Autosomenpaare und 2 Geschlechtschromosomen) stammt normalerweise je ein Chromosom von der Mutter und eins vom Vater. Durch Verteilungsstörungen der Chromosomen während der Meiose können so genannte uniparentale Disomien eines bestimmten Chromosoms entstehen: 4 Maternale Disomie: beide Chromosomen stammen von der Mutter 4 Paternale Disomie: beide Chromosomen stammen vom Vater Diagnostik. Uniparentale Disomie ist nicht im Karyotyp nachweisbar, da sich die Gesamtzahl der Chromosomen nicht unterscheidet; sie ist daher nur mit einer DNA-Analyse nachweisbar.
2
2.6.2 Genomic Imprinting Definition. Spezifische, von der elterlichen Keimbahn
abhängige Inaktivierung bzw. Prägung von Genen. Symptomatik. Beispiel für Genomic Imprinting ist das
Prader-Willi-Syndrom: die Gene sind auf dem väterlichen Chromosom aktiv, auf dem mütterlichen inaktiv. Die 15q12-Deletion beim Prader-Willi-Syndrom liegt ausnahmslos auf dem väterlichen Chromosom 15. Das Fehlen der aktiven elterlichen (väterlichen) Kopie dieser Gene führt deshalb zum völligen Funktionsverlust dieser Gene und somit zur Erkrankung. Beim Angelman-Syndrom als weiterem Beispiel liegen die aktiven Gene auf dem mütterlichen Chromosom, hier führt die 15q12-Deletion der mütterlichen Gene zur Erkrankung (. Tab. 2.2). 2.7
Gonosomale Chromosomenaberrationen
Als gonosomal bezeichnet man Aberrationen der Geschlechtschromosomen u. a. mit einer gestörten Geschlechtsdifferenzierung. Ullrich-Turner-Syndrom (45, X0) Definition. Genetisches Syndrom basierend auf dem vollständigen oder teilweisen Verlust eines X- oder Y-Chromosoms. Epidemiologie. Häufigkeit: 1:2 500 Mädchen.
Symptomatik. Klinisch relevant werden uniparentale
Ätiopathogenese. Ursächlich kann das Fehlen eines X-
Disomien bei rezessiven Gendefekten, wenn diese bei uniparentaler Disomie homozygot vorliegen (. Tab. 2.2). Phänotypisch relevant werden sie bei Genomic Imprinting (s. u.).
oder Y-Chromosoms sein, 45,X (ca. 50%), verschiedene Mosaike (ca. 50%, z. B. 46,XX oder 47,XXX) oder Strukturaberrationen eines X- oder Y-Chromosoms.
. Tab. 2.2. Uniparenterale Disomie und Krankheitsbilder Chromosom (Disomie)
Erkrankung
Symptome
7 (maternal)
Minderwuchs
Primordialer, proportionierter Minderwuchs (Silver-RusselSyndrom)
11 (paternal)
Beckwith-Wiedemann-Syndrom
EMG-Syndrom = Exomphalos, Makroglossie, Gigantismus; geistige Behinderung, Tumoren
15 (maternal)
Prader-Willi-Syndrom
. Tab. 2.1
15 (paternal)
Angelman-Syndrom
. Tab. 2.1
12
Kapitel 2 · Pädiatrische Genetik und teratogene Fruchtschädigung
Symptomatik. Sehr variabel (. Abb. 2.2):
2
4 Kleinwuchs (Endgröße durchschnittlich 145 cm) 4 Typische Stigmata: kurzer Hals mit Pterygium colli, Epikanthus, Hypertelorismus, tiefer Haaransatz, Ptosis, Ohrdysplasie, hoher Gaumen, Cubitus valgus, verkürzte Metacarpale D IV, Schildthorax mit weit auseinander stehenden Mamillen, multiple Naevi, postpartal Lymphödeme an Hand- und Fußrücken 4 Innere Organe: Aortenisthmusstenose, Transposition der großen Gefäße, Hufeisenniere, hypergonadotroper Hypogonadismus, »Stranggonaden« (Ausbleiben der Pubertät, keine Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale, hypoplastisches inneres und äußeres Genitale, primäre Amenorrhoe)
Therapie. Wachstumshormontherapie zur Förderung
des Längenwachstums; Östrogensubstitutionstherapie; ggf. chirurgische Therapie bei Fehlbildungen. Prognose. Hohe intrauterine Letalität (95%); Betrof-
fene haben einen normalen IQ. Es besteht kein Wieder-
holungsrisiko, das Risiko des Auftretens ist nicht vom Alter der Mutter abhängig. ! Ca. 5% der Patientinnen mit Ullrich-Turner-Syndrom zeigen ein Mosaik mit 46,XY; bei ihnen ist die Entfernung der Gonadenrudimente indiziert, da diese ein hohes Malignomrisiko (Dysgerminom, Gonadoblastom) bergen.
Triplo-X-Konstitution (47, XXX) Definition. Genetisches Syndrom basierend auf einem zusätzlichen X-Chromosom bei weiblichem Karyotyp und Phänotyp. Epidemiologie. Häufigkeit: 1:1 000 Mädchen. Ätiopathogenese. In ca. 80% der Fälle liegt ein zusätzliches X-Chromosom bei weiblichem Karyotyp vor (47,XXX); möglich sind auch Mosaike. Symptomatik. Häufig asymptomatisch. Es können eine verkürzte fertile Phase, eine sprachliche Entwicklungsverzögerung und eine leichte Intelligenzminderung bestehen.
Klinefelter-Syndrom (47,XXY) Definition. Genetisches Syndrom basierend auf einem zusätzlichen X-Chromosom bei männlichem Karyotyp und Phänotyp. Epidemiologie. Häufigkeit: 1:1 000 Knaben, nimmt mit dem Alter der Eltern zu. Ätiopathogenese. In ca. 80% zeigt das Karyogramm
47,XXY, selten sind XXXY oder XXXXY oder Mosaike. Symptomatik. Die Diagnose wird häufig erst in der Pu-
bertät gestellt: 4 »Eunuchoider« Großwuchs 4 In der Pubertät: 5 Männlicher Phänotyp mit primärem (hypergondadotropen) Hypogonadismus 5 Verzögerte oder ausbleibende sekundäre Geschlechtsentwicklung: kleine Hoden, Gynäkomastie, weiblicher Behaarungstyp, geringer Bartwuchs, Infertilität (Azoospermie) 4 Geistige Fähigkeiten im Mittel um 10 Punkte im Vergleich zu Geschwistern reduziert, häufig nur verzögerte Sprachentwicklung 4 z. T. Verhaltensauffälligkeiten (z. B. Kontaktschwäche, Affektlabilität, Ängstlichkeit) . Abb. 2.2. Ullrich-Turner-Syndrom: kurzer Hals, Pterygium colli, Cubitus valgus, Schildthorax, hypoplastisches Genitale
Diagnostik. Klinisches Bild; Labor: Androgene erniedrigt, FSH erhöht.
13 2.9 · Monogene Vererbung
Therapie. Testosteronsubstitution ab dem 12. Lebens-
2.8
2
Mitochondriale Gene
jahr. 47,XYY-Konstitution Definition. Genetisches Syndrom bei männlichem Karyotyp und Phänotyp aufgrund eines zusätzlichen Y-Chromosoms. Epidemiologie. Häufigkeit: 1:1 000 Knaben, in 90% der Fälle XYY, es kommen auch Mosaike vor. Symptomatik. Meist asymptomatisch; z. T. bestehen
eine überdurchschnittliche Körpergröße, eine sprachliche Entwicklungsverzögerung oder Verhaltensauffälligkeiten (Anpassungsschwierigkeiten, niedrige Frustrationstoleranz). Fragiles-X-Syndrom (Martin-Bell-Syndrom) Definition. Genetisches Syndrom aufgrund der Fragilität eines Abschnitts des X-Chromosoms.
Definition. Neben den Chromosomen des Zellkerns enthalten auch die Mitochondrien des Zytoplasmas DNA. Die ringförmige mitochondriale DNA (mtDNA) liegt in 2–10 Kopien pro Mitochondrium vor. Jede Zelle enthält mehrere 100 Mitochondrien, die Eizelle 50 000– 100 000. Heteroplasmie bedeutet, dass in einer Zelle Mitochondrien mit normaler und mutierter DNA vorliegen können. ! Die Mutationsrate der mtDNA ist ca. 10-mal so hoch wie die der nukleären DNA.
Symptomatik. Mutationen der mtDNA verursachen
eine Reihe von Erkrankungen, deren Schweregrad u. a. vom Energiebedarf des Gewebes und dem Anteil mutierter Mitochondrien pro Zelle abhängt. Beispiele:
Epidemiologie. Häufigste genetisch bedingte Form ei-
ner unspezifischen geistigen Behinderung. Häufigkeit: 1:1 000 Jungen. 1:5 000 Mädchen weisen Prä- oder Vollmutationen auf, haben aber nur eine milde Klinik. Ätiopathogenese. Zugrunde liegt eine Expansion des trinukleotid repeats CGG auf dem langen Arm des X-Chromosoms. Es kommt zum Phänomen der Antizipation: die instabile Trinukleotid-Sequenz (triplet repeat des Trinukleotids CGG) im Gen des MartinBell-Syndroms verlängert sich von Generation zu Generation, die Schwere der Erkrankung nimmt von Generation zu Generation zu. Gesunde Träger haben ca. 10–50 Kopien der CGG-Sequenz, gesunde Überträger ca. 50–200 Kopien (Prämutation), Patienten ca. 200– 2 000 Kopien (Vollmutation). > Weitere Erkrankungen mit Trinukleotidexpansionen und dem Phänomen der Antizipation sind z. B. die Myotone Dystrophie, Chorea Huntington und die spinozerebelläre Ataxie.
Symptomatik.
4 Geistige Behinderung unterschiedlicher Ausprägung (durchschnittlicher IQ: 50), Hyperaktivität, Sprachentwicklungsverzögerung 4 Großwuchs, langes Gesicht, große Ohren, langes Kinn, vergrößerte Testes Diagnostik. Nachweis der CGG-Amplifikation in der
DNA-Analyse.
4 Kearns-Sayre-Syndrom: Ptosis, Ophthalmoplegie, Retinitis pigmentosa, Ataxie, kardiale Rhythmusstörungen, Muskelschwäche, Ragged-Red-Fibres (RRF) 4 Myoklonus Epilepsie mit Ragged-Red-Fibres (MERRF): Myoklonusepilepsie, RRF, zerebelläre Ataxie, Demenz, Myopathie 4 Mitochondriale Enzephalopathie mit Laktazidose und schlaganfallähnlichen Ereignissen (MELAS): proximale Myopathie, Ophthalmoparese, Kardiomyopathie, Schlaganfälle, Demenz, Taubheit 2.9
Monogene Vererbung
Monogene Erkrankungen sind Folge pathologischer Genveränderungen an einem Genort, die autosomaldominant, autosomal-rezessiv, X-chromosomal-rezessiv und X-chromosomal-dominant vererbt werden können. 2.9.1 Autosomal-dominante Vererbung Definition. Bei heterozygoten Genträgern ist das mutierte Gen allein für die Ausprägung des Merkmals maßgeblich. Bei voller Penetranz und Expressivität des mutierten Gens ist durchschnittlich die Hälfte aller Kinder betroffen. Die Weitergabe des Gens kann am Stammbaum beobachtet werden (»senkrechte Weitergabe«).
14
Kapitel 2 · Pädiatrische Genetik und teratogene Fruchtschädigung
. Tab. 2.3. Beispiele von autosomal dominanten Erbkrankheiten
2
Erbkrankheit
Genort
Mutation
Häufigkeit
Symptome
HuntingtonKrankheit
4p16
CAG-Repeat im Huntington-Gen
Prävalenz: 1:15 000
Erkrankungsalter beginnt mit 35–40 Jahren, in 10 % sind auch Jugendliche betroffen (bei überwiegend väterlicher Vererbung); Bewegungsstörungen, psychische Veränderungen und Demenz
MarfanSyndrom
15q21
im FBN1-Gen
5q25-31
im FBN2-Gen
Prävalenz: 1:10 000 bis 1:20 000
Bindegewebedefekt, Skelettveränderungen, kardiovaskuläre Veränderungen und Augensymptome
Myotone Dystrophie (Typ 1)
19q13
CTG-Repeat im DMPK-Gen
Prävalenz: 1:8 000 bis 1:20 000
Muskelschwäche, Myotonie, Katarakt, es sind praktisch alle Organe betroffen (Multisystemerkrankung), sehr variable Expressivität; kongenitale Form: generalisierte Muskelhypotonie, Atem- und Trinkprobleme, Intelligenzminderung und Verkürzung der Achillessehne
Achalasie
4p16
im FGFR3-Gen, überwiegend Neumutationen
Inzidenz: 1:30 000
dysproportionierter Minderwuchs mit kurzen Armen und Beinen, Makrozephalus und Gesichtsdymorphien
Ätiopathogenese. Autosomal-dominant vererbte Ver-
änderungen treten sporadisch auf (Neumutation, Keimzellmosaik) oder werden von einem Elternteil vererbt (. Tab. 2.3). 2.9.2 Autosomal-rezessive Vererbung Definition. Bei dieser Form der Vererbung tritt ein Gen
nur bei homozygotem oder compound heterozygotem (zwei unterschiedliche Mutationen an einem Genort), nicht aber bei heterozygotem Vorliegen phänotypisch in Erscheinung (. Tab. 2.4). Rezessive Erkrankungen treten familiär bei Geschwistern auf und sind gehäuft bei Verwandtenehen (Konsanguinität). Vererbungsrisiko. Wenn beide Eltern heterozygote
Mutationsträger sind, beträgt das kindliche Risiko für
die Erkrankungen 25%. Sind beide Eltern homozygot (selbst krank), werden alle Kinder ebenfalls homozygot und krank sein. Viele Stoffwechseldefekte werden autosomal-rezessiv vererbt: in heterozygotem Zustand genügt die genetische Information des nicht betroffenen Gens für eine ausreichende Enzymaktivität, erst in homozygotem und compound heterozygotem Zustand kommt es zum fast völligen Ausfall der Enzymaktivität. 2.9.3 X-chromosomal-rezessive Vererbung Definition/Vererbungsrisiko. Von gesunden Muta-
tionsträgerinnen (»Konduktorinnen«) wird das Merkmal an durchschnittlich die Hälfte der Söhne weitergegeben, die Töchter haben ein 50%iges Risiko auch Konduktorinnen zu sein. Die Erkrankungen treten
. Tab. 2.4. Beispiele für autosomal-rezessive Erbkrankheiten Erbkrankheit
Genort
Mutation
Inzidenz
Symptome
Mukoviszidose (Cystische Fibrose)
7q31
im CFTR-Gen
1:2 500
Multisystemerkrankung: pulmonale, gastrointestinale und hepatobilliäre Symptome
Phenylketonurie (PKU)
12q24
im PAH-Gen
1:8 000
Ohne Behandlung geistige Retardierung
Spinale Muskelatrophie (SMA)
5q12
überwiegend Deletionen im SMN1-Gen
1:8 000
Proximal betonte, generalisierte Muskelschwäche
15 2.10 · Multifaktorielle (polygene) Vererbung
2
. Tab. 2.5. Beispiele für X-chromosomal-rezessive Erbkrankheiten Erbkrankheit
Genort
Mutation
Inzidenz
Symptome
Hämophilie A
Xq28
im FVIII-Gen
1:5 000 männl. Neugeborene
verstärkte Blutungsneigung
Muskeldystrophie Typ Duchenne
Xp21
im Dystrophin-Gen
1:3 000 männl. Neugeborene
Muskeldystrophie, mit 8–10 Jahren rollstuhlabhängig; Lebenserwartung ca. 25 Jahre
Glucose-6-PhosphatDehydrogenase-Mangel
Xq28
im G6PD-Gen
sehr variabel
neonataler Ikterus, hämolytische Krisen oder chronische hämolytische Anämie
praktisch nur bei Knaben auf (. Tab. 2.5), da diese nur ein X-Chromosom haben; bei Mädchen treten die Erkrankungen nur auf, wenn sie homozygot für das betreffende X-chromosomale Gen sind oder den 45,X-Karyotyp haben. Das Erkrankungsrisiko für Söhne heterozygoter Frauen beträgt 50%. Aufgrund der präferenziellen X-Inaktivierung des X-Chromosoms mit dem normalen Allel können auch bei Konduktorinnen klinische Symptome auftreten.
2.10
Multifaktorielle (polygene) Vererbung
Definition. Multifaktoriell/polygen vererbte Erbkrank-
heiten entstehen durch Mutationen mehrerer Gene: 4 Polygen: Zusammenwirken mehrerer Gene 4 Multifaktoriell: Zusammenwirken mehrerer Gene mit Umweltfaktoren Epidemiologie. Multifaktorielle Störungen sind we-
Ätiopathogenese. Bei sporadischen Fällen kann eine
Neumutation vorliegen, bei betroffenen Geschwistern kann auch ein Keimzellmosaik ursächlich sein. 2.9.4 X-chromosomal-dominante
Vererbung X-chromosomal-dominante Erkrankungen treten bei Männern und Frauen auf (. Tab. 2.6); sie sind meist beim männlichen Geschlecht stärker ausgeprägt, z. T. so stark, dass die männlichen Feten bereits intrauterin absterben.
sentlich häufiger als monogene Erbkrankheiten. Beispiele.
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte Ventrikelseptumdefekt Morbus Hirschsprung Diabetes mellitus Typ 1 Spina bifida Pylorusstenose Hüftgelenksdysplasie Fieberkrämpfe Idiopathische Epilepsien Schizophrenie Manisch-depressive Psychose
. Tab. 2.6. Beispiele für X-chromosomal-dominante Erbkrankheiten Erbkrankheit
Genort
Mutation
Inzidenz
Symptome
Vitamin-D-resistente hypophosphatämische Rachitis (Phosphatdiabetes)
Xp22
im PHEX-Gen
1:25 000
Minderwuchs und z.B. Verbiegungen der belasteten langen Röhrenknochen (O-Beine)
Rett-Syndrom
Xq28
im MECP2-Gen
bei Mädchen: 1:10 000 bis 1:15 000
geistige Retardierung, Wachstumsretardierung, Verlust von erworbenen Fähigkeiten, stereotype Handbewegungen
16
2
Kapitel 2 · Pädiatrische Genetik und teratogene Fruchtschädigung
! Das Wiederholungsrisiko lässt sich bei multifaktoriellen Erbkrankheiten im Gegensatz zu monogenen Erbkrankheiten nicht aus dem Erbgang, sondern nur empirisch bestimmen.
2.11
Embryo- und Fetopathien durch exogene Noxen
Beim Einwirken von Noxen auf das Ungeborene ist die Art der Schädigung abhängig von der Art der Noxe, dem Ausmaß der Exposition und dem Zeitpunkt der Schädigung: 4 Blastogenese (1.–14. Tag): »Alles-oder-Nichts«Regel, entweder die Blastula regeneriert sich oder sie stirbt ab (Abort). 4 Embryogenese/Organogenese (15.–90. Tag): die Periode der Organdifferenzierung ist besonders sensibel für Schädigungen. 4 Fetalperiode (>90. Tag): Sensibilität für Schäden geringer, teratogene Wirkung manifestiert sich v. a. als Wachstumsstörung oder Differenzierungsstörung des Gehirns oder als Organschaden (z. B. Hepatitis). 2.11.1 Physikalische Noxen/Strahlen Strahlung führt ab einer Dosis von 200 mSv zu geistiger Retardierung, Mikrozephalie, Augenschädigung, Katarakt und Minderwuchs.
Alkoholkonsum in der Schwangerschaft wurde mit kindlichen Entwicklungsstörungen assoziiert. Schwangere sollten deshalb keinerlei alkoholische Getränke konsumieren. Symptomatik.
4 Kraniofaziale Dysmorphie: Mikrozephalie, kurze Lidspalten, Epikanthus, Strabismus, kleine Nase mit eingesunkenem, verkürztem Nasenrücken (»Steckdosennase«), verstrichenes Philtrum, schmale Lippen, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, fliehendes Kinn (Retrogenie), dysplastische Ohren (. Abb. 2.3) 4 Innere Organe: Herzfehler, Nierenfehlbildungen, Hernien 4 ZNS: geistige Retardierung, muskuläre Hypotonie, Hyperexzitabilität, Hyperaktivität, Konzentrationsstörungen, Verhaltensstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen 4 Sonstiges: intrauteriner und postnataler Minderwuchs, Sakralgrübchen, Klinodaktylie und Verkürzung der Kleinfinger, Genital- und Gelenkanomalien Die Einteilung erfolgt nach dem Majewski-Score in die Schädigungsgrade I–III (s. Lehrbücher der Pädiatrie). Prognose. Hohe perinatale Sterblichkeit, IQ bei den Überlebenden im verbalen Teil in der Regel 60–70, im Handlungsteil 70–80.
! Diagnostische Röntgenaufnahmen sollten in der Schwangerschaft möglichst unterlassen werden. Sie führen bei korrekter Durchführung zu einer Belastung des Uterus von ca. 10 mSv, die kritische Dosis von 100 mSv wird jedoch praktisch nie erreicht.
2.11.2 Chemische Noxen Alkoholembryopathie Definition. Embryonale oder fetale Schädigung aufgrund von Alkoholexposition während der Schwangerschaft. Die Kinder weisen eine typische Fazies, eine geistige und motorische Retardierung auf. Epidemiologie. Häufigkeit: 1:300! Ätiopathogenese. Ab einer täglichen Einnahme von
>50 g reinem Alkohol kommt es zu schweren Schäden des Ungeborenen (0,5 l Bier entsprechen ca. 20 g Alkohol, 0,2 l Wein entsprechen ca. 16 g Alkohol). Niedriger
. Abb. 2.3. Alkoholembryopathie: typische Fazies: Mikrozephalie, verkürzter Nasenrücken, verstrichenes Philtrum, schmale Lippen
17 2.11 · Embryo- und Fetopathien durch exogene Noxen
Weitere wichtige chemische Noxen für das Ungeborene 4 Valproinsäure: Neuralrohrdefekte, Auffälligkeiten des Gesichtsschädels 4 Thalidomid: je nach Zeitpunkt der Schädigung Anotie, Amelie der Arme, Triphalangie der Daumen, Leistenhernien, Phokomelie 4 Hydantoin und Barbiturate: bei 6% der Kinder von epilepsiekranken Müttern, die während der Schwangerschaft Medikamente einnehmen müssen, kommt es zu Auffälligkeiten im Gesichtsbereich, Minderwuchs, Mikrozephalie oder psychomotorischer Retardierung 4 Warfarin: kritische Phase in der 4–6. Woche post conceptionem: Auffälligkeiten des Gesichts, verkürzte Extremitäten, kalkspritzerförmige Einlagerungen in Wirbelkörpern und Kalkaneus; ein Drittel der Patienten sind geistig mäßig bis stark retardiert. 4 Vitamin A und Abkömmlinge: Anotie, Mikrotie, Hydrozephalus, Mikrozephalus (15%), Herzfehlbildungen (30%), Anomalien des N. opticus (20%)
! 6 Monate vor bis 6 Monate nach jeder zytostatischen Therapie muss ein strenger Konzeptionsschutz eingehalten werden.
4 Tabak: dosisabhängige Schädigung, ab 1 Packung/ Tag steigt das Risiko für einen Spontanabort um 70%, das Risiko für eine Placenta praevia verdoppelt sich, das Risiko der Frühgeburtlichkeit steigt um 50% und die perinatale Mortalität verdoppelt sich. 4 Thyreostatika: in der Schwangerschaft müssen bevorzugt Thyreostatika angewendet werden, die nicht plazentagängig sind. Postpartal müssen die Neugeborenen streng überwacht werden. 4 Zytostatika, Verknöcherungsstörungen des Gesichtsschädels, Hydrozephalus, faziale Dysmorphien, Gliedmaßenfehlbildungen; v. a. Folsäureantagonisten (Aminopterin, Methotrexat) sind teratogen bzw. letal. 4 Drogen: 7 Kap. 3
2
3 3 Neonatologie 3.1
Grundlagen – 20
3.2
Physiologie der Neonatalzeit – 20
3.2.1 Postnatale Adaptation – 20
3.3
Perinatale Schäden und ihre Folgen – 21
3.3.1 Asphyxie – 21 3.3.2 Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie – 22 3.3.3 Geburtstraumatische Schäden – 22
3.4
Reanimation beim Neugeborenen – 23
3.5
Frühgeborene
3.6
Lungenerkrankungen des Neugeborenen – 28
3.7
Bluterkrankungen
3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.7.4 3.7.5 3.7.6 3.7.7 3.7.8 3.7.9
Fetale Erythropoese – 32 Besonderheiten beim Neugeborenen – 32 Neonatale Anämie – 32 Polyzythämie, Hyperviskositätssyndrom – 33 Neugeborenenhyperbilirubinämie – 33 Morbus haemolyticus neonatorum – 35 Bilirubinenzephalopathie (Kernikterus) – 36 Das weiße Blutbild Neugeborener – 36 Koagulopathien – 36
– 24
– 32
3.8
Gastrointestinale Erkrankungen – 37
3.8.1 3.8.2 3.8.3 3.8.4 3.8.5
Angeborene Atresien des Gastrointestinaltrakts – 37 Mekoniumileus – 38 Volvulus mit oder ohne Malrotation – 38 Bauchwanddefekte – 38 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC) – 39
3.9
Fetale und neonatale Infektionen – 40
3.9.1 3.9.2 3.9.3 3.9.4
Konnatale Infektionen – 40 Toxoplasmose – 40 Konnatale Rötelninfektion – 40 Zytomegalie (CMV) – 41
3.9.5 3.9.6 3.9.7 3.9.8 3.9.9 3.9.10 3.9.11 3.9.12 3.9.13 3.9.14 3.9.15
Herpes simplex – 42 Varizella-Zoster (VZV) – 42 Hepatitis B – 43 Parvovirus-B19 – 44 Listeriose – 44 Neugeborenensepsis – 45 Meningitis – 46 Haut- und Weichteilinfektionen – 46 Omphalitis – 47 Lokale Candidainfektionen – 47 Konjunktivitis – 47
3.10 Neugeborenenkrämpfe
– 48
3.11 Metabolische Störungen – 48 3.12 Maternale Drogenabhängigkeit und neonatale Entzugssymptomatik – 50
20
Kapitel 3 · Neonatologie
3.1
Grundlagen Definitionen Gestationsalter: Schwangerschaftsdauer vom 1. Tag der letzten normalen Regelblutung der Mutter bis zur Geburt des Kindes Frühgeborenes: Gestationsalter 42. SSW) Hypotrophes Neugeborenes (SGA: small for gestational age): Geburtsgewicht 90. Perzentile Untergewichtige Neugeborene (LBW: low birth weight infant): Geburtsgewicht 38°C oder 12 000/μl oder Laborchemische Frühzeichen einer Infektion sind Il-6Erhöhung, Leukopenie oder Leukozytose und eine Linksverschiebung im Blutbild. Das CRP steigt erst 4–6 h nach Keiminvasion an und ist dann ein idealer Verlaufsparameter.
Prognose. Abhängig von Therapiebeginn und -effekti-
Komplikationen. Septischer Schock, Multiorganver-
Komplikationen.
sagen.
4 Hydrozephalus 4 Ventrikulitis (v. a. bei E.-coli-Meningitis) 4 Hirnabszesse (v. a. bei Infektion mit Citrobacter diversus, Proteus mirabilis, Enterobacter-Spezies) 4 Folgeschäden in 10%: Zerebralparese, Anfallsleiden, mentale Retardierung, Taubheit, Blindheit.
Therapie. Sofortige i. v. antibiotische Therapie (bzw.
antivirale, antimykotische oder antiparasitäre Therapie) nach Abnahme des Materials zur Erregerdiagnostik und Resistenztestung: Kombinationstherapie, z. B. Ampicillin und Aminoglykosid (z. B. Gentamycin) oder Ampicillin und Cephalosporin der 3. Generation (z. B. Cefotaxim). Prognose. Letalität: bei Neuborenen 15–30%, bei älteren Kindern 10–50%.
3.9.11 Meningitis
vität; höchste Letalität bei Pneumokokken-Meningitis (6–20%).
3.9.12 Haut- und Weichteilinfektionen Impetigo neonatorum Definition/Epidemiologie. Häufige oberflächliche, hochinfektöse, pustulöse Pyodermie durch Infektion mit Streptokokken (kleinblasige Form) oder Staphylokokken (großblasige Form).
Definition. Bakterielle oder virale Infektion des Ge-
Diagnostik: Klinisches Bild, Erregernachweis aus Ab-
hirns, der Gehirnhäute und der Ventrikel.
strichen.
Epidemiologie. Ca. 0,1–0,4:1 000 Lebendgeborene, In-
Symptomatik/Therapie Kleine Eiterpusteln, honiggelbe Krusten; Prädilektionsstellen sind Gesicht, behaarter Kopf und Gesäss. Meist ist eine lokale antiseptische Therapie ausreichend, in ausgedehnten Fällen systemische antibiotische Therapie.
zidenz abnehmend. Ätiopathogenese. Eine Meningitis bei Neugeborenen ist
häufig Folge einer zu spät erkannten neonatalen Sepsis. Ausgangspunkte für die Streuung der Erreger sind u. a. Pneumonien, Hautinfektionen, Omphalitis, Harnwegsinfektionen, Otitis media und/oder Liquor-Shunt-Systeme. Symptomatik. Die Symptomatik der Meningitis ist ebenso unspezifisch wie die der neonatalen Sepsis. 4 Fieber, Erbrechen 4 Berührungsempfindlichkeit, spärliche Spontanbewegungen, schrilles Schreien
Impetigo bullosa oder Pemphigus neonatorum Definition/Ätiopathogenese. Infektion Neugeborener mit Staphylococcus aureus der Phagozytengruppe II, die das Exotoxin Exfoliatin produzieren.
47 3.9 · Fetale und neonatale Infektionen
Symptomatik.
4 Große, von einem roten Hof umgebene Blasen, die nach dem Platzen gerötete, nässende Hautstellen hinterlassen. 4 3–5 Tage nach Erkrankungsbeginn: Desquamation von epidermalen Teilen (Stratum cornea) 4 Das Nikolski-Phänomen – Ablösbarkeit der Epidermis durch Druck auf die Haut – ist negativ.
3
3.9.14 Lokale Candidainfektionen Definition. Oberflächliche Infektion mit dem Sprosspilz
Candida albicans, v. a. im Bereich der Mundschleimhaut oder an sensiblen, feuchten Hautstellen (Windelbereich, intertriginös); begünstigt wird die Infektion durch eine Therapie mit Antibiotika (auch der stillenden Mutter), Zytostatika oder Immunsuppressiva. In schweren Fällen kommt es zur systemischen Candidose.
Diagnostik. Klinisches Bild; Labor: systemische Infek-
tionszeichen (BB, Diff-BB, CRP, Il-6), Erregernachweis in der Blutkultur (in den Blasen nicht nachweisbar). Differenzialdiagnostik. Vesikuläre Effloreszenzen bei neonataler Herpes simplex-, CMV- oder Varizelleninfektion; bullöse Veränderungen bei Lues connata (Pemphigus syphiliticus).
Symptomatik.
4 Mundschleimhaut: weiße, nicht abwischbare Beläge auf rotem Grund 4 Perinanale, intertriginöse Dermatitis: blass-gelbliche makulöse Veränderungen mit feuerroten, leicht schälenden Arealen Therapie. Windeldermatitis:Windel möglichst weglas-
Komplikationen. Dermatitis exfoliativa neonatorum
(Morbus Ritter von Rittershain, Staphyloccus Scaled Skin Syndrome): schwerste Verlaufsform der Impetigo bullosa durch hämatogene Aussaat der Erreger. Im Bereich großflächiger, unscharf begrenzter Erytheme entstehen nach Hautablösung große Wundflächen, das Nikolski-Phänomen ist positiv. Therapie.
4 i. v. antibiotische Therapie mit penicillasefestem Penicillin 4 Lokale Supportivtherapie ähnlich der Verbrennungstherapie 4 i. v. Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich 4 Bei Dermatitis exfoliativa intensivmedizinische Behandlung
sen; lokale antimykotische Therapie (Nystatin, Miconazol, Amphotericin B); bei systemischer Infektion i. v.antimykotische Therapie. 3.9.15 Konjunktivitis Definition, Epidemiologie. Infektion der Bindehaut, u. a. mit Neisseria gonorrhoea, Streptokokken der Gruppe B, Staph. aureus, Chlamydia trachomatis, Herpes-Viren oder bei intensivmedizinisch behandelten Patienten mit Pseudomonas aeruginosa. Die Erreger werden im Geburtskanal oder postpartal durch Schmierinfektion übertragen; betroffen sind 10% aller Neugeborenen. Symptomatik. Konjunktivale Hyperämie, eitrige Sekre-
3.9.13 Omphalitis
tion, Rötung, Schwellung. Diagnostik. Erregernachweis aus Abstrichen: Direkt-
Definition/Ätiopathogenese. Nabelinfektion. Häufig
durch Staph. aureus hervorgerufene, eitrige Entzündung des Nabels mit periumbilikaler Rötung, Infiltration, purulentem Sekret und ggf. Ulzeration. Diagnostik. Labor: Entzündungsparameter, Blutkultur; Erregernachweis aus Abstrichen. Komplikationen. Nabelphlegmone, Sepsis. Therapie/Prävention. Lokale antiseptische Therapie, i. v.-antibiotische Therapie; vorbeugend effektive Nabelhygiene.
präparat, bakteriologische Kultur. Therapie. Primär lokale Therapie (z. B. Ecolicin Augensalbe); bei Gonokokkeninfektion oder ausgedehnter Infektion systemische, antibiotische Therapie, meist mit Erythromycin. Gleichzeitig immer abschwellende Nasentropfen verabreichen. ! Bei Konjunktivitis besteht die Gefahr von KorneaUlzerationen, Perforationen, Iridozyklitis, Synechien, Panophthalmitis und Erblindung, v. a. bei Gonokokkenund Pseudomonas-Infektionen.
48
Kapitel 3 · Neonatologie
3.10
Neugeborenenkrämpfe
Definition. Krampfanfälle im Neugeborenenalter sind meist Ausdruck einer Grunderkrankung.
3
Ätiopathogenese. Mögliche Ursachen für Krampfan-
fälle sind u. a.: Metabolisch: 4 Hypoglykämie, Hypokalzämie, Hypomagnesämie, Hypo- und Hypernatriämie 4 Aminoazidopathien, Stoffwechselstörungen organischer Säuren 4 Vitamin-B6-abhängige Krampfanfälle (Nachweis durch klinische Besserung und Besserung des EEGs nach Applikation von Vitamin B6)
epilepsietypischer Potentiale; Schädelsonographie, ggf. MRT/CT: Ausschluss größerer struktureller Veränderungen. Differenzialdiagnostik. Abgrenzung zu harmlosen Myoklonien (fokale muskuläre Zuckungen) und Einschlafmyoklonien häufig schwierig. Therapie.
4 Therapie der Grunderkrankung: z. B. Elektrolyt-, Blutzuckerausgleich, Vit-B6 Versuch 4 Antikonvulsive Behandlung mit Phenobarbital (1. Wahl), Phenytoin (2. Wahl), evtl. Lorazepam, Clonazepam Prognose. Abhängig von der Grunderkrankung; »Fünf-
ZNS: 4 Hypoxisch-ischämische Schädigung 4 Intrakranielle Blutungen, traumatische Hirnschädigung 4 Bilirubinenzephalopathie (7 Kap. 3.7.7) 4 Infektionen (Sepsis, Meningitis, Enzephalitis) 4 Angeborene zerebrale Fehlbildungen 4 Degenerative zerebrale Erkrankungen 4 Polyglobulie, Hyperviskositätssyndrom 4 Drogenentzug bei mütterlichen Drogen- oder Medikamentenabhängigkeit 4 »Fünftageskrämpfe« (5th day fits): gutartige, selbstlimitierende Krampfanfälle im Neugeborenenalter um den 5. Lebenstag, sistieren spontan, z. T. familiär Symptomatik. Selten generalisierte tonisch-klonische
Krampfanfälle, meist unspezifische Symptomatik: 4 Wechselnd lokalisierte Zuckungen kleiner Muskelgruppen (z. B. horizontale Augenbewegungen, rhythmische oder »tanzende« Augenbewegungen, Schmatzen, Saugautomatismen) 4 Einteilung in fokal klonische (einzelne Muskelgrupe), multifokal klonische (mehrere Muskelgruppen), myoklonische (symmetrische Zuckungen), selten tonische Krampfanfälle 4 Tonusveränderungen, Apnoen, Veränderungen des Hautkolorits: Hautblässe, Blutdruckanstieg, Tachykardie 4 Krampfanfälle sind meist durch äussere Reize nicht unterbrechbar 4 Häufig sind die Krampfanfälle klinisch nicht erkennbar (im Zweifelsfalls EEG durchführen) Diagnostik. Klinisches Bild; Labor: Elektrolyte, Blutzucker, organische Säuren im Urin, toxikologische Untersuchung, Liquor: Zellzahl, Eiweiss, Glukose, Bakteriologie, ggf. Stoffwechselmetabolite; EEG: Nachweis
tageskrämpfe« haben eine günstige Prognose. 3.11
Metabolische Störungen
Fetopathia diabetica Definition. Erkrankung Neugborener von Müttern mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus. Ätiopathogenese. Glukose diffundiert ungehindert
durch die Plazenta. Die mütterliche Hyperglykämie führt zur Hyperglykämie beim Feten mit Hyperplasie der fetalen pankreatischen β-Zellen und Hyperinsulinismus. Insulin stimuliert die Lipogenese und Proteinsynthese, hemmt die Lipolyse und wirkt als fetales Wachstumshormon. Es kommt zu Organvergrößerungen, Makrosomie und Hypertrophie der Neugeborenen. ! Postnatal besteht bei Fetopathia diabetica die Gefahr der Hypoglykämie, da sich der intrauterin bestehende Hyperinsulinismus nur langsam zurückbildet.
Symptomatik.
4 Makrosomie, cushingoides Aussehen, geburtstraumatische Komplikationen: Schulterdystokie, Frakturen, Asphyxie 4 Verzögerte Surfactantsynthese in utero, Atemnotsyndrom 4 Hypertrophe Kardiomyopathie durch Glykogeneinlagerungen 4 Plethora, Polyzythämie und Hyperviskositätssyndrom, Gefahr der Nierenvenenthrombose 4 Hepatomegalie, Hyperbilirubinämie 4 Hypoglykämie, -kalzämie, -magnesämie 4 Assoziierte Fehlbildungen: kaudale Regression, Neurolrohrdefekte, gastrointestinale Atresien, Nierenfehlbildungen
49 3.11 · Metabolische Störungen
. Tab. 3.12. Ursachen der neonatalen Hypoglykämie Verminderte SubstratVerfügbarkeit
intrauterine Hypo- und -Dystrophie Frühgeburtlichkeit wachstumsretardierter 2. Zwilling
Vermehrter Glucoseverbrauch
Hyperinsulinismus: Kinder diabetischer Mütter Erythroblastosis fetalis Nesidioblastose Beckwith-Wiedemann-Syndrom
Polyzythämie Störung des Glucosestoffwechsels
Glykogenose Galaktosämie hereditäre Fruktoseintoleranz Aminosäurestoffwechselstörungen
Verschiedene Erkrankungen des Neugeborenen
Asphyxie Sepsis neonatorum endokrinologische Erkrankungen Hypothermie
Therapie. Regelmäßige Blutzucker-, Elektrolyt-, BBund Bilirubinkontrollen: ggf. Blutzucker- und Elektrolytausgleich.
3
Glukagon (nicht bei Frühgeborenen), Octreotid oder Diazoxid. Hypokalzämie Definition. Kalzium im Serum 4 g/Tag) kann durch die gesteigerte Ausscheidung von Oxalsäure zur Oxalatsteinbildung führen.
Hypervitaminosen Beispiele Hypervitaminose A Definition. Akute Vitamin-A-Intoxikation ab einer Zu-
fuhr >300 000 IE/Tag. Symptomatik.
4.5.2 Fettlösliche Vitamine Vitaminmangel fettlöslicher Vitamine (. Tab. 4.7) Vitamin-A-Mangel (Retinol-Mangel) und Provitamin-A-Mangel (Carotinoid-Mangel) Vitamin A ist Bestandteil tierischer Lebensmittel. In pflanzlichen Lebensmitteln sind Carotinoide enthalten, aus denen im Körper Vitamin A gebildet werden kann. Die Vitamin A-Verfügbarkeit ist abhängig von Zufuhr, Resorption und Vorhandensein von Bindungsproteinen, u. a. des RBP (Retinol-bindendes Protein).
4 Kopfschmerzen, Schwindel, Benommenheit 4 Anorexie, Erbrechen 4 Erhöhter Hirndruck (bei Säuglingen mit vorgewölbter Fontanelle) 4 Chronisch: 5 Appetitverlust, Gedeihstörung 5 Mundwinkelrhagaden; trockene, juckende Hautveränderungen mit Haarausfall 5 Hepatomegalie 5 Diaphysäre, kortikale Hyperostosen der langen Röhrenknochen (schmerzhaft) ! Vitamin A in hoher Dosis ist teratogen.
. Tab. 4.7. Vitaminmangelsyndrome weiterer fettlöslicher Vitamine Physiologie Vitamin-D-Mangel
7 Kap. 15
Vitamin-E-Mangel (α-Tocopherolmangel)
α-Tocopherol, Tokol- und Tokotrienverbindungen sind fettlösliche Substanzen, die die Zellmembranen vor perioxidativer Schädigung schützen
Vitamin K Mangel
7 Kap. 3, Neonatologie und 7 Kap. 9, Hämatologie
Vorkommen
Symptomatik
Pflanzliche Lebensmittel, pflanzliche Öle Mangel v. a. bei Frühgeborenen (geringe Reserven), Maldigestion, Malabsorption
Hämolytische Anämie, verkürzte Überlebensdauer der Erythrozyten, Thrombozytose Ältere Kinder: neuronoaxonale Dystrophie, gestörte Sensibilität, Reflexausfälle, Myopathie, Ophthalmoplegie, Ataxie, spinozerebelläre Degeneration
60
Kapitel 4 · Ernährung und Ernährungsstörungen
Hypervitaminose D Ätiopathogenese. Eine Vitamin-D-Überdosierung führt zu einer vermehrten Resorption von Kalzium aus Darm und Skelett und zur Hyperkalzämie. Symptomatik.
4
4 4 4 4 4
Hyperkalzämie, Hyperkalziurie Polyurie, Polydipsie, Dehydratation Erbrechen, Obstipation Bradykardie und Herzstillstand Kalziumablagerungen in Leber, Niere (Nephrokalzinose), Blutgefäßen
Therapie. Stopp der Vitamin-D-Zufuhr und stark ein-
geschränkte Kalziumzufuhr; in schweren Fällen: Kortikoide (Vitamin-D-Antagonist), Kalzitonin.
5 5 Stoffwechselstörungen Carolin Kröner, Berthold Koletzko, Regina Ensenauer 5.1
Aminosäurenstoffwechsel – 62
5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5 5.1.6 5.1.7
Allgemeines – 62 Störungen des Stoffwechsels aromatischer Aminosäuren – 62 Störungen des Stoffwechsels verzweigtkettiger Aminosäuren – 65 Störungen im Stoffwechsel schwefelhaltiger Aminosäuren – 67 Störungen der Harnstoffsynthese – 68 Weitere Enzymopathien des Aminosäurenstoffwechsels – 69 Renale Aminosäurentransportdefekte – 69
5.2
Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels – 70
5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5
Hypoglykämien – 70 Glykogenosen – 70 Störungen des Galaktosestoffwechsels – 72 Störungen des Fruktosestoffwechsels – 73 Diabetes mellitus – 74
5.3
Fettstoffwechsel
– 77
5.3.1 Hyperlipoproteinämien (HLP) – 77 5.3.2 Hypolipoproteinämien – 79
5.4
Sterolstoffwechselstörungen – 80
5.5
Sphingolipidosen
5.6
Peroxisomale Störungen
5.7
Purin-/Pyrimidinstoffwechselstörungen – 82
5.8
Kongenitale Defekte der Glykosylierung
5.9
Störungen im Abbau komplexer Kohlenhydrate (Heteroglykanosen) – 82
– 80 – 81
5.9.1 Mukopolysaccharidosen – 82 5.9.2 Oligosaccharidosen – 83 5.9.3 Mukolipidosen – 83
– 82
62
Kapitel 5 · Stoffwechselstörungen
5.1
Aminosäurenstoffwechsel
5.1.1 Allgemeines Ätiopathogenese. Enzymdefekte des Aminosäurenstoffwechsels werden häufig autosomal-rezessiv vererbt, zugrunde liegt meist ein Mangel an Enzym (Apoenzymdefekt) oder ein Mangel eines für die Enzymreaktion notwendigen Kofaktors.
und LCHAD/MTP-Mangel), Carnitinzyklusdefekte (Carnitin-Palmitoyl-Transferase (CPT)I/II- und CACT-Mangel), Organoazidurien (Glutarazidurie Typ I, Isovalerianazidämie) 5.1.2 Störungen des Stoffwechsels
aromatischer Aminosäuren Phenylketonurie
5
Diagnostik. Frühdiagnose durch Neugeborenen-Screen-
ing oder selektives Stoffwechsel-Screening. Neugeborenenscreening.
4 Kapilläre Blutentnahme aus der Ferse (Trockenblut auf Filterpapier) ab der 36. Lebensstunde. 4 Ausnahme: erste Probenentnahme vor der 36. Lebensstunde (dann 2. Screening notwendig, z. B. bei U2): 5 Vor Bluttransfusion/Austauschtransfusion. 5 Vor Behandlung mit Kortikosteroiden oder Dopamin. 5 Vor Verlegung in eine andere Institution. 5 Bei früher Entlassung vor der 36. Lebensstunde. 4 Suche nach folgenden Erkrankungen durch konventionelle Verfahren: 5 Hypothyreose, Adrenogenitales Syndrom, Biotinidase-Mangel, Klassische Galaktosämie 4 bzw. durch Tandem-Massenspektrometrie (TMS): 5 Aminoazidopathien (Phenylketonurie, Hyperphenylalaninämie, Ahornsiruperkrankung), Fettsäureoxidationsdefekte (MCAD-, VLCAD-
Definition. Gestörte Umwandlung von Phenylalanin zu
Tyrosin durch defekte Phenylalaninhydroxylase (PAH) oder Störung des Kofaktors Tetrahydrobiopterin (BH4). Vermehrte Urinausscheidung von Phenylbrenztraubensäure (ein Keton, daher der Name »Phenylketonurie«) (. Abb. 5.1). Einteilung. Drei Schweregrade je nach Enzymrestaktivität: . Tab. 5.1. Epidemiologie. Häufigkeit: ca. 1:7 000. Ätiopathogenese. Hohe Phenylalaninkonzentratio-
nen hemmen die Tyrosin- und Tryptophanhydroxylase, dadurch Defizit der Neurotransmitter Dopamin, Serotonin, Noradrenalin, Adrenalin und Melanin. Zudem hemmt Phenylalanin die intrazerebrale Protein- und Myelinsynthese und fördert den Myelinabbau. Symptomatik. Bei früher Diagnose und Therapie: unauffällige Entwicklung.
. Abb. 5.1. Störungen des Stoffwechsels aromatischer Aminosäuren. 1 Phenylalaninhydroxylase-Defekt→PKU, HPA 3 Tetrahydrobiopterinsynthese-Defekt→atypische PKU 2 Dihydropteridinreduktase-Defekt→atypische PKU 4 Fumarylazetoazetase-Defekt→Hypertyrosinämie Typ-1
63 5.1 · Aminosäurenstoffwechsel
. Tab. 5.1. 3 Schweregrade der PKU Phenylalanin i. S.
5
Ziel: Phenylalaninspiegel: 4 0,7-4 mg/dl (bis 10. Lebensjahr), 0,7-15 mg/dl (bis 16. Lebensjahr), 0,7–20 mg/dl (>16. Lebensjahr).
Restaktivität des Enzyms (PAH)
> Bei PKU ist eine lebenslange Therapie erforderlich.
Komplikationen. Maternale Phenylketonurie: Erhöhte
Klassische PKU
>1 200 μmol/l
2 mg/dl=120 μmol/l) 4 Labor: Plasmaphenylalaninspiegel erhöht, Phenylalanin/Tyrosin-Ratio erhöht 4 Ausschluss eines BH4-Defekts (s. u.) durch: 1. Bestimmung des Pterin-Musters im Urin und der Dihydropterin-Reduktase (DHPR)-Aktivität im Blut 2. BH4- oder kombinierter Phenylalanin-/BH4Belastungstest 4 Mutationsanalyse des PAH-Gens
Phenylalaninspiegel in der Schwangerschaft führen zu einer Embryo-Fetopathie mit Fehlgeburten, Dystrophie, Mikrozephalie, mentaler Retardierung und kardialen Fehlbildungen. Bei Kinderwunsch ist eine streng phenylalaninarme Diät bereits vor der Konzeption und während der gesamten Schwangerschaft einzuhalten, welche Schäden verhindern kann. Prognose. Bei Diagnose und konsequenter Diät ab der Neugeborenenperiode altersentsprechende Entwicklung; bei später einsetzender Diät meist noch Besserung möglich.
Hyperphenylalaninämien durch Tetrahydrobiopterinmangel (BH4) Definition. Früher Mangel an Tetrahydrobiopterin (BH4) (Kofaktor der Phenylalaninhydroxylase) führt zu erhöhtem Blut-Phenylalanin. Zudem wird BH4 für die Neurotransmittersynthese benötigt (Hydroxylierung von Tyrosin und Tryptophan). Diagnostik.
4 Im Neugeborenen-Screening erhöhte Phenylalaninspiegel. 4 Neurologische Symptome trotz phenylalaninarmer Diät. 4 BH4-Belastungstest: orale BH4-Gabe aktiviert Phenylalaninhydroxylase, innerhalb weniger Stunden Phenylalanin-Abfall und Tyrosin-Anstieg im Blut.
Therapie. Diätetische Therapie mit dem Ziel der Nor-
malisierung der erhöhten Phenylalaninspiegel: 4 Phenylalaninfreie Säuglingsdiät in den ersten Tagen zur raschen Senkung der Phenylalaninspiegel. 4 Dann phenylalaninarme Diät. Phenylalanin ist eine essenzielle Aminosäure und muss in kleinen Mengen mit der Nahrung zugeführt werden, bei Säuglingen durch begrenzte Mengen Muttermilch oder Säuglingsnahrung. 4 Später eiweißreduzierte Nahrung: keine Milchprodukte, kein Fleisch oder Fisch; eiweißarme Lebensmittel. Natürliche Proteine enthalten ca. 5% Phenylalanin; Eiweißsubstitution mit phenylalaninfreiem Aminosäuregemisch.
Therapie. Keine Durchführung einer phenylalaninarmen Diät (außer: DHPR-Mangel), sondern Substitution von Tetrahydrobiopterin und Neurotransmittervorstufen (L-Dopa/Karbidopa, 5-OH-Tryptophan).
Hypertyrosinämien Hypertyrosinämie Typ I (hepatorenale Hypertyrosinämie) Definition. Defekte Fumarylazetoazetase (Fumarylazetoazetat-Hydrolase, FAH), katalysiert den Umbau von Fumarylazetessigsäure zu Fumarsäure und Azetessigsäure (Abbauweg des Tyrosins, . Abb. 5.1). Epidemiologie. Häufigkeit: 1:700 (Quebec) bis zu
1:50 000 (Norwegen).
64
Kapitel 5 · Stoffwechselstörungen
Symptomatik. Akutes Leberversagen oder chronische
Therapie.
Leberzirrhose mit Gefahr der Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms; renaltubuläre Dysfunktion (De-Toni-Debré-Fanconi-Syndrom, 7 Kap. 5.1.4).
4 NTBC (2-(2-Nitro-4-Trifluoromethyl-benzoyl)1,3-zyklohexadion) hemmt die Bildung von Succinylaceton und anderer toxischer Tyrosinabbauprodukte. 4 Tyrosin- und phenylalaninarme Diät 4 Ggf. Lebertransplantation
Diagnostik.
5
4 Labor: Succinylaceton in Plasma und Urin erhöht; 5-Aminolävulinsäure-Dehydratase-Aktivität erniedrigt (Inhibierung durch Succinylaceton); evtl. Tyrosin-, Methionin- und Phenylalanin-Konzentrationen im Plasma erhöht. 4 FAH-Aktivität in Leber oder Fibroblasten erniedrigt. 4 Mutationsanalyse des FAH-Gens
Prognose. Ohne Therapie häufig frühes Leberversagen. ! Bei Leberversagen im Kindesalter muss immer auch an eine Hypertyrosinämie Typ I gedacht werden.
. Tab. 5.2. Weitere Störungen des Stoffwechsels aromatischer Aminosäuren Hypertyrosinämie Typ II (okulokutane Hypertyrosinämie)
Alkaptonurie
Albinismus (okulokutane Form)
Definition
Störung der zytosolischen Tyrosin-Aminotransferase, die am Abbau von Tyrosin zu 4-Hydroxyphenylpyruvat beteiligt ist.
Defekt der HomogentisinsäureDioxygenase
Defekt der Melaninbildung bei der Umwandlung von Tyrosin über Dopa und Dopa-o-Chinon
Pathogenese
Akkumulation von Tyrosin in Plasma und Liquor, kristalline Ablagerung von Tyrosin in der Kornea.
Akkumulation von Homogentisinsäure und ihres Derivats Benzoquinonazetat, Ablagerung in Haut, Schleimhaut und Knorpeln
Fehlen von Melanin
Symptomatik
4 Palmare und plantare Hyperkeratosen 4 Bds. Herpetiforme Keratokonjunktivitis mit Ulzerationen 4 Entwicklungsstörung (60%)
4 Typische Trias: 4 Nachdunkeln des Urins durch Oxidation der Homogentisinsäure 4 Ochronose: Dunkelfärbung von Knorpel und Skleren durch Ablagerung 4 Arthritis: bei älteren Patienten degenerative Veränderungen an allen großen Gelenken und der Wirbelsäule
4 Weiße, sehr sonnenempfindliche Haut 4 Weißes Haar 4 Transparente Iris mit durchscheinender Choroidea: zentrale Skotome, beeinträchtigte Sehschärfe
Diagnostik
Tyrosin im Plasma ↑↑↑, 4-Hydroxyphenylpyruvat, -laktat, -acetat im Urin ↑, Enzymaktivität in der Leber ↓, Mutationsanalyse
Im Urin: Homogentisinsäure ↑↑
Klinisch
Therapie
Tyrosin- und phenylalaninarme Diät
Eiweißarme Diät
Sonnenschutz von Haut und Makula
Prognose
Unter Therapie Rückbildung der kornealen und kutanen Veränderungen
Normale Lebenserwartung, jedoch Komplikationen durch Ablagerungen an Gelenken, Gefäßen und Myokard
Erhöhte Inzidenz an Hauttumoren, Sehschärfe beträgt nur ca. 10% der normalen Sehschärfe.
65 5.1 · Aminosäurenstoffwechsel
5.1.3 Störungen des Stoffwechsels
verzweigtkettiger Aminosäuren Ahornsirupkrankheit (Maple Syrup Urine Disease, MSUD) Definition. Mangel des verzweigtkettigen 2-Oxosäurendehydrogenase-Komplexes mit gestörtem Abbau (gestörter oxidativer Dekarboxylierung) von Leucin, Isoleucin und Valin (BCAAs = Branched-Chain Amino Acids).
5
Dauertherapie: 4 Eiweißarme Nahrung, Eiweißsubstitution durch BCAA-freie Aminosäuremischungen (angereichert mit Vitaminen und Spurenelementen). 4 Bei katabolen Zuständen (OP, Infekt): hochdosierte Glukose- und Insulininfusion 4 Evtl. begleitend Thiamingabe bei nachgewiesender Thiaminsensitivität Prognose. Bei frühzeitiger Therapie befriedigende
Prognose. Unbehandelt Tod im Säuglingsalter. Epidemiologie. Häufigkeit: 1:100 000 bis 1:200 000.
Einteilung der Ahornsirupkrankheit Klassische (akut-neonatale) Form: Akute Dekompensation in den ersten Lebenstagen mit Somnolenz, Trinkschwäche, Ketose, Enzephalopathie, Koma, Uringeruch nach Ahornsirup (wie Maggi, Lakritz). Bei Restaktivität des Enzyms Intermediärform (chronische Form): rezidivierendes Erbrechen, Gedeihstörung, Entwicklungsstörung, oder Intermittierende (»late-onset«) Form: unauffällige Entwicklung, Symptome nur im Rahmen kataboler Phasen (z. B. Infekte), intermittierende metabolische Entgleisungen mit Lethargie, Ataxie.
Ätiopathogenese. Akkumulation von Leucin, Isoleucin
und Valin und ihrer korrespondierenden 2-Oxosäuren in Organen und Körperflüssigkeiten.
! Bei MSUD besteht bei Katabolismus (z. B. Infekt, OP) die Gefahr der Entwicklung einer schweren, lebensbedohlichen Ketoazidose und eines Gehirnödems.
Organoazidurien Definition. Störungen im Abbau der verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAAs) Leucin, Isoleucin oder Valin, dadurch vermehrte Ausscheidung organischer Säuren (. Tab. 5.3). Ätiopathogenese. Akkumulation organischer Säuren, dadurch: 4 Hemmung der Pyruvatdehydrogenase und sekundärer Laktatanstieg mit metabolischer Azidose 4 Hemmung der Pyruvatcarboxylase und Hypoglykämie 4 Hemmung der Acetylglutamatsynthetase mit Hyperammonämie und der Entwicklung eines Gehirnödems 4 Endogene Detoxifizierung durch Veresterung mit Carnitin, es resultiert ein Carnitinmangel.
Diagnostik.
4 Frühdiagnose im Neugeborenenscreening (TMS) 4 Labor: Leucin, Isoleucin, Valin und Alloisoleucin (beweisend) im Plasma erhöht, schwere Ketose oder Ketoazidose; Urin: Verzweigtkettige 2-Oxound 2-Hydroxysäuren erhöht Therapie. Akuttherapie (intensivmedizinisch):
4 Stopp der Zufuhr von natürlichem Eiweiß (nicht länger als 12 h). 4 Hochkalorische, parenterale Anabolisierung (Insulin, Glukose und Lipide i.v.) und Weiterführung der enteralen Zufuhr von BCAA-freiem Aminosäurengemisch zum Durchbrechen des Katabolismus. 4 Ggf. Detoxifikation durch Austauschtransfusion, Hämodialyse, -filtration zur Entfernung der toxischen Metabolite.
Symptomatik. Leitsymptom sind periodisch auftre-
tende metabolische Azidosen, ausgelöst v. a. durch Katabolie (Infekte, Fasten, OP). Diagnostik.
4 Neugeborenenscreening bei IVA 4 Labor: metabolische Azidose, Hyperlaktatämie, Hyperammonämie, Hypoglykämie, freies Carnitin im Blut erniedrigt, im Urin organische Säuren 4 Erniedrigte Enzymaktivität in Fibroblasten, Mutationsanalyse
66
Kapitel 5 · Stoffwechselstörungen
. Tab. 5.3. Wichtige Organoazidurien Methylmalonazidämie (MMA)
Propionazidämie (PA)
Isovalerianazidämie (IVA)
Multipler Carboxylasemangel
Definition
Defekt der Methylmalonyl-CoA-Mutase
Defekt der PropionylCoA-Carboxylase
Defekt der IsovalerylCoA-Dehydrogenase
Störung im Abbau mehrerer organischer Säuren durch Biotinmangel (angeboren bei Biotinidasemangel oder erworben) oder durch die fehlende Bindung von Biotin an Apocarboxylasen (HolocarboxylaseSynthetase-Mangel). Biotin ist ein für die Carboxylierung benötigter Kofaktor.
Symptomatik
4 Schwere, metabolische Ketoazidosen im Neugeborenenalter 4 Panzytopenie, mentale Retardierung, extrapyramidale Bewegungsstörungen, Pankreatitis, progrediente Niereninsuffizienz
4 Schwere, metabolische Ketoazidosen im Neugeborenenalter 4 Panzytopenie, mentale Retardierung, extrapyramidale Bewegungsstörungen, Pankreatitis, Kardiomyopathie
4 Ketoazidose 4 Intensiver »Schweißfuß«-Geruch
4 Metabolische Azidose 4 Muskelhypotonie, Ataxie 4 Ekzem, Alopezie
Therapie
Valin-, Isoleucin-, Methionin- und Threonin-reduzierte Diät, L-CarnitinSubstitution
Valin-, Isoleucin-, Methionin- und Threonin-reduzierte Diät, L-Carnitin-Substitution
Protein- bzw. Leucinreduzierte Diät, Substitution von L-Carnitin, ggf. von L-Glycin
Normalisierung des Stoffwechsels durch Biotin-Substitution
5
Therapie. Akuttherapie (intensivmedizinisch):
4 Stopp der Zufuhr von natürlichem Eiweiß (nicht länger als 12 h) 4 Hochkalorische, parenterale Anabolisierung (Insulin, Glukose und Lipide i.v.) und Weiterführung der enteralen Zufuhr von Leucin (bzw. Isoleucin, Valin, Methionin, Threonin) – freiem Aminosäurengemisch; Azidosebehandlung; L-Carnitin i.v. zur Ausschleusung toxischer Metabolite (plus L-Glycin p.o. bei IVA); ggf. Austauschtransfusion, Hämodialyse, oder -filtration zur Entfernung der toxischen Metabolite; ggf. Organtransplantation (MMA, PA).
Dauertherapie: 4 Eiweißarme Diät; Substitution einer Aminosäuremischung ohne Leucin bzw. ohne Isoleucin, Valin, Methionin, Threonin, L-Carnitin (plus L-Glycin bei IVA); ggf. Metronidazol (Reduktion der mikrobiellen enteralen Propionat-Produktion bei MMA/PA). Bei multiplem Carboxylasemangel: Biotin p. o. Störungen der mitochondrialen Fettsäurenoxidation Definition. Enzymatische Defekte der mitochondrialen Fettsäurenoxidation (FAO) mit gestörter Energieproduktion.
67 5.1 · Aminosäurenstoffwechsel
5
Therapie. Einteilung der Störungen der mitochondrialen Fettsäurenoxidation 4 Carnitinzyklus-Defekte: – Carnitintransporter-Defekt (CTD; primärer Carnitinmangel), Carnitin-Palmitoyltransferase-1-Mangel (CPT1-Mangel), CarnitinAcylcarnitin-Translokase-Mangel (CACTMangel), Carnitin-Palmitoyltransferase-2Mangel (CPT2-Mangel) 4 Störungen der mitochondrialen β-Oxidation von Fettsäuren: – (Über)Langkettigen-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (VLCAD-Mangel), Langkettigen-Hydroxyacyl-CoA-DehydrogenaseMangel (LCHAD-Mangel)/Defekt des Mitochondrialen Trifunktionalen Proteins (MTP), Mittelkettigen-Acyl-CoA-DehydrogenaseMangel (MCAD-Mangel, häufigster FAODefekt), Kurzkettigen-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (SCAD-Mangel)
4 Vermeidung prolongierter Fastenperioden, häufige kohlenhydratreiche Mahlzeiten 4 Akute Krise: hochdosiert Glukose i.v., ggf. mit Insulin 4 Mittelkettige Triglyzeride (MCT) bei langkettigen FAO-Defekten/Carnitinzyklus-Defekten 4 Carnitin bei Carnitinmangel (insbesondere CTD; nicht bei langkettigen FAO-Defekten/übrigen Carnitinzyklus-Defekten) 5.1.4 Störungen im Stoffwechsel
schwefelhaltiger Aminosäuren Homocystinurie Definition.
Defekt der Cystathionin-β-Synthase (Syntheseweg des Cysteins aus Methionin) und gestörter Synthese von Cystathionin aus Homozystein und Serin. Epidemiologie. Häufigkeit: 1:200 000 bis 1:300 000
Symptomatik.
4 Bei Katabolie (z. B. Infekt, Fasten, OP) hypoketotisch-hypoglykämisches Koma mit Leberbeteiligung, Hyperammonämie. Häufig Erstmanifestation im späten Säuglingsalter, falls nicht im Neugeborenenscreening diagnostiziert. 4 Langkettige FAO-Defekte/Carnitinzyklus-Defekte: Schwere neonatale Laktatazidose, Kardiomyopathie, Rhabdomyolysen, muskuläre Hypotonie, Hepatopathie. 4 LCHAD-/MTP-Mangel: zusätzlich Neuropathie, Retinopathie. Cave: Schwangere mit einem betroffenen Fetus können sich mit einem HELLP-Syndrom präsentieren. Diagnostik.
4 Neugeborenenscreening (MS; Ausnahmen: CTD, SCAD-Mangel) 4 Labor: erhöhte spezifische Acylcarnitine, freies Carnitin im Blut erniedrigt (Ausnahme: CPT1Mangel) 4 Organische Säuren im Urin: Nachweis spezifischer pathologischer Metabolite (Dicarbonsäuren, Acylglycine) 4 Akute Krise: Hypoglykämie, (Laktat)azidose, Ketonkörper erniedrigt/fehlend, freie Fettsäuren im Plasma erhöht. Erhöhung von Transaminasen, CK, Ammoniak, ggf. Myoglobinurie 4 Enzymaktivität in Fibroblasten, Lymphozyten erniedrigt 4 Mutationsanalyse
(Irland 1:65 000). Ätiopathogenese. Akkumulation von Homocystein
und Methionin (durch Remethylierung von Homocystein) führt zu Bindegewebsläsionen und vermehrter Thrombozytenadhäsivität. Symptomatik.
4 Klinische Trias (DD: Marfan-Syndrom): Linsendislokation (nach unten), Langgliedrigkeit, kardiovaskuläre Erkrankungen 4 Thromboembolische Komplikationen, psychomotorische Retardierung (60%), psychiatrische Auffälligkeiten und zerebrale Krampfanfälle (50%), Myopie, Glaukom, Osteoporose. 4 Charakteristisches Aussehen: marfanoider Habitus, dünne Haare, Kyphoskoliose, eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit Diagnostik.
4 Labor: Homocystein und Methionin im Plasma erhöht, Cystin erniedrigt 4 Urin: Homocysteinausscheidung stark erhöht, positiver Zyanid-Nitroprussid-Test (Brandprobe): Nachweis schwefelhaltiger Säuren 4 Enzymaktivität in Fibroblasten erniedrigt 4 Mutationsanalyse des CBS-Gens Therapie.
4 Vitamin B6 (100–1 000 mg/Tag) plus Folsäure 5–10 mg/Tag (ca. 10% Pyridoxin-responsive Patienten)
68
Kapitel 5 · Stoffwechselstörungen
4 Bei Nichtansprechen: methioninarme, cystinreiche Diät 4 Betain zur Remethylierung von Homocystein zu Methionin 4 Ggf. Vitamin B12, Vitamin C Cystinose Definition. Lysosomale Transportstörung von Cystin
kann bei frühzeitigem Therapiebeginn weitgehend erhalten werden. 4 Symptomatisch: Ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit, Pufferung (Natrium-, Kaliumbikarbonat), Elektrolytsubstitution. Phosphatsubstitution und Vitamin-D-Substitution bei hypophosphatämischer Rachitis. Ggf. Carnitinsupplementation. Ultima ratio: Hämodialyse, Nierentransplantation.
mit Speicherung von Cystin in fast allen Geweben.
5
Epidemiologie. Häufigkeit: 1:180 000. Ätiopathogenese. Cystinosin ist ein lysosomales Membranprotein, das für den Transport des Cystins aus den Lysosomen verantwortlich ist. Ein Defekt des Proteins führt zur Speicherung von Cystin v. a. in retikuloendothelialen Zellen verschiedender Organe: Kornea, Konjunktiva, Schilddrüse, Leber, Milz, Pankreas, Niere, Gonaden, Lymphknoten, Knochenmark, Muskel und ZNS. Symptomatik.
4 In der Niere entstehen schwere Funktionsstörungen, zunächst am Tubulus, später am Glomerulus. 4 Kinder oft hellblond, hellhäutig und lichtscheu (Cystinkristalle in Kornea und Konjunktiva) 4 Zunächst: normale Entwicklung 4 Später: Appetitlosigkeit, Erbrechen, Gewichtsstillstand, Dystrophie, Fieber, Organomegalien, Blindheit, zerebrale Atrophie, Diabetes mellitus, Hypothyreose 4 DeToni-Debré-Fanconi-Syndrom: Generalisierte Hyperaminoazidurie, vermehrte Ausscheidung von Glukose, Phosphat, Kalzium, Kalium, Natrium und Bikarbonat, Polyurie, Vitamin-D-resistente Rachitis, renale Azidose ! Bei Cystinose können schwere Stoffwechselkrisen im Rahmen von Infekten durch Dehydratation und Elektrolytverluste schon im Säuglingsalter zum Tod führen.
Diagnostik.
4 Nachweis intrazellulärer Cystinvermehrung in peripheren Leukozyten, Fibroblasten, Amnionzellen; Mikroskopisch Cystinspeicherung an Nativpräparaten von Knochenmark, Lymphknoten (doppelbrechende Kristalle in polarisiertem Licht), Spaltlampenuntersuchung: Cystinkristalle in Kornea und Konjunktiva, Mutationsanalyse des CTNS-Gens Therapie.
4 Cysteamin wirkt cystinbindend und reduziert so die Cystinspeicherung. Die glomeruläre Funktion
Prognose. Oft jahrelanges relatives Wohlbefinden, jedoch Kleinwuchs, Durst und Polyurie; dann progrediente, terminale Niereninsuffizienz und hypokalzämische Krampfanfälle im Schulalter.
5.1.5 Störungen der Harnstoffsynthese Definition/Ätiopathogenese. Beim Aminosäureabbau
entstehendes NH3 (Ammoniak) wird hauptsächlich durch hepatische Harnstoffbildung entgiftet. Harnstoffzyklusdefekte durch Defekte der beteiligten Enzyme manifestieren sich in jedem Lebensalter, typischerweise mit einer Hyperammonämie. Die Effektivität der NH3Entgiftung der Leber wird durch die Glutaminsynthese gesteigert, Glutamin fungiert dabei als Puffer. Zu hohe Glutaminkonzentrationen können zum Hirnödem führen. Eine erhöhte Glutaminkonzentration im Plasma ist der empfindlichste Parameter für eine unzureichende Harnstoffsynthese.
Beispiele für Störungen der Harnstoffsynthese 4 Ornithin-Transcarbamylase-Mangel (OTC-Mangel, häufigster Harnstoffzyklusdefekt, X-chromosomal, bei Jungen oft neonatal letal) 4 Carbamylphosphat-Synthetase-I-Mangel (CPS I-Mangel) 4 Citrullinämie (Mangel der ArgininosuccinatSynthetase (ASS)) 4 Argininbernsteinsäurekrankheit (Mangel der Argininosuccinat-Lyase (ASL)) 4 HHH-Syndrom (Hyperammonämie, Hyperornithinämie, Homocitrullinämie)
Epidemiologie. Häufigkeit: 1:8 000. Symptomatik.
4 Neugeborene und Kleinkinder: Lethargie, Trinkschwäche, Erbrechen, Hyperventilation, Krampfanfälle, Ataxie, Areflexie, Enzephalopathie und Koma
69 5.1 · Aminosäurenstoffwechsel
4 Erwachsene: Chronische neurologische und psychiatrische Auffälligkeiten mit Lethargie, Psychose, rezidivierender Enzephalopathie bei hoher Proteinzufuhr oder -katabolismus im Rahmen von metabolischem Stress (Infektion, Fasten, OP) Diagnostik.
4 Labor: Hyperammonämie, respiratorische Alkalose, Glutaminerhöhung 4 Urin: Nachweis von Orotsäure (nicht erhöht bei CPS I- oder N-Acetylglutamat-Synthetase (NAGS)Defekt) 4 Enzymaktivität (Leber) erniedrigt 4 Mutationsanalyse > Bei allen Patienten mit unklarer Enzephalopathie muss NH3 im Blut bestimmt werden.
Therapie. Notfalltherapie:
4 Bei NH3 >500 μmol/l: sofortige extrakorporale Entgiftung (Hämodialyse). Stopp der Proteinzufuhr. Aufhebung der katabolen Stoffwechsellage (Insulin/Glukose, Lipide i.v.). NH3-Entgiftung mit Na-Benzoat i.v., Na-Phenylbutyrat enteral. Ersatz von Intermediaten des Harnstoffzyklus (Arginin i.v., ggf. plus Citrullin). Unterstützung des mitochondrialen Stoffwechsels durch Carnitin. Unterstützung der renalen NH3-Ausscheidung (reichlich Flüssigkeit, Diuretika). Dauertherapie: 4 Anabolie erhalten. Proteinzufuhr begrenzen, Substitution essenzieller Aminosäuren. Substitution von Arginin und ggf. Citrullin. Entfernung von NH3 durch Na-Benzoat, Na-Phenylbutyrat. Ggf. Carnitinsubstitution. Ggf. Laktulose (bindet Ammoniak im Darm). Prognose. Schlechte Prognose bei protrahiertem Koma
länger als 36 h vor Therapiebeginn. 5.1.6 Weitere Enzymopathien des
Aminosäurenstoffwechsels Hierzu gehören z. B.: 4 Nicht-ketotische Hyperglycinämie: Glycin im Blut, Liquor und Urin stark erhöht, schwere epileptische Enzephalopathie ab dem 1. Lebenstag 4 Oxalose (Hyperoxalurie): Kalziumoxalat-Ablagerungen, rezidivierende Nierensteinbildung, Nephrokalzinose, Begleitpyelonephritis, Niereninsuffizienz
5
5.1.7 Renale Aminosäurentransport-
defekte
Einteilung der renalen Aminosäurentransportdefekte Partielle Defekte: 4 Vermehrte Ausscheidung einzelner Aminosäuren oder Gruppen von Aminosäuren (z. B. Cystinurie) Generalisierte Aminoazidurien: 4 Generalisiert vermehrte Aminosäurenausscheidung, meist sekundär bei anderen Stoffwechselstörungen (Cystinose, Galaktosämie, Hypertyrosinämie Typ I, Morbus Wilson), häufig in Kombination mit tubulären Funktionsstörungen: DeToni-Debré-Fanconi-Syndrom (7 Kap. 5.1.4)
Cystinurie Definition. Transportdefekt des Tubulusepithels mit gestörter Rückresorption von Cystin, Lysin, Arginin und Ornithin. Epidemiologie. Häufigkeit: 1:2 000 bis 1:7 000. Symptomatik. Auskristallisieren des Cystins im sauren Milieu der Harnwege führt zu Urolithiasis. Diagnostik. Urin: positiver Zyanid-Nitroprussid-Test (Brandprobe), muss bei allen Kindern mit Urolithiasis durchgeführt werden, Nachweis des charakteristischen Aminosäuremusters. Therapie.
4 Erhöhte Flüssigkeitszufuhr (auch nachts) 4 Steinprophylaxe durch Alkalizufuhr (höhere Cystin-Löslichkeit bei alkalischem Urin) 4 Evtl. D-Penicillamin oder Mercaptopropionylglycin zur Cystinbindung 4 Bei Urolithiasis: Lithotrypsie oder operative Entfernung
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Kapitel 5 · Stoffwechselstörungen
5.2
Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels Wichtige Elemente des Kohlenhydratund Energiestoffwechsels
5
4 Glukose: wichtigste, schnell verfügbare Energiequelle des Organismus, besonders für Gehirn und Erythrozyten. 4 Glykogen: Speicherung in Leber und Muskulatur, Bildung aus Glukose-6-Phosphat 4 Glukoneogenese: Glukosesynthese aus Pyruvat, Aminosäuren und Glycerin 4 Glykolyse: Abbau zu Pyruvat 4 Lipolyse: Abbau von Fetten zu Glycerin und freien Fettsäuren 4 Ketogenese: Bildung von Ketonkörpern (Azetoazetat, β-Hydroxybutyrat, Azeton) aus Fettsäuren.
. Tab. 5.4. Symptome der Hypoglykämie Neugeborene
Säuglinge/Kinder
Trinkschwäche
Blässe, Schwitzen
Tremor (»zittrig«)
Hunger, Bauchschmerzen
Apnoe, Zyanose
Übelkeit, Erbrechen
Blässe
Schwäche, Apathie
Tachypnoe
Kopfschmerzen
Hypotonie
Sehstörungen
Hyperexzitabilität
abnorme Verhaltensmuster
Krampfanfälle
Bewusstseinstrübung
Koma
Krampfanfälle Koma
5.2.1 Hypoglykämien
Differenzialdiagnose. . Tab. 5.5.
Definition. Absinken der Blutglukose